return www.return-sanierungsmagazin.de Artikel-Nr.: 58565501 ISSN: 2199-8841 Magazin für Sanierungsmanagement 01 15 Schwerpunkt Personalbindung als Anker? Trotz Krise als Arbeitgeber ein sicherer Hafen 18 „Beauty-Contest für Gläubiger“ 62 Bewegen oder untergehen Tendenzen bei Insolvenzen benennt Dr. Benjamin Webel, einst Richter im Schlecker-Prozess, im Interview auch kritisch Mit Coaching in der Krise kennt sich der „Albatros“, Spitzenschwimmer und Unternehmer Dr. Michael Groß bestens aus CHANCEN NUTZEN EDITORIAL UNSERE KUNDEN KOMMEN AUS DEN FOLGENDEN BRANCHEN: Maschinenbau Metallbe- und -verarbeitung Kunststoffbe- und -verarbeitung Holzbe- und -verarbeitung Lebensmittelindustrie Hoch- und Tiefbau Textilproduktion Druckindustrie etc. Finanzierung in der Krise. WERTHALTIGKEIT SCHLÄGT BONITÄT: SALE & LEASE BACK GEBRAUCHTER MASCHINEN Maturus Finance bietet maschinenlastigen, produzierenden Unternehmen seit 2005 rein objektbasierte Finanzierungslösungen in Form von Sale & Lease Back-Strukturen an. Durch den Verkauf des gebrauchten Maschinenparks und das gleichzeitige Zurückmieten fließt dem Unternehmen frische Liquidität zu. Damit erhält es den finanziellen Spielraum, um die für das Gelingen einer erfolgreichen Sanierung notwendigen Maßnahmen umsetzen zu können. Erforderlich ist hierfür ein diversifizierter, werthaltiger und universal einsetzbarer Maschinenpark! Vertrauen führt W er nicht weiß, welchen Hafen er ansteuert, für den ist kein Wind günstig. Diese Erkenntnis in Anlehnung an den weisen Sinnspruch des römischen Philosophen Seneca wirft als Grundsatzfrage auf, ob ein Schiff ohne Hafen überhaupt das Richtige ist. Übertragbar sind die Annahmen als Linie für den Kurs wendiger Fregatten der Wirtschaft. In volatilen Märkten müssen Unternehmen heute besonders flexibel sein. Organisationen, die fähig sind sich anzupassen und zu verändern, schaffen diesen Transformationsprozess besser, wenn in ihnen die Fürsorge für Mitarbeiter glaubhaft zu spüren ist. Profitabilität und Restrukturierungen dürfen Manager nicht nur auf Kosten der Menschen im Unternehmen erzielen. Mitarbeiter tragen Veränderungen mit, wenn die Reorganisationsvorhaben nicht stets zu ihrem Schaden sind. Diese Überzeugung vertritt der profilierte Führungsexperte Reinhard K. Sprenger in seinem Buch-Klassiker „Vertrauen führt – Worauf es im Unternehmen wirklich ankommt“. Die verlässliche Vertrauensbeziehung zwischen Führung und Belegschaft stellt sich nicht von alleine ein, sondern gehört speziell in Zeiten des Wandels hart erarbeitet. Für die Krise wirkt dies präventiv. Das Sprichwort „Ein guter Kapitän wird man nicht in ruhigen Gewässern“ stammt zwar ausgerechnet aus Griechenland, stimmt aber. Vertrauen zu bilden und Personal zu binden – dies gehört zu den Königs- disziplinen im Management, weshalb wir ihr diese Ausgabe widmen. Vorbilder setzen auf überzeugende, vertrauensvolle Führung statt auf Alle-in-einem-Boot-Durchhalteparolen. Kritische Arbeitnehmer und ihre Interessenvertreter, demografische Entwicklungen und Fachkräftemangel erhöhen den Druck. Womöglich erleben wir sogar eine Rückbesinnung auf die Erfahrungen der „Alten“, die sich stilbildend für die Zukunft unserer Gesellschaft erweisen könnten. Fest steht: Wer gutes Personal nicht an sich bindet, verspielt ein großes Faustpfand für die Bewältigung von Miseren. Über allem steht dafür die offene und zuerst interne Kommunikation. Das fällt Führungskräften in Krisen mitunter schwer, weil die schwierige Lage vielfach auf Defizite im Management zurückgeht. Leider fehlt hierzulande die Bereitschaft, sich (frühzeitig) mit Fehlern auseinanderzusetzen, dazu zu stehen und eine Kultur des Scheiterns auch anzunehmen. Eröffnen Krisen doch durchaus Chancen, sich nicht nur finanziell, sondern auch personell neu aufzustellen. Vorbilder und Inspirationen dazu findet die aufgeschlossene Leserschaft im vorliegenden Heft zuhauf. Ihr Hans Haarmeyer Herausgeber return – Magazin für Sanierungsmanagement MATURUS FINANCE BIETET IHNEN: Eine rein objektbezogene, bonitäts- und bankenunabhängige Innenfinanzierung Den Erhalt der Steuerungshoheit Ihres Unternehmens durch Zufluss frischer Liquidität aus eigener Kraft Die Verbesserung der Eigenkapitalquote und mittelfristig der Bonität Ihres Unternehmens durch das Heben stiller Reserven Maturus Finance GmbH · T 040/300 39 36-250 · [email protected] · www.maturus.com 3 INHALT INHALT Inhalt 14 return 01/15 Aktuelles 6 Meldungen 8 Hälfte unter Schutzschirm Großverfahren 2014 in Eigenverwaltung 10 Aktuelle Fälle Licht in Sicht bei Ludwig Leuchten 12 Sanierungsmonitor Schwerpunkt 30 Vier Antworten zur Personalbindung Vier aktuelle Lösungen 38 42 Blog 46 13 Brunowskys Tagebuch 48 Wie falsche Informationspolitik Schaden anrichtet Mensch & Unternehmen 14 18 22 23 Lupenreiner Betriebsübergang Gelungene Sanierung der Behindertenhilfe Dieburg „Tendenz zur Sanierung unter Insolvenzschutz“ Richter Dr. Benjamin Webel über Trends und Rollen return kontrovers Zur Reform des Anfechtungsrechts Diskurs und Debatte Standpunkt Votum der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Gemeinsam stark Aufbruchsstimmung bei Strauss Innovation Wollen will gelernt sein Manager-Coaching für Change-Prozesse Intelligente Emotion mit Effekt Was motiviert, an Bord zu bleiben Kolumne 62 81 Anne’s Corner Innen wie außen Reputation aufrecht halten trotz Krise 56 „Kapitäne binden jedes Crew-Mitglied ein“ Top-Segelsportler Jochen Schümann über Führung 60 Serie – Teil 5: Insolvenzverwalter Abrechnung des Monats 71 Allzeittief mit Ausnahmen Zahlen zu Insolvenzverfahren 72 Wissenquiz für Entscheider Sachgebiet: Sicherungsrechte Service 82 Rechtsprechung Praxis richterlicher Entscheidungen 84 Medien Zeitschriften • Fachaufsätze • Bücher 86 Termine Tagungen • Kongresse • Seminare 87 Tools Bilanz Check – die Analysen 90 Gewinnen und genießen I wie Insolvenzschutz 76 ABC der Sanierung 78 Gesagt, getan ab Fließende Finanzen 74 Stille Reserven Stationäre und mobile Spracherkennung Wertschätzung schafft Wertschöpfung Was Führungskräfte von Unternehmen erwarten Schwerpunkt 68 Das Jahr beginnt im Brauhaus Grünstift statt Rotstift Rechtlicher Rahmen für Mitarbeiterbindung „Situationen, in denen man Luft holen muss“ Ex-Schwimmstar Dr. Michael Groß über Selbstcoaching 66 Bestellter Treuhänder fremden Vermögens Geballte Statements Expertenstimmen auf einen Blick 52 Hintergrund & Wissen Einführung ins Thema anhand der Kernfragen 32 Report Behindertenhilfe Dieburg – Sanierung eines insolventen Sozialunternehmens Bekanntmachungen • Checklisten • Online-Märkte Ein Wochenende zu zweit im Rheinhotel return bis Z 3 Editorial 88 Vorschau, Leserservice und Interna 89 Impressum und Autorenverzeichnis 30 Personalbindung als Anker? Trotz Krise als Arbeitgeber ein sicherer Hafen 24Umfrage Ergebnisse des Bundesverbandes Credit Management 26Kommentar 4 Stellungnahme des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands 62 Dialog Schwimmstar Dr. Michael Groß über Erfolgscoaching 56 Interview Segelsport-Ikone Jochen Schümann über Führung 5 AKTUELLES AKTUELLES Passende Finanzierung plus Wachstumskapital für Existenzgründer Meldungen Insolvenzen auf 15-Jahres-Tief Die Zahl der Insolvenzen in Unternehmen ging im Jahr 2014 um 8,9 Prozent zurück, meldet Creditreform. Mit 23.800 Anträgen gegenüber 26.100 im Vorjahr erreichte der Wert den niedrigsten Stand seit Einführung der Insolvenzordnung (InsO) vor 15 Jahren. Der fünfte Rückgang in Folge sei begünstigt durch den vergleichsweise einfachen Zugang zu Finanzmitteln, eine positive Ertragssituation im Mittelstand sowie die weitgehend konjunkturelle Stabilität, heißt es in der Mitteilung. Die Insolvenzschäden beziffert Creditreform für 2014 auf 26,1 Milliarden Euro, was nur leicht unter den Vorjahreswert von 26,9 Milliarden Euro lag. Die Summe sei im Ver- Quelle: Creditreform gleich der zurückliegenden zehn Jahre niedrig, was auf die geringere Zahl an großen Insolvenzen zurückzuführen sei. Insgesamt 264.00 Arbeitnehmer waren Neues Gesetz regelt Steuerfragen beim Sanierungsgewinn Neue gesetzliche Regelung zur steuerlichen Freistellung eines Sanierungsgewinns: Auch bezüglich der Gewerbesteuer greift seit Jahresbeginn die Abgabenordnung (§ 184 Absatz 2 Satz 1 AO). Für die Gewerbesteuer bestand bisher weitgehend Unsicherheit, während die Behandlung bezüglich Einkommen- und Körperschaftsteuer im Sinne der angestrebten Sanierung für den Gewinn gelöst war. Insbesondere bei der Sanierung von Unternehmen mit zahlreichen und mitunter bundesweit verschiedenen steuerlichen Betriebsstätten führte dies zu Problemen. Denn auch nach Auffassung des Bundesfinanzhofes stand es allein in der Entscheidung der jeweiligen Gemeinde zu prüfen, ob diese auf Sanierungsgewinne die Gewerbesteuer festsetzt und erhebt. Mit dem neuen Gesetz finden nun in der Praxis bewährte Billigkeitsregelungen auch bei der Festsetzung des Gewerbesteuer-Messbetrags Eingang. Darauf weisen aktuell Prof. Jochen Vogel und Jörg Schlüter hin, beide von Ernst & Young. www.jurion.de 6 im vergangenen Jahr von Unternehmensinsolvenzen betroffen – im Vorjahresvergleich ein Minus von 7,4 Prozent. Junge Firmen, die unter fünf Jahren bestehen, waren seltener unter den Kandidaten, was Creditreform mit besser vorbereiteten und eher chancenorientierten Gründungen in Verbindung bringt. Sie stellten 28,4 Prozent aller registrierten Insolvenzen. Kleinstbetriebe mit maximal fünf Mitarbeitern traf es in acht von zehn Fällen. In nur 90 Anträgen ging es um Firmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen Euro; im Vorjahr waren es noch 130 größere Unternehmen. Zu den größten Betroffenen gehörten die Verlagsgruppe Weltbild, der TV-Gerätehersteller Metz, der Windpark-Finanzierer Prokon, die Mitteldeutschen Fahrradwerke und der Modefilialist Strauss Innovation (siehe S. 32). www.creditreform.de Angesichts sinkender Existenzgründerzahlen in Deutschland befasste sich jüngst eine Expertenrunde auf Bundesebene mit den Herausforderungen und mit den Chancen der hiesigen Startup-Szene. Bessere Rahmenbedingungen, insbesondere die passenden Finanzierungsmöglichkeiten und das oft benötigte Wachstumskapital, forderte danach unter anderem Iris Gleicke. Die Parlamentarische Staatssekretärin und Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung hält dies für Voraussetzungen, wenn Gründer den Markteintritt und die Expansion mit innovativen Ideen schaffen sollen. An dem Gesprächskreis beteiligt waren Experten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie und des Instituts für Mittelstandsforschung (IfM), Wissenschaftler aus Forschungsinstituten und Vertreter von Mittelstandsverbänden. Ein Fakt aus den Erkenntnissen der Kompetenzrunde: Vor allem innovative Gründungen beschäftigen mehr Mitarbeiter und schaffen zukunftsfähige Arbeitsplätze. Allerdings scheidet schon in den ersten drei Jahren fast jede dritte Neugründung wieder aus dem Markt aus. Dies belegen Studien. Künftig wollen sich die Professoren und die Institutsleiter mit den Verbandsrepräsentanten einmal im Jahr beim „Round Table Mittelstand“ zu aktuellen Forschungsergebnissen austauschen und daraus Handlungsempfehlungen für die Mittelstandspolitik ableiten. www.ifm-bonn.org Unternehmen, die eine positive und konstruktive Fehlerkultur etabliert haben, fördern damit langfristig ihren Erfolg. In diesen Organisationen dürfen Mitarbeiter aus Fehlern lernen und entwickeln das Changemanagement zielgerichtet weiter. So lautet ein Ergebnis der neuen „ChangeFitness-Studie 2014/2015“ des auf Veränderungsprozesse spezialisierten Beratungsunternehmens Mutaree (im Bild: Geschäftsführerin Claudia Schmidt) mit dem „Institut für Entwicklung zukunftsfähiger Organisationen“ an der Universität der Bundeswehr in München. Die Eigeninitiative aller Beschäftigten trotz meist höherem Arbeitsumfang zu fördern sei „unumgänglich“, fordern die Autoren: „Vor allem Führungskräfte sollten den Umgangscode mit Fehlern beachten und die Fähigkeit fördern, mit Fehlern konstruktiv umzugehen.“ Als interne Rückmeldung ersetze die Diskussion den üblichen Tadel, die Ursachen-Analyse sei fest verankert, und die praktische Umsetzung von Lösungen sorge für Lerneffekte in Veränderungsvorhaben von Nutzen. www.mutaree.com Suchmaschine für Beschaffung nutzt künstliche Intelligenz Eine Suchmaschine für elektronische Beschaffungssysteme, die „den Prinzipien der Künstlichen Intelligenz“ folgt, entwickeln DFKI-Forscher im Bereich Cyber-Physical Systems am Standort Bremen (im Bild). Innovative Lernverfahren gehören u.a. zum neuen Online-Einkauf von Unternehmen. www.dfki.de Mittelständler halten fest an starren Hierarchien Das Festhalten an alten Hierarchien und starren Strukturen ermittelte die Studie „Digitale Transformation und ihre Auswirkung auf die Führung im Mittelstand“. 400 Topmanager aus mittelständischen Unternehmen ab Quelle: Intersearch-Executive 100 Mitarbeitern hatte die Personalberatung „Intersearch Executive“ hierfür befragt. Danach erwarten zwar 82 Prozent der Befragten beispielsweise, dass sich die interne Kommunikation deutlich beschleunigen wird. Vier von fünf Managern gehen davon aus, dass der Wissenstransfer künftig eine Schlüsselrolle spielt. Doch die wenigsten Unternehmen haben darauf reagiert; die meisten halten an Bestehendem fest. www.intersearch-executive.de Konstruktive Fehlerkultur fördert Changemanagement HWW: Großfusion vereint Schwergewicht Mit der Fusion des Dienstleisters und der Kanzlei zu „HWW Hermann Wienberg Wilhelm“ (Logo im Bild) ist hierzulande eine der größten Dienstleistungsgesellschaften für Rechtsberatung, Restrukturierung und Insolvenzverwaltung mit 400 Mitarbeitern in 24 deutschen Städten sowie mit einem eigenen internationalen Netzwerk. www.hww.eu Linke fordert Insolvenzrecht für Staaten Die Linksfraktion im Bundestag unter Vorsitz von Gregor Gysi (Foto) hat sich für ein Staaten-Insolvenzrecht ausgesprochen und folgt damit Bestrebungen der Vereinten Nationen (UN). Deren Beschluss indes hatten elf Nationen nicht zugestimmt, darunter auch Deutschland. www.linksfraktion.de Quelle: DIE LINKE im Bundestag 7 AKTUELLES AKTUELLES Hälfte unter Schutzschirm Großverfahren 2014 in Eigenverwaltung Text: Andreas Fröhlich In 28 Großverfahren über Unternehmen mit einem Umsatz von über 20 Millionen Euro Umsatz und mit mehr als 100 Mitarbeitern ordneten Gerichte im Jahr 2014 die Eigenverwaltung an. Dies entspricht einem Anteil von 26 Prozent an allen Insolvenz-Anträgen, die Unternehmen dieser Größe betrafen. Bei Unternehmen mit über 100 Millionen Euro Umsatz liegt der Anteil an Eigenverwaltungen sogar mit 35 Prozent an allen Antragsverfahren noch deutlich höher. Der Anteil der Eigenverwaltungsverfahren an der Gesamtanzahl an Verfahren von Unternehmen in der oben genannten Größenkategorie ist seit ESUG-Einführung im März 2012 leicht rückläufig. Ausgehend von einem Anteil von 32 Prozent im ESUG-Einführungsjahr ist dieser auf nunmehr 26 Prozent leicht gesunken. „Einfache“ Eigenverwaltungen werden dabei häufiger beantragt als Schutzschirmverfahren. Bei allen Eigenverwaltungsverfahren liegt der Anteil der Schutzschirmverfahren in 2014 allerdings schon bei 46 Prozent. Der Anteil an Eigenverwaltungsverfahren, in denen ein Insolvenzrechtsexperte in die Organstellung geht, hat ebenfalls zugenommen und zwar auf 75 Prozent aller Antragsverfahren auf Eigenverwaltung. Das entspricht der Komplexität der Aufgabe einer Sanierung unter Insolvenzschutz und den gewachsenen Anforderungen der Gerichte. Gleichzeitig hat sich die Anzahl „gekippter“ Eigenverwaltungsverfahren reduziert. Maßgebliche Akteure und Kanzleien aufseiten der Schuldnerunternehmen in Eigenverwaltung, sei es in Form einer beratenden Unterstützung oder in Form einer Organschaft als Geschäftsführer bzw. Vorstand, sind: Buchalik Brömmekamp, hww Unternehmensberater sowie die auch als Insolvenzverwalter tätigen Kanzleien Görg, Schultze & Braun und Pluta. ~ Entwicklung von Eigenverwaltungen in Insolvenz-Großverfahren 2012 – 2014 Quelle: perspektiv GmbH 8 * perspektiv-Schätzung (S) Schutzschirmverfahren § 270b InsO Quelle: perspektiv GmbH 9 AKTUELLES AKTUELLES Licht in Sicht Aktuelle Fälle: Ludwig Leuchten Text: Andreas Fröhlich N ur sechs Monate nach Insolvenzantragstellung geht das Traditionsunternehmen mittels eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung nachhaltig saniert und gestärkt aus der existenzbedrohlichen Krise hervor. Die Ludwig Leuchten GmbH & Co. KG ist ein Vorzeigeunternehmen in der LeuchtenIndustrie. Seit mehr als 60 Jahren entwickelt, fertigt und vertreibt die Gesellschaft technische Beleuchtung für Industrie und Handel, aber auch Sonderlösungen im Projektgeschäft. Referenzprojekte sind der Terminal 2 des Münchener Flughafens, der Flughafen in Athen, die BMW Zentrale („Vierzylinder“) in München sowie die Vereinten Nationen in 10 Wien, die Europäische Zentralbank in Frankfurt, der Zentralbahnhof in Den Haag, die Metro in Amsterdam und andere herausragende Objekte. 500 Mitarbeiter beschäftigte das Unternehmen in Spitzenzeiten bis ins Jahr 2008. Danach begann jedoch die sich stetig verschärfende Krise, die am 5. Mai 2014 in dem Insolvenzantrag mündete. Zu diesem Zeitpunkt beschäftigte Ludwig Leuchten an den Standorten in Mering bei Augsburg und Bergen in Sachsen noch 280 Mitarbeiter. Die Ursachen der Krise lagen vor allem in einer unvorteilhaften familiären Gesellschafterstruktur, die sich in einer dreiköpfigen Geschäftsführung zeigte, die in den Zeiten der Krise zunächst kein gemeinsames Sanierungskonzept formulieren und umsetzen konnte. Als sich die Krise allerdings zu einer existenzgefährdenden Situation zuspitzte, haben die Gesellschafter unternehmerische Verantwortung für die Mitarbeiter und für die Region als größten Arbeitgeber übernommen: Durch die Wahl des Schutzschirmverfahrens als Sanierungsinstrument und durch die Hereinnahme von Florian Möckel als Geschäftsführenden SanierungsGesellschafter wurde der Weg zu einer nachhaltigen Sanierung geebnet. Florian Möckel hat sich zwar auch in anderen mittelständischen Unternehmen schon erfolgreich als Sanierungs-Geschäftsführer beweisen können. Für die Rolle als Eigenverwalter ließ er sich jedoch zusätzlich von Rechtsanwalt Peter Umbach aus Augsburg sowie von dem vom Gericht als Sachwalter bestellten Anwalt Dr. Paul Abel von Anchor Rechtsanwälte in Augsburg unterstützen. Den Insolvenzplan erarbeitete die Führung unter dem Schutzschirm des vorläufigen Verfahrens. Nur knapp drei Monate nach An- tragstellung wurde der Insolvenzplan eingereicht. Der Insolvenzantrag zu einem frühen Zeitpunkt ging in einer Phase ein, als das Unternehmen erst „drohend zahlungsunfähig“ war. Dies begrenzte den Schaden für die beteiligten Stakeholder. Die Gläubiger konnten die Sanierung in Eigenregie konstruktiv begleiten. Das Sanierungskonzept des Insolvenzplans sah vor allem folgende Maßnahmen vor: u eine Bereinigung der Gesellschafterstruktur, u die Umsetzung leistungswirtschaftlicher Sanierungs- maßnahmen, u die Anpassung der Mitarbeiterschaft von 280 auf 200 Arbeitnehmer, u die Aufrechterhaltung bestehender Darlehn der beiden Hausbanken unter Vermeidung des Sicherheiten- verwertungsfalls und u der signifikante Mittelzufluss durch Beiträge der Neu- Gesellschafter. Neue Perspektiven Das Insolvenzverfahren wurde im Januar 2015 aufgehoben. Die Planungsziele für 2014 waren zu dem Zeitpunkt erreicht. Eine effizientere Führungsstruktur war durch die Geschäftsführer Florian Möckel und Erich Ludwig geschaf- fen. Die erforderliche Personalstärke war angepasst. Weitere Grundlagen bildeten Vertriebs- und Marketingmaßnahmen, die Entschuldung mittels des Insolvenzplans und die Trennung der Familienstämme. Heute ist das Unternehmen für die Herausforderungen des Wachstumsmarktes gerüstet. Gestärkt in die Zukunft Denn der Markt mit LED-Leuchten ist ein Wachstumsmarkt. Resümierend fasst Florian Möckel den Sanierungsprozess so zusammen: „Wir konnten, unterstützt von anchor Rechtsanwälte, innerhalb eines halben Jahres die erfolgreiche Sanierung von Ludwig Leuchten über das Schutzschirmverfahren und das Insolvenzverfahren erreichen. Ludwig Leuchten ist mittlerweile auf dem Weg zurück in die Gewinnzone. Wir gehen gestärkt in die Zukunft.“ ~ 11 AKTUELLES BLOG Sanierungsmonitor Wie falsche Informationspolitik Schaden anrichtet Aktuelle Fälle erfolgreicher Lösungen Text: Jochen Wierz Text: Ralf-Dieter Brunowsky W * Eigenverwaltung bei Antragstellung, später Aufhebung 12 Quelle: perspektiv GmbH enn in einem Unternehmen geraunt wird, ist immer „etwas im Busch“. Die Unternehmensleitung befindet sich noch im Prüfungsstadium einer Umstrukturierung und doch eilen die Gerüchte den Überlegungen und Schlussfolgerungen voraus. Wenn es dem Unternehmen schlecht geht, merkt das die Buchhaltung als erstes, und Buchhalter sind eben auch nur Menschen, die nicht immer alles für sich behalten können. Dass der Vorstand mit Unternehmensberatern im Gespräch ist, fällt immer schnell auf. Aus Sicht der meisten Mitarbeiter bedeutet das nichts Gutes. Spätestens dann erfährt auch der Betriebsrat, dass Kosten eingespart werden sollen, und das geht nie ohne Personalabbau. Fast immer beschweren sich die Mitarbeiter hinterher, dass sie nicht ausreichend informiert worden sind. Und das zu Recht, doch die Wahrheit ist auch, dass es meist nicht anders geht. Denn wie verhält man sich in einer Situation, in der man den Mitarbeitern noch nichts Konkretes sagen kann, jedoch gezwungen ist, die Kosten des Unternehmens schnellstens dem veränderten Marktumfeld anzupassen? Um richtig reagieren zu können, müssen ja zunächst die Gründe für eine Schieflage ermittelt werden. Und das zieht sich meist über Monate. Mitarbeiter ahnen und wissen meist mehr als die Unternehmensleitung denkt. Da es um ihre eigenen Arbeitsplätze und möglicherweise auch eigene Fehler geht, verharren sie meist in Angst und Ungewissheit. Manche offenbaren sich dem Betriebsrat, der mit diesen Informationen dann recht schnell auf das Management zugeht, bald kommt es zur ersten Betriebsversammlung und spätestens ab dann ist permanente Unruhe angesagt, eine Unruhe, die nicht ohne Auswirkungen auf den Geschäftserfolg bleiben kann. Wenn die Reputation nicht Schaden nehmen soll, ist es notwendig, so bald wie möglich einen Plan vorzulegen, der zeigt, wie durch Umstrukturierung das Licht am Ende des Tunnels erreicht und damit ein großer Teil der Arbeitsplätze gerettet werden kann. So schön der oft verkündete Anspruch ist, die Mitarbeiter als erste zu informieren, so selten funktioniert er in der Praxis. Aktiengesellschaften beispielsweise müssen ihren Ad-HocPublizitätspflichten genügen. Notwendige Ad-Hoc-Meldungen müssen so schnell und breit herausgegeben werden, dass kein Aktionär benachteiligt wird. Mitarbeiter sind hier immer in der zweiten Informationsreihe, es sei denn ihre Betriebsräte sitzen im Aufsichtsrat mit den Eigentümern zusammen. Zu diesem Zeitpunkt sind die wichtigsten Informationen in der Regel bereits sorgfältig aufbereitet. Viele wissen in diesem Stadium schon, was droht. Doch offiziell erfahren sie den Stand der Dinge immer erst dann, wenn die Eigentümer ins Bild gesetzt worden sind – obwohl entsprechende Gerüchte wie beschrieben bereits im Umlauf sind. Sorgfältig aufgestellte Informationspläne sind jedoch schnell perdu, wenn findige Journalisten mit internen Informationen oder gar Papieren aus dem Unternehmen heraus versorgt werden. Das passiert meist dann, wenn die Unternehmensleitung nicht auf frühzeitige Hinweise aus dem Unternehmen reagiert hat. Mitbestimmende Betriebsräte gelten vielen Journalisten als die beste Informationsquelle. Und es ist eine bewährte Technik von Arbeitnehmervertretungen, einen geplanten Stellenabbau direkt oder indirekt sofort bekannt zu machen, um öffentlichen Druck auf das Unternehmen auszuüben und Abfindungen in die Höhe zu schrauben. Wie eine Marke durch schlechte Informationspolitik Schaden nehmen kann, zeigte Nokia, als es 2008 sein Bochumer Werk schloss, obwohl das Unternehmen im Vorjahr 7,2 Milliarden Euro Gewinn gemacht hatte und das Betriebsergebnis des Werkes immerhin bei 134 Millionen Euro gelegen hatte. Am Ende musste das Unternehmen den 2.300 Mitarbeitern pro Person durchschnittlich 80.000 Euro Abfindung zahlen. Medien veröffentlichten die geplante Werksschließung, bevor Mitarbeiter davon erfuhren. Dass es von da an mit der Marke abwärts ging, weil das iPhone den Markt eroberte, hätte sich damals niemand vorstellen können, weder die Mitarbeiter, noch der Konzern. In Deutschland hatte die Marke Nokia schweren Schaden genommen. ~ 13 MENSCH & UNTERNEHMEN MENSCH & UNTERNEHMEN Lupenreiner Betriebsübergang Behindertenhilfe Dieburg – Sanierung eines insolventen Sozialunternehmens Text: Jürgen Spreemann Zuschüsse in Millionenhöhe, geschützte Arbeitsplätze und eine gesicherte Auftragslage durch die Betreuung behinderter Menschen – und dennoch Insolvenz. Die Zahlungsunfähigkeit eines sozialwirtschaftlichen Unternehmens ist für viele kaum denkbar. Denn solche Betriebe agieren in einem geschützten Markt. So auch die Behindertenhilfe im hessischen Dieburg. Doch im Sommer 2013 stehen dort alle Signale auf Rot. Eine besondere Herausforderung für Sanierer. Der Krisenmanager, Thomas Wieler, und die Insolvenzexperten, Olaf Seidel und Mirko Lehnert, setzen aber am Ende ihren Rettungsplan für das Unternehmen erfolgreich um. Damit haben sie einen lupenreinen Betriebsübergang organisiert. Eigentlich agiert die Behindertenhilfe wie ein Platzhirsch – also als einziger Anbieter von Betreuungs-, Wohnungs- und Arbeitsangeboten für behinderte Menschen im hessischen Dieburg. Das örtliches Monopol in dem 15.000-Einwohner-Städtchen schützt aber nicht vor Schieflagen. Schon im März 2013 rumort es im Betrieb. In einem anonymen Schreiben, an die Presse lanciert, kritisieren Mitarbeiter den Vorstand und sprechen von drohender Insolvenzgefahr. Zu diesem Zeitpunkt weisen Vorstand und Aufsichtsgremien die Vorwürfe weit von sich. Dabei waren bei einem Jahresumsatz von rund neun Millionen Euro Defizite von bis zu 400.000 Euro entstanden. Drei Monate später sieht auch der Verwaltungsrat nur noch rot beim Blick in die Bücher und sucht nach externer Beratung. Denn das Management und die Aufsichtsgremien wissen selbst keinen Rat mehr. gerettet werden kann, führen unzählige Gespräche mit den Mitarbeitern, Kunden, Gremien und Angehörigen der Behinderten. Die Haupt-Schwächen sind bald identifiziert: In den Werkstätten sind nicht genügend Mitarbeiter tätig. Auch sind die Gewinne aus diesem Bereich viel zu gering. u u Kindertagesstätte. Dafür ist eigentlich die Stadt Dieburg zuständig. Vielleicht kann man diesen Bereich später ausgliedern. u Die Personalkosten. Als Soforthilfe in der Krise gilt immer die Senkung von Personalkosten. Doch Verhandlungen mit dem Betriebsrat und der Gewerkschaft über einen Sanierungstarifvertrag bleiben erfolglos. Kündigungen sind schwierig, weil man eine Sozialauswahl treffen muss und dazu die Zustimmung des Betriebsrates braucht. Außerdem muss die Betreuung der behinderten Menschen nach festem Personalschlüssel sichergestellt werden. Fragwürdige Wirtschaftsprüfer Die Schieflage der Behindertenhilfe hat sich schleichend entwickelt“, erinnert sich der Dr. Werner Thomas, Chef des Verwaltungsrats: „Es begann mit der Finanzkrise 2008, als Aufträge für die Werkstätten wegbrachen. Denn aus diesen Gewinnen haben wir andere Arbeitsbereiche des Vereins mitfinanziert“, so Thomas, der auch Bürgermeister in Dieburg ist. Noch bis mindestens ins Jahr 2011 hätten Wirtschaftsprüfer betont, dass die Behindertenhilfe auf soliden Füßen stehe. Erst ein Jahr später traten die Probleme deutlich zu Tage. „Da war es bereits zu spät, um gegenzusteuern“, meint Thomas im Nachhinein. Zudem habe es massiven Streit zwischen Vorstand und Betriebsrat gegeben. Auch ein letzter Appell in 2012 an den Vorstand, neue Konzepte zu entwickeln, habe nichts mehr genützt. Denn kurz darauf habe sich die Situation von Monat zu Monat verschlechtert. Pure Freude über die erhaltenen 370 Arbeitsplätze: Die Betreuung behinderter Menschen in der Region rund um Dieburg ist gesichert. 14 Dann der Zug an der Reißleine: Zunächst muss der amtierende Vorstand gehen. An seine Stelle tritt im Juni 2013 Thomas Wieler. Der Betriebswirt aus Waiblingen hat schon viele Erfahrungen mit Unternehmen im sozialen Bereich. Dennoch holt sich der Krisenmanager kurz darauf den Insolvenzfachmann Olaf Seidel an seine Seite in den Vorstand. Beide prüfen mehrere Monate, wie die Behindertenhilfe Auch die Tagesstaette Dieburg hat Zukunft. „Manche Leute sind der Auffassung, dass ein gemeinnützig tätiger Träger nicht in die Insolvenz gehen kann“, musste Berater Thomas Wieler sehr schnell feststellen: „Solche Menschen gab es auch in Dieburg. Ihnen war es fremd, dass auch im sozialen Bereich betriebswirtschaftliche Grundregeln gelten, etwa dass man nicht über längere Zeit ungestraft mehr Geld ausgeben kann als eingenommen wird. In Dieburg ging diese Regel vier oder fünf Jahre gut. Bis sämtliche Reserven aufgezehrt waren.“ Insolvenz unvermeidlich Nach Analyse der wirtschaftlichen Situation offenbart sich im November 2013 klar: Das Insolvenzverfahren ist unvermeidlich. Allerdings streben die Krisenmanager eine Sonderform an. Insolvenzverwalter Olaf Seidel: „Wir haben von Anfang an auf die Eigenverwaltung der Insolvenz gesetzt, weil es sich hier um eine sensible Klientel handelt, sprich behinderte Menschen und deren dazugehörige Betreuer. In der Eigenverwaltung behält man das Heft des Handelns in 15 MENSCH & UNTERNEHMEN der Hand. Kein Dritter von außen stört.