Panorama 2014/2015

pzh2015
Das Magazin des Produktionstechnischen Zentrums
der Leibniz Universität Hannover / Jahresbericht 2014
Schon zehn – und jetzt?
Ein Geburtstagsheft fürs PZH
Editorial
kooperation stärkt innovation
– von der Idee zum fertigen Produkt
Liebe Leser,
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zehn Jahre Forschung am PZH: Es ist erstaunlich, wie schnell – in der
Rückschau – diese zehn Jahre vergangen sind! Andererseits scheint die
Zeit davor, als wir in zu klein gewordenen Gebäuden in Hannovers Nordstadt ansässig waren, bereits extrem weit zurückzuliegen.
Dieses erste runde Jubiläum ist ein guter Anlass, zurückzublicken und
auch uns selbst die PZH-„Geschichte“ ins Gedächtnis zu rufen. Nur
vier von uns sieben Professoren, die im PZH heute ein Institut leiten,
haben den Umzug miterlebt, die anderen sind im Laufe der zehn Jahre
dazugekommen. Bei den Wissenschaftlichen Mitarbeitern ist es nur eine
kleine Minderheit, die selbst mit umgezogen ist. Es ist gut, sich bewusst
zu machen, welche Erleichterungen bei der täglichen Arbeit und welche
Möglichkeiten ein Zentrum wie das PZH bietet.
Prof. Dr.-Ing. Bernd-Arno Behrens
Das beste Beispiel dafür ist der Sonderforschungsbereich „Gentelligente
Bauteile“, der parallel zum PZH vorbereitet wurde und nun ebenfalls zehn
Jahre alt ist. Aus diesem SFB heraus wird ein Netzwerk mit der Industrie
gegründet, um die interdisziplinären Forschungsergebnisse im Sinne der
Industrie-4.0-Entwicklung in die Praxis zu bringen. Die Reportage vom
großen Kick-off im Januar dieses Jahres erzählt davon (Seite 38). Auch die
Geschichte des neuen Leichtbaustahls, die ebenfalls maßgeblich im PZH
geschrieben wird, beleuchtet das Zusammenwirken unterschiedlicher Disziplinen, um eine neue Prozesskette nicht in ihren Einzelschritten, sondern
als Ganzes optimal zu entwickeln (Seite 48).
Natürlich hoffen wir, dass dieser Blick auf unsere Geschichte und unser
aktuelles Wirken auch für externe Leser unterhaltsam und gewinnbringend ist. Für unsere Kollegen aus der Fakultät für Maschinenbau, die noch
in der Nordstadt arbeiten und in wenigen Jahren im Neubau vis-à-vis des
PZH ebenfalls auf kurze Wege setzen können, mag es Trost und Ansporn
sein: So ein Umzug ist kein Spaß, aber Tür an Tür zu forschen ist es dafür
umso mehr.
Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena
Viel Spaß beim Lesen wünschen
Bernd-Arno Behrens
Vorstandssprecher 2014
Berend Denkena
Vorstandssprecher 2015
3
Panorama
8
6 Die Nacht, die Wissen schafft
8 Mädchen-und-Technik-Kongress
22
10 Kurz & gut
13 Konferenz & Co.
16 Fokus Forschung
28
Zehn Jahre PZH
34
342004 bis 2014: Menschen & Geschichten
Meriem Akin ist aus Berkeley zurückgekommen – nach Hannover,
nicht nach Tunis. Peter Nyhuis nimmt eine Auszeit als Institutsleiter – um mal wieder richtig forschen zu können.
48
28Am Anfang war...
... nicht Rohbau mit Blasmusik, sondern die Idee des gemeinsamen
Forschungszentrums. Ein kleiner Bilderbogen vom ersten Spatenstich hin zu einigen Glanzlichtern aus zehn Jahren.
38Jetzt zusammen – Kickoff zum Industrie-4.0-Netzwerk
Er begleitet das PZH von Anfang an: Der Sonderforschungsbereich
„Gentelligente Bauteile“ ist quasi mitgewachsen. Jetzt weist er mit
seinen Industrie-4.0-relevanten Ergebnissen weit in die Zukunft.
442004 bis 2014: Menschen & Geschichten
Tim Wolfer wählt auch mal längere Wege – beim Laufen und bei
der Bildungslaufbahn. Thomas Hassel fühlt sich am UWTH ver­
wurzelt. Angefangen hatte er als LKW-Fahrer.
48Stahl, ganz leicht
Leichtbaustahl für den Motor: Ein Team am PZH entwickelt
gemeinsam die Prozesskette, die aus einem vielversprechenden
Werkstoff einen erfolgreichen Werkstoff macht.
52
4
PZH 2015
52And Action, Please!
Einen Roboter bauen, programmieren, das ganze im Team und auf
Englisch – das ist ein neues Lehrangebot, das viele gute I. Und das
viel Spaß macht.
Titelillustration: Dorota Gorski
Jahresbericht 2014
58
60
62
64
ZH – Fakten und Zahlen
P
PZH – Angebote für die Industrie
PZH – Vorlesungen
PZH – Promotionen, Auszeichnungen, Gastdozenten, Veranstaltungen
Geschichte, Aktuelle Themen, Lehre, Forschungsprojekte,
Veröffentlichungen, Anschaffungen:
66IFA – Institut für Fabrikanlagen und Logistik
70IFUM – Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen
78IFW – Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen
88IMPT – Institut für Mikroproduktionstechnik
94ITA – Institut für Transport- und Automatisierungstechnik
98 match – Institut für Montagetechnik
102IW – Institut für Werkstoffkunde
112TEWISS Technik und Wissen GmbH
114Unternehmen am PZH
117Anreise
122Impressum
Redaktioneller Hinweis: Wir verwenden den personenbezogenen Plural („die Mitarbeiter“, „die Forscher“)
in seiner geschlechtsneutralen Bedeutung, um die Lesbarkeit der Texte zu bewahren.
5
Panorama – PZH 2014 / 2015
Mon Dieu! Herr Leibniz hat sich ausgiebig umgeschaut – jetzt hilft er den
„Universal-Gelehrten“-Anwärtern, den
Schatz zu entsperren.
Großer Andrang im Spine – an den einzelnen Stationen dagegen gab es
Fotos: Bettina Fischer (3), Illustration: Türk
viele Gelegenheiten, sich die Exponate in Ruhe zeigen zu lassen.
6
PZH 2015
Die Nacht,
die Wissen
schafft
... hat im Jahr 2014 gut 2000
Besucher und einen Zeitreisenden namens Leibniz besonders
glücklich gemacht.
Eigentlich hatte Leibniz dem kleinen Roboter Peezah versprochen, den Aktivierungscode für dessen Zeitreisemaschine zu
reparieren. Und dann das: Leibniz war so beeindruckt von
all den spannenden Exponaten, die die gesamte Fakultät für
Maschinenbau genau an diesem 15. November 2014 im PZH
zusammengetragen hatte, dass er guckte, probierte, mit den
„jungen Gelehrten“ diskutierte ... und nicht mehr an den Code
dachte.
Das übernahmen erfreulicherweise viele Kinder und andere
der über 2000 Besucher: Auf Leibniz’ Spuren staunten sie über
wachsende Schokoküsse unter Glas; sie besiegten Roboter,
erlebten eine Turbine, montierten Hubschrauber, entdeckten
die Gesetze von Leibniz’ altem Kollegen Newton ganz neu und
vervollständigten mit etwas Geschick auch noch den defekten
QR-Code, der nicht nur die Zeitreisemaschine wieder in Gang
setzte – sondern natürlich auch den Schatz des Maschinenbaus
entsperrte.
7
Mädchen-und-Technik-Kongress MuT 2014
Panorama – PZH 2014 / 2015
oben: Professor Lutz Rissing
vom IMPT begrüßt die Mädchen
im Hörsaal des PZH.
links: Diese Kälte erfordert
Schutzkleidung – und was
geschieht bei diesen Temperaturen
auf der Bahn?
rechts: Ein Lötkolben ist gar kein
so exotisches Gerät mehr,
wenn man ihn denn erst mal
in der Hand hält.
großes Bild rechte Seite: Auch
Schweißen lässt sich nicht jeden Tag
einfach ausprobieren, so wie hier .
