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April 2015 | Nr. 65
Ganz groß:
Das besondere Großunternehmen
Kirchentag. Seite 4
Für Kleine:
Stadtgarten in Kinderhand.
Seite 10
Kirchentag begeistert:
Interviews, Portraits, Blitzlichter.
Seite 3 – 16
Unser Kirchentag
Ein Heft voll
engagierter Leute
2|3
Klaus Käpplinger
Deutscher
Evangelischer Kirchentag
Liebe Leserin, lieber Leser,
vom 3. bis 7. Juni findet der Evangelische Kirchentag in Stuttgart statt. Fünf
Tage lang kommen mehr als 100.000
Menschen zusammen, um miteinander zu
beten, zu singen, zu feiern und Kraft und
Mut für ihren Alltag zu schöpfen.
Der Kirchentag kommt in eine Stadt, die
zu den innovativsten und produktivsten
nicht nur Deutschlands, sondern der Welt
gehört. Der Kirchentag kommt in eine
Stadt, die im wahrsten Sinne des Wortes
von offenen Baustellen geprägt ist. Der
Kirchentag kommt in eine Stadt, die ohne
das diakonische Engagement von Tausenden Christinnen und Christen niemals
mit solch positiven Meldungen und Zahlen im Wirtschafts-, im Kultur- und im
Sozialbereich aufwarten könnte.
Ich gehe davon aus, dass wir wieder
einen enormen Zulauf zu den Bibelarbeiten erleben werden und dass wir dort
das Wort Gottes im Ringen um seine
Bedeutung für die Gegenwart auslegen
werden. Ich gehe davon aus, dass wir den
Reichtum Stuttgarts in wirtschaftlicher
wie in religiöser Hinsicht zum Thema
machen werden. Ich gehe davon aus, dass
die Frage was heißt „Mission“, was heißt
Glauben, was heißt Spiritualität, dass
das ein Thema sein wird in einer Stadt,
in der rund 30 Prozent evangelisch sind,
aber 80 Prozent einer religiösen Gemeinschaft angehören. Ich gehe davon aus,
dass der interreligiöse Dialog viele beschäftigen wird. Und ich gehe davon aus,
dass wir mit der Diakonie-Street-Parade
einen Hingucker haben werden.
„… damit wir klug werden“ Unter diesem
Motto aus Psalm 90 laden wir zum Kirchentag ein. Lassen Sie sich einladen und
nehmen Sie teil an diesem, an unserem
Kirchentag!
Ihr Dekan Klaus Käpplinger
Glossar zum Einstieg
Abend der Begegnung (AdB)
Ein riesiges Straßenfest im Zentrum der Gastgeber-Stadt mit ca.
250.000 Besucherinnen und Besuchern. Dabei stellen sich die unterschiedlichen Regionen der Landeskirche mit kulinarischen Köstlichkeiten und einem Bühnenprogramm vor.
Chor
Insgesamt wirken etwa 300 Bläserchöre und knapp 200 Sängerchöre
mit und unterstreichen den musikalischen Charakter des Kirchentages.
Den Schlussgottesdienst gestalten alle Bläserchöre, die beim Kirchentag dabei waren, mit. Insgesamt sind das zwischen 4.000 und 6.000
Frauen und Männer, die nur einmal gemeinsam proben.
Dialog
Der Deutsche Evangelische Kirchentag bietet ein Forum zum Dialog
zwischen Christen aller Konfessionen, aber auch mit anderen Religionen. So ist das Zentrum Juden und Christen ein etabliertes Zeichen
des gemeinsamen Dialogs. Auch mit islamischen Gemeinden ist der
Kirchentag in einem guten Austausch und bietet gemeinsame Veranstaltungen an. Zum „Mittagstisch der Religionen“ laden verschiedene
Gemeinden ein.
Ehrenamt
Der Kirchentag lebt von seinen über 5.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern, ohne die eine Veranstaltung dieser Größenordnung
gar nicht möglich wäre. Sie sind beim Aufbau, bei der Einlasskontrolle,
beim Plakate ankleben, beim Falten der Papphocker und schließlich
beim Abbau im Einsatz.
Gasthaus
Mit dem „Stuttgarter Gasthaus“ in Gestalt eines Zeltes auf dem
Schlossplatz präsentiert sich die württembergische Landeskirche. Das
Motto: „Weite Welt in Württemberg“. Es gibt Musik und Kurzinterviews mit kirchlichen Partnerinnen und Partnern aus der weiten
Welt, eine Ausstellung zeigt die Landeskirche in 50 Obstkisten – und
natürlich gibt es was Anständiges zu essen und zu trinken, schwäbisch
und international.
Gräbele
Ritze zwischen den Matratzen. Werbewirksam plakatiert zur Privatquartiersuche. Es gilt noch immer: „Gräbele g’sucht!“. Anbieten kann
man sein Gräbele unter der Schlummernummer 0711 69949-200 oder
unter www.kirchentag.de
Haka
„HAKA“ ist die Abkürzung für „Harter Kern“. Das sind die Helferinnen
und Helfer, die über einen Zeit-raum von mindestens neun Tagen helfen. Sie sind bereits im Vorfeld und auch noch nach den fünf Durchführungstagen aktiv dabei und unterstützen den DEKT. Sie sind am
Auf- und Abbau der Kirchentagsinfrastruktur beteiligt.
April 2015 | Nr. 65
Kirchentag 2015
Wolfgang Nebel
Ein großes Fest bereiten
In acht Wochen beginnt der Kirchentag. Du bereitest ihn seit zwei Jahren
mit vor. Worauf freust du dich?
Zunächst freue ich mich, wenn die
Veranstaltungen, die ich mit geplant habe, rund laufen.
Jugend
Ein Drittel der Teilnehmenden am Kirchentag ist unter 30 Jahre alt. Ein Großteil der Helferinnen und Helfer kommt von den
Pfadfindern oder aus anderen Jugendgruppen. Neben dem Zentrum Jugend hat sich auch das Zentrum Kinder fest etabliert.
So ist der Kirchentag auch für Familien mit kleinen Kindern attraktiv.
Markt der Möglichkeiten
Mit dem Markt der Möglichkeiten bietet der Kirchentag Initiativen, Gruppen, Verbänden oder Organisationen aus Kirche und
Gesellschaft eine Plattform, um ihre Arbeit kreativ zu präsentieren. Er ist Donnerstag bis Samstag von 10:30 bis 18:30 Uhr
geöffnet.
Quartierteam
Die Gemeinschaftsquartiere in Schulen oder Turnhallen für
50.000 Teilnehmende werden von einem Quartierteam betreut.
Dieses heißt die Gäste herzlich willkommen und stellt ihnen
Informationen über die Umgebung des Quartiers zusammen.
Außerdem bietet das Quartierteam ein kleines Frühstück zum
Start in den Tag an und steht bei Fragen und Problemen zur
Verfügung.
Ulrike Kammerer
Ich freue mich
auf die Vorveranstaltungen
Der Kirchentag ist auch eine
große Bühne für die regionale Kultur. Auf welche drei
Veranstaltungen freust Du
Dich besonders?
Das regionale Kulturprogramm während des Kirchentages ist so vielfältig, da fällt es schwer einzelne Programmpunkte herauszupicken. Ich freue mich nun zunächst
einmal auf das Vorprogramm des regionalen Kulturprogrammes. Wir freuen uns, dass das Theodor-Heuss-Haus
zum Kirchentag die Sonderausstellung „Karikaturen zu
Ökumene und Kirche“ zeigt, die schon ab 30. April zu
sehen sein wird. Und am 17. Mai eröffnen wir bereits
die Atelierkirche in der Brenzkirche am Kochenhof. Darauf freue ich mich auch besonders, denn wann hat man
schon die Möglichkeit Künstlerinnen und Künstler bei
der Arbeit im Atelier zu beobachten und selbst mitzuwirken – und das in einer Kirche? cs
Zur Person: Diplom-Kulturpädagogin Ulrike Kammerer gehört
dem fünfköpfigen Regionalteam der württembergischen Landeskirche beim Evangelischen Kirchentag an. Sie ist für das
regionale Kulturprogramm verantwortlich.
Welche Veranstaltungen sind das?
Das sind alle Veranstaltungen im Zentrum Gemeinde und im
Zentrum Gottesdienst, das geistliche Zentrum und ganz viele
weitere Gottesdienste und regionale Angebote, wie die Tagzeitengebete, Feierabendmahle und Nachtcafés der Kirchengemeinden. Und der Schlussgottesdienst am Sonntag – wenn der rum
ist, dann fällt ein großer Stein vom Herzen.
Bist du eigentlich beim Kirchentag dauernd unter Spannung, oder
kannst du zumindest ein bisschen in die Besucherrolle schlüpfen und
sagen: Ich schau mir heute mal an, was mich interessiert?
Abends, wenn man merkt: Alle Veranstaltungen laufen oder
sind angelaufen, dann können wir auch mal raus aus unserem
Büro und uns unter die Leute mischen. Die Eröffnung ist für
mich eine emotionale Geschichte. Egal wo ich das sehe, im Büro
am Fernseher oder wenn ich doch auf einem Platz mitfeiere…
Dann zu wissen: jetzt geht’s richtig los. Das ist schon was sehr
Erhebendes. Genau wie der Schluss: Jetzt ist es vorbei – und
wir haben mit ganz vielen Menschen zusammen feiern dürfen.
Es ist ja wie bei einem Fest: Du bereitest es vor, Du richtest alle
Sachen hin, hast hoffentlich alles überlegt. Dann kommen die
cs
Gäste, und es wird hoffentlich ein schönes Fest. Zur Person: Diakon Wolfgang Nebel gehört dem Regionalteam der
württembergischen Landeskirche beim Evangelischen Kirchentag an.
Er engagiert sich für das geistliche Programm beim Kirchentag. Davor
war Nebel Citydiakon in Stuttgart.
Schlussgottesdienst
Am Sonntagmorgen findet zum Abschluss des Kirchentages der
Schlussgottesdienst statt. Er ist die einzige Veranstaltung, bei
der alle Teilnehmenden zusammenkommen. In Bremen waren
es 100.000 Menschen, in Dresden 2011 gar 120.000. In Stuttgart wird der Schlussgottesdienst auf dem Cannstatter Wasen
begangen.
Umweltcontrolling
Der Deutsche Evangelische Kirchentag hat für sein Umweltmanagement die EMAS-Zertifizierung erhalten und ist damit einer
der Vorreiter bei der Umsetzung nachhaltiger Großveranstaltungen.
Zeltstadt
Während des Kirchentages im Juni 2015 werden 30.000
Quadratmeter Zeltstadt auf dem Gelände des Cannstatter
Wasen errichtet. Neben zahlreichen Veranstaltungen wird in
den Zelthallen unter anderem das Zentrum Barrierefrei und der
Markt der Möglichkeiten zu finden sein.
Stephan von Kolson / cs
4|5
Ein besonderes Großunternehmen: der Kirchentag
Wie bleibende Spuren entstehen
K
irchentag – fünf Tage Spektakel und gut? Nein. Zwar ist vom 3. bis 7. Juni jede
Menge los in der Stadt, aber um reines Spektakel geht es nicht. Ist er vorbei,
bleibt etwas zurück, der Kirchentag hinterlässt Spuren. Und: Dieser Großevent
wird nicht mal eben aus dem Boden gestampft. Dahinter stecken viel Arbeit und
Engagement.
Wissen lässt sich managen. Verantwortlich
dafür ist Stefanie Recht.
35. Deutscher Evangelischer Kirchentag
Stuttgart 2015, so heißt zum einen die
fünftägige Veranstaltung, zum anderen
aber auch der Verein, der sie auf die Beine
stellt. Er hat seine Geschäftsstelle jeweils
für zwei Jahre in der Stadt, in welcher
der Kirchentag stattfindet. Seinen Sitz
in Fulda wiederum hat der „Kirchentagsmutterverein“, der Verein zur Förderung
des Deutschen Evangelischen Kirchentages. Im Fuldaer Zentralbüro verortet ist
das sogenannte Kollegium, eine Handvoll
Hauptamtlicher, vom Kirchentagspastor
bis zum Leiter Finanzen und Organisation. Die Chefebene des Kirchentags
– beider Vereine – ist rein ehrenamtlich
besetzt. Das Präsidium entscheidet über
die Losung, die wichtigsten großen Veranstaltungen, Foren, Vortragsreihen und
dergleichen mehr (s. S. 8).
Ein mehrstöckiges Bürogebäude mit diesem speziellen 70er-Jahre-Charme im
Stuttgarter Westen. Die rot-weißen Kirchentagsfahnen weisen den Weg zum
Eingang, Schilder im Innern den Weg
zu den Abteilungen. Geschäftsführung,
Fundraising, Logistik, IT-Service und Co.
– wie in jeder größeren Firma. Aber auch
Geistliches Programm, Helferdienste oder
Teilnehmendenservice – der Kirchentag
ist eben ein etwas anderes Unternehmen.
Um die 100 motivierte Menschen sitzen
hier in den Büros. Anfangs waren es gerade mal gut 20, seither werden es sukzessive mehr. Seit Herbst läuft die heiße
Phase.
Von der Anmeldung und Unterbringung
der Besucher über die Logistik bis zur
Einhaltung von Brandschutzauflagen:
In der Stuttgarter Geschäftsstelle läuft
die organisatorisch-technische Vorbe-
reitung, alles, was für die Durchführung
und die Abwicklung des Kirchentages nötig ist. Nach 1952, 1969 und 1999 findet
der Kirchentag zum vierten Mal in Stuttgart statt.
Gruppen im Gespräch bleiben, passiert so
etwas nie wieder.
Noch im Gründungsjahr wurde der
„Christliche Studententag“ veranstaltet,
der ein Jahr später unter dem Namen
Kirchentag firmierte. Zunächst fand er
jährlich statt, seit Ende der 50er-Jahre
alle zwei Jahre.
Rund 2.500 Veranstaltungen an rund
200 Veranstaltungsorten sind in Stuttgart geplant. Hauptschauplatz ist der
Neckarpark in Bad
Cannstatt. Rund
100.000 Besucher
werden erwartet.
„Jeder Zweite ist
auch Mitwirkender“, erklärt Stephan von Kolson,
Leiter der Kommunikationsabteilung. Mitsingen in
einem der Chöre,
Trompete spielen
oder als Helfer
mit­anpacken – der
Kirchentag ist eine
riesengroße Mitmac hv er an s t al Ralf Zschorn und Kolleginnen – beim Kirchentag ist
tung. Eine, die nur
Teamwork angesagt.
dadurch funktioniert, dass unzählige Ehrenamtliche in allen Bereichen mit- Gründer von Thadden-Trieglaff war bis
helfen. Das ehrenamtliche Engagement 1964 Kirchentagspräsident. Anschliemacht den Kirchentag aus. Er ist eine Lai- ßend übernahm Richard von Weizsäcker
enbewegung, schon von Beginn an.
diese Funktion. Einige Jahre später wurde das Präsidentenamt zum Ehrenamt,
Der DEKT-Verein wurde 1949 in Hanno- das die DEKT-Präsidenten jeweils für
ver von Reinold von Thadden-Trieglaff, einen Kirchentag, also für zwei Jahre,
einem Juristen und Politiker aus dem innehaben.
Kreis um Dietrich Bonhoeffer, gegründet – als eine Bewegung evangelischer Ohne Ehrenamtliche also kein Kirchentag.