“ So hätten die Angehörigen große Sorgen geäußert, als die Insolvenz bekannt wurde. Seidel und Wieler kannten sich durch ihre Zusammenarbeit in der Vorphase schon persönlich. Eine Basis des Vertrauens bei allen Betroffenen war damit geschaffen. Sachwalter im Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung Aushängeschild der Behindertenhilfe sind ihre Werkstätten. Deshalb wirbt Wieler neue Aufträge bei den Firmen in der Umgebung ein. Außerdem gilt es, die 25 freien Werkstattplätze mit weiteren geeigneten behinderten Menschen zu besetzen. Dies bringt allein 250.000 Euro an Zuschüssen vom Landeswohlfahrtverband und mehr Umsatz. Erste Erfolge sind schon in der vorläufigen Insolvenz Ende 2013 sichtbar: Rund 100.000 Euro mehr Gewinn als im Vorjahr. Hauptgläubiger in diesem Verfahren sind nicht etwa Firmen, die auf Zahlungen warten. Es sind vielmehr die öffentlichen Krisenmanger Thomas Wieler rettete den gemeinnützigen Träger. Zuwendungsgeber: Bundes- und Landesministerien, der Landeswohlfahrtverband Hessen und die „Aktion Mensch“. Sie alle haben zweckgebundene Mittel für die Behindertenhilfe bereitgestellt, für die es künftig keine Leistung mehr gibt, sofern das Sozialunternehmen liquidiert wird. Darüber hinaus hat die örtliche Sparkasse bis zur Insolvenz Kredite gegeben. Im Gläubigerausschuss sitzen eine Vertreterin der Mitarbeiter, ein Vertreter der großen Gläubiger von der Agentur für Arbeit, einer für die kleinen Gläubiger und ein Vertreter der Hausbank. Ein Sanierungsprozess kann nur gelingen, wenn sich die Mitarbeiter beteiligen und positiv engagieren. Insolvenzverwalter Olaf Seidel betont in der Nachbetrachtung: „Die Mitarbeiter haben in diesem Prozess eine ganz wesentliche Rolle gespielt. Stand am Anfang noch die Frustration über die wirtschaftliche Misere, die für viele völlig überraschend kam, so haben die meisten im Laufe des Reformprozesses gelernt und sich umgestellt.“ Mit dem Umdenken seien sie moviert und freundlich ans Werk gegangen. Keiner von ihnen habe übrigens Geld verloren. „Schwierig waren vor allem die Gespräche mit dem Betriebsrat“, erinnert sich Berater Thomas Wieler an den Beginn der 16 MENSCH & UNTERNEHMEN Insolvenzphase. Doch ein wichtiger Trumpf, um Blockaden zu durchbrechen, war das Insolvenzgeld. Die Insolvenzexperten überzeugten die Arbeitsagentur, Insolvenzgeld auf Darlehnsbasis inklusive Weihnachtsgeld schon nach zehn Tagen auszuzahlen. „Das war sicherlich ein Grund dafür, dass es nicht zu einer nennenswerten Fluktuation der Mitarbeiter kam“, unterstreicht Wieler. Investorensuche mit wirtschaftlichen Erfolgen Die Liquidation eines sozialwirtschaftlichen Betriebs ist nahezu ausgeschlossen. Also muss sich ein neuer Investor finden. Aber wer, wann und wie? In der Branche hatte sich die Schieflage der Behindertenhilfe schnell herumgesprochen. Für Wettbewerber steht im Prinzip ein potenzieller Übernahmekandidat geschwächt da. Allerdings müssen alle Parameter passen. Erste wirtschaftliche Erfolge im Insolvenzverfahren tragen offensichtlich dazu bei, dass am Ende zehn Bewerber quasi Schlange stehen, um den Betrieb zu übernehmen. Die Wahl fällt schließlich auf die Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD), einem erfahrenen Träger in der Behindertenarbeit in Südhessen und im angrenzenden Rheinland-Pfalz. NRD ist dort an 50 Standorten in 30 Städten und Gemeinden aktiv. „Mit der Übernahme der Behindertenhilfe Dieburg haben wir einen weißen Fleck auf unserer Landkarte geschlossen“, erläutert der Stiftungsvorsitzende Walter Diehl die Entscheidung für die Übernahme. Allerdings waren aufgrund des Insolvenzverfahrens viele Details zu beachten und zu verhandeln. Teilweise zählten zeitgleich sieben Rechtsanwälte zu den Beteiligten der Vertragsgestaltung. „Ein solcher Vertrag kann aber nur zustande kommen, wenn beide Seiten kompromissbereit sind“, sagt Diehl. Ein Kernproblem: Gelingt es, die Mitarbeiter der Behindertenhilfe für eine Weiterentwicklung mit dem neuen Träger zu gewinnen? Diehl dazu: „Von Anfang an konnten wir feststellen, dass diese Mitarbeiter sehr motiviert an der Weiterentwicklung mitarbeiten und unsere Kunden nun auch mit dem neuen Träger zufrieden sind.“ Fallstricke der Übernahme Immerhin besteht eine Insolvenzmasse in Millionenhöhe. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen. Doch auch der neue Träger hat sich bereit erklärt, Verbindlichkeiten zu übernehmen. „Wir streben immer noch eine 100-Prozent-Quote an. Das heißt, alle Gläubiger sollen ihre Forderungen beglichen bekommen“, betont Sachwalter Mirko Lehnert. Hauptstreitpunkt ist die Zusatzversorgung der Mitarbeiter bei der kommunalen Zusatzversorgungskasse (ZVK). Hier schwebt noch ein Rechtsstreit um die Bewertung, sagt Lehnert. Der Verein für Behindertenhilfe Dieburg ist Mitglied in der ZVK. Die Mitarbeiter haben Anwartschaften auf eine Zusatzrente erworben. Diese haben sie in Form einer Entgelt- Volle Konzentration auf die Aufgabe: am handwerklichen Arbeitsplatz wie im Sanierungsmanagement. umwandlung bekommen. Nun geht es um versicherungsmathematische Gutachten, ob tatsächlich Abgeltungen erfolgen müssen, weil diese Mitarbeiter künftig bei der ZVK wegfallen. Andererseits sind bislang alle Beiträge an die ZVK be- „Wir streben immer noch eine 100-Prozent-Quote an. Das heißt, alle Gläubiger sollen ihre Forderungen beglichen bekommen.“ zahlt worden, betont Lehnert. In jedem Fall stehen die Forderungen der ZVK in der Insolvenztabelle. Der neue Träger NRD wird damit nicht belastet. Mit der Betriebsübernahme sind die Mitarbeiter nämlich automatisch der Evangelischen Zusatzversorgungskasse (EZVK) beigetreten. Mit der Übernahme alle Arbeitsbereiche erhalten So ausweglos und schwierig die Situation mit dem Insolvenzantrag auch schien, umso erstaunlicher ist das Ergebnis beim Betriebsübergang im Oktober 2014. Alle Einrichtungen und Arbeitsbereiche der Behindertenhilfe Dieburg konnten mit der Übernahme durch NRD erhalten werden – inklusive aller 370 Arbeitsplätze. Auch die in der vorläufigen Insolvenz eröffnete Tagesförderstätte für schwer und mehrfach behinderte Menschen ist erfolgreich gestartet. Der neue Chef der Behindertenhilfe, Walter Diehl, resümiert vier Monate nach der Übernahme: „Wir wissen und wir haben dies auch zugesagt, dass wir noch in Millionenhöhe investieren müssen, um die Zukunft dieses Betriebes zu sichern. Erfreulich ist aber, dass wir bislang keine neuen Risiken entdeckt haben.“ Für Insolvenz-Sachwalter Mirko Lehnert handelt es sich um einen Betriebsübergang nach Paragraf 613a Bürgerliches Gesetzbuch in Reinkultur. Bemerkenswert sei, dass die Sanierung gut vorbereitet wurde. Dies habe es erleichtert, einen Träger zu finden, der in sämtlichen Geschäftsbereichen aktiv werden und auch investieren will. Auch die Verhandlungen mit der Stadt Dieburg waren erfolgreich. Die Kommune übernimmt das Defizit der Kindertagesstätte, die nun rund 45 behinderte und nicht behinderte Kinder betreut. Der Chef des ehemaligen Verwaltungsrats, Dr. Werner Thomas, hat aus der Misere zumindest eine Lektion gezogen: „Man sollte sich nicht allein auf Wirtschaftsprüfer verlassen. Der Verein war falsch geführt. Eine gemeinnützige GmbH wäre die bessere Rechtsform gewesen. Aus heutiger Sicht ist der Verein zwar weitgehend saniert, wäre aber zu klein für die aktuellen Aufgaben der Behindertenhilfe.“ ~ Insolvenz in der Sozialwirtschaft Ein Insolvenzverfahren im Bereich der Sozialwirtschaft hat einige Besonderheiten, die sonst eher nicht greifen. In diesem Fall geht es um behinderte Menschen, die zu betreuen sind, was einer gesetzlichen Aufgabe entspricht. Zugleich arbeiten Mitarbeiter im Unternehmen. Auch Betreuer, hier überwiegend Sozialpädagogen, genießen einen anderen Status als ein Produktionsmitarbeiter. Die Mittel zur Finanzierung des sozialwirtschaftlichen Betriebs kommen fast nur von der öffentlichen Hand. Es handelt sich damit um ein gänzlich anderes Berechnungs- und Finanzierungsmodell. Die Betreuungsarbeit und auch der Personalschlüssel erfolgen nach gesetzlichen Vorgaben und orientieren sich nicht an der „Produktivität“ des Einzelnen. 17 MENSCH & UNTERNEHMEN MENSCH & UNTERNEHMEN „Tendenz zur etablierten Sanierung unter Insolvenzschutz“ Wie Insolvenzrichter Dr. Benjamin Webel die ESUG-Akzeptanz, neue Trends und seine Rolle sieht Text und Foto: Sylvia Wipperfürth Dr. Webel, Sie sind seit rund vier Jahren als Insolvenzrichter tätig. Zuvor waren sie stellvertretender Anstaltsleiter bei der Justizvollzugsanstalt ( JVA) Ulm. In der Retrospektive: Bereuen Sie Ihren Weggang? Dr. Benjamin Webel: Nein, den Weggang bereue ich nicht. Die Tätigkeit im Vollzugsdienst basierte auf einer zeitweiligen Abordnung des Ministeriums, sodass von vornherein feststand, dass dies keine dauerhafte Stelle war. Den Bereich des Insolvenzrechts fand ich schon immer spannend und habe mich daher auch während meiner Zeit bei der Staatsanwaltschaft und im Justizvollzugsdienst theoretisch und wissenschaftlich damit befasst und zu insolvenzrechtlichen Themen veröffentlicht. Danach hatte ich das Glück, dass eine Stelle als Insolvenzrichter gerade frei war. So passte dann eines zum anderen. Was bereitet Ihnen am meisten Freude bei der Arbeit im Insolvenzrecht? Das sind unterschiedliche Aspekte. Interessant sind einerseits das Ineinandergreifen und die Verzahnung von insolvenzrechtlichen, steuerrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Bereichen. Andererseits sind die wirtschaftlichen Themen hochinteressant. Ich gewinne in ganz vielen verschiedenen Branchen Einsicht, zum Beispiel den Einzelhandel oder die Solarbranche, wo ich Details erfahre, die man sonst als Branchenfremder nicht erhält. Prominente Fälle: Aufmerksamkeit erzeugende Insolvenzverfahren wie für die Drogeriekette Schlecker oder den Photovoltaik-Anlagenbauer Centrotherm begleitete Dr. Benjamin Webel schon in seinen vier Jahren als Richter am Amtsgericht Ulm, wo er auch Zivilsachen verantwortet. Im Justizdienst arbeitet er seit mehr als acht Jahren, zuvor als stellvertretender Leiter der Justizvollzugsanstalt Ulm. 18 Ist dies der Grund, warum Sie sich sehr in dem Bereich engagieren, zum Beispiel durch Teilnahmen an Gläubigerausschusssitzungen, als Mitglied des Qualitätszirkels der Insolvenzgerichte Baden-Württemberg? Ja, sicher auch. Die Teilnahme an Gläubigerausschusssitzungen als Gast, die immer der Zustimmung der Ausschussmitglieder bedarf, gibt mir die Gelegenheit zur Nachfrage, um ein Gesamtverständnis für das Verfahren zu bekommen. Dies ist für mich eine wichtige Grundlage für meine Entscheidungen. Der Gesamtüberblick über das Verfahren hilft mir, gläubigerschädigende Entscheidungen zu verhindern. Durch die Teilnahme am Qualitätszirkel, in der die „G8BW“, die größten acht Insolvenzgerichte Baden-Württembergs vertreten sind, ist ein kollegialer Dialog möglich. Bei meiner täglichen Arbeit am Gericht stehe ich ohnehin im stetigen Austausch mit den Insolvenzrechtspflegern. Das ist sehr wichtig. Der Qualitätszirkel bietet mir darüber hinaus den Rahmen zu Fachgesprächen mit den im Insolvenzbereich tätigen Richterkollegen. Wir stellen unter anderem landeseinheitliche Richtlinien auf. Auch nehmen wir mit dem Qualitätszirkel Einfluss auf die landesweiten Fortbildungen. Das Ministerium fragt bei uns Fortbildungsbedarf an und stellt uns für solche Veranstaltungen Budgets zur Verfügung. Das ist insgesamt eine gute und runde Sache. Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Insolvenzrechts in der Praxis seit Inkrafttreten des ESUG? Was ist besser, was ist schlechter geworden? Es hat sich einiges geändert. So ist die Kommunikation zwischen den Beteiligten und dem Gericht schon von der ge- setzlichen Vorgabe her noch intensiver geworden. Zwischen uns als Insolvenzgericht und den Insolvenzverwaltern war diese schon immer gut; durch das ESUG wird sie mehr und mehr zum Standard. Negativ zu bewerten ist natürlich, dass durch die Ausweitung der Geschäftsfelder ein Tor für unseriöse Herangehensweisen geöffnet wird. Das wiederum wirkt sich negativ auf die Beziehung und die Vertrauensbasis der Gläubiger aus. Eine Regulierung an dieser Stelle ist für das Gericht nicht mehr so einfach, da sich die Bereiche der Einflussnahme verlagert haben. Das ändert nichts daran, dass es völlig richtig ist, dass die Gläubiger maßgebliche Mitbestimmungsrechte haben. Die ist gewollt und absolut richtig. „An die Beteiligten des Gläubigerausschusses werden wesentlich höhere Anforderungen gestellt!“ Sie nannten das Einfallstor für fehlende Seriosität – wo sind nach Ihrem Dafürhalten denn die drei größten „ungesicherten Baustellen“? Ganz bestimmt ist eine der Gefahrenstellen der sogenannte „mitgebrachte Sachwalter/Insolvenzverwalter“. Aus meiner Sicht ist für Gläubiger nicht erkennbar, was ggf. im Vorfeld der Einleitung des Verfahrens mit Schuldner, Berater und/ oder einem bestimmten Gläubiger vorbesprochen wurde. Eventuelle Absprachen können nicht daraufhin geprüft werden, ob und inwieweit sie vielleicht geeignet sind, eine Gläubigerschädigung herbeizuführen. Was man hört, gleicht dies teilweise einem „Beauty-Contest“. Ich habe diese Dinge zum Glück in meiner Berufspraxis selber noch nie erlebt. Selbst wenn keine solche Absprache vorliegt, besteht nach meiner Einschätzung die Gefahr, dass durch das Ausüben von Veto-Rechten nicht mehr der für das konkrete Verfahren optimal geeignete Verwalter bestellt wird. Daneben halte ich es für ein großes Problem, dass an die Beteiligten des Gläubigerausschusses wesentlich höhere Anforderungen gestellt werden. Die Gläubiger müssen sehr viel mehr aufpassen, da Aufgaben, die früher teilweise das Gericht wahrgenommen hat, jetzt bei den Gläubigern selbst liegen. Das müssen diese aber auch erst einmal wahrnehmen, was leider nicht immer der Fall ist. Der Gesetzgeber geht von einem Gläubigerausschuss auf Augenhöhe aus; dieser Blickkontakt ist aber nicht in jedem Fall erkennbar. Jeder muss sich in seine neue Funktion hereinfinden, das ist seine Aufgabe. Letzteres gilt auch für Sachwalter oder den eigenverwaltenden Schuldner. Wo konkret besteht denn Handlungsbedarf aufseiten des schuldnerischen Unternehmens oder Unternehmers? Die Unternehmensleitung hat meist keine fachlichen Kenntnisse zu einem Insolvenz- oder Sanierungsprozess. Diese bekommen sie erst über einen Berater, der dann Wege aufzeigt. Man kann auch nicht vom Schuldner verlangen, dass er alles in Gänze versteht, sodass er ein großes Stück weit auf die Beratung und den empfohlenen Weg vertrauen muss. Letztendlich ist dies nicht vorwerfbar, aber genau das Problem, jedenfalls dann, wenn der Unternehmer an einen unseriösen oder fachlich nicht kompetenten Berater gerät. Man kann 19 MENSCH & UNTERNEHMEN aber nicht von der gesamten Managementebene verlangen, dass sie in Gänze auf insolvenzrechtliche Probleme vorbereitet ist und vertraut auf seine Berater. Erst einmal geht man zu Recht davon aus, dass das Geschäftsmodell funktioniert. Wäre das Verständnis von der Sanierung als begleitender Prozess eine Lösung? Ja schon, aber wann fängt man damit an? Niemand besucht ein Sanierungsseminar oder leitet eine Sanierung ein, wenn das Geschäft gut geht. Allerdings sollte ein Problembewusstsein für Gefahrenstellen schon aus dem unternehmerischen Verständnis heraus vorhanden sein. Optimal wäre es natürlich, wenn die Berater, die das Unternehmen dauerhaft begleiten, zum Beispiel Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, in die richtige Richtung weisen und im Rahmen ihres beratenden Auftrags die Problemfelder erkennen, darauf hinweisen und die richtigen Weichen stellen. Geht das in die Richtung „Zweitmeinung vor der OP“? Ich würde eher sagen „Fachkenntnisse beim Hausarzt“. Die engen Berater kennen die Zahlen, können wissen oder erahnen in welcher Richtung es gehen könnte und wo evtl. fehlende Seriosität droht. Sie sollten auch wissen, zu wem sie ihre Mandanten schicken und zu wem besser nicht. Ansonsten kann viel, viel Geld in falsche Kanäle fließen. Unter welchen Gesichtspunkten kann Ihrer Meinung nach ein Sanierungsverfahren gelingen? Bestenfalls erfolgt eine frühestmögliche Kontaktaufnahme zum Gericht, um alle Punkte, die bei jedem Verfahren unterschiedlich schwer wiegen, abzuklären. Welche Rolle spielt das Schutzschirmverfahren in der Praxis? Nach meiner Erfahrung ist eher ein sehr geringer Teil der Verfahren dafür geeignet. Eigenverwaltungsverfahren ohne Schutzschirm dagegen sind gängig. Es gibt Stimmen, die behaupten, ESUG sei in der Zielsetzung, der Etablierung einer neuen Insolvenzkultur, gescheitert? Würden Sie sich der Aussage anschließen? Gerade in den größeren Verfahren zeigen die letzten Jahre, dass ESUG schon eine erhebliche Bedeutung hat und diese in Eigenverwaltung abgewickelt wurden. Ob dies einen Mehrwert für die Gläubiger hat, kann ich nicht beurteilen. Der Markt hat ESUG jedenfalls angenommen. Sie sagten größere Unternehmen – ist ESUG denn auch geeignet für kleinere? Der Gesetzgeber wollte es so. Ob jetzt der Pizzabäckerbetrieb mit fünf Arbeitnehmern zwingend ein Schutzschirmverfahren braucht, ist schon fraglich. Gerade die Bescheinigung dürfte sehr kostenintensiv sein, vielleicht zu sehr. Wo gibt es Ihrer Erfahrung nach noch Verbesserungspotenzial? An welcher Stelle ist vielleicht sogar der Gesetzgeber gefragt? 20 Ich persönlich halte die Einstimmigkeit hinsichtlich des Vorschlagsrechtes des vorläufigen Gläubigerausschusses zur Person des Insolvenzverwalters für zu weitreichend. „Persönliche Eitelkeiten, egal an welcher Stelle, sind im Insolvenzverfahren immer schlecht.“ Verstehen Sie sich als Insolvenzrichter, als Individualist oder als Teamplayer? Teamplayer. In welchem Team? In dem Team, das den rechtsstaatlichen Rahmen für das Verfahren bietet. In einer Sanierung müssen alle einem Ziel verschrieben sein. Wenn nur einer in eine falsche Richtung treibt, ist das Verfahren zum Scheitern verurteilt. Meine Aufgabe ist, dass alles verfahrenshygienisch läuft. Im Gericht selber sind wir ohnehin ein Team. In dem Verfahren Schlecker war zum Beispiel der bearbeitenden Rechtspfleger bei allen verfahrenserheblichen Maßnahmen dabei. Es bringt in der Sache gar nichts, wenn ich mich als „allwissender Richter“ nach vorne stelle und den Rechtspfleger, der das Verfahren nach dessen Eröffnung bearbeitet, zu Verfahrensbeginn ausschließe. Bei uns im Insolvenzgericht kommunizieren wir alles, was verfahrensrelevant ist, unabhängig vom Verfahrensstadium. Persönliche Eitelkeiten, egal an welcher Stelle, sind im Insolvenzverfahren immer schlecht. Haben Sie im Rahmen eines Sanierungsprozesses konkrete Resonanz aus dem unternehmerischen Bereich erfahren – sei es von Schuldner- oder von Gläubigerseite? Mit den institutionellen Gläubigern stehe ich eigentlich fortlaufend im Austausch. Ich höre mir auch an, wie ein Verfahren aus deren Sicht läuft. Dies gehört für mich zur Informiertheit. Wie stehen Sie zu der Idee der Konzentration von Unternehmens-Insolvenzverfahren bei wenigen, besonders qualifizierten Gerichten? Sehr kritisch. Das Problem ist das „Forum-Shopping“. Die Möglichkeit, dass jeder sich seinen gesetzlichen Richter auswählen können soll, halte ich für höchst bedenklich. Ich befürchte, dass die Intention des Gesetzgebers, einer Konzentration bei besonders qualifizierten Gerichten, ins Gegenteil verkehrt werden könnte. Wie schätzen Sie die Tendenzen ein, in welche Richtung sich die Sanierungschancen unter Insolvenzschutz in den nächsten fünf Jahren entwickeln werden? Ich glaube, dass sich der Sanierungsgedanke gerade bei größeren Unternehmen noch mehr verfestigen wird. Es handelt sich um einen Markt, bei dem viel Geld im Spiel ist. In der grenzüberschreitenden Wahrnehmung wird angesichts der Anlehnung an das „Chapter 11-Verfahren“ die Akzeptanz bei ausländischen Gläubigern wohl noch weiter steigen. Ich glaube daher, dass die Tendenz dahin gehen wird, dass sich die Sanierung unter Insolvenzschutz fest etablieren wird. ~ Vierter Deutscher GLÄUBIGER KONGRESS G Die Wirtschaft im Wandel – wohin geht die Sanierungsreise? lo 10.0 ba 6 . „F Di l Ca 201 üh alo fé 5, ru g – 15 ng zu Sy :0 in m T stem 0 U di he is hr e m ch Kr a e r ise “ Sanierungsreise 10. + 11. Juni 2015 Hotel Pullman Cologne, Köln Referenten: Jeffrey Beeson, RA Christian Graf Brockdorff, RA Robert Buchalik, Thorsten Garber, MinDirin Marie-Luise Graf-Schlicker, RA Prof. Dr. Hans Haarmeyer, StB WP Christoph Hillebrand, Georg Leutert, Axel Matthei, RA Michael Pluta, Prof. Dr. Wolfgang Portisch, Sören Quent, RA Jan Schmüser, RA Klaus Siemon, RA Prof. Dr. Georg Streit, Heinz Thünemann, Prof. Dr.-Ing. Henning Wallentowitz, RA Rolf Weidmann, Silvio Zeidler Anmeldung über www.glaeubigerkongress.de Morison Köln AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Morison Köln Steuerberatungsgesellschaft 21 1 MENSCH & UNTERNEHMEN MENSCH & UNTERNEHMEN Reform des Anfechtungsrechts return kontrovers: Diskurs und Debatte Den offenen Meinungsaustausch wünschen sich die Medienmacher dieses Magazins für Sanierungsmanagement unter dem Titel „return kontrovers“. Diskurs und Debatte drehen sich jeweils um ein gesetztes Thema – Wünsche willkommen. Die Redaktion übernimmt dabei sachlich-fachlich das Intro (hier siehe unten „Mit Vorsatz...“) und sammelt dazu vor allem Stimmen und Stellungnahmen in vielfältiger Form. Kurzes Statement, umfassende Meinungsumfrage, Kommentar, Pro & Kontra, Glosse oder Cartoon – alles erlaubt, was der Aufklärung, Orientierung und Meinungsbildung dient. Anregungen und Leserbriefe an: [email protected] 1 Standpunkt Elisabeth Winkelmeier-Becker für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion 2 Meinungsumfrage Lutz Paschen über Ergebnisse des Bundesverbandes Credit Management 3 Kommentar Dr. Christoph Niering für den Verband Insolvenzverwalter Deutschlands Mit Vorsatz gegen den Vorsatz? Das Durchsetzen von Anfechtungsansprüchen im Insolvenzverfahren hat sich in den vergangenen Jahren merklich professionalisiert und passiert heute oft softwaregestützt. Im Durchschnitt belaufen sich Anfechtungsansprüche schon in kleineren Verfahren auf sechsstellige Beträge. Viele heute angefochtene Handlungen gehören aus Sicht der Beteiligten zum normalen Geschäftsgebaren – gerade im Umgang mit kriselnden Kunden. Gläubigern und ihren Interessenvertretern geht die Praxis der Insolvenzanfechtung viel zu weit; sie fordern Reformen. Ist ihre Kritik berechtigt, und sind Änderungen überfällig? Fakten zur Lage: Das Insolvenzanfechtungsrecht ermöglicht nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens die Rückgängigmachung von Vermögensverschiebungen aus der Zeit schon drohender Zahlungsunfähigkeit sowie die Anfechtung weiterer Rechtshandlungen in der Krise. Der hierfür maßgebliche Zeitraum ist je nach Anfechtungstatbestand unterschiedlich und geht bis zu zehn Jahre zurück (§ 133 Abs.1 InsO). Diese rechtliche Bestimmung regelt die sogenannte Vorsatzanfechtung und ist der Kernpunkt der Reformdiskussionen. Auffassungen und Argumente: Wirtschaftsverbände fordern eine grundlegende Gesetzesreform. Sie führen an, dass eine flexible Geschäftsbeziehung angesichts der großen rückwir22 kenden Zeitspanne von zehn Jahren und unkalkulierbaren Zinsen in Planungsunsicherheit führe. Das Anfechtungsrecht stehe unharmonisch gegen den Sanierungsgedanken unter Insolvenzschutz, wenn von anfechtungsbedrohten Gläubigern der Sanierungsbeitrag und die Rückzahlung aus Anfechtung gefordert werde. Insolvenzverwalter (VID) halten dagegen, dass eine Sanierung unter Insolvenzschutz erst durch die Anfechtung gelingen könne, da hierdurch die notwendigen Mittel generiert werden könnten, die eine Verfahrenseröffnung sicherstellen. Der Deutsche Anwaltsverein (DAV) bewertet die Überlegungen zur Änderung der Anfechtungsregelungen für Bargeschäfte, zur Verkürzung der Anfechtungsfrist auf fünf Jahre oder zur Formulierung einer verständlicheren Vermutungsregelung als unproblematisch. Fazit der Redaktion: Es ist begrüßenswert, bestehende Gesetze anhand von Praxiserfahrungen zu reflektieren. Grundlage und Voraussetzung für konstruktive Gespräche ist, dass umfassend informiert ist und alle Positionen bekannt sind. Alle Parteien haben zum optimalen Informationsstand beizutragen. Im Sinne der durchdachten Sanierung gilt es, sich an den Zielen orientiert auszutauschen und konsensuale Kompromisse als Lösung zu suchen. „Änderungen beschließen“ Standpunkt „Ich bin zuversichtlich, dass die Koalition im Jahr 2015 konkrete gesetzliche Änderungen im Bereich der Insolvenzanfechtung beschließen wird. Die CDU/ CSU-Bundestagsfraktion hat sich von Beginn der laufenden Wahlperiode an dafür eingesetzt, dass Gläubiger besser vor ungerechtfertigten Rückforderungen eines Insolvenzverwalters geschützt werden. Nach zwischenzeitlicher Verzögerung ist nun auch das Bundesjustizministerium an den Verhandlungstisch zurückgekehrt, sodass wir zügig an möglichst zielgenauen Lösungsansätzen arbeiten können.“ Elisabeth Winkelmeier-Becker, Mitglied des Deutschen Bundestages und Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion für Recht und Verbraucherschutz. 23 2 MENSCH & UNTERNEHMEN Mantel und Degen Meinungsumfrage: Handlungsbedarf bestätigt Text: Lutz Paschen E iner für alle, alle für einen“ – der Wettkampf um die insolvenzrechtliche Anfechtung ist weit weg vom Motto der drei Musketiere. Der Schlachtruf lautet vielmehr: „Jeder gegen jeden!“ Wirtschaftsverbände äußern erheblichen Grund zur Besorgnis. Die Zahl der am Bundesgerichtshof verhandelten Fälle zur sogenannten Vorsatzanfechtung nimmt kontinuierlich zu. Die Einräumung großzügiger Zahlungsbedingungen an Abnehmer, die sich in einer angespannten finanziellen Situation befinden, gerät für Gläubiger mehr und mehr zum unkalkulierbaren Risiko. Paragraf 133 Insolvenzordnung (InsO) betrifft seinem Wortlaut nach nur den Fall der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung. Weil es in der Vergangenheit für Insolvenzverwalter aber oft schwierig war, böswilligen Gläubigern nachzuweisen, dass sie mit dem Schuldner beim Vorbeischleusen von Zahlungen an anderen Gläubigern gemeinsame Sache gemacht hatten, stellt die höchstrichterliche Rechtsprechung seit einigen Jahren all jene unter Generalverdacht, die ihren Abnehmern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zur Seite stehen. Schon die Vereinbarung einer Ratenzahlung bei einer Forderung, die eigentlich in voller Höhe fällig war, begründet danach im Regelfall die Gefahr einer späteren Anfechtung, wenn die Sanierungsbemühungen des Schuldners letztlich doch in einem Insolvenzverfahren münden. In einer Art Vermutungsrechtsprechung wird auch dem redlichsten Gläubiger schnell unterstellt, er habe davon ausgehen müssen, dass sein Abnehmer mit Durchführung des Geschäfts andere Gläubiger benachteilige. Tatsächlich hat der Lieferant das Risiko seines eigenen Forderungsausfalls dabei jedoch fast immer nur in Kauf genommen, um seinem angeschlagenen Kunden wieder auf die Beine zu helfen. Besonders bedrohlich für die Betroffenen ist, dass dieses Risiko alle Geschäfte des Schuldners in den letzten zehn Jahren vor Stellung des Insolvenzantrags umfasst, bei denen es zu Zahlungsverzögerungen gekommen ist. Zahlreiche Insolvenzverwalter haben das lukrative Geschäft mit der Vorsatzanfechtung zwischenzeitlich sogar in eigene 24 Dienstleistungsgesellschaften ausgelagert, um auf diese Weise zusätzliche Erlöse zu generieren. Unter Einsatz spezieller Software wird der Datenbestand der letzten zehn Jahre vor dem Insolvenzantrag auf lohnende Angriffsziele gescannt und diese sodann massiv unter Beschuss genommen. Eingebremste Abmahnindustrie Das weitere Vorgehen erinnert häufig an die zwischenzeitlich durch gesetzliche Änderungen eingebremste Abmahnindustrie. Die an betroffene Gläubiger versandten Serienbriefe sind meist gespickt mit einer Vielzahl von Zitaten vermeintlich einschlägiger Gerichtsurteile. Um den Forderungen Nachdruck zu verleihen, werden neuerdings Musterklageentwürfe beigefügt, mit der Ankündigung, hiervon umgehend Gebrauch zu machen, wenn der Empfänger der Zahlungsaufforderung nicht nachkomme. Kaum verwunderlich, dass viele Wirtschaftsverbände fordern, diesen Missbrauch durch eine Anpassung des Anfechtungsrechts zu beenden – vom DIHK über den BDI, den ZDH, den BGA, den Mittelstandsverbund und den BvCM, den Verbänden der Energie- und Wasserwirtschaft bis zu kleineren Verbänden wie dem Bund der Baustoffhändler. Die Forderungen haben Eingang in den aktuellen Koalitionsvertrag gefunden, der eine Überprüfung der rechtlichen Situation vorsieht. MENSCH & UNTERNEHMEN die vordergründige Betrachtung der Reformgegner das wahre Ausmaß des Problems. Die Anfechtung kann in Einzelfällen sogar zur Anschlussinsolvenz des betroffenen Gläubigers führen. Das Thema hat eine volkswirtschaftliche Dimension. Die Verunsicherung der Betroffenen durch die aktuelle Handhabung der Vorsatzanfechtung hat Auswirkungen für die Kreditvergabe in der Größenordnung mehrerer Milliarden Euro jährlich. Neben der Vergabe von Darlehen durch die Kreditwirtschaft ist hier das in seinem Umfang noch ungleich bedeutsamere Volumen der durch die Einräumung von Zahlungszielen vergebenen Lieferantenkredite von Bedeutung. Nach Angaben des Kreditversicherers Euler Hermes machen diese in Deutschland jährlich einen Betrag zwischen 370 und 400 Milliarden Euro aus und spielen damit für die Unternehmensfinanzierung eine wichtigere Rolle als die Bankkredite, welche im jährlichen Gesamtvolumen in der Bundesrepublik unter 300 Milliarden Euro bleiben. Massive Gegenwehr leisten Interessenvertreter der Insolvenzverwalter. Gerne wird hier behauptet, es handele sich eher um ein Scheinproblem. Die Wirtschaft übertreibe maßlos; die in Frage stehenden Anfechtungsvolumina seien nicht von Relevanz, belastbare Zahlen fehlten. Abgesehen davon, dass diese Aussage aus Sicht betroffener Gläubiger an Zynismus schwer zu übertreffen ist, verschleiert Besorgniserregende 91 Prozent der 158 Befragten beantworteten die Frage nach negativen Auswirkungen auf die von ihnen gewährten Lieferantenkredite mit „Ja“. Angesichts dieser klaren Ergebnisse kann kein Zweifel daran bestehen, dass