Sehr geehrte Frau Kirchner, ich habe gerade Ihr Interview im DLF gehört und möchte mich ausdrücklich für Ihre ausgewogene Position zwischen den berechtigten Interessen der Streikenden als auch den tatsächlich bestehenden Sorgen und Nöte der Eltern bedanken. Als Sozialarbeiter bin ich zwar nicht in einer Kindertagesstätte tätig, aber von den Verhandlungen im Sozial- und Erziehungsdienst ebenfalls betroffen. Im Interview haben Sie davon gesprochen, dass die VKA jetzt ein Angebot vorgelegt hat. Dieses Angebot ist aber nahezu inhaltsgleich mit dem vorherigen "Diskussionspapier" der VKA, was zum Scheitern der Verhandlungen geführt hat. Damit Sie - und alle betroffenen Eltern- sich einen eigenen Eindruck über das "Angebot" der Arbeitgeber verschaffen können, erlaube ich mir, die wichtigsten Inhalte kurz, aber detailliert zu erläutern.Um den Gesamtkomplex vollständig nachzuvollziehen, muß ich zuvor leider noch einen kurzen "Abstecher" in ́s letzte Jahrtausend vornehmen. Die Eingruppierungsmerkmale, die noch immer aktuell Anwendung auf die Berufsgruppe der ErzieherInnen - aber auch eben auf alle anderen Berufsgruppen im Sozial- und Erziehungsdienst- finden, datieren aus dem Jahr 1991. Konfliktgegenstand in dieser Tarifauseinandersetzung ist also die Frage,ob sich seit 1991 grundlegende gesellschaftliche/ gesetzliche Anforderungsveränderungen ergeben haben, die eine Aufwertung nach sich ziehen müssen. Während die Gewerkschaften dies für alle Berufsgruppen des Sozial- und Erziehungsdienst bejahen, sehen die kommunalen Arbeitgeber dies nur für wenige Berufsgruppen und Tätigkeitsmerkmale gegeben! Beispielhaft wird von den kommunalen Arbeitgebern für ErzieherInnen eine Gehaltserhöhung bis zu € 443,- angeboten. Leider wird nicht erwähnt, dass dieser Betrag nur von den ErzieherInnen erreicht wird, die sich nach 17-26 Berufsjahren endlich in der Entwicklungsstufe 6 /S8 befinden. (Bislang ca. 3-5 % aller ErzieherInnen) ErzieherInnen mit deutlich weniger Berufserfahrung z.B. in E.stufe 2/S8 würden davon mntl. in Höhe von ca. € 67,- profitieren.Ich gehe mal davon aus ,dass auch in den Kitas in Ihrem Umfeld mehrheitlich jüngere KollegInnen arbeiten. Und wenn für ErzieherInnen eine Aufstufung von S6 nach S7 in Betracht käme, würde dieser Personenkreis mntl. eine monatliche Aufwertung von € 27-€39 erfahren. Diese "Aufwertung" aber nur für den Teil der ErzieherInnen, bei denen sich aus Sicht der Kommunalen Arbeitgeber auch tatsächlich gesellschaftliche/ gesetzliche Anforderungsveränderungen ergeben haben.Entsprechende Kriterien der VKA sind z.B. Integration, benachteiligte Kinder, Inklusion!? Es ist davon auszugehen, dass maximal 30-40 % der ErzieherInnen insgesamt von dem Angebot erreicht werden können.Dass bedeutet, dass mindestens 60% dieser Berufsgruppe keine Aufwertung erfahren würden. Für folgende Berufsgruppen wurden ausdrücklich keine Angebote vorgelegt, weil sich aus Sicht der Kommunalen Arbeitgeber seit 1991 dort eben keine grundlegenden gesellschaftlichen/ gesetzlichen Anforderungsveränderungen ergeben haben: - Sozialarbeiter/SozialpädagogInnen in den Sozialen Diensten der Jugendämter(z.B.Kinderschutz), in Stadtteil- und Jugendzentren - HeilpädagogInnen - HeilerziehungspflegerInnen - (stellv.) Leitungen von Erziehungsheimen - (stellv.) Leitungen von Tagesstätten für Erwachsene (Liste ist nicht abschließend) Diese Haltung haben die kommunalen Arbeitgeber seit der ersten Verhandlungsrunde im Februar 2015 vertreten und haben davon bis heute nicht Abstand genommen.Dies auch vor dem Hintergrund, dass die Gewerkschaften ständig und deutlich darauf hingewiesen haben, dass diese Haltung den jetzt eingetretenen Erzwingungsstreik auslösen wird. Und diese Haltung speist sich ja aus den Vorstellungen der Mitgliedernämlich der (Ober-) Bürgermeister und Landräte, wie die VKA inhaltlich mit den Gewerkschaften verhandeln soll. Dies ist insoweit interessant, dass (Ober-) Bürgermeister und Landräte häufig erklären, sie seien weder direkt noch indirekt Tarifpartei. Ich weiß nicht, welche Haltung die kommunalen Spitzen Ihrer Gemeinde dazu einnehmen. Ich darf Ihnen abschließend versichern, dass jeder Streiktag für alle KollegInnen ein berufsethischer Spagat darstellt. Wir wissen um die aktuelle Betreuungsproblematik, wollen aber auch, dass unsere Anliegen gesehen werden. Wir würden lieber " heute als morgen" wieder in die Betriebe zurückkehren, um wieder mit Kindern, Eltern Jugendlichen und Erwachsenen zu arbeiten. Ich bedanke mich bei Ihnen, dass Sie sich Zeit genommen haben. Mit freundlichen Grüßen Volker GLITZA/Ruhrgebiet 1. Juni 2015
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