Zeitenwende. Medien und Politik zwischen Mauerfall und - OSI-Club

Zeitenwende. Medien und Politik
zwischen Mauerfall und Einheit
1989/90
Öffentliche Ringvorlesung des OSI-Clubs e.V. in Kooperation mit der
Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin
am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität Berlin
im Sommersemester 2014
Dokumentation der Veranstaltung
Mit freundlicher Unterstützung von:
Inhalt
1.
Der Hintergrund .............................................................................................................................. 3
2.
Die Referenten ................................................................................................................................ 3
3.
Die Vorträge .................................................................................................................................... 6
4.
Pressearbeit ................................................................................................................................... 22
5.
Veröffentlichungen........................................................................................................................ 22
6.
Die Werbung für Veranstaltungen ................................................................................................ 22
7.
Resonanz und Besucherzahlen ...................................................................................................... 23
Impressum: Herausgegeben vom OSI-Club-Vorstand
OSI-Club | Verein der Freundinnen und Freunde des Otto-Suhr-Instituts e. V.
Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft
Ihnestraße 22 • 14195 Berlin
E-Mail: [email protected] | Web: www.osi-club.de
Redaktion: Rita Hermanns, Richard Mattmüller, Philipp Koch, Thomas Großmann und Christian
Walther (V.i.S.d.P.)
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1. Der Hintergrund
Die Ereignisse, die im Herbst 1989 in der DDR zum Ende der SED-Herrschaft und dem Fall der Berliner
Mauer geführt haben, sind als eine „Medienrevolution“ bezeichnet worden. Tatsächlich hatte
insbesondere das Fernsehen entscheidenden Anteil am Mauerfall in der Nacht vom 9. auf den 10.
November 1989. In den Wochen danach veränderten sich die DDR-Medien tiefgreifend und leisteten
einen wichtigen Beitrag zur Transformation der Gesellschaft im Prozess der deutschen Einheit.
Im Rahmen seiner öffentlichen Ringvorlesung Politik und Kommunikation möchte der OSI-Club
(www.osi-club.de) Medien und Journalisten aus Ost und West und ihren Einfluss auf Politik und
Gesellschaft in den Jahren 1989/90 betrachten. In Erweiterung der Perspektive werden auch die
Konfrontation im Kaltem Krieg sowie die bis in die Gegenwart reichenden Auswirkungen der
(medien-) politischen Zäsur 1989/90 einbezogen. Dabei sollen Akteure und Augenzeugen genauso zu
Wort kommen wie Wissenschaftler, die sich mit dem Umbruch in der DDR und dem Verhältnis von
Medien und Politik in dieser Zeit beschäftigen.
2. Die Referenten
Der Kalte Krieg zwischen Ost und West prägte über viele Jahre das Leben im geteilten Deutschland.
Einer der Orte des Systemkonflikts waren die elektronischen Medien, die leicht Grenzen
überschreiten konnten. So versuchten beide Seiten, zunächst mit dem Hörfunk, später auch mit Hilfe
des Fernsehens die Gegenseite zu beeinflussen. Dr. Christoph Classen, Wissenschaftler am Zentrum
für Zeithistorische Forschung (ZZF) in Potsdam, ist Experte für das Verhältnis von Medien und Politik
zwischen 1948 und 1989 und eröffnet die Ringvorlesung am 28. April mit einem Überblick zu der
Frage, wann und wie der Kalte Krieg im Äther ausgetragen wurde.
Wolfgang Rüddenklau hätte schon 1975 in den Westen gehen können, wenn er nicht den schon
bewilligten Ausreiseantrag wieder zurückgezogen hätte. Stattdessen blieb er, war stets im Visier der
Stasi und lernte den DDR-Knast von innen kennen. Rüddenklau engagierte sich seit 1983 vor allem
bei einem Friedens- und Umweltkreis innerhalb der Kirche. Als 1986 die Idee einer Umweltbibliothek
in der Zionskirche verwirklicht werden konnte, war er von der Idee bis zur Ausführung mit dabei. Die
Umweltbibliothek pflegte den Kontakt zu diversen Westmedien. Von den Erfahrungen, Chancen und
Gefahren der – aus vielen Gründen nicht immer einfachen – Zusammenarbeit mit den Westmedien
handelt sein Vortrag am 5. Mai.
Netzwerker, Grenzgänger, Vermittler zwischen verschiedenen Welten – wie kein anderer trug der
heutige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn dazu bei, dass eine Verbindung
3
zwischen Westmedien und der DDR-Opposition hergestellt wurde. Ob als freier Mitarbeiter der „taz“,
als Mitinitiator von „Radio Glasnost “ oder als Redakteur des SFB-Magazins „Kontraste“ – der
Journalist Roland Jahn, der 1983 aus Jena in die Bundesrepublik abgeschoben wurde, stellte für alle
Verbindungen her und sorgte für den Informationsaustausch „über Mauern“ hinweg, über den er
am 12. Mai berichtet. Vor seiner unfreiwilligen Ausreise war Jahn in der Friedensgemeinschaft Jena
aktiv.