Handlungsbedarf besteht. Die Umfrageergebnisse widerlegen die Behauptung, Anfechtungen hätten wirtschaftlich wenig Bedeutung. Und sie liefern Gegnern einer Reform nur wenig überzeugende Argumente. Insbesondere die zuletzt wieder beschworene Gefahr, dass eine Reform mit der Bevorzugung staatlicher Gläubiger einhergehen könnte, Mitgliederbefragung zu Insolvenzanfechtung Um Klarheit zu schaffen, hat der Bundesverband Credit Management (BvCM) jüngst in einer Online-Umfrage seine Mitglieder zu den Auswirkungen der Erfahrungen mit dem Thema Insolvenzanfechtung auf die Vergabe von Lieferantenkrediten befragt. Eine erste Befragung des Verbands hatte zuvor schon 2013 stattgefunden. Der Vergleich der Umfrageergebnisse zeigt Tendenzen. So hatten vor zwei Jahren noch 41 Prozent der Teilnehmer angegeben, im Befragungszeitraum nicht selbst von Insolvenzanfechtung betroffen gewesen zu sein. Bei der neuerlichen Umfrage belief sich der Anteil dieser Gruppe nur noch auf 18 Prozent. Quelle: Bundesverband Credit Management (BvCM) Anfechtung mit Auswirkungen Negative Effekte auf Kredite In die Auswertung der Antworten waren auch Rückmeldungen von Unternehmen einbezogen, die auf die Frage, wie sich das Thema „Insolvenzanfechtung“ auf die Gewährung von Lieferantenkrediten ausgewirkt habe, angegeben hatten, selbst noch nicht von Anfechtung betroffen gewesen zu sein. Trotzdem gaben nur neun Prozent an, ihre Kreditvergabe trotz der Anfechtungsrisiken nicht zum Nachteil ihrer Kunden verändert zu haben. Quelle: Bundesverband Credit Management (BvCM) weil diese sich ihre Vollstreckungstitel selber schaffen können, ist durch den Fortschritt in der Bearbeitungsgeschwindigkeit gerichtlicher Mahnverfahren überholt. Einzig das Argument, die Eindämmung der jetzigen Anfechtungspraxis gehe mit der Gefahr einher, dass zahlreiche Verfahren wegen Masselosigkeit gar nicht zur Eröffnung kämen, sodass zu befürchten sei, dass die Anzahl mangels Masse nicht eröffneter Insolvenzverfahren wieder auf Größenordnungen über 70 Prozent hochschnelle, wie diese in den späten Neunzigerjahren zu verzeichnen waren, lohnt eine nähere Betrachtung. Allerdings ist gar nicht einzusehen, weshalb die Zeche gerade von denen gezahlt werden soll, die in der ganz überwiegenden Zahl ohne jede böse Absicht gehandelt haben. Die Lösung des Problems liegt eher in dem schon vor längerer Zeit von Experten vorgeschlagenen Verzicht auf die Kostendeckung als Voraussetzung für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Dass Bundesjustizminister Heiko Maas jüngst erklärt hat, sein Ministerium sehe den Auftrag aus dem Koalitionsvertrag als erledigt an, weil man sich in der Diskussion mit den zuständigen Parlamentariern nicht über den Umfang einer Reform habe einigen können, ist für die Wirtschaft jedenfalls nicht zu akzeptieren. Zu groß ist der Schaden für das Vertrauen im Geschäftsverkehr. Die Betroffenen haben ein Anrecht darauf, dass zügig in eine inhaltliche Diskussion über die Ausgestaltung einer gerechteren und berechenbareren Handhabung des Paragrafen 133 InsO eingetreten wird. Bleibt nur zu hoffen, dass das auch von der Politik so erkannt wird. ~ 25 3 MENSCH & UNTERNEHMEN Vorsicht bei der Anfechtung Kommentar: Dr. Christoph Niering, Vorsitzender des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands (VID) E inen neuen Höhepunkt erreichte die Diskussion um das Anfechtungsrecht im Herbst des Jahres 2013. Die Bundesregierung hatte gerade die Aufnahme in den Koalitionsvertrag beschlossen, das Bundesjustizministerium trat später auf den Plan und entwickelte im Herbst 2014 ein Eckpunktepapier. In beiden Fällen formulieren die Urheber einen Reformbedarf. Wie bedeutend das Anfechtungsrecht für ein ausgleichendes und funktionierendes Insolvenzverfahren wirkt, würdigten sie kaum. So gilt ein Grundgedanke dem angemessenen Ausgleich von Gläubigerinteressen. Die Gleichbehandlung ihrer Ansprüche sorgt mit dafür, dass Eingriffe in die zukünftige Insolvenzmasse auf ein Minimum beschränkt bleiben und soweit wie möglich rückgängig gemacht werden. Einzelne Gläubiger geraten über einen zeitlichen oder informellen Vorsprung womöglich in eine bessere Verhandlungsposition. Dies darf der restlichen Gläubigergemeinschaft nicht zum Nachteil gereichen. Dieser Grundsatz gilt im Insolvenzrecht schon seit Jahrhunderten als tragend. Erhöhung der Eröffnungsquoten Ein funktionierendes Anfechtungsrecht ist gleichzeitig von essenzieller Bedeutung für die Finanzierung des Insolvenzverfahrens. Die Stärkung des Anfechtungsrechtes durch die Insolvenzordnung und der Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger haben bekanntermaßen zu einer deutlichen Erhöhung der Eröffnungsquoten geführt. Diese war rechtspolitisch ausdrücklich gewollt und ordnungspolitisch wünschenswert. Im Interesse von Arbeitnehmern, Sozialversicherungsträgern, Finanzbehörden, Lieferanten etc. steht selbst dort, wo die Fortsetzung des Geschäftsbetriebes nicht möglich ist, ein qualifizierter Ansprechpartner zur Verfügung, um die aus der Sicht der Beteiligten oftmals dringenden administrativen Aufgaben zu erledigen. Hierzu gehören etwa die Abmeldung der Arbeitnehmer bei Sozialversicherungsträgern, die Erledigung der steuerlichen Angelegenheiten, die Erstellung von Arbeitszeugnissen und Entgeltbescheinigungen oder die Rückgabe von Gewährleistungs- oder Vertragserfüllungsbürgschaften. 26 MENSCH & UNTERNEHMEN Anfechtung stärkt finanzielle Basis Ein starkes Anfechtungsrecht unterstützt aber auch den Sanierungsansatz der Insolvenzordnung (InsO), der in den letzten Jahren durch verschiedene Gesetzesvorhaben gestärkt wurde. Dabei sind nicht nur die durch Verwirklichung der Anfechtungsansprüche realisierten Gelder, sondern vielmehr der generalpräventive Aspekt eines funktionierenden Anfechtungsrechts von tragender Bedeutung. Neben den sogenannten professionellen Gläubigern hat auch eine breite Mehrheit der Verfahrensbeteiligten zur Kenntnis genommen, dass eine einsam erkämpfte Durchsetzung der eigenen Ansprüche im Vorfeld einer Insolvenz selten zielführend ist. Ein sorgfältiges Abwägen von Nutzen und Schaden ist oft ein besserer Ansatz. Hierdurch wird die zukünftige Insolvenzmasse geschont und die finanzielle Basis für dringend erforderliche Sanierungsmaßnahmen geschaffen. Ohne ein Mindestmaß an finanziellen Mitteln ist eine Fortführung des Geschäftsbetriebes geschweige denn dessen Vorfinanzierung oder die Finanzierung von Sozialplänen und/oder Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen nicht möglich. zehn auf fünf Jahre, und zum anderen der Eintritt der Verzinsung etwaiger Anfechtungsansprüche erst mit der substantiierten Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter. Beide Änderungen tragen zu einer größeren Rechtssicherheit aufseiten der Verfahrensbeteiligten bei und werden zudem das notwendige Verständnis für die Zinszahlung als Sanktionsinstrument wiederherstellen. Kein Reformbedarf aus Arbeitnehmersicht Auch auf Arbeitnehmerseite soll es angeblich dringenden Reformbedarf geben. Auch hier ist ein Phänomen massenhafter Betroffenheit von Arbeitnehmern durch die Anfechtung ihrer Arbeitsentgelte nicht zu beobachten. Dies belegen neben fehlender Eingänge entsprechender Klageverfahren beim Bundesarbeitsgericht auch die verschwindend geringe Zahl von Klageverfahren im Vergleich zu den insgesamt rund 260.000 Arbeitnehmern, welche 2014 von der Insolvenz ihres Arbeitgebers betroffen waren. Hier wird die arbeitnehmerfreundliche Praxis durch die klare und unmissverständliche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes zuletzt in Entscheidungen vom 3. Juli 2014 geprägt, sodass kein Handlungsbedarf aufseiten des Gesetzgebers zu Untersuchungen widerlegen erkennen ist. Sollte im Gesetzgebungsverfahren dennoch massenhafte Betroffenheit Handlungsbedarf gesehen werden, darf dies keineswegs Allein aus den vorgenannten Gründen darf nach Auffassung dazu führen, dass Ausnahmetatbestände zur Insolvenzandes Berufsverbandes der Insolvenzverwalter nicht in den fechtung geschaffen werden. Zu begrüßen wäre jedoch ein Kernbereich des Anfechtungsrechts eingegriffen werden. vollstreckungsrechtlicher Schutz über eine Regelung in den Dies umso mehr, als die von einigen interessierten Kreisen Pfändungsvorschriften der Paragrafen 850 folgende Zivilbehauptete massenhafte Betroffenheit durch Anfechtungen prozessordnung (ZPO). Dort bisher nicht empirisch unter könnte, vollstreckungs- und Beweis gestellt werden konnte. „In den Kernbereich des Anfechtungsrechtes insolvenzrechtlich konform, Ganz im Gegenteil sprechen darf keinesfalls eingegriffen werden - im Sinne die Durchsetzung von Anrelevante Untersuchungen, wie eines funktionierenden Insolvenzverfahrens.“ fechtungsansprüchen auf den etwa die des Spitzenverbandes über die Pfändungsfreigrenze der gesetzlichen Krankenkassen hinausgehenden Betrag beschränkt werden. Damit wäre zu(GKV) eine deutliche Sprache. Obgleich dieser zur Hauptgunsten der betroffenen Arbeitnehmer auch die Mindestabzielgruppe insolvenzrechtlicher Anfechtungsansprüche gesicherung des Lebensunterhaltes unter Berücksichtigung hört, sieht man nach einer entsprechenden Umfrage seiner ihrer individuellen familiären Verhältnisse gewährleistet. Mitglieder keinen Handlungsbedarf. Dies ist verständlich. Die durch eine Anfechtung realisierten Ansprüche erreichen nämlich nicht einmal 0,0005 Prozent des jährlichen BeiBedürfnissen aller Beteiligten tragsaufkommens. ausreichend Rechnung getragen Auch die von unserem VID initiierte Untersuchung von Als Berufsverband der Insolvenzverwalter verschließen wir über 3.000 schlussgerechneten Unternehmensinsolvenzveruns der Diskussion zum Anfechtungsrecht und etwaiger fahren aus den Jahren 2012 und 2013 unterstützt diese EinÄnderungen nicht. Mit der deutlichen Reduzierungsfrist schätzung. In den untersuchten Insolvenzverfahren lag der auf fünf Jahre, dem späteren Beginn des Zinslaufs und auch Durchschnitt der pro Insolvenzfall durchgesetzten Beträge dem vollstreckungsrechtlichen Schutz der Arbeitnehmer bei der Absichtsanfechtung nach Paragraf 133 InsO bei rund dürfte dem Bedürfnis aller Beteiligten ausreichend Rech30.000 Euro. Ein Betrag, der den viel zitierten deutschen nung getragen sein. In den Kernbereich des AnfechtungsMittelstand sicherlich nicht in seinen Grundfesten erschütrechtes darf keinesfalls eingegriffen werden – im Sinne eitern wird. Dennoch ist es denkbar, die der Öffentlichkeit nur nes funktionierenden Insolvenzverfahrens. schwer zu vermittelnden und für die Funktionsfähigkeit des Die Folgen eines weitreichenden Eingriffs wären sowohl Insolvenzverfahrens nicht unbedingt notwendigen Randbefür die Sanierung insolventer Unternehmen als auch für die dingungen des Anfechtungsrechtes einer Überprüfung bzw. administrative Abwicklung des Insolvenzverfahrens nicht Änderung zu unterziehen. Hierzu gehört zum einen die absehbar. ~ Reduzierung der in Paragraf 133 InsO definierten Frist von 27 w e s.d in de an br w. w Anzahl der PR-Berater, die in den USA auf einen Journalisten kommen: 4,6 Mehrverdienst eines PR-Beraters in den USA im Vergleich zu einem Journalisten, in Prozent: 40 Weitaus mehr als nur Zahlen Das Wirtschaftsmagazin brand eins. Jetzt abonnieren: brand eins als Print-Abo: b1-link.de/print-abo brand eins als Digital-Abo für iOS und Android: b1-link.de/digital-abo Alle Abo-Formen sind jederzeit kündbar. Print-Abonnenten erhalten den Schwerpunkt als Audioversion kostenlos. Schreiben Sie uns eine E-Mail mit Ihrer Print-Abo-Nummer an [email protected] und Sie bekommen Ihren Zugangscode. 28 29 SCHWERPUNKT Personal – Bindung als Anker? Trotz Krise als Arbeitgeber ein sicherer Hafen „Wie hoch sind die Personalkosten?“ – Die erste Frage in Unternehmenskrisen gilt meist den Aufwendungen für sogenannte Human Resources (HR). Führungskräfte, Spezialisten und erfahrene wie qualifizierte Mitarbeiter kosten viel Geld. Also liegt es nahe, in schwierigen Zeiten an der Stellschraube für Personalkosten zu drehen. Mit den Zielen einer Sanierung sind diese Streichungen aber nicht immer zu vereinen. Die Kompetenz der Belegschaft zählt zum wichtigen Faustpfand, um Krisen zu überwinden. Diese Basis sollte im Betrieb fest verankert sein. Nur: Wie sind die Besten zum Bleiben zu bewegen? SCHWERPUNKT Was ist Personalbindung? In Unternehmen gehört sie zu den Königsdisziplinen. Sie ist keine Kunst dicker Schecks und erlernbar. Geld gehört allenfalls zum „Hygienefaktor“. Personalbindung geschieht mit Mitarbeitermotivation, ist messbar über den Loyalitätsgrad und äußert sich in der Arbeitszufriedenheit und in der positiven Bewertung des Unternehmensklimas. Das Abwandern von Führungs- und Fachkräften lässt sich gerade in Krisenzeiten nur verhindern, wenn diese vielen „weichen Faktoren“ stimmen. Viele Erfolgskriterien für Personalbindung scheinen eher subjektiv empfunden, wobei zwei wesentliche Aspekte ihren Ausdruck finden über das bekundete Vertrauen in die Führung und in Bestnoten für Unternehmenskultur. Wie greift Personalbindung? Personalbindung in der Krise funktioniert nur, wenn die Führung im Vorfeld den Grundstein für eine anziehende Unternehmenskultur legt. Die Sanierung eines Unternehmens scheitert schnell, wenn ein Großteil der Mitarbeiter innerlich schon gekündigt hat. Denn motivierte Mitarbeiter erzielen letztlich den Ertrag. Eine Voraussetzung für erfolgreiche Maßnahmen zur Personalbindung ist die intakte Gesprächsebene zwischen Unternehmensleitung und Belegschaft. Die Bereitschaft, die Fähigkeit und die Möglichkeiten zum Dialog gilt es zu stärken und auszubauen. Ganzheitlichkeit, Offenheit und Transparenz liegen im Trend. Kommunikation mit Salami-Taktik ist kein gutes Mittel mehr. Wem nützt Personalbindung? Allen im Unternehmen. Ist der Betrieb wirtschaftlich noch so gut aufgestellt, dass die Erfolgsprognose für eine Sanierung positiv ausfällt, müssen die Mitarbeiter mit ins Boot geholt werden. Das gemeinsame Ziel: Der Unternehmer behält sein Unternehmen, die Führungskräfte und die Belegschaft ihren Arbeitsplatz. Ein lebendiger Kunde bietet auch immer bessere und längerfristige Befriedigungsmöglichkeiten für die Gläubiger, sodass auch sie ein Interesse daran haben dürften, dass alle an einem Strang ziehen. Was kostet Personalbindung? Schwerpunkt 30 Vor allem die Reflexionsfähigkeit und der Handlungswillen der Unternehmensführung ist von Bedeutung. Der Führungsebene obliegt die Verantwortung voranzugehen Dabei sind soziale Kompetenz und Kommunikationsfähigkeit gefragt. Manchmal bedarf es dazu eines externen, zielgerichteten Impulses. Die hierfür investierten Kosten bringen erfahrungsgemäß oft einen 100-prozentigen Return on Investment. Motivierte Mitarbeiter bringen volle Leistung. Lustlose und zum Konflikt neigende Mitarbeiter bedeuten mitunter Kosten, die im Missverhältnis zur erbrachten Leistung stehen. 31 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT A Gemeinsam stark Wie Management und Mannschaft für Strauss Innovation neue Erfolgsstorys schreiben wollen usnahmslos freundlich grüßt hier jeder auf dem Flur der Zentrale von Strauss Innovation in Langenfeld. Selbst gegenüber Unbekannten offen und lächelnd. Erstaunlich, ist nach den einschneidenden Erlebnissen der vergangenen Monate doch anderes zu erwarten. Auch die Angestellten in der Verwaltung hätten eigentlich allen Grund, eher energielos, unmotiviert oder zweifelnd über die Gänge zu schleichen. Die Wunden dürften gerade erst verheilt sein, welche die schwere Krise hinterlassen hat. Der Schutzschirm spannte sich zwar Anfang 2014 über dem insolventen Handelsunternehmen auf, allerdings folgte zunächst eine schmerzhafte Zäsur. Rund 250 Entlassungen und 17 Filialschließungen gehören zum Gesundungsprogramm. Das Insolvenzverfahren ist nach knapp einem Jahr zum 31. Januar 2015 aufgehoben, nachdem der Insolvenzplan bestätigt war. Ein überzeugter Investor, ein engagierter Personalleiter und vor allem die 1200 motivierten Mitarbeiter gehen gestärkt aus der Krise mit neuem Schwung an die Arbeit und wollen die jetzt 79 Filialen in die Erfolgsspur führen. Für alle eine harte Zeit „Das ist Strauss“, erklärt Personalleiter Marc Hönig die vorwärtsgewandte Kraft in der Belegschaft von Strauss Innovation. Er räumt aber auch ein: „Lobeshymnen höre ich angesichts unserer Personalabbauquote von rund 20 Prozent natürlich auch nicht. Das Schicksal der Mitarbeiter, die uns verlassen mussten, hat mich auch persönlich sehr getroffen. Das war für uns alle eine harte Zeit.“ Verhandlungen mit Investoren waren gescheitert, sodass Strauss drohte, zahlungsunfähig dazustehen und schließlich das Insolvenzverfahren unter Eigenverwaltung einleitete. Kehrseite der Restrukturierung: Sollte der Filialhändler wieder Zukunftspläne schmieden, mussten unrentable Geschäfte schließen. Von den insgesamt 96 Ladenlokalen fiel die Auswahl auf 17 Einzelhandelsbetriebe, die nicht genug Ertrag erwirtschafteten. „Das war ausschließlich äußeren Umständen geschuldet, lag also nicht an den Mitarbeitern vor Ort oder deren Engagement“, betont Hönig. Analyse der Kennzahlen Wie aufgeräumt und wie in Aufbruchsstimmung: Die verbliebene Belegschaft scheint voller Tatendrang nach der Insolvenz. Dabei haben die Teams der Unternehmensgruppe „Strauss Innovation“ harte Einschnitte erdulden müssen inklusive Personalabbau und Filialschließungen. Hoch motiviert starten jetzt Führungscrew und 1200 Mitarbeiter positiv positioniert in die Zukunft. 32 Strauss setzt auf Impulskäufe. Aber an einigen Standorten hatte sich die Kundenstruktur geändert, an anderen fehlte Laufkundschaft. Herauskristallisiert hatte sich dies bei der Analyse der Kennzahlen, wobei unter Vollkosten gerechnet die Prognose für die kommenden 18 Monate als Basis galt. Kostendeckende Umsatzzahlen brachten danach einzelne Filialen weder in der Vergangenheit noch für die Zukunft hervor. Ein weiteres Entscheidungskriterium: Hohe Fixkosten aus Mietverhältnissen mit bis zu zehn Jahren Laufzeit sind über insolvenzbedingt verkürzte Kündigungsfristen schnell einzusparen. Mit weniger Standorten geht in der Regel auch weniger Arbeit in der Verwaltung einher, sodass in der Zentrale rund 20 Prozent der Mitarbeiter ihre Stelle verloren. Signal für Vertragspartner Strauss bezieht seine Waren zum Großteil im Ausland, vorwiegend in China und in Asien. Dort fehlt Vertragspartnern das Verständnis für ein “normales“ Insolvenzverfahren, weil im englischsprachigen Raum meist das Insolvenzverfahren mit einem Liquidationsverfahren gleichgestellt wird. Eine Eigenverwaltung unter Schutzschirm signalisiert dagegen: Es geht um die Sanierung und den Erhalt des Unternehmens. Für Rechtsanwalt Dr. Andreas Ringstmeier als Sachverwalter „ein entscheidendes Argument“. Rund 80 Prozent der Waren waren unmittelbar nach der Einleitung des Verfahrens mit Zahlungsziel einzukaufen. „Sogar das Zahlungsziel verlängern konnten wir in über 30 Prozent aller Fälle – und das unter Insolvenzbedingungen“, freut sich Ringstmeier, dass das Schutzschirmverfahren bei Strauss auch für diese nützlichen Zwecke geeignet war. Signal für Mitarbeiter Insolvenzen und Investoren, beides gilt oft bei Mitarbeitern als Garant für Unsicherheit, Angst, Trauer, Wut und Ohnmacht. Personalabbau wirkt da als Verstärker. Für die von den Entlassungen verschonte Belegschaft bleiben meist Misstrauen und Skepsis dominierend – und damit auch gegenüber dem Konzept, das die Fortführung sicherstellen soll. Zumal es für Verunsicherung lange keinen Grund gab im mehr als hundert Jahre alten Unternehmen, das für eine traditionsreiche Kaufhausgeschichte steht. Doch schon die gescheiterten Investorenverhandlungen im Vorfeld der Insolvenz ließen für die Belegschaft nichts Gutes erahnen. Warum spüren die Beteiligten bei Strauss die Hoffnung trotzdem stärker als anderswo nach Einstieg von Investoren oder in der Insolvenz? „Strauss lebt eine familiäre Unternehmenskultur. Dies führt zu einer hohen Verbundenheit, die unsere Mitarbeiter und ihren Arbeitsplatz prägt – ob vor, während oder nach der Insolvenz“, begründet Personalleiter Hönig den standhaften Optimismus. Mittlerweile sei „eine gewisse Erleichterung zu spüren“, dass die heiße Phase der Krise erfolgreich gemeistert ist. Er sei rückblickend davon überzeugt, dass neben den „harten Zahlen“ vieles im Umgang miteinander bei Strauss dazu beigetragen habe, dass die Sanierung gelungen sei. „Wortbruch war in der Vergangenheit nie ein Thema.“ Seine Einschätzung bestätigt Betriebsratsvorsitzende Petra Zerning: „Die Mitarbeiter leben das Motto ,Gemeinsam sind wir stark!‘. So konnten wir die Krise überstehen und den größten Teil der Belegschaft erhalten.“ Insbesondere langjährige Mitarbeiter könnten sich mit der Philosophie des Hauses identifizieren, da sie sich mit Strauss Innovation als stets familiengeführtes Unternehmen verbunden fühlen. Die Mitarbeiter würden seit jeher Wertschätzung erfahren und seien daher loyal gegenüber ihrem Arbeitgeber. „Wenn es nicht so wäre, hätten sie nicht so große Opfer gebracht wie auf tarifliche Erhöhungen und Sonderzahlungen zu ver33 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT zichten“, sagt die Betriebsratsvorsitzende. Der Loyalität und dem Glauben an den Fortbestand der Firma sei es zu verdanken, dass die Firma wieder auf besserem Weg ist. „Wir haben bei den Mitarbeitern der Zentrale, die länger als zwei Jahre bei Strauss Innovation beschäftigt sind, keinen eigeninitiierten Weggang verzeichnen müssen.“ Der Haltung jedes Einzelnen ist es vermutlich zu verdanken, dass auch die Zahl der selbst eingereichten Kündigungen verschwindend gering war. Er habe mit „viel mehr eigeninitiierter Abkehr“ gerechtet, räumt der Personalleiter ein. Sicherheit sei schließlich „für jeden von erheblicher Bedeutung“ und durch eine Insolvenz bedroht. In der Zentrale reichte niemand, der länger als zwei Jahre bei Strauss beschäftigt war, die Papiere für seinen Abgang ein. Und beim Personal in den Filialen sei die auch vor dem Insolvenzverfahren registrierte Fluktuationsrate von zwei bis drei Prozent nicht gestiegen. Der Ausstieg von Mitarbeitern gehe auf das Erreichen des Renteneintrittsalters oder auf berufliche Neuorientierungen von Filialleitern zurück, „nicht ausschließlich auf die Insolvenz“, unterstreicht Hönig. Für ihn setzt die Insolvenz in Eigenverwaltung auch für Mitarbeiter ein anderes Signal. Sein Fazit: „Wir mussten zwar harte Maßnahmen ergreifen, aber wir konnten die Richtung mit bestimmen – und das ist das Wesentliche.“ Ein deutliches Zeichen für mehr Sicherheit habe zudem die Insolvenzgeld-Vorfinanzierung gesetzt, die nach seinen Worten „ganz schnell und reibungslos auf die Beine“ gestellt war. Die Berechtigten hätten dadurch „innerhalb von zehn Tagen ihr Gehalt“ erhalten. Die Personalabteilung habe darin viel Energie investiert, um Mitarbeitern zu vermitteln, dass es im Unternehmen weitergeht und die Versorgung ein wichtiges Anliegen bleibt. sentiert mit weniger Lieferanten und einer geringeren Artikelbreite nun eine stärkere Sortimenttiefe. Das Straffen der Strukturen hat die Effizienz erhöht. Für die Gesamkosten ergab sich daraus ein Einsparungspotenzial von 17 bis18 Prozent. Ein Erfolg, aus dem die Führung die Erfahrung zieht, dass wichtige Entscheidungen schon vor der Insolvenz hätten getroffen werden müssen. Danach klingt die Einschätzung von Personalleiter Hönig: „Unsere Betriebsblindheit wurde uns leider erst da bewusst. Wir hätten eingefahrene Strukturen früher durchbrechen und schleichenden Effekten eher entgegensteuern können.“ Faktenbox 1902 Gründung des Handelsgeschäfts für Kurz-, Weiß- und Wollwaren durch die Eheleute Maria und Heinrich Strauss in der Düssel dorfer Altstadt 2004 Expansion auf über 100 Filialen 2008 Restrukturierung: Investorenlösung (EQT Opportunity Fonds), Schließung von rund 15 Filialen, Entlassung von über 400 Mitarbeitern 2010 Einrichtung eines Online-Shops, vorsichtige Expansionstendenzen nach erfolgreichem Turnaround 2012 Investor (Sun European Partners) 2014 Insolvenzantrag unter Eigenverwaltung und Schutzschirm (30. 01. 2014), Eröffnung des Insolvenzverfahrens unter Eigenverwaltung (30.03.2014), Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach Bestätigung des Insolvenzplans(31.01.2015) und Investorenlösung (Mühleck Family Office) 2015 79 Filialen, 1200 Mitarbeiter Anstoß zur Selbstreflexion „Ich lebe die Überzeugung, dass jeder für sich selbst verantwortlich ist. Ein Weggang ist unabhängig von der Insolvenz immer meine freie Entscheidung. Ich bin nach zehn Jahren Mitarbeit bei Strauss nicht der Mensch, der geht, wenn es eng wird. Ich wollte meinen Beitrag dazu leisten, dass es weitergeht. Bei einem Weggang hätte ich mich schlecht gefühlt.“ Strauss Innovation hat das Schicksal an- und damit verbundene Chancen wahrgenommen. Gleichwohl galt es zwischendurch den Blick zurück zu richten, um für die Zukunft mehr zu lernen. Zur kritischen Selbstreflexion von Führungskräften sollte eine Insolvenz auch Anlass geben. Bei Strauss Innovation ermittelte die fruchtbare Runde konkrete Ergebnisse: u die Führungsspanne (spread of control) ist erhöht, u Hierarchieebenen sind abgebaut, wodurch eine Führungskraft nun Verantwortung für mehr Menschen trägt, u der Betreuungs- und Arbeitsaufwand ist reduziert, was mit den Filialschließungen einhergeht, u die Führungsebene ist schlanker, u die Kommunikationswege sind kürzer und einfacher und u die Verantwortlichkeiten sind klarer. Marc Hönig, Personalleiter Strauss Innovation. Mit den Maßnahmen ergeben sich jetzt weniger abstimmungsbedürftige Themen. Umstrukturierungen greifen auch im Einkauf. Strauss prä34 Durch die Insolvenz sei die Führung enger zusammengerückt und habe sich auch die Kommunikation der Verantwortlichen untereinander verändert, hat Hönig bemerkt. Institutionalisiert erleben sie dies jetzt in wöchentlichen Update-Treffen zu Umsatz- und Kennzahlen, bei denen sie über Preisstruktur und Warensortiment sprechen. Damit ist sowohl ein fortlaufender Informationsaustausch und ein jeweils aktueller Stand gewährleistet wie die Planung der nächsten Schritte und der Ausblick auf Zukunftsthemen. Dieser Dialog kostet nicht viel, stellt das Machbare und Realistische in den Mittelpunkt und vermittelt allen das Gefühl, Gestalter im gesamten Prozess zu sein. Führungskräfte in die Gestaltung des neu positionierten Unternehmens einzubinden und dabei Verantwortung zu übernehmen, gehört zu den wichtigen Aspekten der konstruktiven Arbeit an der Zukunft. „Dieser Unterschied im Denken und Handeln hat Auswirkungen auf die Motiva35 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT fene Fragerunde mit „manchmal auch unangenehmen Fragen“ (Hönig) schuf Transparenz. Gleichwohl herrschte im Betriebsrat auch Skepsis nach Veränderungen mit einhergehenden Kürzungen zuungunsten der Belegschaft in der Vergangenheit. Auch wenn „die Zusammenarbeit zwischen Personalleitung und Betriebsrat im Vorfeld zur Krise sehr gut und stimmig funktionierte“, wie Petra Zerning als Arbeitnehmervertreterin bestätigt. Faire Lösungen für Mitarbeiter seien auch während der Krise gefunden worden. Einen Weg zur konstruktiven Zusammenarbeit wies die Definition des gemeinsamen Ziels trotz teilweise konträr gegenüberstehender Interessen. „Die Gespräche waren mitunter heftig und kräftig, sodass wir kurz vor dem Scheitern standen“, erinnert sich Hönig. Allerdings habe das gemeinsame Ziel, den Fortbestand des Unternehmens zu sichern, beide Seiten dann doch immer wieder an konstruktiven Lösungen arbeiten lassen. „Für alle stand fest, dass wir nicht auseinandergehen, bevor wir keine Lösung für die 1200 Menschen gefunden haben.“ Wertschätzung ohne Effekthascherei tion. Wer aktiv eingebunden ist, empfindet sehr lebendig wie etwas Neues entsteht. Wir haben also nicht erfahren, dass Insolvenz wie ein Todesurteil klingt“, erklärt Hönig. In den Filialen ist dieses Signal auch angekommen. Dort haben Mitarbeiter zwar weniger Gelegenheit, die Prozesse zur neuen Ausrichtung aktiv mitzugestalten, bestätigt Hönig, doch dafür habe Strauss nun „eine engmaschige Informations- und Kommunikationskultur gepflegt“. Dazu zählen mehrere Telefonkonferenzen mit allen Filialleitern über den aktuellen Stand. „Dieser Informationsfluss führt dazu, dass Mitarbeiter außerhalb der Zentralverwaltung auch das Gefühl bekommen, dass wir uns gut um den Fortbestand und die Weiterentwicklung kümmern“, sagt Hönig. FAQ-Hotline zur Insolvenz Insbesondere für eine verbesserte Kommunikation haben die Personalverantwortlichen ein großes Engagement bewiesen. So ist speziell ein FAQ-System zum Insolvenzverfahren eingerichtet. Mitarbeiter stellen darin ihre Fragen über ihren Filialleiter an die Personalabteilung. Alle Fragen sind dort zusammengefasst, um beantwortet zu werden. „Und zwar jede. Das war uns wichtig“, sagt Hönig. Auch die Fragen, die noch nicht beantwortet werden konnten, sind dort zu lesen mit der Bitte um Geduld auf die Antworten. Das halten die Verantwortlichen für besser als 36 wenn Beschäftigte ihre Informationen im Internet irgendwo einholen. Denn andere Quellen streuen mit Ungenauigkeiten schnell Gerüchte und schüren damit Ängste und Unsicherheiten. „Transparenz und Kommunikation sind alles. Denn eine Insolvenz verändert alle Regeln. Mitarbeiter kennen sich damit nicht aus. Sie wissen nicht, was geschieht, haben viele Ängste und bekommen oftmals falsche Informationen von Dritten“, bestätigt Sachwalter Dr. Andreas Ringstmeier die Bedeutung. Daher sei es nicht ungewöhnlich, wenn sie „ein Gefühl des Ausgeliefertseins“ beschleiche. Auf sie zuzugehen, ihnen Zusammenhänge zu erklären, sie am Sanierungsprozess zu beteiligen – dies alles sei geeignet, ihnen zu vermitteln, nicht „Schachfigur, sondern Spieler“ zu sein. „Wir gehen nicht auseinander, bevor wir hier keine Lösung für die 1200 Menschen gefunden haben!