Technische Textilien

technische textilien Schweizer Innovationen als Lösungen für globale Herausforderungen
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technische textilien
Schweizer Innovationen
als Lösungen für globale
Herausforderungen
2
3
Editorial
4
Technische Textilien
Was Textilien anderen M
­ aterialien
voraushaben
Grusswort von Bundesrat
Johann N. Schneider-Ammann
12
Gesundheit
Wirkungsvolle medizinische Versorgung
16
Individualisierung
Individuelle Bedürfnisse erfüllen
22
Mobilität
Sicher und schnell unterwegs
26
Nachhaltigkeit
Ressourcen schonen
30
National und international vernetzt
Innovation durch Vernetzung
2
editorial
Schweizer Innovationen
für den weltmarkt
Die Textil- und Bekleidungsindustrie Schweiz hat sich in den letz­ten
Jahrzehnten stark in einen global integrierten Werkplatz gewandelt.
Forschung und Entwicklung für ein Produkt befinden sich an einem
Ort, Management und Finanzierung an einem anderen und die
Herstellung meist an mehreren. Die Textil- und Bekleidungsunter­
nehmer in der Schweiz sind heute hauptsächlich auf Nischen‑
märkte fokussiert und bieten Spezialitäten an. Sei es im modischen
Bereich, mit hochwertigen Stickereien oder Stoffen für die Haute
Couture, bei Heimtextilien, mit Produkten, die hohe Anforderungen
an Funktion und Design erfüllen, oder im Bereich der technischen
Textilien, wo Hightechprodukte aus textilen Materialien in den unter‑
schiedlichsten Anwendungsgebieten ihren Einsatz finden. Viele
Schweizer Firmen schauen auf eine jahrhundertealte Geschichte zu‑
rück. Immer wieder ist es ihnen gelungen, sich neuen Entwick­‑
lungen und Märkten anzupassen und eine Vorreiterrolle zu über­neh‑
men, indem sie bewährte Techniken für neue Anwendungen ein­‑
setzen.
Diese Publikation soll einen Einblick geben in die Vielfalt der Anwendungen und die Innovationskraft der Schweizer Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie zeigt, welche Herausforderungen zu meistern sind
und welchen Beitrag die ­Entwicklungen unserer Mitgliedsfirmen bei
deren Bewältigung leisten.
Wir sind überzeugt, dass die Bedeutung für technische Textilien in
Zukunft weiter wachsen wird. Als Verband engagieren wir uns, unsere
Mitgliedsfirmen mit den wichtigen nationalen und internationalen
Forschungspartnern und mit anderen Branchen zu vernetzen. Einem
internationalen Fachpublikum präsentieren sich unsere Mitglieder
mit unserer Unterstützung an der Techtextil 2015 in Frankfurt, der
internationalen Leitmesse für technische Textilien und Vliesstoffe.
Wir setzen uns ein, dass die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in der Schweiz die bestmöglichen Voraussetzungen bieten,
damit unsere Mitglieder weiterhin international erfolgreich sind. ×
Andreas Sallmann
Präsident
Peter Flückiger
Direktor
grusswort
Mit hochklassiger
Bildung und Forschung
stärken wir unsere
Wettbewerbsfähigkeit
3
Die Schweiz zählt zu den innovativsten Ländern der Welt. Zentrale
Gründe dafür sind unser einzigartiger Mix von akademisch und
berufspraktisch ausgebildeten Fachleuten, ein von Autonomie und
Exzellenz geprägtes Forschungs- und Entwicklungsklima sowie
das erfolgreiche Zusammenspiel von Grossunternehmen und kleinen
und mittleren Unternehmen.
Die KMU müssen innovativ sein, um international wettbewerbs‑
fähig zu bleiben. Weitere wichtige Eigenschaften sind ihre Reaktions­
fähigkeit, ihre Flexibilität und ihre Serviceorientiertheit. Täglich
müssen sie sich im Markt beweisen und die Bedürfnisse ihrer Kunden
berücksichtigen. So können sie zeitnah Verbesserungen ihrer Pro­
dukte und Prozesse vornehmen.
Die Schweizer Textil- und Bekleidungsindustrie ist ein Paradebeispiel
für die Innovationsfähigkeit in unserem Land. Als älteste und einst
grösste Industrie in der Schweiz hat sie sich stark gewandelt und den
veränderten globalen Rahmenbedingungen angepasst. Nach wie
vor gelten für sie typisch schweizerische Eigenschaften wie Qualitätsbewusstsein, Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und Präzision. Ihr ge‑
hören Unternehmen an, die sich über Jahrzehnte erfolgreich am Markt
bewiesen haben und sich auch in Zukunft erfolgreich der interna­
tionalen Konkurrenz stellen. Gerade bei technischen Textilien, einem
unserer wichtigsten Wachstumsmärkte, werden Schweizer Firmen
Lösungen für globale Herausforderungen bieten können. Wichtig dafür
ist die schon heute gelebte Zusammenarbeit von Wirtschaft und
Wissenschaft.
In unserem Land gibt es viele kreative Köpfe, die nicht nur Ideen
haben, sondern diese auch unternehmerisch umsetzen. Mit eigener
Kraft, auf eigenes Risiko und meist auch mit eigenem Kapital.
Hierfür braucht es einen offenen Geist und einen langen Atem. Ich
wünsche den Unternehmern der Schweizer Textil- und Beklei­
dungsindustrie den Mut und die Freiheit dazu. Sie leisten einen
wichtigen Beitrag für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes. ×
Johann N. Schneider-Ammann
Bundesrat
4
technische textilien
Was Textilien
anderen
­Materialien
Voraushaben
Textilien sind in unserem Alltag
omnipräsent. Oft sind wir
uns gar nicht bewusst, welche
Funk­tionen sie einnehmen
und dass sie in den unterschiedlichsten Gebieten anzutreffen
sind.
—
Verbindungsfreudig
Textilien können in den verschiedensten Formen
und Farben hergestellt werden. Sie bestehen
aus Natur- oder Kunstfasern, aber auch aus Metall,
Glas oder Keramik. Sie können fast beliebig
mit anderen Werkstoffen verbunden werden. So
sind zum Beispiel Produkte aus faserverstärk­‑
ten Kunststoffen leichter und steifer, als wenn sie
aus Stahl hergestellt werden. Sie werden für
viele technische Anwendungen eingesetzt, im Fahr‑
­zeugbau, in der Raumfahrt oder auch für Sport­‑
ge­räte.
—
Grosse Oberfläche, kleines Volumen
Textilien haben eine sehr grosse Oberfläche bei
verhältnismässig kleinem Volumen und Masse.
Daher werden sie als Abdeckungsmaterial für die
Denkmalpflege eingesetzt oder um das Schmel‑
zen von Gletschern zu verlangsamen. Oder auch als
Trägermaterial für Pflanzen auf den Hausdächern
und -fassaden von Grossstädten. Dieses einmalige
Oberfläche-zu-Volumen-Verhältnis macht Textilien
zum idealen Material am und im Körper.
—
Flexible Struktur, hohe Porosität
Die Struktur und Porosität des Textils können genau
gewählt werden, damit es als Trägermaterial für
Zellkulturen zur Züchtung von künstlichen Organen
eingesetzt werden kann. Muskeln, Sehnen oder
auch die Haut bestehen aus natürlichen Fasern –
somit werden Fasern und Textilien in der rege­
nerativen Medizin in Zukunft eine immer wichtigere
Rolle spielen.
—
Chemisch veränderbar
Textilien können chemisch verändert werden, um
neue Funktionen zu erlangen. So können beispielsweise Duftstoffe oder Medikamente in Textilien
integriert werden. Durch diese Veredlung werden
Textilien sogar intelligent: Mit Metallbeschich­
tungen wird aus einer Faser ein Sensor, aus einem
T-Shirt ein Überwachungsinstrument, um zum
Beispiel einen Feuerwehrmann vor zu hohen Tem­‑
pe­raturen zu warnen. In Spitälern und in der
Alterspflege werden sie in Zukunft ein wichtiges
Hilfsmittel zur Erhöhung der Lebensqualität
der Patientinnen und Patienten sein. Textilien als
Träger von Sensoren werden in verschiedenen
Bereichen des Alltagslebens Einzug finden, bei‑
spielsweise in Möbelstücken oder in Gebäuden,
und somit eine wichtige Rolle im Internet der Dinge
spielen.
—
Unendliche Einsatzmöglichkeiten
Leicht, dünn, flexibel, hochporös, reissfest, form‑
bar und doch formstabil, weiterverarbeitbar und
multifunktional – bei keinem anderen Material sind
die Eigenschaften so vielfältig. Es erstaunt nicht,
5
verbindungsfreudig
Grosse Oberfläche, kleines Volumen
Schweizer Qualitäten
Wirtschaftliche Freiheit /
Offenheit /
Exzellente Bildung
und Forschung /
Präzision /
Zuverlässigkeit /
Politische Stabilität
Flexible Struktur, hohe Porosität
Chemisch veränderbar
eigenschaften
Leicht /
dünn /
flexibel /
hochporös /
reissfest /
formbar und
doch formstabil /
multifunktional
dass die Nanotechnologie eine ihrer ersten kon­
kreten Anwendungen bei Textilien gefunden hat.