Fotos (4): sliwonik.com
MuT!!
Mehr als 100 Mädchen und junge Frauen konnten am 12. November 2014
einen Tag lang Technik erleben – beim
MuT-Kongress, den das Institut für Mikroproduktionstechnik (IMPT) bereits
zum 6. Mal organisiert hat. Während die
Mädchen nach der Begrüßung bereits in
ihren Workshops verschwunden waren,
um dort zu gießen oder zu schweißen,
zu löten oder zu kältekonservieren,
Herzklappen zu untersuchen oder ein
Handymikroskop zu basteln .... währenddessen also tauschten sich einige der
Sponsoren und Aktiven mit Vertretern
der Presse darüber aus, warum diese
Veranstaltung so wichtig ist.
„Wir engagieren uns in der Fachkräfteallianz der Region Hannover“, sagt etwa
Holger Habenicht, Sprecher der Agentur
für Arbeit. „Und natürlich sehen wir den
engen Zusammenhang von fehlenden
Fachkräften auf der einen Seite und
den vielen Mädchen, die einen großen
8
PZH 2015
Bogen um die MINT-Fächer machen,
auf der anderen Seite.“ Deshalb sei die
Agentur für Arbeit beim Kongress dabei
– und deshalb freue sie sich immer über
entsprechende neue Ideen. Auch Barbara
Schneider, Bildungsreferentin der Stiftung
NiedersachsenMetall, sieht noch immer
viele Berührungsängste von Mädchen im
Umgang mit Technik. Ihre Stiftung bietet
eigene Nachwuchsförderprogramme.
Martina Behne vom Team Beschäftigungsförderung der Region Hannover,
die ebenfalls als Sponsor dabei ist, betont,
wie wichtig es sei, junge Frauen für
einen technisch-naturwissenschaftlichen
Werdegang zu begeistern. Zu den Aktiven
des Kongresses gehört Thomas Biedermann vom Christian-Gymnasium
Hermannsburg. Er ist Landesbeauftragter
von Jugend forscht in Niedersachsen und
findet, dass auch der Wettbewerb ,Jugend
forscht‘ mit einem Mädchenanteil von
über 38 Prozent eine gute Grundlage
bietet, Mädchen zu einem Einstieg in
die Welt der Forschung zu motivieren.
„Frauen machen im Schnitt die Hälfte
der Konsumenten und Kunden aus“,
sagt Professor Lutz Rissing zur Motivation seines Instituts, diesen Kongress zu
organisieren, „aber in der Planung und
Umsetzung neuer technischer Produkte
sind sie eher selten vertreten. Das ist für
die Frauen und die Unternehmen ein
großer Nachteil.“
Die Gastgeber aus dem IMPT – neben
Professor Rissing die Ingenieure Rahel
Kruppe, Lisa Jogschies und Mathias
Rechel – konnten wieder ein tolles
Angebot auf die Beine stellen. Sie wurden
dabei auch von den SFBs „Gentelligente
Bauteile“, „Produkt-Regeneration“ und
„PlanOS“, dem Gleichstellungsbüro
der Leibniz Universität und der üstra
unterstützt. Für die Mädchen war es ein
bunter Tag mit viel Spaß – und vielleicht
ihr Einstieg in die MINT-Welt.
Heiß und kalt, laut und still, grob und
ganz fein – beim MuT-Kongress erlebten
rund 100 Mädchen wieder die große
Vielfalt, die hinter MINT steckt.
9
Kurz & gut
Panorama – PZH 2014 / 2015
Triple-E Award
StartUp-Impuls
Kolloquium mit Ehrengast
Ausgezeichnet: Der Prototyp
Ihr Konzept einer mobilen Werk-
Professor em. Hans Kurt Tönshoff wird für sein Lebenswerk geehrt.
einer engergieeffizienten Werk-
zeugmaschine beschert zwei
zeugmaschine braucht rund ein
Gründern aus dem IFW den
Drittel weniger Energie.
ersten Preis und 20.000 Euro.
Große Ehre; von links: Lars Hülsemeyer und Dominik Dahlmann vom
Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen. Foto: enercity
Lars Hülsemeyer und Dominik Dahlmann vom Institut für
Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen sind im April
2014 für ihren Prototypen einer energieeffizienten Werkzeugmaschine ausgezeichnet worden. Der Energie-Effizienz-Preis
von enercity, dem regionalen Energieversorger aus Hannover,
ist mit 10.000 Euro dotiert und wurde im Rahmen des „enercity dialogs“ im Schloss Herrenhausen verliehen. Dahlmann und
Hülsemeyer entwickelten in ihrem Forschungsprojekt NCplus
(www.ncplus.de) einen Prototyp, der den Energiebedarf um
36 Prozent senkt. Möglich wird dies durch die bedarfsgerechte
An- und Abschaltung einzelner Aggregate sowie die Umgestaltung und Neuentwicklung einiger Schlüsselkomponenten.
Die Jury lobte insbesondere die vorbildliche Verknüpfung von
Forschung und Praxis: Die Kooperation mit acht Partnern aus
der Industrie stelle sicher, dass die Ergebnisse ihre praktische
Umsetzung erfahren. Prof. Dr. Friedbert Pflüger, Direktor
European Centre for Energy and Resource Security (EUCERS)
am King’s College London und Vorsitzender der Jury, betonte,
ein Beitrag zur Senkung des Energieverbrauches wie vom IFW
könne Einfluss auf die weltweite Produktion nehmen.
Dominik Brouwer und Thomas Krawczyk überzeugten die
Jury in der Kategorie Hochschul- und Wissenschaftspreis mit
ihrer Idee: eine mobile Werkzeugmaschine, die zum Bauteil
kommt. Die beiden wissenschaftlichen Mitarbeiter des Instituts für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen (IFW)
freuen sich über den mit 20.000 Euro dotierten Preis. Auch
der Präsident der Leibniz Universität, Professor Volker Epping,
der den beiden ihren Preis übergab, zeigte sich von ihrer Idee
beeindruckt. Verliehen wurden die Preise, für die sich 145
Neu-Unternehmer in insgesamt fünf Kategorien beworben
hatten, am 25. Februar 2015 in Hannover.
„Für Produkte wie Flugzeuge, Schiffe, Maschinen oder Windkraftanlagen werden große und teure Bauelemente benötigt.
Heute werden sie nach dem Prinzip „Bauteil zur Maschine“
bearbeitet, so dass auch die Maschinen entsprechend groß und
teuer sind und die Bearbeitung sehr unflexibel und kostspielig ist“, schildert Krawczyk die Situation. Maschinenexperte
Brouwer will, dass ihre Maschine zum Bauteil kommt und sich
auf diesem Bauteil auch bewegen kann. Das Interesse aus der
Industrie ist ihnen sicher: Ein halbes Dutzend großer Unternehmen steht als Anwendungspartner bereit. Weitere Partner
können sich noch beteiligen.Die erste Maschine soll in rund
30 Monaten auf dem Markt sein.
Strahlende Sieger: links Thomas Krawczyk, rechts Dominik Brouwer, in
der Mitte der Präsident der Leibniz Universität, Professor Volker Epping. 10 PZH 2015
Foto: hannoverimpuls
Mehr als 300 Gäste
waren am 24. Mai 2014 zum
„Internationalen Kolloquium
der Fertigungstechnik“ ins Schloss
Herrenhausen nach Hannover
gekommen. Neben dem fachlichen
Austausch galt es, einem herausragenden Wissenschafler zu
gratulieren: Hans Kurt Tönshoff
feierte seinen 80. Geburtstag.
Er war von 1970 bis 2002 Leiter
des IFW und ist einer der
Initiatoren des PZH.
Fotos (2): Janto Trappe
„Einen wirklich großen Mann erkennt
man an drei Dingen: Großzügigkeit im
Entwurf, Menschlichkeit in der Ausführung und Mäßigkeit beim Erfolg.“
Mit den Worten von Otto von Bismarck
charakterisierte Professor Berend Denkena seinen Vorgänger und Doktorvater,
Ehrengast Professor Hans Kurt Tönshoff. Von 1970 bis 2002 leitete Tönshoff
das Institut für Fertigungstechnik und
Werkzeugmaschinen der Leibniz Universität Hannover. Er hat in dieser Zeit
257 Mitarbeiter zum Doktor geführt.
Beeindruckende 20 von ihnen sind heute
selbst Professoren.