“ Bei Strauss gehörten zum Mitgliederkreis im Gläubigerausschuss auch die Gesamtbetriebsratsvorsitzende und eine Mitarbeiterin der Gewerkschaft. Kommunikation auf Gegenseitigkeit prägte auch die Betriebsversammlungen in der Zentrale. Zum Austausch gehörte, keine einseitigen Information zu verkünden, sondern Mitarbeitern die Möglichkeit einzuräumen, auch unangenehme Fragen zu stellen. Die of- Zur Lösung gehörte auch der Ausspruch von rund 250 Kündigungen. „Ich habe den Mitarbeitern, die uns verlassen mussten, Wertschätzung entgegengebracht in der Hoffnung, dass sie – bei aller Enttäuschung – auch so angenommen wird“, sagt Hönig. In fast allen Filialen, deren Schließung beschlossen war, sei er gewesen. Diese Art von Trennungsbewältigungsarbeit, den persönlichen Austausch zu suchen, verstehe er als Verantwortung in seiner Rolle als Personalleiter. Zum Zurücklehnen ist nicht die Zeit Insolvenzverfahren und akute Krise sind beendet. „Unser Job ist jetzt, eine Mitarbeiterversammlung einzuberufen. Dem neuen Investor ist das persönliche Kennenlernen ein ausdrückliches Anliegen“, sagt Hönig. Gekommen sei er, um zu bleiben – nicht nur der Investor im Hintergrund. Auch sei es an der Zeit, nochmals klarzustellen, was künftig anders wird, welche Möglichkeiten auch finanzieller Art bestehen. Der Personalleiter selbst hat sich vorgenommen, noch mehr direkte Kommunikation zu pflegen, kürzere Wege zu gehen und mit gestiegener Verantwortung noch häufiger in den Filialen zu sein. „Das Wichtigste ist, sich im Alltag zu beweisen und gute Arbeit zu liefern. Die Mannschaft bei Strauss ist dafür unfassbar belastbar und motiviert“, lobt Hönig. Auf diese Stärken müsse sich die Führung besinnen, um eine Erfolgsstory zu schreiben und die Belohnung für die Mühe und den Einsatz einzustreichen. Im Unternehmen bricht die Zeit der Stabilisierung und der nachhaltigen Entwicklung an. Abgehoben scheint bei Strauss Innovation deshalb niemand. Der Vogel Strauß kann ja auch nicht fliegen. Mit Bodenhaftung laufen klingt aber auch nach einem zukunftsfähigen Lebensmotto. ~ Erfahrungswerte-Toolbox von Personalleiter Marc Hönig 1. Etablierung einer gesunden Unternehmenskultur vor der Krise In der Insolvenz eine Kehrtwende zu machen, kann nicht fruchten. Der Grundstein für ein funktionierendes Miteinander muss vorher gelegt sein. 2. Dialogbereitschaft und Dialogfähigkeit Kommunikation ist einer der wichtigsten Punkte in der Krise. Dies heißt nicht nur einseitige Information und Transparenz, sondern im Wesentlichen der Dialog. Für die Führungsebene bedeutet dies: Fragen der Belegschaft annehmen und das Signal setzen, sich darum zu kümmern. 3. Aktivität und Gestaltungswille der Führungsmannschaft Veränderungsprozesse können gut gelingen, wenn jeder seinen Teil dazu beiträgt. Passivität lähmt. 4. Perspektiven Den Mitarbeitern müssen kontinuierlich Perspektiven aufgezeigt werden. Das Erreichen kleiner Etappenziele ist zu kommunizieren. 5. Brauchtum leben Liebgewonnene Kleinigkeiten und „Unternehmensbräuche“ dürfen nicht zugunsten der aktuellen Krise geopfert werden: Zeit nehmen für Geburtstagsgrüße, Glückwünsche zum Jubiläum und Freundlichkeit etc. Das Thema Krise darf nicht zu viel Raum einnehmen und als Feigenblatt dafür hergehalten werden, dass Wertschätzung nicht gelebt wird. 37 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT Wollen will gelernt sein Manager-Coaching für Change-Prozesse Text: Michael Groß D as Können allein ist nicht entscheidend, um ein Unternehmen aus der Krise zu führen. Was zur Bewältigung einer Krise rational notwendig ist, muss emotional noch lange nicht überzeugend sein. Nur objektive Argumente reichen kaum aus, um Mitarbeiter zum engagierten Mitmachen zu bewegen. Überzeugung und Vertrauen können nicht verordnet, nur aufgebaut werden. Die Führungskräfte sind dabei die Schlüsselfiguren. Sie sind zugleich meistens Treiber und Antreiber, Beteiligte und Betroffene. Kurzum: Unternehmensleitung und Führungskräfte stehen unter einem außergewöhnlich hohen Entscheidungs- und Erwartungsdruck. Trotz harter Einschnitte, zuweilen auch für die eigene Person, haben sie sich als vertrauensvolle Partner der Mitarbeiter zu bewähren. Das Training und Coaching der Führungskräfte als wichtigste Träger der Change-Prozesse in Insolvenz- und Sanierungssituationen ist elementar, um ein Unternehmen aus der Krise zu führen. Mit relativ geringem Aufwand ist kurzfristig einiges zu bewirken. Hier ein Beispiel dafür, wie Krisen als eine meist neue Erfahrung für Führungskräfte individuell bewältigt werden können. Selbstbewusstsein erlangen Der Bereichsleiter war im Unternehmen bekannt und anerkannt als entscheidungsfreudig und absolut zuverlässig in der Umsetzung. Die Sanierung stellte kurzfristig hohe Anforderungen. Die Geschäftsführung sah im Bereichsleiter einen der wichtigsten Mitstreiter. Denn auf ihn konnte man sich ja verlassen – bisher. Die Geschäftsführung sah im Bereichsleiter einen der wichtigsten Mitstreiter. Denn auf ihn konnte man sich ja verlassen – bisher. Plötzlich haderte er aber mit Entscheidungen, zögerte bei der Umsetzung und stellte immer wieder die Frage, ob der eingeschlagene Weg auch richtig sei. Neue Fähigkeiten waren nicht nötig. Auch hatte er die volle Rückendeckung der Geschäftsleitung. Im Coaching zeigte sich schnell der Grund für seinen über38 raschenden Wechsel im Verhalten. In der neuen, unkalkulierbaren Krisensituation war sich der Bereichsleiter nicht mehr sicher, den eigenen Maßstäben gerecht werden zu können. Einer seiner sogenannten „Glaubenssätze“, die seine Arbeit prägten, war, alles im Griff haben zu wollen. Und er vermutete, unter den neuen Rahmenbedingungen diesem Anspruch nicht mehr gerecht werden zu können – also packte er nicht mehr beherzt an. In wenigen Gesprächen wurde ihm in kurzer Zeit der Hintergrund für sein Verhalten selbst bewusst. Er konnte damit umgehen und erkannte die neuen Unsicherheiten als Chance, nun erst recht den eigenen Ansprüchen gerecht werden zu können. Die Krise im Unternehmen wurde so zur „Meisterprüfung“ der eigenen Führungsfähigkeit. Engpässe identifizieren Situative Führung in Krisen bedeutet, schnell und konsequent Ziele zu verfolgen und akut relevante Stärken zu aktivieren. Dabei sind zahlreiche Herausforderungen im Alltag zu bewältigen und – es tauchen unkalkulierbare Probleme auf. Die Begleitung der Führungskräfte zentriert genau diese Anforderungen im „Hier und Jetzt“, um die Krise im Unternehmen erfolgreich zu managen. Dieses „Centric Coaching“ befähigt die Führungskräfte: • persönliche Hindernissen zu erkennen und zu überwinden, • Ursachen ihrer Herausforderungen zu bestimmen, • passenden Lösungswege und Verhaltensweisen festzulegen, erfolgreiche Verhaltensänderungen zu vertiefen. Ausgehend von den individuellen Zielen und Motiven in Bezug auf die aktuelle Krisensituation werden zunächst die individuellen Leistungsanforderungen betrachtet und die Herausforderungen herausgearbeitet, die sich daraus ergeben. Auf dieser Basis werden gemeinsam die wichtigsten der vorhandenen Kompetenzen zum weiteren Vorgehen bestimmt, auch, um mit äußeren Einflüssen und Ereignissen gezielt umgehen zu können. Training und Coaching für Führungskräfte hält Dr. Michael Groß für elementar wichtig im Change-Prozess während einer Insolvenz oder Sanierungsphase. 39 SCHWERPUNKT Typischerweise ist der Ablauf im „Centric Coaching“: 1. Erstgespräch zur Klärung des Anliegens und Möglichkeiten zur Unterstützung, 2. gemeinsame Formulierung der Zielsetzung und des Vorgehens, 3. Coaching mit fortlaufender Überprüfung der Ergebnisse, 4. Anlassbezogene Begleitung im Alltag bei Bedarf (auch telefonisch). Für die ersten drei Schritte bedarf es in der Regel drei bis vier Stunden innerhalb von zwei bis drei Wochen. Die Effekte sind unmittelbar im Alltag spürbar, weil konkrete Situationen im Mittelpunkt des Coachings stehen. Koffer voller Instrumente Je nach dem individuellen Engpass richtet sich auch der Einsatz der Instrumente im Coaching. Die verborgenen „Glaubenssätze“ sind nur eine von vielen Ansatzpunkten, denen sich der Beratene durch die Fragetechnik des Coaches bewusst werden kann. Mitunter wollen Herz und Hand etwas anderes – besonders in Krisensituationen. Die Beziehung der Führungskräfte zu Mitarbeitern wird auf eine Bewährungsprobe gestellt. Das Herz hängt an der alten Wirklichkeit, die Hand muss die neue Realität umsetzen. Notwendige Entscheidungen können mit dem sogenannten „Needs-Meter“ den Bedürfnissen entsprechen. Falls kein Ausgleich möglich ist (und das ist die Regel), wird sich die Führungskraft bewusst, warum sich ein Teil der eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen lässt, und lernt damit umzugehen, zum Beispiel ein ungestörtes Verhältnis zu Mitarbeitern zu wahren. Häufig entstehen in Krisen auch Zweifel an der eigenen Stärke und Leistungsfähigkeit. Vor allem engagierte Führungskräfte können Krisen sehr persönlich nehmen, Fehler bei sich suchen und „hadern mit ihrem Schicksal“. Einfach „den Schalter umlegen“ fällt in dieser emotionalen Lage schwer. Das Coaching kann die entscheidende Unterstützung bieten, den Weg aus der plötzlich entstandenen persönlichen Krise zu finden. Mit dem „Star-Modell“ gelingt der Umgang mit Schwächen und Aktivierung der vorhandenen Stärken, passend zu den aktuellen Aufgaben. Die Liste an möglichen Interventionen ist lang, passend zur jeweiligen Situation. Grundlage ist immer, dass der Krisenmanager sich freiwillig und aus eigenem Antrieb dem Coaching widmet, wenn ein entsprechendes Angebot gemacht wird. Anders bei einem Training von notwendigen Führungsfähigkeiten, also der Vermittlung und Vertiefung von Kompetenzen. Dieses kann für alle Führungskräfte umgesetzt werden, um sie schnell „fit zu machen“. 40 Krisenkompetenz sehr unterschiedlich Auch bei Trainings ist ein „One size fits all“ wenig angemessen. Jede Führungskraft hat, je nach Zugehörigkeit im Unternehmen und auch nach Erfahrungen, unterschiedliche Anforderungen und Erwartungen. Insofern eignet sich ein modulartiger Aufbau, die Bedarfe abzudecken. Zugleich wird dadurch erreicht, dass die Führungskräfte „on the run“, also gestaffelt und in kompakten Einheiten während ihres Krisenmanagements, trainiert werden. Das Training und Coaching der Führungskräfte erreicht, dass in Krisensituationen das Können und das Wollen schnell aufgebaut und zusammen wirksam werden. Überzeugte Führungskräfte sind viel eher fähig, glaubwürdig und vertrauensvoll aufzutreten, um das Personal zu binden und erfolgreich durch die Krise zu führen. „Führung in Krisen“ u Aufgaben priorisieren und Meilensteine verfolgen In Krisen ist der Mut zur Lücke, nicht alles auf einmal anpacken zu können, entscheidend. Die Entscheidungen sind nicht nur zu treffen, vielmehr auch darzustellen. u Transparenz nach unten und oben schaffen Verläufe und Zwischenstände, Unklarheiten und notwendige Justierungen sind im eigenen Team und gegenüber den Vorgesetzten darzustellen. u Unsicherheiten annehmen und damit umgehen In Krisen sind viele Fragen offen. Führung bedeutet, das Wahrnehmen und Einordnen der entstehenden Unsicherheiten gegenüber Mitarbeitern, um nicht stillzustehen. u Inkonsistente Entscheidungen kanalisieren Gegenüber Mitarbeitern entstehende Widersprüche durch Fokussierung auf die aktuell wichtigen Aufgaben nicht eins zu eins weitergeben und Problemstellungen „nach oben“ spiegeln – mit Lösungsvorschlägen. u Fehlertoleranz erhöhen In Krisen entstehen mehr Fehler als im Routinebetrieb, nicht hadern, akutes Problem fixieren und im Übrigen die Vorwärtsorientierung der Mitarbeiter bewahren. u Konflikte umgehend anpacken In Krisen schaukelt sich schnell ein Thema hoch, bekommt durch die erhöhte und selektive Wahrnehmung eine erhöhte Relevanz. Entstehende Konflikte zu den Zielen und Strategien, auch zwischen Mitarbeitern, sind sofort anzugehen und aufzulösen. 41 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT Intelligente Emotionen mit Effekt Was in stürmischen Zeiten motiviert, an Bord zu bleiben Text: Marzena Sierant Mit mentalem Training unterstützt Marzena Sierant auch Mitarbeiterteams, ihre innere Überzeugung positiv zu gestalten. I nnere Kündigung steht hoch im Kurs: Nur wenige Mitarbeiter haben eine hohe emotionale Bindung zu ihrem Arbeitgeber. Mit diesem Ergebnis schockt die alljährliche Studie des Gallup-Institutes regelmäßig den Markt. Die Studie 2014 offenbarte Erschütterndes: 84 Prozent der Mitarbeiter fühlen sich danach gering oder gar nicht an das Unternehmen gebunden. Der negative Effekt für das jeweilige Unternehmen bedeutet: Dienst nach Vorschrift, höhere Krankenstände und Fluktuation, weniger Motivation und Innovation. Dabei gelten diese Ergebnisse nur für gesunde Unternehmen. Wie die Zahlen in Firmen aussehen, die gerade eine Krisenphase durchstehen, möchte man sich nicht ausmalen. chen Fluktuation, Abwesenheit, Innovation, Qualität und Arbeitsunfälle. Emotional gebundene Mitarbeiter stehen für positive Werte: ¢ 43 Prozent weniger Fehlzeit ¢ 45 Prozent höhere Innovationskraft ¢ 72 Prozent mehr Empfehlung der Produkte und Dienste Quelle: Studie Engagement Index Gallup 2013, Ausarbeitung: Marzena Sierant Bedeutung von Bezahlung für emotionale Bindung Bezahlung und ein sicherer Arbeitsplatz zählen zu sogenannten Hygienefaktoren. Unzufriedenheit ist zwar damit abzubauen, wenn diese Faktoren gegeben sind, Zufriedenheit und Motivation sind dadurch aber nicht gleichzeitig aufzubauen. Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung setzen viele Unternehmen mit monetären Reizen gleich. Bezahlung ist wichtig, hat aber geringere Bedeutung als gedacht. Als Faktoren für Motivation gelten eher das berufliche Vorwärtskommen, das Weiterentwickeln, die Anerkennung, das Übertragen von Verantwortung und interessante Aufgaben. Auch diese Erkenntnisse bestätigt die Gallup-Studie. Mitarbeiter wertschätzen Werte wie Wachstum und Weiterentwicklung, wie Wahrnehmung als Mensch, wie das freundschaftliche Umfeld, wie die Beachtung der Mitarbeitermeinung, wie Strategie und Mission, wie Talentförderung und Anerkennung. 42 Emotionale Bindung durch erfüllte Erwartungen Je höher die Bedürfnisse und die Erwartungen der Mitarbeiter erfüllt sind, desto höher ist die emotionale Bindung. Insbesondere in Zeiten von Veränderungen und Krisen, des ständigen Wandels und der damit einhergehenden gestiegenen Anforderungen an jeden Einzelnen, ist es wichtig, sich als Führungskraft mit der Frage der emotionalen Führung auseinanderzusetzen. Emotional kompetente Führungskräfte steuern eigene Emotionen und Gefühlslagen und die ihrer Mitarbeiter. Sie lenken Stimmungen und Haltungen in eine positive Richtung. Diese Kompetenzen sind erlernbar. Diese Kompetenzen zahlen sich in barer Münze aus. Laut Gallup-Studie zeigen Arbeitsgruppen mit hoher emotionaler Bindung insbesondere Unterschiede in den Berei- Während nur knapp die Hälfte der befragten Mitarbeiter ohne emotionale Bindung beabsichtigen, noch in einem Jahr bei derzeitiger Firma zu sein, wollen 93 Prozent mit hoher emotionalen Bindung ihrem Arbeitgeber treu bleiben. Planungssicherheit hat also ein Unternehmen insbesondere mit Mitarbeitern, die emotional gebunden sind. Zufrieden mit der Tätigkeit, die sie gerade ausführen, sind immerhin 91 Prozent der befragten Mitarbeiter. Auch die materielle Zufriedenheit wird von mehr als der Hälfte der Befragten bejaht. Doch diese Zustimmung bringt anhand der anderen Studien-Ergebnisse kaum Verlässlichkeit mit. Bedeutende Rolle des direkten Chefs Auf die Frage „Haben Sie innerhalb der vergangenen zwölf Monate aufgrund Ihres oder Ihrer direkten Vorgesetzten daran gedacht, Ihr derzeitiges Unternehmen zu verlassen“ antworteten 45 Prozent der Mitarbeiter ohne emotionale Bindung mit einem „Ja“. Bei emotional gebundenen Mitarbeitern waren es nur fünf Prozent. Mitarbeiter verlassen nicht das Unternehmen, sie verlassen in der Regel ihre unmittelbare Führungskraft. Der Schlüssel zur emotionalen Bindung der Mitarbeiter ist also das Verhältnis zwischen dem Mitarbeiter und dem direkten Vorgesetzten. Führungskräfte von Mitarbeitern, die emotional gebunden sind, haben diese laut Gallup offensichtlich anders behandelt. Aussagen der Mitarbeiter spiegeln dies wider: ¢ Ich habe bei der Arbeit die Gelegenheit, das zu tun, was ich am besten kann. ¢ Bei der Arbeit scheinen meine Meinungen zu zählen. ¢ Mein Vorgesetzter interessiert sich für mich als Mensch. Empathie und Reflexion mit sozialer Kompetenz Der unmittelbare Chef trägt also Verantwortung dafür, Bedürfnisse und Erwartungen von Mitarbeitern zu erfüllen. Je besser dies gelingt, desto höher ist die emotionale Bindung. Um Bedürfnisse aufzuspüren, sind diese Kompetenzen wichtig: Empathie, Reflexion und soziale Kompetenz – also Stärken in der emotionalen Intelligenz. Eine der wichtigen Voraussetzungen für eine gesunde Führungskultur ist eine offene Kommunikation. Insbesondere in Zeiten von großen Veränderungen und Krisen in Unternehmen ist es wichtig, den Mitarbeitern ein klares Bild zu skizzieren und sie einzubeziehen. Jeder Einzelne muss verstehen, weshalb er diese Veränderung mitgehen soll. Eine regelmäßige und umfassende Kommunikation spielt dabei eine wichtige Rolle. Ein häufig begangener Fehler in der Kommunikation während Veränderungsprozessen ist das stückweise Preisgeben von Informationen als „Salami-Taktik“. Vertrauen und Loyalität stehen auf dem Spiel. Mitarbeiter fühlen sich getäuscht statt einbezogen. Bei Veränderungen geifen oft Ängste und Unsicherheiten 43 SCHWERPUNKT um sich. Deshalb ist eine ausgeprägte andere Art von Klugheit bei Führungskräften gefragt: Einfühlungsvermögen, Interesse an Menschen und ein feines Gespür für die Situation sind von großer Bedeutung. In Umbruchzeiten helfen mentale Stärke und emotionale Intelligenz (EQ) – Führungskräften wie Mitarbeitern. Emotionale Intelligenz ist messbar. Anhand eines EQ-Tests kann der Status quo analysiert werden. Auf der Grundlage der Ergebnisse können Maßnahmen zur Entwicklung der Kompetenzen ergriffen und so diese Stärke trainiert werden. Die Gallup-Studie bestätigt: Sind die Bedürfnisse erfüllt, steigt die emotionale Bindung. Das Thema wird aktuell auch im Kontext mit der sogenannten „Generation Y“ diskutiert. „Wir sind nicht faul. Wir wollen arbeiten. Nur anders. Im Einklang mit unserem Bedürfnissen“, heißt es etwa im Buch von Kerstin Bund „Glück schlägt Geld“. Über ihre Generation schreibt sie: „Das Statussymbol meiner Generation heißt Selbstbestimmung. Was wir wollen, kostet nicht einmal Emotionale Intelligenz auf fünf Ebenen Selbstwahrnehmung Die eigenen Emotionen kennen und verstehen Am Anfang steht die Selbstreflexion: Inwieweit kann ich meine eigenen Stimmungen und Emotionen erkennen und verstehen? Selbstregulierung Emotionen handhaben Inwieweit kann ich meine Stimmung und Emotionen regulieren? Wie gehe ich mit belastenden Situationen um? Selbstmotivation und emotionale Beherrschung Emotionen bewusst einsetzen Inwieweit kann ich meine Gefühle positiv beeinflussen, mich motivieren, optimistisch und beharrlich sein? Inwieweit setze ich Emotionen bewusst ein, um meine Ziele auch in Krisenzeiten zu erreichen? Empathie Zu wissen, was andere fühlen Die Grundlage der Empathie ist die Selbstwahrnehmung. Kann ich mich in andere hineinversetzen? Erkenne ich, wie es meinem Gegenüber, zum Beispiel meinen Mitarbeitern, gerade geht? Soziale Kompetenz Umgang mit Beziehungen Inwieweit kann ich mich auf Stimmungen meines Gegenübers einstellen, Beziehungen aufbauen und angemessen reagieren? Inwieweit kann ich die Stimmungen zum Beispiel meiner Mitarbeiter handhaben? 44 Geld: Mehr Flexibilität und Freiräume, regelmäßiges Feedback, gute Führung und Arbeit, die Sinn stiftet“. Sinn und Arbeitszufriedenheit hängen bei vielen Menschen Ihr Spezialist für die neuen Möglichkeiten der Sanierung unter Insolvenzschutz „ Ihr Unternehmen ist mein Unternehmen und am Erfolg der Sanierung lasse ich mich messen.“ Quelle: Grundlegende Definition der emotionalen Intelligenz nach Mayer/ Salovey in Daniel Goleman „EQ. Emotionale Intelligenz“, Deutscher Taschenbuchverlag, München Ausarbeitung: Marzena Sierant eng zusammen. Wann ergibt Arbeit einen Sinn? Wenn sie mit den persönlichen Werten, Neigungen und Stärken des Einzelnen im Einklang ist. Emotional intelligente Führungskräfte sehen und hören hin. Sie nehmen sich Zeit, um ihre Mitarbeiter mit ihren Stärken, Werten und Motiven kennenzulernen. Welche Bedürfnisse und Erwartungen haben sie? Was macht ihnen Freude? Was beschäftigt die Mitarbeiter? Was treibt sie an und was motiviert sie? Welche Sorgen und Ängste haben die Mitarbeiter insbesondere in Krisenzeiten? Jan H. Wilhelm Sanierungsberater - Insolvenzverwalter Emotional gebunden auch in Krisenzeiten Führungskräfte sollten den Mitarbeitern dabei helfen, über sich selbst zu reflektieren, sie sollen fordern und fördern. Emotional kompetente Führungskräfte verstehen es insbesondere in Krisenzeiten, sowohl ihre eigenen Emotionen als auch die ihrer Mitarbeiter zu verstehen und zu managen. Sie beherrschen es, die kollektiven Emotionen und auch negative Stimmungen in eine positive Richtung zu lenken und zu motivieren. Dabei sind sie nicht immer „nett“, sie reagieren nur anders – zur rechten Zeit auf die richtige Art und Weise – mit einer anderen Art von Klugheit außerhalb der fachlichen Kompetenz, eben mit emotionaler Intelligenz. Inhaber und Manager fördern diese Art von Klugheit in ihrem Unternehmen, damit sie zu den wenigen Arbeitgebern gehören, die stolz von sich behaupten können „Unsere Mitarbeiter sind emotional an uns gebunden und sind auch in Krisenzeiten mit Herz, Hand und Verstand bei der Arbeit.“ ~ hww wienberg wilhelm Insolvenzverwalter • Mehr als 350 Mitarbeiter an über 20 Standorten in Deutschland. • Weltweites Netzwerk durch hww wienberg wilhelm insolvency cooperation partner. Gründungspartner Jan H. Wilhelm Albert-Einstein-Ring 11 22761 Hamburg Tel.: 040-85 399 78 – 0 E-Mail: [email protected] 45 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT Dr. Michael Groß, S.38 Marzena Sierant, S.42 Wichtig ist Transparenz: Auch eine Führungskraft kann ruhig Bedenken äußern, muss gleichzeitig aber auch richtungsweisend den Weg aufzeigen, um die Mitarbeiter zu motivieren. Emotional intelligente Führungskräfte sehen und hören hin. Sie nehmen sich Zeit, um ihre Mitarbeiter mit ihren Stärken, Werten und Motiven kennenzulernen. Corinna Schulz, S.60 Jochen Schümann, S.56 Statements: Personal – Bindung als Anker? Reibung ist schon erwünscht, denn richtig geführt sorgt die Vielfalt eines Teams für neue Entwicklungspotenziale. Persönliche Wertschätzung und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten – darauf legen Führungskräfte in ihren Unternehmen den größten Wert. Marc Hönig, S.32 Das Thema Krise darf nicht zu viel Raum einnehmen und als Feigenblatt dafür hergehalten werden, dass Wertschätzung nicht gelebt wird. Peter Hützen, S.48 Wer öfter mal den Grünstift statt den Rotstift nutzt, hat bald auch wieder rosa Aussichten. 46 Thomas Schulz, S.52 Kommunikation ist ein zentrales Führungsmittel und ein entscheidender Erfolgsfaktor. Viele Unternehmen funktionieren mehr schlecht als recht stark vereinfacht nach dem Schema: „Oben die Würdenträger, unten die Leistungsträger, in der Mitte die Bedenkenträger“. 47 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT Grünstift statt Rotstift Arbeitsrechtlicher Rahmen für Mitarbeiterbindung in der Krise Text: Peter Hützen K risen fordern Sparmaßnahmen. Auch im Personalbereich. Stellenstreichungen, Sozialauswahl, Entlassungen – diese Einschnitte hinterlassen Lücken. Eine Rationalisierung verlangt mitunter, dass wichtige Mitarbeiter gehen müssen. Aber ist dies in jedem Fall zwingend? Wer den rechtlichen Rahmen bei Restrukturierungen voll auszuschöpfen weiß, hat Alternativen. Personal, qualifiziertes noch dazu, ist wertvoll. Und teuer. In der Krise meist zu teuer. Regelmäßig wird restrukturiert und rationalisiert. Reflexartig werden Arbeitsplätze zur (Personal-)Kostensenkung abgebaut. In der Krise regiert der Rotstift. Die Kosten müssen runter, die Belegschaft dafür raus. Dabei ist die vermeintlich einfache Lösung, Personalkosten über Entlassungen zu senken, alles andere als eine leichte Übung. Die Entlassung von Mitarbeitern ist ein schmerzhafter und schwieriger Prozess mit vielen juristischen Tücken. Die meist ohnehin schon knappe Liquidität kann dies kurzfristig zusätzlich stark belasten. Entlassungen hinterlassen Lücken. Gerade Mitarbeiter in Schlüsselpositionen, oft für eine erfolgreiche Sanierung dringend benötigt, müssen 48 als Erste gehen oder verlassen aus eigenem Antrieb das Unternehmen. Die Restbelegschaft bleibt verunsichert zurück. Das Betriebsklima ist durch den Personalabbau nachhaltig gestört. Die Attraktivität als Arbeitgeber nimmt womöglich ab. Eine sinnvolle Sanierungsstrategie erfordert deshalb nicht nur kurzfristige Personalmaßnahmen zur Bewältigung einer akuten Krise. Vor allem gilt es, in Krisenzeiten langfristig den Bedarf, den Einsatz und die Entwicklung von Personal zu planen sowie neu ausund einzurichten. Um eine aktuelle Krise erfolgreich zu bewältigen, sind erforderliche, kurzfristig umzusetzende personelle Maßnahmen auf die langfristig angestrebten Personal- und Erfolgsziele abzustimmen. Orientiert an Flexibilität Einschneidende Maßnahmen wie Massenentlassungen lassen sich durch flexibilitätsorientierte Personalmaßnahmen mitunter vermeiden. Es muss nicht stets die Kündigung sein. Zum „Entlassungsaktionismus“ gibt es Alternativen, die möglicherweise einen ausreichenden Beitrag zur Kostensenkung leisten. Wo Zeit und Geld vorhanden sind, bieten sich weniger einschneidende Maßnahmen zur Kostenreduzierung an: Abbau von Überstunden, Ausgleich von Arbeitszeitkonten, Reduzieren von Weiterbildungsangeboten oder Kürzen freiwilliger Sozialleistungen. Auch Einstellungen zu stoppen, befristete Verträge nicht zu verlängern oder Leiharbeit zu beenden, belasten die Stammbelegschaft nicht. Reichen flexibilitätsorientierte Maßnahmen nicht oder sind alternative Maßnahmen bereits ausgeschöpft, können Kosten über Urlaubsabbau und Kurzarbeit gesenkt werden. Angebote auf Freiwilligkeit Geht kein Weg mehr an Entlassungen vorbei, bieten sich zunächst Freiwilligenprogramme, Vorruhestandslösungen und Altersteilzeitvereinbarungen an. Sind diese weniger einschneidenden Maßnahmen zeitlich oder finanziell nicht umsetzbar, bleibt der Ausspruch von Kündigungen. Hierbei sind allerdings die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu wahren. Sind erhebliche Teile der Belegschaft betroffen von einer krisenbedingt geplanten Betriebsänderung, etwa der Stilllegung eines wesentlichen Betriebsteils, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über die beabsichtigten Maßnahmen unterrichten und mit ihm über das „Ob“ und „Wie“ der geplanten Restrukturierung beraten. Außerdem ist ein Sozialplan mit dem Betriebsrat abzuschließen. Der Sozialplan, dessen Aufstellung der Betriebsrat bei Massenentlassungen erzwingen kann, dient dem Ausgleich bzw. der Milderung der wirtschaftlichen Nachteile betroffener Mitarbeiter. Massenentlassungen erfordern zudem eine Anzeige bei der Agentur für Arbeit. Ausgleich aller Interessen Der Spagat zwischen dem kurzfristigen Abbau eines Personalüberhangs und der langfristigen Sicherung von Knowhow und Leistungsträgern wird meist schon sehr deutlich bei den Beratungen mit dem Betriebsrat über das „Ob“ und „Wie“ eines Personalabbaus, also den sogenannten Interessenausgleichsverhandlungen. Neben die Interessen des Arbeitgebers treten die Interessen des Betriebsrats, der regelmäßig sämtliche Mitarbeiter vor Kündigungen bewahren will. Zusätzlich müssen bei der Auswahl der zu entlassenden Mitarbeiter soziale Gesichtspunkte beachtet werden. Fehlt eine soziale Auswahl oder sind soziale Aspekte der Mitarbeiter nicht ausreichend berücksichtigt, ist eine betriebsbedingte Kündigung auch dann unwirksam, wenn dringende betriebliche Gründe für eine Entlassung vorliegen, etwa beim Abbau eines Personalüberhangs. Der Arbeitgeber muss daher im Vorfeld von Entlassungen eine Auswahl der zu kündigenden Mitarbeiter nach ihrer Betriebszugehörigkeitsdauer, ihrem Lebensalter, ihren Unterhaltspflichten und einer etwa bestehenden Schwerbehinderung vornehmen. Unter den vergleichbaren Mitarbeitern eines Betriebes sind diejenigen zu kündigen, die am wenigsten sozial schutzwürdig sind. Kündigungen treffen danach regelmäßig junge und leistungsfähige Mitarbeiter mit Potenzial, die im Vergleich zu älteren Mitarbeitern sogar geringere Kosten verursachen. Ausnahmeklausel für Leistungsträger Mitarbeiter mit besonderen Kenntnissen, Fähigkeiten und Leistungen können unter bestimmten Voraussetzungen jedoch von der Sozialauswahl ausgenommen und so vor Kündigung bewahrt werden. Allerdings stellt diese sogenannte Leistungsträgerklausel eine Ausnahme dar. Stets ist eine einzelfallbezogene Abwägung des betrieblichen Interesses an einer Weiterbeschäftigung des Leistungsträgers gegenüber dem Interesse des aus sozialen Gründen schutzbedürftigeren Mitarbeiters erforderlich. Erleichterung bei der Sozialauswahl schafft auch die Möglichkeit, Mitarbeiter zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur von der Sozialauswahl auszusparen. Die soziale Auswahl erfolgt dann nur innerhalb der hierfür gebildeten Altersgruppen. Die Voraussetzungen für diese beiden gesetzlichen Ausnahmen von der Sozialauswahl werden von den Arbeitsgerichten im Streitfall streng geprüft. Sie unterliegen hohen Anforderungen und führen daher meist nur bedingt zum Erfolg. Strategisches HR-Management Selbst dann, wenn es gelingt, die Mitarbeiter von Kündigungen auszunehmen, die für eine erfolgreiche Sanierung zentral und wichtig sind, steht noch lange nicht fest, dass diese Mitarbeiter bleiben. Leistungsträger, Fach- und Schlüsselkräfte mit erfolgskritischen Kompetenzen sind begehrt und umworben. Kriselt es im