Neue Bauweise, altes Denken? - Hessische Energiespar

Dipl:‐Ing. Werner Eicke‐Hennig Hessische Energiespar‐Aktion www.energiesparaktion.de Neue Bauweise, altes Denken? Anders als den Tieren fehlen uns Menschen Fell oder Gefieder. Wo den Tieren Höhlen, Nester oder geschützte Plätze genügen, benötigen wir Häuser, um dem Kältetod zu entgehen. Da uns auch der genetische Code für Ih‐
ren Bau fehlt, haben wir spärlich angefangen und entwickeln unsere Behausungen seit Jahrtausenden immer weiter. Die Triebfeder ist vor allem die Zunahme der Bevölkerungszahl mit der Konsequenz der Über‐Beanspru‐
chung von knappen Naturressourcen. Die Änderungen der Produktionsweisen und die Technikentwicklung tragen ebenso bei. Natürliche Behausungen bewohnte der Mensch, solange in unseren Breiten weniger als 1 Million Menschen lebten. Die Nomadenzeit war geprägt durch das einfache Schutzdach aus Laub und die Jurte aus Fasern. Im langen Übergang zum Ackerbau trat in Stein‐ und Bronzezeit die Flechtwerkhütte hervor. Sie entwickelte sich aus dem einfachen Strohdach über einer Bodengrube. Später schaute man die grasgefüllten zweischaligen Flechtwerkwände dem Dach ab. Ihr Dämmwert entsprach schon vor 3400 Jahren dem Niveau der Wärmeschutzverordnung von 1995. Am Anfang des Bauens standen also Naturbauweisen mit einem guten Wärmeschutz mit U‐Werten um 0,2‐0,5 W/(m²K). Haltbare Bauten waren gefragt, als die Germanen endgültig Ackerbauer wurden. Es entstand die Hütte in Holzblockbauweise aus roh behauenen Holzstämmen mit einem U‐Wert um 0,7 W/(m²K), um das Ende der Römerzeit. Um 1100 waren Bevölkerung und Wirtschaftstätigkeit so angewachsen, dass die Holzverknappung das Fachwerk als Holzsparbauweise erzwang. Das entstand mit der Gründung der ersten Städte und ermöglichte auch die Mehrgeschossigkeit auf knappen Baugrund. Der Holzbau währte solange, bis die Bevölkerung begünstigt durch die Entwicklung von Wissenschaft und Technik schneller wuchs. Die Massenbedürfnisse mündeten in die Industrialisierung. Ab 1850 kam der Übergang zur Massivbau‐
weise, weil Holz als Baustoff nicht mehr ausreichte. Die Industrialisierung steigerte nicht nur die Bevölkerungs‐
zahl, sie lieferte auch die bauliche Lösung, den billigen Maschinenziegel samt Eisenbahntransport. Bei 1.000 °C wurden nun Steine und Dachziegel gebrannt, deren Erstellung trug fortan über die Schlote der 11.000 Ziegelei‐
en in Deutschland zur Umweltbelastung bei. Mit den neuen „Kunststeinen“ wurde Deutschland „massiv“ aus‐
gebaut. Der Betonbau ergänzte das Mauerwerk nach 1945. Die neue Bauweise ließ ein Problem ungelöst. Mas‐
sivbauten sind Kalthäuser, ohne besondere dämmende Eigenschaften der Gebäudehülle. Die hatte man dem Massenwohnungsbau geopfert. Der Wärmeschutz einer 38 cm dicken Ziegelwand ist dreimal schlechter als der einer bronzezeitlichen Flechtwerkwand, das warme Strohdach wich der kalten „harten Bedeckung“. Die Wär‐
mebrücken der Betonbauteile sorgten immer wieder für Wohnungsschimmel. Als man auf Kälte und Unbehag‐