Am Nachmittag stand der wissenschaftliche Austausch im Mittelpunkt.
Professor Manfred Weck und Professor
Fritz Klocke von der RWTH Aachen,
Professor Ekkard Brinksmeier von der
Universität Bremen und Professor HansPeter Wiendahl von der Leibniz Universität Hannover zeichneten Entwicklungen aus den vergangenen Jahrzehnten in
den Bereichen Fertigungstechnologie,
Werkzeugmaschinen und Fertigungsplanung nach und blickten dabei auch in
die Zukunft. Ganz nebenbei konnte man
lernen, dass sich Kontinuität in mehr als
30 Jahren Forschung und Lehre in der
Krawattenwahl widerspiegelt: Professor
Tönshoff trug seine blau-rot-gestreifte
Krawatte auch zum Kolloquium.
Grußworte gab es vom damaligen
Präsidenten der Leibniz Universität
Hannover, Professor Erich Barke, und
vom Generalsekretär der VolkswagenStiftung, Dr. Wilhelm Krull. Die VolkswagenStiftung hatte für die Veranstaltung die Räumlichkeiten im Schloss zur
Verfügung gestellt. Präsident Barke ließ
es sich trotz eines vollen Terminkalenders nicht nehmen, dem Ko-Referenten
seiner Dissertation persönlich seine
Grußworte zu übermitteln: „Sie sind
als Nachfolger von Otto Kienzle und
Werner Osenberg in große Fußstapfen
getreten. Aber für Sie waren die Fußstapfen keineswegs zu groß“.
Krönender Abschluss am Abend:
herrliches Wetter, eine Schlossterrasse mit Blick auf die illuminierten
Gärten und drinnen launig-liebevolle
Show-Darbietungen der ehemaligen
Doktoranden.
Unter den Gästen waren
auch viele der 257 Doktoranden,
die Professor Tönshoff als
Doktorvater betreut hat.
20 von ihnen lehren heute
selbst als Professoren.
11
Kurz & gut
Panorama – PZH 2014 / 2015
Sommer mit Montagetechnik
Gaststudentinnen aus den USA
Austausch mit
der Ukraine
Das IW organisiert
einen Praktikumsaustausch Metallurgie.
match mit Sommergästen. Ganz vorn links, sitzend: Lauren Kershner. Foto: match
Für RISE-Studentin Lauren Kershner aus
Arizona jagten sich die neuen Erfahrungen geradezu: Am Institut für Montagetechnik (match) waren es nicht-holonome Roboter-Arme, in Hannover war
es Skate by Night, in ganz Deutschland
die Architektur. Und unterwegs: viel Gelassenheit. „Bei uns springt man in sein
Auto, springt wieder raus – und hier wartet man eben, wenn der Zug noch nicht
kommt. Man kann es sowieso nicht ändern, also kann man auch entspannen.“
Die Leidenschaft für ihr Studienfach, die
Lauren während der Sommermonate
2014 wiederentdeckt hat, hängt mit dem
match zusammen, bei dem sie wie zwei
andere Studentinnen aus den USA drei
Monate lang mitarbeitete. Sie kehrte mit
einer klaren Vision nach Hause zurück:
An der Northern Arizona University
mehr Regelungs-Kurse belegen, mehr
Deutsch lernen, den Bachelor machen.
Und dann, vielleicht, für den Master
zurückkommen ans match.
Neu im Wissenschaftsrat
Der studentische Praktikantenaustausch
des Instituts für Werkstoffkunde wird
vom Deutschen Akademischen Austauschdienst mit 390.000 Euro vier Jahre
lang aus Mitteln des Bundesministeriums
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung als „Strategische Partnerschaft“ gefördert. Sie deckt die Reiseund Aufenthaltskosten für Studierende
und Betreuer ab, die ein MetallurgiePraktikum im jeweils anderen Land
absolvieren. Kooperationspartner sind
der Lehrstuhl für Werkstoffkunde der
Universität Paderborn und die Nationale
Metallurgische Akademie der Ukraine.
Ukrainische Wissenschaftler von der
Nationalen Metallurgischen Akademie
der Ukraine und Mitarbeiter vom Institut für Werkstoffkunde (IW) der Leibniz
Universität Hannover pflegen seit mehr
als zehn Jahren einen wissenschaftlichen
Austausch und forschen an gemeinsamen Projektideen.
Professor Peter Nyhuis wird berufen
Der Leiter des Instituts für Fabrikanlagen und Logistik (IFA) ist zum 1.
Februar 2015 in die Wissenschaftliche
Kommission des Wissenschaftsrates
berufen worden.
Professor Nyhuis ist damit einer von
24 Wissenschaftlern aller Disziplinen,
die, vom Bundespräsidenten berufen,
in der Wissenschaftlichen Kommission
vertreten sind. Der Wissenschaftsrat
berät die Bundesregierung und die
Regierungen der Länder in Fragen
der inhaltlichen und strukturellen
12 PZH 2015
Entwicklung der Hochschulen, der
Wissenschaft und der Forschung. Er tritt
viermal im Jahr zusammen. Nyhuis sieht
seine neue Aufgabe insbesondere darin,
die Ingenieurwissenschaften angemessen zu vertreten und entsprechende
Sichtweisen in die Diskussionen mit einzubringen. Als ebenfalls neu berufenes
Mitglied der acatech und als Mitglied
der WGP ist er innerhalb der Technikwissenschaften und der Produktionstechnik gut vernetzt.(Professor Nyhuis
im Portrait: S. 36)
Offizieller Start der „Strategischen Partnerschaft“
Ende Januar 2015 im PZH. Foto: Helge Bauer
Professsor Berend Denkena (Mitte,
rechts) begrüßt Experten aus 20
Nationen im PZH. Fotos: Bayölken
Neues aus der Fertigungstechnologie für die Luft- und Raumfahrt
Machining Innovations Conference
Rund 200 Besucher aus 20 Ländern kamen am 19. und 20. November 2014 im
Produktionstechnischen Zentrum Hannover (PZH) zur „ Machining Innovations Conference – Neue Fertigungstechnologien in der Luft- und Raumfahrt“
zusammen, um sich über Entwicklungen
und Herausforderungen auszutauschen.
Organisiert wird das renommierte, internationale Treffen vom Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen
(IFW) am PZH und dem Machining
Innovations Network (MIN).
Der Umgang mit Komplexität und
Größe der Bauteile, die hohen Anforderungen an die Sicherheit und die
Vorgaben zur Reduktion des Energieverbrauchs waren einige der aktuellen
Themen, die die Konferenz in insgesamt
fast 40 simultan übersetzten Vorträgen
aufgriff. Auch die Forschungssession,
die im Vorjahr zum ersten Mal angeboten wurde, hat sich bewährt und stand
nun wieder auf dem Tagungsprogramm.
Erstmals wurden die zum Teil parallel
laufenden Vortragssessions ergänzt um
eine Industrie-4.0-Live-Vorführung im
Versuchsfeld des IFW. Einen Überblick
über die aktuellen Themen boten die
vier Plenarredner von Airbus Operations, Rolls-Royce Deutschland, den
Chiron-Werken und Boeing.
Die Organisatoren freuen sich über
außerordentlich positive Rückmeldungen. Fazit ist ein klares „Go ahead!“ Der
Termin steht bereits fest: Die 15th Machining Innovation Conference findet
am 18. und 19. November 2015 wieder
im Produktionstechnischen Zentrum
Hannover statt.
Am Abend dürfen einige KonferenzTeilnehmer selbst fliegen – wenn
auch nur im Simulator während der
Abendveranstaltung im Skylight
/ Hannover Airport.
13
Konferenz & Co.
Panorama – PZH 2014 / 2015
Tagen und lernen
Schulungen, Foren, Arbeitskreise. Messen und Konferenzen:
Wissen aus dem PZH wird auf vielen Wegen weitergegeben.
Mit Exponaten aus vier Sonderforschungsbereichen war die Fakultät für
Maschinenbau der Leibniz Universität
auf der Hannover Messe 2014 vertreten,
das PZH ist an allen beteiligt.