Laien und entstanden aus der Erfahrung, Viele helfen seit Jahren mit. Viele sind
dass die institutionalisierten Kirchen Wiederholungstäter. Viele Hauptamtliche
dem Dritten Reich nicht genug Wider- waren vorher als ehrenamtliche Helfer
stand entgegengebracht haben. Die Idee: dabei. Der harte Kern der Ehrenamtlichen
Wenn unterschiedliche gesellschaftliche reist ein paar Tage vor Kirchentagsbeginn
April 2015 | Nr. 65
Kirchentag 2015
Platzsucher und Frühstücksspezialisten: Wie das mit dem Übernachten klappt
Von Gräbele, Isomatte und Müsli-Legende
D
ie Stadt wird voll: Über 100.000 Besucher werden zum
Deutschen Evangelischen Kirchentag erwartet. Die müssen irgendwo schlafen. Darum kümmert sich Ralf Zschorn
mit seinem Team vom „Teilnehmendenservice Unterkunft“.
Referenten und alle, die ins Programm eingebunden sind, werden in Hotels untergebracht. Das ist der vergleichsweise einfach anmutende Aufgabenpart, der längst abgehakt ist. Ein
Teil der anreisenden Kirchentagsbesucher bucht auf eigene
Faust ein Zimmer oder kommt bei Bekannten unter. Bleiben
noch einige Zehntausend andere, für die ein Kurzzeitdach über
dem Kopf her muss.
Rund 10.000 Gäste nächtigen in Privatquartieren. Unter dem
Motto „Gräbele g’sucht“ werden Leute gesucht, die ein Plätzchen freimachen. Ein Matratzen-Gräbele reicht nicht ganz,
aber einen Besucher beherbergen kann jeder, der ein Gästebett oder ein Schlafsofa hat – für Ältere, Familien mit Kindern,
Menschen mit Behinderung, für Besucher, die etwas Ruhe benötigen oder einzeln angereist sind und auch für Gäste aus
dem Ausland. Im Kirchentagsjargon ist übrigens jeder ab 35
Jahren ein „älterer Mensch“. Rund die Hälfte der benötigten
Privatquartiere ist jetzt, Mitte März, gefunden. „Ganz normal
für diese Zeit“, so Zschorn.
Während die einen etwas mehr Komfort und Ruhe brauchen,
rollt der „Hardcore-Kirchentagsbesucher“ seine Isomatte in
umfunktionierten Klassenzimmern aus. Rund 50.000 Kirchentagsbesucher werden in insgesamt circa 170 Schulen übernachten.
Diese Schulen musste Zschorn mit seinem Team erstmal finden. Radius abstecken und Nahverkehrssituation checken, das
stand zuerst an. Etwa 60 Minuten darf der Weg vom Quartier
bis in die Mitte der Stadt dauern, zurückgelegt mit öffentlichen Verkehrsmitteln und zu Fuß – das ist die Faustregel. So
erstreckt sich der Quartiersbereich denn über Stuttgart hinaus
in die Region, bis nach Schorndorf, Esslingen oder Böblingen.
Sind die Schulen diesbezüglich eingegrenzt, gilt es herauszufinden, ob es eine Ferienbetreuung gibt – gut für die Eltern,
an. Diese etwa 300 Helfer wissen genau,
was zu tun ist. Sie kennen sich aus auf ihrem jeweiligen Gebiet, vom Pressecenter
bis zur Verkehrsführung. Sie haben Lust
darauf, sich mit ihrem Wissen einzubringen. Und sie leiten wiederum die anderen, nicht so erfahrenen Helfer an.
Wissen weitergeben, das ist ein essentielles Thema bei der Kirchentagsorganisation. Stefanie Recht von der Stabsstelle
Wissensmanagement in der Stuttgarter
Geschäftsstelle kümmert sich, Hand in
Hand mit einer Kollegin in Fulda, darum,
dass das Wissen fließt – zwischen Fulda
und Stuttgart, zwischen Abteilung A und
schlecht für die Quartierssuchenden – und zu klären,
ob es Duschen gibt oder ob
Duschcontainer aufgestellt
werden müssen.
Sind die Gebäude gefunden,
braucht es Menschen, die dafür sorgen, dass in den Schulen
auch genächtigt werden kann. An dieser Stelle kommen wieder
Ehrenamtliche ins Spiel. Für jede Schule ist ein sogenannter
Quartiersmeister zuständig. Mit den Helfern kümmert er sich
darum, dass die Besucher sicher schlafen können und morgens
ein Frühstück bekommen.
„Am Anfang höre ich oft: ‚Herr Zschorn, für 500 Leute Frühstück machen, das geht nicht’“, erzählt der 51-Jährige. Es ging
bisher immer. Man muss nur wissen, wie. Welche Hygienerichtlinien sind einzuhalten? Wie kann man effizient ein Büfett
aufbauen? Welche Lebensmittel müssen in welcher Menge
besorgt werden? Den Quartiersmeistern wird bei Schulungen
erklärt, was sie tun und beachten müssen. Sie bekommen einen Scheck und sind für den Einkauf selbst verantwortlich –
allerdings ausgestattet mit jeder Menge Infos zu Preisen und
Kalkulation. „Wir empfehlen zum Beispiel, nicht zuviel Tee
einzukaufen. Denn es ist eine Legende, dass Kirchentagsbesucher Teetrinker sind“, so Zschorn. „Für Müsli gilt das übrigens
genauso.“
Nicht nach kulinarischen Vorlieben, aber nach gleichgelagerten Interessen versuchen die sechs Hauptamtlichen des Unterkunftsteams die Menschen zusammenzubringen. Es gibt thematische Quartiersschulen: Schulen für Familien mit kleinen
Kindern zum Beispiel (die schon um 16 Uhr wieder öffnen),
Schulen für Radfahrer und für Motorradfahrer, Schulen für
Bläser (die üben ja auch...) und natürlich Schulen für die vielen
Helfer.
Es steckt ganz schön viel Arbeit dahinter, Menschen ein Dach
für wenige Nächte bieten zu können – damit sie den Kirchentag genießen können. lako
B, zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen
auf allen Ebenen. Das heißt vor allem:
schulen, schulen, schulen. Jeden Mitarbeitenden, auch den Praktikanten. „Man
kann sich beim Kirchentag nicht wie anderswo ein halbes Jahr einarbeiten, sondern muss relativ schnell reinkommen“,
erklärt Recht.
Der Kirchentag ist eine komplexe Sache.
„Man kann gar nicht alles verstehen“,
sagt die 31-Jährige. „Wichtig ist, zu wissen: Was ist für mich wichtig? Und: Wo
finde ich dieses Wissen?“ Protokolle,
Dokumente zu allen möglichen Themen
finden die Mitarbeitenden im „Kiwi“, der
internen Wissensdatenbank. Nachschlagen ist gut, persönlich fragen oft besser.
Dazu muss man wissen, wer überhaupt
was macht. Eine Herausforderung, zumal ja ständig neue Mitarbeitende dazu
stoßen. Vorstellen der Abteilungen, vernetzen, regelmäßiger Austausch – für all
das hat Stefanie Recht auch zu sorgen,
um „dem Chaos entgegenzuwirken“. Dass
es klappt, merkt der Kirchentagsbesucher
etwa daran: Der rosa Stoffelefant für die
Bibelarbeit ist zur richtigen Zeit genau
da, wo er sein soll.
Insgesamt 18,3 Millionen Euro kostet der
Kirchentag in Stuttgart. Das Land gibt
tels. Lokale Geschäfte und Unternehmen
profitieren davon. Doppelt, denn „viele Besucher sagen, sie würden die Stadt
nochmals besuchen“, so Kopecz mit
Verweis auf entsprechende Marktuntersuchungen. Die übrigens auch ergeben haben: Der durchschnittliche Kirchentagsbesucher ist 36,4 Jahre alt, hat
zum Großteil das
Abitur oder einen Hochschulabschluss und zählt
zu den Gutverdienenden.
5 Millionen, die Landeskirche 4 Millionen,
und die Stadt Stuttgart unterstützt den
Kirchentag mit 2,5 Millionen sowie Sachleistungen und Gebührenbefreiungen in
Höhe von rund 700.000 Euro. Der Bund
gibt 400.000 Euro. 6 Millionen bringt
der Kirchentag selbst auf, davon rund 4
Millionen Euro über die EintrittskartenEinnahmen, den Rest mittels Spenden
und Einnahmen aus dem Kirchentagsshopverkauf.
Der Stadt bringt der Kirchentag „konkrete wirtschaftliche Vorteile, Imagevorteile
und eine Reihe von Dingen, die nachhaltig
wirken, auch wenn der Kirchentag vorbei
ist“, erklärt Dr. Jörg Kopecz, der für die
Finanzen zuständige Geschäftsführer.
Die Kirchentagsbesucher müssen essen
und trinken, viele übernachten in Ho-
Der
Kirchentag
bringt zudem neue
Konzepte in die
Stadt, dient oft als
„Testbett“ – sei es
in Sachen Lastenfahrräder,
ökofair-regionale Kost
oder die Teilnahme
und Teilhabe von
Menschen
mit
Behinderung. Fast
alle Veranstaltungen sind barrierefrei. Es gibt Fahrdienste,
Texte in „leichter Sprache“, es wird bei
rund der Hälfte der Veranstaltungen für
Gebärdensprache oder Induktionsschleifen gesorgt. Da kann sich die Stadt viel
abgucken. Und künftig den barrierefreien
Stadtplan nutzen, der extra erstellt wur-
Schulen, schulen, schulen – damit die Mitarbeitenden schnell reinkommen.
6|7
de, inklusive öffentlichem Nahverkehr.
„Wir hinterlassen Spuren“, so Kopecz.
Auch in den Köpfen. Der Kirchentag will
„der Gesellschaft und der Kirche den
Spiegel vorhalten“, sagt der Physiker und
Theologe. Der Kirchentag will Diskussionen anstoßen, den Dialog fördern, zum
Denken anregen – politisch, gesellschaftlich, spirituell, auf emotionaler und intellektueller Ebene.
Reines Spektakel? Nein, wirklich nicht!
Text: Laura Köhlmann
Fotos: Alex Wunsch
April 2015 | Nr. 65
Kirchentag 2015
Tausende Ehrenamtliche, zig Aufgaben: Wie das mit dem Helfen klappt
Ein großes Puzzlespiel
O
hne Ehrenamtliche kein Kirchentag. Doch wer hilft da eigentlich? Wobei genau? Und wie kommt wer an seine Aufgabe? Neals Nowitzki leitet hauptamtlich die Kirchentagsabteilung Helferdienste und kümmert sich mit drei Kollegen genau
darum. Der 27-jährige Religionspädagoge spricht mit uns über
vielfältig helfende Hände, stetigen Informationsfluss und lohnendes Vertrauen.
Über 5.000 Ehrenamtliche helfen beim Kirchentag in Stuttgart
mit. Was sind das denn für Menschen?
Der Großteil der Helfenden kommt aus der Jugendarbeit.
Es sind viele Jugendliche und junge Erwachsene – im Alter
von etwa 16 bis Anfang 30. Viele aus der Pfadfinderbewegung und der Bündischen Jugend sind dabei. Und dann
haben wir noch Einzelhelfende aus der Region, vom 20- bis
85-Jährigen. Sie sind für uns ganz wertvolle Informationsgeber. Wir setzen sie gerne an den Servicepoints ein oder
in der Fahrbereitschaft – überall da, wo es hilft, wenn man
die Stadt kennt.
Was für Aufgaben übernehmen die Helfer denn sonst noch?
Der Großteil von ihnen, rund 3.000, ist im Ordnungsdienst
eingeteilt. Das heißt, diese Helfer sind an den Veranstaltungsorten, halten die Fluchtwege frei, sorgen für die Sicherheit, verteilen aber auch mal Liedzettel oder helfen
beim Bühnen­umbau, wenn eine helfende Hand gebraucht
wird. Die anderen kümmern sich zum Beispiel um Einlasskontrollen, um die Gepäckaufbewahrung oder sind
bei der Fahrbereitschaft, wo sie Personen oder Material
von A nach B befördern. Wir haben Helfende, die sich des
Müllthemas annehmen. Oder Ehrenamtliche mit besonderen Fremdsprachenkenntnissen wie Japanisch oder Suaheli, die beim Internationalen Zentrum sind oder bei manchen Veranstaltungen flüsterdolmetschen, also direkt ins
Ohr übersetzen. Ein großer, sehr beliebter Helfer-Bereich ist
auch die „Schalverspendung“ ...
Die was?
Die „Schalverspendung“. Das heißt, die Helfenden bringen die Kirchentagsschals an Mann und Frau. Dabei sieht
man viel vom Kirchentag, kommt mit vielen Menschen in
Kontakt. Eine schöne Aufgabe ist es auch, die Kerzen am
Abend der Begegnungen zu verteilen. Dazu braucht man
eine große Helfergruppe, denn man muss in einem kleinen
Zeitfenster sehr schnell sehr viele Kerzen verteilen – damit
auch wirklich ein großes Lichtermeer zustande kommt.
Das sind viele Aufgaben für viele verschiedene Helfer. Wie koordiniert man die alle?
Wir stehen von Beginn an in Kontakt mit den Helfern. Es
gibt einen stetigen Informationsfluss von uns und wir bieten viele Schulungen an. Es gibt Treffen mit den ehrenamtlichen Leitern, mit denen wir abstimmen, wie viele Helfer
sie jeweils brauchen. Jeder Helfer bekommt ein individuelles Infopaket mit dem Termin der jeweiligen Schulung,
Informationen zum Aufgabengebiet und zum Einsatzort, mit der Adresse ihres
Quartiers.
Was ist derzeit die größte
Herausforderung für dich?
Die Vielfalt an Orten und
Ideen mit den Helfern zu besetzen. Wir versuchen dabei
auch zu berücksichtigen, welche Einsatzgebiete sich die
Helfer wünschen. Das alles ist ein großes Puzzlespiel. Aber
wenn das klappt, dann klappt auch die Durchführung. Gerade hängen bei uns überall Zettel und die Helfer sind noch
lauter Datensätze – ich freue mich, sie endlich zu sehen.
Wenn sie da sind, dann geht es los.
Kirchentagsstart – und mehrere Tausend Helfer schlagen in der
Stadt auf. Wie läuft das ab?
Wir empfehlen den Helfern, schon am Dienstag anzureisen. Untergebracht werden sie in speziellen Schulen, die
zentral liegen beziehungsweise gut angebunden sind. Am
Mittwochvormittag gibt es eine große Helferbegrüßung als
Auftakt und Dankeschön vorab.
Und dann heißt es: Hoffen, dass alle ihre Infos gut durchgelesen haben und dass alles klappt?
Wir haben ein großes Vertrauen in die Ehrenamtlichen und
dass das alles funktioniert. Und das kann man auch haben.
Sie schaffen es jedes Mal aufs Neue, diesen Kirchentag am
Laufen zu halten. Und der Kirchentag lebt ja an vielen Stellen von diesem ehrenamtlichen Engagement.
Hast du ein Kirchentagshighlight oder bekommst du eh nichts
mit?
In Stuttgart werde ich tatsächlich nichts erleben. In den
vergangenen Jahren war mein Highlight der Abend der Begegnungen. Das liegt aber auch daran, dass ich da die Kerzenverteilung organisiert habe.
Und wie sieht dein Kirchentag dieses Jahr aus?