lichkeit nach 1945 endlich mit zentraler Beheizung reagieren konnte, verschlang die Gebäudeheizung einen immer größeren Anteil am Energieverbrauch Deutschlands. Nicht mehr 1 Million Menschen in weniger als 200.000 Hütten, sondern 80 Millionen Bürger beheizen heute in 18 Mio. Wohnbauten immer mehr Wohnfläche auf höherem Temperaturniveau. 2 Mio. Zweckbauten verstärken deren Energiehunger. Das ging für kurze 20 Jahre gut, solange das Heizöl noch den Markt eroberte, scheinbar unbegrenzt verfügbar und billig war. Der Weckruf ertönte 1974 mit der ersten Energiekrise, die das Ende des „Sorglos‐Öls“ einläutete. Vierzig Jahre später nutzen wir mit dem Fracking in manchen Weltregionen schon den letzten, nur noch teuer förderbaren Rest und versiegen jene Ölquellen, die wir in der Nordsee nach 1974 hastig erschlossen. Nicht mehr die Baustoffe sind knapp, sondern die Heizenergie wird teurer und knapper, ein Weltklimaproblem beun‐
ruhigt zusätzlich. Wieder sind wir deshalb in einen technischen Wandel des Bauens eingetreten, dessen Ent‐
wicklung heute rasend schnell verläuft. In wenigen Jahrzehnten wurde bereits das Energiesparkonzept für den Altbau und für den Neubau das Niedrigenergie‐, das Passivhaus und das Sonnenhaus praxisreif. Was anfangs wie eine nur vereinzelte Dämmstoffanwendung aussah, hat sich zum Konzept entwickelt: Die Dämmbauweise bricht sich Bahn. Wir schaffen mit Dämmstoffen eine behaglich‐warme Gebäudehülle und lösen damit die Res‐
sourcenfrage beim Heizen und das Wohnhygieneproblem gleich mit. Aber die hohe Entwicklungsgeschwindig‐
keit ruft Ängste hervor. Auch wehrt sich das Alte gegen das Neue, es geht um einen Milliardenmarkt. Der Mas‐
sivbau wird zum Endpunkt der baulichen Entwicklung erklärt, das beruhigt. Diesen Fehler, das Vorhandene als Die Hessische Energiespar‐Aktion ist ein Projekt des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landes‐
entwicklung das Endgültige zu betrachten, haben schon alle Generationen gemacht. Man denke an den ausweglosen Kampf der bayrischen Odelwagenbetreiber gegen die Einführung der Kanalisation in den Städten. Neue Bauweisen führen zu neuen Erscheinungen, deren Verständnisprozeß noch nie in der Geschichte sachlich ablief. Die offene Feuerstelle in der Tenne rühmte selbst ein Hermann Löns als den Hort der abendlichen Fami‐
lienzusammenführung, als der Staat den brandschützenden Schornstein und den Holzsparofen einforderte. Heute wird der Sinn der Wärmedämmung noch nicht verstanden und die Verschwendung durch die gewaltigen Massenprozesse der Öl‐ und Gasverfeuerung sinnlich kaum erfasst (90 Mio. Barrel Öl pro Tag weltweit). Weiter so wie bisher, ist die Hoffnung, jede gedankliche Hilfe ist hier recht. Während das Vorurteil in der Metapher schwelgt, kommt die Wahrheit wissenschaftlich daher und hat es ungleich schwerer. Ausgerechnet der von den Steinmetzen des 19. Jahrhunderts bekämpfte, bei 1.000 Grad gebrannte „Kunst‐
stein‐Ziegel“, dessen Herstellungs‐Emissionen noch zur Verwässerung der 1. BImSchV führten, wird heute zum Naturprodukt erklärt und gegen die neuen Dämmstoffe gewendet. Auch der Kunststein war einst eine hart diskutierte Neuerung, er verdrängte zehntausend Jahre Bautradition des Holzbaus. Wo der schlechte Wärmeschutz von Mauerwerk im Verein mit den Wärmebrücken des Betonbaus Wohnungs‐