Der SFB 653 etwa präsentierte seine
Vision smarter Produkte und einer
„denkenden Fabrik“, in der Werkstücke
und Maschinen miteinander kommunizieren, mithilfe des entsprechend
umgebauten Formula Student Rennwagens. Der interdisziplinäre Sonderforschungsbereich/Transregio 123
PlanOS verdeutlichte sein Ziel, optische
Sensoren großflächig in eine nur 100
Mikrometer starke Polymerfolie zu
integrieren. Der Sonderforschungsbereich 871 zeigte am Beispiel eines Flugzeugtriebwerks die wissenschaftlichen
Grundlagen einer effizienten Instandsetzung komplexer Investitionsgüter und
der SFB 599 einen Korrosionsprüfstand
mit „In-vitro-Degradationstester“.
14 PZH 2015
Wissensforum:
Energietechnik
CAx-Kreis: Fertigungsqualität
Energietechnik ist ein spannender
Markt – und ein Markt voller Herausforderungen für Hersteller von
Energietechnik-Bauteilen sowie für
Werkzeug- und WerkzeugmaschinenHersteller. Die VDI Fachkonferenz
zeigte in Kooperation mit dem Institut
für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen aktuelle Lösungen und
Entwicklungen.
Bauteile von Windenergieanlagen
müssen etwa im XL-Format gefertigt werden und dabei trotzdem sehr
genau sein. Die Anforderungen an die
Werkzeugmaschinen sind entsprechend
hoch: Die Maschinen müssen sehr steif,
aber auch genau sein, und dennoch
wirtschaftlich fertigen. Verschiedene
Lösungskonzepte, Trends und ein
Ausblick, wohin die Reise geht, wurden
auf der Fachtagung Energietechnik
am PZH erarbeitet. Ein Fachbeirat mit
Experten aus der Industrie flankierte die
Veranstaltung.
Im Arbeitskreis CAx treffen sich Mitglieder und Experten des Machining
Innovations Network, um sich über
Themen aus dem Bereich CAD/CAM
und NC-Simulation auszutauschen. Der
Arbeitskreis CAx 2014 widmete sich der
Fertigungsqualität.
Zeit, Kosten und Qualität sind die
drei klassischen Zielgrößen in der Produktion und damit auch der Fertigungsplanung. Während die Kosten und die
Zeit bei der Prozessauslegung meist ein
wesentliches Optimierungskriterium
bilden, das heißt, je kürzer/günstiger
desto besser, werden die Qualitätskenngrößen im Allgemeinen eher als gegeben
betrachtet. Eine möglichst präzise
Prognose des Werkstückzustandes nach
der Bearbeitung ist jedoch der Schlüssel
für eine bestmögliche Kombination aller
Zielgrößen. Ein wichtiges Mittel hierfür
sind leistungsfähige CAx-Tools und
Simulationen.
IFA-Lernfabrik:
Lernen in „echter“ Umgebung
Fotos/Illustrationen: Horsepower, IFW (3), Bettina Fischer, com&on GmbH
Hannover Messe: vier SFB-Hits
Mit der IFA Lernfabrik hat das Institut
für Fabrikanlagen und Logistik 2014
eine Schulungsumgebung geschaffen, die
Studenten als auch Fach- und Führungskräften aus der Industrie ein realitätsnahes und innovatives Lernen ermöglicht.
Auf dem Stundenplan stehen wissenschaftliche und praxisrelevante Themen
zur Gestaltung und Steuerung effizienter
Produktionssysteme.
In einem modernen Schulungskonzept werden die Teilnehmer in eine reale
Betriebssituation mit echten Fertigungsund Montageprozessen sowie exzellenter
Infrastruktur versetzt und bekommen
individuell abgestimmte Inhalte aus den
Forschungsgebieten des IFA praxisnah
vermittelt. Der Fokus liegt insbesondere
auf der betrieblichen Organisation von
Fertigungs- und Montageprozessen, um
eine effiziente und kundenorientierte
Auftragsabwicklung zu erreichen.
Das Schulungsangebot umfasst verschiedene Module, die sich beispielsweise
mit der Anwendung von Methoden des
Lean Managements, den unterschiedlichen Verfahren der Fertigungssteuerung
oder Methoden des Produktionscon­
trollings beschäftigen. Die Teilnehmer
können aber auch Kompetenzen zur
Bewertung ergonomischer und alternsgerechter Arbeitsplätze oder zum Umgang
mit Werkzeugen für die Fabrikplanung
erwerben. www.ifa-lernfabrik.de
2nd Sysint:
Erfolgskurs
Mehr als 120 Wissenschaftler aus zwölf
Ländern waren vom 2. bis 4. Juli 2014
nach Bremen gekommen zur „2nd
International Conference on Systemintegrated Intelligence: New Challenges
for Product and Production Engineering“, kurz: SysInt. Sie diskutierten über
die Entwicklung intelligenter Systeme
für die denkende Fabrik und smarte
Produkte. Conference-Chair Professor
Berend Denkena, Leiter des Instituts für
Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen, freute sich über die gestiegene
Teilnehmerahl der Konferenz, die 2012
am PZH gestartet war.
Für das Jahr 2016 planen die Organisatoren – der SFB Gentelligente Bauteile
der Leibniz Universität Hannover, das
Spitzencluster „it’s OWL“ an der
Universität Paderborn und die zentrale
wissenschaftliche Einrichtung „Inte­
grated Solutions in Sensorial Structure
Engineering“ (ISIS) der Universität
Bremen, ihre Fortsetzung an der Universität Paderborn.
15
Fokus Forschung
Panorama – PZH 2014 / 2015
Lichtwellenleiter
Gedruckt. Und messbar.
Kühlschmierstoffe
Energiesparparadies
Neuartige Lichtwellenleiter können mit Kanülen appliziert oder auf
„Viel hilft viel“ hat als Motto ausgedient. Allein über die
Folien gedruckt werden. Aber wie misst man deren Eigenschaften?
Dosierung von KSS haben Wissenschaftler am PZH die Energie-
Antworten hat eine einzigartige Mess-Station am PZH.
aufnahme einer Werkzeugmaschine um 37 Prozent reduziert.
Beim klassischen Glasfaserkabel ist es ganz einfach, die Dämpfung – den Lichtverlust pro Strecke – zu messen: An beiden Enden des Kabels wird ein Messadapter aufgeschraubt, um an einer
Standardstation zu messen, wie viel des hineingeschickten Lichts
unterwegs verlorengeht. Die Lichtwellenleiter, die am Institut für
Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) entwickelt werden, lassen sich aber nirgends aufschrauben und auch nicht wie
ein Kabel aufwickeln. Sie werden vielmehr als Polymerstrang per
Kanüle auf beliebig geformte Flächen appliziert oder mit einer
umgerüsteten Offset-Druckmaschine auf große Folien gedruckt.
Das Spektrum möglicher Anwendungen der neuen Lichtwellenleiter ist riesig. Voraussetzung ist aber, dass ihre Eigenschaften
verlässlich messbar sind. Daher haben die ITA-Wissenschaftler
Michael Dumke und Tim Wolfer eine Messstation mitentwickelt,
die der ganzen Bandbreite der am Institut erforschten Lichtwellenleiter gerecht wird. Basierend auf ihrer Konstruktion hat
der Industriepartner „TSO Thalheim Spezialoptik“ eine Station
„Wie viel Kühlschmierstoff braucht ein Zerspanprozess wirklich, damit die Werkzeuge nicht unnötig verschleißen?“ und
„Wie viel Energie lässt sich einsparen, wenn weniger Kühlschmierstoff zugeführt wird?“ Das waren die beiden Fragen,
mit denen sich Lars Hülsemeyer und Patrick Helmecke, beide
Ingenieurwissenschaftler am Institut für Fertigungstechnik
und Werkzeugmaschinen (IFW), im Projekt ECOcut gemeinsam mit vier Industriepartnern beschäftig haben. Mit dabei
waren der Werkzeugmaschinenhersteller DMG MORI SEIKI,
der Werkzeughersteller Sandvik Coromant, der Pumpenhersteller Grundfos sowie Bosch Rexroth Interlit als Anlagenbauer
für Kühlschmiertechnik.