Ich sitze mit meiner Abteilung – verstärkt von ehrenamtlichen Helfern – in der Schleyerhalle. Dort gibt es einen Infound Knotenpunkt für alle Helfenden. Am sogenannten Helfertresen können alle Kirchentagshelfer quasi einchecken,
bekommen Infos, Antworten oder können auch einfach mal
einen Kaffee trinken. Im Backoffice dahinter sind die Logistiker Ansprechpartner für alles Organisatorische. Also
zum Beispiel, wenn Helfer nicht erschienen sind oder wenn
es plötzlich irgendwo doch mehr Bedarf an Helfern gibt, als
ursprünglich gedacht. Wir reagieren auf das, was um uns
herum passiert. Und wir wollen für die Ehrenamtlichen
da sein, schließlich sind das keine Kurzzeitarbeitskräfte.
Natürlich gibt es auch mal Reibereien. Wo Menschen sind,
da menschelt’s eben. lako
8|9
Kirchentag als Bürgerbewegung:
ehrenamtliche Projektleitungen planen die Programme
Vom Thementableau
bis zum Wasserglas
D
as Kirchentagsprogramm hat drei thematische Säulen: „Frieden und Flüchtlinge“, „Wirtschaft und Werte“ sowie „Demokratie und Daten“. Abgebildet
wird das Ganze in einem Programmheft mit über 2.500 Einzelveranstaltungen auf
über 600 Seiten. IN hat mit der Studienleiterin des Kirchentags, Dr. Silke Lechner,
darüber gesprochen, wie das Kirchentagsprogramm zustande kommt.
Frau Dr. Lechner, wie kommt der Kirchentag zu seinen Themen?
Wir fangen mit der Auswertung des vorangehenden Kirchentages an: Welche Themen haben sich bewährt, was ist nicht gut
gelaufen? Daran schließen sich viele Gespräche an, in denen ich
auskundschafte, welche Themen in der Luft liegen. Man kann
uns auch Vorschläge nach Fulda schicken. Wir diskutieren in
den Gremien des Kirchentags, im Präsidium, in der Präsidialversammlung, im Kollegium. Wir reden viel mit den Partnern
des Kirchentages, mit Menschen aus Kirche, aus Politik, Wissenschaft, Kultur und Wirtschaft, um uns Anregungen zu holen,
was in der Welt passiert. All diese Impulse fasse ich zusammen
zu einem Thementableau. Mein Vorschlag wird in der Präsidialversammlung diskutiert und überarbeitet, das läuft parallel zur
Suche nach der neuen Kirchentagslosung. Wenn das Thementableau feststeht, beginnt die Arbeit der Projektleitungen. Wir
fragen uns zunächst: Wo sind zu den Themen die je 10 bis 15
Experten aus ganz Deutschland? Wir achten nicht primär auf die
Kirchenzugehörigkeit, sondern darauf, wer etwas zum Thema zu
sagen hat. Die Projektleitungen erarbeiten dann das Programm,
sie überlegen, wen sie einladen, und sie planen den ganzen Prozess, bis das Wasserglas für die Referentin auf der Bühne steht.
Lassen Sie uns über die Themenschwerpunkte beim Kirchentag 2015 sprechen.
Der interreligiöse Dialog ist schon lange gesetzt. Seit 1961 das
christlich-jüdische Gespräch, seit den 1980er-Jahren zunehmend auch das Gespräch mit Muslimen. Das Thema der Begegnung der Religionen ist bei diesem Kirchentag stärker als früher.
Uns wurde deutlich das Interesse aus der gastgebenden Region
signalisiert, dieses Thema stark zu machen. Die Landeskirche
und die Region Stuttgart wollen zeigen, dass es hier eine sehr
große kulturelle und religiöse Vielfalt gibt. Das landeskirchliche
Projekt „Stuttgarts Reichtum“ setzt hier an. Aber auch die Weltlage, die Anschläge auf Charlie Hebdo in Paris und andere, machen deutlich: Wir müssen das Gespräch der Religionen stärken.
Und wir wollen nicht nur über Begegnungen sprechen, sondern
auch konkrete Begegnungen ermöglichen. Also dahin gehen,
Dr. Silke Lechner
[privat]
wo die verschiedenen Religionsgemeinschaften feiern. Für viele
ist im Rahmen des Kirchentags die Hemmschwelle niedriger, ein
fremdes Gotteshaus zu betreten, als in ihrem Alltag.
Es ist ein Mittagsgebet der Religionen geplant, in vier Stuttgarter Moscheen. Besonders gespannt bin ich auf die Bibelarbeit,
die der frühere Kirchentagspräsident Gerhard Robbers gemeinsam mit dem muslimischen Cheikh Khaled Bentounès hält. Er ist
Lehrmeister eines Sufi-Ordens und Gründer der muslimischen
Pfadfinder. Diese interreligiöse Arbeit habe ich beim Kirchentag
kennengelernt und in den letzten Jahren verstärkt, ich habe im
letzten Jahr viel mit Muslimen und mit Juden gearbeitet. Das
hat mich bereichert.
Stuttgart ist eine Autostadt. Zeigt sich das im Kirchentagsprogramm?
Was ich beim Kirchentag spannend finde: Hier geht es immer
wieder darum, Dinge nicht nur zu bereden, sondern sie auch zu
tun. Deshalb diskutieren wir in einem eigenen Zentrum auf dem
Cannstatter Wasen über Mobilität, Energie und Ressourcen. Es
gibt dann aber auch Mitmachaktionen, und der Kirchentag geht
selbst mit gutem Vorbild voran. Viele Teilnehmer reisen mit dem
Zug an, in Stuttgart bewegen sie sich mit Bus und Bahn. Unsere
eigenen Transporte wickeln wir weitgehend mit Lastenfahrrädern ab.
Die Zahl der Flüchtlinge, die aus Kriegsregionen nach Europa kommen, nimmt stark zu. Ist das ein Thema beim Kirchentag?
Natürlich ist dieses Thema dran. Wir wollen die Wahrnehmung
schärfen: Was passiert in Deutschland? Wie sind die Aufnahmekonditionen, wie ist die Situation der Flüchtlinge? Wir sprechen
dazu mit Sozialarbeitern und Diakonie, aber auch mit den politisch Verantwortlichen, wir haben Bundesinnenminister Thomas
de Maizière zu Gast. Und wir wollen die Betroffenen selbst mit
ins Gespräch bringen. Flüchtlinge aus Eritrea und Syrien erzählen uns ihre Fluchtwege. Die Kirchentagskollekten sind für
Flüchtlingsprojekte bestimmt. Das Thema zieht sich wie ein ro-
April 2015 | Nr. 65
Kirchentag 2015
René Böckle
ter Faden durch den Kirchentag. Wir wollen auch Flüchtlinge in
Stuttgart zum Kirchentag einladen, wo es passt. Da setzen wir
auf die Unterstützung der kirchlichen Netzwerke.
Welche weiteren Themenschwerpunkte gibt es im Kirchentagsprogramm?
Es hat sich früh abgezeichnet, dass das Thema Wirtschaft in
Stuttgart einen besonderen Schwerpunkt bekommt. Hier gibt es
einen starken Mittelstand. Der Kirchentag wird Veranstaltungen
in einigen Unternehmen haben. Bei Bosch in Feuerbach werden
wir darüber reden, wie Unternehmen zu einer guten Arbeitssituation beitragen und wie sie von zufriedenen und motivierten
Mitarbeitern profitieren. Wir wollen den Kirchentagsbesuchern
gute Modelle aus den Unternehmen nahe bringen, nach dem
Motto: „Die Wirtschaft, das sind nicht ‚die anderen‘. Die Wirtschaft sind wir. Wir müssen sie gemeinsam gestalten.“ Unser
Kirchentagspräsident Andreas Barner, der ja selbst Vorstand eines großen Pharmaunternehmens ist, hat uns hier in der Vorbereitung wichtige Impulse gegeben. Zum Thema Wirtschaft haben wir große Podien in der Schleyerhalle. Da kommen Vertreter
der großen Wirtschaft, aber auch kleine, unbekannte, innovative Projekte. Wir haben zum Beispiel Bas van Abel zu Gast, den
Erfinder des Fairphones.
Und dann haben wir noch den Themenschwerpunkt Demokratie und Daten. Wir reden über Demokratieprozesse: Wie werden
Großprojekte umgesetzt? Wie ist das mit der Bürgerbeteiligung?
Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht über die Digitalisierung
und ihre Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Der Kirchentag ist ja
selbst ein groß angelegtes und bundesweites Modell von Bürgerbeteiligung. Er ist keine Veranstaltung, zu der die Leute hingehen
und konsumieren. Die Hälfte der Besucher ist aktiv eingebunden.
Selbst junge Helfer haben schon eine große Verantwortung. Der
Kirchentag ist ein Mitmachprojekt, eine Übung in Demokratie.
Fragen: Christoph Schweizer
Zur Person: Dr. Silke Lechner (40), geboren in Ulm, aufgewachsen
in Osnabrück. Studium der Politikwissenschaft in Hannover und
Liverpool, in London promoviert. Seit achteinhalb Jahren recherchiert und koordiniert sie als „Studienleiterin“ des Kirchentages die
Kirchentags-Themen.
Tipp: Das Kirchentagsprogramm finden Sie
im über 600 Seiten dicken Programmheft, das Sie mit Ihren
Teilnehmerunterlagen oder an den Tageskassen erhalten.
im Internet unter www.kirchentag.de/programm
oder Sie installieren die Programm-App auf Ihrem Smartphone. Mehr unter www.kirchentag.de/app
Digitale Kirchen­
malerei und Kopf­
hörerparty
Wo engagierst Du Dich beim Kirchentag?
Ich bin in der Projektleitung für
das Zentrum Jugend, und ich
werde als „DJ FAITH“ auflegen.
Unter anderem veranstalten wir eine Kopfhörer-Party im Zentrum Jugend.
Was ist eine Kopfhörer-Party?
Jeder Gast, der zu dieser Veranstaltung in die „Scharrena“ im
Neckarpark kommt, bekommt einen kabellosen Kopfhörer. An
diesem kann man zwei Kanäle wählen. Die werden von zwei DJs
bespielt. Ich lege Chart- und Housemusik auf, DJ Marris wird
BravoHits und das Beste der 80er- und 90er auflegen.
Warum Kopfhörer-Party?
Die Devise heißt: „Leise laut feiern.“ Wenn Du mal keine Lust
auf Musik hast, setzt Du die Kopfhörer ab und kannst mit Leuten ganz normal reden. Jüngere, die sich sonst nicht so wohl
fühlen beim Tanzen, trauen sich auf die Tanzfläche.
Es sind noch 80 Tage bis zum Kirchentag. Was ist gerade in der Vorbereitung dran?
Ich habe mit zwei Kollegen die Veranstaltungsleitung in der
Scharrena übernommen. Da sind wir jetzt in Vorgesprächen mit
allen Menschen, die Programmpunkte anbieten. Wir werden die
Sporthalle zu einem guten geistlichen Ort für 2.000 Menschen
umgestalten. Mit Stefanie Hügin, einer Expertin für ‚digitale
Kirchenmalerei‘, haben wir eine ganz tolle Partnerin. Sie unterstützt die Inhalte, die auf der Bühne passieren, mit Bildern und
Farbe. Wir arbeiten mit mehreren Beamern. Wie das wirklich
aussieht, werden wir erst beim Kirchentag wissen.
Welche Veranstaltungen sind in der Scharrena geplant?
Filmgottesdienste, Technogottesdienste, ein klassischer Gottesdienst. Abends Konzerte, Poetry Slam und die Kopfhörerparty.
Was sind weitere Highlights im Zentrum Jugend?
Wer auf Musik steht, sollte die Open-Air-Bühne vor dem Mercedes Museum besuchen. Dort gibt es Konzerte unterschiedlicher
Genres. Auf der Mercedesstraße und rund um die Scharrena gibt
es Mitmachangebote und Verpflegungsstände. Im SportOrt sind
Sportangebote, und im Zelt findet unter anderem der Kulturentisch statt, der aus der Stuttgarter Jugendkirche bekannt ist.
Worauf freust Du Dich, wenn Du an den Kirchentag denkst?
Dass Stuttgart als eine einladende Stadt wahrgenommen wird.
Und ich freue mich auf viele Menschen, die Megaspaß haben unser Zentrum Jugend zu erleben. Ich freue mich auf gute Musik!
Fragen: cs
Zur Person: René Böckle (29) ist Jugendreferent in Weilimdorf und für
die distriktsübergreifende jugendkulturelle Arbeit der Evangelischen
Jugend Stuttgart, beispielsweise die Kirchendisko „Konspiration X“, zuständig. Der gebürtige Berliner ist in Oberschwaben aufgewachsen und
kam zum Studium nach Ludwigsburg.
10|11
Beim „Zentrum Kinder“ werden täglich 10.000 junge Besucher erwartet
Stadtgarten in Kinderhand
V
or einem Jahr traf sich erstmals die Projektleitung des „Zentrums Kinder“ –
eine von 50 Projektleitungen des Kirchentags. In ihr haben 15 Männer und
Frauen aus ganz Deutschland, mit ganz unterschiedlichen Hintergründen, Ideen
entwickelt und Ideen verworfen. Sie haben intensiv diskutiert und sich an die konkrete Planung gemacht. Das Ergebnis wird im Juni erlebbar.
Stuttgart, Juni 2015. Der Stadtgarten
zwischen Universität und Liederhalle hat
sich zum „Zentrum Kinder“ verwandelt.
An der großen Open-Air-Bühne werden
Gottesdienste für die ganze Familie und
Mitmach-Konzerte gefeiert. Das Strohhaus lädt zum Geschichten hören ein.
Es gibt Spielmobile der Jugendhausgesellschaft. Man kann das Lagerleben der
Pfadfinder testen oder auf dem Fahrradparcours der Polizei sein Geschick auf
zwei Rädern unter Beweis stellen. Im Foyer der Universität gestalten Kinder die
„Stadt der klugen Kinderideen“, drehen
Kinderreporter einen Film; es gibt Workshops, Kinderuni und vieles mehr.
Fulda, Juni 2014. Ein strahlender
Frühsommertag. 15 Männer und Frauen aus ganz Deutschland sind angereist.
Knapp ein Jahr vor dem Kirchentag in
Stuttgart konstituiert sich heute die
Projektleitung des Zentrums Kinder. „Da
treffen sich wildfremde Leute“, erinnert
sich Frank Widmann, Landespfarrer für
Kindergottesdienst und Vorsitzender
der Projektleitung. Einige Wochen vorher war ihnen per Post die Einladung
zur Sitzung ins Haus geflattert. Für viele
überraschend, es gab keine Vorabsprachen. „Man wird nicht gefragt, sondern
eingeladen“, sagt Widmann. Und dann
geht es Schlag auf Schlag. Ein knappes
Jahr Vorbereitung ist nicht viel Zeit für
ein großes Kinderfestival, bei dem täglich
um die 10.000 Kinder erwartet werden.
„Vergleichbare Veranstaltungen haben
anderthalb bis zwei Jahre Vorlauf“, so
Widmanns Erfahrung.
