BrakerMaulkorbPressespiegel

Protest wegen Klassenfahrten
Buh-Rufe in Brake für Kultusministerin
Das ist kein Heimspiel für Frauke Heiligenstadt.1000 Gymnasiasten stellen sich der
Kultusministerin beim Schulbesuch am Mittwoch mit Plakaten in den Weg.
Tobias Schwerdtfeger und Lina Brunnée NWZ online 07.05.15
Für ihre Schule legten sich die Braker Gymnasiasten mit einer großen Demonstration ins
Zeug.
Brake Statt „Hallo, liebe Frau Ministerin“, schreien Frauke Heiligenstadt (SPD) 1000
Gymnasiasten ihren Nachnamen entgegen, gefolgt von „wir haben’s satt“. Reimt sich
schön, hört sich für die Ministerinnenohren aber offenbar nicht so schön an. Denn:
Zügigen Schrittes marschiert die oberste Bildungshüterin durch die Gasse, die ihr die
demonstrierenden Schüler gelassen haben. Hinein ins Gebäude der Integrierten
Gesamtschule Brake (IGS).
Die liegt direkt gegenüber des Gymnasiums und ist ihr eigentliches Ziel. Dort will sich
Heiligenstadt über das Ganztages-Programm informieren. Gemeinsam mit der SPD–
Landtagsabgeordneten Karin Logemann besucht Heiligenstadt an diesem Mittwoch
mehrere Schulen im gesamten Kreisgebiet.
„Wir sind enttäuscht, dass Frau Heiligenstadt nicht das Gymnasium besucht“, sagt
Johannis Wilbertz (17), Schulsprecher des Gymnasiums. Doch hinter dem Protest
der 1000 Schüler steckt mehr als gekränkte Eitelkeit: „Durch die systematische
Aufwertung der Integrierten Gesamtschulen, an denen man das Abitur machen kann,
wird unser Abitur abgewertet“, sagt Wilbertz. Es fehle an Lehrerstellen, es gebe
außerdem keine Lösung für den Wegfall der Klassenfahrten. Gymnasiallehrer hatten
sie boykottiert, weil sie per Gesetz eine Stunde mehr arbeiten müssen. „Unsere
Klassenfahrten wollen wir zurück, deshalb protestieren wir“, sagt Schülerin Josefie.
Außerdem bräuchte das Braker Gymnasium mehr Politiklehrer, auch das ist auf
einigen Protestplakaten zu lesen.
Vier Tage lang haben die Schüler Plakate gemalt. „Wir wollen Lehrer ohne Burnout“,
„Wir wollen Klassenfahrten“ und „Ein Herz für Lehrer“, sind einige der Botschaften für
Heiligenstadt. Immerhin: Die Ministerin nimmt sich Zeit für ein Krisengespräch mit
Schulsprecher Wilbertz und dessen Kollegin Lotta Köhlke (16). „Ihre Aussagen waren
mir zu schwammig“, sagt Wilbertz hinterher auf NWZ -Nachfrage. Auf das
Klassenfahrten-Problem habe die Ministerin „gar nicht geantwortet“, sagt Köhlke
enttäuscht. Trotzdem: „Toll, dass sie überhaupt mit uns gesprochen hat.“
Nach kritischem NWZ-Bericht
Maulkorb vom Land für Braker Gymnasiasten
Die Landesschulbehörde lässt einen unliebsamen NWZ -Bericht von der Homepage
des Gymnasiums entfernen. Die Ministerin lässt ausrichten, sie habe den Artikel über
die Schülerdemo gegen sie nicht verschwinden lassen. An der Schule glaubt ihr das
niemand.
Tobias Schwerdtfeger NWZ online 09.05.15
Fühlen sich mundtot gemacht: Die Braker Gymnasiasten glauben, dass die Ministerin hinter dem
Eingreifen steckt.
Bild: Tobias Schwerdtfeger
Brake Schülersprecher Johannis Wilbertz (17) kann die Welt nicht mehr begreifen.