Das Ergebnis liest sich spektakulär: Einzig über eine kontinuierlich am Bedarf ausgerichtete Zuführung von Kühlschmierstoffen lässt sich bei einer typischen Bearbeitung an
einem typischen Fünf-Achs-Bearbeitungszentrum die Energieaufnahme um 37 Prozent, also um mehr als ein Drittel, reduzieren. Wie kann das sein? Hülsemeyer
kennt die Antwort: „Bisher galt: Viel hilft
viel. Energie war einfach zu günstig, um
sich intensiv mit dem Einsparpotenzial
von Kühlschmierstoffen zu beschäftigen.“ Und das, obwohl bei Bearbeitungszentren etwa die Hälfte des gesamten
Energiebedarfs auf die Kühlschmierstoffpumpen entfällt – zumindest dann, wenn
es sich um Hochdruckpumpen mit etwa
80 bar handelt. Je höher der Druck, desto
gebaut, die in dieser Form einzigartig sein dürfte. „Ein Hexapod
sorgt dafür, dass der Lichtwellenleiter, egal ob er auf einer Folie
oder einer dreidimensionalen Fläche verläuft, mikrometergenau
platziert wird“, erklärt Wolfer begeistert, „und wir können, während wir Licht in den Wellenleiter einkoppeln, gleichzeitig dessen
Querschnitt über ein Mikroskop perfekt justieren“.
Finanziert wurde die Messstation aus den Mitteln des SFB/
TRR PlanOS – Planare Optronische Systeme, der am ITA angesiedelt ist und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in
der ersten Förderphase mit zehn Millionen Euro ­finanziert wird.
Für die sensitive Folie mit ihren aufgedruckten Lichtwellenleitern, die im Sonderforschungsbereich entwickelt wird, gibt es
ein anschauliches Bild: Sie ist wie eine künstliche Haut, die von
optischen Nervenbahnen durchzogen wird. Optische Systeme
erzeugen keine Funken, werden nicht durch elektromagnetische
Wellen gestört und sind außerdem leichter als elektromagnetische Systeme. Tim Wolfer nutzt bereits den neuen Messplatz.
„Wir sind noch bei den Grundlagen, aber
man kann sich zum Beispiel vorstellen,
dass diese Folien, die Druck, Dehnung,
Temperatur oder auch Feuchtigkeit auf
optischem Wege registrieren, später
genutzt werden, um die Temperatur
von Batterien in Elektroautos oder den
Zustand von Flugzeugtragflächen zu
überwachen. Der Messplatz ist sozusagen
unser Auge in diese Welt der künftigen
Lichtwellenleiter. Einzigartige Messstation: Während Licht in den
Um mehr als ein Drittel lässt sich die
Wellenleiter eingekoppelt wird, lässt sich dessen
Energieaufnahme eines typischen 5-Achs-
Position genau justieren. Foto: ITA
16 PZH 2015
höher der Energieverbrauch, desto höher natürlich auch das
Einsparpotenzial.
Hülsemeyer, Helmecke und die Forschungspartner aus der
Industrie haben nun begonnen, systematisch zu erforschen,
wie viel Kühlschmierstoff wirklich gebraucht wird – abhängig von den zahllosen Parametern, die einen Zerspanprozess
und seine Werkzeuge charakterisieren. „Da steckt noch viel
Wissenschaft drin“, wie Hülsemeyer sagt. Mit Abschluss des
Projekts ECOcut haben sie nun erste Ergebnisse auf den Tisch
gelegt. Sie zeigen, dass viele Werkzeuge mit sehr viel weniger
Kühlschmierstoff auskommen, ohne an Standzeit einzubüßen,
und dass es sich wirtschaftlich tatsächlich rentiert, eine komplexe Einsparstrategie in Angriff zu nehmen. Dabei macht es
unter anderem eine Simulation des Zerspanprozesses möglich,
die Zufuhr des Kühlschmierstoffs während des Prozesses
kontinuierlich dem Bedarf anzupassen. So erreicht man eine
Reduzierung des Energiebedarfs um eben jene 37 Prozent.
Bearbeitungszentrums reduzieren. Foto: IFW
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Fokus Forschung
Panorama – PZH 2014 / 2015
MBL-Schweißen
Verbindung am Bohrloch
Fabrikplanung
Raus aus der Stadt
Gewindeverbindungen zwischen den Rohrelementen sind die
Ein Traditionsunternehmen kann im alten Werk seine Wett-
Schwachstelle jeder Bohrlochauskleidung. Die Rohre stattdessen
bewerbsposition auf lange Sicht nicht halten. Im PZH gibt es
zu schweißen ist bislang nicht möglich. Das soll sich ändern.
Unterstützung, von der Planung bis zur Umzugslogistik.
Spektakulär ist bereits der aktuelle Stand der Technik der
Varahram und sein IW-Kollege Dragan Aldag sind Experten
Monobohrloch-Konstruktion. Monobohrloch bedeutet, dass
für das Schweißen mit magnetisch bewegtem Lichtbogen,
der Durchmesser des Bohrlochs ab einer gewissen Tiefe gleich
kurz: MBL-Schweißen oder auch Magnetarc. Dabei sorgt
bleibt und sich nicht weiter verringert wie bei konventioneleine geschickte Manipulation des Schweißlichtbogens durch
lem Aufbau. Je etwa zehn Meter lange Rohrelemente werden
externe Magnetfelder für seine optimale Rotation entlang der –
oberhalb des Bohrlochs mit dem bereits versenkten Rohr
in diesem Fall – gegenüberliegenden Rohrenden. Die Stirnzusammengeschraubt. Dafür gibt es spezielle Gewindeverflächen werden gleichmäßig aufgeschmolzen, im Anschluss
bindungen. Wenn die Rohre im Bohrloch an der richtigen
mit entsprechender Kraft aufeinander gepresst und somit fest
Position angekommen sind, wird der Rohrabschnitt auf den
verschweißt.
erforderlichen Durchmesser mit einem Konus aufgeweitet –
Das Verfahren ist etabliert – für Wandstärken von bis zu
um bis zu 20 Prozent!
sechs Millimetern. Zehn Millimeter
Sobald ein Abschnitt des Bohrlochs
gelten als Verfahrensgrenze. Die
verrohrt wurde, werden die Rohre
Rohre, die die Bohrlöcher auskleieinzementiert – und der nächste Abden, haben eine Wandstärke von
schnitt kann mit dem ursprünglichen
mindestens zwölf Millimetern.
Durchmesser durch die aufgeweiteten
Aldag und Varahram konnten aber
Rohre verlegt werden – übrigens auch in
zeigen, wie zusätzliche Magnetfelhorizontaler Streckenführung. Problemader sich so einsetzen lassen, dass
tisch an diesem Verfahren sind die Gedurch eine erweiterte Lichtbogenwindeverbindungen. Sie halten deutlich
bewegung auch diese Wandstärken
weniger aus als die Rohrelemente selbst.
schweißbar sind.
„Die Gewindeverbindungen machen drei
Den Nachweis soll ein impoProzent der Auskleidung aus, verursasanter Prototyp im Maßstab 1:1
chen aber 90 Prozent der Fehlstellen“,
liefern, der mittlerweile im Unsagt Aret Varahram vom Institut für
terwassertechnikum des IW steht,
Werkstoffkunde (IW).
bereit für erste Funktionstests. Die
Bei dem anspruchsvollen Vorhaben,
ersten Patente sind angemeldet, die
eine Alternative für diese GewindeErwartungen hoch: „Bis zu 50 Proverbindungen zu entwickeln, ist Baker
zent Einsparungen könnte das neue
Hughes, eine der großen Erdöl-ServiceSystem bei der Bohrlocherstellung
Imposant: Allein ein Meter Rohrsegment wiegt 80
Kilogramm. Der Prototyp fürs MBL-Schweißen im
Gesellschaften der Welt mit deutscher
bringen“, schätzt Aldag. „Wenn alles
Unterwassertechnikum. Foto: Helge Bauer
Niederlassung in Celle, Projektpartner.
wie geplant funktioniert.“
Florenz Sartorius gründete vor 145 Jahren in Göttingen eine
feinmechanische Werkstatt, um präzise Waagen herzustellen.