Brigitte Zimmermann wurde fast zufällig Journalistin in der DDR. Nach einem Lehrgang 1962 fing sie
als Redakteurin bei der Zeitung „Junge Welt“ an, die vom Jugendverband FDJ herausgegeben wurde.
Dort stieg sie 1970 zur stellvertretenden Chefredakteurin auf und verließ diesen Posten acht Jahre
später eher widerwillig für eine Stelle im Zentralrat der FDJ. 1983 kehrte sie in den Journalismus
zurück und wurde Chefredakteurin der auflagenstarken Wochenzeitung „Wochenpost“, wo sie das
Ende der DDR erlebte. Wie Journalismus in der DDR funktionierte und was sich mit dem Mauerfall für
die ostdeutschen Journalisten änderte, ist ihr Thema am 19. Mai.
Als Fernsehreporter war Robin Lautenbach im wahrsten Sinne des Wortes Augenzeuge des
Mauerfalls. Seit dem frühen Abend des 9. November 1989 war er für den SFB auf der Westseite der
Berliner Mauer unterwegs, um die Ereignisse mit Kamera und Mikro einzufangen. Von einiger
Bedeutung war sein Livebericht vom Grenzübergang Invalidenstraße in den „Tagesthemen“ an
diesem Abend – noch vor dem eigentlichen Mauerfall. Doch auch die Wochen und Monate danach
waren spannend und ereignisreich für den letzten Korrespondenten im ARD-Studio DDR in der OstBerliner Schadowstraße. Sein Titel am 26. Mai: „Im Osten was Neues. Als Korrespondent zwischen
West- und Ostberlin 1989/90.“
Wenn Frank Mangelsdorf, heute Chefredakteur der Märkischen Oderzeitung, am 2. Juni über die
Blockpresse und das „Ende der Bevormundung“ spricht, so tut er das als jemand, der den Prozess
unmittelbar miterlebt hat. Er arbeitete von 1975 bis 1990 als Redakteur bei der Zeitung „Der
Morgen“, dem Zentralorgan der LDPD. Die „Liberal-Demokratische Partei Deutschlands“ erkannte
die Vorrangstellung der SED an und ordnete sich ihr unter – bis in den Herbst 1989. Bevor Frank
Mangelsdorf 2001 zur Märkischen Oderzeitung ging, sammelte er Erfahrungen als Journalist bei
diversen Tageszeitungen: der „Welt“, dem „Tagesspiegel“, der „Berliner Morgenpost“ und der
„Ostseezeitung“.
Der Fall der Berliner Mauer ist das Ereignis des Jahres 1989, das weltweit die größte Aufmerksamkeit
fand und Teil des kollektiven Gedächtnisses geworden ist. Wie genau es am 9. November zum
Mauerfall kam, hat Dr. Hans-Hermann Hertle vom ZZF Potsdam minutiös rekonstruiert und im Buch
„Chronik des Mauerfalls“ zusammengefasst, das in mittlerweile zwölf Auflagen erschienen ist. Sein
Fazit lautet: mehr noch als die berühmte Pressekonferenz von SED-Politbüromitglied Günter
Schabowski waren es die Medien, die zum Fall der Berliner Mauer beigetragen haben. Über die
dramatischen Ereignisse in jener Nacht spricht er am 16. Juni.
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Dr. Jürgen Kuttner gilt als Vermittler von (Ton-)Kultur mit Kultstatus. Der in Ost-Berlin geborene
Radiomoderator, Autor, Regisseur und Schauspieler promovierte in den 80er Jahren an der
Humboldt-Universität über „Massenkultur und Masse“ und war 1989/90 Mitbegründer der
Ostausgabe der „taz“. Daneben begann er beim DDR-Jugendsender „DT64“als Radiomacher mit
einem offenen Ohr für die Hörer. Bekannt wurde Kuttner später auch mit seiner Sendung
„Sprechfunk“ auf Radio Fritz (ORB/rbb). Am 23. Juni referiert Kuttner über die Entstehung
alternativer Medien und das Gefühl des „Selbermachens“ in der Umbruchzeit.
Der Regisseur, Publizist, ehemalige Bürgerrechtler und Politiker Konrad Weiß gehörte zu den
Mitbegründern der Bürgerrechtsbewegung „Demokratie jetzt“ und nahm als deren Vertreter
1989/90 am Runden Tisch teil. Er wurde 1990 Mitglied der ersten und einzigen frei gewählten
Volkskammer. Von 1990 bis 1994 war er Bundestagsabgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen in Bonn. Konrad Weiß wird am 30. Juni unter dem Titel „Aufbruch zur Medienfreiheit. Die
Bürgerbewegung in der frei gewählten Volkskammer 1990“ über seine Erfahrungen mit der
Medienpolitik in der DDR zwischen März und Oktober 1990 berichten und davon, was die Opposition
sich erhofft und vorgestellt hatte.
