60 Sonntag/Montag, 15./16. März 2015 > < LEBENSART Ackerbau mit Ausblick: „Bauer Werner Großklaus in Krusendorf hat einen der schönstgelegenen Höfe direkt an der Ostsee.“ Fotos: Oliver Franke Herrschaftliche Schätze: „Das schöne Herrenhaus von Gut Farve liegt ganz versteckt in der Nähe des Weissenhäuser Strandes.“ Strandgut der Moderne: „An einem Strand auf Föhr hat jemand aus dem angestrandeten Plastikmüll Kunst gemacht – ein Mahnmal.“ Neue Perspektiven „Schleswig-Holstein“ heißt schlicht ein neuer Bildband mit Fotografien von Oliver Franke. Seit 25 Jahren erkundet der Kieler Fotograf das Land mit der Kamera. Mit überraschenden Perspektiven. Von Regine Ley D as Gelände trägt die Spuren seiner Vergangenheit, fast meint man, Hammerschläge auf schweres Eisen fallen zu hören. Wie von der Zeit vergessen wirkt die Werftbahnstraße unweit des Willy-Brandt-Ufers in Kiel, dort, wo der Keil des Hafens in die Stadt stößt. Eine Industriebrache mit Tankstelle und einer langgeduckten Werkhalle. Vor Jahrzehnten wurden hier Anker repariert, später war das Gebäude die Produktionsschmiede der legendären „Werner“-Comics; heute ist das „W 8“ – die Werftbahnstraße 8 – eine Kreativschmiede und Eventlocation. Werbeagenturen, Medien- und Kulturschaffende, Selbständige arbeiten hier, und seit 2011 auch Oliver Franke. Das Studio des Fotografen liegt hinter einer hohen, schweren Eisentür, durchlöchert von gläsernen Bullaugen wirkt sie leicht, fast schwebend, ein Kunstwerk. Früher verschloss ein Rolltor den Eingang, das beim Einzug einen Elementarschaden durch Frankes Wohnmobil er) ) litt. Er hatte sich beim Zurücksetzen so im Tor verkeilt, dass er den Bus mit der Stichsäge befreien musste. „Sieht jetzt doch viel besser aus!“ Oliver Franke lacht. Der bald 50-Jährige ist ein Nordlicht, ein Sur- Olaf Franke fer, der weltweit den Wellen nachjagte, schlank, mit offenem Blick, windzerzaustem Blondschopf und einem Gesicht, in das Wind, Wetter und die Jahre ihre Li- Vorfreude auf den Sommer: Dann ist der Fotograf Oliver Franke wieder im offenen „Dienstwagen“ unterwegs, seinem gelben VW-Kübelwagen Baujahr 1973. nien geschrieben haben; in Kiel geboren und aufgewachsen. Aus seinen 25 Jahren als Fotograf und leidenschaftlicher Wellenreiter kennt er die schönsten Schles„Spots“ wig-Holsteins, den Küstenlauf und die Strände, an denen er im VW-Bus auf die richtige Welle gewartet hat, er kennt die Schwingungen von Nord- und Ostsee – und die des Landes zwischen den Meeren. Er hat sie festgehalten, mehr als 600 000 Bildmotive zählt sein Archiv. Einige der schönsten Aufnahmen sind in dem jetzt erschienenen D D Ich liebe SchleswigHolstein. Ich möchte nirgends anders zuhause sein.“ Nasse Ernte: „Bei Regen und Sturm holen die Dithmarscher Kohlbauern zwischen Heide und Büsum die dicken Köpfe vom Feld.“ Bildband „Schleswig-Holstein“ im Wachholtz-Verlag zu sehen, ein Band von monumentalen Maßen, Din A3 groß passt er in kaum ein Bücherregal. Soll er auch nicht. Aufgeschlagen eröffnen die großformatigen Bilder ungeahnte Perspektiven auf das Land: Wildwest-Stimmung auf den wilden Weiden Schleswig-Holsteins, stille Strände und stille Winkel wie Gut Farve in Ostholstein, Küste und Kohlernte unter sturmdüsterem Himmel. Und immer wieder weite Panoramen, die den Blick öffnen für die Schönheiten des nördlichsten Bundeslandes, fotografiert aus der Vogelperspektive. Seit Jahren begleitet Oliver Franke parallel zur Kieler Woche die Balloon-Sail mit der Kamera. Die Ballonfahrten sind eine Fotosafari für den Landschaftsjä- ger, seine „Abschüsse“ aus dem Korb oft visuell atemberaubende Treffer. „Ich liebe Schleswig-Holstein“, sagt Oliver Franke. „Ich möchte nirgendwo anders zu Hause sein als zwischen den beiden Meeren.“ Aus mehr als 1500 Fotos wurden 150 Bilder für den opulenten Band ausgewählt; Erzählungen norddeutscher Autoren, die der Verleger in die Bildstrecken eingestreut hat, geben den Fotos einen textlichen Rahmen. Viele der Aufnahmen sind in den frühen Morgenstunden entstanden. „Das gibt den Dingen eine andere Plastizität, ein Leuchten. Das suche ich.“ Dafür schält Franke sich im ersten Licht des Tages schlaftrunken aus dem VW-Bus, seinem „Dienstwagen“. Er steht dort, wo ein Auftrag ihn hinführt, Stilles Wasser: „Kurz nach Sonnenaufgang im Eckernförder Hafen, dann herrscht dort immer eine ganz besondere Stimmung.“ immer dicht an den Motiven. Für kürzere Touren kommt im Sommer das „Cabrio“, der VW-Kübelwagen mit klappbarem Verdeck, zum Einsatz, ein ehemaliges, jetzt sonnengelbes, Militärfahrzeug mit dem Schriftzug „The endless summer“. Momentan parkt das Auto wie ein überdimensioniertes Accessoire im 200 Quadratmeter großen Fotoatelier in der Werftbahnstraße. Oliver Franke führt durch die Kultschmiede Kiel „W 8“, und man spürt die Freude darüber, dass er seinen Platz an diesem Standort kreativen Schaffens gefunden hat. Es war ein langer Weg, sich von der Werbeagentur des Vaters, „ide stampe“, und den elterlichen Erwartungen hinsichtlich der Nachfolge zu lösen. Franke lernte sein Handwerk im Fotoatelier der Agentur Foto: Florian Bresa und an der Fotoschule in Kiel, war lange Jahre Mitgesellschafter der Agentur und leitete den Bildbereich, „aber ich bin froh, dass diese Zeit zu Ende ist“. 2008 machte er sich erfolgreich selbständig. Oliver Franke ist angekommen. Auf einem Foto hinter seinem Schreibtisch im Studio baut sich über die ganze Breite der Wand eine Welle auf wie ein Versprechen. Er wird sie reiten; draußen steht der VW-Bus startbereit. e Schleswig-Holstein. Fotografien von Oliver Franke, Wachholtz Verlag, 29,7 x 42 cm, 150 Bilder, 192 Seiten, limitierte Auflage, 148 Euro Vogelperspektive: „Kiel aus dem Korb gesehen. Das Foto ist während der Balloon Sail am ganz frühen Morgen entstanden.“
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