Heute hat das Unternehmen über 5000 Mitarbeiter, die in mehreren Sparten und auch in außereuropäischen Werken arbeiten.
Die Wägetechnik ist ein wichtiges Standbein geblieben, und der
Standort dieser „Lab Products & Services“ hat Tradition: Seit
über 100 Jahren werden die HighTech-Waagen am innerstädtischen Standort in der Weender Straße in Göttingen produziert.
„Es ist ein Gebäude voller verwinkelter Gänge, Treppenhäuser und kleiner Aufzüge, die Vorfertigung ist bereits ausgegliedert, aber in der 4. Etage findet die Montage statt“, beschreibt
Matthias Schmidt vom Institut für Fabrikanlagen und Logistik
(IFA) die Situation, die ihrem langjährigen Forschungspartner
Sartorius mehr und mehr zu schaffen machte.
Sartorius war klar: Die Prozesse mussten schlanker werden,
um auf dem weltweiten Markt langfristig erfolgreich anbieten
zu können. Aber ließen sich die notwendigen Schritte in den
bestehenden Gebäuden realisieren? Gemeinsam mit dem IFA
und dem IFA-Spin-Off GREAN ermittelte und bewertete Sartorius die Alternativen.
„Das Ergebnis war eine Grundsatzentscheidung für die Investition in die Wägetechnologie und für einen entsprechenden
Neubau“, fasst Volker Große-Heitmeyer, Leiter der Produktionssystemgestaltung bei Sartorius, das Ergebnis zusammen. Es
18 PZH 2015
war deutlich geworden, dass das alte Gebäude, das „Logistikern
die Haare zu Berge stehen ließ“, sich nicht sinnvoll hätte umbauen lassen, und dass ein bestehender Standort am Stadtrand
die wirtschaftlichere Lösung ist.
Aktuell wird das neue Werk gebaut – an diesem Standort,
der nun bis 2020 zu einer attraktiven, modernen Konzernzentrale mit Campus-Charakter ausgebaut wird. Mitarbeiter vom
IFA und von GREAN sind als forschende beziehungsweite beratende Layout- und Logistikplaner dabei. Sie arbeiten eng mit
dem Architekten und dem Verantwortlichen für die Technische Gebäudeplanung und natürlich mit Sartorius zusammen.
„Unsere Aufgabe ist es“, erläutert Schmidt, „mit dem neuen
Bau die Transparenz zu erhöhen und das Logistik-Konzept so
zu überarbeiten, dass sich die Prozesse verschlanken und Verschwendung eliminiert wird.“ Geplant ist auch ein Gebäuderiegel, der als Schulungs- und Showroom genutzt werden kann
und etwa Prototypen ausstellt.
Die Fertigstellung des Baus ist nicht das Ende des Projekts.
„Es ziehen 800 Mitarbeiter samt Arbeitsplatz um“, sagt Schmidt.
„Und schließlich soll ja die Produktion nicht zwei Wochen ruhen.“ Braucht man doppelte Bestände? Wer zieht zuerst um? Die
Fabrikplaner wollen den Umzug so planen, dass er nicht nur für
Sartorius möglichst reibungslos funktioniert, sondern dass die
zugrunde liegende Methodik universell gilt.
In den Entwurf des neuen
Sartorius-Werks des Architekten
Christian Rathmann aus Hannover
sind auch die Ergebnisse aus dem IFA
mit eingeflossen.
Entwurf: Bünemann & Collegen GmbH
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Fokus Forschung
Panorama – PZH 2014 / 2015
Formhärten
Sensoren im Werkzeug
Hologramme
Schöner Plagiatschutz
Wie heiß ist das Bauteil wirklich? Beim Formhärten ist der
Ob edle Handtasche oder teure Maschine: Ein Hologramm, direkt
Abkühlverlauf entscheidend, er lässt sich bisher aber nicht
ins Blech geprägt, lässt potenzielle Nachahmer alt aussehen.
präzise messen. Neue Sensoren sollen das ändern.
Am PZH entstehen Hologramme auch auf gekrümmten Flächen.
Von diesem Sensor wird wirklich
abgeführt, und das Werkstück
was verlangt: Anwendungen
wird dort fehlerhaft.“ Außerbei mehr als 950° Celsius mit
dem entspricht die gemessene
Abkühlgeschwindigkeiten von
Temperatur nicht der Temperamehr als 27°C pro Sekunde.
tur neben der Messstelle. Wenn
Wärmeleitfähigkeit. Widerman aber nicht präzise messen
standsfähigkeit gegen die enorme
kann, ist das Abkühlen wie
mechanische Belastung beim
eine Black Box – angesichts der
Einsatz im Umformwerkzeug.
Bedeutung, die es für die QuaFolke Dencker vom Institut
lität und die Eigenschaften der
für Mikroproduktionstechnik
Bauteile im Automobilsektor
Die Wärmeableitung beim Formhärten noch ohne neuen Sensor: An
(IMPT) hat die Herausforderung
hat, kein schöner Zustand.
der Bohrung wird die Wärme schlechter abgeführt. Simulation: IMPT
angenommen. Er arbeitet in dem
Die Lösung entwickelt Folke
seit November 2014 von der AiF und über die ForschungsvereiDencker: einen verschleißfesten mikrotechnischen Sensor, der
nigung Stahlanwendung e. V. geförderten Projekt mit Henning
ins Werkzeug integriert wird und alle Anforderungen erfüllt.
Niemeier zusammen. Niemeier kommt quasi von der „anderen“
Zurzeit laufen die Vorversuche mit einer einige hundert NanoSeite. Er gehört zum Institut für Umformtechnik und Ummeter dünnen Verschleißschutzschicht, die die Oberfläche des
formmaschinen (IFUM), und damit auf die Seite derer, die die
Sensors hart macht – und ihn gleichzeitig schützt. Der Sensor
Anforderungen stellen. Warum diese Anforderungen?
ist klein genug, um die homogene Wärmeableitung aus dem
Beim Formhärten verbleibt ein soeben umgeformtes, noch
Werkstück nicht zu behindern. Dass er die schnellen zyklischen
heißes Bauteil im Umformwerkzeug, bis die gewünschte, vom
Temperaturwechsel unbeschadet übersteht, ist eine der größten
Abkühlvorgang abhängige Gefügeveränderung stattgefunden
Herausforderungen. Und die hohen Prozesstemperaturen selbst?
hat. So wird das Werkstück gehärtet. Bei vorangegangenen
Dencker zuckt nur mit den Schultern: „Wir haben Sensoren, die
Forschungsprojekten zum Thema – beispielsweise zur Prozessman eingießen kann.“
verkürzung mit Hilfe des Spraykühlens (siehe Seite 51) – hatten
Interessant ist auch die enge Zusammenarbeit zwischen
Wissenschaftler am PZH die Grenzen der Temperaturmessung
den beiden Instituten. „Da prallen Welten aufeinander“, sagt
direkt am Bauteil beklagt. Sie initiierten damit das aktuelle ProDencker gut gelaunt, „wir fassen, wenn wir die Sensoren im
jekt. Niemeier fasst die unbefriedigende Ausgangslage zusamReinraum herstellen, alles nur mit Handschuhen an ...“ „Und bei
men: „Man kann zurzeit nicht gleichzeitig messen und härten.
uns im IFUM“, ergänzt Niemeier wie aufs Stichwort, „schmeiWenn man mit Infrarotthermometern misst, die in Bohrungen
ßen wir es in der Werkstatt in die Kiste“. Beide sind sich einig:
des Werkzeugs stecken und keinen direkten Kontakt zum Werk„Die Zusammenarbeit ist vielversprechend. Und mit den kurzen
stück haben, wird die Wärme an dieser Stelle nicht schnell genug
Wegen am PZH funktioniert das noch besser.“
Hologramme sind erstaunlich, selbst wenn man versteht,
­warum man etwas sieht, das so gar nicht da ist. Noch größer
ist das Erstaunen, wenn ein Blech je nach Blickwinkel in unterschiedlichen Farben schillert, Schrift mit 3D-­Effekt in ihm zu
liegen scheint, und klar ist: Das ist allein durch einen Umformprozess entstanden.