Ende 1989 wird Hannelore Steer zur Chefredakteurin von Radio Berlin International, dem
Auslandssender der DDR, gewählt. Später wird die studierte Afrikanistin die letzte stellvertretende
Intendantin von „Funkhaus Berlin“, dem Nachfolger der DDR-Radioanstalt an der Nalepastraße, die
1992 aufgelöst wurde. Damit war sie nicht nur Augen- und Ohrenzeugin in den Jahren des Umbruchs,
sie gilt durch ihre langjährige Arbeit als Hörfunkdirektorin des rbb und des früheren ORB als
Brückenbauerin in der deutschen Medienlandschaft. Die für ihre Bestrebungen um eine freie
Berichterstattung und die Demokratisierung des DDR-Hörfunks mit Bundesverdienstkreuz geehrte
Steer spricht am 7. Juli über die Rundfunkwende in den Jahren 1989 bis 1992.
Der Publizist und Verleger Dr. Christoph Links kennt den Journalismus und das Verlagswesen der
DDR aus eigenem Erleben. Er arbeitete 1980 bis 1986 als Redakteur der „Berliner Zeitung“ und
schrieb nebenbei für den „Sonntag“. Für den „Aufbau-Verlag“ war er anschließend als Lektor tätig.
Als einer der ersten unabhängigen Verleger in der DDR gründete Links bereits zum Jahreswechsel
1989/90 den bis heute erfolgreichen Christoph Links Verlag. Mit seinem Vortrag über die Entstehung
und Bedeutung unabhängiger Verlage am Ende der DDR im Übergang zur deutschen Einheit
beschließt er am 14. Juli die Ringvorlesung.
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3. Die Vorträge
Christoph Classen: Kalter Krieg im Äther? Massenmedien in der Systemkonfrontation 1948-85
Das Fragezeichen im Vortragstitel war Dr. Christoph Classen, Historiker am Zentrum für
Zeithistorische Forschung (ZZF) Potsdam, wichtig. Denn die Konfrontation ist nicht die einzige
Dimension mit der die Beziehung der Medien in Ost und West während der Zeit des Kalten Krieges
beschrieben werden kann. Daneben gab es über die vierzig Jahre hinweg auch eine Geschichte der
Verflechtung, der wachsenden Unterhaltungsorientierung sowie des Austauschs und Handel von
Fernsehprogrammen. Erst diese verschiedenen Dimensionen ergeben ein einigermaßen vollständiges
Bild vom Verhältnis der Massenmedien in der Zeit des Kalten Krieges, betonte Classen, der mit
diesem Überblick die Ringvorlesung eröffnete.
Als Voraussetzungen für alle vier Beziehungsdimensionen führte Classen zunächst die Medialisierung
als ein Erklärungsmodell ein, das im Kern die wachsende Bedeutung von Massenmedien für die
Gesellschaften beschreibt. Eine weitere wichtige Voraussetzung gerade für die Konfrontation besteht
im spezifischen Medienverständnis der Akteure auf beiden Seiten. In Deutschland bestand bis zum
Ende des Zweiten Weltkrieges eine lange Tradition illiberaler Vorstellungen von Öffentlichkeit, die
auf Vorstellungen von der Massengesellschaft und ihrer Steuerung Ende des 19. Jahrhunderts
zurückgeht. Die starke Konfrontation der ost- und westdeutschen Medien in den 50er und 60er
Jahren hängt auch mit dem Wunsch der Akteure zusammen, in dieser Tradition die eigene
Bevölkerung zu mobilisieren und den anderen Teil Deutschlands möglichst im eigenen Sinne zu
beeinflussen. Christoph Classen stellte mehrere Beispiele vor, von denen der „Schwarze Kanal“ KarlEduard von Schnitzlers im DDR-Fernsehen die bekannteste, aber nicht die einzige Sendung, in diesem
Sinne war. Ermöglicht und auch begrenzt wurde die umfassende Konfrontation durch technische
Reichweiten der Sendesignale von West nach Ost und auch umgekehrt. Gerade die DDR versuchte
immer wieder den westdeutschen medialen Einfluss durch Störsender zu minimieren, wenn auch mit
geringem Erfolg.
Mit Beginn der 70er Jahren nahm die Konfrontation im Zuge der Entspannungspolitik ab. Dafür
traten die weiteren Beziehungsdimensionen stärker in den Vordergrund. So nahm die Politisierung
der Medien insgesamt zugunsten einer stärkeren Unterhaltungsorientierung ab, der sich auch die
DDR-Führung auf Dauer nicht verweigern konnte. Stattdessen wurde versucht, ideologische Inhalte
in einen westlichen Unterhaltungsrahmen einzupassen, wie Classen am Beispiel der Fernsehserie
„Das unsichtbare Visier“ zeigte, das starke Anleihen beim westlichen Kinoerfolg der James BondReihe nahm. Letztlich ein Eigentor, wie Classen betonte, denn die Darstellung westlicher
Konsumwelten überlagerten die Intention einer Politisierung des Stoffs.
Die Geschichte des „Sandmännchen“ zeigt die Konkurrenz und Verflechtung zwischen beiden
Mediensystemen, die aber auch durch einen Handel und Austausch von Programmen mit einander
verbunden waren. Die Forschung zu diesem Bereich läuft gerade noch. Doch zeigt sich hier die
Tendenz, das aus Massenmedien im Laufe der Zeit Konsumgüter werden. Die Geschichte der Medien
im Kalten Krieg erschöpft sich daher nicht in der politischen Instrumentalisierung. Als sicher gilt aber,
betonte der ZZF-Wissenschaftler, dass die Massenmedien eine wichtige katalytische Bedeutung in
den Systemkrisen des ostdeutschen Teilstaates 1953 und 1989 hatten. Diese Ereignisse mit ihren
medialen Konstellationen stellten aber in der Gesamtschau eher die Ausnahme denn die Regel dar.