Er steht vor der Tür des Braker Gymnasiums und ringt nach Worten. Er denkt lange
nach. Dann sagt er: „So muss es wohl in einem totalitären Staat sein. Ich fühle mich
wirklich nicht gut.“ Dutzende Schüler stehen an diesem Freitag stumm neben ihm.
Sie halten sich die Hände vor den Mund. Alles, was sie heute zu sagen haben, ist auf
zwei Zetteln zu lesen, die einige Schülerinnen in die Höhe halten. Meinungsfreiheit,
steht auf ihnen geschrieben. Die Atmosphäre wirkt beklemmend.
Was ist passiert? Die Regionalabteilung Osnabrück der niedersächsischen
Landesschulbehörde hat am Freitag veranlasst, dass der NWZ -Bericht über die
Schüler-Demo gegen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) von der
Homepage des Braker Gymnasiums entfernt wird.
1000 Gymnasiasten hatten sich am Dienstag zu einer Demonstration gegen die
niedersächsische Schulpolitik vor der Integrierten Gesamtschule (IGS), direkt
gegenüber des Gymnasiums, versammelt. Dort hatte sich die Kultusministerin zum
Schulbesuch angemeldet. Die NWZ war vor Ort, berichtete darüber. Den Bericht
veröffentlichte die Schule anschließend auf ihrer Homepage.
Nicht nur der Bericht musste verschwinden. Nach NWZ -Recherchen ist außerdem
Schulleiter Klaus Dannemann zu einem Disziplinar-Gespräch vorgeladen worden.
Die Aufsichtsbehörde interessiert sich wohl besonders für die Rolle, die er bei der
Demonstration gespielt hat.
Die Ministerin, heißt es aus dem Kultusministerium auf Anfrage, habe damit nichts zu
tun. Sie habe weder das Entfernen des Artikels veranlasst, noch habe sie im Vorfeld
etwas davon gewusst. Am Braker Gymnasium glaubt das niemand. Die Schüler
fühlen sich mundtot gemacht. „Man bringt uns im Politikunterricht etwas über
Demokratie bei. Und dann kommen ausgerechnet Politiker und verbieten uns, zu
sagen, was wir denken“, sagt der Zehntklässler Hekmat Al Kassou (17).
„Die Demo war allein unsere Idee“, sagt Schülersprecherin Lotta Köhlken (16). „Herrn
Dannemann dafür zu bestrafen, ist nicht fair. Das nehmen wir nicht hin.“ Die
Schulbehörde teilt auf Anfrage mit, warum der Artikel verschwinden musste: „Die bis
zur Anordnung vorgefundene Darstellung auf der offiziellen Homepage des
Gymnasiums Brake ist mit der Funktion der Homepage einer staatlichen Schule und
dem damit verbundenen Auftrag der Öffentlichkeitsarbeit einer Schule nicht
vereinbar.“
Zudem dürfe eine Schule nicht „gegen das Mäßigungsgebot verstoßen“. Mit der
Beschränkung von Meinungsfreiheit habe das Entfernen des Artikels nichts zu tun.
Kommentar: Zur Freiheit erziehen
Die Ministerin sagt sich zum Besuch an. Es warten keine Kinder, die Lieder singen,
sondern 1000 Schüler, die Wut im Bauch haben. Die NWZ ist vor Ort, berichtet, die
Schule stellt den Artikel ins Internet.
Zugegeben, Werbung in eigener Ministerinnen-Sache ist das nicht. Deswegen
musste der Bericht wohl verschwinden, auch wenn Heiligenstadt dementiert, das
veranlasst zu haben. Glauben mag man ihr nicht. Es ist eines der höchsten Güter der
Demokratie, sagen zu dürfen, was man denkt. Das ausgerechnet eine
Bildungsbehörde dazu beiträgt, in Kindern daran einen Zweifel zu säen, ist so
unerträglich wie verantwortungslos.