Normalerweise werden Hologramme mit Prägestempeln
aus Nickel in Kunststofffolien geprägt; die Hologrammfolien
können dann als schwer zu fälschende Produktkennzeichnung etwa auf Kreditkarten geklebt werden. Am Institut für
Umformtechnik und Umformmaschinen (IFUM) werden die
Hologramme direkt in die Oberfläche von Blechen geprägt.
„Hologramme in Blech zu prägen bedeutet, in einer Oberflächenschicht von nur 200 bis 300 Nanometer ein Miniaturgebirge zu erzeugen. Einfallendes Licht wird an den Bergen
und Tälern des Gebirges gebeugt. Das heißt, dass Licht in
unterschiedlichen Farben in verschiedenen Winkeln reflektiert
wird.“ Das erklärt Jan Jocker, der das von der AiF geförderte
Projekt der Europäischen Forschungsgesellschaft für Blechverarbeitung e. V. am IFUM bearbeitet. Um die Struktur des Miniaturgebirges braucht er sich dabei nicht so sehr zu sorgen – die
Prägestempel werden derzeit von einem Projektpartner aus
der Industrie zur Verfügung gestellt. Ein weiterer Projektpartner, das Hannoversche Zentrum für Optische Technologien,
20 PZH 2015
HOT, arbeitet an einem eigenen Verfahren zur Herstellung von
Hologrammen und Prägestempeln.
Jocker beschäfigt sich eher mit der Frage: Wie lassen sich
die Nanostrukturen bei den enormen Kräften, die beim Umformen von Blechen auftreten, möglichst unversehrt und in
großer Stückzahl reproduzieren – beziehungsweise: wie lassen
sich die Umformkräfte so fein einstellen, dass die Struktur auf
den Prägewerkzeugen nicht leidet. Und wie lässt sich das Hologramm-Prägen so weiterentwickeln, dass es auch für KMU
nutzbar wird für den Schutz eigener Produkte vor Fälschern?
Im aktuellen Forschungsprojekt, das bis Ende 2015 läuft,
arbeitet Jocker bereits daran, die Hologramme auch auf gekrümmte Flächen zu bekommen. Denn davon gibt es viele, und
die Nachfrage ist groß. Ob Lippenstiftdeckel, Flacon-Verschluss
oder Blech-Emblem an teurer Tasche: Viele Anbieter sehen eine
große Chance darin, einen Plagiatschutz in ihr Sortiment zu
integrieren, der gleichzeitig als hochwertiges Design-Element
wirkt. Bleche, die in einer Achse gekrümmt sind, kann Jocker
bereits mit einem Hologramm versehen, bei zwei-achsigen
Krümmungen ermittelt er derzeit die Grenzen des Möglichen.
Fast zu schade, aber denkbar: die geprägten Hologramme
lassen sich auch unter einer Lackschicht sicher verstecken. Erst
wenn Zweifel an der Echtheit des Produktes bestehen, wird das
Hologramm enttarnt.
Blech, Blech mit geprägtem Hologramm ... und daraus wird in mehreren Tiefziehschritten ein Lippenstiftdeckel mit Hologramm. Serie: Jocker, IFUM
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Fokus Forschung
Panorama – PZH 2014 / 2015
Hybrider Leichtbau
Gut aufgelegt
Serienreife
Öffnen ohne Keimkontakt
In der Open Hybrid LabFactory in Wolfsburg entsteht die Prozess-
Nicht anfassen! Meistens muss man aber doch: An der Türklinke
technologie für Funktionsbauteile aus Organo- und herkömmli-
führt oft kein Weg vorbei. Das ändert sich mit dem neuen
chen Blechen. Aus dem PZH kommt die Robotertechnik.
Fußtüröffner, den TEWISS zur Serienreife gebracht hat.
Alle 90 Sekunden fällt aus der Umformpresse ein hybrider Batterietrog, der ein Fünftel leichter ist als herkömmliche Modelle
und rund ein Fünftel günstiger in der Herstellung. Er umgibt die
Batterien im Elektromobil und sorgt dafür, dass im Falle eines
Unfalls Crashenergie absorbiert wird und die Autoinsassen vor
Stromschlägen sicher sind.
Das ist Zukunftsmusik. Aber sie soll schon 2018 Realität werden. Das ambitionierte Forschungsprojekt heißt „Funktionsintegrierte Prozesstechnologie zur Vorkonfektionierung und Bauteilherstellung von FVK-Metall-Hybriden.“ Kurz: ProVorplus. Es
ist im Forschungscampus Open Hybrid LabFactory in Wolfbsurg
angesiedelt, einer öffentlich-privaten Partnerschaft, es wird vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und von
etwa einem Dutzend Partner vorangetrieben: Industriepartner
wie Volkswagen und Siempelkamp sind ebenso beteiligt wie die
Universitäten in Hannover, Braunschweig und Clausthal.
Vom PZH ist neben dem Institut für Umformtechnik und Umformmaschinen das Institut für Montagetechnik (match) beteiligt
– es übernimmt alle Aufgaben auf der Ebene „Automatisierung /
Steuerung“. Die Idee erläutert Christopher Bruns, der ProVorplus
am match betreut: „Wir wollen den richtigen Werkstoff an der
richtigen Stelle haben – je nach Funktion im späteren Bauteil. Deshalb kombinieren wir Metalle – Stahl- und Aluminiumbleche –
mit faserverstärkten Kunststoffen, die hier als sogenannte OrganoBleche verwendet werden. Unsere Partner geben vor, welche dieser
Halbzeuge in verschiedenen Größen, Dichten und Formen in
welcher Schichtung in die Presse oder auch in eine Spritzgussvorrichtung eingelegt werden müssen, um das gewünschte Ergebnis
zu bekommen, und wir legen unsere Roboterprozesse so aus,
dass einer oder mehrere Roboter die entsprechenden Bleche
greifen und auf einer Ablagestation vorkonfektionieren.“
Wenn der Roboter am anderen Ende dieser Station diese
zusammengelegten Schichten, die hinterher eine Wanne mit
Maßen von etwa 1 mal 0,8 mal 0,2 Meter ergeben, zum Umformen weiterreicht, müssen sie handhabungsfest sein, dürfen
also nicht auseinanderfallen. Der erste Roboterprozess muss
daher entsprechende Fügeschritte berücksichtigen. Was dabei
entsteht, nennen die Wissenschaftler Multi-Material-Vorformlinge. Der große Vorteil dieses Vorgehens: Die Vorfomlinge
können in einem einzigen Takt in der Presse gefertigt werden
und sind dennoch ideal auf die Anforderungen im Einsatz
optimiert.
Türklinken, die man wirklich nicht anfassen will, gibt es auf
jeder öffentlichen Toilette. Als Sascha Klein mal wieder eine
sehr unappetitliche Begegnung mit einer solchen Türklinke
hat, entschließt er sich zu handeln: Der Handwerksmeister aus
Garbsen erfindet den Fußtüröffner, der die Türklinke mit dem
Fuß bedient. Er holt sich bei der Fertigung seines Prototypen am nahen PZH Hilfe. Dann gewinnt er einen Start-upWettbewerb und mehrere Preise, mit Dieter Bartels einen sehr
Das Prinzip der Vorkonfektionierung:
Der erste Roboter nimmt die benötigten Bleche
vom Magazin ganz links und fügt sie auf der
Ablagestation so zusammen, dass sie vom
zweiten Roboter in die Umformpresse gelegt
werden können, ohne auseinanderzufallen.
Tatsächlich liegen im Magazin links natürlich
22 PZH 2015
deutlich mehr als drei Blechvarianten.
Ob ziehen oder drücken: Mit dem Fußtüröffner kommt man durch jede
Vision: match
Tür, ohne die Klinke zu berühren. Foto: Metiba
engagierten Investor und auch die ersten Kunden. Klein und
Bartels gründen die Metiba Vertriebs GmbH. Jetzt wird es Zeit
für die Serienreife des Fußtüröffners: Im Oktober 2013 beauftragen die beiden die TEWISS Technik und Wissen GmbH am
PZH mit dieser Aufgabe.
„Es waren zu viele Teile“, erinnert sich Leif-Erik Lorenzen, der TEWISS-Geschäftsführer. „Wir mussten ja auch die
Funktionsfähigkeit und Robustheit des Fußtüröffners über
einen längeren Zeitraum sicherstellen.“ Als erstes tauschte Edgar
Ulbrich, der das Projekt als Konstrukteur für TEWISS betreute,
deshalb das Innenleben aus. Bowdenzüge raus, Zahnräder rein.