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Wolfgang Rüddenklau: Samisdat und Westreporter. Opposition und Öffentlichkeit in der SEDDiktatur 1987-89
Unter welch schwierigen Umständen alternative Presse Ende der 80er Jahre in Ostberlin hergestellt
und vertrieben wurde, berichtete der Publizist Wolfgang Rüddenklau sehr anschaulich und aus
eigener Erfahrung. Dabei beschränkte er sich ausdrücklich auf die Untergrundpresse. Bereits in den
70er Jahren existierte „Der Rote Stachel“, eine Art Zentralorgan der KPD-ML-DDR, der zunächst in
Westberlin gedruckt wurde, bis sich herausstellte, dass eine hektographierte Version des Blattes in
der DDR als erheblich glaubhafter angesehen wurde.
Rüddenklau führt die sich immer mehr regende Kritik an den Verhältnissen bei gleichzeitiger relativer
Lockerung der staatlichen Kontrollen auf den wirtschaftlichen Niedergang der DDR in den 70er
Jahren, einer dafür viel zu großzügigen Sozialpolitik und der Abhängigkeit von westdeutschen
Krediten zurück. Auch die Politik gegenüber der evangelischen Kirche habe die Voraussetzungen
dafür geschaffen, dass eine Opposition entstehen und sich artikulieren konnte. Der 1978
geschlossene Vertrag zwischen Staat und der evangelischen Kirche gestattete der Kirche, Zensur zu
umgehen, indem man eine „innerkirchliche Druckerlaubnis“ tolerierte. Kritische DDR-Bürger,
Oppositionelle, Umwelt- und Friedensgruppen machten sich die Tatsache zunutze, dass de facto
keine Druckerlaubnis erforderlich war. Unter dem Dach der Kirche erschien die erste Zeitschrift „nur
zur innerkirchlichen Information. Wenn die Töne gar zu kritisch wurden und Konflikte mit der
Staatsmacht drohten, wurden die Gruppen dann auch wieder „fallengelassen“, ihnen also die
Unterstützung der Kirchengemeinden auch wieder entzogen, so Rüddenklau.
Zunächst gab es den vom Friedenskreis Friedrichsfelde 1986 herausgegebenen „Friedrichsfelder
Feuermelder“. Wolfgang Rüddenklau fand den allerdings „neomarxistisch, doktrinär, langweilig“.
Etwas später entstanden die „Umweltblätter“ und der nicht-kirchliche , linksliberale „Grenzfall“. Der
Titel war durchaus Programm: Man wollte Grenzen austesten. Dabei war zunächst durchaus eine
Veröffentlichung im kirchlichen Rahmen geplant. Erst nachdem sich keine Gemeinde fand, die bereit
war, das Blatt zu verantworten, wurde der „Grenzfall“ „frei“ produziert und vertrieben. Wie
hochkompliziert alleine schon die Produktion der Untergrundpresse war, schilderte Wolfgang
Rüddenklau am Beispiel der Herstellung der „Umweltblätter“.
Mindestens vier Leute standen an einer schwerfälligen Maschine, auf der Wachsmatrizen abgezogen
wurden, bevor durch eine von den Grünen gespendete eingeschmuggelte moderne Maschine das
Ganze etwas einfacher wurde. Das Jahr 1987 war „ein liberales Jahr für DDR-Verhältnisse“, so
Rüddenklau. Honecker bereiste den Westen, man signalisierte Dialogbereitschaft und in beiden
Teilen Berlins bereitete man die 750-Jahr-Feier vor. Auf dem „Kirchentag von unten“ trafen sich in
Ostberlin Umwelt- und Friedensgruppen. Doch kurz darauf wurde der „Grenzfall“ verfolgt. Die
Gruppe fand durch die „Stoßstangenbeobachtung“, also einer permanenten Beschattung durch die
Staatssicherheit keine Räume mehr, um das Blatt zu drucken. Daraufhin regte der eingeschleuste
Stasi-IM an, in der Umweltbibliothek zu drucken, wo auch die „Umweltblätter“ produziert wurden.
Die Umweltbibliothek stimmte zu, den Druck mitzuübernehmen. Als dann allerdings eine
Einsatzgruppe um Mitternacht die Räume stürmte, hatte man dort den Druck der Blätter gerade
vertagt, um einen anwesenden Jugendlichen nicht zu gefährden. Drei Tage lang wurden die Macher
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der „Umweltblätter“ festgehalten. Ihre Festnahme löste eine Welle von Protesten aus. Was folgte,
waren Mahnwachen und Demonstrationen rund um die Zionskirche.
Es gab in dieser Zeit auch den Versuch, ein freies Radio zu gründen, den „Schwarzen Kanal“, dessen
Sendezeiten durch Mundpropaganda weitergegeben wurde. Allerdings wurde er durch Störsender
sehr bald lahmgelegt. Die Druckerzeugnisse mussten nach dem Druck schließlich auch noch
vertrieben werden, was auch ein ziemlich kompliziertes Procedere erforderte. In der Regel ließen
verschiedene Gruppen ihre Publikationen in der Umweltbibliothek, holten sich andere Blätter ab und
verteilten sie per Kurierdienst.