Unternehmen, bröckelt die Loyalität und die, die dringendst gebraucht werden, gehen als Erste. Krisen auf HR-Seite zu bewältigen erfordert daher neben meist unumgänglichen, kostensenkenden Personalmaßnahmen ein langfristiges, strategisches Personalmanagement zur Bindung leistungsbereiter und -fähiger Mitarbeiter. Gerade in der Krise, in Sanierungs- und Restrukturierungssituationen gilt es, die für den Turnaround notwendigen Mitarbeiter zu binden und damit die Weichen für die Zukunft zu stellen. Entscheidend für die Mitarbeiterloyalität sind eine frühzeitige, eindeutige und transparente Kommunikation sowie die Unterstützung der vom Personalabbau betroffenen Mitarbeiter durch Outplacement oder Transferleistungen. Wie aber bleibt ein Unternehmen trotz Stellenabbau und unsicherer Zukunft attraktiv für Schlüsselmitarbeiter und Leistungsträger? Entscheidend für die Mitarbeiterloyalität sind eine frühzeitige, eindeutige und transparente Kommunikation sowie die Unterstützung der vom Personalabbau betroffenen Mitarbeiter durch Outplacement oder Transferleistungen. Dies belegt eine Umfrage der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP), die im Jahr 2009 als Praxispapier unter dem Titel „Personalmanagement in der Wirtschaftskrise“ erschienen ist. 49 SCHWERPUNKT Bindung flankieren mit Bleibe- und Treueprämien Arbeitsrechtlich kann die Bindung von Mitarbeitern vor allem durch „Retention-Boni“, also Bleibe- oder Treueprämien flankiert werden. Repressive Bindungsmöglichkeiten, wie das Vereinbaren von Wettbewerbsverboten oder Rückzahlungsklauseln, eignen sich dagegen in der Regel nicht als wirksames Bindungsinstrument in der Krise. Die Ausgestaltung der Boni unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn die Treueprämie neben ausgewählten Mitarbeitern auf Leitungsebene für eine größere Zahl oder Gruppen von Mitarbeitern zur Verfügung stehen soll. Dies gilt, soweit es sich nicht um tarifvertraglich geregelte Ansprüche handelt. Zwar kann der Arbeitgeber frei darüber verfügen, ob er Treueprämien einführt. Bei der Entscheidung darüber, welche Mitarbeiter(-gruppen) eine Prämie unter welchen Voraussetzungen in welcher Höhe erhalten sollen, ist indes der Betriebsrat zwingend zu beteiligen. Auf die Art der Boni kommt es an Bei der vertraglichen Ausgestaltung von Retention-Boni sind Besonderheiten zu beachten. Zum einen kommt es für die Zulässigkeit und Wirksamkeit bei Bonusvereinbarungen auf die Art der Prämie an. Üblich ist es, die Bonuszahlung an den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag zu knüpfen. Oftmals wird auch danach unterschieden, ob das Arbeitsverhältnis zu einem bestimmten Zeitpunkt (Stichtag) entweder von keiner Seite oder zumindest nicht vom Mitarbeiter gekündigt wurde. Manche Vereinbarungen sehen neben dem Treueaspekt, 50 dem (ungekündigten) Bestand des Arbeitsverhältnisses, zusätzlich das Erreichen bestimmter Ziele oder Leistungen als Voraussetzung für die Bonuszahlung vor. Bonizahlungen, die zumindest auch die Arbeitsleistung honorieren, können nicht mehr von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem bestimmten Stichtag abhängig gemacht werden. Eine solche Verknüpfung von Arbeitsleistung und Bestand des Arbeitsverhältnisses hält die Rechtsprechung inzwischen für unzulässig. Die reine Belohnung der Betriebstreue kann jedoch nach wie vor vom ungekündigten Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Auszahlungszeitpunkt der Prämie abhängig gemacht werden. Bei einer allein auf die Loyalität des Mitarbeiters abstellenden Zahlung muss auch nicht danach unterschieden werden, wer gekündigt hat und auf welchen Gründen eine Kündigung beruht. Personaleinsparungen, insbesondere ein massiver Personalabbau, können nur dann einen erfolgreichen Beitrag zur Sanierung leisten, wenn es gleichzeitig gelingt, wichtige Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Fazit Erfolgsstrategien zur Krisenbewältigung erfordern auf HRSeite einen weiten Spagat. Personaleinsparungen, insbesondere ein massiver Personalabbau, können nur dann einen erfolgreichen Beitrag zur Sanierung leisten, wenn es gleichzeitig gelingt, wichtige Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden. Wer öfter mal den Grünstift statt den Rotstift nutzt, hat bald auch wieder rosa Aussichten. ~ SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT Nach innen wie nach außen Reputation aufbauen Text: Thomas Schulz V „Vergessen Sie Ihre externen Konkurrenten, wenn Ihr schlimmster Feind die Art und Weise ist, wie Sie im Unternehmen miteinander kommunizieren.“ – Mit dieser Botschaft bringen Jack und Suzy Welch in ihrem Bestseller „Winning – Das ist Management“ die Herausforderungen auf den Punkt. ernachlässigte oder unzureichende interne Kommunikation ist häufig Beleg dafür, dass einem Unternehmen seine Strategie abhandengekommen ist. Die Führung lebt planlos von der Hand in den Mund, wartet auf Impulse von außen, blockiert gute Ideen. „Managementfehler und mangelnde interne Kommunikation“ nannte Horst Piepenburg als Vorstandsvorsitzender von Babcock Borsig in Interviews als häufigste Ursache für Unternehmenskrisen. Beim Studium der Hidden Champions bis hin zur Analyse der schlimmsten Managementfehler finden sich mannigfaltige Erfahrungswerte zu gutem Management. Die spannende Frage dabei ist, ob Fehlentscheidungen tatsächlich ausschließlich im Rückspiegel zu erkennen sind. Viele Vorstände haben sich Übernahmen und Fusionen in den vergangenen Jahren schöngeredet, unterm Strich jedoch den Wert des eigenen Unternehmens drastisch gemindert. Mit den entsprechenden Reputationsund Vertrauensverlusten nach innen wie nach außen. Statt offener Fehlerkultur konzentrieren Manager sich zu sehr darauf, schon getroffene Entscheidungen zu rechtfertigen – und intern „von oben herab“ zu kommunizieren. In der Praxis erstaunt zum Beispiel immer wieder, wie sehr sich Vertrieb, Marketing und Unternehmenskommunikation gegenseitig blockieren können und dürfen. Zentrales Führungsmittel Kommunikation Kommunikation ist ein zentrales Führungsmittel und ein entscheidender Erfolgsfaktor. Viele Unternehmen funktionieren mehr schlecht als recht stark vereinfacht nach dem Schema: „Oben die Würdenträger, unten die Leistungsträger, in der Mitte die Bedenkenträger“. Zahlreiche Führungskräfte genießen nach wie vor ihr Herrschaftswissen – gegenüber 52 ihren Mitarbeitern und gegenüber ihren Kollegen. Dabei sollten sie eigentlich dafür Sorge tragen, dass ihre Mitarbeiter die Unternehmensziele nicht nur kennen, sondern diese im Dialog verinnerlichen und tagtäglich umsetzen. Glaubwürdige Reputation von Unternehmen entwickelt sich von innen nach außen. Dazu gehört die Herausforderung, Kommunikation zwischen Abteilungen und Bereichen zu befördern. Andernfalls besteht die Gefahr, an Schnittstellen zu verbluten. Betriebsversammlungen sind selbstverständlich ein notwendiges Mittel der internen Kommunikation. Sie allein reichen indes nicht aus. Regelmäßig unterschätzen Unternehmensleitungen unter anderem die Bedeutung der lokalen Pressearbeit als wesentlicher Bestandteil der Kommunikation mit Mitarbeitern. Nur wer sich selbst vertraut, dem wird vertraut. Projekte mit Sinn und Verstand vorbereiten Scheitern Unternehmen, Projekte oder auch Beziehungen, dann ist „mangelnde Kommunikation“ die klassische Ausrede. Dabei wird unter den Teppich gekehrt, dass Führungskräfte falsche Lehren aus ihren bisherigen Erfahrungen ziehen, zu wenige Ressourcen zur Verfügung stehen, Projekte unzureichend vorbereitet sind. In manche Projektteams werden in erster Linie entbehrliche Führungskräfte und nicht unbedingt die eigentlichen Leistungsträger beordert. Die Teammitglieder haben ihre Projektaufgaben jedenfalls regelmäßig über ihr Alltagsgeschäft hinaus zu meistern. Diese Teams brauchen von Beginn an einen ersten plausiblen „Sprachschlüssel“ gegenüber Mitarbeitern, einen anregenden Austausch mit einem motivierten Vorstand – und immer einen konstruktiven Querdenker im Team. Andernfalls werden innere oder formelle Kündigungen schon zu Beginn des Projekts provoziert. 53 SCHWERPUNKT Vorstände, die sich vor allem auf harte Kennziffern wie Quartalszahlen und Personalkosten konzentrieren, bezweifeln mitunter, dass ihr Unternehmen wegen einer inhaltlich und strukturell gut aufgestellten Kommunikation mehr Geld verdient. Gute Pressesprecher arbeiten ‚drinnen draußen‘ und ‚draußen drinnen‘. Sie vertreten selbstverständlich ihr Unternehmen standhaft in der Öffentlichkeit. Sie können und sollten gleichzeitig im Unternehmen als beratendes SCHWERPUNKT dann mitunter so heftig auseinander, dass Coaches oder Mediatoren situativ hilfreich zur Seite springen müssen. Sie taugen aufgrund ihrer Erfahrungen als Sparringspartner, bringen sich bei Krisen oder Konflikten mit ergänzenden Sichtweisen und Perspektiven ein. Sie prüfen, wie plausibel der Sprachschlüssel gegenüber allen Anspruchsgruppen ist und identifizieren somit offen Stärken und Schwächen der Geschichte hinter dem Projekt. Kommunikation als Treiber des Transformationsprozesses Frühwarnsystem agieren und dafür Wertschätzung erfahren. Sie sagen offen und ehrlich, in welche Richtung sich – intern wie extern – Meinungen, Themen oder auch Märkte aus ihrer Sicht entwickeln. Zu erfolgreicher Kommunikation gehört der rechtzeitige Dialog mit Mitarbeitern, mit Kunden, mit Lieferanten, mit Geschäftspartnern und mit Zielgruppen der (Fach-)Öffentlichkeit. Wer diese Mühen auf sich nimmt, der kann seine Mitarbeiter frühzeitig mitnehmen, Meinungsführerschaft erreichen, Zweifler überzeugen und Kritikern intern wie extern angemessen Paroli bieten. Kommunikation ist Treiber von Transformationsprozessen, die Unternehmen vorwärts bringen sollen. Belegschaften können frühzeitig daran mitwirken, die Strategie und die Ziele zu formulieren. Sie postulieren zu Recht „Wir sollten unser Geschäft am besten kennen“ oder „Wenn das Unternehmen wüsste, was das Unternehmen weiß“. Sobald Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rechtzeitig eingebunden werden, verstehen sie die Ziele als ihr Eigen. Dabei dürfen keine falschen Erwartungen geweckt werden. Nachhaltige, widerstandsfähige Transformationsprozesse fordern von allen Beteiligten Konsequenz und einen langen Atem. Je glaubwürdiger Unternehmensführungen eine Kommunikationspolitik des offenen Wortes pflegen und erlebbar gestalten, desto zügiger verändern sie Strukturen und Prozesse. Der offene Dialog berührt alle Bereiche – von der Forschung und Entwicklung über die Personalentwicklung und den Vertrieb bis in den Service. Zahl und Umfang von Projekten sollten das Unternehmen schlicht nicht überfordern. Man sollte nicht immer und immer wieder eine neue „Projektsau durch’s Unternehmen jagen“. Kopf, Herz und Hand Ein Facharbeiter der Automobilindustrie soll sich in seine wohlverdiente Rente mit der Bemerkung verabschiedet haben, das Unternehmen habe immer nur seine Hände bezahlt – dabei hätte es auch seinen Kopf haben können. Auf allen Ebenen gibt es engagierte Mitarbeiter, die sich gerne mit Kopf, Herz und Hand einbringen. Dies gilt es zu fördern und zu fordern. Dazu bedarf es einer offenen Dialogkultur quer durch das Unternehmen. Einer Kultur, in der es für Vorstände eine Selbstverständlichkeit ist, auf den Fluren mit Mitarbeitern regelmäßig Gespräche zu führen. Einer Kultur, in der die Vertriebsorganisation ihre zahlreichen Gespräche regelmäßig auswertet und Konsequenzen daraus zieht. Eine Kultur, in der Beschwerden dazu genutzt werden, jeden Tag besser zu werden. Der Prophet gilt nichts im eigenen Land bzw. im eigenen Unternehmen. Deshalb bearbeiten häufig Externe die Aktionsfelder, die den konstruktiven Dialog quer durch das Unternehmen fördern und fordern sollen. Selbst in konstruktiven Unternehmenskulturen drohen Sackgassen, in die sich Mitarbeiter, Führungskräfte und Projektteams verfahren. Treiber und Blockierer setzen sich 54 der Versuch, den meist ohnehin schon spärlichen Informationsfluss zu stoppen, häufig auf „höchst vorsorglichen“ anwaltlichen Rat. Damit stellt der Unternehmer jedoch Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und Journalisten einen Freibrief für Gerüchte und Spekulationen aus. Besser ist es, angemessen sachlich nach innen wie nach außen zu kommunizieren. Es gilt, gerade jetzt Vertrauen zurückzugewinnen, sprachfähig und aussagekräftig zu sein. Selten brechen Krisen völlig überraschend über die Belegschaften herein. Diese kennen ihr Geschäft und erkennen Tendenzen und Entwicklungen häufig zuerst. Es gab und gibt sachlich keine guten Gründe für eine ‚Vogel Strauß Politik‘ des Zu-Spät-Wahrnehmens, des Zu-Spät-Auseinandersetzens, des Zu-Spät-Gegensteuerns, des Zu-Spät-Kommunizierens, selbst wenn dies menschlich nachzuvollziehen ist. Je ehrlicher eine Geschäftsführung oder ein Vorstand zu sich selbst sein kann, desto früher kann sie bzw. er realistische Ziele und Wege aus der Krise erarbeiten und vorgeben. Diese Ziele und Maßnahmen sollten durchaus ambitioniert sein, nicht jedoch zu verständnislosem Kopfschütteln in der Belegschaft und bei Marktpartnern führen. Die Herausforderung in dieser Phase lautet, die Leistungsträger im Unternehmen auf allen Ebenen an Bord zu halten – obwohl Wettbewerber und Headhunter nunmehr ständig bei eben dieser Olympiamannschaft durchklingeln. Die Arbeitnehmer wollen, sollen und müssen die Gewissheit haben, dass mit ihnen und ihren Jobs verantwortungsvoll und fürsorglich umgegangen wird – auch wenn Einschnitte wirtschaftlich geboten und vernünftig sind. Eine glaubwürdige, verlässliche Kommunikationspolitik ist dabei ein wesentlicher Baustein. Solides Handwerk, keine Raketenwissenschaft Viele Anbieter trauen sich Kommunikation in der Krise zu. Das Spektrum reicht von europa- und weltweit aufgestellten Strategen, die mit ihren Juniorberatern intern eine lange Werkbank anbieten, bis hin zu einer überschaubaren Anzahl an Dienstleistern, die die Nische der internen wie externen Kommunikation bei Insolvenzverfahren beherrschen. Viele Agenturen oder im Zuge der Verlagskrise entlassene Journalisten kennen sich in einzelnen Branchen besonders gut aus. Am Ende des Tages betreiben diese alle keine Raketenwissenschaft, sondern solides Handwerk – manche mit erfahrenen Gesellen, andere mit jungen oder auch erfahrenen Meistern. Gerade in der Krise sollte es im Projektteam menschlich passen und ein gemeinsames Verständnis von Information als Bringschuld bestehen. In der Krise müssen Aktionsfelder ‚auf Zuruf‘ bearbeitet werden können. Ausblick: Der Stellenwert von (interner) Kommunikation nimmt weiter zu. Auf absehbare Zeit kommen Geschäftsleitungen nicht umhin, einen professionellen Dialog mit ihren Belegschaften zu führen. Das verlangt schon der demografische Wandel. Manager und Inhaber sollten rechtzeitig notwendige Dialog- und Transformationsprozesse anstoßen. ~ Externe Expertise durch Krisenerprobte Es gibt nichts Gutes … Entscheiden! Unternehmerisches Risiko ist davon geprägt, dass bei einer Entscheidung nicht alle Informationen umfassend zur Verfügung stehen. In akuten Krisenszenarien potenziert sich diese Herausforderung. Zügige Entscheidungen sind gefordert und – mehr noch als beim alltäglichen unternehmerischen Risiko – auf Grundlage der aktuell vorhandenen Informationen auch zu fällen. Gerne leugnen Unternehmenslenker anfangs, dass etwas nicht stimmt. Damit vergeuden sie wertvolle Zeit. Es folgt Die Geschäftsleitung sollte wissen, ob das Unternehmen selbst ausreichend Expertise und Courage besitzt, Krisenszenarien zu bewältigen. Möglicherweise benötigt das Unternehmen lediglich noch eine verlängerte Werkbank, um den zusätzlichen Aufwand qualifiziert bewältigen zu können. Häufig allerdings sind externer Sachverstand, weitere Perspektiven und hinreichend Erfahrung mit den Besonderheiten und Eigenheiten in kritischen Situationen gefordert. Folgende Herausforderungen sollten – insbesondere bei Insolvenzverfahren – auf jeden Fall gemeistert werden: • Die Mannschaft und die Leistungsträger sind an Bord zu halten. • Der Geschäftsbetrieb ist im Zusammenspiel mit Kunden und Lieferanten stabil sicherzustellen. • Das Interesse eines geeigneten Investors ist in einem strukturierten Bieterverfahren zu wecken. 55 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT „Kapitäne binden jedes Crew-Mitglied ein“ Führen, vertrauen, gewinnen im Team – Deutschlands erfolgreichster Segelsportler aller Zeiten weiß, wie es geht. Ein Interview mit Jochen Schümann über Erfolgsstrategien. Text: Sylvia Wipperfürth © Esimit Europa/Manuel Kovsca Herr Schümann, Sie sind in Köpenick geboren und leben im oberbayerischen Penzberg. Segeln drängt sich da nicht unmittelbar auf? Wieso ist es dieser Sport geworden und nicht ein Sport wie Fußball? Jochen Schümann: Am Anfang meiner Schulzeit habe ich einige Sportarten und Hobbys ausprobiert. Über Schwimmen, Turnen, Fußball bis hin zum Musizieren. Zum Segelsport bin ich über eine Schul-Arbeitsgruppe gekommen, die sich „Bootsbau und Segeln“ nannte. Interessiert haben mich dabei zunächst das Handwerkliche und das Arbeiten mit Holz. Wenn man als kleiner Junge Boote baut, möchte man natürlich irgendwann einmal ausprobieren, ob das Boot auch funktioniert. Das war dann der Startschuss zum Segelsport in Berlin. Welche Faszination übt der Segelsport auf Sie aus? Das Faszinierende ist nach wie vor die Komplexität, das Zusammenspiel von technischen und sportlichen, vor allem aber auch strategisch-taktischen Komponenten. Das breite Spektrum der Anforderungen macht die Sportart sehr abwechslungsreich und interessant. Die Komplexität macht es sicher nicht immer leicht, auf Kurs zu bleiben. Schaffen Sie dies mit erlerntem Wissen, Intuition oder durch Heranziehen von Erfahrungswerten? 56 Für jede Tätigkeit, in der man Erfolg haben möchte, sind die Antriebsfedern stets die eigene Begeisterung und Freude an der Sache selbst. Das hört sich vielleicht zunächst ein wenig lax an. Nur dann, wenn man in dem, was man tut, seine Erfüllung findet und den tieferen Sinn für sich darin sieht, ist man in der Lage, überdurchschnittlich viel zu leisten, all diese Facetten auszufüllen, sich weiterzuentwickeln. Wer diese Motivation aus dem Inneren heraus nicht hat, wird nur durch äußere Anreize nie so erfolgreich werden, wie er es gerne wäre. Dazu kommen alle anderen Bereiche, die man sich nur mit viel Disziplin erarbeiten kann: Technikverständnis, Fitness, das Erlernen des erforderlichen Handwerks, der Trainingsfleiß, eine starke Psyche. Nur, wenn alle Faktoren ausgebildet sind, wird man auch langfristig erfolgreich sein. bewerbsfähig ist. Dies ist in allen technischen Sportarten so. Die Techniker, Bootsbauer und Segelmacher sind Teil des Teams und müssen einen super Job machen und die Voraussetzungen schaffen, dass die technische Wettbewerbsfähigkeit überhaupt erst gewährleistet ist. Die Segler müssen im Vorfeld zu einer Regatta eine Menge Informationen einholen und bewerten. Es geht hauptsächlich um die Analyse harter Fakten als Basis für spätere, im Rennen selbst zu treffende Entscheidungen anhand von Wetterdaten, Strömungsdaten etc. Schon vor dem Rennen informiere ich das Team über die Vorhersagen und erläutere unsere Strategie, und bereite sie auf die einzelnen Ziele innerhalb der Wettfahrt vor. Das ist immens wichtig, damit alle auch in die gleiche Richtung und auf das gleiche Ziel hinarbeiten. Mich selber bereite ich vor, indem ich meine Ernährung entsprechend ausrichte, meine Kleidung auswähle, sodass die Abläufe im Wettkampf selber so perfektioniert sind, dass sie mich nicht mehr ablenken von den Führungsaufgaben als Skipper sowie von taktischen und strategischen Entscheidungen. Im Rennen gilt meine ganze Aufmerksamkeit dem Team, dem Boot, den Gegnern und den sich permanent ändernden äußeren Bedingungen. Wie lange dauert so eine Vorbereitungsphase? Das ist eine Frage der sportlichen Priorisierung. Im Jahresverlauf bereite ich mich stets auf einen Jahreshöhepunkt vor. Steht eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen an, ist der Rhythmus ein vier Jahre umfassender mit dem Fokus auf die Spiele, wobei alle anderen Wettbewerbe während dieses 4-Jahres-Zyklus – auch Weltmeisterschaften etc. – untergeordnet sind. Diese Wettkämpfe dienen zur Entwicklung der Wettkampfhärte bei Olympia. Die detaillierte Vorbereitung ist durchgeplant bis zu dem Tag, an dem der eigentliche Wettkampf stattfindet. Dann geht es darum, seine Routine abzuspulen, sich nicht beeinflussen zu lassen, gleichzeitig aber offen genug zu sein, alles wahrzunehmen, was an dem Tag Besonderes und Wettkampfrelevantes passiert, um darauf konkret reagieren zu können. „Führung ist eine Frage gegenseitigen Vertrauens. Wichtige Aufgabe des Team-Captains ist, jedes Crew-Mitglied ins Team einzubinden.“ Sie segeln auf verschiedenen Booten. Eines der größten ist die Esimit Europa 2, die im Moment auch als Botschafter für die Europäische Vision segelt. Eine Mannschaft von 20 Crew-Mitgliedern an Bord eines 30 Meter langen Schiffes, das einen Mast von 44 Metern Höhe hat – da bleibt trotzdem nicht viel Platz für Privatsphäre oder individuelle Vorlieben und Sonderwünsche. Wie halten Sie Ihre Mannschaft an Bord? Wie halten Sie den Teamspirit hoch? Bei solch einer Rennmaschine müssen alle 20 Crew-Mitglieder das Boot technisch verstehen. Notwendig ist eine sehr, sehr gut abgestimmte Interaktion von allen 20 Crew-Mitgliedern. Eine einzelne Person kann nichts ausrichten. Allen muss dabei das Hauptziel klar sein. Außerdem geht es darum, die aktuellen, kleineren Ziele während eines Rennens konkret festzulegen und perfekt auszuführen. Wenn diese kleinen Etappenziele erreicht werden, sind dies Erfolgserlebnisse, die Was davon ist übertragbar auf den Bereich des Lebens als „Nicht-Segler“? Eigentlich kann man all dies auf jeden Lebensbereich übertragen. Unabhängig von der Tätigkeit entwickelt man sicher nur Interesse und sucht nach Perfektion in seinem Job, wenn man aus innerer Überzeugung seine Erfüllung darin findet. Der eigene Antrieb ist Voraussetzung für den Erfolg. Unsere Gesellschaft ist so vielfältig, dass fast jeder die Möglichkeit hat, seine Passion zu finden, um darin dann besonders gut zu sein. „Der eigene Antrieb ist Voraussetzung für Erfolg“ Neben dieser Motivation bedarf eine Segelregatta sicher auch einer konkreten Vorbereitung? Wie gestalten Sie diese Phase für sich, wie für Ihre Mannschaft? Im Segelsport gehen die Vorbereitungen weit zurück, bis hin zum Design, dem Bau und der Installation neuer Technik. Das ist ähnlich wie bei der Formel 1, wo etliche Menschen in der pitlane dafür sorgen, dass das Auto überhaupt wett- © DSBL/Lars Wehrmann Eingespielte Teams muss Kapitän Jochen Schümann führen. 57 SCHWERPUNKT die Motivation stärken. Jeder sieht, was seine Beteiligung am Gesamterfolg ist. Erfolg spornt an. Wenn diese Kette einmal in Fluss kommt, sich jeder gefordert fühlt, seine Wertigkeit für den Erfolg kennt und dafür die entsprechende Anerkennung erhält, ist das Hauptziel in erreichbarer Nähe. Mannschaftsführung ist eine Frage des gegenseitigen Vertrauens. Ein Teammitglied braucht zum Beispiel mehr Zuspruch als ein anderes. Ein Anderer muss eher gebremst werden, wenn er nervös oder übermotiviert ist. Und wenn ich als Skipper merke, dass einer nicht oder nicht im gleichen Rhythmus mitzieht, bzw. ein Hand-in-Hand-Arbeiten nicht gelingt, dann werde ich zuerst versuchen, die Beteiligten selbst zum Sprechen zu animieren, damit sie das Problem selbst erkennen und einer Lösung zuführen. Eine wichtige Aufgabe des Team-Captains ist, jedes Crew-Mitglied ins Team einzubinden. Die Einbindung und das Erkennen der Notwendigkeit der Intervention gelingen nur, wenn man das nötige Gespür und die kommunikative Kompetenz dafür mitbringt und in der Lage ist, auch Feedback des Einzelnen zu akzeptieren. „Auch schwierige Charaktere anheuern, wenn das neue Fachkompetenzen ins Team integriert“ Wie gehen Sie mit Teamkonflikten um? Die Konflikte entstehen meist bei der Zusammenstellung der Crew im Vorfeld des Wettbewerbes. Dann merke ich, ob ein Einzelner in das Team passt oder eben nicht. Dabei sammelt man als Skipper Erfahrungen und führt die Leute in die richtige Position und in die Aufgabe hinein mit dem Ziel der Interaktion aller Mitglieder. Das ist auch eine Frage des Managements. Dabei geht es auch nicht darum, den butterweichen Weg zu wählen. Dies schließt ein, dass man durchaus auch schwierige Charaktere anheuert, wenn dadurch neue Fachkompetenzen in das Team integriert werden können. Reibung ist schon erwünscht, denn richtig geführt, sorgt die Vielfalt eines Teams für neue Entwicklungspotenziale. Wichtig ist nur, dass dies im Sinne des gesamten Teams ist und nicht zum Herausheben eines Einzelnen. Dabei helfen Transparenz und Ehrlichkeit und eine offene Kommunikationskultur. Ebenso habe ich nie das Motto „hire & fire“ gelebt. Die Investition in jede Person ist eine wertvolle Ressource und eine wichtige Entscheidung. Daher war es mir immer wichtig, die gesamte Crew von Anfang bis Ende einer Kampagne zusammenzuhalten. Eine neue Heuer kann nur selten die einmal getätigte Investition wettmachen. Außerdem ist die Einbindung eines neuen Crew-Mitglieds in ein bereits gewachsenes Team schwierig und ein aufwendiger und langwieriger Integrationsprozess. Welche Aufgaben haben Sie als Skipper und welche Eigenschaften muss ein guter Skipper mitbringen? Hier geht es um Vertrauen und Verantwortung, um Respekt und Verständnis. Natürlich muss man bereits benannten Sachverstand mitbringen und einen Vertrauensvorschuss durch bereits erbrachten Erfolg erhalten. Darüber hinaus muss man, 58 SCHWERPUNKT um eine gewisse Leadership zu haben, Ruhe ausstrahlen, viel Erfahrung haben, die Übersicht behalten können, viel Verständnis auch für situative Leistungen und Minderleistungen Einzelner mitbringen und Verantwortung übernehmen. Entscheidungsfreudigkeit ist ebenfalls immens wichtig. zuverlässig als Erster zu erreichen. Zaudern würde bedeuten, dass man mit flatternden Segeln im Wind steht und rückwärts treibt. Segeln ist wie dreidimensionales Schach: ein Strategiesport in Verbindung mit modernsten Technologien, konsequentem Teamwork und angetrieben von den sich permanent ändernden Kräften der Natur. „Rockstar-Charaktere haben im Team keinen Platz – das Team ist der Star!“ Loyalität bedeutet für Sie…? Gute Frage… dazu hatten wir ein relativ schlechtes Beispiel im America´s Cup. Da wurde von einem Team die Gegnerschaft gegenüber den anderen Teams überbetont unter der „Flagge der Loyalität“. Wenn man sich gegen andere ausspricht, wird der Begriff natürlich sehr schnell schlecht besetzt. Ansonsten glaube ich, dass Loyalität extrem wichtig ist, gerade innerhalb eines Teams. Insbesondere, wenn es darum geht, technisches Know-How und gemeinsame Teamerfahrungen innerhalb des Teams offen zu kommunizieren, verlangt dies, dass diese Informationen auch innerhalb des Teams bleiben und nicht nach außen verloren gehen. Legen Sie die „Kapitänsmütze“ als Privatperson, als Manager und als Gesellschafter ab? Privat habe ich nicht den Anspruch, immer vorne zu stehen. Entscheidung treffe ich allerdings auch da, denn nur mit einer rechtzeitigen Entscheidung kann ich auch eine gute Wochenendgestaltung verwirklichen: Wo will ich hin, wann muss ich losfahren, um ... Können Sie sich an ein Erlebnis erinnern, bei dem eine schwierige Phase Auslöser dafür war, dass Mannschaftsmitglieder das Team verlassen haben? Welches waren die Gründe, die die einen zum Bleiben, die anderen zum Gehen bewegt haben? Ein besonderes Erlebnis gab es konkret nicht. Die Motivation, in ein Team aufgenommen zu werden und dann auch zu bleiben, ist zunächst die Person des Leaders. Dieser muss allgemeine Anerkennung genießen, die Kompetenz vermitteln, dass er die Aufgaben bewältigen und das Team zum Erfolg führen kann. Dies hat den Effekt, dass Leute sich bewusst für ein Team entscheiden, weil sie genau für dieses Team arbeiten und ihre eigenen Fähigkeiten einbringen wollen, um Erfolg zu haben. Die Trennung während einer Kampagne versuche ich durch die beschriebenen Möglichkeiten der Intervention zu vermeiden. Eine Trennung erfolgt nur dann, wenn Basics des Sports und der Teamkultur wiederholt nicht respektiert werden. Rockstar-Charaktere haben im Team keinen Platz – das Team ist der Star! Bei einer Regatta ist man Naturgewalten ausgesetzt. Wie gehen Sie mit unvorhersehbaren Ereignissen um? Greift im Team ein Automatismus, wenn nicht antizipierbare Situationen eintreten? Wie wurde dieser verinnerlicht? Die Natur kann man als Segler nur nutzen, diese aber niemals bestimmen. Das verlangt mit einem großen Respekt und einer besonderen Demut eine sehr gute technische und personelle Vorbereitung. Wir sind beim Segeln ja auch in der Situation, dass wir von den Kräften der Natur angetrieben werden. Direkt gegen den Wind zu segeln, ist physikalisch nicht möglich. Man muss sich im ersten Moment entscheiden, in welcher Richtung – rechts oder links, backbord oder steuerbord – man gegen den Wind kreuzt. Dabei nutzen wir die permanenten Änderungen der äußeren Bedingungen – Windrichtungsänderungen, wechselnde Windstärken, Wasserströmungen –, um jederzeit einen optimalen Kurs zu steuern. Das erfordert permanent neue Entscheidungen, um das gleiche Ziel weiterhin mitglieder fast nie sehen. Ein gutes Team braucht eigentlich eine emotionale und physische Basis, um Vertrauen, Eigenverantwortung und „Ownership“ zu entwickeln. Der Deutschen Fußballnationalmannschaft wird derzeit unterstellt, dass nach dem WM-Sieg „die Luft raus“ sei. Sie selbst haben nahezu alles erreicht, was man als Segelsportler erreichen kann. Was motiviert Sie, dem Sport weiter nachzugehen? Wie motivieren Sie Ihre Mannschaftsmitglieder? Beim Fußball treten die Spieler bei vielen Wettbewerben parallel an, dabei aber mehr von der Unterhaltungsindustrie vereinnahmt, als nur dem Sport zugehörig. Dass die Jungs dann irgendwann ausgebrannt sind, liegt fast auf der Hand. „Segeln ist wie dreidimensionales Schach: ein Strategiesport“ Ist Loyalität eine Einstellung oder kann man diese nach Ihrem Dafürhalten erlernen? Ich glaube, so etwas lernt man. Das Merkmal von gut funktionierenden Teams ist die Entwicklung einer eigenen Teamkultur. Es entsteht ein neues Momentum, wenn die Interaktion funktioniert und sich das Team mit den eigenen, vielfältigen Erfahrungen gegenseitig fordert und unterstützt. Sie sind nicht nur Sportler, sondern auch Gesellschafter, Manager, Projektentwickler und -leiter. In welchem Bereich sind Sie ein Stratege und welche Strategie ist die erfolgreichste? Ich glaube, es gibt nicht die eine erfolgreiche Strategie. Strategische Entscheidungen sind immer an Fakten orientiert. Übergreifende Managementprinzipien und entwickelte Teamkulturen sind dagegen wieder übergreifend in ihrer Art – unabhängig von der Branche. Welchen Erfahrungs- und Wissensschatz vermitteln Sie als Keynote-Speaker und wer ist der Adressatenkreis? Der Adressatenkreis ist branchenunabhängig. Das betrifft vieles, was wir schon besprochen haben. Darüber hinaus sind es die segelspezifischen Metaphern, die ich gerne anbringe. Etwa „Als Team sitzen alle in einem Boot!