In der ersten, ganztägigen Sitzung gibt
sich die Projektleitung eine Struktur, der
Vorsitz wird gewählt, die Gruppe wird in
die Aufgabenstellung eingeführt. Auf der
zweiten Sitzung steht die inhaltliche Dis-
kussion im Mittelpunkt. „Wir haben die jektleitung kontinuierlich, im Hintergrund
große Leitidee gesucht, aber am Ende steht der gesamte organisatorische „Apwar uns klar: Wir planen eine Vielzahl von parat“ der Geschäftsstelle bereit. „Beim
Angeboten“, berichtet Widmann. Die Ar- Kirchentag sind die Dinge strikt organibeit sei manchmal
siert“, beobachtet
fast „ein bisschen
Frank Widmann.
zu schnell gegan„Da gibt es Leute,
gen,
manchmal
die für die Planung
fehlte die Zeit,
der Orte zuständig
um nochmal eine
sind, die Räume
Runde
nachzuanfragen, sich mit
denken“. Doch die
feuerpolizeilichen
Termine drängten,
Dingen und Verbeispielsweise der
ans t altungsplaAbgabetermin für
nung auskennen
das Programmheft
oder mit der MaAnfang
Januar.
terialbeschaffung.
Um effektiv zu
Wenn man ein Zelt
arbeiten, wurden
aufstellen muss:
Untergruppen geDa ist jemand da,
So soll es aussehen: Entwurf des Strohbildet.
der das bucht.
hauses im Zentrum Kinder [HfT Stuttgart]
Oder die ganze
Auch wenn die
Bühne aufbauen –
Vorbereitung ein enges Zeitkorsett hat- das ist alles geregelt.“
te – das Ergebnis kann sich sehen lassen,
freut sich Frank Widmann. Das sieht auch Und doch: Bei einer Projektleitung mitseine Projektleitungs-Kollegin Maria zuarbeiten ist kein Pappenstiel. „Die ProHaller-Kindler so. Im Hauptberuf ist sie jektleitungen sind typisch für kirchliche
Kinderbeauftragte der Landeshauptstadt Strukturen: Die ehrenamtliche Arbeit
Stuttgart. Bei der schnellen Taktung der trägt das Projekt, es wird ein außerorArbeit ist das Ergebnis „eine bemerkens- dentliches Engagement gefordert und
werte Leistung“, konstatiert sie. Dazu auch von den Beteiligten gebracht“, sagt
habe beigetragen, dass in der Projektlei- die Kinderbeauftragte Haller-Kindler.
tung Leute aus ganz unterschiedlichen Und Ulrike Brand, hauptamtliche WaldOrten und Bereichen zusammengekom- heimleitung bei der evangelischen Gemen seien: „Das sorgt für eine Vielfalt der samtkirchengemeinde Stuttgart und
Ideen.“
ebenfalls Mitglied der Projektleitung
Zentrum Kinder, sagt: „Man muss viel Zeit
Dazu kommt: Die Projektleitung entwi- investieren. Ich musste mich zwischenckelt Ideen und überlegt, wer für Bibel- zeitlich auch abgrenzen, um mein Allarbeiten, Gottesdienste und Programme tagsgeschäft nicht zu vernachlässigen.“
eingeladen wird. Das meiste Organisatorische gibt sie aber an die Mitarbeitenden Aus dem ehrenamtlichen Engagement
der Kirchentags-Geschäftsstelle ab. Zwei zieht Brand allerdings persönlichen
von ihnen begleiten die Arbeit der Pro- Mehrwert: „Es ist eine interessante Kon-
April 2015 | Nr. 65
Kirchentag 2015
stellation, mit Menschen aus verschiedenen Bereichen zu arbeiten.“ Bei der
Untergruppe Strohhaus hat sie mit Architekturprofessor Andreas Löffler und
seinen Studierenden von der Stuttgarter
Hochschule für Technik gearbeitet. Die
Hochschule ist ja nur einen Steinwurf
vom Hospitalhof entfernt – „aber ohne
diesen Anlass hätte ich diese Arbeit wohl
nie kennengelernt.“ Und auch die Waldheimarbeit könnte profitieren: „Wir sind
in Gesprächen, ob wir das Strohhaus
eventuell in diesem Sommer in einem
Waldheim nutzen können“, berichtet
Brand. Auch für Maria Haller-Kindler ist
das Strohgebäude eine große Attraktion.
„Die Strohballen sind bespielbar, es ist
nicht alles schon fertig. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und habe
viel mit Strohballen gespielt. In der Stadt
ist das ein tolles Erlebnis!“ Die Tatsache,
dass Professor Löffler sich mit seiner
Strohhausidee einbringe, mache deutlich,
„dass der Kirchentag gute Ideen anzieht.“
Das Programm im Zentrum Kinder ist
vielfältig, doch es hat einen roten Faden.
„Wir haben uns am Motto des Kirchentags: ‚damit wir klug werden‘ orientiert“,
erzählt Maria Haller-Kindler. „Wir gehen
davon aus, dass Kinder ganz viel Klugheit
mitbringen. Wir wollen, dass sie im Zentrum Kinder Freude haben, spielen, Anregungen bekommen im Erzählzelt und bei
den musikalischen Angeboten.“
Maria Haller-Kindler leitet gemeinsam
mit Tina Schweizer die Veranstaltung
„Stadt der klugen Kinderideen“. Ausgangspunkt war die Überlegung, dass es
in Stuttgart viele große Baustellen gibt,
die Stadt ihr Gesicht verändert. „Wir wollen von Kindern erfahren: Welche Ideen
habt ihr, wie eine lebenswerte Stadt aus-
unter Landtags-Vizepräsidentin Brigitte
Lösch und Stadtdekan Søren Schwesig.
Das Planspiel hat für die städtische Kinderbeauftragte einen durchaus ernst ge-
Architekturstudierende der HfT Stuttgart testen den Strohhaus-Bau
sehen müsste?“ Kinder bauen dazu ihre
Stadtidee mit Bastelmaterialien auf Bretter auf. Sie kommen mit Architekten und
Stadtplanern ins Gespräch darüber, wie
die Ideen umgesetzt werden können. Und
sie können ihre Entwürfe vor Vertretern
von Stadt und Kirche präsentieren, dar-
[HfT Stuttgart]
meinten Hintergrund: „Vom christlichen
Menschenbild her ist klar, dass Kinder als
Geschöpfe Gottes Weisheit mitbringen.
Wir können sicherlich viel von Kindern
lernen, wie wir freundliche Städte gestalten können.“
Christoph Schweizer
Zur Person: Frank Widmann (48), verheiratet, 4 Kinder. Viele Jahre Dorfpfarrer auf dem Schurwald.
Seit 2012 Landespfarrer für Kindergottesdienst. Seine Leidenschaft: Erzählen und mit Kindern singen.
Zur Person: Maria Haller-Kindler (48), verheiratet, 2 Kinder. Gemeindereferentin, Pädagogin, Politikwissenschaftlerin. Leitete den BDKJ und das Bischöfliche Jugendamt der Diözese Rottenburg-Stuttgart,
später Hauptabteilung Caritas im Bischöflichen Ordinariat Rottenburg-Stuttgart. Seit 2013 Kinderbeauftragte der Stadt Stuttgart: Sie soll in der Stadtverwaltung und in der Stadtgesellschaft das
kinderfreundliche Stuttgart weiterentwickeln.
Zur Person: Ulrike Brand, 2 erwachsene Söhne, aufgewachsen im Remstal. Sie hat den Beruf der Erzieherin gelernt, vielseitige Tätigkeiten im Bereich Erziehung und Beratung ausgeübt. Seit über 15 Jahren
Hauptamtliche in der Waldheimarbeit. Seit 2011 Fachberatung und Koordinatorin für die Ferienwaldheime bei der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Stuttgart und hauptamtliche Waldheimleitung.
12|13
Anpacken, austauschen, Vielfalt erleben: Die Pfadfinder beim Kirchentag
Persönlich wachsen und die Welt gestalten
P
ardon, Klischee: Allzeit bereit – wirklich? „Ja, wirklich“, bestätigt Julia Schempp vom Verband Christlicher Pfadfinderinnen und Pfadfinder (VCP) und
schaut nicht die Spur beleidigt. Der Pfadfinder an sich
hat eben wirklich Lust, anzupacken und zu helfen.
Das kommt nicht von ungefähr. In kleinen Gruppen, in einem
geschützten Rahmen, können sich Kinder und Jugendliche
bei den Pfadfindern ausprobieren. „Learning by doing“ ist
angesagt, also sich „weiterentwickeln in dem, was wir tun“,
erklärt Schempp. Man wächst mit seinen Aufgaben – ohne
Angst, zu scheitern, aufgefangen und getragen von der Gemeinschaft.
„Gemeinsam auf den Weg zu gehen, gemeinsam die Welt zu gestalten, oft in kleinen Dingen“, das schätzt Julia Schempp. Die
34-Jährige hat mit 12 Jahren als sogenannter Sippling in der
Ortsgruppe Ottmarsheim angefangen, in dem Dorf bei Besigheim, wo sie aufgewachsen ist. Später wirkte sie in der Leitung
der Gruppe mit. Seit 2003 ist sie auf der VCP-Landesebene aktiv,
war Vorstand der Landesversammlung
und ist seit 2009 Bundesversammlungsvorstandsmitglied – alles ehrenamtlich.
Das Leiten, Organisieren und Planen liegt
ihr. Bei den Pfadfindern konnte sie es lernen, sich weiterentwickeln – und davon
profitiert die Ingenieurin auch in ihrem
Berufsleben.
„Verlasse die Welt ein bisschen besser,
als du sie vorgefunden hast“, das ist der
Pfadfinder-Hauptslogan. Eine Lebensidee, bei der es gilt: hinschauen, wahrnehmen, aktiv sein.
Julia Schempp
Sehr aktiv sind die Pfadfinder auch beim Kirchentag. Alleine der
VCP stellt rund 1.000 Helfer, die meisten davon sind Jugendliche. Das Helfen der Jugend hat Tradition: Seit 1951 sind Pfadfinder schon beim Kirchentag dabei. Dort übernehmen sie ganz
Ursula Ripp-Hilt - Vorsitzende des Kirchentags-Landesausschusses
Der Sound von Stuttgart
Frau Ripp Hilt, was ist die
Aufgabe des KirchentagsLandesausschusses?
Wir halten zwischen den
Kirchentagen das Interesse
an diesem Großereignis in
der Landeskirche wach. Und
wenn es auf einen Kirchentag zugeht, dann werben wir dafür und laden Menschen ein, sich zu beteiligen.
Jetzt kommt der Kirchentag ins eigene Ländle. Wie verändert
sich dadurch die Arbeit?
Das gibt uns einen Motivationskick. Viele von uns sind in
Ausschüssen und Projektleitungen des Kirchentages engagiert. Außerdem haben wir gemeinsam mit der Geschäftsstelle des Kirchentags Erkundungsfahrten für die anderen
Landesausschüsse organisiert. Zweieinhalb Tage mit Infos
zum Programm und zu den Veranstaltungsorten des Stuttgarter Kirchentags samt einem schwäbischen Abend.
Wie war die Stimmung bei diesen Besuchen?
Durchweg gut. Unsere Botschaft war: Der Kirchentag ist gut
auf der Spur, es gibt hier in Württemberg unglaublich viele engagierte, kirchentagsbegeisterte Leute. Und wenn wir
bei diesen Besuchen mit den Kirchentagsfreunden aus allen
Ecken Deutschlands zusammen sind, dann kommt automatisch Kirchentags-Feeling auf.
Kirchentag im eigenen Land – was heißt das für die Ausschussvorsitzende?
Als Landesausschussvorsitzende bin ich Mitglied in der Präsidialversammlung des Kirchentags und in der Konferenz
der Landesausschüsse, und dort habe ich die Planungen
zu „unserem“ Stuttgarter Kirchentag von Anfang an mitbekommen. Das sind unheimlich interessante Treffen und
interessante Menschen. Auf landeskirchlicher Ebene bin ich
im Lenkungsausschuss für den Kirchentag, ich war dabei,
als die regionalen Themenschwerpunkte beschlossen wurden. Es freut mich, dass württembergische Besonderheiten
beim Kirchentag vorkommen werden. Und natürlich gehört
es zu meinem Ehrenamt, dass ich unglaublich viele Termine habe. Ich erzähle auf Veranstaltungen vom Kirchentag,
werbe für die Teilnahme. Vor lauter Kirchentagsterminen
muss ich manchmal sagen, dass ich ganz nebenbei noch ein
Hauptamt habe, als Schuldekanin in Böblingen und Herrenberg.
Worauf freuen Sie sich besonders?
Zunächst freue ich mich einfach, dass der Kirchentag dieses Jahr in Stuttgart ist. Konkret freue ich mich auf unser
„Stuttgarter Gasthaus“, die landeskirchliche Präsentation
auf dem Schlossplatz. Ich hoffe, dass es gut besucht wird
und als württembergische Botschaft wahrgenommen wird.
Ich freue mich auf den „Klang des Südens“ beim Abend der
Begegnung. Eine halbe Stunde lang werden Chöre auf allen
Bühnen singen, und alle können mitsingen. Das wird ein
ganz besonderer „Sound von Stuttgart“. Es ist toll, zu sehen,
wie so eine Idee, bei deren ersten Überlegungen ich dabei
Fragen: cs
war, nun umgesetzt wird. [privat]
April 2015 | Nr. 65
unterschiedliche Aufgaben, vom Schalverkauf über die Schilderwerkstatt bis zum Fahrradverleih.
Schempp ist in Sachen Kirchentag seit gut einem Jahr aktiv:
Sie ist Mitglied der Projektleitung vom Zentrum Jugend. „Ich
habe Lust, beim Kirchentag auch inhaltlich was zu gestalten“,
erklärt sie. Ergebnis dieser Gestaltungslust: Scharrena und Haus
des Sports, Mercedes-Benz-Straße und Fritz-Walter-Weg, die
Open-Air-Bühne vor dem Mercedes-Benz-Museum und Sportplätze werden sich in eine Veranstaltungsfläche verwandeln.
14- bis 21-Jährigen wird jede Menge geboten: multimediale
Gottesdienste, Podiumsdiskussionen in einer Sprache, die sie
verstehen, zu Themen, die sie tangieren; Musik und Sport. Der
VCP ist beim Zentrum Jugend unter anderem mit einem Work-
Kirchentag 2015
shop zum Thema „Klima“ vertreten sowie mit zwei Podiumsdiskussionen zu „Homosexualität und Kirche“ und „Was bedeutet
Gemeinde heute“. Die Themen waren Ideen von jugendlichen
VCP-Pfadfindern.
Letztere sind nicht nur auf dem Kirchentag, um ihn durch ihre
Unterstützung erst möglich zu machen, sondern auch, um ihn
zu erleben. Um andere Pfadfinder zu treffen, sich mit anderen
Jugendlichen auszutauschen. Um zu erfahren, dass evangelisch
zu sein ganz unterschiedlich aussehen kann.
„Ich glaube, nur wenn man Vielfalt kennt und sie auch akzeptiert, kann man anderen Respekt entgegenbringen“, so Schempp.
Beim Kirchentag kommt beides zusammen. lako
Dr. Martin Schairer - Ordnungsbürgermeister
Impulse für die multikulturelle Stadt
V
om Kirchentag erwarte ich, dass wir gemeinsam auf die
brennenden Fragen unserer Gegenwart und Zukunft Antworten finden.“ Das sagt Dr. Martin Schairer, Stuttgarter Ordnungsbürgermeister und Sprecher der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ), im Gespräch über den
bevorstehenden Kirchentag.
Herr Bürgermeister Schairer, welche Impulse für unsere Stadt
erwarten Sie vom Kirchentag?
Es ist schon der vierte Kirchentag in Stuttgart. Stuttgart
ist damit eine echte Kirchentagsstadt, und darauf sind wir
stolz. Vom Kirchentag erwarte ich, dass wir gemeinsam
auf die brennenden Fragen unserer Gegenwart und Zukunft Antworten finden.
Welche Fragen sind das?