Der heutige Bundesbeauftragte für die Stasiunterlagen, Roland Jahn, sorgte zudem dafür,dass es eine
Presseschau gab, in der die Artikel der Westmedien abgedruckt wurden, nachdem er zuvor dafür
gesorgt hatte, dass Berichte über die verschiedenen oppositionellen Gruppen in den westlichen
Medien erschienen. In der „tageszeitung“ erschien vierzehntägig eine Ostberlinseite, mit Berichten
und Reportagen über die Ostberliner Szene und von Ostberliner Autoren. Auch Artikel aus der
Untergrundpresse wurden übernommen und abgedruckt. Es habe Spaß gemacht, sagte Wolfgang
Rüddenklau „ in einer richtigen Zeitung einen richtigen Artikel“ zu schreiben“ – und dann auch noch
Westgeld dafür zu bekommen. Kontakte mit einzelnen Korrespondenten von westlichen Medien gab
es mit der ARD, dem ZDF, der Frankfurter Rundschau und dem Evangelischen Pressedienst.
Der technische Fortschritt in Form eines dank einer Geldspende der Alternativen Liste Berlin
erworbenen Computers Marke „Amiga“ brachte eine enorme Steigerung der Auflagen mit sich. Der
daraufhin von der Staatssicherheit eingeschleuste Virus konnte durch Hilfe aus Westberlin
erfolgreich beseitigt werden. Die Faszination in Bezug auf die neue Technik hatte auch den IM
ergriffen, der lieber von der Möglichkeit Gebrauch machte, an einem illegalen Computerkurs
teilzunehmen, als diesen seinen Auftraggebern zu melden. Nach der Wende habe es dann kurzfristig
ganz viele Blätter gegeben, die aber letztendlich der Konkurrenz der Westmedien nicht haben
standhalten können, bedauert Rüddenklau. Es gab „ein trauriges Ende- kein Happy End.“
Roland Jahn: Über Mauern. Die Bedeutung von Netzwerken zwischen westlichen Medien und der
DDR-Opposition 1985-89
Durch Wagemut und das Einbinden von Netzwerken engagierte sich Roland Jahn auf dem Feld der
Kommunikation über Mauern hinweg: Der Übermittlung von Nachrichten in beiden Richtungen über
die innerdeutsche Grenze. Sein halbes Leben verbrachte Jahn in der einen Hälfte Deutschlands, um in
der zweiten Lebenshälfte die besseren und freieren Arbeitsmöglichkeiten in den Medien
dahingehend zu nutzen, eine Änderung der Verhältnisse in der DDR zum Besseren anzustoßen –
mittels Kommunikation. Aus diesem Grunde ist Roland Jahn auch an das Otto-Suhr-Institut
gekommen; nämlich nicht, um aufzuklären, was Diktatur war und bedeutete, sondern wie die
Kommunikation trotz deutsch-deutscher Teilung immer wieder funktionierte.
Allgemein gab es eine besondere Aufmerksamkeit und ausgebliebene Sättigung des östlichen
Medienhungers: Gefragt und populär war die Musik dieser Zeit, aber auch politische Information. Es
gab in der DDR keine nennenswerte politische Berichterstattung, die Ernst zu nehmen war.
Infolgedessen gab es ein gesteigertes Interesse am Rundfunk aus dem westlichen Deutschland.
Kurioses war hier zu berichten: Die Medien der Bundesrepublik bestachen durch eine gehobene
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Glaubwürdigkeit, was mitunter zu gravierenden Missverständnissen führte. So gingen z.B. viele DDRRock-Fans der Ansage eines RIAS-Moderators auf den Leim, die Rolling Stones würden zum
Republikgeburtstag der DDR auf der Westberliner Seite der Mauer spielen und so auf der Ostberliner
Seite zu hören sein. Viele Radiohörer in der DDR nahmen diese Nachricht für voll und pilgerten zur
Berliner Mauer nach Ostberlin – sogar aus dem entfernten Thüringen. Unzählige
Verfolgungsaktivitäten durch die Sicherheitsbehörden der DDR mit oder ohne Verhaftungen hatte
dies zur Folge. Fans wurden zum Teil schon auf dem Weg nach Berlin abgefangen.
Bis weit in die 1970er Jahre herrschte ein striktes Kontrollregime beim Fernsehkonsum vor. So
konnten zwar westliche Programme wie ARD und ZDF in Teilen der DDR empfangen werden, jedoch
kontrollierten FDJ-Sektionen die Ausrichtung der Dachantennen und drehten diese ggf. in die
Gegenrichtung um. In den Schulen etablierte sich die Fangfrage nach dem Uhrendesign der
Fernsehnachrichten. Erzählte man von Strichen auf dem Ziffernblatt dieser Uhr, so verriet man damit
den Konsum der westlichen Nachrichtensendung Tagesschau. Unterhaltungsshows, politische
Magazine usw. gehörten so unter Umständen auch zum heimlichen DDR-Fernsehalltag, wo der
Empfang dies ermöglichte. Das soll aber nicht über die miserablen Zustände hinwegtäuschen. Dies
war genau der Weg, den Roland Jahn und seine Mitstreiter zäh zu nutzen suchten: Die
Kommunikation in den Osten über die Strahlkraft und journalistische Expertise des Westens.