Mit dieser und anderen neuen Schlüsseltechno­
logien erlangen Textilien immer neue Eigenschaften
mit fast unendlichen Einsatzmöglichkeiten.
—
Die Schweiz: ein innovatives und weltoffenes Land
Die Schweiz verfügt in der Welt über einen aus­
gezeichneten Ruf und ist bei internationalen
Ranglisten in Sachen Innovationsfähigkeit regelmässig ganz vorne dabei. Die Wege sind kurz,
die Bürokratie gering, die Lage im Herzen Europas
und die gut ausgebaute Infrastruktur optimal,
die wirtschaftliche Freiheit und Offenheit sind hoch
und die exzellente Bildungs- und Forschungs­
landschaft bietet den Nährboden für Innovationen.
Auch die Schweizer Textil- und Bekleidungs­
industrie behauptet sich auf dem Weltmarkt mit
Innovationen und Spitzenprodukten sowie
herausragenden Dienstleistungen. Durch hoch­
stehende Qualität in Material, Funktionalität
und Design sowie Präzision und Zuverlässigkeit
sind textile Lösungen aus der Schweiz weltweit
gefragt und geniessen einen hervorragenden Ruf. ×
6
technische textilien
Wachstumstreiber technische Textilien
Technische Textilien sind eine Wachstumsbranche.
In den letzten Jahren hat sich der Umsatz
jährlich um fünf Prozent vergrössert und beläuft
sich heute weltweit auf 150 Milliarden Dollar.
Dieser Trend wird sich fortsetzen. Die Schweizer
Textilindustrie positioniert sich dank hoher
Inno­vationskraft an der technologischen Spitze.
Die Bedeutung von technischen Textilien wird
oft unterschätzt. Denn es handelt sich um eine
Querschnittstechnologie, die in den verschie­
densten Anwendungsgebieten wie dem Fahrzeugbau, der Medizinaltechnik, der Industrie oder
dem Bauwesen zum Einsatz kommt. So sind die
Produkte nicht immer auf den ersten Blick
sichtbar.
Gemäss Schätzungen beläuft sich der Weltmarkt
für technische Textilien auf rund 150 Milliarden
Dollar. Inklusive Vlies- und Faserverbundstoffen
beträgt das Weltmarktvolumen über 250 Milliarden
Dollar.
wachende Gewebe. Technische Textilien bieten
Lösungen für nachhaltige Energieerzeugung,
wie beispielsweise textile Fassaden oder Dach­
flächen als Quelle von Energie und Trinkwas­‑
ser. Regional sind die Aussichten für Asien und
Nordamerika am vielversprechendsten. Der
chinesische Markt für technische Textilien zum
Beispiel ist von einer zweistelligen Wachs‑
tumsrate pro Jahr geprägt. Nur schon in der chi‑
nesischen Automobilindustrie wird eine Ver‑
doppelung der eingesetzten technischen Textilien
von 755 Tonnen im Jahr 2010 auf 1400
Tonnen im Jahr 2017 erwartet.
Lösung für künftige Herausforderungen
Die Nachfrage nach technischen Textilien wird in
Zukunft weiter wachsen. Technische Textilien
bieten Lösungen für eine alternde Gesellschaft mit
steigenden Gesundheitskosten. Zum Beispiel
textilbasierte Implantate oder heilende und über‑
Exportiert werden absolute Hightechprodukte
Auch produktionsseitig ist China mittlerweile
mit rund einem Drittel der weltweit grösste Produ‑
zent von technischen Textilien. Wertmässig
betrachtet dürfte sich das Bild für Europa jedoch
deutlich günstiger darstellen. Im Preiswettbe‑
—
—
7
Export
Weltmarkt: entwicklung technischer textilien
technischer Textilien (CHF)
In Millionen Tonnen und Milliarden Dollar
605 Mio.
160,4
35
127,3
30
20
93
133,9
2013 → 2014 + 8,2 %
107
100
85,7
90
80
78
Import
70
830 Mio.
60
2013 → 2014 + 5,9 %
40
technischer Textilien (CHF)
15
10
5
50
30
1995
2000
2005
2010
2011
2012
2013
2018 f
Produktion in Millionen Tonnen
Umsatz in Milliarden Dollar
2011
Indien 18 %
EU 16 %
Amerika 18 %
China 31 %
Mobiltech
Indutech
Buildtech
Agrotech
Medtech
Geotech
Sporttech
Protech
Packtech
Quellen: Gherzi, Commerzbank, WTO International Trade Statistics 2013, Techtextil.
werb gegenüber asiatischer Massenproduktion von
technologisch wenig anspruchsvollen technischen
Textilien haben kleinere Firmenstrukturen wenig
Zukunfts­chancen. Vielmehr hat sich die europäische
und insbesondere die Schweizer Industrie an
der technologischen Spitze positioniert. Entwickelt,
produziert und exportiert werden absolute High­
techprodukte, die in Nischen zum Einsatz kommen
und sich durch die hohe Innovationsleistung, die
Funktionalität, die Qualität und die Dienstleistungen
auszeichnen. Mengenmässig wurden im Jahr 2014
technische Textilien im Wert von knapp 605 Millionen
Franken aus der Schweiz exportiert. Eine Zunahme
gegenüber dem Vorjahr von 8,2 Prozent. Der Anteil
technischer Textilien an den Gesamttextilexporten der
Schweiz hat sich in den letzten Jahren ebenfalls
stetig vergrössert. ×
20
10
2014, weltweit
weltmarkt: anteil technischer textilien
Übrige Welt 17 %
Anwendungsgebiete
17 %
16 %
15 %
12 %
10 %
9 %
8 %
7 %
6 %
1994
1995
1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
25
132,6
137,3
Textilexporte schweiz: anteil technischer textilien
In 1000 Tonnen
«Die Schweiz hat sich
an der techno­logischen Spitze
positioniert.»
—
Peter Flückiger, Direktor Swiss Textiles
8
technische textilien
Technologien
kurz erklärt
Technische Textilien
entstehen entlang der
gesamten textilen
Wertschöpfungskette:
bei der Faser, am
Garn oder beim Stoff.
Durch chemische
oder mechanische Prozesse und den Knowhow-Transfer mit anderen
Branchen entsteht
ein hohes Innovations­
potenzial.
Fasertechnologie
Faserverbund­stoffe
Die Fasern sind das Ausgangsprodukt für textile Innovationen.
Es wird unterschieden zwi‑
schen Naturfasern und Chemiefasern. Die Chemiefasern
können synthetisch sein (unter
anderem Polyacryl, Polyamid,
Polyester, Elastan) oder aus
Cellulosemolekülen (Viskose,
Acetat) bestehen. Mithilfe
von speziellen Beschichtungen,
Beifügen von Hilfsstoffen
oder Geometrien im Faserquerschnitt können besondere
Eigenschaften hergestellt wer‑
den. Solche Spezial- und
Hochleistungs­fasern bergen
grosse Innovationspotenziale.
Faserverbundstoffe bestehen
aus einer Matrix aus Kunststoff
und darin einge­betteten Fasern.
Der Vorteil einer solchen Kon‑
struktion ist die hohe Festigkeit
des Materials bei gleichzeitig
geringem Gewicht. Insbesondere
durch die Nach­frage im Auto­
mobilbau und der Luftfahrt sowie
im Windener­giebereich hat
sich der Markt für Faserverbundstoffe in den letzten Jahren
vergrössert. Grosses Potenzial
sehen die Anwender beispielsweise für Car­bonfaserkomposite,
jedoch bestehen noch grosse
Heraus­forderungen in der Auto­‑
mati­sierung und der Prozess­
technik bei der Herstellung.
Bereits heute sind dreidimensionale textile Konstruktionen
vielseitig einsetzbar und weisen
gegenüber anderen Materialien
aufgrund ihres geringen Gewichts und ihrer guten Formbarkeit zahlreiche Vorteile auf.
9
Flächenherstellung
Textile Sensorik
Textilveredlung
Bei textilen Flächenherstel­
lungsprozessen werden mittels
Weben, Stricken oder Wirken
aus Garnen zwei- oder dreidimensionale Flächen hergestellt.