Zum Beispiel die Frage nach dem Zusammenleben von
Menschen unterschiedlicher Nationalität. Oder die interreligiöse Fragestellung, die ja in Stuttgart besonders stark
ist. Stuttgart ist im Kern evangelisch, aber zugleich eine
multikulturelle Stadt. 40 Prozent der Stuttgarter haben
Migrationshintergrund, das ist der höchste Wert in ganz
Deutschland. Hier leben Menschen aus 170 Nationen. Wir
haben hier teilweise auch schon ganz gute Antworten gefunden. Bei uns ist „Pegida“ zum Glück kein Thema. Das
ist kein Zufall. Wir leben hier mit vielen Religionen und
Kulturen friedlich zusammen. In Stuttgart gibt es keine
Ghettos, die Stadtviertel sind gut durchmischt. Auch bei
der Aufnahme von Flüchtlingen setzen wir auf dezentrale
Unterbringung – der sogenannte „Stuttgarter Weg“.
Zur Person: Der gebürtige Stuttgarter Dr. Martin Schairer ist seit
2006 Ordnungsbürgermeister der Landeshauptstadt. Davor arbeitete der Jurist unter anderem als Richter und Staatsanwalt
in Stuttgart, war Pressesprecher im Justizministerium BadenWürttemberg und von 1999 bis 2006 Stuttgarter Polizeipräsident.
Städtische Unterstützung für den Kirchentag: Die Stadt Stuttgart unterstützt den Kirchentag mit 2,5 Millionen Euro. Dazu
kommen Sachleistungen im Wert von über 700.000 Euro. Allein
Wie kann der Kirchentag zum
Gespräch zwischen Religionen und Kulturen beitragen?
Ängste entstehen ja durch
Nicht-Kennen. Die Menschen haben das Bedürfnis,
sich auszutauschen und zu
artikulieren. Vom Kirchentag erhoffe ich, dass er ein großes Forum ist, bei dem sich Menschen aus verschiedenen
Religionen begegnen. Ich freue mich über die große Bereitschaft auch der muslimischen Gemeinden, sich beim
Kirchentag einzubringen. Solche Begegnungen über Religionsgrenzen hinweg wirken nachhaltig. Man lernt sich
kennen und erzählt davon in seinen Kreisen weiter. Ich
finde deshalb übrigens auch den Rat der Religionen, den
die beiden Stuttgarter Stadtdekane ins Leben rufen, eine
hervorragende Idee. Dazu wird der Kirchentag sicherlich
gute Impulse geben.
Sie besuchen selbst den Kirchentag. Worauf sind Sie besonders gespannt?
Ich freue mich auf den Eröffnungsabend, weil er ein schönes Gemeinschaftsgefühl gibt mitten in der Stadt. Ich bin
ja von Amts wegen auf vielen Diskussionsveranstaltungen. Deshalb sind mir beim Kirchentag die Podien mit den
großen Namen gar nicht so wichtig. Die zufälligen Begegnungen machen für mich den Kirchentag aus, das Gemeinschaftsgefühl, und dass man sich von der Stimmung mitreißen lässt. Das kann man nicht planen. Aber natürlich
steht dahinter eine perfekte Organisation. Fragen: cs
die kostenlose Überlassung von Schulen als Gemeinschaftsunterkünfte veranschlagt Schairer mit über 500.000 Euro. Das
Amt für öffentliche Ordnung koordiniert seitens der Stadt die
Vorbereitungen. „Die Masse an Menschen, die am Abend der Begegnung in der Stadt sein werden, erfordert eine detailgenaue
und gemeinsame Planung aller an den Vorbereitungen zum Kirchentag beteiligten Institutionen“, erläutert Hermann Karpf, der
persönliche Referent von Bürgermeister Schairer.
14|15
Erstmals Christustag auf dem Kirchentag
Ein Zeichen der Öffnung
P
r emiere beim Kirchentag: Erstmals findet
ein Christustag der pietistischen „Christusbewegung Lebendige Gemeinde“ im Rahmen
des Deutschen Evangelischen Kirchentages
statt. Er ist am 4. Juni von 9.30 bis 14.15 Uhr
in der Porsche-Arena.
Der Christustag hieß früher
„Gemeindetag unter dem
Wort“, war als Gegenprogramm zum kirchenpolitisch
eher linken Kirchentag ins Leben gerufen worden. „Die Kooperation von Kirchentag und
Christustag signalisiert eine
gegenseitige Öffnung“, sagt
Christustags-Koordinator
Rainer Holweger, Geschäftsführer der „Lebendigen Gemeinde. Christusbewegung in
Württemberg“. Erstmals seit
über 50 Jahren fallen Termin
und Ort von Christustag und
Kirchentag zusammen. Der
Christustag findet zeitgleich
an sechs weiteren Orten in
Baden-Württemberg statt.
Der Christustag in Stuttgart
übernimmt Zeitschiene und
Formate des Kirchentages.
Ein Wechsel zwischen den
Veranstaltungen ist problemlos möglich. Das Programm
wird ausschließlich von der
Christusbewegung Lebendige Gemeinde verantwortet.
Auch ist es nicht notwendig,
zum Besuch des Christustags ein Kirchentagsticket
zu erwerben. Das Motto des
Christustages ist an die Kirchentagslosung angelehnt:
„Dein Wort macht mich klug“,
ein Satz aus Psalm 119. Der
Christustag startet mit einer
Gesprächsbibelarbeit, unter
anderem mit Steffen Kern,
Vorsitzender des evangelischen Gemeinschaftsverbandes „Die Apis“. Danach folgt
ein Vortrag mit Prof. Dr. Volker Gäckle, dem Rektor der
Internationalen Hochschule
Bad Liebenzell. Sein Thema:
„Klug durch das Kreuz“. An
den Vortrag schließt sich ein
Podiumsgespräch an, mit dem
Unternehmer Heinrich Deichmann und Anatoli Uschomirski, dem Leiter einer messianisch-jüdischen Gemeinde
in Stuttgart. Mittags veranstaltet der Christustag ein
„Gebetskonzert“, unter anderem mit Judy Bailey und dem
Bläserteam des Evangelischen
Jugendwerks Württemberg.
Der israelische Generalkonsul
Dan Shaham spricht ein Grußwort.
Bei aller Annäherung gibt es
auch deutliche Differenzen
zwischen Christus- und Kirchentag. Das zeigt sich etwa
beim Umgang mit „messianischen Juden“. So bezeichnen
sich Juden, die zum Christentum konvertiert sind. „Für
mich ist der Christustag eine
wertvolle Ergänzung, weil
der Kirchentag sich weigert,
Themen in einer Bandbreite
aufzunehmen, die in Württemberg üblich ist“, sagt Holweger.
Messianische Juden werden
vom Kirchentag am Freitagnachmittag zu einem Podium
in der Liederhalle eingeladen,
bei dem ihr Selbstverständnis
mit jüdischen und christlichen Positionen ins Gespräch
gebracht wird. Zum Markt
der Möglichkeiten auf dem
Kirchentag werden sie nicht
Rainer Holweger
[privat]
zugelassen. Diese nur eingeschränkte Offenheit reicht
Rainer Holweger nicht. Denn
die württembergische Landessynode hat im Jahr 2000
erklärt, dass sie am Gespräch
mit beiden festhält: mit jüdischen und mit messianischjüdischen Gemeinden. Dass
der Kirchentag messianische
Juden zum Markt der Möglichkeiten nicht zulässt, ist
für ihn „falsch, unnötig und
beschwerlich“. Umso positiver
sei es zu werten, dass erstmals
nach langer Zeit das Thema
in Stuttgart wieder diskutiert
werde. „Wir sind gespannt auf
das Ergebnis des KirchentagsPodiums und freuen uns auf
diese und viele weitere Begegnungen am Kirchentag“,
so Holweger. cs
Zur Person: Pfarrer Rainer Holweger (41), verheiratet, 3 Kinder, war
Vikar in der Leonhardskirchengemeinde Stuttgart, später Pfarrer
beim Dekan in Herrenberg, seit 2009 bis 2019 ist er freigestellt
als Geschäftsführer der Christusbewegung „Lebendige Gemeinde“.
Holweger ist auch Cartoonist und Autor von Online-Bibel-Spielen
für die EKD (www.ekd.de/spiele).
Klaus Käpplinger: „Diakonie und Kirche gehören zusammen“
Diakonie-Demo auf dem Kirchentag
Kirchenkreis-Diakoniedekan Klaus Käpp­
linger brennt nicht nur für die Diakonie,
er ist auch begeistert von den Kirchentagen, hat seit 1979 keinen Kirchentag
verpasst und gehört aktuell dem Kirchentagspräsidium an. Es lag für ihn nahe,
beides zusammenzubringen – Kirchentag
und Diakonie.
„Diakonie und Kirche gehören zusammen
wie zwei Seiten einer Medaille.“ Davon
ist Klaus Käpplinger, Dekan für Diakonie
im Evangelischen Kirchenkreis Stuttgart,
überzeugt. Und darum hat er gemeinsam
mit anderen dafür gesorgt, dass die Diakonie beim Stuttgarter Kirchentag zentral vorkommt. Nämlich im „Diakonischen
Viertel“ rund um die Leonhardskirche und
April 2015 | Nr. 65
bei der „Diakonie Street Parade“, einer
Demo vieler diakonischer Arbeitsbereiche
am Samstagnachmittag.
In der Leonhardskirche, auch bekannt als
Ort der Stuttgarter Vesperkirche, werden
bei Podiumsveranstaltungen drei Tage
lang diakonische Themen verhandelt.
Dazu kommen eine Open-Air-Bühne neben der Kirche und ein „Diakoniecafé“
in der „Diakoniehalle“, Pfarrstraße 1, nur
wenige Meter von der Leonhardskirche
entfernt.
Die Straßen rund um die Leonhardskirche werden – mit Ausnahme der
Hauptverkehrsachse Hauptstätter Straße – gesperrt. Es gibt Infostände und
Mitmachaktionen zu Armut, Migration,
Pflege, Psychiatrie, Freiwilligendienst und
internationale Diakonie.
Kirchentag 2015
In der Leonhardskirche ist der Donnerstagvormittag der Frage nach einer weltweiten Gerechtigkeit gewidmet. Neben
Statements und Diskussionen macht das
„Nairobi Hope Theatre“ Lust auf Fairness.
Gespannt ist Dekan Käpplinger auf die
Reaktionen der Besucherinnen und Besucher, wenn sie am Donnerstagnachmittag
die Stuttgarter Vesperkirche kennenlernen. Käpplinger stellt sie gemeinsam mit
Diakoniepfarrerin Karin Ott und Prälat i.R.
Martin Klumpp vor. Am Freitag geht es
um „Diakonie als Wirtschaftsfaktor“, am
Samstag wird Anspruch und Wirklichkeit
der Pflege diskutiert.
Am Samstag, 6. Juni macht der Kirchentag mit der „Diakonie Street Parade“ auf
sich aufmerksam. Die Parade startet um
14 Uhr in der Bolzstraße, zieht über den
Schloss- und Schiller- zum Marktplatz,
von dort über den Wilhelmsplatz zur Leonhardskirche. Käpplinger rechnet mit 1.200
Teilnehmenden aus 50 Einrichtungen. Mit
dabei unter anderem die Stuttgarter Diakoniestationen, die Evangelische Gesellschaft, der AK Asyl, die Fahrradwerkstatt
der BruderhausDiakonie, ein Seniorenchor
aus Münchingen und verschiedene Kirchengemeinden.
„Mit der Parade wollen wir die Vielfalt
der diakonischen Themen zeigen“, sagt
Käpplinger. Das breite Engagement habe
sich schon jetzt gelohnt: „Unsere Mitarbeitenden verlassen ihre Büros und Arbeitsplätze, sie arbeiten mit Leuten aus
anderen Arbeitsfeldern engagiert zusammen. Da entsteht ein ganz neues Miteinander.“ cs
Sandra Gall rührt die Kirchentagswerbetrommel in Zuffenhausen
Gelassen an den Strippen ziehen
E
s gibt diese Menschen, bei denen man sich fragt: Warum machen sie bloß so viel? Sandra Gall ist solch ein
Mensch. Die Zuffenhäuserin hat zig ehrenamtliche Aufgaben in ihrem Stadtbezirk übernommen. Und klar: beim Kirchentag hilft sie auch mit.
Sie ist Gemeindebeauftragte. Zusammen mit Pfarrerin Dajana
Römer ist Sandra Gall in der Kirchengemeinde Zuffenhausen
„für alle Fragen zuständig, die mit dem Kirchentag zu tun haben“. Als das Thema im Kirchengemeinderat auf den Tisch kam,
„haben alle mich angeschaut“, erzählt Gall. Und dann habe sie
sich auch für diese Aufgabe gemeldet. Warum? „Ich bin ein
Mensch, der gern im Hintergrund mitwirkt. Ich ziehe gerne die
Strippen und freue mich, wenn alles funktioniert.“
Was konkret in Zuffenhausen funktionieren sollte: noch
mehr Ehrenamtliche zu finden, die Anfang Juni ein paar
Tage lang mit anpacken. Anfang März mangelt es noch
an Helfern. Es sind noch nicht einmal Quartiersmanager
gefunden. „Aber es ist ja erst März...“, sagt Gall entspannt. Bis
zum „richtigen Heißmachen“ sei es noch ein paar Wochen hin.
Die Kirchentagswerbetrommel rührt die Mutter zweier Töchter
freilich schon rege. Schließlich „wünsche ich mir, dass sich die
Menschen in Zuffenhausen als Gastgeber fühlen“. Und zwar
alle, nicht nur Christen, „sollen sich angesprochen fühlen und sich ein Herz fassen,
mitzuhelfen“.
Die 40-Jährige hat sich selbst
schon vor Jahren ein helfendes Herz gefasst. Ihr ehrenamtliches Engagement begann
mit einer Krabbelgruppe. Krabbelgottesdienst, Kinderkirche,
Mitmach-Gottesdienste, die Bücherecke in der Pauluskirche,
Kirchengemeinderätin – eine ehrenamtliche Aufgabe kam zur
nächsten. Und diese Liste ist noch nicht einmal vollständig.
Freiwillige Feuerwehrfrau etwa ist Gall auch noch. „Klar, viele
Leute sagen ‚Du halst dir so viel auf’. Aber mir tut das gut!
Ich nehme unheimlich viel daraus mit“, meint sie.
Für Gall wird dieser Kirchentag der erste sein, den sie miterlebt.
Sie ist gespannt auf die Besucher. „Menschen kennenlernen,
mit denen wir sonst nie ins Gespräch kommen würden“, darauf
freut sie sich. Vorstellungen, was das für Leute sein könnten,
hat sie – Vorurteile nicht. „Ich bin selber ein ganz normaler
Mensch“, sagt sie und lächelt. Ein Mensch, der ganz schön viel
tut. lako
16|17
Im Portrait: Kurt Fuchs, Gemeindebeauftragter der Hospitalkirche
„Ganz schön verrückte Leute!“
K
urt Fuchs ist Kirchentags-Gemeindebeauftragter, Privatquartierbeauftragter und auch sonst vielfach kirchlich engagiert. Das war nicht immer so. Jahrzehntelang hatte er seiner Kirche den Rücken gekehrt. Und sie ihm.
Stuttgart, in den 1970er-Jahren. Schwule Männer waren im
braven kirchlichen Milieu nicht vorgesehen. Kurt Fuchs ist
schwul. „Der liebe Gott hat’s gut mit mir gemeint, mit 24 habe
ich den Mann meines Lebens kennengelernt“, sagt Fuchs, der
heute 64 ist.