Während Jahn und andere Informationen telefonisch oder persönlich unter höchster Gefahr über
Bekannte in Berlin oder reisende Journalisten weitergaben, versorgten sie die Westmedien mit
nützlichen Informationen über erfolgte Verhaftungen, Entlassungen, Schulverweise, Umweltverschmutzung etc. Telefongespräche gab es natürlich selten, denn die Stasi hörte ab und ahndete
Informationsweitergabe mit Gefängnisstrafe. Alternativ erfolgte die Weitergabe von Texten, Fotos
oder Informationen an Autobahnkreuzen oder im Wald.
Diese aus dem Westen ausgestrahlten Informationen per Rundfunk und Fernsehen entwickelten eine
besondere Durchschlagskraft auf Grund ihrer besonderen Glaubwürdigkeit bei den Bürgern der DDR.
Dies setzte Stück für Stück ein ums andere Mal das DDR-Regime unter Druck.
Nach der Ausbürgerung Jahns Mitte der 1980er Jahre unterlag der Fernsehkonsum der DDR-Bürger
nicht mehr so streng der staatlichen Kontrolle. Nichtsdestotrotz gestaltete sich die Versorgung der
Westmedien mit Informationen als nach wie vor schwierig. Jahn wusste seine zwangsweise
zurückgelassenen Freunde und Netzwerke zu nutzen, um weiterhin an Informationen zu gelangen. Er
selbst arbeitete nun für Westmedien und profitierte als westlicher Journalist, gestützt durch
zwischenstaatliche Abkommen, von relativer Handlungsfreiheit. Polit-Magazine für ARD und ZDF,
aber auch der private Radiosender Hundert,6 von Georg Gafron, sendeten Jahns gesammelte
Informationen – auch in die DDR. Hauptwirkungsstätte war der SFB mit seinem Magazin Kontraste.
Dazu engagierte sich Jahn bei der Ostberlin-Seite der TAZ. Freunde in der DDR versorgte Jahn mit
eigens angeschafften Videokameras, um Menschenrechtsverletzungen festzuhalten und weitergeben
zu können.
Eines bleibt festzuhalten: Informationsweitergabe aus der DDR hinaus standen unter Gefängnisstrafe
und gestalteten sich äußerst schwierig. Gelang die Übermittlung trotz der wachen Augen und Ohren
des DDR-Regimes, so mussten zumeist noch westliche Medien willens sein, diese zu senden. Meist
gelang dies auch, sogar in einer Breite, die hinsichtlich der politischen Ausrichtung von linksalternativ
bis marktliberal reichte. Es war eben auch die Spannbreite dieser Kontakte und der unbändige Mut,
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die es der DDR-Führung immer schwerer gemacht haben, auf Dauer eigene Verfehlungen zu
vertuschen und sich jedweder Verantwortung vor den Bürgern der DDR zu entziehen.
Dank Jahns eingeschmuggelter Videokameras existieren heute Bilder aus der Vogelperspektive von
den 70.000 Menschen, die am 9.10.1989 in Leipzig über den Ring mit Transparenten skandierten:
„Wir sind das Volk!“ – Wenn auch auf Grund von Sabotage ohne Tonspur...
Brigitte Zimmermann: Wortmächtige Sprachlosigkeit? Journalismus in der DDR bis zum Mauerfall
Am Anfang ihrer Vorlesung wies die ehemalige Redakteurin von „Junge Welt“ und Chefredakteurin
der „Wochenpost“ darauf hin, dass es durchaus – und zu Unrecht vernachlässigt – eine Dynamik und
Vielschichtigkeit der Geschichte der DDR und ihres Journalismus gab.. Sie warnte daher davor,DDRGeschichte einseitig darzustellen und sie aus den Zusammenhängen des Kalten Krieges
herauszulösen
Dass die Geschichte der beiden Republiken nur im Zusammenhang denkbar respektive erklär- und
erforschbar ist, bildete somit den Nexus von Zimmermanns Ausführungen. Im Modus des
wechselseitigen aufeinander Reagierens stellte sich der Journalismus der DDR vor allem in seiner
Abgrenzung zur Bundesrepublik dar. Der heroische Impetus der Anfangsjahre, eine neue, gerechtere
Gesellschaft mit und auch durch einen neuen Journalismus schaffen zu wollen, versiegte allmählich,
daher sei der Untergang der DDR-Gesellschaft mitsamt ihren Medien mehr phasen- oder schubweise
zu verstehen, weniger als lineare Entwicklung, so der Einwand Zimmermanns.
Exemplarisch dafür, wie falsch gängige Klischees über die übermächtige Bevormundung der Presse
waren, hob Zimmermann zunächst auf die komfortable und beinahe „verschwenderische“
Versorgungssituation mit Presseerzeugnissen in Ostdeutschland hervor. Ende der 1980er lag die
Zeitungsdichte in der DDR bei ungefähr 600 Exemplaren je 1000 Einwohnern, welche zur damaligen
Zeit lediglich von traditionell printaffinen Nationen wie Norwegen und Japan übertroffen worden sei.