Dank technologischer Weiter­
entwicklungen im Maschinenbau
erfahren diese Techniken aktuell
einen grossen Aufschwung,
weil textile Flächengebilde im
Vergleich zu herkömmlichen
Materialien eine grössere Ober‑
fläche aufweisen. So ermöglichen feinere Mascheneinteilungen und digital gesteuerte
Herstellungsprozesse neue An‑
wendungsgebiete der Gestricke
und Gewebe, beispielsweise
in der Filtration oder in der Bau‑
industrie. Auch besteht
heute die Möglichkeit, unterschiedlichste Materialien
auf diese Weise zu verarbeiten,
beispielsweise können Glas‑
fasern, Metallfasern oder Fasern
aus Mais gestrickt werden,
sodass diese Flächengebilde für
zahlreiche Anwendungen in‑
frage kommen.
Textilien mit sensorischen oder
elektrisch leitfähigen Funktionen
haben ein grosses Einsatzpo­
tenzial in der Medizin, dem Auto­‑
mobilbau und im Sportbereich
sowie in der Mode (Leuchttextilien). Es wird zwischen der
textilintegrierten und der textil‑
basierten Sensorik unter­
schieden. Bei der textilintegrierten Sensorik werden elektro­
nische Bauteile wie Leiterplatten
oder Sensoren aufgestickt
oder anderweitig mit dem Textil
verbunden. Grosse Chancen
für innovative Entwicklungen hat
die textilbasierte Sensorik.
Dabei werden optisch und elekt­‑
ronisch leitfähige Fasern und
Beschichtungen als Basis für
intelligente Gewebe verwendet.
Mittels Textilveredlung kann
die Oberfläche von Textilien mit
speziellen Eigenschaften wie
zum Beispiel Flammschutz,
Antistatik oder wasserabweisenden Eigenschaften versehen
werden. Dafür werden mechanische, thermische oder chemische Verfahren angewendet. Weil
die Verfahren ressourcenin­‑
tensiv sind und oft Chemikalien
eingesetzt werden, besteht
die Herausforderung und das
Innovationspotenzial aktuell
insbesondere darin, neue und
alternative Verfahren und
Prozesse zur Textilveredlung
zu finden.
10
technische textilien
Anwendungsgebiete
Gesundheit
Die Vielfalt der textilen Erzeugnisse ist bemerkenswert. In den Bereichen Gesundheit, Indivi­
dualisierung, Mobilität und Nachhaltigkeit bietet
die schweizerische Textil- und Bekleidungs­
industrie eine namhafte Zahl an Innovationen und
Leistungen für einzigartige Lösungen.
Textilien für eine wirkungsvolle
medizinische Versorgung
Seite 12
11
Individualisierung
Mobilität
Nachhaltigkeit
Textilien, um individuelle
Bedürfnisse zu erfüllen
Textilien, um sicher und schnell
unterwegs zu sein
Textilien für die Schonung
der Ressourcen
Seite 16
Seite 22
Seite 26
12
gesundheit
Wirkungsvolle
medizinische Versorgung
Die Gesellschaft wird immer älter und bleibt länger aktiv. Die Gesundheit
spielt dabei eine entscheidende Rolle. In Zukunft werden bahn‑
brechende medizinische Entwicklungen und Fortschritte es ermöglichen,
Krankheiten zu heilen und die Lebensqualität zu erhöhen. Das Pflege­
system wird aufgrund der hohen Kosten im Gesundheitswesen revolutioniert werden müssen. Bei älteren Menschen und Patientinnen und
Patienten mit chronischen Krankheiten besteht ein Bedarf, zu Hause im
privaten Umfeld zu bleiben, anstatt sich im Spital betreuen zu lassen.
Überwachen und
Medikamente abgeben
Für ein zukunftsgerichtetes Gesundheitssystem
bieten technische Textilien revolutionäre Lösungen
an. Mit textilen Sensoren können Gesundheits‑
daten über ein permanentes Monitoring an Ärztinnen und Ärzte übermittelt werden. Der Vorteil
von textilen Sensoren besteht in der guten Haut­
verträglichkeit von textilen Materialien, welche
elektronische Sensoren nicht bieten können. Allein
schon das Aufbringen von konventionellen Mess­
elektroden auf die Haut dauert Stunden und
braucht professionelles Personal. In Zukunft wird
es möglich sein, durch das Anziehen eines ent­
sprechend ausgerüsteten Kleidungsstücks Gesundheitsdaten über die Kleidung permanent zu er‑
fassen und direkt an die Ärztin oder den Arzt zu
senden. Eine permanente Überwachung wird
möglich und zahlbar. Auch im umgekehrten Weg,
bei der Medikamentenabgabe, stellen die Textilien
ein ideales Medium dar: Die Wundversorgung
wird über gezielte Wirkstoffabgabe direkt über Ver­‑
bände revolutioniert, Wundverbände müssen
nicht mehr täglich gewechselt werden und belastende Medikamentenabgabe über Spritzen wird
unnötig.
—
Körperverträgliche Textilien
Medizintextilien für künstliche Knorpel, Fettgewebe
oder bei Herzklappenersatz erfahren aktuell
einen starken Aufschwung. Faserbasierte Strukturen machen künstliche Muskeln ebenso möglich
wie Sehnen, Bänder oder spezielle Gelenke. Textil
wird zum Trägermaterial bei der Züchtung von
«Körperbauteilen» aus patienteneigenen Zellen.
Textilien ähneln in mancher Hinsicht körper­
eigenem Gewebe, weshalb sie für den menschlichen Organismus viel besser verträglich sind
als andere Materialien. ×
13
29 %
der in Europa lebenden
Personen werden im Jahr
2050 über 65-jährig sein.
Quelle Statistik: OECD (2015).
trends
­—
Personalisierte Medikamente steigern
die Wirkung von Therapien und verringern
Nebenwirkungen.
­—
«In der modernen Medizin spielen Textilien eine immer
grössere Rolle. Denn einerseits können sie wichtige
medizinische Leistungen übernehmen wie zum Beispiel
die intelligente Überwachung von Körperfunktionen
und die gezielte, wohldosierte Abgabe von Medikamenten. Andererseits bieten sie auf unauffällige Weise
einen ­grossen Komfort und sind alltagstauglich.»
—
Prof. Dr. Martin Wolf, Universitätsspital Zürich
Gesundheitsüberwachung durch Kleidung
mit Sensorik, um Zustände zu erfassen
und Daten wie zum Beispiel Vitalparameter
zu ­verarbeiten.
­—
Nachgezüchtete und künstliche Organe auf
Basis textiler Strukturen.
­—
Erhöhter Bedarf an Therapie, Pflege und
Betreuung in geeigneten Wohnmöglichkeiten.
­—
Textilien mit aktiven Funktionen zur Unter­
stützung der Patientinnen und Patienten, auch
mit Schutzfunktionen.
14
gesundheit
Koffeinkick für FRÜHGEBORENE
Empa-Forschende haben eine Membran ent‑
wickelt, die – durch UV-Licht aktiviert – Wirkstoffe
schonend über die Haut an Patientinnen und
­Patienten abgibt. Freuen können sich darüber in
Zukunft alle, die Angst vor Spritzen haben.
Aber auch Frühgeborene, denen dies zusätzlichen
Stress ersparen würde.
Seit einigen Jahren erhalten Babys, die
zu früh geboren wurden, sogenannte
«Frühchen», Koffein, um einen Atemstillstand zu verhindern. Das Koffein wird
ihnen dabei im Brutkasten über eine
Sonde zugeführt oder muss gespritzt wer‑
den. Beides bedeutet für die noch sehr
empfindlichen Kinder zusätzlichen Stress.
Ausserdem lässt sich der Wirkstoff
nicht optimal dosieren. Zum Abgabezeitpunkt entsteht eine Konzentrations­‑
spitze, danach lässt die Wirkstoffkon­‑
zen­tration oft schnell wieder nach.
Wünschenswert wäre eine gleichmässige
Do­sierung über mehrere Stunden.
Die Empa hat nun mit dem Universitätsspital Zürich in einem vom Schwei­
zerischen Nationalfonds (SNF) finanzierten Projekt ein Pflaster entwickelt,
das Wirkstoffe über eine Membran abgibt.
Dieses wird einfach auf die Haut des
Kindes geklebt und gibt dann beispielsweise Koffein während einiger Stun‑
den kontinuierlich an den kleinen Patienten ab, ohne dass er durch einen Ein‑
stich gestört werden muss.
Die an der Empa entwickelte Membran
ändert ihre Eigenschaften, nachdem
sie mit UV-Licht bestrahlt worden ist.
Bekannt ist ein solcher Effekt etwa
bei selbsttönenden Brillengläsern, bei
denen Silber auf die UV-Bestrahlung
reagiert und die Gläser verdunkelt. Bei der
Membran sind es allerdings andere
lichtempfindliche funktionale Gruppen,
sogenannte Spiropyrane, die die Mem‑
bran durchlässiger machen, sodass Wirk‑
stoffe schneller fliessen. Diese Funktion
bleibt dann über mehrere Stunden
erhalten.
An der Entwicklung beteiligte Mediziner
des Universitätsspitals Zürich sehen
für das neue Pflaster gute Marktchancen,
da die Abgaberate genau kontrolliert und
an die Anforderungen angepasst werden
kann. Bis Patientinnen und Patienten von
der Neuentwicklung profitieren können,
dürfte es indes noch eine Weile dauern.