schimmel erzeugt, was schon Film und Broschüre des Bundesbauministeriums 1957 beleuchten, wird dies trotzdem den Dämmstoffen angelastet. Da kann eine empirische Untersuchung in 5500 Wohnungen eine ge‐
ringere Schimmelhäufigkeit in gedämmten Bauten zeigen und eine große Umfrage unter Bausachverständigen erweisen, das nur in 0,7 % aller gut gedämmten Neubauten Schimmel auftritt, den weitverbreiteten Aberglau‐
ben, Wände müssten atmen und Dämmung sei Ursache von Schimmel, ficht das nicht an. Das massivere Auftreten von Wohnungsschimmel ist eine Folge des Massivbaus, nicht der Wärmedämmung. Mit dem Mauerwerksbau ab 1850 und nach 1945 mit den Wärmebrücken der Mauerwerks‐Beton‐Mischbau‐
weise wurde der Wohnungsschimmel ein wahrnehmbareres Problem. In den zwanziger und fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts untersucht die Hygieneforschung Schimmelschäden an Massivbauten. Die Feststellung damals wie heute: Je schlechter gedämmt, desto kühler das Bauteil im Winter auf seiner Innenseite. Der Schimmel bildet sich im Tauwasser auf diesen kühlen Bauteilen. Schon 1957 hatte Cammerer darauf hingewie‐
sen, dass sich auf Wänden mit Mindestwärmeschutz das 120‐fache der Diffusionsmenge, nämlich 37 Gramm Tauwasserausfall pro m² und Stunde als Kondensat auf der kalten Wandinnenoberfläche ergeben. Diese Tau‐
wassermenge wird nur zu weniger als 1 % per Diffusion durch die Wand abgeführt. Eine nennenswerte Ent‐
feuchtungsleistung ist das nicht.Gedämmte Bauteile sind innen warm und damit nur in geringem Maße von Wohnungsschimmel bedroht. Gleichwohl sucht man heute immer noch in einem Feuchteabtransport durch Wände sein Heil. Mit der Dampfdiffusion hat man sich aber den langsamsten Feuchtetransportmechanismus herausgesucht. Das kann jedermann an Weinflaschen beobachten, deren diffusionsoffener Kork (Sd 0,2 m) sogar den Alkohol jahrzehntelang in der Flasche zurückhält. Den Feuchtetransport durch Bauteile beurteilte die Bauforschung schon 1952 in der DIN 4108 so: „Ein Atmen der Wände im Sinne einer Lufterneuerung findet nicht statt. Dagegen ist aus hygienischen und bautechnischen Gründen auf der Innenseite der Wände eine gewisse Aufnahmefähigkeit für Wasserdampf erwünscht; üblicher Innenputz, auch saugfähige Pappen und dgl. Erfüllen diesen Wunsch (..) Die von den Pufferschichten aufgenommenen Feuchtigkeitsmengen sollen in Zeiten mit geringem Feuchtigkeitsgrad wieder an die Raumluft abgegeben werden. Dies wird durch Lüften der Räume (Öffnen der Fenster und dgl.) gefördert.“ So einfach ist das. Man kann regelmäßig Lüften oder seinen Schim‐
melschaden heute auch ins Fernsehen bringen. Nur davon geht er nicht weg. Obwohl es über 30 Dämmstoffarten gibt, richtet sich die Kritik gegen einen einzigen: Das Polystyrol. Als gäbe es eine Pflicht zu seiner Verwendung. Dabei werden Bau‐ und Dämmstoffe nach dem Geldbeutel ausgewählt. Während Polystyrol auf der Fassade zum Gift erklärt wird, ist es nach Lebensmittelverordnung als Verpa‐
ckungsmaterial zugelassen, trinken wir an mit Polystyrollacken beschichteten Tischen aus Polystyrolbechern unseren Kaffee. Gegen diesen Dämmstoff aus der Chemie, bringen wir Naturdämmstoffe in Stellung. So er‐