Maulkorb Für Braker Schüler
Riesen-Empörung über „Zensur“ am Gymnasium
Jetzt schaut ganz Niedersachsen nach Brake: Das durch die Schulbehörde
befohlene Löschen eines NWZ -Artikels von der Schulhomepage entfacht eine
Debatte über die Meinungsfreiheit. Und bei der SPD droht nun parteiinterner Ärger.
Tobias Schwerdtfeger NWZ online 11.05.15
Sie haben gesagt, was sie denken. Der Schulbehörde hat das offenbar nicht gefallen.
Der Bericht über die Schülerdemo musste aus dem Internet verschwinden.
Bild: Tobias Schwerdtfeger
Brake Da braut sich was zusammen: Die Anordnung der Landesschulbehörde, einen
unliebsamen NWZ -Bericht über eine Schüler-Demo gegen Kultusministerin Frauke
Heiligenstadt (SPD) sofort von der Schulhomepage zu entfernen (wie Sonnabend
berichtet), stößt auf breites Unverständnis. Landesweit gibt es jetzt
Solidaritätsbekundungen mit den Braker Gymnasiasten. Viele Leser sind darüber
empört, was an der Schule am Freitag passiert ist.
Inzwischen berichten Medien in ganz Niedersachsen darüber, dass das Braker
Gymnasium den NWZ -Artikel von der Internetseite entfernen musste. Viele
sprechen von Zensur. So auch der Berner Björn Thümler, CDU-Fraktionschef im
Niedersächsischen Landtag. „Dieser Vorgang ist absolut inakzeptabel. Unsere
Schülerinnen und Schüler sollen zu eigenständigen Persönlichkeiten erzogen
werden, die ihre Meinung vertreten können. Sie sollen Demokratie lernen und
erfahren. Eine solche Reaktion auf ihre berechtigten Proteste sendet da ein fatales
Signal“, so Thümler. Dass das Kultusministerium „diese Zensur offenbar duldet, ist
bezeichnend. Die Kultusministerin kann mit Kritik nicht umgehen und gibt
Niedersachsens Schülern damit ein denkbar schlechtes Vorbild“, so der CDUFraktionschef weiter.
Im Gespräch mit der NWZ kündigte Thümler zudem an, dass die CDU nun mit einer
Anfrage im Landesparlament um Aufklärung dieser Angelegenheit bitten wird. „Ein
derartiger Maulkorberlass mit Billigung des Kultusministeriums führt unsere
demokratischen Prinzipien ad absurdum“, so Thümler. Das sei nicht hinnehmbar.
Auch bei der SPD gibt es Verwunderung über das Vorgehen der Schulbehörde. „Es
ist sehr unglücklich gelaufen. Das ist eine Art und Weise, die wir so nicht befürworten
können“, sagte Marcel Schmikale, stellvertretender Fraktions-Chef der SPD im
Stadtrat.
Es sei das gute Recht der Schüler, ihre Meinung öffentlich zu machen, so Schmikale
weiter. Dass die Landesschulbehörde das Entfernen des NWZ -Artikels angeordnet
habe, sei genau das, „was wir an der Vorgängerregierung immer kritisiert haben. Wir
stehen für Transparenz und Öffentlichkeit.“ In der SPD wird die Angelegenheit noch
ein Nachspiel haben. Bei einem Treffen des Unterbezirks-Vorstands der Partei werde
das Thema weiter erörtert. „Wir haben Aufklärungsbedarf innerhalb der Partei“, so
Schmikale, „wir werden da nachhaken“.
Die Landesschulbehörde hatte am Freitag angeordnet, dass ein NWZ -Bericht über
eine Demonstration von 1000 Braker Gymnasiasten von der Schulhomepage entfernt
wird. Sie hatten anlässlich des Besuchs von Kultusministerin Frauke Heiligenstadt
gegen die Schulpolitik der Landesregierung protestiert.