Zunächst sucht die Empa Partner für die
industrielle Herstellung der Pflaster.
Eidgenössische Materialprüfungsund Forschungsanstalt (Empa), St. Gallen,
www.empa.ch
15
—
—
Textile Mikrogeflechte
als Implantate
Kompressionsstrümpfe mit Wirkung
VENOSAN® 5000 ist der erste medizinische Kompressionsstrumpf mit einem reinen Silbergarn.
Der Kompressionsstrumpf hilft zur Vorbeugung
oder Behandlung von ­Venenleiden. Das Silbergarn
hat eine zu­sätzliche heilende Wirkung. So übt
der Strumpf eine infektionshemmende und anti­
geruchsbildende Funktion aus und ist tempera­
turausgleichend.
Swisslastic AG St. Gallen, St. Gallen
www.swisslastic.ch
—
Sensortextilien für punkt­genaue Messungen
Forster Rohner Textile Innovations nutzt die jahrhundertalte Sticke­reitechnik, um Sensorflächen auf
Textilien anzubringen. Textile Elektronikkonstruktionen können auf vielfältiger Materialität umgesetzt
und für verschiedenste Messanwendungen eingesetzt werden. Grosse wie kleine Schnittteile lassen
sich flexibel in Sensor- und in­teraktive Produkte
einarbeiten und verschalten. Sensortextilien wurden
im Gesundheitsbereich in verschiedenen For‑
schungspro­jekten zu Hirnstrommessung (EEK) und
Herzfrequenz (EGK) eingesetzt. Die weichen,
elastischen Sensor­konstruktionen sind ein Schlüs‑
sel­aspekt für körpernahe, tragbare Lösungen,
die neue, präzisere Mess­ergebnisse versprechen.
Forster Rohner AG, St. Gallen,
www.forsterrohner.com
—
Textilien geben Wirkstoffe
an den Körper ab
Das iLoad® -Gewebe ist ein
speziell vorbereitetes Textil,
das Emulsionen beispiels‑
weise zur Feuchtigkeitspflege
auf­nehmen kann. Beim
Tragen gibt das Bekleidungsstück die ­Emulsion an die
Haut ab, wo sie ihre pflegende
Wirkung entfalten kann.
Die Textilien können in der
Wasch­maschine oder ma‑
nuell wieder mit einer neuen
Emulsion beladen werden.
Die Wirkstoffabgabe, ausgelöst
durch Wärme, Reibung und
Feuchtigkeit, erfolgt kontinuierlich über einen bestimmten
Zeitraum.
Schoeller Textil AG, Sevelen,
www.schoeller-textiles.com
In der Entwicklung von minimal­
invasiven Techniken (Schlüsselloch­
technik) in der Chirurgie sind in
den letzten Jahren grosse Erfolge
erzielt worden. Immer mehr
­Chirurginnen und Chirurgen bevor­
zugen diese Operationstechnik.
Dies weil sie die Gesundheitskosten
senken können, aber auch weil
das Behandlungsergebnis insgesamt
verbessert sowie die Belastung der
Operation für die Patientinnen und
Patienten deutlich gesenkt wird.
Dazu brauchen die Chirurgen Inst­
rumente und Implantate, die kleinstmöglich gefertigt sind und trotz­‑
dem die geforderten Eigenschaften
erfüllen sowie ausgezeichnet
­körperverträglich sind. Textile Mikrogeflechte erfüllen diese Anforde­
rungen und sind in verschiedensten
chirurgischen Anwendungen denkbar. Zum Beispiel zur Unterstützung
bei der Heilung von Sehnen oder
Bändern, die gerissen sind, oder zur
Heilungsunterstützung von Kno­
chenbrüchen. Auch bei Operationen
an der Herzklappe, als Arterien­‑
ersatz oder Mikrostent sind Anwendungen denkbar. Die Herstellung
sowie der Einsatz der Geflechte
müssen unter höchsten Hygienevorschriften erfolgen.
Meister & Cie AG, Hasle-Rüegsau,
www.meister-ag.ch
16
INDIVIDUALIsierung
Individuelle Bedürfnisse
erfüllen
Die Gesellschaft gibt immer mehr individuelle Freiheiten, das Leben
der Einzelnen verläuft heute entlang von Brüchen, Umwegen
und Neuanfängen. Scheinbar beliebig kann jeder sein «Ich» wiederholt neu definieren. Im Konsum findet dieser Trend einen Aus‑
druck und ein Hilfsmittel: Das Verlangen der Konsumentinnen und
Konsumenten nach individuellen und einzigartigen Artikeln,
weg von Massenprodukten, ist gross.
Schutz und Komfort
für Arbeit und Freizeit
Gerade im Bekleidungsbereich bieten Textilien
die Möglichkeit, der Individualisierung unserer
Gesellschaft ein Ausdrucksmittel zu bieten.
Mit Kleidern möchte der Konsument sein «Ich»
ausdrücken und sich von der Masse abheben.
Massgeschneiderte Funktionen und Designs
helfen bei dieser Differenzierung. Neue Stoffe mit
intelligenten Zusatzfunktionen drängen auf
den Markt. Die Bekleidung wird naturnäher, funk‑
tionaler und individueller. Auch im Bereich der
Sicherheit bieten Textilien als direkte Grenzschicht
zwischen Umwelt und Körper ein grosses Poten‑
zial. So trägt die Feuerwehr beispielsweise flammhemmende und wärmedämmende Kleidung aus
Schweizer Produktion. Im Sport bieten ultradünne
Stoffe den Radfahrern und alpinen Skifahrern
Schutz vor Stürzen, wobei sie gleichzeitig so leicht
sind, dass sie den Sportlerinnen und Sportlern
hohen Tragekomfort bieten.
—
Funktionale Kleidung und Inneneinrichtung
In Zukunft wird sich dieser Trend fortsetzen.
Oberbekleidung wird zum Hightechträger, der
leuchtet, kommuniziert, Energie speichert
oder den Lebensrhythmus überwacht. Dafür sind
auch vollkommen neue Technologien zur indi­
viduellen Herstellung am Point of Sale sowie zur
Reinigung und zum Recycling Voraussetzung.
Intelligente Bekleidung unterstützt aktiv Leistungsfähigkeit und Körperfunktionen der Trägerinnen
und Träger. In Wohnungen sorgen neuartige Texti‑
lien für ein angenehmes und individuell steuer‑
bares Raumklima. Massgeschneiderte Einzelprodukte werden dank digitaler Anwendungen
­preisgünstig herstellbar, Kundin und Kunde
werden in allen Produktionsschritten mitreden
können. Bekleidung «on demand» wird zur
­Selbstverständlichkeit. ×
17
74 %
der Schweizer Wohnbevölkerung
im Alter von 15 bis 74 Jahren
treiben Sport.
Quelle Statistik: Bundesamt für Sport BASPO, Sport Schweiz (2014).
trends
—
Neue digital gesteuerte
Produktionsprozesse.
—
Bekleidung wird
durch digitale Techniken
intelligent.
«Auf meinen Expeditionen wird von Körper, Geist und
Material das Äusserste abverlangt. Das Equipment für meine
nächste Nordpolexpedition 2016/2017 muss leicht sein,
für maximale Leistungsfähigkeit den bestmöglichen Komfort
während Erholungsphasen bieten und selbst bei tiefsten
Temperaturen einwandfrei funktionieren.»
—
Evelyne Binsack, dipl. Bergführerin, Abenteurerin und Buchautorin
—
Die Beschichtung von
Textilien wird so weiter­
entwickelt, dass hoch­
angepasste individuelle
Funktionseigenschaften
möglich werden.
—
Von der Massenproduktion
zum individuellen Einzel­‑
stück.
18
INDIVIDUALIsierung
Revolutionäres Outdoor-Equipment
Die Polarmond AG entwickelte innerhalb eines
KTI-Projekts mit der Eidgenössischen Material­
prüfungs- und Forschungsanstalt (Empa),
dem IPEK, einem Institut der Hochschule für
Technik Rapperswil (HSR), sowie der
Schweizerischen Textilfachschule (STF) den
Prototypen für das weltweit erste, selbst‑
aufwärmende und raum­tempe­ratur­regulierbare
«All-in-One»-Biwakzelt.
Designstudie des Alpha-Prototypen
Modular aufgebautes Equipment
«All-in-One»-Zelt
«All-in-One»-Biwak
Schlafhülle (Basis)
Polarmond AG, St. Gallen, www.polarmond.ch
Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa),
St. Gallen, www.empa.ch
Hochschule für Technik (HSR), Rapperswil, www.hsr.ch
Schweizerische Textilfachschule (STF), Zürich, www.textilfachschule.ch
Das patentangemeldete und ultraleichte
«All-in-One»-Biwak vereint die Funk­‑
tionen der drei herkömmlichen Produkte:
Biwak, Schlafsack und Isomatte. Das
Polarmond®­-Biwakzelt kann für Tem­pe­
raturen von – 30° bis + 25° eingesetzt
werden. Innerhalb dieses Bereichs kann
die Raumtemperatur durch manuelle
Temperaturregulierung auf konstant kom‑
fortablem Niveau gehalten werden.