wünscht sie sind, versagen sie als Ideologie. Naturfasern waren schon bei einem Bruchteil der heutigen Bevöl‐
kerungszahl knapp und heute gibt es viele konkurrierende Nutzungsansprüche. Auch würden Häuser durch Dämmung zu dicht, das Bild vom Haus in der Plastiktüte wird gerne gezeigt. Die Existenz diffusionsoffener Dämmstoffe scheint so unbekannt, wie der Diffusionswiderstand von Polystyrol, der dem von Holz entspricht. Auch ist ein Luftaustausch durch Bauteile nicht feststellbar, wenn Putze, Tapeten und Farben eingebracht sind. Dieses alles wurde schon 1927 wissenschaftlich gemessen und bis heute nicht zur Kenntnis genommen. Da fordern dieselben Personen undichte Häuser, die unverzüglich den Handwerker ver‐
klagen würden, wenn er sie ihnen baute: Denn für einen nennenswerten Luftaustausch bräuchte es offene Fugen, die bei Windstille nicht auffielen, bei Wind das Haus aber unbeheizbar machen würden. Ihren aktuellen Ursprung hat die These vom zu dichten Haus übrigens in den hektischen Energiesparbemühungen nach 1974. Man baute nur neue Fenster ein und ließ die übrigen Bauteile ungedämmt. Auf deren kalt bleibenden Innen‐
oberflächen schlug sich die erhöhte Raumluftfeuchte nieder. Nun war nicht die Fehlentscheidung des Hausei‐
gentümers Schuld, nur die Fenster zu erneuern, sondern die Dämmung. Die Gerichte haben seither eine Menge vermeidbare Arbeit. Während wir beim FCKW‐Ersatz Langmut zeigen und die H‐FCKW immer noch in Autoklimaanlagen nutzen, wird die Beimischung von HBCD als Flammschutzmittel in Dämmstoffen als Gift für Menschen dargestellt. Seine direkte Freisetzung in die Raumluft aus Möbeln, Vorhängen und Elektrogeräten oder Autopolsterungen inte‐
ressiert hingegen nicht. Das wir in den fünfziger Jahren mögliche Schadwirkungen von HBCD auf Organismen noch nicht kannten, und es mit Bekanntwerden recht schnell bis 2015 durch unschädliche Flammschutzmittel in den Dämmstoffen ersetzen, ist keine Erfolgsmeldung wert. Das kommende CreaSolve‐Recyclingverfahren ermöglicht sogar das Abtrennen des HBCD beim Dämmstoffrecycling. Die Studien, die den Erfolg der Energiesparbauweise zeigen, sind Legion und im Internet abrufbar. Sie werden ignoriert und das Gegenteil behauptet. Der scheinbare Beweis für die Wirkungslosigkeit der Wärmedämmung war jahrelang eine einzige Wohnanlage in Hannover‐Tollenbrink. Als die unseriöse Datenlage einmal genau angeschaut wurde, zeigte sich, die starre Kostenverteilung nach Wohnfläche zwischen Heizwerk und Häusern der Wohnanlage bildete einen Minderverbrauch nicht ab – die Heizkostenrechnung blieb trotz Dämmung im‐
mer dieselbe. Das ist die Informationsqualität der Dämmstoffgegner. Kurzlebig soll sie sein, die neue Dämmtechnik, das ist der Standardvorwurf gegen alles Neue. Die Verbrauchs‐
analysen an Gebäuden über lange Jahre beweisen nebenbei, Dämmtechniken weisen eine lange Lebensdauer auf. Die ältesten gedämmten Häuser stehen seit 50 bzw. 70 Jahren schadenfrei in Hauenstein/Pfalz. Dämmstof‐
fe sind die bestuntersuchte Bautechnik, nirgendwo konnten auf dem System beruhende Bauschäden festge‐