Eberhard hieß der Mann. Der besuchte regelmäßig die Stiftskirche, hatte seinen Stammplatz dort. Nach Eberhards plötzlichem Tod im Sommer 2008 – die Folge eines Wespenstichs
– fand auch Kurt Fuchs Trost in der Kirche. Und staunte, wie
offen er aufgenommen wurde, wie Diakon und Pfarrer die
Trauer um seinen Liebsten ernst nahmen. „Mir ist das Herz
aufgegangen, als ich bemerkte: In dieser Kirche hat sich was
getan“, erzählt er.
Dafür bekommt seine wiederentdeckte Kirche viel von ihm
zurück. Er ist Kirchenwächter in der Stiftskirche, arbeitet in
der Beratungsstelle Kompass und in der Vesperkirche, ist aktiv in der Hospitalkirchengemeinde. Schöne Gottesdienste
und Gebete haben es ihm angetan. Er singt das Stundengebet, gestaltet Gottesdienste, beispielsweise das Abendgebet
in der Leonhardskirche. Sein kirchliches Netzwerk wächst und
wächst, sein früheres berufliches Netzwerk – er betrieb
zusammen mit Eberhard eine
Catering-Firma – trat in den
Hintergrund.
Und jetzt der Kirchentag.
„Da hat mich der frühere
Citydiakon Wolfgang Nebel reingeschmissen“, sagt er lachend.
1999, beim letzten Stuttgarter Kirchentag, hat er schon Kirchentagserfahrung gesammelt. Gemeinsam mit Eberhard hat
er auf dem Killesberg eine mobile Kaffeebar betrieben. Normalerweise kalkulierten die beiden auf Messen einen Schwund
an Besteck und Tassen ein. Beim Kirchentag war es anders.
„Wir sind mit 24 Tassen hingegangen. Als wir gingen, waren es
immer noch 24. Wir haben gedacht: Die Kirchentagsbesucher
sind ganz schön verrückte Leute!“
Für seine Hospitalkirchengemeinde ist er doppelt engagiert,
als Gemeinde- und Privatquartierbeauftragter. Als Gemeindebeauftragter muss er für sechs Schulen im Gemeindegebiet
Quartiersbeauftragte finden. Noch sind nicht alle versorgt.
„Beim Kirchentag habe ich Gelassenheit gelernt“, schmunzelt
er. Eine hundertprozentige Planung gibt es nicht. „Es wird sich
regeln“, sagt Fuchs – und wirkt dabei tatsächlich heiter und
gelassen. cs
Interview mit Kamal Ahmad, Leiter der Ahmadiyya Gemeinde in Stuttgart
Gastfreundschaft verbindet
Herr Ahmad, warum engagiert sich Ihre Gemeinde
beim Kirchentag als Gastgeber?
Die ehemalige Stuttgarter
Sozialbürgermeisterin Gabriele
Müller-Trimbusch
hat uns auf die Idee gebracht. Wir sind immer auf der
Suche danach, wie wir uns zum Wohl der Gesellschaft
einbringen können. Wir haben beispielsweise 2014 einen
Benefizlauf organisiert und den Erlös für das Kinderhospiz gespendet. Wir folgen dem islamischen Gebot, dass
man sich zum Nutzen der Menschheit engagieren soll. Die
Gastfreundschaft hat bei uns einen hohen Stellenwert. Sie
verbindet uns über die Konfessionen und Ethnien hinweg.
Sie haben gleichzeitig mit dem Kirchentag ein wichtiges religiöses Treffen in Karlsruhe. Ihre Mitglieder pendeln von Karls-
ruhe nach Stuttgart. Wurde eine gut erreichbare Schule gefunden?
Ja, wir gehen an die Rappach-Realschule in Weilimdorf.
Sie hat einen guten Autobahnanschluss. So können wir
von der Großveranstaltung Jalsa Salana gut anreisen.
So eine Schule zu betreuen ist bestimmt eine ziemliche Herausforderung. Worauf sind Sie gespannt?
Was die Logistik angeht, ist es für uns nichts Besonderes.
Wir haben oft größere Veranstaltungen. Ich bin gespannt
auf die Begegnungen. Die Gäste erleben den Kirchentag,
wir haben eine ganz ähnliche Veranstaltung. Bei beiden
geht es darum, dass wir unseren spirituellen Akku aufladen. Es wäre schön, wenn wir uns mit ihnen austauschen:
Mit welchen Erwartungen kommen sie? Was haben sie am
Tag erlebt? Fragen: cs
April 2015 | Nr. 65
Kirchentag 2015
Brenzkirche wird zur Atelierkirche
Schöpferische Prozesse
S
tuttgart-Nord, Ende März. Fremdartige Gäste machen sich zwischen den
Bänken der Brenzkirche beim Killesberg breit. Zeltartige Konstruktionen, oder
Segel, errichtet aus großen weißen Tüchern, Zweigen und Ästen.
Diese Kunstwerke geben einen Vorgeschmack auf die Atelierkirche, die hier
vom 17. Mai bis 8. Juni Einzug hält. Dann
werden Künstler Thomas Putze, das Pfarrer-Ehepaar Petra Dais und Karl-Eugen
Fischer, weitere Künstler und alle, die mitmachen wollen, die denkmalgeschützte
Kirche mit ihrer bewegten Baugeschichte
in einen kreativen und kommunikativen
Werkraum verwandeln. „Atelier und Kirchenraum haben ein Schnittfeld“, erläutert die ehemalige Jugendpfarrerin Petra
Dais, die inzwischen als Religionslehrerin
in einer Berufsschule arbeitet. „Beide
sind Orte für schöpferische Prozesse.“ Im
Atelier liegt das auf der Hand, „da siehst,
hörst, riechst du das Schöpferische“, sagt
Dais. „Doch auch im guten Gottesdienst
wird Neues geschaffen, in den Gedanken
der Menschen, in der Liturgie. Daraus ist
die Idee entstanden: Wir wollen die Kirche als Atelier bespielen, und zwar eine
belebte Gemeindekirche.“
Der Kirchentag mit der großen Öffentlichkeit, die er bringt, und mit seinen organisatorischen Möglichkeiten war eine
willkommene Plattform für diese Idee.
„Für mich ist die Kirche ein besonderer
Ort, um auszuloten, wie ich mich als
Künstler verstehe“, sagt PerformanceKünstler Thomas Putze, der in den Stuttgarter Wagenhallen sein Atelier hat. Für
ihn ist die Kirche kein fremder Gegenpol
zum künstlerischen Schaffen. Seine Kunst
geht darin aber auch nicht auf, wie dies
bei kirchlichen Auftragskünstlern häufig
der Fall ist. „Der Kirchenraum verändert
mein Schaffen und meine Kunst“, sagt
er. „Die Leute nehmen sie anders wahr.
Meine Kunst verändert sich, und auch ich
verändere mich im Kirchenraum.“
Dass in der Stuttgarter Atelierkirche mit
Alltagsmaterial gearbeitet wird, das von
Gemeindegliedern der Nordgemeinde
begeistert herbeigeschafft wurde, ist
Programm. „Ich wollte nicht als künstlerischer Exot mit meinen Materialien
arbeiten, und die Leute schauen verwundert zu“, sagt Putze. Mit dem einfachen Material kann jeder zum Künstler,
zur Künstlerin werden und unmittelbar
in den Prozess einsteigen. „Unsere Gemeindeglieder waren von Anfang an beteiligt“, berichtet Gemeindepfarrer KarlEugen Fischer. Eine erste Kunstaktion im
Februar sei begeistert angenommen worden. Auch die Nachbarschaft
zur Kunstakademie wird mit
der Atelierkirche neu aktiviert. Studierende des Fachs
Intermediales Gestalten experimentieren mit und entwickeln eigene Arbeiten.
Die Atelierkirche wird am
17. Mai mit Kunstaktionen
und Musik eröffnet. Um
17 Uhr startet eine „Pro­
zession“ in der Jugendkirche/Martinskirche. Von dort
wird eine Skulptur von Thomas Putze, die derzeit in
der Jugendkirche entsteht,
in die Brenzkirche getragen.
In den Wochen vor dem
Kirchentag gibt es in der
Atelierkirche ein abwechslungsreiches Pro­gramm, so
„theologische Ateliergespräche“ (19., 26. Mai und 2. Juni,
19 Uhr) und einen Workshop
„Skulpturenbau mit der Nähmaschine“ (20. Mai, 11 bis 19
Uhr). An Pfingstsonntag, im
Rahmen der „Nacht der offenen Kirchen“, ist Abendgottesdienst (24. Mai, 18 Uhr).
Während des Kirchentages
gibt es Kunstaktionen, eine
Fachtagung, Feierabendmahl
und am Samstagabend eine
„All-over-Gala“.
Finissage
ist am Montag nach dem Kirchentag
(8. Juni, 19 Uhr).
Die Daten auf einen Blick: Atelierkirche in
der Brenzkirche, Am Kochenhof 7, Stuttgart Nord. 17. Mai bis 8. Juni. Öffnungszeiten: 19. Mai bis 2. Juni, täglich außer
Montag, 14:30 bis 19 Uhr. Während des
Kirchentages besondere Öffnungszeiten.
Näheres im Kirchentags-Kulturprogramm
und unter www.atelierkirche.de cs
Kunstaktion in der Brenzkirche mit
Pfarrer Karl-Eugen Fischer (rechts) [Petra Dais]
18|19
Interview mit Asylpfarrer Werner Baumgarten und seinem Nachfolger Joachim Schlecht
Zivilcourage gehört zum Asylpfarramt
N
ach 24 Jahren als Stuttgarter Asylpfarrer geht Werner Baumgarten im Sommer in den Ruhestand. Im Februar ist sein Nachfolger gewählt worden: Joachim Schlecht, 52 Jahre, derzeit noch Stuttgarter Krankenhaus-Seelsorger. Wir
haben die Gelegenheit genutzt, mit beiden ein Doppelinterview zu führen und über
die Lage von Flüchtlingen und die Aufgabe der Kirche zu sprechen.
Was sind die Aufgaben eines Asylpfarrers, Herr Baumgarten?
Baumgarten: Er soll für Asylsuchende da
sein. Wir haben hier im Büro in der Vogelsangstraße vormittags Beratungszeit.
Dann kommen Asylbewerber mit allem,
was sie umtreibt. Ich spreche zusätzlich
mit den Vertretern der Stadt und setze
mich für die Belange von Flüchtlingen
ein. Oft geht es um Abschiebungen. Das
sind traumatisierende Situationen, besonders für die Kinder. Da werden nachts
um drei in der Flüchtlingsunterkunft die
Türen aufgerissen, Nachbarskinder werden aus dem Schlaf gerissen. Sie kriegen
mit, wie Handschellen klicken. Wie sollen
sie sich da am nächsten Tag in der Schule
konzentrieren?
Einmal im Monat trifft sich das Plenum
des AK Asyl, auch das ist ein wichtiger
Teil meiner Arbeit. Da planen wir gemeinsam Aktionen wie zum Beispiel die
Begrüßungsaktion im vergangenen Frühjahr.
Herr Schlecht, warum Asylpfarrer?
Schlecht: Ich habe bereits von 1997
bis 2007 die Asylarbeit im Kirchenbezirk Heilbronn gemacht, neben meinem
Gemeindepfarramt in Bad Wimpfen.
Dort hat die Gemeinde einer Flüchtlingsfamilie erfolgreich Kirchenasyl gewährt, das war das erste Kirchenasyl in
Württemberg. So kam ich intensiv mit
dem Thema in Berührung. Beraten wurde ich damals übrigens vom Stuttgarter
Asylpfarrer Werner Baumgarten.
Es gibt aber auch eine ganz persönliche Vorgeschichte. Meine Eltern haben
vor Jahren einen jungen Flüchtling aus
Ägypten mit betreut. Mein Vater hat ihn
im Sportverein kennengelernt. Er kam zu
uns zum Abendessen. Er hat erzählt, dass
er in seiner Heimat gefoltert und bis zum
Kopf im Sand eingegraben wurde, weil
er den Kriegsdienst verweigert hat. Das
hat mich erschüttert. Ich habe damals
gelernt, wie wichtig die menschliche Begegnung ist, dass man sich die Geschichte eines Menschen anhört. Wenn man
den Menschen kennenlernt, zerrinnen
die Vorurteile. Während meines Studiums hatte ich eine afghanische Familie
als Nachbarn. Ich habe mit der Tochter
deutsch geübt. Die Mutter brachte mir
zum Fastenbrechen einen Teller Suppe vorbei. Sie war ganz unsicher in der
fremden Wohnung. Das waren vorsichtige, leise Begegnungen.
Das hat Sie beeindruckt…
Ja, und geprägt – diese Begegnungen mit
Menschen, die aus einer lebensbedrohlichen Situation geflohen sind. Ich habe
gemerkt: Ich habe was zu geben, und das
ist schön.
Beginnt im Herbst: Joachim Schlecht
[Leif Piechowski]
Haben Sie keine Angst anzuecken?
Herr Baumgarten kann davon ein Lied
singen.
Asylpfarrer Werner Baumgarten
[Leif Piechowski]
Baumgarten: Das stimmt. Beleidigungen
waren an der Tagesordnung. Mir wurden
Morddrohungen und sogar einmal eine
Briefbombenattrappe zugeschickt. Auch
Kot war ab und zu im Briefkasten. Ich
habe auch Erfahrungen mit einem Shitstorm im Internet gemacht. Im Moment
haben wir die besondere Situation, dass
wegen der Berichte aus Syrien und dem
Irak viele Menschen pro Asyl eingestellt
sind. Aber wenn man sich für Roma einsetzt, bekommt man sofort Gegenwind…
Schlecht: Angst, ja... Aber um mich herum sind viele Menschen, die mich unterstützen und stützen. Die Landeskirche
steht zu dieser Arbeit, sie will diese Stelle.
Man muss sich auch selbst klar machen:
Diese Arbeit ist wichtig. Und wenn man
jedes Mal zurückweicht, wenn Gegenwind kommt, dann passiert nicht mehr
viel für die Menschen.
April 2015 | Nr. 65
Baumgarten: Zivilcourage gehört zum
Asylpfarramt dazu.
Herr Baumgarten, Sie haben mal gesagt, dass Sie die Unterscheidung in
„gute“ Asylbewerber und „schlechte“
Wirtschaftsflüchtlinge falsch finden.
Baumgarten: Ja, das stimmt. Schon Abraham in der Bibel war ein Wirtschaftsflüchtling. Die Grenzen sind fließend. Das
Asylrecht ist ja ziemlich kompliziert, und
selbst Menschen mit guten Asylgründen
werden oft nicht anerkannt. Da müssen
wir ein Korrektiv sein und die Zuständigen davon überzeugen, eine Ablehnung
zu überdenken.
Herr Baumgarten, hat sich Ihre Arbeit
in den vergangenen 24 Jahren verändert?
Baumgarten: Die Zusammenarbeit mit
den Behörden ist besser geworden. Früher
waren wir schon eher auf Frontstellung
mit den Ämtern. Um auf die Probleme der
Flüchtlinge aufmerksam zu machen, hab’
ich Ende der 80er Jahre mit dem GrünenPolitiker Rezzo Schlauch im Container
übernachtet, OB Kuhn hat als Oppositionspolitiker bei uns bei einer Kundgebung
gesprochen. Die Oppositionspolitiker von
früher sind heute in der Regierung.