Die durch den Anwender abgegebene
Körperwärme wärmt den thermisch
optimal isolierten Innenraum schnell auf.
Steigt die Aussentemperatur an, kann
über ein Blendensystem manuell die
Raumtemperatur reguliert werden. Frisch‑
luft strömt so in den Raum ein und
kühlt gleichmässig. Das Schwitzen, ein
grund­legendes Problem von Schlaf­‑
säcken bei Temperaturanstiegen, gehört
somit der Vergangenheit an.
Dank dampfundurchlässigen Textilien
im Innenraum kann keine Feuchte mehr
in die Isolationsschichten eindringen.
Polarmond® -Produkte weisen diesbezüglich eine 100 Prozent verlustfreie Iso‑
lation auf – ein weiterer grosser Vorteil
gegenüber herkömmlichen Schlafsäcken
bei Tem­peraturen unter dem Gefrier‑
punkt. Die von Körper, Kleidern und
Schuhen abgegebene Feuchte wird über
ein mehrschichtiges, isolierendes
Inlett aufgenommen und kann dort kon‑
densieren. Zu einem frei wählbaren
Zeitpunkt kann das Kondensat kontrol‑
liert gegen aussen abgeführt werden.
Leistungssteigerung dank optimaler Er‑
holung – das Biwak bietet dazu auch
nordischen Schlafkomfort wie im eigenen
Bett an. Bein-, Arm- und Bewegungs­
freiheit über den ganzen Innenraum wird
ermöglicht. Zudem spart der Anwender
beim ultraleichten «All-in-One»-Biwak
Energie beim Tragen. Die Markteinführung
ist für das erste Quartal 2016 vorge‑
sehen.
19
—
Funktionstextilien für Reisen ins Weltall
Im Mai 2014 brach der deutsche ESA-Astro‑
naut Alexander Gerst vom Weltraumbahnhof in
Kasachstan zur Internationalen Raumstation
ISS auf. Mit dabei waren auch Funktions­
textilien von Schoeller Textil AG. Während der
sechsmonatigen Mission wurden im Rahmen
des Projekts «Spacetex» erstmals auch
­bekleidungsphysiologische Untersuchungen
unter Schwerelosigkeit durchgeführt, um
das Zusammenspiel von Körper, Kleidung und
Klima zu erfassen. Das gewonnene Daten‑
material soll dabei helfen, die Kleidung der Ast‑
ronautinnen- und Astronautenteams für
­künftige Aufenthalte im All und auf Langzeitmissionen wie die für 2030 geplante Reise
zum Mars zu optimieren. Beispielsweise in Be‑
zug auf die wassersparende Textilpflege. Die
neuen Erkenntnisse werden auch für weitere
Produktentwicklungen und die Optimierung von
Textilien eingesetzt.
Schoeller Textil AG, Sevelen,
www.schoeller-textiles.com
www.spacetex-project.de
Bildlegende:
Am 28. Mai 2014 startete der deutsche
ESA-Astronaut Alexander Gerst mit einer
Sojus-­Rakete vom Weltraumbahnhof in
Baikonur / ­Kasachstan zur Internationalen
Raum­station ISS. © NASA
—
Schutz vor biologischen und
chemischen Einflüssen
Ein spezielles Nomex-Garn wird so verstrickt
und ausgerüstet, dass ein textiles Flächen­
gebilde entsteht, das anschliessend mit einer
Beschichtung aus ­Aktivkohle versehen wird.
Aus diesem Gestrick werden in Verbindung mit
weiteren textilen Flächengebilden Schutz­
kleider hergestellt, die im Arbeitsschutz wie
auch im Militärbereich ihre Anwendung
finden. Sie schützen die Trägerinnen und
Träger vor biologischen und ­chemischen
­Einflüssen.
E. Schellenberg Textildruck AG, Fehraltorf,
www.estextildruck.ch
20
INDIVIDUALIsierung
—
Kleidung, die vor Feuer schützt
Bahnarbeitende, Polizistinnen und Polizisten oder
Elektrikerinnen und Elektriker müssen bei einem möglichen Kontakt mit Feuer und Funken bestens geschützt
sein und sich in ihrer Schutzkleidung wohlfühlen.
pyroshell™-Gewebe erfüllen einen permanenten Flammschutz auf Synthetikgeweben, sind atmungsaktiv,
­reissfest, scheuerbeständig, leicht, elastisch und pflegeleicht. pyroshell™ wird gemäss bluesign® produziert,
dem weltweit strengsten Standard in Bezug auf maximale
Ressourcenproduktivität unter den Gesichtspunkten
Umweltschutz, Gesundheit und Sicherheit.
Schoeller Textil AG, Sevelen,
www.schoeller-textiles.com
—
Textilien, die Licht spenden
Weltweit erstmalig ist es gelungen, aktive Beleuchtung in Textilien zu
integrieren und dabei die textilen Eigenschaften der Wasch- und
­Drapierbarkeit zu erhalten. Das Verfahren e-broidery ® wurde von der
Traditionsstickerei Forster Rohner Textile Innovations entwickelt
und inzwischen zur Marktreife geführt. Paillettengrosse LEDs und das
eigens entwi­ckelte, leitfähige Garn werden als Stickereidessins in
den Stoff ­integriert. Als erfolgreiches Anwendungsprodukt aus einem
von der KTI unterstützten Forschungsprojekt wurde 2013 (in
Zusammenarbeit mit der Hochschule Luzern – Design & Kunst) vom
Langenthaler Unter­neh­men Création Baumann eine Vorhangkol‑
lektion unter dem Namen eLumino auf den Markt gebracht. Im März
2014 präsentierte Akris in Paris die weltweit ersten Prêt-à-PorterKreationen, die auf der e-broidery ® -Technologie basieren. Das neuste
Produkt auf Basis der e-broidery ® -Technologie ist ein falt- und
­drapierbares Beleuchtungs­produkt vom Hamburger Start-up Carpetlight
für professionelle Anwendungen in Film und Fernsehen. Dies ver­
deutlicht den vielfältigen Einsatz dieser innovativen Technologie von
Forster Rohner Textile Innovations.
Forster Rohner AG, St. Gallen, www.forsterrohner.com
Akris, St. Gallen, www.akris.ch
Création Baumann AG, Langenthal, www.creationbaumann.com
Hochschule Luzern – Design & Kunst (HSLU – D&K), Luzern,
www.hslu.ch
Carpetlight GmbH, Hamburg, www.carpetlight.com
21
—
Farbe zum Anfassen
Die Mode ist kurzlebig und ständig
auf der Suche nach Neuem, noch nie
Dagewesenem, aber genauso Ausdrucksstarkem und Einprägsamem.
Die Hochschule Luzern – Design &
Kunst entwickelt mit Partnern aus
der Industrie eine neue Technologie,
die sowohl die zu applizierenden
Farbstoffe als auch die Applikationsart neu definiert. Reliefartige, glit‑
terartige, lackartige oder aufschäumende Substanzen können so
erstmals automatisiert aufgetragen
und in grösseren Mengen produ‑
ziert werden. Der Aufdruck ist ästhetisch anspruchsvoll und verleiht
den Stoffen eine besondere Haptik.
Hochschule Luzern – Design & Kunst
(HSLU – D&K), Luzern, www.hslu.ch
—
—
Ein junges Team aus Technikerinnen
und Technikern sowie Modedesignerinnen und -designern hatte sich zum
Ziel gesetzt, die perfekte Jeans zu erfin‑
den, die Stil und Tragekomfort mit
individueller Passung verbindet. Das
ETH-Spin-off Selfnation hat einen
speziellen Algorithmus berechnet, der
für jede Konsumentin, jeden Konsu‑
menten ein individuelles Schnittmuster
berechnet und dieses sogleich auf
einer Schneidemaschine automatisch
zuschneidet. Der Konsument muss
lediglich auf der Website ein Jeansmodell auswählen und seine Körpermasse
eingeben. Danach wird in Sekundenschnelle ein 3D-Modell des Unterkörpers
erstellt. Der Konsument sieht im
­Browser, wie die Jeans an seinem Körper
aussehen wird. Gefällt es ihm, kann
er die Bestellung abschicken und nach
14 Tagen erhält er die in der Schweiz
und Deutschland gefertigten Jeans
direkt nach Hause geliefert. Nach zwölf
Monaten zählt Selfnation bereits 2000
Kundinnen und Kunden.
Ganz ohne Elektrizität leuchtet der Stoff
«Let it glow». In ein Plisseegewebe wird
ein fluoreszierendes Garn eingewebt.