Alle Teile mussten konstruiert und designt werden, es mussten
Zulieferer für alle Teile gefunden und angeleitet und Kosten verglichen werden ... Dann kam der Tag, an dem Ulbrich eigentlich
in Rente gegangen wäre, aber da er „seinen“ Fußtüröffner nicht
mittendrin verlassen wollte, hat er weitergemacht. „Da ist eine
wirklich tolle Geschäftsbeziehung gewachsen,“ sagt Lorenzen.
Mittlerweile ist Ulbrich zwar noch in Kontakt mit dem
Fußtüröffner-Team, aber nun wirklich als Rentner. Denn der
Fußtüröffner ist serienreif – inklusive Abreißfunktion: „Wenn
das Kind die Tür zuhält und Papi auf den Öffner tritt, dann
reißt der Kontakt ab, verbindet sich aber bei der nächsten
Klinkenbewegung wieder, das ist magnetisch gelöst.“ Auch ein
Montagekit gehört dazu, das jeden Tischler in die Lage versetzt,
den Öffner in eine Tür einzubauen. Metiba bietet allerdings
auch einen entsprechenden Service an.
Das Potenzial des Öffners schätzen Bartels und Klein als
sehr hoch ein. Nicht nur im Sanitärbereich und in Krankenhäusern sehen sie Fußtüröffner als hygienische Alternative, sie
können sie sich auch im Gastrobereich vorstellen. Schließlich
kann man die Türen damit weiterhin mit der Hand öffnen –
man muss es aber nicht.
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Panorama – PZH 2014 / 2015
Nachruf
Professor Friedrich-Wilhelm Bach
† 18. August 2014
Nach langer schwerer Krankheit ist Professor Friedrich-Wilhelm
Bach am 18. August 2014 verstorben. Er war eine herausragende
Persönlichkeit nicht nur fürs PZH. Über viele Jahre prägte er auch
die Fakultät für Maschinenbau der Leibniz Universität Hannover.
Als Direktor des Instituts für Werkstoffkunde und auch als
Dekan der Fakultät für Maschinenbau (2005-2010) zeigte Professor Dr.-Ing. habil. Dr.-Ing. E. h. Dr. h.c. Friedrich-Wilhelm
Bach großes Verantwortungsbewusstsein. Er lebte seinen
Beruf. Als Hochschullehrer hat Professor Bach viele seiner wissenschaftlichen Mitarbeiter zur Promotion geführt und durch
sein offenes und interessiertes Engagement etliche interdisziplinäre Kooperationen entwickelt, die heute zur Normalität in
den Ingenieurswissenschaften an unserer Universität zählen.
Ob Rückbau Kerntechnischer Anlagen oder Biomedizintechnik: alle diese Disziplinen führte er aus dem Blickwinkel der
Werkstofftechnik zusammen und prägte damit nachhaltig die
Forschungslandschaft der Ingenieure. Mit ihm verlieren wir
nicht nur einen exzellenten Hochschullehrer, sondern auch
einen technikbegeisterten Vor- und Querdenker und einen
besonderen Menschen.
Professor Bach wirkte über viele Jahrzehnte an den
Erfolgen des Institutes für Werkstoffkunde mit: Bereits 1972,
nach dem Studium der Werkstofftechnik an der Technischen
Universität Hannover, begann er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Werkstoffkunde (IW) zu arbeiten. Die
Promotion auf dem Gebiet der Plasmametallurgie erfolgte
1978. Anschließend leitete er den Bereich „Technologie der
Werkstoffe“ und habilitierte sich 1983 mit einer Arbeit zum
Thermischen Schneiden dickwandiger Werkstücke. 1983
wurde er Oberingenieur des IW, 1987 zum außerplanmäßigen Professor an der Universität Hannover ernannt. Im Jahr
1997 wurde er an den Lehrstuhl für Werkstofftechnologie
der Universität Dortmund berufen. Bereits 2001 kehrte er
als Professor und geschäftsführender Leiter an das Institut für Werkstoffkunde zurück und übernahm zudem die
kommissarische Leitung des Institutes für Kerntechnik und
Zerstörungsfreie Prüfverfahren. Er hat das Institut für Werkstoffkunde elf Jahre lang, von 2001 bis 2012, als geschäftsführender Direktor geleitet.
Als Vorstandsmitglied wirkte er maßgeblich an der Entwicklung des PZH, aber auch des Niedersächsischen Zentrums
24 PZH 2015
für Produktionstechnik NFP und des Clausthaler Zentrums
für Materialtechnik CZM mit.
Als Zeichen der besonderen Wertschätzung seiner erfolgreichen wissenschaftlichen Arbeit wurde er im Jahr 2006 Mitglied
der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech)
und im Jahr 2012 zum Niedersachsenprofessor berufen.
Er war Sprecher zahlreicher koordinierter Programme
wie etwa des Sonderforschungsbereiches „Prozesskette zur
Herstellung präzisionsgeschmiedeter Hochleistungsbauteile“,
des Graduiertenkollegs „Herstellung, Bearbeitung und Qualifizierung hybrider Werkstoffsysteme“ und der Forschergruppe
„Hochleistungsfügetechnik für Hybridstrukturen“. Professor
Bach hat sich in herausragender Weise um die Materialwissenschaft und Werkstofftechnik verdient gemacht. Viele Jahre war
er als Gutachter für die Deutsche Forschungsgemeinschaft und
die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ tätig. 2004 wurde er in das DFGFachkollegium „Werkstofftechnik“ gewählt. Darüber hinaus
war er Vorsitzender des Wissenschaftlichen Arbeitskreises
Werkstofftechnik e.V. WAW, der Fachgruppe „Stilllegung“ der
Kerntechnischen Gesellschaft (KTG), des DVS-Fachausschusses „Sonderschweiß- und Schneidverfahren“ und des Kuratoriums des Heinz-Piest-Instituts für Handwerkstechnik.
Für seinen Einsatz und sein Engagement wurde ihm 2006 das
Verdienstkreuz am Bande verliehen. 2007 wurde er Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften der Hochschulen der
Ukraine; im April 2009 wurde ihm die Ehrendoktorwürde (Dr.
h.c.) durch den Fachbereich der Produktionstechnik der Universität Bremen und im Mai 2009 die Ehrendoktorwürde (Dr.-Ing.
E.h.) durch die Fakultät Mathematik/Informatik und Maschinenbau der Technischen Universität Clausthal verliehen.
Wir werden unseren Professor Bach als Mensch, Kollegen,
Mentor und Freund sehr vermissen und behalten ihn stets in
guter Erinnerung.
Professor Hans Jürgen Maier, Institut für Werkstoffkunde,
mit allen IW-Mitarbeitern und den Kollegen aus dem PZH
25
... noch ein Jubiläum:
Das halbe Dutzend ist voll!
Schon zehn – und jetzt?
Z
Unsere Magazine finden Sie zum Download unter www.pzh-hannover.de/pzh-publikationen
Restexemplare auf Anfrage unter [email protected]
26 PZH 2015
ehn Jahre sind eindeutig zu wenig für eine Timeline, und
auch eine Gala mit Abendgarderobe ist für das ja doch
junge PZH ein eher unpassender Rahmen. Was ihm dagegen
gefällt: Es gewährt gern einen Bick in sein Fotoalbum. Und es
lädt ein, einige der vielen spannenden Menschen kennenzulernen, die es täglich prägen. Stolz ist es auch auf „seinen“ Sonderforschungsbereich: Wie es mit „Gentelligenten Bauteilen“
die Industrie-4.0-Entwicklung entscheidend mitprägen will,
präsentiert es daher ebenso gern wie jene Wissenschaftler, die
einen ganz neuen Leichtbaustahl nutzbar machen. Empfehlen
möchte es außerdem ein zukunftsweisendes Lehrangebot.
„Und jetzt?“ – Das also ist die Antwort: Ein paar schöne Erinnerungen an die vergangenen zehn Jahre teilen. Und dann auf
in die Zukunft!
Foto: PZH
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