Ich habe vor einigen Wochen beispielsweise für einen jungen Afghanen, der als
unbegleiteter Minderjähriger ins Land
gekommen war, erfolgreich einen Härtefallantrag gestellt. Er bekommt nun eine
Perspektive in Deutschland. Solche Einrichtungen wie die Härtefallkommission
hat es früher nicht gegeben, da konnte
man nur eine Petition an den Landtag
stellen. Die Gesellschaft hat sich verändert. Die Kinder der Gastarbeiter sind hier
erwachsen geworden, es gab das Sommermärchen zur Fußball-WM 2006, wir
gehen unverkrampfter miteinander um.
Der Stuttgarter Westen ist zum Beispiel
international und tolerant.
Herr Schlecht, Übernachtung im
Flüchtlingscontainer war früher. Wie
macht man heute auf die Probleme von
Flüchtlingen aufmerksam?
Schlecht: Wenn ich im Krankenhaus mitbekomme, wie schlecht Flüchtlinge medizinisch versorgt sind, kann ich mir schon
Wechsel im Asylpfarramt
vorstellen, darauf
mit einer Aktion
aufmerksam
zu
machen. Flüchtlingskinder werden zum Beispiel
zahntechnisch
nicht
versorgt,
Karies wird nicht
behandelt. Behandelt wird nur im
Notfall. Ich kenne
einen Flüchtling,
der nach einem
Suizidversuch
zwar notversorgt
Stabübergabe: Den Eröffnungsgottesdienst der Interkulturellen Woche
wurde, aber eine
im September bereiten Baumgarten und Schlecht gemeinsam vor [Leif Piechowski]
psychotherapeutische Behandlung
bekam er nicht. Ein Problem sind auch klar machen, dass sie die Flüchtlinge in
die „Illegalen“, die aus dem sozialen Netz den Blick nehmen? Dass wir also nicht
fallen. Für diese engagieren sich tolle nur innerhalb der Gemeinden denken,
Menschen, etwa mit ambulanter medizi- sondern darüber hinaus blicken, zum
Gespräch einladen, Kontakte knüpfen.
nischer Versorgung.
Sinti und Roma werden von der Öffentlichkeit kaum akzeptiert. Auch für diese
Menschen müssen wir Sprachrohr sein.
Das ist unser christlicher Auftrag. Das
sind Menschen, die in Not sind. Da müssen wir als Kirche vielleicht auch anecken.
Wir haben gerade eine gute Willkommenskultur. Aber es sieht nicht so aus, als
ob sich die Weltlage schnell ändert. Da
stellt sich die Frage: Wie kann man die
Willkommenskultur erhalten, auch wenn
es mehr Flüchtlinge werden?
Wie lässt sich die Situation von
Flüchtlingen verbessern?
Baumgarten: Es ist wichtig, dass die
Flüchtlinge so schnell wie möglich
Deutsch lernen, Praktika machen und
arbeiten. Da kommen auch die Kirchengemeinden ins Spiel. Sie können den
Flüchtlingen zum Beispiel eine Hausmeistertätigkeit anbieten und sie auch sonst
ins Gemeindeleben integrieren, bei allen
ihren Angeboten.
Schlecht: Über Begegnungen kann das
Verständnis für Flüchtlinge verbessert
werden. Denkbar ist auch eine Zusammenarbeit mit Sportvereinen, die können eine gute Brücke sein. Wie kann
man Menschen, die in der Kirchengemeinde und anderswo engagiert sind,
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat vor einigen Wochen das Kirchenasyl gerügt. Ist das Kirchenasyl
für Sie ein Thema?
Baumgarten: In Stuttgart nicht – das
liegt daran, dass wir hier sehr gut vernetzt sind. Und weil es Instrumente wie
die Härtefallkommission gibt. In Bayern
gibt es beispielsweise etliche Kirchenasyle, weil dort auch die Politik sehr viel restriktiver ist gegenüber Flüchtlingen.
Wo werden Sie Ihre Akzente setzen,
Herr Schlecht?
Schlecht: Ich muss in die Arbeit reinwachsen, werde nicht sofort alle Erwartungen zu hundert Prozent erfüllen. Ich
bin in dem ganzen rechtlichen Bereich
noch nicht so tief drin. Ich muss mir ein
Netzwerk aufbauen. Meine Stärken sehe
ich darin, zuzuhören und Menschen zu
Wort kommen zu lassen. Durch meine
Erfahrung als Seelsorger in der Psychiatrie kann ich vermutlich mit Flüchtlingen
Gespräche so führen, dass sie nicht in die
Trauma auslösenden Situationen zurückfallen, aus denen sie geflüchtet sind. Ich
bin ein guter Teamarbeiter. Ich predige
gern und freue mich, wenn Gemeinden
mich einladen.
Fragen: Christoph Schweizer
20|21
Die Wahrnehmung schärfen
Visitation des Kirchenkreises beginnt
„V
isitation“ – ein sperriges Wort, doch eine wichtige Maß­
nahme der Kirchenleitung. Ungefähr alle acht Jahre werden
die Einrichtungen und Gemeinden in der Landeskirche „visitiert“ Gemeinden vom Dekan, Kirchenbezirke vom Prälaten.
Nun beginnt die Visitation im Evangelischen Kirchenkreis Stuttgart. Im ersten Schritt erhalten die Einrichtungen
und Dienststellen des Kirchenkreises die
Chance, ihre Arbeit und die aktuellen Herausforderungen kurz und bündig zu präsentieren – pro Einrichtung zwei Seiten
im „Visitationsbericht“. Außerdem stellen
sie sich bei der Kirchenkreissynode am
10. Juli 2015 vor. „Der Sinn der Visitation
besteht darin, dass wir die Wahrnehmung
unserer Arbeit schärfen“, sagt Stadtdekan Søren Schwesig. Die Visitation helfe,
„den Kirchenkreis als Ganzes wahrzunehmen, ein besseres Gespür für die vielen
Arbeitsbereiche zu bekommen.“ Außerdem wird Prälat Ulrich Mack gemeinsam
mit Fachleuten aus dem Oberkirchenrat
Dienststellen und Einrichtungen des Kirchenkreises besuchen.
„Das Ergebnis der Visitation ist eine sehr
konzentrierte Bestandsaufnahme, das ist
wunderbar für die konzeptionelle Arbeit
im Kirchenkreisausschuss“, freut sich
Schwesig. Der Zeitpunkt sei gut gewählt.
Denn vor sieben Jahren wurde der Kirchenkreis Stuttgart gegründet, die zweite
Periode der Kirchenkreissynode ist noch
jung. Die erste Legislaturperiode war
von Ordnungs- und Satzungsfragen bestimmt. „Für die nächste Periode möchte ich eine Fokussierung auf die Inhalte“,
erklärt Stadtdekan Schwesig. Mit der Visitation werden die Themen für diese Fokussierung präsentiert.
Auch für den Visitator, den Stuttgarter
Prälat Ulrich Mack, ist sieben Jahre nach
der Gründung des Kirchenkreises „ein guter Moment, um zu fragen, wie sich die
Strukturen bewährt haben und welche
Herausforderungen wir als evangelische
Kirche aktuell sehen.“ Mack hat dabei die
Großstadtsituation im Blick, „in der die
beiden großen Kirchen in Stuttgart nur
Prälat Ulrich Mack
[privat]
noch eine knappe Mehrheit der Bevölkerung an sich binden“. Es gehe auch darum, „die Vielfalt zu sehen, die die evangelische Kirche in Stuttgart ausmacht. Diese
Vielfalt ist sicher größer, als wir es auf den
ersten Blick wahrnehmen.“
Nach Gesprächen im Herbst berichtet
Prälat Mack bei der Kirchenkreis-Frühjahrssynode 2016 von seinen Beobachtungen. „Unser Leitungsbericht und seine
Rückmeldung werden für uns die Grundlage für die Weiterarbeit im KirchenkreisAusschuss“, so Schwesig.
Wir werden Sie in den nächsten Ausgaben
von IN und auf www.ev-ki-stu.de zur Visitation auf dem Laufenden halten. cs
Hospiz Stuttgart: Umbau gestartet
B
eim Hospiz Stuttgart tut sich was.
Anfang März ist die Einrichtung in
ein Interimsquartier in der Relenbergstraße (Stuttgart-Nord) umgezogen. Am
Stammhaus in der Stafflenbergstraße
22 haben die Bauarbeiten begonnen,
und auch beim künftigen stationären
Kinderhospiz beginnt der Umbau noch
in diesem Jahr.
„Vor wenigen Tagen ist die Baugenehmigung für den Umbau der Villa Wittmann
in der Diemershaldenstraße 11 eingetroffen“, freut sich Dekan Eckart Schultz-Berg
(Bad Cannstatt), der Vorsitzende des Hospiz Stuttgart. Dort, im ehemaligen Institut
français, entsteht in den kommenden zwei
Jahren das erste stationäre Kinderhospiz
in Baden-Württemberg. „Damit schließt
das Hospiz Stuttgart eine schmerzliche
Lücke im Versorgungsnetz für Familien
mit schwersterkrankten Kindern“, erläutert Schultz-Berg. „Im stationären Kinderhospiz finden die erkrankten Kinder
und Jugendlichen gute Pflege und Begleitung, immer wieder für einige Wochen im
Jahr. Ihre Eltern und Geschwister können
in diesen Wochen Kraft tanken.“ Neben
acht Zimmern für die jungen Patienten
wird es zwei Appartements für begleitende Angehörige geben. Die Eröffnung soll
im Herbst 2017 sein.
Auch das ambulante Kinderhospiz, die
Elisabeth-Kübler-Ross-Akademie
und
die Büros der Sitzwachengruppen ziehen
dann in die Villa Wittmann. Am Standort
Stafflenbergstraße verbleiben das ambu-
lante und das stationäre Erwachsenenhospiz sowie die Gesamtleitung. Das stationäre Erwachsenenhospiz wird von sieben
auf acht Plätze erweitert. Die Zimmer bekommen erstmals eigene Nasszellen. Dieser Umbau soll ein Jahr dauern.
Träger des Hospiz Stuttgart ist der evangelische Kirchenkreis. Der Umbau wird
mit Spendenaktionen unterstützt. Am 27.
April werden im Hospitalhof zwei Benefiz-Weine vorgestellt, von Esslinger und
Cannstatter Weingärtnern gemeinsam
kreierte Cuvées. Am 14. Juni lädt FußballNationalspieler Sami Khedira im Gazi-Stadion auf der Waldau zum Benefizfussballspiel „Spiel des Jahres“ ein.
www.hospiz-stuttgart.de cs
April 2015 | Nr. 65
Aus dem Kirchenkreis | Hospitalhof
Veranstaltungstipps für April und Mai
Ein Jahr neuer Hospitalhof
E
in Jahr gibt es ihn jetzt, den neuen Hospitalhof. Mehr als 50.000 Menschen besuchten das Bildungs- und Tagungszentrum seither, je zur Hälfte als Besucher
von Veranstaltungen des Bildungszentrums und als Gäste anderer Institutionen,
die die Räume gemietet haben. Das Konzept des Bildungszentrums ist so vielfältig
wie die Menschen, die an Vorträgen, Seminaren und Exkursionen teilnehmen.
Der Hospitalhof hat einen langjährigen
Ruf als profilierter Ort des human-, natur- und geisteswissenschaftlichen Diskurses und als Ort der Begegnung mit
der Gegenwartskunst. In Vorträgen und
Seminaren werden zudem Fragen der
Persönlichkeit, Gesundheit und Teilhabe
sowie der Bewältigung von Lebensübergängen und Lebenskrisen thematisiert.
Das interreligiöse Gespräch und aktuelle politische und ethische Themen sind
genauso Teil des Programms wie philo-
Wie wir leben - wie wir leben könnten
Do 16.04.15, 19:00-21:00 Uhr
Anselm Grün, der bekannteste spirituelle Autor im deutschsprachigen Raum, begeistert Menschen, die ihm begegnen. Seine
Authentizität und seine Lebensweisheit inspirieren: Wie leben
wir? Und wie könnten wir leben? Was sind die Werte, die uns
eine Richtung geben?
KOSTENBEITRAG: 8,00 € / 6,00 €
Vom Mut der Liebe
Mo 20.04.15, 19:00-21:00 Uhr
Ulrich Schaffer, Schriftsteller und Fotograf aus Kanada, ist überzeugt: Ob die Liebe gelingt, ist eine Frage des Mutes - des Mutes,
herauszufordern und sich herausfordern zu lassen.
KOSTENBEITRAG: 7,00 € / 5,00 €
Warum erwachsen werden?
Mo 20.04.15, 19:00-21.00 Uhr
Susan Neiman, seit 2000 Direktorin des Einstein-Forums und
frühere Philosophieprofessorin in Yale und Tel Aviv, hat sich
einer knifflig gewordenen und durchaus unangenehmen Frage
gestellt: Why grow up? Sie wendet sich gegen die resignative
Sicht auf das Erwachsensein und plädiert für die Freiheit, etwas
vom Leben zu verlangen.
KOSTENBEITRAG: 10,00 € / 8,00 €
»Gerichtstag halten über uns selbst«
Mi 22.04.15, 19:00-21:00 Uhr
Der Stuttgarter Jurist Fritz Bauer vertraute auf die Kraft des
Rechts in der gesamtgesellschaftlichen Auseinandersetzung mit
dem nationalsozialistischen Unrechtsstaat. Dr. Caroline Gritschke, Historikerin im Haus der Geschichte Baden-Württemberg,
blickt zurück auf diesen besonderen Menschen und eröffnet
damit unsere neue Themenreihe „Wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden“.
KOSTENBEITRAG: 7,00 € / 5,00 €
Kinderakademie: Muss Strafe sein?
Fr 24.04.15, 15:30-17:00 Uhr
Bundesrichter a.D. Ulrich Hebenstreit, bis 2012 Richter am Bun-
sophische und theologische Deutungen
des Menschen und der Welt. Schauen Sie
doch mal, ob in der nächsten Zeit etwas
für Sie dabei ist!
Das gesamte Programm finden Sie unter
www.hospitalhof.de
desgerichtshof in Karlsruhe, erläutert Kindern zwischen 8 und
12 Jahren, wie unser Rechtssystem funktioniert und was ein
Richter tut.
KOSTENBEITRAG entfällt.
Ökonomie zwischen Markt, Kommunikation
und Überredung
Do 07.05.15, 19:00-21:00 Uhr
Anhand von Bankberatungen, Gerüchten im Kapitalmarkt sowie Kunstmarktfälschungen erläutert Prof. Dr. Birger P. Priddat,
Universität Witten/Herdecke, den Zusammenhang von Kommunikation und Ökonomie und zerstört damit zahlreiche Mythen
der Wirtschaftswissenschaften.
KOSTENBEITRAG: 7,00 € / 5,00 €
Kinderakademie: Warum führen Menschen
Krieg?
Fr 08.05.15, 15:30-17:00 Uhr
Nadine Ritzi, Projektmanagerin für Friedenspädagogik bei der
Berghof Foundation Tübingen, erklärt Kindern zwischen 8 und
12 Jahren wie Kriege entstehen und was man für Frieden tun
kann.
KOSTENBEITRAG entfällt.
Die pausenlose Gesellschaft
Mo 11.05.15, 19:00-21:00 Uhr
Dr. Rafael Ball, Biologe, Wissenschaftshistoriker und Philosoph
untersucht, was Dauerverfügbarkeit, soziale Netzwerke und die
gefühlte Beschleunigung mit uns machen.