stellt werden. Allein für das WDVS gibt es 6 Studien über 30 Jahre. Man muß nur lesen. Die Höhe des Heizenergiebrauchs wird vor allem durch die Dämmqualität der Außenbauteile bestimmt. Weil diese Information nicht in der Gesellschaft ist, wird immer noch angezweifelt, ob durch Dämmung wirklich 50‐
80 Prozent des Heizenergieverbrauchs erspart werden kann. Dabei zeigte schon das erste wissenschaftlich vermessene Bestandsgebäude in München 1985 eine Einsparung von 10 % durch Heizkesselerneuerung und von weiteren 55 % durch die vier Dämmmassnahmen: Dachdämmung 12 cm, WDVS 8 cm, Kellerdämmung 5 cm und Wärmeschutzisolierverglasung. Und genau so ging es seither weiter, weil die Physik unbestechlich ist. Kenntnisse derThermodynamik sind wenig verbreitet. So kann behauptet werden, Massivbauten speicherten Sonnenenergie und wären deshalb der Wärmedämmung überlegen. Mitten im Winter, bei 40 (statt sommerli‐
chen 200) Sonnenstunden pro Monat beheizt die Sonne in dieser Ideologie unsere Häuser. Schon das kleinste massive Einfamilienhaus hat mehr als 200 Tonnen Masse und verbraucht doch ohne Dämmung 30 Liter Heizöl pro m² und Jahr und teilgedämmt immerhin noch durchschnittlich 20 Liter/(m²*a). Das ist das Problem und nicht die Lösung. Der empirische Nachweis der Erfolglosigkeit des Speicherkonzeptes steht in Bayern: Die Münchner Wohngebäude weisen in der techem‐Statistik 2012 einen spezifischen Heizenergieverbrauch von 14,1 Litern Heizöl pro m² und Jahr auf, gegenüber den Essener Wohnhäusern mit ca. 13 Litern pro m² und Jahr, obwohl die solare Globalstrahlung in München 20 % höher liegt und das historische bayrische Ziegelmaß um 4 cm dickere Wände ergab. Während der Massivbauabbruch die Bauschuttdeponien belastet, wird ein Recyclingproblem von Dämmstoffen herbeigeredet, deren „Massen“ künftig die Deponien belasteten. Das klingt nach „Haltet den Dieb“: Unser Deponieproblem sind die Gesteinsmassen aus dem Abbruchprozeß in den 20 Mio. Massivbauten. Rechnet man für ein gedämmtes Deutschland aus, dass durch Dämmung gerade einmal 1 % mehr Bauschuttmasse auf die Deponien zukommt, was ein Dämmstoffrecycling noch minderte, wird dies ignoriert. Dass die bisherige Mas‐
sivbauweise nur gedowncycelt werden kann, während sich Dämmstoffe recyceln lassen? Nicht interessant, da wechseln wir lieber zum Thema „Dämmstoffe sind Sondermüll“. Zeigt man, dass „Sondermüll“ als Begriff nicht existiert, sondern das Abfallwirtschaftsgesetz von „gemischten Bau‐ und Abbruchabfall“ spricht und nur Mine‐
ralwolldämmstoffe „gefährlicher Abfall“ sind, dessen Beseitigung eingewöhnt ist, hört man weg. Dass für Poly‐
styrol in Kürze ein Kreislaufverfahren mit dem CreaSolve‐Prozess vorliegen wird, wird spannende Abwehrreak‐
tionen hervorrufen. Ein Feind ginge verloren. Seit 30 Jahren ist nachgewiesen, Dämmstoffe amortisieren sich energetisch durch die Energieeinsparung so gut, dass jeder m² Dämmstoff in seiner Lebensdauer 20‐60 mal mehr Energie einspart, als zu seiner Herstellung gebraucht wurde. Gleichwohl wird immer noch gefragt: Steckt da nicht mehr Energie drin, als er spart. Studien‐
lesen scheint Schwerstarbeit. Das nur 0,4 % des jährlichen Rohölverbrauchs zu Dämmstoffen verarbeitet wer‐