Aus dem Gewebe entstehen beispielsweise Vorhänge, die sich bei Lichteinfall
aufladen und bei Einbruch der Dunkelheit zu leuchten beginnen. Der Leucht­
effekt hält für wenige Stunden an. Als
Vorhang im Schlafzimmer etwa so lange,
bis man eingeschlafen ist.
Die perfekt sitzende Jeans
Selfnation, RealLook AG, Zürich, Berlin,
www.selfnation.com
Licht bis zum Einschlafen
Jenny Fabrics AG, Ziegelbrücke,
www.jenny-fabrics.ch
22
Mobilität
Sicher und schnell
unterwegs
Die Mobilität ist aus der heutigen Gesellschaft nicht mehr ­
wegzudenken. Das Bedürfnis nach unbeschränkter
Fortbewegung nimmt ständig zu. Nicht weniger unterwegs
sein, sondern intelligenter, das ist die Herausforderung.
Mobilität verändert sich
Zwei Entwicklungen sorgen dafür, dass sich die
heutige Form von Mobilität in der Zukunft verändern wird: zum einen die technologische Revolution
der Digitalisierung und zum anderen das zunehmende Bewusstsein für die Knappheit von Ressourcen. Bisher war Mobilität vor allem motorisierte
Individualmobilität. Jeder fährt mit seinem Auto
wann und wohin er will. In Zukunft sollen individuelle Transportmittel reduziert werden. Erst unterwegs werden wir entscheiden, welches Verkehrsmittel das passende ist. Fahrpläne werden spontan
abgerufen und Fahrzeugwechsel je nach Verkehrssituation gewählt. Die Verkehrsflüsse sollen
insbesondere in den staubelasteten Innenstädten
intelligent gesteuert und koordiniert werden.
Transportmittel, die von Sharing-Gesellschaften
zur Nutzung bereitgestellt werden, sind neben
Bussen, Bahnen und Flugzeugen Teil eines vernetz‑
ten Verkehrsmanagementkonzepts. Textilien
tragen diesen Veränderungen Rechnung. Funktio‑
nale Textilien erhöhen den Reisekomfort der ­
Passagiere und Nutzenden. Durch Funktionsintegration leuchten Oberflächen oder werden Sitze
beheizt. Der Faden dient dabei als Sensor mit elek‑
tronischen Funktionen und ist gezielt adressier‑
bar, leuchtet, wärmt, kühlt, erzeugt Energie und
speichert sie. Technische Textilien verbessern die
Hygiene und die Beständigkeit der Sitzober‑
flächen, was erst einen häufigen Nutzerwechsel
von Verkehrsmitteln möglich macht. Die Sicher‑
heit im Verkehr kann erhöht werden durch
ein permanentes Monitoring der Nutzerinnen und
Nutzer über die Sitzfläche.
—
Nachhaltig reisen
Die Mobilität der Zukunft soll ressourcenschonend
und umweltkonform sein. Dies stellt besondere
Anforderungen an die verwendeten Materialien. Für
eine sichere Mobilität müssen sie hochfest sein
und gleichzeitig leicht, um Solar- und Wasserstoffantriebskonzepte zu ermöglichen. Textilien erfüllen
diese Anforderungen. Egal, ob Flugzeug oder
Auto: Textiler Leichtbau sorgt für ressourcenschonende Fortbewegung. Verkehrsmittel mit Aussenhüllen aus hochfesten Faserkunststoffen helfen bei
der Einsparung von Treibstoff, Abgasemissionen
und bei der Absenkung des CO2-Verbrauchs. Die
Ressourceneffizienz wird gesteigert durch die
Integration von nachwachsenden Rohstoffen und
durch effizientere Produktionsverfahren und
Recyclingprozesse. ×
23
20 848 km
legten jede Einwohnerin und jeder Einwohner der
Schweiz im Jahr 2010 im In- und Ausland
durchschnittlich zurück.
Quelle Statistik: Bundesamt für Statistik BFS, Bundesamt für Raumentwicklung ARE (2010).
trends
­—
Ganzheitliche Mobilitäts- und Verkehrskonzepte
vernetzen unterschiedliche Verkehrsmittel und
Verkehrsströme (Smart Traffic, Smart Mobility).
­—
Transportmittel werden überwiegend bedarfs­
gerecht gemietet.
­—
«Das Gewicht beeinflusst die Kosten und
die ­Umweltbelastung im Flugverkehr
stark. Textile Innovationen helfen bei der
Innen­ausstattung von Flugzeugen Ge‑
wicht einzusparen und steigern gleichzeitig
den Reisekomfort.»
—
Harry Hohmeister, CEO, Swiss International Air Lines
Bewegungsdaten werden genutzt, um
Verkehr, Parkraummanagement und Auslastung
von Ladestationen optimal zu gestalten.
­—
Ein Monitoring des Passagierverhaltens
über intelligente Textilien erhöht die Verkehrs­
sicherheit.
­—
Weiterentwicklung von Komfort, Ausstattung,
Design und Ambiente, Leuchthimmel, Innenund Kofferraumverkleidungen.
24
Mobilität
ULTRALEICHTE TEXTILIEN FÜR DIE FORMEL 1
Textilien bestechen durch ihre Leichtigkeit und
Festigkeit und eignen sich daher für vielfache
­Anwendungen im Automobilrennsport oder in der
Luft- und Raumfahrt. Die Schweizer Firma Cortex
Hümbelin AG, gegründet 1924, hat sich in den
letzten Jahren von seinem Kerngeschäft Flechten
zum Hersteller für Hightechtextilien entwickelt.
Die Cortex Hümbelin AG produziert an
ihren beiden Standorten Rupperswil und
Niederlenz seit bald 15 Jahren Textilien
für die Formel 1. Der Einstieg erfolgte mit
Radrückhalteseilen, die im Falle eines
Crashs verhindern, dass sich die Räder
vom Rennwagen lösen und damit Fahrer,
Streckenposten und Zuschauer gefährden.
Es folgte die Entwicklung von Schutzgeweben, die das Eindringen von Gegenständen in das Kühlersystem verhindern.
Seit einigen Jahren werden zudem Sicher‑
heitsgurten für die Fahrer produziert
und als neuste Entwicklung im Rennsport
steht Cortex nach mehrjähriger Entwicklungsarbeit in der Prototypenphase von
textilen Flüssigkeitstanks. Die Benzintanks
von Formel-1-Boliden weisen eine äus‑
serst komplexe Geometrie auf, wo es gilt,
jeden Freiraum im Innern des Chassis
auszunützen. Zudem wird im Rennsport
um jedes Gramm gekämpft. Ein sehr
leichtes und flexibles Gewebe mit der ent‑
sprechenden Beschichtung eignet sich
daher ausgezeichnet für diese Applikation.
Leichte Flüssigkeitstanks und Gurten
sind auch in der Raumfahrt gefragt. So
kommt für die Befestigung der Lasten
in Raketen, welche die internationale
Raumstation mit Nachschub versorgen,
ebenfalls die Technologie aus dem Hause
Cortex zum Einsatz. Alle von Cortex
Hümbelin AG hergestellten Seile und
Gewebe erfüllen extreme Anforderungen
an Zug- und Schnittfestigkeit sowie hohes
Energieabsorptionsvermögen. Entscheidend sind dabei ein geringes Gewicht und
eine gute Widerstandsfähigkeit gegenüber
hohen Temperaturen und aggressiven
Medien wie Treib- und Schmierstoffe.
ortex Hümbelin AG, Rupperswil,
C
www.cortexhuembelin.com
25
—
Naturfasern für Fahrzeugverkleidungen
Die powerRibs-Technologie der Firma Bcomp AG
basiert auf dem Prinzip der Adern unter einem
Baumblatt – die Fläche wird mit wenig Zusatzgewicht versteift. Rippen aus Flachsfasergarn
verstärken dünnwandige Strukturen um den Faktor
drei. Somit können Faserverbundteile leichter
und kostengünstiger gebaut werden. Zusätzlich
werden die Dämpfungseigenschaft bis zu 250
Prozent erhöht und die Nachhaltigkeit durch das
nachwachsende Material gefördert. Zusammen
mit Partnern aus der Verfahrenstechnik entwickelte
die Bcomp AG Konzepte in der Herstellung von
Bauteilen mit den powerRibs. Eine ausgeklügelte
Thermoplast-Variante stellt die Basis für den
Bau von Innenausstattungen für Autos und Flugzeuge dar. Die Thermoset-Lösung der Techno‑
logie ermöglicht die Herstellung von Karosserien
oder Teilen für die Raumfahrt.