Von den sieben überregionalen Zeitungen der DDR, welche hauptsächlich als Organe der SED, der
anderen Parteien, Gewerkschaften und Verbände angelegt waren, überstieg das „Neue Deutschland“
zeitweilig die Grenze einer Millionenauflage, was aber durch die Doppelbezüge in Institutionen und
Organisationen zu relativieren sei. Zimmermann charakterisierte die DDR – eben gerade wegen ihrer
offensichtlichen Zensur und des damit zwangsweise einhergehenden „zwischen-den-Zeilen-Lesens“ –
als ein überdurchschnittliches Leseland. Dies führte soweit, dass sich einige Magazine und Zeitungen
mit einer fast doppelt so großen Nachfrage konfrontiert sahen wie sie – aufgrund des Papiermangels
– Exemplare drucken konnten. Als Folge mussten einige Blätter die Abonnementauflage über die
Postvertriebsliste limitieren, um noch ein gewisses Restkontingent für den freien Verkauf zur
Verfügung stellen zu können.
Als „Krankheiten des Systems“ bezeichnete Zimmermann die zunehmende Verarmung der Presse
aufgrund ihrer Vereinheitlichung infolge einiger schwerer „Verhärtungsphasen“, die sie auf Mitte der
siebziger Jahre datierte. Dies sei in den fünfziger und sechziger Jahren noch nicht so stark ausgeprägt
gewesen, so ihre These.
Als zusätzliches Symptom der Beschränkung der Medien durch die Politik sei zudem die allen
„Grundversorgungsmitteln“ eigene Preisbindung hinzugekommen. Da die Druckerzeugnisse zwar
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möglicherweise problemlos für ein Vielfaches Abnehmer gefunden hätten, ihren festgelegten Preis
jedoch nicht übersteigen durften, machten die ersten Verlage alsbald wirtschaftliche Verluste. Neben
den volkswirtschaftlichen Verwerfungen leitete Zimmermann die Hauptursache dafür, dass das
System zusammenbrach – in Analogie zum eingangs erwähnten Geschichtsverständnis – aus der
Machtbetrunkenheit der Führungskader, der Selbstzensur der Medienschaffenden und dem deutschdeutschen Kampf um Deutungshoheit ab.
Abschließend berichtete Frau Zimmermann anhand des Verlaufs ihrer Karriere eindrücklich über die
Einschränkungen und Kompromisse, welche Sie in der Presselandschaft der DDR erfahren hatten und
wie sich die ursprünglich aufklärerisch verstandenen Worte Lenins in Bezug auf die Rolle der Presse
als „Propagandist, Agitator und kollektiver Organisator“ in ihr verhängnisvolles Gegenteil verkehrten
konnten.
Robin Lautenbach: Im Osten was Neues. Als Korrespondent zwischen West- und Ostberlin 1989-90
Der ARD-Korrespondent und OSI-Absolvent Robin Lautenbach hatte das seltene Reporterglück, die
Jahre der Wende gleich aus dreifacher Perspektive erleben zu dürfen: zunächst als Reporter der SFBAbendschau, der dann für die ARD-aktuell berichtete und schließlich als Mitarbeiter des ARD-Studios
in der DDR 1990, als der erste Fernsehjournalist ohne Residenzpflicht in Ostberlin.
Robin Lautenbach unterteilte seinen Vortrag dann auch in drei Kapitel, denen er jeweils ein Motto
gibt. Im ersten Kapitel ist er noch Berichterstatter aus West-Berlin. Das Motto lautet: Die Nachrichten
veralten uns im Munde und spielt im Jahr 1989.
Lautenbach war damals für die ARD-Berichterstattung aus West-Berlin zuständig. Seine
Zuständigkeiten endeten an der Mauer. Es gab die kuriose Situation, dass die DDR den SFB nicht als
Teil der ARD anerkannte, genauso wenig wie sie West-Berlin als Teil der Bundesrepublik akzeptierte.
Dies galt allerdings nur für Fernsehjournalisten. Während die Korrespondenten der anderen
Länderanstalten sich in den verwanzten Wohnungen in der Leipziger Straße niederlassen mussten,
hatte der SFB zwar ein Ostberliner Büro, produziert wurde aber im Westteil der Stadt. Es herrschte
eine seltsame Stimmung damals im alten West-Berlin. Zum einen war Berlin die größte Stadt
Deutschlands mit einer bundesweit einzigartigen rot-grünen Koalition, zum anderen vor allen Dingen
auch die Mauerstadt, bei der die alljährliche Berichterstattung zum Jahrestag des Mauerbaus am 13.
August längst zur Routine geworden war. Der Senat vermied tunlichst eine Kalte-Kriegs-Rhetorik, um
das Verhältnis mit den Nachbarn nicht zu verschlechtern.