den, insgesamt nur 7 % zu langlebigen Kunststoffprodukten und 93 % unwiederbringlich in Heizungen und Motoren mit geringem Wirkungsgrad verbrannt werden, wird gedanklich nicht rückgekoppelt. Gerade die 0,4 % sinnvoller und langlebiger Rohöleinsatz sollen ihre Existenzberechtigung beweisen. Dämmstoffe aus Rohöl senken den Ölverbrauch, sind mehr als 50 Jahre nutzbar und entspannten weltweit angewandt sogar die Ölfront. Die Information ist nicht in der Gesellschaft, stattdessen arbeiten sich Architekten an unüberschauba‐
ren Life‐Cycle‐Bilanzen ab. Die Veralgung von gedämmten Fassadenteilen wird zu einem großen Problem erklärt. Dass Algen Sauerstoff‐
produzenten sind und an Bauteilen nichts zerstören, bleibt unbekannt. Da hat man die „atmende Wand“ und ist auch wieder nicht zufrieden. Auch ist vielen unbekannt: Algenwachstum entsteht nicht durch Dämmung, sondern durch die Luftreinhaltung. Mit weniger SO2 in der Außenluft durch Kraftwerksentschwefelung und Hausbrandumstellungen begann in den achtziger Jahren ein Algenwachstum im Siedlungsraum, wie seit der Industrialisierung nicht mehr. Dabei veralgten Dächer noch vor den Fassaden, denn Algen brauchen Wasser, nur liegen die Dächer nicht so im Blickfeld. Heute sind auch ungedämmte Fassaden, selbst Kirchtürme veralgt und veralgen Verkehrsschilder, Gartenzäune, Gehwege usw. immer schneller. Die Medien fokussieren gleich‐
wohl unseren Blick auf die 10 % veralgter Dämmfassaden. Der Schuldige ist gefunden, wir sind zufrieden. Nur hilft das nichts, denn der Veralgungsprozess nimmt weiter zu. Wir werden Lösungen finden müssen, oder uns an den Sauerstoffproduzenten in unserer Nähe gewöhnen. Mit Fungiziden/Algiziden oder photokatalytischen Verfahren in den Baustoffen kämen wir weiter. Jedoch werden die einen zum Gift skandalisiert, die anderen haben ihren Preis. Während die Landwirtschaft jährlich 10.000 Tonnen Fungizide verspritzt, werden 100 Jahres‐
tonnen aus den Fassaden, wären alle Fassaden fungizid behandelt, zum Problem erklärt. Eingepackt, totgedämmt würden historisch wertvolle Fassaden, auch hier sei der Dämmstoff Schuld. Welch eine Kurzsichtigkeit: Wenn es eine Schuld an der Einebnung vielgestalter Fassaden gibt, dann trifft sie den Hauseigentümer, der die Bauentscheidung trifft. Er wird Kostengründe haben. Aber da ist es bequemer, die Dämmung zu bezichtigen, als zu sagen, was man als bauhistorisch engagierter Architekt meint: die Einschrän‐
kung der Investitionsfreiheit für Hauseigentümer. Da kann man nur Mut zur Ehrlichkeit wünschen. Brände sind immer Aufreger, das haben auch die Medien erkannt und nutzen dies zur Vermarktung von Sen‐
dungen mit solch sprachverwirrten Titeln, wie „Wahnsinn Wärmedämmung“. Um keine Nachdenklichkeit zu erzeugen erfahren wir nicht, dass Dämmstoffe nur an 0,02 Promille aller Brände pro Jahr beteiligt sind. Bei 180.000 Bränden pro Jahr sind das 4 nachgewiesene Fälle. Dass Hartschaumdämmstoffe brennen können, wissen wir seit 1952, wir tolerieren es aber und nehmen im Brandschutzrecht einen Abgleich aus Risikobewer‐
tung, Kostenaufwand und Freiheit vor. Deshalb sind auch brennbare Fassaden aus Holz möglich oder Naturfa‐