Bcomp AG, Freiburg,
www.bcomp.ch
—
Textilien, die das Fliegen leichter machen
Sitzbezüge und Teppiche sollen für die Passagiere
den Aufenthalt besonders angenehm machen
und müssen höchste Ansprüche an Langlebigkeit
und Design erfüllen. Daneben gibt es für Textilien
in Flugzeugen vor allem eine Bedingung: das
Flugzeug leichter zu machen, um Treibstoff zu
sparen. Das Pneumatische Komfortsystem
PCS der Firma Lantal Textiles AG aus Langenthal
­basiert auf mit Luft gefüllten, der Körperform
anpassungsfähigen Sitzkissen. Luft ersetzt den
bisher verwendeten Schaumstoff als Sitzpols­‑
terung und trägt so erheblich zur Gewichtsreduk­
tion beim Flugzeuginterieur bei – und ist ne‑
benbei auch hygienischer in der Anwendung. Ent‑
wickelt wurde diese innovative Technologie
von Lantal für Business- und First-Class-Sitze,
für Matratzen in Privatjets und für Crew-Rest-­
Systeme sowie für Premium-Economy-Sitze. PCS
von Lantal ist mittlerweile bei vielen führenden
Airlines und Solar Impulse im Einsatz.
Lantal Textiles AG, Langenthal,
www.lantal.com
26
nachhaltigkeit
Ressourcen
schonen
Eine nachhaltige Lebensweise und ein schonender Umgang mit
Ressourcen werden in Zukunft zur Selbstverständlichkeit werden.
Es wird keine neuen Entwicklungen und Produkte mehr geben, ohne
dass Nachhaltigkeitsaspekte bei deren Herstellung und Verbrauch
berücksichtigt werden. Wiederverwertung und Transportvermeidung
werden einen hohen Stellenwert haben, Erdölprodukte werden
durch Alternativrohstoffe ersetzt.
Bewusstsein für nachhaltige
Produkte steigt
Dies schafft neue Einsatzfelder für effiziente
Textilwerkstoffe. Sie lassen sich aus nachwachsenden Rohstoffen herstellen und das Recycling ist
bereits heute möglich. Neue Prozessentwicklungen
erlauben es, in der Textilherstellung die Verwendung von Chemikalien und Wasser auf ein Minimum
zu beschränken. Die Eigenschaften textiler Gewebe
eröffnen grosse Einsatzmöglichkeiten im Bereich
der Schadstofffiltration, beispielsweise im Bereich
Abwasser oder in der Luftfiltration. Auch im
Bereich der Wärmedämmung haben Textilien ge‑
genüber anderen Materialien den Vorteil, dass
sie aufgrund ihrer Struktur eine grosse Oberfläche
aufweisen und so mehr Wärme aufnehmen
können. Auch im Licht- und Lärmschutz kommt
dieser Vorteil gut zum Tragen, weshalb tech‑
nische Textilien in zahlreichen Bereichen des
Umweltschutzes eingesetzt werden können.
—
Aus Eigeninteresse ressourcenschonend
produzieren
Im Produktionsprozess selbst werden bereits seit
Jahrzehnten immer wieder Möglichkeiten gesucht,
die Ressourcenintensität der textilen Herstellungskette zu vermindern. Insbesondere im Energie­
bereich zeigte sich dabei ein grosses Potenzial. So
kann heute in zahlreichen Betrieben die Abwärme
der Maschinen genutzt werden, um Wasser oder
ganze Wohnblöcke aufzuheizen. Auch führten neue
Forschungsergebnisse dazu, dass Chemikalien
eingesetzt werden können, die umweltschonend
und nicht giftig sind, aber trotzdem die ge‑
wün­schten Funktionalitäten liefern. Verschiedene
Labels garantieren den Konsumentinnen und
Konsumenten heute eine nachhaltige Produktion.
So setzt beispielsweise das Label Bluesign
Standards für nachhaltig verarbeitete Textilien,
vom Rohstoff bis zum Endprodukt. ×
27
70 %
der Weltbevölkerung werden
2050 in urbanen Gebieten leben.
Quelle Statistik: OECD.
trends
­—
Nachhaltigkeit wird zur Selbstverständlichkeit.
­—
Die Mikrostrukturen von Textilien bieten
hocheffiziente Filtermöglichkeiten.
­—
«Gerade im Gebäudebereich ist das Potenzial
für die Steigerung von Energieeffizienz und sogar
für Energiegewinnung gross. Textile Lösungen
im Bereich der Isolation oder der Solartechnologie
können dazu einen wichtigen Beitrag leisten.»
—
Dr. Walter Steinmann, Direktor Bundesamt für Energie BFE
Stoffkreisläufe in der Produktion werden
geschlossen.
­—
Abbaubare Materialien verringern die
Abfallmenge.
­—
Neue Recyclingtechnologien ermöglichen
eine Reduktion des Rohstoffverbrauchs.
­—
Energiesysteme werden hocheffizient in
unseren Alltag integriert.
28
nachhaltigkeit
Energie aus Glas
40 Prozent des Energiekonsums fallen auf Gebäude. Wie k­ önnen
Gebäude – gerade in Städten, wo diese als Hoch­häuser über eine geringe
Dachfläche für Solarzellen v­ erfügen – Energie selbst produzieren?
Die Lösung kann durch die Integration
von Solarzellen innerhalb von Fenster­
gläsern erreicht werden. So können künftig
Gebäude mit entsprechender Verklei‑
dung nahezu ihren gesamten elektrischen
Energiebedarf selbst erzeugen. Die
Schweizer Firma Sefar AG entwickelt und
produziert eine neuartige Gewebekonstruktion, die als transparente Elektrode
bezeichnet werden kann. Das Gewebe ist
geeignet für die Produktion von farbstoffbasierten Solarzellen. Und genau diese
nutzt die Firma glass2energy ag. Die von
ihr entwickelte «dye sensitized solar cell»,
auch bekannt als Grätzel-Zelle, die in
Fenstergläser eingebaut wird, besitzt die
Funktion, dass sie auch bei sehr geringem
Lichteinfall und diffusem Umgebungslicht
Strom erzeugen kann. Die glass2energy ag
wurde 2014 mit dem Watt d’Or des
Bundesamts für Umwelt ausgezeichnet.
efar AG, Thal, www.sefar.com
S
glass2energy ag, Villaz-Saint-Pierre,
www.g2e.ch
29
—
Multifunktionale Stoffe,
die komplett recycelbar sind
climatex ® ist die Innovation von
Gessner, der Schweizer Legende für
moderne Textilkultur. Die Marke
steht für klimatisierende und kreislauffähige Produkte. Sie über‑
zeugen in der Nutzung und ­schonen
Ressourcen. Die verwendeten
­Materialien können sortenrein getrennt und wiederverwendet
werden. Die aussergewöhnlichen
­Eigenschaften von climatex ®
­empfiehlt die Technologie für intel­
ligente Anwendungen überall
dort, wo Klima das Wohlbefinden
beeinflusst: Interieur, Health
Care, Automotive, Transportation,
Bekleidung, Schuhe und mehr.
Gessner AG, Wädenswil,
www.gessner.ch,
www.climatex.com
—
Textilien aus Milch
Calida hat eine neue Produktlinie aus
einem feinen Milchstoff entworfen,
bestehend aus MicroModal und Milch­
faser. Calida verarbeitet hier eine
innovative Fasermischung aus Milchproteinen und rein pflanzlichem Lenzing
MicroModal®, der mit der EdelweissTechnologie CO2-neutral hergestellt wird.
Die Milchfaser selbst wird aus dem
Protein der Milch gewonnen. Bei der
Schweizer Spinnerei Hermann
Bühler AG wird die MicroModal Faser
und die Milchfaser dann zu einem
Garn gesponnen. Aus diesem Garn wird
der Stoff produziert und bei der Firma
E. Schellenberg Textildruck AG veredelt.
Das Material ist sanft und weich zur
Haut und damit ideal für Menschen mit
sensibler Haut. Es trägt aktiv zum
­Feuchtigkeitsmanagement der Haut bei,
es hat eine natürliche geruchshem‑
mende Wirkung und sorgt so für wohl­
tuende Frische den ganzen Tag lang.
Optisch und haptisch erinnert die Mate­
rialmischung an bestimmte Arten von
Seide, sie ist sehr angenehm zu tragen
und zeichnet sich durch einen besonders
geschmeidigen Griff und zart schimmernden Glanz aus. Calida vereint hier
gleich drei Themen guter Schweizer
Tradition: Heimatverbundenheit, Inno­
vation und Nachhaltigkeit.
Calida AG Bodywear, Sursee,
www.calida.com
Hermann Bühler AG, Sennhof,
www.buehleryarn.com
E. Schellenberg Textildruck AG,
Fehraltorf, www.estextildruck.ch
—
Textile Isolationslösungen
Ein Forscherteam aus Architekten,
Designern und Ingenieuren der Hochschule Luzern mit Partnern aus der
Industrie schlägt im laufenden KTI-Projekt «Stoffwechsel» neue Lösungen
für die Innendämmung von älteren Ge‑
werbe-, Sport- und Industriegebäuden
vor. Es geht um Bauten, die den heutigen
Anforderungen an die Energieeffizienz
nicht mehr genügen. Entstanden ist eine
textile Wand aus Kettgewirke und Glas‑
ge­webe, das ein Isoliermaterial aus der
Produktion von Stein­wolle-Dämmplatten
enthält. Dank ihrer flexiblen Form
kann sie sich an die unterschiedlichsten
baulichen Gegebenheiten anpassen
und problemlos recycelt werden. Neben
thermischen hat dieses innovative ­
Isolationssystem auch sehr gute Akustikund Brandschutzeigenschaften.