“. Wer sich von dem Boot verabschiedet, geht alleine unter. Dazu muss das Boot auch gut ausbalanciert sein. Das ist Aufgabe des Kapitäns. Wenn dieser das nicht schafft, gibt’s irgendwann die Meuterei und der Kapitän wird kielgeholt. Zudem braucht ein Team eine physische Basis, die an Bord eines Bootes gegeben ist. Es ist für global strukturierte Unternehmen eine große Herausforderung, wenn Teams global und digital zusammenarbeiten müssen, wobei sich die Team- Es kommt ja auch nicht von ungefähr, dass die meisten mit 30 am Karriereende sind. Das ist schon eine sehr spezifische Gruppe. Wichtig zur Motivation ist meines Erachtens, dass man seine Leistungen und seine Ziele periodisch plant, um sein Team auf das eine konkrete Haupt-Ziel auszurichten. Das haben auch unsere Fußballer zur WM perfekt umgesetzt. Man muss seine eigenen Grenzen und Ressourcen kennen, um die Energien auf die Highlights zu bündeln. Dabei ist auch Motivation eine wichtige, aber nicht unendliche Ressource! Ihre Ziele für 2015 sind definiert als…? Meine eigene Karriere ist im Sinn der großen Wettbewerbe beendet. Daher sind meine Ziele eher ein bisschen bescheidener. Das Segeln auf der Esimit Europa 2 ist im Moment ein Schwerpunkt – unser Team ist in über 30 Rennen in Folge ungeschlagen. Diese Serie wollen wir natürlich Aufrecht erhalten. Mein Engagement beim Sailing Team Germany soll langfristig helfen, unsere jungen Segler sportlich auf neue Erfolge in Rio 2016 und darüber hinaus vorzubereiten. ~ 59 SCHWERPUNKT SCHWERPUNKT P Wertschätzung schafft Wertschöpfung Führungskräfte in Deutschland erwarten Lob und Entwicklungschancen für sich, ergab eine aktuelle Befragung. Daran hapert es aber häufig – mit negativen Auswirkungen auf die Motivation der Manager. „Integrität“ erhielt als wichtigster Wert erstmals die höchste Zustimmung in der sechsten Auflage der Studienreihe, vermutlich weil ComplianceThemen in der Wirtschaft an Bedeutung gewinnen. Zum Schlusslicht im Werte-Ranking wählten die Manager etwas überraschend „Mut“. Text: Corinna Schulz GUT GEMACHT 60 ersönliche Wertschätzung und individuelle Entwicklungsmöglichkeiten – darauf legen die Führungskräfte in Deutschland in ihren Unternehmen den größten Wert. Auch das Streben nach Innovationen spielt für die Manager eine zentrale Rolle. Diese zentralen Ergebnisse stammen aus der Führungskräfte-Befragung, die die Wertekommission „Initiative Werte Bewusste Führung“ und das Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung und Corporate Governance der Universität Witten/Herdecke (RMI) zum sechsten Mal erhoben haben (www.wertekommission.de). Die Studienautoren wollten von rund 350 männlichen und weiblichen Führungskräften wissen, welche Wertedimensionen ihnen im Unternehmen wichtig sind, wie diese im Unternehmen gelebt werden und welche Kernwerte auf der Führungsetage am beliebtesten sind. Orientierung an Human Resources Während Wertschätzung und Entwicklungsmöglichkeiten, hier zusammengefasst als Orientierung an Human Resources (HR), sowie Innovationsbereitschaft erstmals die obersten Plätze des persönlichen Rankings der Manager mit Werten zwischen 80 und 90 Prozent anführen, erzielten Leistungsbereitschaft und interne Stabilität im Unternehmen deutlich niedrigere Ergebnisse. Die Ergebnisse zeigen allerdings, dass Wunsch und Wirklichkeit im Unternehmensalltag stark auseinanderklaffen. Die Autoren sehen eine deutliche Diskrepanz zwischen den Wertvorstellungen der Führungskräfte und der Realität, die sie im Unternehmen erleben. So sehen die Führungskräfte die Leistungsorientierung, die nur zwei Drittel persönlich als „wichtig“ oder „sehr wichtig“ einschätzen, im Alltag am stärksten ausgeprägt. Bei der HR-Orientierung zeigt sich die größte Differenz zwischen den persönlichen Werten der Befragten und den im Unternehmen erlebten Werten. Ähnlich groß beschreiben sie die Diskrepanz im Innovationsstreben, denn sie stufen ihre persönliche Relevanz sehr viel höher ein als die Umsetzung im Unternehmen gelingt. Diskrepanz mit Folgen Das bleibt nicht ohne Folgen. So sehen die Autoren negative Auswirkungen sowohl auf die Motivation als auch auf die Kooperationsbereitschaft der Manager. „Eine möglichst große Übereinstimmung zwischen persönlichen Werten der Führungskräfte und den Unternehmenswerten erhöht die Selbstmotivation des Einzelnen und fördert sein eigenverantwortliches Handeln“, erläutert Ludger Heidbrink, Gastprofessor am RMI und Vorstandsmitglied der Wertekommission. Unternehmen seien daher gut beraten, gerade den weit verbreiteten Wunsch nach Wertschätzung, persönlicher Entwicklung und möglichst großen Entscheidungsspielräumen durch eine entsprechende Unternehmenskultur zu unterstützen, empfiehlt Heidbrink. Gibt es hingegen keine ausreichende Basis an gemeinsamen Werten im Unternehmen, droht die Gefahr, dass Führungskräfte nur noch wegen äußerer Anreize wie Bonuszahlungen oder dem Streben nach Beförderung arbeiten. Solche sogenannten extrinsisch motivierten Führungskräfte bringen laut Studie eine geringere Kooperationsbereitschaft mit. Das erweist sich besonders in innovativen Branchen als Nachteil, in denen Unternehmen auf bereichsübergreifende Innovationen und Synergien angewiesen sind, um im Wettbewerb zu punkten. Compliance-Systeme kein Ersatz für Werte Da es in Organisationen nicht selten an Selbststeuerung mangelt, sind solche Unternehmen auf mehr Vorschriften und Regeln angewiesen – und darauf, Compliance-Gebote einzuhalten. „Es bleibt offen, ob die wachsende Zahl von Vorschriften in den Unternehmen nur die steigende Regulierungsdichte widerspiegelt oder auch den Wunsch von Führungskräften und Mitarbeitern nach integrem Verhalten reflektiert“, betont Sven Korndörffer, Vorsitzender des Vorstands der Wertekommission: „Fest steht jedoch, dass auch die ausgefeiltesten Compliance-Systeme eine werteorientierte Unternehmenskultur nicht ersetzen können.“ Neben den Wertedimensionen der Führungskräfte und deren Einschätzung der gelebten Realität im Unternehmen erfragten die Studienautoren auch, wie wichtig den Managern bestimmte Kernwerte sind. Die Wertekommission hatte zu Beginn ihrer Arbeit sechs dieser Werte identifiziert: Vertrauen, Verantwortung, Integrität, Respekt, Mut und Nachhaltigkeit. Vermutlich eng verknüpft mit den aktuellen Debatten über eine vermehrte Compliance und im Zuge jüngster Manipulations- und Korruptionsfälle in der Wirtschaft hat offensichtlich die Werte-Bedeutung von Integrität deutlich zugenommen. Er rangiert mit 41 Prozent erstmals bei befragten Führungskräften an der Spitze der von ihnen geschätzten Eigenschaften. Integrität erachten sie somit beispielsweise für wichtiger als „Vertrauen“ (28 Prozent) oder „Verantwortung“ (20 Prozent). Diese beiden Begriffe hatten Führungskräfte bei vorherigen Befragungen in die Rangliste der sechs wichtigsten Werte angesiedelt. Diesmal belegen sie die Plätze zwei und drei, gefolgt von „Respekt“ und „Nachhaltigkeit“. Schlusslicht: der „Mut“. Klares Bekenntnis fehlt für unternehmerisches Handeln Dass der für Unternehmertum wichtige Wert „Mut“ in der Bewertung seiner Bedeutung nachgelassen hat, könnte nach Einschätzung der Studienautoren eine negative Folge der anhaltenden Compliance-Diskussion sein. Deutlich weniger Führungskräfte bekennen sich zu unternehmerischem Handeln. „Dass ,Mut‘ nur auf dem letzten Platz landet, ist bedauerlich. Denn es kommt jeden Tag aufs Neue darauf an, für seine Werte einzutreten. Das erfordert mitunter großen Mut“, unterstreicht Sven Korndörffer. ~ 61 HINTERGRUND & WISSEN HINTERGRUND & WISSEN „Es gibt Situationen, in denen man Luft holen muss“ Selbstführung: Coach und „Albatros“ Dr. Michael Groß spricht über Erfolg Interview: Sylvia Wipperfürth Dr. Michael Groß weiß aus Spitzensport und aus Management: Wenn das Wasser bis zum Hals steht, ist kräftiges Schwimmen ein probates Mittel um vorwärts zu kommen. Als mehrfacher Olympiasieger, Weltmeister, Europameister und Weltrekordhalter hat der Schwimmstar gezeigt wie das Siegen gelingt. Nach der beispiellosen Karriere als „Albatros“ hat Michael Groß promoviert und arbeitet mittlerweile seit fast 20 Jahren als Coach und als Unternehmer. Nur geflogen ist er nie. 62 Herr Dr. Groß, Sie sind einer der erfolgreichsten deutschen Schwimmer aller Zeiten, haben promoviert, sind erfolgreicher Unternehmer und Familienvater. Das klingt nach einem sorglosen und geradlinigen Leben. Gab es Rückschläge auf Ihrem bisherigen Weg, die Sie maßgeblich geprägt haben? Dr. Michael Groß: Natürlich gibt es Rückschläge. Als Unternehmer bin ich auf Aufträge angewiesen. In meinem Beruf kann nur der Erste den Auftrag bekommen. Jede Absage bedeutet, dass ich nur Zweiter bin. Nichtberücksichtigungen veranlassen mich immer wieder zu schauen, was ich anders und besser machen kann. Trotzdem gibt es bei mir immer wieder mal, manchmal auch überraschend, Rückschläge. Das muss ich akzeptieren. Für Außenstehende sieht das insbesondere in Biografien und Statistiken immer alles wie eine gerade Schnur aus. Die Realität weicht davon ab. Um im Bild zu bleiben: Ich versuche stets, die Schlangenlinien im Leben auf kleine Ausschläge zu begrenzen und mich vor allem nicht immer im Kreis zu drehen. Das habe ich natürlich auch im Sport gelernt: Nach dem Rennen ist vor dem Rennen. Nach dem Rennen fängt man immer wieder „bei Null“ an, denn der Erfolg von heute basiert auf den Leistungen von gestern. Ihren Traumberuf Pilot mussten Sie abschreiben, weil Sie mit 2,01 Meter zu groß sind. Wie sind Sie mit dem geplatzten Traum, der Ziel-Sackgasse, umgegangen? Sacken lassen und abhaken, denn ich kann´s nicht ändern! Da gilt der berühmte Ausspruch „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Statt in der Luft, sind Sie im Wasser gelandet. Und das sehr erfolgreich. Erfolg bedeutet – ebenso wie Krisen – Druck. Da sind der Druck des eigenen Anspruchs, der Erwartungsdruck von außen, der Leistungsdruck und das Gefühl, vieles andere hintanstellen zu müssen. Was hat das mit dem „Klaus-Impuls“ zu tun und wie hilft Ihnen dieser Impuls heute als Unternehmer? Woher schöpfen Sie als Unternehmer neue Kraft und Der berühmte „Klaus-Impuls“ ist für mich der Hinweis, wie Motivation, gerade in schwierigen Phasen? ich mein damaliges Hobby, das Schwimmen, betrachten Ich stütze mich auf die täglichen Fortschritte. Es gibt Phasollte und wie ich bis heute mein Leben gestalte. sen, in denen ich den Eindruck habe, dass nichts vorangeht. Damals saß ich auf der Tribüne bei den Weltmeisterschaften Gerade dann gilt es zu schauen, welche kleinen Fortschritte im Schwimmen 1978 in Berlin. Unten liefen die Finalisten ich mache. Wenn man unfallbedingt im Krankenhaus liegt über 100 Meter Freistil der Männer in die Arena ein. Klaus und verletzt ist, denkt man in der Rekonvaleszenz auch nicht Steinbach, damals einer der als Erstes daran, wieder einen besten Schwimmer der BunMarathon zu laufen. „Die wichtigste Aufgabe ist die Verantwortung desrepublik Deutschland, war Ich bin kein „Berufs-Optifür andere Menschen zu übernehmen“ mit dabei. Er trug Bart, kam mist“, also ich sage mir in solam Vortag seines Physikums im Medizinstudium und gechen schlechteren Phasen nicht: „Och, das wird schon wiewann die Bronzemedaille. Klaus kam unmittelbar vor seiner der“, sondern beschäftige mich schon damit und lasse auch Prüfung und schwamm einfach drauf los mit dem Ergebnis: die Enttäuschung über einen verlorenen Auftrag zu. Auch Bestzeit! Das hat mir gezeigt, dass eins das andere nicht ausdie berühmte „Nacht drüber schlafen“ gehört dazu. Danach schließen muss. Im Gegenteil: Emotional betrachtet ist auf finde ich dann wieder das Licht am Ende des Tunnels und zwei Beinen zu stehen für uns Menschen wesentlich stabidefiniere den nächsten, zielführenden Schritt. Ein weiteres ler als auf einem. Denn wenn ein Bein wegfällt, fällt man wichtiges Element ist das ständige Lernen und stetig neuimmer noch nicht um, hat emotional zumindest noch einen gierig zu bleiben. Diese Woche beispielsweise haben mich weiteren Bereich, der begeistert. Das Erlebnis gab mir den zwei neue Kunden überraschend angerufen, da jetzt der Impuls, das Abitur und parallel die Olympiavorbereitung zu richtige Zeitpunkt war, um sich einmal zusammenzusetzen. machen – wäre eines von beiden weggefallen, hätte ich imDie Anfrage war Resultat kontinuierlicher Netzwerkpflege. mer noch den anderen Bereich gehabt. Allerdings ist es nicht meine Art, eingetretene Pfade so lange Heute ist es so, dass ich nicht nur im Job meine Erfüllung durchzutreten, bis das ganze Gras verdorrt ist. finde. Daneben gibt es andere, genauso wichtige LebensfelWer immer nur das macht, was er kann, bleibt immer derjeder: die Familie, Sport. Das Gesamtpaket gibt mir die Stabinige, der er ist. Das ist langweilig. Ich bin neugierig wie ein lität, die ich brauche. kleines Kind, denn das schönste Gefühl ist, etwas Unerwartetes zu schaffen. Bei einem Kleinkind sind es die Klötzchen, Stabilität braucht man auch, wenn man unter Druck die aufeinander gebaut werden, ohne dass sie umfallen. Bei nicht zusammenbrechen möchte. Welcher Druck ist mir ist es so, dass ich mein Fachwissen neu zusammenbaue, nach Ihrer Auffassung größer: der Konkurrenzdruck, der es dadurch anders einsetzen kann und sich so eine neue LöDruck als Unternehmer für andere Menschen (wie Mitsung ergibt. Ich motiviere mich nicht gezielt, sondern habe arbeiter) eine Verantwortung zu tragen oder der eigene mir einfach die Neugierde für das Neue erhalten. Das liegt Perfektionsanspruch? vielleicht auch an den Beobachtungen, die ich in meinem Die wichtigste und vertrauensvollste Aufgabe ist, die VerantBeruf mache: Beim Changemanagement und beim Talentwortung für andere Menschen zu übernehmen. management bekomme ich mit, dass jeglicher Stillstand Der Marktdruck ist das geringste Problem für mich. Der ist Rückschritt bedeutet. 63 HINTERGRUND & WISSEN ohnehin da, daran kann ich auch nichts ändern, muss damit umgehen. Insofern ist der Wettbewerbsdruck für mich nicht besonders relevant. Einen Perfektionsdruck verspüre ich nicht. Ich konzentriere mich schlicht auf meine eigenen Leistungen. Der Erfolg misst sich am Wettbewerb. Nehmen wir das Beispiel Schwimmen: Meine Leistung kann top sein – ich kann eine Bestzeit schwimmen, damit zufrieden sein und doch verlieren. Erfolgreich bin ich nur dann, wenn im Wettbewerb, also im direkten Vergleich, niemand schneller schwimmt. HINTERGRUND & WISSEN Es gibt auch ganz andere Situationen, in denen man Luft holen muss. Im Erfolgsrad ist es ganz wichtig, auch einmal nein sagen und loslassen zu können. Grundvoraussetzung für das Erkennen der eigenen Fähigkeiten und der situativen Notwendigkeiten ist stets eine gewisse Selbstreflexionsfähigkeit. „Das Schlimmste, was eine Führungskraft machen kann, ist keine Kommunikation“ Kann man Druck – unabhängig von der Art – präventiv entschärfen? Wenn ja, wie? Ja, das kann man. Ich erkläre es vielleicht an einem Beispiel: Perfektionsdrang kann sehr hinderlich sein, wenn man sich neuen Aufgaben stellt, weil dies impliziert, dass man alles planen können muss, um ein perfektes Ergebnis abzuliefern. Wer aber zu viel plant, den überrascht jeder Zufall. Einen entspannten Umgang damit zu lernen, ist eine Frage des Coachings. Einen Perfektionsdrang zu haben, ist nicht schlimm, denn es ist an sich ja ein gutes Ziel, wenn man Um den nächsten Schritt zu gehen, braucht es Motivation. Macht es einen Unterschied, wenn sich das Unternehmen in einer wirtschaftlichen Krise befindet? Das heißt: Überträgt es sich auf die ohnehin schon schwindende Motivation der Mitarbeiter, wenn die Führungsebene keine Energie nach vorne lebt? Heißt es dann für die Führungsebene nicht besser: „Jetzt reiß Dich mal zusammen!“? Eine Führungskraft muss seiner hohen Verantwortung gerecht werden, daher kann er oder sie nicht in jedem Fall ein Schwächeln eins zu eins weitergeben. Wer selbst nicht brennt, kann kein Feuer geben. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend damit, die eigenen Bedenken gar nicht zu kommunizieren. Wichtig ist Transparenz: Auch eine Führungskraft kann ruhig Bedenken äußern, muss gleichzeitig aber auch richtungsweisend den Weg aufzeigen, um die Mitarbeiter zu motivieren. Der Mitarbeiter darf ruhig merken, wenn die Führungskraft nicht hundertprozentig sicher ist, ob der Weg funktionieren wird. Gleichzeitig gilt es aber, die Überzeugung für den eingeschlagenen Weg zu vermitteln. Das Schlimmste, was eine Führungskraft machen kann, ist keine Kommunikation. Das führt in die „Black Box“. In dem Moment fangen die Mitarbeiter an, sich ihren eigenen Reim auf die Situation zu machen. Gerade in Restrukturierungsmaßnahmen ist Transparenz elementar. Man sollte auch Klarheit darüber schaffen, was für die Führungskraft selber noch unklar ist. Kein Mensch erwartet von Managern, dass sie der liebe Gott sind, der alles perfekt macht. „Im Erfolgsrad ist es ganz wichtig, auch nein sagen und loslassen zu können“ etwas perfekt machen möchte. Es ist nur dann hinderlich, wenn man eine neue Aufgabe gar nicht erst beginnt, weil man vorher schon weiß, dass man es nicht perfekt machen kann. Das ist der Kurzschluss. Den muss man verhindern, was gut über Coaching gelingt. Heute sind Sie erfolgreicher Unternehmer, früher ein Leistungsschwimmer. Zwei völlig unterschiedliche Phasen – oder sind sie doch irgendwie miteinander verzahnt? Es sind ganz sicher völlig unterschiedliche Phasen. Verzahnt sind sie durch mein unternehmerisches Bewusstsein, selber gestalten zu wollen. Ich habe zwar keinen Einfluss auf meine Kunden, aber auf meine eigenen Leistungen, die ich gestalten kann, indem ich mich entsprechend präsentiere. Eine „Gestalterhaltung“ setzt voraus, dass man seine eigenen Grenzen und Fähigkeiten kennt, immer wieder neugierig im Außen und auch auf sich selber ist – das ist im Sport gleichermaßen so. Die Lebensphasen einmal heruntergebrochen auf kleinere Einheiten: Es gibt gute und es gibt weniger gute Zeiten, Ups and Downs, Krisen und Erfolgsphasen. Kann man sich nach Ihrem Dafürhalten auf die jeweils folgende Krise einstellen oder vorbereiten? Auf welche Stärken sollte man in der jeweiligen Phase zurückgreifen und wie erkennt man diese? In Krisen überlege ich: Was sind jetzt, ganz akut, relevante Fähigkeiten, die es einzusetzen gilt und über die ich verfüge? Diese filtere ich heraus und auf diese konzentriere ich mich. Das ist je nach Beruf, Branche und Situation ganz unterschiedlich. Bei Umstrukturierungsmaßnahmen wäre das etwa, die neuen Wege mit Zielstrebigkeit zu verfolgen. 64 beiten. Sie halten sich gar nicht lange mit den Fehlern auf, sondern gehen sofort in die Lösungsfindungsphase. Fehler werden dort nicht persönlich genommen, man macht einfach weiter und schaut nach vorne, ohne sich lange am Fehler aufzuhalten. Es zählt nur das Ergebnis, der nächste Schritt. Da kann zu viel Detailverliebtheit eher hinderlich sein. Stichwort Selbstreflexion: Darf sich ein Unternehmer oder eine Führungskraft erlauben, Schwächen einzugestehen? Sehen Sie einen Unterschied, ob das Eingeständnis nach außen oder nur vor sich selber gemacht wird? Einen Unterschied macht das in jedem Fall. In gut funktionierenden Unternehmen, etwa die erfolgreichen Digital Native Unternehmen, wird eine ausgeprägte Fehlerkultur gepflegt. Sie leben nach dem Silicon Valley Mantra „fail fast, fail often“. Man sollte also einen schnellen Fehler machen und das möglichst oft, um sofort daraus zu lernen. Daher gelingt es diesen Unternehmen, schnelle Lösungen zu erar- Einen weitreichenden unternehmerischen Schnitt haben Sie 2011 gemacht: Mit dem Ziel, sich auf Changemanagement und Talentmanagement zu konzentrieren, wollten sie den anderen Bereich, das Agenturgeschäft, in eine andere Agentur einbinden. Dies ging einher mit dem Arbeitsplatzverlust bzw. -wechsel von zehn Mitarbeitern, die sich in einem neuen Arbeitsumfeld zurechtfinden mussten. Wie haben Sie es geschafft, diesen Menschen eine positive Perspektive zu geben, obwohl die aktuelle Situation Unsicherheiten und Veränderungen mit sich brachte? Man kann nur etwas Neues aufbauen, wenn man etwas Altes loslässt. Dafür muss man Perspektiven geben. Als Führungskraft habe ich die Verantwortung übernommen, den Menschen aufzuzeigen, dass in jedem Ende auch ein neuer Anfang liegt. Im schlimmsten Fall ist es die Abfindung, die aber stets begleitet sein sollte von einem ein- bis zweistündi- gen Gespräch, in dem man dem Mitarbeiter aufzeigen kann, dass er kein schlechterer Mensch ist, nur weil er seinen Job verliert. Gleichzeitig ist es wichtig, ihm Mut zu machen für einen neuen Job und die Jobsuche. Wie reagieren Sie auf den Satz „Chef, das haben wir schon immer so gemacht“? Mit einer Gegenfrage: „Und das ist dann auch die Garantie für den Erfolg in der Zukunft?“ Zweifeln Sie manchmal an sich und Ihrem Weg? Wenn ja: Wie gehen Sie mit Zweifeln um? Und was merken Ihre Mitarbeiter von Ihren Zweifeln? Ja, auch ich habe manchmal Zweifel. Meine Mitarbeiter merken dies daran, dass ich an der einen oder anderen Stelle eine Entscheidung noch nicht getroffen habe. Ich sage ihnen dann, dass ich versuchen werde, zeitnah eine Lösung zu finden. Auch hier ist wieder das Stichwort „Transparenz“ wichtig. Wann zögern Sie oder haben Sie gezögert? Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht? Und wann dürfen Unternehmer zögern? Ein Zögern ist immer dann angezeigt, wenn Rahmenbedingungen, die man nicht beeinflussen kann, ein solches Zögern notwendig machen. Gründe, die in meiner Person liegen, lassen mich nicht zögern. Ich kann ja nicht einfach nichts tun, nur weil ich persönlich mit etwas ein Problem habe. Mit dem eigenen Zögern muss ich im Sinne meiner Mitarbeiter einen Umgang finden. ~ Veränderung als Chance: Fünf Eckpunkte der Selbstführung 1. Stabilität in der Grundhaltung: Entdecken der eigenen Motive und Motivationsstruktur 2. Zielprojektion und Zielrevision 3. Analyse der eigenen Talente und Defizite zur Festlegung der persönlichen Potenziale und aktuellen Grenzen 4. Definition der persönlichen Erfolgsdimensionen und des Erwartungskorridors 5. Klärung der wesentlichen Einflussfaktoren in der Umwelt und Erstellung des eigenen „Entscheidungsprofils“ für Alltagssituationen Quelle: Dr. Michael Groß „Selbstcoaching“, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg 2013 65 HINTERGRUND & WISSEN HINTERGRUND & WISSEN Bestellter Treuhänder fremden Vermögens SERIE Teil 5: Insolvenzverwalter Das Insolvenzrecht gehört zu den komplexen Gebieten im deutschen Wirtschaftsrecht. Es zählt zugleich zu den wichtigsten Normierungen, die mit darüber bestimmen, inwieweit ein Unternehmen am Wettbewerb teilnehmen darf. In dieser Serie vermittelt „return“ solides Basiswissen, praktische Tipps zur Umsetzung und sachdienliche Hinweise zum Umgang. 66 Welche Rolle ist gefragt? Im Insolvenzverfahren ist kaum eine Rolle rechtlich so ausgeprägt und für das gesamte Verfahren dermaßen dominierend wie die des Insolvenzverwalters. Gleichwohl gehen mit der Funktion zahlreiche Reibungspunkte und Widerstände einher – ob an der Person, an der Amtsführung, an der Bestellung, an der Teamfähigkeit, am unternehmerischen Können oder oft an der Vergütung. Das Bild des Insolvenzverwalters entwickelt sich seit Jahrzehnten weiter weg vom liquidierenden Verwalter hin zum sanierenden Gestalter. Was ist die Aufgabe? Ein gerichtlicher Beschluss überträgt dem Insolvenzverwalter die Verwaltung und Verwertung des Vermögens eines insolventen Schuldners. Mit der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens soll das Vermögen den Gläubigern gemeinschaftlich zur Befriedigung „zugewiesen“ werden. Der Insolvenzverwalter übernimmt in deren Interesse die bestmögliche Verwertung, sei es durch Verkauf oder teilweise Erhaltung und Sanierung. Der Insolvenzverwalter gilt daher als gerichtlich bestellter Treuhänder fremden Vermögens. Er ist übrigens auch im öffentlichen Interesse tätig. Wo ist der Einsatz geregelt? In der Insolvenzordnung (InsO) regeln die Paragrafen 56 bis 66 alle wesentlichen Grundsätze. Dabei bestimmt Paragraf 56, dass der zu bestellende Insolvenzverwalter für den jeweiligen Fall geeignet sein muss, über Geschäftskunde verfügt und unabhängig von Gläubigern und Schuldnern ist. Allerdings legt Paragraf 56a seit Kurzem fest, dass die Gläubiger schon im Eröffnungsverfahren bindende Vorschläge für die Person des Verwalters einbringen können; eine Möglichkeit, die zunehmend Anwendung findet. Wodurch wird man zum Insolvenzverwalter? Die Aufgabe übernehmen ausgewählte Experten ausschließlich durch gerichtliche Bestellung. Die Auswahl trifft jedes Gericht regelmäßig aus einem Kreis von jeweils „gelisteten“ Verwaltern oder auf Vorschlag der Gläubiger. Eine Ausbildung zum Insolvenzverwalter, ein gefestigtes Berufsbild oder eine Zulassung existieren nicht. Insolvenzverwalter kamen bis in die 80er-Jahre vor allem aus Reihen der Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Kaufleute. Heute zählen mehr als 95 Prozent aller Insolvenzverwalter zum Berufsstand der Rechtsanwälte, die eine spezifische Qualifikation mitbringen. Wozu ist ein Insolvenzverwalter berechtigt? Er tritt an die Stelle des Schuldners und erhält die volle Verfügungsgewalt über dessen Vermögen (§ 80 InsO) – einschließlich umfassender Gestaltungsrechte für alle rechtlichen Beziehungen des Schuldners. Die Verwertung des Vermögens fußt auf den Maßgaben, welche die Gläubigerversammlung in ihrer Beschlussfassung festgelegt hat. Dies reicht vom Verkauf der Einzelvermögensgegenstände bis zum Erhalt des Unternehmens, seiner Fortführung und Sanierung. Im Außenverhältnis vertritt der Insolvenzverwalter die „Insolvenzmasse“, kann klagen und verklagt werden, haftet aber als Kehrseite der umfassenden Rechtsmacht auch persönlich für alle Schäden, die durch seine Amtsführung eintreten (§§ 60, 61 InsO). Wer beaufsichtigt den Insolvenzverwalter? Der Insolvenzverwalter unterliegt hinsichtlich der Rechtsmäßigkeit seines Handelns der Aufsicht und Kontrolle des Insolvenzgerichts. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit achten auf sein Wirken die Gremien der Gläubiger, also die Gläubigerversammlung oder der Gläubigerausschuss. Wie hoch ist die Zahl der Insolvenzverwalter? Rund 2.000 Insolvenzverwalter sind pro Jahr bestellt. Sie sind in der Mehrzahl in Kanzleien zusammengeschlossen und entwickeln mit anderen Verwaltern und mit einem qualifizierten Mitarbeiterstab das Insolvenzverfahren. Die Konzentration zu immer größeren Kanzleieinheiten nimmt zu, die Zahl der Einzelkanzleien zeigt sich zunehmend kleiner. Mehr als zwei Drittel aller Verfahren gehen an große Kanzleien, die bundesweit mit vielen Berufsträgern an mehreren Standorten tätig sind. Langfristig geht die Branche von einem Schrumpfungsprozess auf ungefähr 500 Insolvenzverwalter aus. 67 HINTERGRUND & WISSEN HINTERGRUND & WISSEN Das Jahr beginnt im Brauhaus Rechtliche Fragen des Pfändungsrechts sind nahezu so vielfältig wie die Abrechnungsposten der Gehaltszettel. Ein prüfender Blick in die Positionen lohnt sich also. Anmerkungen und Fragen zu diesen hier regelmäßig veröffentlichten Berechnungen bitte an die Redaktion richten. Text: Hugo Grote Illustration: Michael Henning Eine in vielerlei Hinsicht spezielle Art der Beschäftigung ist die des „Köbes“ in Kölner Brauhäusern. „Köbes“ – so kann man bei Wikipedia lesen – ist die kölsche Form von „Jakob“, gleichermaßen auch in anderen Dialekten im Rheinland vertreten und wird gelegentlich auch in der Nebenbedeutung „eigensinniger, kantiger oder vierschrötiger Mensch“ verwendet. Diesen Ruf haben sich die Köbese als Kellner redlich erarbeitet. Denn, so sagte mal der Kölner Kabarettist Jürgen Becker: Das Prinzip „der Kunde ist König“ wird im Kölner Brauhaus umgekehrt. Man ist unfreundlich und bekommt trotzdem Trinkgeld. Apropos Trinkgeld. Auf der Abrechung ist kein Trinkgeld zu finden, denn freiwillige Trinkgelder, die dem Kellner direkt zufließen, sind sowohl steuerfrei (§ 3 Nr. 51 EStG) als auch unpfändbar, da sie als Geschenke gelten und nicht als Arbeitseinkommen (Stöber, Forderungspfändung, Rz. 900a). Pfändbar wären sie daher allenfalls durch eine Taschenpfändung des Gerichtsvollziehers. Dies dürfte wohl eher eine theoretische Möglichkeit sein. Quelle: Die Gehaltsabrechnung des Monats wird laufend von der Zeitschrift für Insolvenzsachbearbeitung und Entschuldungsverfahren - InsbürO - aufbereitet. 68 69 HINTERGRUND & WISSEN HINTERGRUND & WISSEN (1) Bruttoeinkommen Ausgangspunkt ist das Bruttoeinkommen Dass der Auszahlungsbetrag um den Betrag der Jobtickets gekürzt wurde, hat darauf keine Auswirkungen. Die Jobtickets sind für die Pfändungsberechnung nicht relevant, hierbei handelt es sich um eine reine Verwendung des Einkommens durch den Schuldner. 