Maulkorb zurückgenommen
Ministerin knickt vor Braker Gymnasiasten ein
Die Schüler haben gekämpft, die NWZ berichtet – und die Landesschulbehörde
einen Maulkorb verhängt. Nun beugt sich Kultusministerin Frauke Heiligenstadt dem
öffentlichen Druck.
Tobias Schwerdtfeger NWZ online 11.05.15
Für ihre Schule legten sich die Braker Gymnasiasten mit einer großen Demonstration ins Zeug.
Bild: Tobias Schwerdtfeger
Brake Jetzt gibt die Kultusministerin nach: Frauke Heiligenstadt (SPD) hat verfügt,
dass ein kritischer Artikel der Nordwest-Zeitung nun doch auf der Homepage des
Braker Gymnasiums erscheinen darf. Zuvor hatte es heftige Proteste gegen einen
von der Landesschulbehörde verhängten „Maulkorb“ gegeben.
„Ich nehme die Meinung der Schülerinnen und Schüler sehr ernst und habe mich nie
vor unbequemen Diskussionen gescheut. Kritische als auch positive
Berichterstattungen gehören zum Alltag einer Ministerin“, teilt Heiligenstadt mit. Die
Schulbehörde habe ihr Vorgehen zwar mit dem Ministerium abgestimmt, sie selber
habe darüber aber im Voraus keine Kenntnis gehabt.
Schülersprecher Johannis Wilbertz (17) lässt sich davon nicht überzeugen: „Jetzt ist
es zu spät. Die Ministerin reagiert zwar, aber die Karre steckt doch schon im Dreck.
Sie hat das doch jetzt nicht aus Überzeugung veranlasst, sondern nur wegen des
Drucks der Berichterstattung.“
Auch die Opposition im Landtag nimmt den Ball auf. CDU-Fraktionschef Björn
Thümler (Berne) sagt: „Sie ist vor dem öffentlichen Druck jetzt eingeknickt. Das hatte
sie wohl nicht vor. Das Wiedereinstellen des NWZ-Artikels hätte sie am Freitag auch
schon haben können. Die Schüler des Gymnasiums haben den allergrößten Respekt
verdient.“
SPIEGEL-online zum Braker Maulkorb
11. Mai 2015
Maulkorb-Posse in
Niedersachsen: Behörde
zensiert Schul-Homepage
Von Bernd Kramer
Buhrufe für die Ministerin? Bitte nicht auf der
Schulhomepage
An einem Gymnasium in Niedersachsen protestieren tausend Schüler
gegen die Kultusministerin. Die Schule verlinkte einen Bericht auf
ihrer Internetseite - zum Ärger der Behörden, die eine sofortige
Löschung anordneten.
Die 9c gewinnt ein Handballturnier. Die 5a freut sich über
Buchgutscheine. Grundschüler waren zum Schnuppertag da. Das
erfährt man, wenn man die Homepage des Gymnasiums in Brake bei
Bremen aufruft.
So weit, so unaufregend.
Bis vergangenen Freitag konnte man auf der Internetseite der Schule
außerdem lesen, dass die Schüler wütend sind. Dass sie sich am
Mittwochmorgen auf dem Schulhof versammelt hatten, um gegen die
niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) zu
protestieren, die an diesem Tag in der Stadt zu Besuch war. Ein Link
führte von der Seite der Schule auf den Artikel in der Lokalpresse, die
über die Demonstration berichtete.
Das missfiel der Schulaufsicht offenbar so sehr, dass sie zu einem
ungewöhnlichen Mittel griff. Am Freitagvormittag rief die Behörde in
der Schule an. Seither heißt es auf der Homepage lapidar: "Auf
Anordnung des Leiters der Niedersächsischen Landesschulbehörde
(Regionalabteilung Osnabrück) wurde der Artikel 'Protest wegen
Klassenfahrten - Buhrufe in Brake für Kultusministerin' am 08. Mai
um 12:27 Uhr entfernt".