serdämmstoffe, die trotz Brandschutzausstattung nur „normal entflammbar“ bleiben. Wir tolerieren auch die steten Brände hölzerner Dachstühle und Treppenhäuser, die im Gegensatz zu gedämmten Fassaden regelmäßig zu Toten führen und kümmern uns kaum um Brandverläufe. Sonst wüssten wir zu unterscheiden, zwischen dem ohnehin eintretenden Brandschadensumfang und dem meist nicht wesentlichen Zusatzeffekt der Däm‐
mung. Der war sogar im großen Brandfall Delmenhorst 2011 recht gering. Gleichwohl kann man jedes System besser machen und das geschieht nun durch die neuen Beschlüsse der Bauministerkonferenz, die, trotz des geringen Risikos, Verbesserungen eingeführt hat. Historisch hat eine kurzsichtige Wirtschaftlichkeitsdebatte um den Wärmeschutz dazu geführt, dass wir heute in schlecht gedämmten Häusern leben, deren Heizkosten zunehmend unbezahlbar werden und in denen aus Kostengründen abgesenkte Raumtemperaturen, künftig wieder zu Wohnungsschimmel führen. Die Fehlent‐
scheidungen der Vergangenheit sind die Sanierungsfälle von heute. Peinlicherweise soll nun die Beseitigung der Fehler erneut beweisen, dass die Dämmassnahmen wirtschaftlich seien. Schon die erste umfassende Studie zur Energieeinsparung im Gebäudebestand, zeigte 1993 an 46 Gebäudetypen, die den deutschen Wohngebäude‐
bestand repräsentieren, beim heutigen Energiepreisvon 65 Cent pro Liter Heizöl existiert ein wirtschaftliches Einsparpotenzial von über 50 Prozent. Wie überflüssig diese Diskussion ist, zeigt die folgende Frage: Warum saniert die ehemals gemeinnützige Wohnungswirtschaft seit 1974 kontinuierlich ihre Wohnungsbestände energetisch, dies unter der Bedingung begrenzter Mietzahlungsfähigkeit ihrer Mieter und erzielt dabei Eigen‐
kapitalrenditen von 3‐15 %? Statt solcher Informationen, werden viele Zerrbilder in Stellung gebracht. Dazu gehört auch ein eigentümlicher Blick auf die Ressourcenlage: Es wird schon noch langen und wieder billiger werden. Aber die verzweifelte Hoffnung, mit der wir jeden kurzfristigen Ölpreisrückgang begrüßen, zeigt nur an: Peak‐Oil ist nicht nur in England und Norwegen längst Wirklichkeit geworden. Auch hat die Destabilisierung der Ölregionen ihren Preis. Da hilft kein Fracking, da hilft nur Energieeffizienz in allen gesellschaftlichen Berei‐
chen. Gleichwohl erscheint es uns heute technisch einfacher, giftige Chemikalien durch grundwasserführende Schichten kilometerweit in den tief unten aufgesprengten Boden einzubringen, um Öl‐, Gas, und gefährliche Kohlenwasserstoffdünste freizusetzen, als eine so einfache Technik wie Dämmplatten auf Fassaden, Dächern und Kellerdecken anzubringen. Die halten wir dann für Gift, welch eine Verwirrung. Wir werden nicht umhinkommen, das süße Gift des „früher war alles besser“ durch das Erkennen und die be‐
wusste Lenkung des Fortschritts zu ersetzen. Die Ressourcenlage ist da unerbittlich. Die Dämmbauweise kämpft damit, dass der gesellschaftliche Wissensstand Kenntnisse der Thermodynamik noch kaum einschließt. Wissen‐
schaft wird allerorten durch Baumystik und Naturromantik ersetzt. Möglicherweise muss es deshalb zukünftig ein steigender Öl‐ und Gaspreis richten. Die Triebfeder des Wandels ist wohl doch die Ökonomie und nicht der vorausschauende menschliche Geist, eigentlich schade.