1.881,81 € (2) Umsatzlohn Köbes 1.201,10 € Auch das ist anders als „normal“. Der Köbes ist eine Art Unternehmer, denn er arbeitet nach Umsatz. Er erhält laut Arbeitsvertrag 7,64 Prozent Umsatzbeteiligung vom Nettoumsatz. Allerdings wird ihm ein gewisses Mindestgehalt garantiert. Nicht nur deswegen ist das Einkommen des Köbes als Arbeitseinkommen anzusehen. Der Begriff des Arbeitseinkommens ist in Paragraf 850 Zivilprozessordnung (ZPO) sehr weit gefasst, hierzu können auch regelmäßige Einkünfte eines Freiberuflers gehören (zum Beispiel die des Kassenarztes gegen die kassenärztliche Vereinigung, dazu Zöller-Stöber, ZPO, Paragraf 850, Rz. 6 und 9. Der Umsatzlohn ist daher wie Arbeitseinkommen pfändbar. D Ob diese Beträge für ungünstige Arbeitszeiten pfändbar oder gemäß Paragraf 850a Nr. 3 ZPO unpfändbar sind, ist streitig. Nach der hier vertretenen Auffassung sind diese Beträge pfändbar (siehe hierzu die Abrechung im letzten Heft der return 4/2014). Der Köbes erhält offenbar eine Lohnfortzahlung während der Feiertage. Auch diese Lohnfortzahlung ist in vollem Umfang pfändbar. (6) Mindestlohnaufstockung Den gesetzlichen Mindestlohn wird es auch in der Gastronomie erst ab 2015 geben. Der Arbeitgeber sichert dem Köbes aber neben der Umsatzbeteiligung einen Mindestlohn zu, für den Fall, dass der Umsatz hinter den Erwartungen zurückbleibt. Auch hierbei handelt es sich um in voller Höhe pfändbares Arbeitseinkommen. Abzuziehen Zahlen zu Insolvenzverfahren Text: Jochen Wierz (3,4) Feiertags- und Nachtzuschlag (5) Feiertage Köbes Allzeittief mit Ausnahmen 159, 28 € 377,47 € ie gute Konjunktur führt zum Allzeittief bei den Zahlen zu Unternehmens-Insolvenzverfahren – allerdings spiegelt sich diese Entwicklung nur bedingt bei größeren Insolvenzverfahren wieder. Ein Blick auf alle Antragsverfahren von Unternehmen mit über 20 Millionen Euro Umsatz und über 100 Mitarbeitern zeigt zwar im Vergleich der Jahre 2013 und 2014 einen deutlichen Rückgang der Verfahren. Doch in der Rückschau auf einen längeren Zeitraum zeigt sich, dass die Zahl der Verfahren in der Größenkategorie in den Jahren 2010 und 2011 unter dem derzeitigen Niveau lag. Bei größeren Verfahren zu Unternehmensinsolvenzen ist also noch kein Allzeittief erreicht. Spekulationen bleibt überlassen, inwiefern die disproportional zu der Gesamtanzahl von Unternehmensinsolvenzen steigende Anzahl von „Großverfahren“ seit Einführung des ESUG im Jahre 2012 darauf beruht, dass insbesondere eine größere Zahl von Unternehmen den Sanierungsweg über eine insolvenzrechtliche denn über eine außergerichtliche Sanierung wählt. Überraschend indes ist, dass sich die Zahl der Großverfahren seit 2012 deutlich anders als die Gesamtzahl der Unternehmensinsolvenzen entwickelt. Dabei haben unter den Anträgen in 2014 die Eigenverwaltungsverfahren von Unternehmen in dieser Größenkategorie einen Anteil von über 25 Prozent. Größenstruktur von Unternehmensinsolvenzen 0,00 € Pfändungsrelevantes Nettoeinkommen Da die Abrechnung keinerlei unpfändbare Beträge enthält, ist das darin ausgewiesene Nettoeinkommen auch das pfändungsrelevante Nettoeinkommen. Tabellenwert 1.381,37 € (7) Pfändungsberechnung Der Köbes hat Steuerklasse I, auf der Steuerkarte ist als Kinderfreibetrag 0,5 eingetragen. Er ist also nicht verheiratet, aber einem Kind gegenüber unterhaltspflichtig. Sofern er tatsächlich Unterhalt zahlt, ist Spalte „1“ maßgeblich. Danach wäre allerdings nichts pfändbar. Ob der Schuldner tatsächlich Unterhalt zahlt und wieweit er eigenes Einkommen hat, sollte vom Verwalter recherchiert und in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Bei minderjährigen Kindern ist es nicht Aufgabe des Personalbüros zu überprüfen, ob der Schuldner auch tatsächlich Unterhalt leistet. Falls nicht, kann der Verwalter einen Antrag beim Insolvenzgericht analog Paragraf 850c Abs. 4 ZPO auf Nichtberücksichtigung der Unterhaltspflicht stellen, wenn der Arbeitgeber die fehlende Unterhaltsleistung nicht von sich aus berücksichtigt. Pfändbar wären im Monat November also nach Spalte 1 0,00 € Neue Seminare zur Lohnpfändungsberechnung finden Sie unter www.judis.info Quelle: perspektiv GmbH 70 71 ? MUSTERTEXT & WISSEN HINTERGRUND Gewusst wie… Die Lösungen finden Sie im Internet: www.return-sanierungsmagazin.de Inhalte adaptiert aus der Rubrik „Fragezeichen!“ der „Zeitschrift für Insolvenzsachbearbeitung und Entschuldungsverfahren“ (InsbürO). 72 HINTERGRUND & WISSEN Wissenquiz für Entscheider Sachgebiet: Sicherungsrechte Text: Andreas Ringstmeier Der Schuldner hatte vom Unternehmen U eine Ware unter einfachem und verlängertem Eigentumsvorbehalt eingekauft (Abtretung der Forderung aus Weiterverkauf der Ware an den Lieferanten), diese aber noch vor der Insolvenzantragstellung an einen seiner Kunden verkauft. Dieser Kunde hat noch nicht bezahlt. Als der Insolvenzantrag über das Vermögen des Schuldners gestellt wird, besteht die Forderung gegen den Kunden immer noch. Außerdem hatte der Schuldner seine sämtlichen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen in einem sogenannten Globalzessionsvertrag an eine Bank abgetreten. Das Management von U macht sich nun Gedanken darüber, wie die eigenen Rechte aussehen und fragt sich: Können verlängerter Eigentumsvorbehalt und Globalzession beide bestehen? a) Nein, die Globalzession schließt den verlängerten Eigentumsvorbehalt aus. b) Nein, der verlängerte Eigentumsvorbehalt schließt die Globalzession aus. c) Ja, aber der verlängerte Eigentumsvorbehalt geht vor und nur, wenn er nicht oder nicht mehr geltend gemacht wird, greift die Globalzession ein. d) Ja, aber die Globalzession geht vor und nur, wenn diese nicht mehr geltend gemacht wird, gilt der verlängerte Eigentumsvorbehalt. e) Nein, es gilt nur eines von beiden, und zwar dasjenige Absonderungsrecht, das früher entstanden ist f ) In der Insolvenz gelten beide Rechte nicht. Verwertungsberechtigt ist gemäß Paragraf 166 Absatz 2 Insolvenzordnung allein der Insolvenzverwalter. Nach der Insolvenzantragstellung tritt der bestellte, vorläufige Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt auf den Plan. Im Beschluss des Insolvenzgerichts heißt es unter anderem, dass Drittschuldner ihre Zahlungsverpflichtungen an den vorläufigen Insolvenzverwalter zu erfüllen haben. Wer darf also jetzt die abgetretene Forderung aus Frage 1 einziehen? a) Der Lieferant mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt. b) Die Bank wegen der Globalzession. c) Der vorläufige Insolvenzverwalter wegen des Beschlusses des Amtsgerichts. Die Forderung aus Frage 2 ist ohne Zutun irgendeiner Person kurz vor der Verfahrenseröffnung auf dem Konto des vorläufigen Insolvenzverwalters eingegangen. Nachdem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, fordert U das Geld vom Insolvenzverwalter heraus. Dieser will für die Insolvenzmasse vier Prozent Feststellungspauschale und fünf Prozent Verwertungspauschale einbehalten. Darf er das? a) Der Insolvenzverwalter kann nur die Feststellungspauschale von vier Prozent, nicht auch die Verwertungspauschale einbehalten, weil es in Frage 3 heißt, dass die Forderung „ohne Zutun irgendeiner Person“ eingegangen ist. Also hat keine Verwertungshandlung des vorläufigen Insolvenzverwalters vorgelegen. b) Ja, beide Pauschalen können einbehalten werden. Auf die Entfaltung von aktiven Verwertungsmaßnahmen kommt es nicht an, entscheidend ist nur, dass das Geld beim vorläufigen Insolvenzverwalter eingegangen ist. c) Nein, die Pauschalen bekommt die Insolvenzmasse nur für den Forderungseinzug, der nach der Insolvenzeröffnung stattfindet, hier jedoch ist die Forderung vor der Insolvenzeröffnung eingegangen. Das Lager des Gemeinschuldners, in dem auch die in Frage 1 verkaufte Ware gelagert war, hatte der Gemeinschuldner vom Vermieter V gemietet. Kann V zusätzlich zum Lieferanten (verlängerter Eigentumsvorbehalt) und zusätzlich zur Bank (Globalzession) wegen seiner offenen Mietzinsen sein Vermieterpfandrecht an der Forderung geltend machen? a) Ja b) Nein 73 HINTERGRUND & WISSEN HINTERGRUND & WISSEN Überschuldungsstatus per 31.12.2013 Stille Reserven Bilanz-Check: Auftakt exklusiver Analysen Text: Christoph Hillebrand Handelsbilanz per 31.12.2013 Unkenntnis steht oft am Anfang vom Ende. Dabei liefern Kennzahlen von Unternehmen wichtige Erkenntnisse und nützliche Dienste, um Krisen frühzeitig zu erkennen und rechtzeitig zu bewältigen. Zur Handwerkskunst gehört, sie richtig zu lesen und zu verstehen. Für diese exklusive „return“Reihe unterzieht Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Diplom-Kaufmann Christoph Hillebrand das Zahlenwerk an konkreten Beispielen brauchbaren Bilanz-Checks. V orstände, Geschäftsführer oder Inhaber behaupten mitunter, die Lage sei gar nicht so schlimm, weil das Unternehmen über „erhebliche“ stille Reserven verfüge. Insbesondere nach dem Gang in die Insolvenz, kommt der Insolvenzverwalter indes zu dem Schluss, dass der Antrag viel früher hätte gestellt werden müssen. Auch dann noch verteidigen sich Verantwortliche mit dem Hinweis, das Unternehmen habe in ausreichendem Maße stille Reserven aufgewiesen. Kurzum: Diese Werte in der Bilanz haben erhebliche Bedeutung für die Lagebeurteilung eines Unternehmens und speziell für die Insolvenzantragspflicht. Die Fachwelt spricht von stillen Reserven, wenn es eine positive Wertedifferenz zwischen dem bilanzierten Wert (Buchwert) und dem wahren Wert eines Vermögensgegenstandes oder auf der Passivseite eine negative Differenz zwischen der passivierten Verpflichtung und dem tatsächlichen Erfüllungsanspruch gibt. Diese Wertedifferenz führt zu einer Erhöhung des bilanziellen Eigenkapitals. Das deutsche Bilanzrecht ist geprägt durch Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und den darin enthaltenen Prinzipien – dem Niederstwertprinzip und dem Vorsichtsprinzip. Eine Ausprägung ist das Anschaffungskostenprinzip, nach dem positive Wertentwicklungen nach 74 Anschaffung keinen Eingang in das Rechnungswesen finden. Klassisch ist dies bei Immobilien und bei Grundstücken, die oft einen Millionenwert haben, jedoch mit geringen Werten in der Bilanz stehen. Der wahre Wert Als wahrer Wert eines Vermögensgegenstandes könnte der Verkehrswert, der Fortführungswert oder die Wiederbeschaffungskosten angenommen werden. Ist die Entscheidung für einen Wert gefallen, beispielsweise für den Verkehrswert, drängt sich die Frage auf: Gibt es nur einen Wert oder viele verschiedene Werte, die abhängig sind von der Verwertungsalternative? Bei der Darlegung stiller Reserven werden bei Immobilien oft Verkehrswertgutachten vorgelegt. Den Verkehrswert einer Immobilie zu realisieren, bedarf jedoch eines geordneten Verkaufsprozesses. Kommt das Unternehmen in die Krise, muss es schnell gehen. Dann lässt sich ein geordneter Verkaufsprozess nicht mehr realisieren. Die Immobilie ist oft nur mit deutlichen Abschlägen zu veräußern. Bei der Wertermittlung sind also die möglichen Verwertungsalternativen und die Länge des Verwertungszeitraums zu berücksichti- gen. Genauso müssen Restriktionen von außen Berücksichtigung finden, etwa die Verwertung von Sicherheiten durch Gläubiger durch eine beschlossene oder angedrohte Zwangsversteigerung. Fazit: es gibt nicht einen wahren Wert, sondern viele mögliche Ausprägungen. Die Unternehmensleitung trägt für ihren Wertansatz die Darlegungslast. Stille Reserven finden sich in der Bilanz sowohl im Anlagewie im Umlaufvermögen. Das Anlagevermögen dient dem Unternehmen dauerhaft, sodass die Verwertung der stillen Reserven schwierig sein dürfte. Wenn die Betriebsimmobilie stille Reserven enthält, können diese nur gehoben werden, wenn der Betrieb verlagert oder eingestellt wird. Leichter ist es, stille Reserven im Umlaufvermögen zu realisieren, denn hier geschieht dies im laufenden Betriebsprozess. Vermeidet die Aufdeckung der stillen Reserven die Insolvenz? Bei der Ermittlung der Zahlungsunfähigkeit wie auch bei der Ermittlung drohender Zahlungsunfähigkeit handelt es sich um eine reine Liquiditätsplanung ausgehend von einem Liquiditätsstatus. Das Cash entscheidet, nicht die Differenz zwischen verschiedenen Werten. Einfluss auf die Zahlungsfähigkeit kann demnach nur die tatsächliche Realisierung der stillen Reserven haben. Das bedeutet, dass die alleinige Aufdeckung stiller Reserven, zum Beispiel durch Umwandlung oder Ähnliche die Zahlungsunfähigkeit nicht beseitigt. Bei der Prüfung der Überschuldung gehört der zweistufige Überschuldungsbegriff der Vergangenheit an. Heute ist im Rahmen der Fortbestehensprognose ebenfalls die Zahlungsfähigkeit über den Prognosezeitraum zu ermitteln. Auch hier finden stille Reserven nur Eingang, wenn sie tatsächlich realisiert werden und zwar in der Höhe, wie sie tatsächlich realisiert werden. Nur wenn die Fortbestehensprognose negativ ausfällt, ist ein Überschuldungsstatus zu Liquidationswerten aufzustellen. Der Standard ES 11 zur „Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen“ des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) lässt zu, dass bei Vorhandensein stiller Reserven auf eine detaillierte Prüfung verzichtet werden kann, wenn die stillen Reserven eine Überschuldung ausschließen. Stille Reserven können also eine Insolvenz vermeiden – aber nur, wenn sie nicht nur in den Büchern stehen, sondern auch im Planungszeitraum realisiert werden. Der Bilanz-Check in „return 2/2015“ widmet sich der Frage, wie stille Lasten zu bewerten sind und ob diese gegebenenfalls zur Insolvenz führen können. ~ 75 HINTERGRUND & WISSEN HINTERGRUND & WISSEN ABC der Sanierung Stärkung Eigenkapital I wie unter Insolvenzschutz Rund 50 Prozent der größeren Insolvenzverfahren planen Verantwortliche heute aus dem Unternehmen heraus und führen auf dem Weg der Eigenverwaltung eine strategische Sanierung unter Insolvenzschutz. Damit hat sich der Beginn eines solchen Prozesses weit in das Feld der betriebswirtschaftlichen Notlage vorverlagert und bewährt sich auch bei außergerichtlichen Verhandlungen als ein strategisches Instrument zum Überwinden von Krisen. Soweit ein Effekt des vor drei Jahren in Kraft getretenen Gesetzes zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG). Mit dem reformierten Insolvenzrecht vertraute und erfahrene Restrukturierer, Interim-Manager, Rechtsanwälte, Steuer- und Unternehmensberater spielen dabei eine größere Rolle. Sie stoßen den Prozess der Sanierung unter Insolvenzschutz im Unternehmen an, koordinieren und begleiten das gerichtliche Verfahren. Zum besseren Verständnis greift „return“ wichtige Begriffe im „ABC der Sanierung“ auf. Eigenverwaltung Die Eigenverwaltung ist ein Insolvenzverfahren ohne Insolvenzverwalter (§ 270a InsO). An seiner Stelle lenkt und steuert das Schuldnerunternehmen das Verfahren selbst – begleitet und kontrolliert von einem gerichtlichen Sachwalter. Eine Eigenverwaltung ist auch nach einer schon eingetretenen Zahlungsunfähigkeit einzuleiten und bedarf der Unterstützung durch die wichtigsten Gläubiger. Mit Einleitung des Verfahrens hat das Schuldnerunternehmen vorrangig im Interesse der Gläubiger tätig zu sein. Sachwalter Insolvenzschutz Bei einer Sanierung unter Insolvenzschutz greifen die gesetzlichen Schutzmechanismen der Insolvenzordnung (InsO). Das zu sanierende Unternehmen ist vor Eingriffen seiner Gläubiger geschützt, Zwangsvollstreckungen sind untersagt, auch Sicherungsgläubiger können auf ihr Eigentum nicht zugreifen. Das Unternehmen erhält zudem massive Liquiditätshilfen wie die Übernahme der Löhne und Gehälter für bis zu drei Monate. Zudem kann es im Schutz des Rechts „regenerieren“. Das gerichtliche Sanierungsverfahren kann insbesondere dann und von vornherein die richtige Wahl sein, wenn ein schlüssiges Sanierungskonzept vorliegt, bei dem eine Zustimmung aller Gläubiger aber nicht zu erwarten ist. 76 Der (vorläufige) Sachwalter – in der Regel ein erfahrener Insolvenzverwalter – hat vorrangig die wirtschaftliche Lage des Schuldners zu prüfen und die Geschäftsführung sowie die Ausgaben und Lebensführung des Schuldners zu überwachen. Er soll durch seine beobachtende Funktion möglichst frühzeitig Fehlentwicklungen erkennen, Missbrauch verhindern sowie Risiken und Schäden für Gläubiger und einzelne Beteiligte abwenden. Beim Sachwalter sind Insolvenzforderungen anzumelden. Der Sachwalter verantwortet das Durchsetzen von Gesamtansprüchen und Insolvenzanfechtungen. Auf die Auswahl des Sachwalters haben Gläubiger und Schuldner in der Eigenverwaltung einen bestimmenden Einfluss. Neben der Stärkung der Liquidität dient die Sanierung unter Insolvenzschutz mithilfe eines Insolvenzplans stets auch der Bereinigung der Passivseite in der Bilanz. Aus Gesellschaftersicht hat das Planverfahren in Eigenverwaltung den enormen Vorteil, dass der Gesellschafter seine Anteile behält. Mit vereinbarten Forderungsverzichten steht das Eigenkapital und der Wert des Unternehmens insgesamt deutlich stärker da. Neues Agieren im Markt, meist auf der Basis von weitergehender oder neuer Finanzierung, gelingt dadurch wesentlich einfacher. Liquiditätshilfen Im Interesse des Erhalts des Unternehmens und der nachhaltigen Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit zielt der Insolvenzschutz auf eine massive Stärkung der Liquidität. Über das Insolvenzgeld werden nicht nur die Löhne und Gehälter für bis zu drei Monaten aus dem Insolvenzgeld finanziert, sondern das eigenverwaltete Unternehmen muss auch die vereinnahmte Umsatzsteuer nicht abführen und bedient Dauerschuldverhältnisse jedweder Art nur noch in einem ganz geringen Umfang. Die gewonnene Liquidität soll die Sanierung massiv unterstützen. Schutzschirmverfahren Das Schutzschirmverfahren ist eine besondere Form der Eigenverwaltung, mit weitergehenden Befugnissen für den eigenverwaltenden Schuldner (§ 270b InsO). Einen Zugang zum Schutzschirmverfahren haben nur Schuldner, die im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht zahlungsunfähig sind. Die nur drohende Zahlungsunfähigkeit muss durch einen Sachverständigen attestiert werden. Dieser muss auch bestätigen, dass das Schuldnerunternehmen sanierungsfähig und fortführungswürdig ist. Der Schuldner erhält auf einen entsprechenden Antrag und Beschluss des Gerichts hin bis zu drei Monate Zeit unter Aufsicht eines vorläufigen Sachwalters frei von Vollstreckungsmaßnahmen einen Sanierungsplan zu erstellen, der anschließend als Insolvenzplan umgesetzt werden kann. Im Regelfall ist die „einfache“ Eigenverwaltung der rechtssicherere und kostengünstigere Weg, um eine Sanierung im Rahmen eines Insolvenzplanverfahrens in Eigenverwaltung durchzuführen (§ 270a InsO). 77 HINTERGRUND & WISSEN HINTERGRUND & WISSEN Gesagt, getan Stationäre und mobile Spracherkennung in der Anwaltskanzlei Text: Markus J. Sauerwald Ich ging früh ins Büro, um etwas auszuprobieren, von dem ich gehört hatte, aber nicht glaubte, dass es funktionierte. Eine Box mit Software, mit Headset und mit dem Versprechen, Sprache sofort in Text umzuwandeln. Magie?! Ich installierte, setze das Kopfhörermikrofon auf, fühlte mich kurz wie im Kontrollzentrum von Houston und legte los. Eine Umstellung war es schon, als der diktierte Text nicht in meinem Diktiergerät verschwand, sondern direkt auf dem Bildschirm erschien. Es war erstaunlich. Fehlerlos! Wort für Wort. Mit einem kurzen Befehl wurden die Absenderangaben eingefügt. Meine langjährige Schreibassistenz schaute unversehens in mein Büro und als sie mich mit meinem Monitor sprechen sah, murmelte sie: „Chef, schon da? Oh, wieder ein neues Gadget für den Arbeitsalltag…?“. Kann Spracherkennung tatsächlich schon so viel? Wie zuverlässig arbeitet sie? Und was sagen die Assistenten im Büro dazu? Geführtes Training bis zum individuellen Sprachprofil „Dragon NaturallySpeaking“ ist der Marktführer bei professioneller Spracherkennung. Nach der Installation (siehe Kasten) erstellt ein über Menü geführtes Training das individuelle Sprachprofil des Nutzers. Das geschieht über das am Rechner vorhandene oder ein angeschlossenes Mikrofon, das vom Programm automatisch erkannt wird. Das Anlegen des Sprachprofils ist erforderlich, um die Besonderheiten der Stimme zu erfassen und dem zukünftigen Nutzer es zu ermöglichen, sein Diktat mit natürlicher Stimme sprechen zu können. Ein kleines Tutorium zeigt die wichtigsten Funktionen und erläutert wichtige Diktierbefehle. Ungewohnt ist, dass jedes Wort zählt. Man muss wissen, was man sagt, denn Versprecher werden erkannt und miterfasst. Es ist erstaunlich, wie gut das Programm sofort die Sprache erkennt und schon das erste Diktat gelingen lässt. Praktisch ist die Anwendung der Spracherkennung sehr schnell zu erlernen. Ich bekam rasch ein Gefühl dafür, wie man diktieren muss, damit „Dragon NaturallySpeaking“ mich richtig versteht. Richtig Tempo nahm ich auf, nachdem ich mit den 78 wichtigsten Diktierbefehlen vertraut war, so Schriftsätze und E-Mails im Nu erstellte, korrigieren und versenden ließ. Spracherkennung ist aber nur so gut, wie sie in die benutzten Büroprogramme integriert werden kann. „Dragon 13“ versteht sich mit allen gängigen Windows-Büroprogrammen, insbesondere Outlook, Word und Excel, aber auch WebMailprogrammen, die über den Browser bedient werden. Darüber hinaus kann es auch mit Anwaltssoftware verbunden werden. Und damit wird die Stimme tatsächlich zum Tastaturersatz. „Chef, diktieren Sie meine Stelle weg?“ Die geäußerte Sorge meiner Schreibassistentin ist nicht ganz unbegründet, wenn sie um einen Teil ihrer Tätigkeit fürchtet. Doch tatsächlich konnte ich erleben, dass sich die Arbeitsabläufe verbessern. Diktate, die bislang analog auf Bändern bei der Assistenz ankamen, können nun als Word-Dateien in gemeinsamen Ordnern weitergegeben und in den Schreibbüros veredelt werden. Die kleine Korrespondenz des Anwalts selbst wird per Sprachdiktat ungleich schneller erledigt als bislang. Aber wie gut versteht das Programm die vielen Spezialbegriffe und Gesetzesabkürzungen, die in einer spezialisierten Kanzlei zum Alltag gehören? Auch an dieser Stelle gibt sich das Programm keine Blöße. Nach der Installation besteht die Möglichkeit, eigene Dokumente „scannen“ zu lassen. Das Sprachprogramm erweitert damit das Vokabular enorm. Gleiches gilt auch für Adressbücher. In der Korrespondenz und beim Diktat werden die diktierten Namen, mögen sie auch noch so individuell sein, in aller Regel richtig geschrieben. „Chef, das kommt ja fehlerlos an!“ Bei der Großschreibung in Anreden trifft das Programm im Deutschen nicht immer die richtigen Entscheidungen, aber fast immer. Nach ein wenig Übung kennt man die Tücken und diktiert die Großschreibung mit. Auch Datums- und Zeitangaben, werden richtig umgesetzt oder können an individuelle Schreibweisen angepasst werden. Jederzeit können neue Wor- te nach einem Ad-hoc-Training gelernt werden und werden zukünftig richtig geschrieben. Das gilt auch für fremdsprachige Begriffe wie „Compliance“ oder „Controlling“. Sprachkommandos zur schnellen Suche Auch wenn viele Aufgaben, für die bislang die Tastatur erforderlich war, jetzt mit der Spracherkennung erledigt werden können, bleibt sie nicht ganz entbehrlich. Der Rechner könnte auch komplett mit Sprache bedient werden, so reichhaltig ist das Arsenal an vorinstallierten Befehlen. Aber in meinem Selbsttest war es dann oft eine Mischung aus “Maus-Aktionen“ oder aus schnellen und kurzen Einfügungen per Tastatur. Beispielsweise beim Einfügen des fehlenden „Kommas“. Ein großer Gewinn ist das einfache Arbeiten am Rechner mit Akte, da während des Diktates – nur mit einem Mikrofon in der Hand – gut geblättert werden kann und viele Vorgänge ohne Umweg über das Schreibbüro sofort erledigt werden konnten. Zu schätzen wusste ich die Sprachkommandos bei der schnellen Suche im Internet: Mit dem einfachen Kommando „Suche im Web nach [Begriff oder Satz]“ öffnet sich der Standard-Browser und die voreingestellte Suchmaschine fügt die genannten Begriffe oder das Wort in das Suchfenster und beginnt die Suche. „Chef, aber von unterwegs gibt‘s wieder Bandsalat, oder?“ Auch unterwegs muss man auf den Komfort der Spracherkennung nicht verzichten. „Olympus“ und „Philips“ als Marktführer bieten Geräte für die digitale Spracherkennung an. Die Diktate werden mit diesen auf digitale Speicherkarten aufgesprochen. Werden die Geräte zurück in der Kanzlei per Kabel an den Kanzleirechner angeschlossen, transkribiert Dragon diese. Die erzeugten Word-Dateien werden von mit den Geräten mitgelieferten Workflow-Programmen in die gewünschten Ordner im Netzwerk verschoben, von wo aus sie weiter verarbeitet werden können. Auch das funktioniert perfekt, jedenfalls dann, wenn das Diktat nach den „Diktierregeln“ von Dragon aufgesprochen worden ist. Statt eines Stapels Bänder liegen dann am Morgen eines Arbeitstages ein Stapel Dateien im Netzwerkordner der Schreibassistenz. Schneller und besser in Routinekorrespondenz Spracherkennung ist aus meinem Arbeitsalltag nicht mehr wegzudenken. Die Lernkurve ist steil, die Lust, die Möglichkeiten des Programms auszuschöpfen, wächst mit jedem Tag seiner Benutzung. Unter Windows ist die Anknüpfung an vorhandene Programme ideal gelöst und bewährt sich im Praxisalltag. Dies gilt auch für die mobil aufgenommenen Diktate, die als akustische Dateien in das System eingespielt werden. Als einziger Einwand bleibt, dass Spracherkennung für viele zu schnell Gedanken in Schrift umsetzt und insbesondere bei komplizierten Zusammenhängen der Zeitversatz zwischen Gedanken, Finger, Tastatur, Bildschirm praxisgerechter erscheint. In der Routinekorrespondenz, bei Vermerken und Anweisungen jedoch gibt es kaum etwas, das schneller und besser funktioniert. ~ Installation Die Installation auf einem üblichen, modernen Rechner unter Windows ist problemlos. Bis die gewaltigen Sprachdateien auf dem Rechner gelandet sind, vergehen bei der Einrichtung aber einmalig gut 45 Minuten. Im Anschluss daran wird in einem knapp zehnminütigen Vorgang ein Sprachprofil erstellt Ein knappes Tutorium führt in die Grundfunktionen ein. „Dragon 13“ erscheint als diskrete Menüleiste am oberen Bildschirmrand. Es erkennt vorhandene Mikrofone, sowohl das am Rechner eingebaute, als auch externe Headsets oder angeschlossene Geräte. Software Mit der Version „Legal“ bringt „Dragon 13“ von Haus aus einen breiten juristischen Wortschatz mit und hält zudem die Möglichkeit bereit, eigene Befehle zur Bedienung der eingesetzten Kanzlei-Software einzurichten. Diese Version eignet sich für Kanzleien, die mit Spracherkennung schon vertraut sind und diese büroübergreifend implementieren wollen. Der Vertrieb erfolgt daher über Servicepartner, die unter der Seite von Dragon abgerufen werden können. Empfohlen wird die Version „Dragon 13 Premium“. Die Version Dragon „Legal“ enthält weitere Spezifikationen für die Arbeiten in Anwaltskanzleien die sich beim Testmuster tadellos bewerten. Weitere Nachweise unter www.nuance.de Hardware Bei der Auswahl stationärer und mobiler Diktiermikrofone sollte man vor allem darauf achten, dass sie ergonomisch gut zu handhaben sind. Marktführer auf diesem Gebiet „Olympus“ und „Philips“. Bei beiden Herstellern überzeugt die Sprachqualität. Philips hatte die aus meiner Sicht etwas besser durchdachten Lösungen mit verschleißfreien Schiebeschaltern, die sich zudem in ihrer Funktion noch anpassen lassen. Mein Test habe ich mit den Geräten „Philips SpeechMike“ und „Philips DPM 8000“ ausgeführt. Das mobile DPM 8000 kam dabei auch mit schwierigen akustischen Verhältnissen zurecht; wichtig im Flughafen-Wartebereich oder in lauten Umgebungen. Auswirkungen auf die Erkennungsleistung beim Diktieren hatte dies hier nicht. 79 KOLUMNE Anne’s Corner Fließende Finanzen designplus E büro für gestaltung Individuelle Beratung Konzeption Gestaltung Corporate Design Geschäftsausstattung Visitenkarten Briefpapier Responsive Webdesign iPad Magazine Illustrierte Erklärfilme eBooks Flashfilme Websites Facebookanbindung Einladungen Anzeigen Messebanner Imagebroschüren Textentwicklung Logoentwicklung Flyer, Faltblätter Newsletter Plakate Präsentationen für mobile Geräte Faire Budgetierung 80 igentlich sollte jeder wissen, dass Unternehmensführung vor und in der Krise mehr als nur das Management der harten Fakten ist. Denn heißt Sanierung nicht „heilen“? Ja – dann ist doch der Sanierer „der Heiler“, ergo derjenige, der der Firma hilft, wieder „ganz“ zu werden. Wie in der klassischen Medizin gilt es auch in der Unternehmensheilung nicht nur Symptome zu heilen, sondern neben der finanziellen Struktur des Unternehmens die Ursachen anzuschauen. Auch wenn das Wort Finanz ursprünglich von dem Lateinischen Wort „finis“ abstammt und Grenze heißt, so gilt es in der finanzwirtschaftlichen Sanierung erst einmal Blockaden zu lösen, sodass die Finanzen sozusagen gesund fließen können. Werden Unternehmensfinanzen nach Aristoteles geführt, dann ist „Das Ganze (ist) mehr als die Summe seiner Teile“. Es lässt sich erahnen, dass neben der Mathematik Finanzen damit vielleicht sogar etwas Feinstoffliches haben könnten, etwas, das wir mit der rational geführten Finanzwelt gar nicht in Verbindung bringen. Im Dschungel aus Cashflow-Begriffen Grafik- und Webdesign in der Kölner Südstadt T 0221 - 511119 www.designplus.de Nehmen wir den Cashflow als Beispiel: Cashflow ist das, was einem Unternehmen zu jedem Zeitpunkt für seine operative Geschäftstätigkeit und für seine Investitionen und letztendlich für sein wirtschaftliches Überleben zur Verfügung steht. Beschäftigt man sich mit der Terminologie des Cashflows, befindet man sich ziemlich schnell im Dschungel verschiedener mathematisch klingender Begrifflichkeiten wie Brutto- und Netto-Cashflow, Rücklagenzuführungen oder -auflösungen. Bei all diesen Begriffen ist es schwer zu glauben, dass Cashflow auch etwas Esoterisches haben könnte. Das erste Mal, als ich – als Engländerin – über das Wort Cashflow stolperte, war ich mir sicher, dass dieser Begriff einer Meditation entspringen müsste, denn „flow“ heißt fließen und erinnert sehr an Sprüche wie „Alles bleibt im Fluss“ oder „Lass es fließen“. Also Formulierungen eher für das Lösen geistiger Blockaden. Für jedes Unternehmen ist Liquidität das, was über geschäftliche Handlungsfähigkeit und Erfolg entscheidet, und auch „liquide“ bedeutet nichts anderes als „flüssig sein“. Der Fluss spielt also eine große Rolle im Unternehmen. Wie in der Natur ist der Geldfluss (Cashflow) einer Reihe von Ereignissen ausgesetzt. Ein Fluss, der durch Trockengebiete fließt, verliert sehr schnell an Feuchtigkeit und muss genügend Wasser führen, um selbst im Trockengebiet nicht aus- zutrocknen. Ein Fluss muss, wenn Hindernisse wie Felsen im Wege sind, einen anderen Verlauf als ursprünglich geplant nehmen und wenn die Hindernisse groß sind, an Geschwindigkeit gewinnen, um diese weiteren Wege zu umfließen. Und ein Schiff, das zum Ziel kommen möchte, muss sich auf den zuverlässigen Fluss verlassen. Komisch, dass so viele der wichtigsten Wirtschaftsbegriffe mit dem Transportweg Wasser zu tun haben. Auch das Wort Scheitern kommt aus der Schifffahrt. So ist der Fluss des Lebens auch im Unternehmen zu finden und ein Unternehmer muss bei Trockengebieten im Geldfluss dafür sorgen, dass das Geld rechtzeitig gemanagt wird, sodass der Geldfluss nicht stoppt. Nur zu genau erinnere ich mich an die Zeit, in der mein Cashflow kein Fluss mehr war, sondern ein Cash-Rinnsal, das zu versiegen drohte. Benjamin Franklin beschrieb passend: „Es gibt drei treue Freunde – eine alte Ehefrau, einen alter Hund und flüssiges Geld.