Ministerium gibt nach
In der Schule herrscht Unverständnis über die Zensur. "Wir verlinken
häufiger Presseartikel über unsere Schule auf der Homepage", sagt
Christian Müller, Koordinator für die Sekundarstufe 1 des
Gymnasiums. Bisher habe es nie Probleme gegeben. Auch
Schülersprecher Johannes Wilbertz, 17, ist sauer: Die Löschaktion sei
eine "Beschränkung der freien Meinungsäußerung".
Zwischenzeitlich verteidigte die Schulaufsicht ihre Anordnung noch:
Die Darstellung auf der Website habe den Eindruck vermittelt, "dass
es sich bei dem abgebildeten Geschehen um eine offizielle
Veranstaltung im Rahmen der Gesamtverantwortung der Schule
handeln würde", sagte eine Behördensprecherin der "Hannoverschen
Allgemeinen Zeitung" am Freitag.
Am Montag kam plötzlich die Rolle rückwärts aus dem Ministerium:
Sie habe die Anweisung der Behörde an das Gymnasium
zurückgenommen, teilte Kultusministerin Heiligenstadt mit. "Ich
nehme die Meinung der Schülerinnen und Schüler sehr ernst und habe
mich nie vor unbequemen Diskussionen gescheut", sagte
Heiligenstadt. Die Behörde habe die Zensur-Aktion zwar mit dem
Kultusministerium abgestimmt - die Ministerin selbst will aber nicht
einbezogen gewesen sein: "In der Abwägung der Argumente komme
ich zu dem Ergebnis, dass eine Löschung nicht erforderlich war und
ist."
Schulleiter muss zum Disziplinargespräch
Die Demonstration der Schüler hat auch ein Nachspiel für den
Schulleiter, der sich selbst daher derzeit nicht äußern möchte: Er ist
für diesen Mittwoch zum Disziplinargespräch bei der
Landesschulbehörde in Osnabrück geladen.
Rund tausend Gymnasiasten, fast die komplette Schülerschaft, hatte
sich in der vergangenen Woche an der Demonstration auf dem
Schulhof beteiligt - obwohl sie eigentlich im Unterricht hätten sein
müssen. Hat die Schulleitung sie zum Protest gegen die Ministerin
aufgefordert oder ermutigt?
"Schulleitung und Lehrer haben nicht zu der Demo aufgerufen", sagt
Schülervertreter Johannes Wilbertz. Die Initiative sei von den
Schülern ausgegangen. So ähnlich äußert sich auch das Gymnasium:
Die Schule wusste zwar von den Plänen der Schüler, sei aber selbst
überrascht gewesen vom Ausmaß des Protestes, sagt Lehrer Christian
Müller. Man habe die Schüler allerdings darauf hingewiesen, dass sie
dem Unterricht nicht einfach fernbleiben dürften - sie gingen trotzdem
demonstrieren und riskierten einen Klassenbucheintrag.
Niedersachsens Kultusministerin Heiligenstadt hat in jüngster Zeit
öfter mit protestierenden Gymnasiasten zu tun. Aus Ärger über eine
Stunde Mehrarbeit boykottieren Gymnasiallehrer vielerorts seit über
einem Jahr Klassenfahrten - so auch in Brake.
Die Landesschülervertretung in Niedersachsen hatte vergeblich
versucht, zwischen Lehrervertretern und Ministerium zu vermitteln.
Zuletzt hatte Ministerin Heiligenstadt Mitte April eine bessere
Kostenerstattung für Klassenfahrten angekündigt, ohne aber an der
Mehrarbeitsregelung für Gymnasiallehrer zu rütteln.
Mit der Zensur-Aktion hat sich die Schulbehörde derweil Spott
eingehandelt - vielleicht ist auch das ein Grund, warum das
Ministerium die Löschanordnung widerrief. Wo früher der Artikel
über die Protestaktion verlinkt war, hagelt es über das Wochenende
böse Kommentare. "Lasst euch von diesem Rückschlag nicht
entmutigen", schreibt ein Kommentator dort ins Gästebuch. "Wo soll
so ein Maulkorberlass hinführen?", fragt ein anderer. Und ein Lehrer
der Schule postet im Kommentarbereich einfach von Neuem den Link
zum Demo-Artikel.