KOSTENBEITRAG: 7,00 € / 5,00 €
Salongespräch mit Prof. Dr. Dr. Andreas Barner
Mo 18.05.15, 19:00-21:00 Uhr
Der Vorsitzende der Unternehmensleitung von Boehringer Ingelheim und Präsident des Dt. Evangelischen Kirchentages in
Stuttgart spricht über das gesellschaftliche Engagement seines
Unternehmens insbesondere bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention.
KOSTENBEITRAG entfällt. Wir bitten um eine Spende für die
Hospitalkirchensanierung.
&
kurz
bündig
„ Kirchgänger“ beim DEE-AOK-Firmenlauf. Am 20. Mai um
18.30 Uhr startet der Firmenlauf beim Gazi-Stadion auf der
Waldau. Der Evangelische Kirchenkreis ist mit einem Laufteam
dabei. „Ziel ist es, ein buntes Bild der Evangelischen Kirche in
Stuttgart abzugeben und gemeinsam den Arbeitstag sportlich
ausklingen zu lassen“, schreibt der Stuttgarter Kirchenpfleger
Hermann Beck in seiner Einladung. Fans sind herzlich willkommen.
Lukas-Gemeindehaus: Neue Nutzung. Am 19. Dezember 2014
hat die Lukas- und Lutherhauskirchengemeinde im Stuttgarter
Osten ihr Gemeindehaus in der Schwarenbergstraße an den privaten Investor Jens Loewe übergeben. Für die Kirchengemeinde
war die Immobilie schlicht zu groß, renovierungsbedürftig und
schlecht zu heizen – eine Mischung, die etlichen Gemeinden bekannt ist. Loewe modernisiert das Haus und stellt es der Öffentlichkeit im Stadtteil als Raum für Kultur und Veranstaltungen zur
Verfügung. Ein neues, kleineres Gemeindehaus entsteht neben
der Lukaskirche.
Volles Haus bei „KonspirationX“. Über 200 Jugendliche feierten am 30. Januar zum Sound von DJ FAITH und DJ Baluxe.
30 Minuten nach Beginn musste die Jugendkirche/Martinskirche
ihre Pforten schließen – sie war bis auf den letzten (Steh- beziehungsweise Tanz-)Platz belegt. „Bereits zum dritten Mal hat sich
gezeigt, dass wir als Veranstalter auf dem richtigen Weg sind,
Jugendliche zu erreichen und sie mit einem bunten und ihrer Lebenswelt angepassten Kirchraum zu überraschen“, sagt Jugendreferent René Böckle. Das sei „ein wichtiger Beitrag, um Jugendliche für ein Leben mit Gott und der Kirche zu begeistern.” Eine
große Menge von ehrenamtlichen Helfern der evangelischen
Jugend hatte das Event möglich gemacht.
0 Jahre Vesperkirche. Am 7. März endete die 21. Stuttgarter
2
Vesperkirche. Täglich wurden knapp 600 warme Mahlzeiten ausgegeben, rund 800 Ehrenamtliche ermöglichten sieben intensive
Wochen gemeinsamen Lebens in der Leonhardskirche. 20 Jahre
sind für Diakoniepfarrerin Karin Ott und ihr Team „(k)ein Grund
zum Feiern“. Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär
sagte bei ihrer Predigt im Eröffnungsgottesdienst: „Vesperkirche
bedeutet: Sieben Wochen ohne Wegschauen. Hier sehen wir der
Armut ins Gesicht“. In den sieben Vesperkirchenwochen könne
man „überlegen, was in den übrigen 46 Wochen des Jahres getan
werden kann“ für eine gerechtere Gesellschaft.
Aktuelle Infos aus dem Kirchenkreis: www.ev-ki-stu.de
22|23
Passionsandachten für Kinder
L
eiden und Auferstehung
können kindgemäß vermittelt werden, davon sind
die Hohenheimer Pfarrerin
Daniela Reich und ihr Team
überzeugt. Sie veranstalten
seit 2011 Passionsandachten
für Kinder in der Karwoche.
eine gedeckte Tafel. Kerzen
brennen. Frisches Brot und
Wasser aus dem Krug. Dazu
wird erzählt, wie Jesus mit
Zöllnern und Außenseitern am
Tisch saß.
Gebet, Schlussrunde, Segenslied. „Morgen sehen wir uns
wieder.“ Anfänglich kamen
nur wenige Kinder, berichtet
Gründonnerstag 2015: Manche Kinder stehen, manche
hocken auf dem
beheizten Boden
im Kreis um das
Kreuz.
Begrüßung, Lied. Zwei
Mitarbeiterinnen
schlüpfen in die
Rolle von Jüngerinnen, erzählen
den gebannt lauschenden Kindern
Kinder-Passionsandacht in Hohenheim [Thomas Ebinger]
die
Geschichte
von der Salbung
Jesu durch eine stadtbekann- Daniela Reich. Inzwischen sind
te Sünderin. Wir wechseln an es 50. cs
Rat der Religionen
N
ach dem Anschlag auf
die Redaktion von Charlie Hebdo in Paris hätte sich
Stadtdekan Søren Schwesig
eine rasche öffentliche Reaktion von Vertretern unterschiedlicher
Religionen
gewünscht. Volle Unterstützung hat er von seinem
katholischen Amtskollegen
Christian Hermes. Nun wird
auf Initiative der beiden ein
„Rat der Religionen“ ins Leben gerufen.
Zum Start dabei sind neben
der einladenden evangelischen und katholischen Kirche: die griechisch-orthodoxe
Kirche, die Israelitische Religionsgemeinschaft
sowie
vier muslimische Gemeinden
(Ditib und VIKZ, „Islamische
Gemeinschaft“ und die Ale-
viten). Ein hochrangiger
Vertreter der Stadt
soll
beratend
teilnehmen. Pro
Jahr sind zwei
Søren Schwesig
bis drei Treffen
[Monika Johna]
geplant, Sprecher aus den
drei Religionen sorgen zwischen den Treffen für den
Kommunikationsfluss und für
die Öffentlichkeitsarbeit.
Einmal im Jahr soll der Rat
einen Tag der Religionen veranstalten, zu dem weitere
Religionsgemeinschaften wie
Buddhisten und Hinduisten
eingeladen werden. Es geht
darum, „dass wir uns kennenlernen und Vertrauen schaffen“, sagt Stadtdekan Schwesig. cs
April 2015 | Nr. 65
Aktuell | Aus dem Kirchenkreis
Kirchenkreistag
geplant
9. Stuttgarter Jugendkirchenfestival
Der Kirchenkreisausschuss hat bei seiner
Klausur am 16. und 17. Januar einen eigenen „Stuttgarter Kirchentag“ angeregt.
Dazu wurde eine Vorbereitungsgruppe
eingesetzt.
A
m 29. März startete in der Stuttgarter Martinskirche (Eckartstraße 2) das neunte Stuttgarter Jugendkirchenfestival. Für sieben Wochen
verwandelt sich der Kirchenraum in
Atelier, Veranstaltungs- und Begegnungsraum für Jugendliche und junge
Erwachsene.
Weitere Vorhaben für die Legislaturperiode: Im Rahmen der Kirchenkreis-Visitation (s. S. 20) soll geprüft werden, ob
die Arbeitsfelder gut aufgestellt sind. Für
Kinder-, Jugend-, Familienarbeit und Diakonat erarbeitet eine Arbeitsgruppe eine
Konzeption. Die Reform der Kirchenkreisverwaltung wird weiter vorangetrieben.
Mit Maßnahmen der Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen wie einer „Bürgerkanzel“ soll die gemeinsame Wahrnehmung
der evangelischen Kirche in Stuttgart gestärkt werden. cs
Das Jugendkirchenfestival 2015 hat das
Motto „Kommunikation/Austausch“. „Jugendliche kommunizieren mit ihren Handys innovativer als die meisten Erwachsenen“, sagt der Stuttgarter Jugendpfarrer
Matthias Rumm. Aber was ist eigentlich
Kommunikation? Und wie kommuniziert
Gott mit uns, wie kommunizieren wir mit
Gott und miteinander? „Diesen Fragen
nachzugehen lohnt sich“, ist Rumm überzeugt.
Nacht der
offenen Kirchen
Beispielsweise bei den 13 Werkstatttagen. Dazu kommen Schulklassen aus
unterschiedlichen Schularten in die Martinskirche. Die Werkstatttage werden
von Jugendreferentin Dorrit Brandstetter gemeinsam mit Künstlerinnen und
Künstlern durchgeführt. In diesem Jahr
wird bei einer „Selfie-Werkstatt“ mit
Handykameras gearbeitet.
Am Pfingstsonntag (24. Mai) öffnen als
Vorgeschmack auf den Kirchentag wieder
zahlreiche Stuttgarter Kirchen ihre Türen.
Sie bieten Musik, Führungen, Kunsterlebnisse, besondere Gottesdienste und Orte
der Stille an. 14 Gemeinden zwischen
Stuttgart-West und Mühlhausen, Killesberg und Hedelfingen beteiligen sich.
A propos Handy: In Deutschland werden Handys im Schnitt nur 18 Monate
genutzt. Mit fiesen Folgen für die Menschen, die in Bergwerken unter erbärmlichen Bedingungen die seltenen Rohstoffe
schürfen, welche in Handys verbaut werden. Am 12. Mai ist ein Infoabend „Handys – Segen oder Fluch“.
Pfingstnacht 2014 in der Jugendkirche [Thomas Rathay]
Ein Markenzeichen des Stuttgarter „Jugendkirchenfestivals“ sind „architektonische Eingriffe“ durch „Kirchentrojaner“
Gerald Klahr. 2015 sind dies unter anderem zwölf Bildschirme und 14 Kameras,
die an allen möglichen und unmöglichen
Stellen in, unter und vor der Kirche eingebaut werden. Zum Jugendkirchenfestival gehören auch Abseilaktionen, ein
Poetry Slam, ein Trickfilm-Workshop und
eine „Kochclub-Schnippelparty“. cs
Das Jugendkirchenfestival im Internet:
www.jugendkirche-stuttgart.de
„Nachtschicht“: nächste Termine
Pfingstnacht 2014
Im Rahmen des Kirchentages ist am 5. Juni
um 13.30 Uhr vor dem neuen Rems-MurrKlinikum in Winnenden ein NachtschichtGottesdienst mit dem Singer-Songwriter
Andreas Bourani und dem Soziologen
Prof. Dr. Hartmut Rosa. Das NachtschichtTeam bereitet ihn gemeinsam mit dem
„Aktionsbündnis-Amoklauf-Winnenden“
vor.
[Thomas Rathay]
Das Programm finden Sie unter
www.pfingstnacht-stuttgart.de cs
Bereits am 8. Mai ist eine Nachtschicht
in der Jugendkirche/Martinskirche Stuttgart-Nord. Titel: „Armutszeugnis. Fördern
wir die Kreativität unserer Kinder zu wenig?“ Nachtschicht-Pfarrer Ralf Vogel
spricht mit dem Neurobiologen Prof. Dr.
Gerald Hüther. Musik macht die Band
der Evangelischen Jugend Degerloch. Der
Gottesdienst beginnt um 19 Uhr.
Programm und weitere Infos: www.nachtschicht-online.de cs
24|
Der Stuttgarter Chor „Gospel im Osten“ auf Begegnungsreise in Chile
Joy – GiO tief im Süden
D
irekt vom Tiefschnee in die Sommerhitze von Santiago, statt grauer Winterdämmerung jeden Tag strahlender Sonnenschein – allein das wäre schon
Grund genug, das neue Jahr in Chile zu beginnen.
Für rund 60 Sängerinnen und Sänger von
GiO (Gospel im Osten), einem Gospelchor
aus Stuttgart-Ost, sowie befreundeten
Sängerinnen und Sängern aus Waldenbuch (Gospel St. Veit) und St. Gallen/
Schweiz (Gospel im Centrum) gab es
noch ein paar Gründe mehr, sich zu Jahresbeginn 2015 auf die Reise nach Chile
zu machen.
Nach einem ersten großen, ökumenischen
Chorprojekt „time to celebrate“ im Juni
2013 in Stuttgart, hatte der Gospelchor
„Coro SantiaGospel“ zu einem Gegenbesuch nach Santiago de Chile eingeladen.
Unterschiedlichste Eindrücke einer sehr
abwechslungsreichen, bunten Stadt,
Gut gelaunte Gospel-Flieger Ausflüge in die Umgebung, leckeres, chilenisches Essen und der ein oder andere
Pisco Sour, dazu eine herzliche Aufnahme durch die Chileninnen und Chilenen,
abends gemeinsame Chorproben mit
über 200 Sängerinnen und Sängern.
Schnell war klar, dass „Joy“ das passende
Motto für diese Gospelprojektwoche war.
Die Momente, die diese Reise zu etwas
Besonderem machten, geschahen aber –
so wie wir das bei GiO oft erleben – auch
hier ganz unerwartet.
Strahlende Augen
und viel Freude
beim
täglichen
Wiedersehen, Begegnungen über
Sprach-, Alters-,
und Kulturgrenzen hinweg, die
„Adoption“ eines
kleinen StraßenOpen-Air-Konzert in Santiago de Chile
[Ludmilla Parsyak]
hundes durch eine
Chilenin,
nachdem dieser jeden Abend unseren Pro- Verbunden zu sein mit allen Unterschieben gelauscht hatte sowie ein spontaner den, mit manchem Fremden und UnFernsehauftritt. Und dann zwei ganz gewohnten – und auch mit denen, die
unterschiedliche zuhause geblieben waren, das ist eine
Konzerte - einmal Freude, die tiefer geht und erfüllt, auch
in einer Halle voll in den Momenten, die nicht so strahlend
fröhlich
mitfei- schön sind wie viele Momente dieser beernder Menschen, sonderen Reise.
das andere Mal
als Open-Air mit Egal ob in Chile oder Deutschland – GosStraßenkonzert- pel ist Musik und Wort, das zutiefst berührt und aufrichtet, Glaube, der einlädt
charakter.
und lebendig ist und Gemeinschaft, die
Das Schönste war über gemeinsames Singen hinausreicht.
und bleibt das gemeinsame Singen Das für sich selbst zu entdecken,
– über zweihun- dazu lädt GiO alle herzlich ein – egal
dert Stimmen, die ob im Chorprojekt ab 14. April oder
sich finden in ge- beim neuen Gottesdienst „GospelHaus“,
meinsamem Klang der monatlich in der Friedenskirche
[Ludmilla Parsyak]
und
Rhythmus. stattfindet. Steffi Müller (GiO)
Impressum
Herausgeber:
Evang. Kirchenkreis Stuttgart, Pfarramt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit
Redaktionsteam:Christoph Schweizer (cs, verantwortlich), Albrecht Conrad, Monika Johna (ajo),
Laura Köhlmann (lako), Gerd Mohr.
Lektorat: Susanne Höhn
Redaktionsanschrift: Pfarramt für Medien und Öffentlichkeitsarbeit, Pfarrer Christoph Schweizer,
Augustenstr. 124, 70197 Stuttgart | Tel.: 0711 222 76 91 | Mail: [email protected]
Titelbild:
Collage: Thomas Ripp
Gestaltung und Herstellung: Evangelisches Medienhaus GmbH. Satz: Thomas Ripp
Auflage: 3.500
IN erscheint drei Mal im Jahr. Es wird Mitarbeitenden kostenlos über die Pfarrämter verteilt. Interessierte
wenden sich bitte an die Redaktion. Leserbriefe sind willkommen, Auswahl und Kürzung vorbehalten.