“ Um sich der Freunde zu versichern, muss man sich vom Fluss inspirieren lassen. Wer die Schiffswege des Unternehmertums auf der Wasserstraße des Cashflows erkennt und mit Voraussicht managt, erlebt Scheitern nur selten. Leonardi da Vinci bemerkte: „Bei einem Fluss ist das Wasser, das man berührt, das Letzte, was vorübergeströmt ist, und das Erste, was kommt.“ Heilender Sanierer baut Geldfluss-Blockaden ab Also muss man den Geldfluss rechtzeitig anpacken, um die Zukunft zu beeinflussen. Der heilende Sanierer, der Blockaden löst und die Barrieren für „Finanzen“ abbaut, um das Geld in Fluss zu bringen, verleiht der Lösung von Krisen wortwörtlich eine andere Bedeutungsebene. Auf Deck gilt es, nicht ab in die Koje zu gehen, sondern mit der Crew klar Schiff zu machen. So wirkt das Team der Schlagseite entgegen und schwimmt im Kielwasser des Sanierers. Das wahre Geheimnis der erfolgreichen Sanierung liegt darin, es einfach fließen zu lassen. Oder wie wir Engländer sagen: to go with the flow. In diesem Sinne Ihre Anne Koark 81 SERVICE SERVICE Rechtsprechung Aus der Praxis richterlicher Entscheidungen Diese fortlaufende Folge über richterliche Entscheidungen erläutert insbesondere Aspekte von Krise, Sanierung und Insolvenz. Denn wirtschaftliche Schieflagen werfen vielfach spezielle juristische Fragen auf – für alle Beteiligten. So steigen beispielsweise die Haftungsrisiken schneller, je enger der rechtliche Rahmen gestaltet ist. Diesmal präsentiert „return“ drei Rechtsfälle. Definition: Die bei Restrukturierungs- und Sanierungsprozessen zu beachtende Rechtsprechung umfasst ein weites Feld an rechtsübergreifenden Entscheidungen. Neben dem Insolvenzrecht sind stets auch Urteile und Beschlüsse aus den Bereichen des Steuer-, Gesellschafts-, Straf-, Arbeits-, Sozialund des allgemeinen Zivilrechts im Blick zu behalten. In dieser Ausgabe möchten wir einige wichtige Entscheidungen der vergangenen sechs Monate vorstellen, die jeder kennen sollte, der sich mit dem Thema Sanierung und Restrukturierung beschäftigt oder damit in Berührung kommt. Haftung des Geschäftsführers einer insolvenzreifen GmbH für Vermögensschäden eines Vertragspartners Änderung der Körperschaftsteuer nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans BGH, 21.10.2014 - II ZR 113/13, www.lexetius.com/2014,4890 BFH, 22.10.2014 – I R 39/13, DB 2015, 35 Amtlicher Leitsatz: Hat eine insolvenzreife GmbH die von ihr geschuldete vertragliche Leistung nicht ordnungsgemäß erbracht und ist dadurch die Schädigung des Vermögens des Vertragspartners der GmbH durch deliktisches Handeln eines Dritten begünstigt worden, besteht darin unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Insolvenzantragspflicht kein die Haftung des Geschäftsführers der GmbH für den eingetretenen Schaden auslösender innerer Zusammenhang zwischen der Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Geschäftsführer und dem Vermögensschaden des Vertragspartners der GmbH. Anmerkung: Der Schutzzweck der Insolvenzantragspflicht rechtfertigt regelmäßig nur die Ersatzfähigkeit des Schadens, der dadurch entsteht, dass der vertragliche Neugläubiger infolge des Vertragsschlusses mit der insolvenzreifen Gesellschaft im Vertrauen auf deren Solvenz dieser noch Geld- oder Sachmittel als Vorleistungen zur Verfügung stellt und dadurch Kredit gewährt, ohne einen entsprechend werthaltigen Gegenanspruch oder eine entsprechende Gegenleistung zu erlangen, oder er infolge des Vertragsschlusses Aufwendungen erbracht hat. Wurde die vertragliche Leistung durch die insolvenzreife Gesellschaft nicht ordnungsgemäß erbracht und ist dadurch die Schädigung des Vermögens des Vertragspartners durch deliktisches Handeln eines Dritten begünstigt worden, besteht darin unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Insolvenzantragspflicht kein die Haftung des Geschäftsführers der GmbH für den eingetretenen Schaden auslösender innerer Zusammenhang zwischen der Verletzung der Insolvenzantragspflicht durch den Geschäftsführer und dem Vermögensschaden des Vertragspartners der GmbH. –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Insolvenzverschleppung auch bei faktischer Geschäftsführung BGH, 18.12.2014 – 4 StR 323/14 und 4 StR 324/14, ZInsO 2015, 196 Amtlicher Leitsatz: Der faktische Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung kann Täter einer Insolvenzverschleppung nach § 15a Abs. 4 InsO sein. 82 Amtlicher Leitsatz: Die nachinsolvenzliche Änderung einer vorinsolvenzlich erfolgten Körperschaftsteuerfestsetzung gemäß § 164 Abs. 2 AO ist nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplanes, der die vom FA angemeldete und im Prüfungstermin vom Steuerpflichtigen nicht bestrittene Körperschaftsteuerforderung erfasst, nicht mehr zulässig. Aus den Gründen: Rz. 17: Die Finanzbehörden werden mit ihren Forderungen mangels abweichender gesetzlicher Regelungen im Insolvenzplanverfahren wie andere Insolvenzgläubiger behandelt. Sie unterliegen wie diese der Gruppenbildung gemäß § 222 InsO und sind innerhalb ihrer Gruppe mit allen Beteiligten gleichzubehandeln (§ 226 InsO). Ergänzend zu den Regelungen der Insolvenzordnung bestimmt § 251 Abs. 2 Satz 2 AO lediglich, dass die Finanzbehörde nach Beendigung des Insolvenzverfahrens berechtigt ist, im Fall des § 257 InsO gegen den Schuldner im Verwaltungsweg zu vollstrecken. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass die nachinsolvenzliche Beitreibung der festgestellten Steuerforderung nicht nach den Regeln des zivilprozessualen Vollstreckungsrechts erfolgen muss, sondern im Verwaltungszwangsverfahren durchgeführt werden darf (vergleiche Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 20. Juli 2000 VII B 12/00, BFH/NV 2001, 144; BTDrucks VI/1982, 175). Rz. 18: Nach diesen Grundsätzen ist nach der rechtskräftigen Bestätigung eines Insolvenzplanes und der damit verbundenen Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine Änderung der Steuerfestsetzung gemäß § 164 Abs. 2 AO, die zum Wegfall der bereits in der Tabelle und dem Insolvenzplan festgestellten Forderung des FA führen soll, unzulässig. Einwendungen des Steuerpflichtigen gegen die Forderung sind durch Bestreiten im Prüfungstermin geltend zu machen. Ob und unter welchen Voraussetzungen sonstige Änderungen einer bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgten Steuerfestsetzung in Betracht zu ziehen sind (zum Beispiel zwecks Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses oder eines später ergangenen Grundlagenbescheids gemäß § 175 AO), bedarf im Streitfall keiner Entscheidung, da vorliegend allein die Korrekturvorschrift des § 164 Abs. 2 AO einschlägig ist. Rz. 19: Die rechtsgestaltenden und abschließenden Regelungen des Insolvenzplanes stehen einer nachträglichen Änderung der Steuerfestsetzung gemäß § 164 Abs. 2 AO, die zu einer Erhöhung, Verringerung oder dem Wegfall der Steuerforderung führen würde, entgegen (andere Ansicht Bartone, AO-StB 2008, 132). 83 SERVICE SERVICE Bücher Medien Zeitschriften Robert Buchalik § 1 InsO – Der Erhalt des Unternehmens als Ziel des Insolvenzverfahrens nach Inkrafttreten des ESUG? Seit mehr als 130 Jahren ist das Ziel eines Insolvenzverfahrens mit der Erzielung der bestmöglichen Quote für die Gläubiger definiert. Der Autor stellt dies infrage und weist darauf hin, dass diese zeitpunktbezogene Betrachtung zu kurz greife, denn für die Gläubiger sei der Erhalt des Unternehmens und damit der Kunden- und Lieferantenbeziehungen viel wichtiger und langfristig ertragreicher. Buchalik plädiert vor diesem Hintergrund für eine Überprüfung der tradierten Positionen und weist auf die besonderen Erfolge einer nachhaltigen Sanierung unter Insolvenzschutz nach dem ESUG hin. Dr. Benedikt Hövelmann, Sylvia Wipperfürth Arbeitsrechtliche Handlungsflexibilität im Restrukturierungsprozess Die Autoren erläutern arbeitsrechtliche Möglichkeiten zur Umsetzung von Restrukturierungsmaßahmen und diskutieren, ob und inwieweit durch Ausreizen des arbeits- und insolvenzrechtlichen Rahmens Handlungsoptionen bestehen, die geeignet sind, Restrukturierungsmaßnahmen zu ökonomisieren. Der Beitrag zeigt das Handlungsspektrum auf, welches sich bei einzelvertraglichen Abreden, Betriebsvereinbarungen, tarifvertraglichen Regelungen, Kurzarbeit etc. bietet und beleuchtet unter monetären, zeitlichen und personalstrategischen Gesichtspunkten die Umsetzbarkeit von Mediation, Güterichterverfahren, Mini Trial, Schlichtung, Collaborative Practice sowie anderen mediativen Konfliktlösungsmodellen. Original erschienen in ZInsO 2015, 480 - 485 Original erschienen in: ZInsO 2015, 225 - 231 Thorsten Decker/Dr. Thiemo Schäfer Die Unternehmensinsolvenz aus lnvestorensicht Decker und Schäfer legen einleitend dar, dass der Unternehmenskauf aus der Insolvenz oder die Beteiligung an einem insolventen Unternehmen im Rahmen einer Sanierung für Investoren nicht nur mit ökonomischen, sondern auch mit einer Vielzahl von rechtlichen Besonderheiten verbunden ist. Sie zeigen auf, dass es in der Regelinsolvenz verschiedene Investitionsmöglichkeiten gibt und stellen heraus, dass insbesondere das Insolvenzplanverfahren dem Investor vielfältige Investitionsmöglichkeiten eröffnet. Abschließend setzen sich die Autoren dezidiert mit den Investitionsmöglichkeiten bei der Eigenverwaltung sowie beim Schutzschirmverfahren auseinander. Original erschienen in BB 2015, 198 - 205 Klaus Maier Zwischen Wahn und Sinn – zur Qualität von Verteidigungsargumenten bei Insolvenzanfechtungen Der durchaus launig verfasste und lesenswerte Beitrag setzt sich mit 14 immer wieder auftauchenden Verteidigungsargumenten auseinander und weist die Haltlosigkeit dieser verbreiteten Argumente nach. Der Autor verarbeitet dabei seine Erfahrungen aus insolvenzrechtlichen Anfechtungsprozessen und schlussfolgert, dass die meisten in diesen Verfahren vorgebrachten Argumente von Fachfremdheit und fehlender Detailkenntnis der spezifischen gesetzlichen Regelungen sowie der besonderen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes getragen sind. Für Unternehmen wie für Rechtsanwälte gibt der Beitrag wichtige Orientierungen und kann als eine Checkliste bei der Frage „Gute Verteidigung – schlechte Verteidigung“ genutzt werden. Original erschienen in ZInsO 2015, 339 - 342 84 Joerg Bartussek/Oliver Weyergraf Mad Business – Was in Führungsetagen der Konzerne wirklich abgeht Karlheinz Geißler/Jonas Geißler Time is honey – Vom klugen Umgang mit der Zeit „Klartext über den Wahnsinn“ mit „authentischen Stimmen Dutzender Topmanager“ soll das Buch laut Verlags-Mitteilung dem Leser bieten. Die fiktive Geschichte rund um die Figur Paul Hecht basiere auf Interviews mit Managern aus zehn verschiedenen Branchen, davon 25 Prozent in CEO-Funktion. Dabei seien „haarsträubende Insiderberichte“ herausgekommen und eine „Realsatire“ entstanden, die mit einer „chaotischen und absurden Wirklichkeit“ konfrontiere. Die beiden Autoren scheinen zumindest die Praxis zu kennen: Der studierte Rechtswissenschaftler Bartussek habe selbst als Manager für Großunternehmen gearbeitet, der studierte Betriebswirt Weyergraf führte als Geschäftsführer mehrere Internetfirmen und war lange als Manager in internationalen Konzernen tätig. „Zeit kann man nicht managen, man kann sie nur leben“, lautet hier die Botschaft. Volle Seminare zum Zeitmanagement oder der „Zeit-Coach“ als neuer Berufszweig – die Ökonomisierung von Tagen, Stunden und Minuten lasse tief blicken, meinen die beiden als „Zeitforscher und -berater“ ausgewiesenen Autoren. Sie wollen der „Zeit-ist-Geld-Logik“ ihre Sicht entgegenstellen und eine „Vielzahl von Zeitqualitäten“ aufzeigen. Prof. Dr. Karlheinz Geißler hat Philosophie, Ökonomie und Pädagogik studiert und war Professor für Wirtschaftspädagogik an der Universität der Bundeswehr in München. Er beschäftigt sich seit 30 Jahren mit der Zeit und lebt seitdem ohne Uhr. Jonas Geißler absolvierte ein Studium aus Soziologie und Medien-Management und arbeitet als Trainer und Berater mit den Schwerpunkten systematische Organisationsentwicklung, Führungskräftecoaching und Nachhaltigkeit. 240 Seiten, 22,99 Euro, seit 9. Februar 2015 ISBN 978-3-593-50124-6, Campus Verlag 240 Seiten, 17,95 Euro, ab 16. März 2015 ISBN-13: 978-3-86581-706-8, Oekom Verlag Michael C. Frege Verhandlungserfolg in Unternehmenskrise und Sanierung Jürgen Staab Die sieben häufigsten Insolvenzgründe erkennen und vermeiden Eine Vielzahl an Tipps, Checklisten und Praxishinweisen verspricht der Verlag bei diesem gebundenen fast 300-Seiter in zweiter Auflage. Dem möchte man glauben, denn erstens datiert die Erstveröffentlichung aus Dezember 2007. Zweitens verfügt der Autor nachgewiesen über langjährige Erfahrungen. Dr. Frege arbeitet immerhin in der renommierten Kanzlei CMS Hasche Sigle als Partner, als Rechtsanwalt, als Fachanwalt für Insolvenzrecht und als Wirtschaftsmediator in einer Person. Als Insolvenzverwalter auf dem Gebiet der Unternehmensinsolvenzen und als Sanierungsberater im Vorfeld von Insolvenzen größerer Unternehmen befasst sich der Experte insgesamt seit über 20 Jahren mit dem Insolvenzrecht. Wie sind Verhandlungen zu führen, wenn die Ergebnisse allen Interessen gerecht werden sollen? Gesetzmäßigkeiten und Regeln seien hier methodisch erläutert, heißt es dazu in der Verlagsinformation, wissenschaftliche Grundlagen zu verschiedenen Disziplinen seien erklärt. In acht von zehn Insolvenzfällen seien Unternehmen bis zu fünf Mitarbeitern betroffen, beruft sich die Verlagsankündigung auf Creditreform-Zahlen. Entsprechend sieht Jürgen Staab seine Empfehlungen als „Wegweiser speziell für kleinere und mittlere Unternehmen“. Er gibt einen Überblick über die häufigsten „existenzbedrohenden Managementfehler“ und liefert „praxisbewährte Lösungen zur Selbsthilfe“. Fördermittel-Einsatz, Finanzierung und nachhaltiges Management sind genannt. Seine Erfahrungen speist er aus Stationen bei Andersen Consulting und PwC sowie aus seinem aktuellen Wirken als Unternehmensberater und Vorstandsvorsitzender einer Energiegenossenschaft. Das Buch soll Geschäftsführer dabei unterstützen, Risiken frühzeitig zu erkennen und vorzubeugen sowie in Schieflagen richtig zu handeln. Vorab sind acht Gründe für Insolvenzen genannt – vom fehlenden Controlling über unzureichendes Debitorenmanagement bis zu Kommunikationsdefiziten. 290 Seiten, 69 Euro, seit 1. März 2015 ISBN-13: 978-3-81458-158-3, RWS Verlag 192 Seiten, 19,99 Euro, ab 14. März 2015 ISBN: 978-3-658-06425-9, Verlag Springer Gabler 85 SERVICE SERVICE Termine Krisenkommunikationsgipfel 2015 Management von Reputation Dem „Krisenmanagement in der digitalisierten Gesellschaft“ für Unternehmen, Behörde, Verband und Politik widmen sich die Kommunikatoren, Krisenbeauftragten, Wissenschaftler und Manager. Termin:18. März 2015 Ort: Bonn www.krisenkommunikationsgipfel.de –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 12. Deutscher Insolvenzrechtstag Neueste Rechtsprechung Geballtes Wissen rund um Urteil, Änderung, Auswirkung und Anwendung vermittelt das viertägige Programm aus zahlreichen Vorträgen und fünf Workshops. Termin: 18. bis 20. März 2015 Ort: Berlin www.arge-insolvenzrecht.de –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Fachlehrgang Sanieren unter Insolvenzschutz Geprüfter ESUG-Berater Erfolgreiche Teilnehmer können Unternehmen in Schutzschirmverfahren und Eigenverwaltung beraten oder als Interimsmanager begleiten. Abschluss als „Geprüfter ESUGBerater (DIAI)“ möglich. Termin: 22. bis 25. April 2015 (Modul II) Ort: Berlin www.mfinso.de ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Seminar zu Sanierung und Abwicklung Risiken in Verträgen Referenten erläutern Gebiete, Gestaltungen, Probleme und Lösungen zu den wichtigsten Verträgen und Formularen in Sanierung, Insolvenz und Abwicklung. Termin: 23. April 2015 Ort: Frankfurt/Main www.fc-heidelberg.de –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– 11. Handelsblatt Jahrestagung Restrukturierung „Zukunftsfähig durch Transformation“ lautet sinngemäß der Untertitel des Jahrestreffens der Restrukturierungs- und Sanierungsbranche. Termin: 23. und 24. April 2015 Ort: Frankfurt/Main www.handelsblatt-restrukturierung.de 86 Deutscher Steuerberaterkongress Berufsstand-Praxis Themen, mit denen sich Steuerberater in der Praxis befassen, verspricht die Spitzenorganisation des Berufsstandes in Arbeitskreisen, Foren und Workshops. Termin: 4./5. Mai 2015 Ort: Hamburg www.bstbk.de –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Kompaktseminar Sanierung bei Firmenkunden Grundlagen und Workshop vereint das Angebot zu Sanierung und Insolvenzrecht bei Firmenkunden. Termin: 4. bis 6. Mai 2015 Ort: Karlsruhe www.bwgv-akademie.de –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Insolvenztage 2015 Tools Insolvenzverfahren deutschlandweit suchen Die Insolvenzgerichte der Bundesrepublik Deutschland veröffentlichen alle Bekanntmachungen, die vorzunehmen sind, wenn ein Insolvenzverfahren bei Gericht beantragt worden ist. Eine komfortable Suche ist möglich unter: www.insolvenzbekanntmachungen.de ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Stellenmarkt Personalbereich Ein speziell auf den Personalbereich ausgerichteten Stellenmarkt finden Sie unter: www.personalwirtschaft.de/de/html/content/460/Stellenmarkt/ Checkliste Arbeitgeberattraktivität zum Download Einen ersten Einstieg in das Themenfeld „Mitarbeiterbindung und Arbeitgeberattraktivität“ bietet die von I.O. BUSINESS® entwickelte Checkliste „Arbeitgeberattraktivität“. Anhand von Indikatoren kann geprüft werden, wie es aktuell um die Arbeitgeberattraktivität bestellt ist. In weiteren Schritten werden die Ziele sowie die strategische Ausrichtung zur Steigerung der Attraktivität definiert. Die Checkliste versteht sich als Tool, das Unternehmen, Unternehmern und Führungskräften eine Idee davon vermittelt, was unter Arbeitgeberattraktivität zu verstehen ist und zeigt Möglichkeiten auf, die ein Engagement in dem Themenfeld geben kann. Nähere Informationen unter: www.systagon.de Rückblick und Ausblick Ein „Update“ zu Reformen, Rechten, Verfahren und Praxisfällen stellt diese Fachtagung in Aussicht. Termin: 21. Mai 2015 Ort: Düsseldorf www.anwaltakademie.de –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Gläubigerkongress Wirtschaft im Wandel Tiefgreifende Folgen für die operative Sanierung greift der Veranstalter in seiner Ankündigung beispielhaft im Handel und in der Automobilbranche auf, die im Mittelpunkt des 4. Deutschen Gläubigerkongresses stehen. Termin: 10./11. Juni 2015 Ort: Köln www.glaeubigerkongress.com –––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Berufsbegleitender Studiengang Berater-Ausbildung Eine Ausbildung zum qualifizierten Berater im Wirtschaftsund Insolvenzrecht mit einem international anerkannten und akkreditierten Mastergrad als akademischen Abschluss gehört zu diesem Angebot unter dem Titel „Wirtschaftsrecht & Restrukturierung“. Termin: Anmeldung bis 15. Juni 2015, Beginn ab 14. September 2015 Ort: Münster www.uni-muenster-llm.de 87 RETURN BIS Z RETURN BIS Z Vorschau 02/15 Leserservice Impressum Die nächste Ausgabe von „return – Magazin für Sanierungsmanagement“ erscheint am 8. Juni 2015. „return – Magazin für Sanierungsmanagement“ erscheint viermal pro Jahr und ist im Abonnement zu beziehen. Verbände, Vereinigungen und Organisationen erhalten ab einer gewissen Größenordnung für Mitglieder auch Heftkontingente zu Sonderkonditionen. return – Magazin für Sanierungsmanagement erscheint im Carl Heymanns Verlag in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Institut für angewandtes Insolvenzrecht e.V. (DIAI) Jahresabonnement (Print-Preis) 95,20 Euro zzgl. Versandkosten Geschäftsführende Herausgeber Prof. Dr. Hans Haarmeyer Oliver Holzinger Schwerpunkt: Handel im Wandel – anpassungsfähige und zukunftsweisende Geschäftsmodelle Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte direkt an den Verlag: Wolters Kluwer Deutschland GmbH Frau Angela Bühs Luxemburger Str. 449, 50939 Köln Telefon: (02 21) 9 43 73-71 26 Telefax: (02 21) 9 43 73-1 71 26 [email protected] Detaillierte Informationen zu den Abonnements finden Sie im Internet: www.return-sanierungsmagazin.de Chefredakteur Thorsten Garber Redaktion und ständige Mitarbeit Dr. Andreas Fröhlich, Peter Hützen, Catrin Kindler, Anne Koark, Jürgen Spreemann, Sylvia Wipperfürth Freier Kolumnist Ralf-Dieter Brunowsky Verlag und Redaktionsanschrift Wolters Kluwer Deutschland GmbH Frau Angela Bühs Luxemburger Str. 449, 50939 Köln Telefon: (02 21) 9 43 73-71 26 Telefax: (02 21) 9 43 73-1 71 26 [email protected] Textnachweis Beiträge ohne Autorennennung stammen von der Redaktion. Autorenverzeichnis Prof. Dr. Hans Haarmeyer, S. 3 Herausgeber Urheber- und Verlagsrechte Annahme nur von Originalaufsätzen, die ausschließlich dem Verlag zur Alleinverwertung in allen Medien angeboten werden. Mit der Annahme des Manuskripts durch den Verlag überträgt der Autor dem Verlag für die Dauer von vier Jahren das ausschließliche, danach das einfache Nutzungsrecht. Das Nutzungsrecht umfasst insbesondere auch die Befugnis zur Einspeicherung in Datenbanken sowie zur weiteren Vervielfältigung im Wege fotomechanischer oder elektronischer Verfahren, einschl. Disketten, CD-ROM, DVD und Online-Diensten. Die Zeitschrift und alle in ihr enthaltenen Beiträge und Abbildungen sind urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich zugelassenen Fälle ist eine Verwertung ohne Einwilligung des Verlages unzulässig. Thorsten Garber, S. 6/7/85 Chefredakteur Umschlag, Satz und Layout Dipl.-Des. Carina Harbarth, Köln www.designplus.de Dr. Michael Groß, S. 38 Geschäftsführer der Groß & Cie. GmbH Erscheinungsweise viermal pro Jahr ¢ Trends und Tendenzen für den Handel 2050 – und wie clevere Kaufleute sie schon heute antizipieren ¢ Erfolgsstrategien namhafter Händler ¢ Vorbilder der Krisenbewältigung NACHRUF ¢ Neuralgische Punkte des stationären Handels Jeder Abschied ist die Geburt einer Erinnerung ¢ Ladenlokal versus Onlineshop? – von Gegnerschaft und Bündnis Tief betroffen nehmen wir Abschied von unserem Redaktionsmitglied ¢ Führende Forscher über das Optimum in Marketing, Filialprozess und Logistik Jochen von Plüskow ¢ Technik und Mensch – Bedienung, die begeistert verstorben am 6. Januar 2015 Wir trauern um einen lieb gewonnenen Menschen, der für uns unvergesslich bleiben wird. Köln, im März 2015 Die return-Redaktion Anzeigenverkauf Karsten Kühn Telefon: (02 21) 9 43 73-77 97 Telefax: (02 21) 9 43 73-1 77 97 [email protected] Das ePaper aller Ausgaben und weitergehende Informationen finden Sie unter www.return-sanierungsmagazin.de Artikel-Nr.: 58565501 ISSN: 2199-8841 Dr. Andreas Fröhlich, S. 8/10 Geschäftsführer der perspektiv GmbH Ralf-Dieter Brunowsky, S. 13 Publizist und Kommunikationsberater Jürgen Spreemann, S. 14 Freier Journalist Sylvia Wipperfürth, S.18/56/62 Diplom-Rechtspflegerin und Mediatorin Lutz Paschen, S. 24 Rechtsanwalt Dr. Christoph Niering, S.26 Vorsitzender des Verbandes Insolvenzverwalter Deutschlands Marzena Sierant, S. 42 Mental-Coach und Betriebspädagogin Peter Hützen, S. 48 Rechtsanwalt, FA ArbR, vangard Arbeitsrecht Thomas Schulz, S. 52 Journalist, tsc.komm Anzeigendisposition Stefanie Szillat Telefon (02 21) 9 43 73-74 26 Telefax (02 21) 9 43 73-1 74 26 [email protected] Corinna Schulz, S. 60 Freie Journalistin Abbildungsnachweise ©iStockphoto.com/axstokes ©iStockphoto.com/ellobo1 ©iStockphoto.com/YU22 ©iStockphoto.com/bobey100 ©iStockphoto.com/denphumi ©bigstockphoto.com/akov Kalinin ©bigstockphoto.com/foodbytes ©bigstockphoto.com/Bigedhar ©bigstockphoto.com/Ksander ©bigstockphoto.com/Gustavo Frazao Jochen Wierz, S. 71 Director der perspektiv GmbH Prof. Dr. Hugo Grote, S. 68 Professor für Wirtschaftsrecht Dr. Andreas Ringstmeier, S. 72 Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Christoph Hillebrand, S.74 Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Markus J. Sauerwald, S.78 Rechtsanwalt und Verlagsleiter Anne Koark, S. 81 Schriftstellerin 88 89 SERVICE Gewinnen und genießen Traumhaftes Wochenende im Rheinhotel Dreesen Reif für eine Auszeit im außergewöhnlichen Ambiente? Im Gewinnspiel für „return“-Leser lockt ein traumhaftes Wochenende für Zeit zu zweit im stilvollen Rheinhotel Dreesen. Erholsame Entspannung mit elegantem Komfort, Relaxen mit Rheinblick im traditionsreichen „weißen Haus“, aktive Abwechslung in paradiesischer Natur oder anregender Museumsmeile – ein Fest für Genießer. Herzlichkeit und Köstlichkeit Mit retu rn ein Wochen ede im „Rheinh otel Dreesen “ gewinne n! Auch ohne tiefergehende Sprachkenntnisse im „Bönnsch“, dem Bonner Dialekt, empfängt das Team des Dreesens einen Jeden mit der typischen Bonner Herzlichkeit, der sich nach einem wohligen Zimmer sehnt und/oder Hunger und Durst stillen möchte. Rheinische Spezialitäten wie der klassische Sauerbraten und Kölsch sind nur allzu selbstverständlich. Wer dem – zugegebenermaßen sehr speziellem Landestypischen weniger zugetan ist, kann sich bestens an dem atemberaubenden Blick auf den Rhein und das Siebengebirge berauschen. Unmittelbarer und direkter wird der Rheinblick nirgends. „Schön“ ist stets Geschmackssache, aber die Lage ist es sicher. Dann sollten wir uns kennenlernen! Gastfreundschaft mit Stil 120 Jahre Familientradition und gelebte Gastfreundschaft verspricht die architektonisch stilvoll und mit neuzeitlichem Komfort ausgestattete Herberge sowohl für Feriengäste als auch Geschäftsleute, die die Tagungsmöglichkeiten für anspruchsvolle Konferenzen und Seminare nutzen möchten. Mit einer Entfernung von knapp 7 km zur Bonner Innenstadt, dem unmittelbar angrenzenden Rheinufer sind der Auszeit-Gestaltung kaum Grenzen gesetzt – Naturgenuss, Ausflüge, Shopping und zahlreiche Sportmöglichkeiten. Während der angeschlossene Rheinufer-Biergarten noch auf warme Sonnenzeiten wartet, lädt der eindrucksvoll gestaltete Salon des Hotelrestaurants ganzjährig zum Dinieren, Brunchen oder Feiern ein. Prädikat: Stil sicher! SIE SIND FÜHRUNGSKRAFT AUF ZEIT? Wir verlosen ein Wochenende für zwei Personen (2xÜ/F) im Hotel Dreesen in einem Zimmer mit Rheinblick. Senden Sie uns einfach mit dem Betreff „Dreesen“ eine E-Mail an: [email protected]. Namen, Adresse und Telefonnummer nicht vergessen! Der Gewinner wird per Mail benachrichtigt. Der Rechtsweg und eine Barauszahlung des Gewinns sind ausgeschlossen. Einsendeschluss ist der 20.04.2015. Als führender Berufs- und Wirtschaftsverband setzt sich die Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e. V. (DDIM) für professionelles Management auf Zeit sowie die Interessen ihrer Mitglieder und Partner ein. Wir organisieren Netzwerkveranstaltungen, fördern den Wissenstransfer, bieten Qualifizierungsangebote und Sonderkonditionen für spezifische Versicherungs- und Rechtsberatungsleistungen. Als kompetenter und unabhängiger Ansprechpartner versorgen wir Wirtschaft, Politik und Öffentlichkeit mit relevanten Informationen zu allen wesentlichen Branchenfragen. Die Gewinner aus unseren Verlosungen für Schlemmertouren durch Köln, Hamburg und München heißen: Martin Malewski aus Köln, Claudia Ruks aus Ammersbek und Antonella Siconolfi aus München. Herzlichen Glückwunsch! Lernen Sie uns kennen! Besuchen Sie uns dazu doch auf einer unserer vielen Veranstaltungen. 90 www.ddim.de Kontakt DDIM - Dachgesellschaft Deutsches Interim Management e.V. Antwerpener Str. 14 | D-50672 Köln T: +49 [221] 71 66 66-17 Wir helfen in der Krise von Unternehmen. Je früher Sie sich an uns wenden, desto mehr können wir für Sie tun! Rufen Sie uns an: 089 74 329 750. Rechtsberatung · Sanierung & Restrukturierung · Insolvenzverwaltung Deutschland · Aschaffenburg · Augsburg · Bad Kreuznach · Bayreuth · Berlin · Bielefeld · Braunschweig Bremen · Chemnitz · Dresden · Essen · Frankfurt/M. · Gießen · Hallbergmoos · Hamburg · Hannover · Heilbronn Herford · Kassel · Koblenz · Köln · Leipzig · Magdeburg · Mainz · Mannheim · München · Münster · Nürnberg Oldenburg · Regensburg · Solingen · Stuttgart · Ulm · Würzburg · Italien · Mailand · Polen · Ostrów Wielkopolski Spanien · Barcelona · Las Palmas · Madrid · Santa Cruz www.pluta.net 92
© Copyright 2025 ExpyDoc