Quelle:
http://www.spiegel.de/schulspiegel/schulbehoerde-zensiert-websitedes-gymnasiums-brake-a-1033188.html (abgerufen am 11. Mai 2015)
Die Ministerin und der Braker „Maulkorb“
Heiligenstadt wehrt sich gegen Zensurvorwürfe
Der NWZ-Artikel steht wieder auf der Homepage des Braker Gymnasiums. Doch der
Trubel ist noch nicht vorbei: Kultusministerin Heiligenstadt verteidigt jetzt ihr
Vorgehen. Der Braker Schulleiter habe nichts von der Demo gewusst.
NWZ online 13.05.15
Nach dem Braker Maulkorb-Erlass: Niedersachsens Kultusministerin Frauke Heiligenstadt
wehrt sich gegen die Zensurvorwürfe. Bild: dpa
Brake/Hannover Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) hat sich gegen
Zensurvorwürfe zur Wehr gesetzt und das Vorgehen der Landesschulbehörde gegen
ein Gymnasium nach Schülerprotesten verteidigt. Bei ihrem Besuch einer
Gesamtschule in Brake hätten 800 bis 1000 Gymnasiasten gegen die Schulpolitik
protestiert und das Gelände ihrer Schule über längere Zeit unbeaufsichtigt verlassen,
sagte die Ministerin am Dienstag im Landtag in Hannover. „Angeblich hat der
Schulleiter von nichts gewusst.“ Auch deshalb gebe es an diesem Mittwoch in der
Schulbehörde ein Gespräch mit dem Direktor.
Eine von der Schulbehörde zunächst verfügte Löschung eines kritischen
Zeitungsberichts über die Proteste von der Homepage des Gymnasiums hatte
Heiligenstadt zwar am Montag rückgängig gemacht. Dennoch argumentierte sie am
Dienstag, es habe sich nicht um neutrale Informationen sondern um einen
einseitigen Bericht gehandelt, weshalb die Behörde zunächst eingeschritten sei. In
der Aktuellen Stunde zum Start der zweitägigen Landtagssitzung hatte die CDU der
Ministerin Zensur und Denkverbote in der Schulpolitik vorgeworfen. Die SPD
widersprach und erklärte, dass sie auf Dialog setze - auch deshalb habe die
Ministerin die Schule besucht und sich Protesten gestellt.
Seit der Erhöhung der Unterrichtsverpflichtung für Gymnasiallehrer nach
Heiligenstadts Amtsantritt gibt es Proteste von Lehrern und Schülern. An etlichen
Schulen organisieren die Lehrer aus Protest keine Klassenfahrten mehr, was
wiederum die Schüler aufbringt.
Maulkorb-Streit von Brake
Jetzt greift die Ministerin den Schulleiter an
Ministerin Heiligenstadt zieht Kritiker ins Lächerliche, ihre Parteikollegen sprechen
von einseitiger Berichterstattung – und nun gerät auch der Rektor ins Visier: Er soll
seine Aufsichtspflicht verletzt haben. Die Entfernung eines kritischen NWZ -Artikels
von der Homepage des Braker Gymnasiums sorgt weiterhin für Streit.
Gunars Reichenbachs und Tobias Schwerdtfeger NWZ online 13.5.15
Hat Ärger: Klaus Dannemann, Direktor des Braker Gymnasiums.
Bild: Glückselig
Brake/Hannover Der Streit um das Gymnasium Brake und die von der
Schulbehörde verfügte Zensur eines kritischen NWZ -Artikels auf der Homepage zur
rot-grünen Schulpolitik geht weiter. In einer hitzigen Debatte des Landtags warf die
Opposition Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) vor, dass „unerwünschte
Kritik totgeschwiegen“ werden solle.