Swisstulle AG, Münchwilen,
www.swisstulle.ch
Hochschule Luzern, Luzern, www.hslu.ch
30
National und international vernetzt
Innovation
durch
Vernetzung
Innovation ist der Nährstoff der
Schweizer Textil- und Bekleidungs­
­ lanbar,
industrie. Sie ist weder p
noch entsteht sie im stillen Kämmer‑
lein. Wichtig sind inno­vations‑
freundliche Rahmenbedingungen
sowie die Vernetzung der Akteure.
In der Schweiz und im angrenzenden
Ausland ist beides in hohem
Masse gegeben und verschafft der
Schweiz seit Jahren weltweit
Spitzenplätze bezüglich Innovations‑
kraft und Wett­bewerbsfähigkeit.
Erstklassige Bildung
Bildung und Forschung sind wichtige Grundpfeiler
für Innovationen. Von der Lehre als Textilprakti­
kerin / Textilpraktiker EBA oder Textiltechnologin /
Textiltechnologe EFZ, über die Schweizerische
Textilfachschule und ein Netz von Fachhochschulen
bis hin zu den beiden Eidgenössischen Techni‑
schen Hochschulen werden im textiltechnologischen Bereich auf kleinstem geografischen
Raum Höchstleistungen in Bildung und Forschung
erbracht. Die Textilwirtschaft baut dabei auf die
Stärken des dualen Bildungssystems. Dort werden
theoretische und praktische Bildung auf ideale
Weise verbunden.
—
Innovationsfreundliche Rahmenbedingungen
Je kürzer die Lebenszyklen der Produkte werden
und je mehr moderne Technologien die aufstrebenden Schwellenländer einsetzen, desto schneller
muss der Innovationszyklus der Schweizer Textilund Bekleidungsindustrie sein. Die dafür nötigen
finanziellen Mittel und das hohe Tempo stellen
vor allem kleine und mittlere Unternehmen (KMU)
vor besondere Herausforderungen. Die Kommission
für Technologie und Innovation (KTI) des Bundes
steht den Unternehmen unterstützend zur Seite.
—
Vernetzung der Akteure
Ein weiterer zentraler Treiber für die Innovations­
fähigkeit von Unternehmen ist ihre Vernetzung.
Prozessverbesserungen oder Produktneuheiten ent‑
stehen vielfach aus einem Kundenbedürfnis, sind
inspiriert von anderen Branchen oder übernehmen
Ideen aus den Grundlagen und der angewandten
Forschung. Mit dem Netzwerk Swiss Texnet verbin‑
det Swiss Textiles die Unternehmen mit Partnern
wie der Eidgenössischen Materialprüfungsund Forschungsanstalt (Empa) in St. Gallen, der
Hochschule für Technik Rapperswil, der Hoch­
schule Luzern, der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaft in Wädenswil oder der
Schweizerischen Textilfachschule. Das Kompetenzspektrum deckt Bereiche wie Materialwissen‑
schaft, Fasertechnologie, Design, Maschinenbau,
Chemie, Verfahrenstechnik und vieles mehr ab.
Swiss Texnet ist offen, neue Forschungspartner
aufzunehmen.
Innovation kennt keine Grenzen. Die Textilverbände
und Forschungsinstitutionen Deutschlands,
Österreichs und der Schweiz arbeiten seit einigen
Jahren intensiv zusammen, um Grössennach‑
teile wettzumachen und die geeignetsten Partner
aus Forschung und Wirtschaft zu vernetzen. ×
31
unsere netzwerkpartner in der schweiz
ZHAW
Das Institut für Chemie und Biologische
Chemie (ICBC) an der Zürcher Hoch‑
schule für Angewandte Wissenschaften
(ZHAW) ist der Ansprechpartner für
Fragestellungen im Bereich der industriel‑
len Chemie, bei der Herstellung von
Textilhilfsmitteln, bei der Entwicklung von
Funktions-, Bio- oder Nanomaterialien.
www.zhaw.ch
HSLU
Die Hochschule Luzern – Design & Kunst (HSLU) betreibt
Forschung und vermittelt Aus- und Weiterbildung
im Bereich Textildesign, Trendskizzen für den Mode- und
Interieurbereich, Design und Technik für den Digitaldruck,
konzeptionelles Design für Smart Textiles und Flächen­
experimente für neue funktionelle Fasern.
www.hslu.ch/design-kunst
STF
Die Schweizerische Textilfachschule
(STF) ist die höhere Fachschule und das
Aus­bildungszentrum der Textilbranche.
Ergänzend zu ihrem Bildungsauftrag ist
sie Partner für Projektarbeiten mit den
Unternehmen in den Bereichen Textilproduktion, Textilmaschinentechnik, Textil­
veredlung, Nanotechnologie, Smart Textiles
und Konfektion.
www.textilfachschule.ch
EMPA
Die Eidgenössische Materialprüfungsund Forschungsanstalt (Empa) ist Teil der
ETH und spezialisiert auf anwendungs­
orientierte Forschung und Entwicklung. Im
Textilbereich fokussiert sich die Empa
auf Materialien für Gesundheit und Leistungsfähigkeit. Es resultieren Entwick‑
lungen von bioabbaubaren Implantatwerkstoffen über medizinische Textilien bis
hin zu funktionalen Oberflächen.
www.empa.ch
HSR
Das Institut für Produktdesign, Entwicklung und Konstruktion
(IPEK) der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR) richtet
sich an die Hersteller und Entwickler von Textilmaschinen. Weitere
Institute zeichnen sich durch spezifisches Know-how – unter
anderem in den Bereichen Mechatronik, Umwelt- oder Energie­
technik – aus, welches im textilen und textilnahen Umfeld zu
innovativen Lösungen führt.
www.hsr.ch
unsere netzwerkpartner in europa
Euratex
www.euratex.eu
Gesamtverband textil+mode
www.textil-mode.de
Forschungskuratorium Textil
www.textilforschung.de
Allianz Faserverbundwerkstoffe
Baden-Württemberg
www.afbw.eu
Südwesttextil
www.suedwesttextil.de
Smart Textiles Plattform
www.texbook.eu
Fachverband der Textil-, Bekleidungs-,
Schuh- und Lederindustrie – WKÖ
www.wko.at
VTB – Verband der Bayerischen
Textil- und Bekleidungsindustrie
www.vtb-bayern.de
Bayern Innovativ
www.bayern-innovativ.de
Impressum UND DANK
—
Die in dieser Publikation abgebildeten Firmenbeispiele entsprechen einer Auswahl von innovativen
textilen Produkten oder Forschungsergebnissen.
Wir danken allen Unternehmen und Forschungs­
institutionen, die Beiträge und Bildmaterialien zur
Verfügung gestellt haben.
—
Ein besonderer Dank geht an Hans-Jürgen Hübner,
Schoeller Textil AG, Tina Moor, Hochschule Luzern
– Design & Kunst (HSLU – D&K), René Rossi,
Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungs‑
anstalt (Empa), und Urs Schellenberg, E. Schellenberg Textildruck AG, Präsident der Kommission
für Umwelt und Technologie von Swiss Textiles, für
die inhaltliche Begleitung der Publikation.
—
Weitere Informationen über die Schweizer Textilund Bekleidungsindustrie sowie die Mitglieder von
Swiss Textiles unter www.swisstextiles.ch
—
Gesamtverantwortung
Peter Flückiger
—
Projektleitung und Redaktion
Mirjam Matti Gähwiler, Nina Bachmann
—
Visuelle Konzeption und Produktion
Wernlis, grafische Gestalter, Zürich und Basel
—
Bildquellen
Porträtfoto Andreas Sallmann: Simon Habegger
Porträtfoto Evelyne Binsack: Bruno Petroni
Gletscher: Jürg Alean, Eglisau
Weitere Bilder: Veer, Photocase, Fotolia,
Imago/Mint Images, Imago/Chromorange,
Imago/Imagebroker, Imago/Geisser, iStock,
Keystone, Depositphotos
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Korrektorat
Alain Vannod, St. Gallen
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Übersetzung
Keith Hewlett, Transcripta AG, Zug
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Druck
DAZ Druckerei Albisrieden, Zürich
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© April 2015, Swiss Textiles
technische textilien Schweizer Innovationen als Lösungen für globale Herausforderungen
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Schweizer Innovationen
als Lösungen für globale
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