Heiligenstadt sei eine „Verbots- und Maulkorb-Ministerin“, kritisierte CDUFraktionschef Björn Thümler (Berne). Und der FDP-Schulexperte Björn Försterling
fragte: „Soll man künftig Schüler wegsperren, wenn die Ministerin in der Nähe ist?“
Heiligenstadt, die die Entfernung eines Artikels von der Homepage des Gymnasiums
am Montag rückgängig gemacht hat, attackierte ihrerseits die Opposition: „Ihnen geht
es nur um Klamauk.“
Dem Schulleiter warf die Ministerin Vernachlässigung der Aufsichtspflicht vor. Bei
ihrem Besuch einer Gesamtschule in Brake hätten 800 bis 1000 Gymnasiasten
gegen die Schulpolitik protestiert und das Gelände ihrer Schule über längere Zeit
unbeaufsichtigt verlassen. „Angeblich hat der Schulleiter von nichts gewusst“,
kritisierte Heiligenstadt den Pädagogen.
Der
SPD-Schulexperte
Stefan
Politze
beklagte
eine
„einseitige
Presseberichterstattung“ über Brake und nannte die protestierenden Schüler
„Schulschwänzer“. Eine Sicht, die keineswegs von allen rot-grünen Abgeordneten
geteilt wird. Nach der Rede Heiligenstadts blieben auffällig viele Hände bei SPD und
Grünen unten. Manche sprechen von Zensur der Schulbehörde. Ein
Kabinettsmitglied nannte gegenüber der NWZ den ganzen Vorgang „eine
Dummheit“.
Ob die Braker Affäre für Klaus Dannemann, Schulleiter des Gymnasiums,
disziplinarische Konsequenzen haben wird, ist indes unklar. Dannemann sollte sich
an diesem Mittwoch vor einer fünfköpfigen Dezernentenrunde bei der
Landesschulbehörde in Osnabrück zu den Vorgängen rund um die Demonstration
erklären.
Nach NWZ -Recherchen ist das Dienstgespräch abgesagt. Dannemann wird an
diesem Mittwoch stattdessen ein Vier-Augen-Gespräch mit dem Behördenleiter
führen.
Zensurvorwurf
Schulbehörde sagt Disziplinargespräch ab
Viel Unterstützung für Oberstudiendirektor des Braker
Gymnasiums – Debatte im Landtag
Der Internetauftritt des Braker Gymnasiums ist wieder zensurfrei. Und der Schulleiter
muss sich nicht vor der fünfköpfigen Dezernentenrunde verantworten.
Tobias Schwerdtfeger und Gunars Reichenbachs NWZ online 13.05.15
Kultusministerin Frauke Heiligenstadt
Bild: Alexander Körner
Brake/Hannover Wenn Klaus Dannemann an diesem Mittwoch zum Gespräch bei der
Landesschulbehörde in Osnabrück erscheint, wird er seinen Anwalt wohl nicht
brauchen. Der Schulleiter des Braker Gymnasiums war von der Landesschulbehörde
eigentlich zu einem Disziplinargespräch für den heutigen Mittwoch einbestellt
worden. Das ist jedoch abgesagt.
Nach NWZ -Recherchen wird Dannemann in Osnabrück jedoch zu einem klärenden
Vier-Augen-Gespräch
mit
Behördenleiter
Horst-Dieter
Husemann
zusammenkommen. Bestätigen wollten das auf Nachfrage jedoch weder
Dannemann, noch die Landesschulbehörde. Den ursprünglichen Termin in
Osnabrück habe er abgesagt, teilte Dannemann lediglich mit. Eine
Behördensprecherin
sagte,
dass
man
keinerlei
Informationen
über
Personalangelegenheiten an die Öffentlichkeit geben werde.
Fünf Spitzenbeamte der Behörde wollten Dannemanns Verhalten vor und während
der Schülerdemo gegen Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) auf mögliche
Dienstvergehen untersuchen. Der Oberstudiendirektor sollte unter anderem erklären,
wie es sein könne, dass 1000 Schüler ohne Aufsicht und ohne sein Wissen auf dem
Schulgelände gegen die Landesschulpolitik demonstrieren.
Unterstützung für die Auseinandersetzung mit der Schulbehörde hatte Dannemann
die Niedersächsische Direktorenvereinigung (NDV), ein Zusammenschluss von
Schulleitern, zugesagt. „Dass von Seiten des Kultusministeriums in der Öffentlichkeit
konkrete Vorwürfe gegen den Schulleiter erhoben werden, komme einer
Vorverurteilung gleich“, sagte NDV-Vorsitzender Wolfgang Schimpf, Leiter des MaxPlanck-Gymnasiums in Göttingen. Schimpf kündigte an, Dannemann auch juristisch
mit allen Mitteln zu unterstützen.
Breite Unterstützung erhält der Schulleiter auch im Niedersächsischen Landtag. CDU
und FDP kritisieren die Vorgänge von Brake scharf. CDU-Fraktionschef Björn
Thümler (Berne) warnt vor einem „Tribunal“ gegen den Gymnasialdirektor. Selbst der
Grünen-Schulexperte Heiner Scholing fordert: „Der Konflikt braucht eine
Entschärfung.“ Schüler müssten sich in der freien Meinungsäußerung üben. „Es geht
auch um Demokratie-Erziehung“, nimmt Scholing die demonstrierenden Schüler von
Brake in Schutz.
Auch der SPD-Schulexperte Stefan Politze verspricht: „Wir suchen den Dialog.“
Politze wirft der Opposition aber vor, den Konflikt „zu instrumentalisieren“. Zur
Wahrheit gehöre, dass der Schülersprecher von Brake „Sprecher der Jungen Union
in der Wesermarsch“ sei, so Politze, der offenbar nicht weiß, dass der Jugendliche
Sprecher der Schüler-Union ist. Darauf weist wiederum ein CDU-Sprecher hin.
Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) lädt ebenfalls einen Großteil der Schuld
bei der Opposition ab, erinnert an Fehler von Schwarz/Gelb – wie die Abschaffung
der Zentrale für politische Bildung. „Wenn Sie in den Spiegel sehen, müsste Ihnen
die Schamesröte ins Gesicht steigen“, sagt sie.
Meinung
Nichts gelernt
Streit um Braker Gymnasium
NWZ online von Gunars Reichenbachs 1303.15
Gunars Reichenbachs, Büro Hannover
Der Streit um Internet-Zensur für das Braker Gymnasium durch die Schulbehörde
wird immer bizarrer. Formal hat Kultusministerin Frauke Heiligenstadt die
übereifrigen Beamten zurückgepfiffen und verfügt, dass ein kritischer Artikel zur rotgrünen Schulpolitik wieder auf der Homepage der Schule erscheinen darf. Aber im
Landtag demonstriert die Ministerin, dass sie aus der Maulkorb-Affäre nichts, aber
auch gar nichts gelernt hat.
Statt einen Fehler ihrer Behörde einzugestehen und die Verantwortlichen zur
Rechenschaft zu ziehen, greift die Kultusministerin öffentlich Schulleitung und
Schüler an. Tenor: Schüler-Proteste und das Verhalten der Lehrer am Gymnasium
seien im Grunde doch nicht richtig. Gleichzeitig wirft die Ministerin der Opposition
Klamauk vor. Motto: Attacke ist die beste Verteidigung.
Dass Ministerpräsident Stephan Weil währenddessen auf der Regierungsbank
buchstäblich immer tiefer hinter Akten verschwindet, die Kultusministerin am Pult
keines Blickes würdigt und niemand aus dem Kabinett der Bedrängten demonstrativ
zur Seite springt, spricht Bände. Viele Koalitionäre finden die Taktik der Ministerin nur
peinlich. „Dummheit“, lautet eine Bewertung aus dem Kabinett zum ganzen Vorgang.
Demokratie lebt vom aufrechten Gang. Schülerinnen und Schüler, die sich vor einer
Ministerin ducken sollen, können es nicht lernen.