In den 80er Jahren hielten Journalisten aber durchaus die spektakulärsten Fluchtversuche für
möglich. Robin Lautenbach bekannte, dass auch er wie so viele andere Journalisten, auf eine
gefälschte „Puppenflucht“ hereingefallen war, bei der angeblich mithilfe von als Offizieren
verkleideten Puppen Flüchtlinge aus der DDR geholte wurden. Dabei gab es durchaus spektakuläre
Fluchten, wie z.B. die Landung eines Kleinflugzeugs vor dem Reichstagsgebäude.
Berlin „war etwas Statisches“, so empfand es Lautenbach damals, obwohl sich dann herausstellte,
dass es eine sehr eingeschränkte Sichtweise war. Im Ostteil der Stadt war nämlich sehr viel passiert,
aber das habe man im Westen nur „wie durch einen Schleier“ wahrgenommen und das alles war
„irgendwie ganz weit weg“. Als Beispiel nannte er die Ereignisse um die Kommunalwahlen, deren
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Ergebnisse nachweislich gefälscht waren. Aber auch international deutete vieles auf einen Wechsel
hin. Am 4. Juni fanden in Polen die ersten freien Wahlen in einem kommunistischen Land statt;
ebenfalls am 4. Juni geschah das Massaker am Tiananmen-Platz in Peking. Egon Krenz versicherte
daraufhin China der Solidarität der DDR-Führung, was als Drohung gegenüber der Opposition
gemeint war und auch so aufgefasst wurde.
Dass die Öffnung der österreichisch-ungarischen Grenze ein ganz entscheidender historischer Tag
war, weil sie die Voraussetzung für die nachfolgenden Fluchtbewegungen schuf, habe man erst im
Nachhinein erkannt. Robin Lautenbach hob hervor, wie wichtig damals die westdeutschen Medien
für die Menschen in der DDR waren. ARD und ZDF wurden zum „Leitmedium“. Die ersten Bilder von
der Montagsdemonstration am 9.10. in Leipzig konnte man bei der ARD sehen.
Das zweite Kapitel, die Nacht der Maueröffnung, stellte Lautenbach unter das Motto „Wahnsinn“. In
der Nacht des 9. Novembers war er selbst „zum richtigen Zeitpunkt an der falschen Stelle“. Als die
Tagesthemen–Redaktion wissen wollte, wie denn Schabowski seine Äußerungen zur Reisefreiheit
wohl gemeint haben könnte, begab sich Robin Lautenbach mit einem Übertragungswagen in die
Invalidenstraße, ohne zu bedenken, dass dort niemand wohnt. Zum Glück hatte er vorher einen
„Aufsager“ am Brandenburger Tor gemacht , und es fanden sich vor der Kamera drei Männer ein, die
sehr lebendig und präzise aus der Bornholmer Straße berichten konnten, wo die ersten Ostberliner
die Grenze passiert hatten. Kein anderer Sender hat dann in dieser Nacht live berichtet, außer der
US-amerikanischen NBC, die eher zufällig vor Ort war.
Im dritten Kapitel ist Lautenbach dann der erste Ostberliner Fernsehkorrespondent ohne
Residenzpflicht. Dieses Kapitel nennt er. „Wir sind das Volk- wir sind ein Volk- der Beitritt“. 1990, im
„Restjahr“ der DDR hat sich die Parole „Wir sind das Volk“ schnell zur Parole „Wir sind ein Volk“
gewandelt. Der Fernsehreporter reiste viel in der DDR mit einem Wohnmobil, aus dem heraus
gesendet wurde. Es gab, so sein Fazit, „keine Alternative zum schnellstmöglichen Anschluss der DDR“
und zur Einführung der DM. Die Bürgerrechtsbewegung sei nach der Wende bedeutungslos
geworden. Sie kam nicht an mit ihrer Idee, die DDR zu reformieren. Im Eichsfeld an der Grenze
zwischen Hessen und Thüringen gab es die ersten „Kofferdemonstrationen“, bei denen die
Demonstranten damit drohten, auszureisen, falls die Einheit nicht käme. Schnell stellte sich auch
heraus, wie marode die Wirtschaft in der DDR war und dass die Betriebe einfach nicht
konkurrenzfähig waren.
Die Reisen durch die DDR haben bei Robin Lautenbach einen tiefen Eindruck hinterlassen. Er habe
den „allergrößten Respekt davor, wie die Leute in der DDR Veränderungen erlebt und durchlebt“
haben. Schließlich habe sich dort alles verändert „von der Briefmarke bis zur Rentenberechnung“.
ARD und ZDF verloren dann nach der Wende zunehmend an Bedeutung. Sie waren nicht mehr so
wichtig; man schaute jetzt lieber RTL oder SAT 1. Nicht alles ist gut gelaufen im Zuge der
Wiedervereinigung, erklärte Lautenbach, und verwies auf das Gebaren der Treuhand. Trotzdem sei
die Treuhand „das kleinere Übel“ gewesen. Die DDR habe das große Glück gehabt, den „großen
Bruder“ im Westen zu haben mit einem bestehenden Verwaltungs- und Rechtssystem. Zu Art und
Geschwindigkeit der Vereinigung gab es keine Alternative, betonte er. Der Beitritt war „der richtige
Weg“.
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Frank Mangelsdorf: Das Ende der Bevormundung. Die Presse der Blockparteien 1989/90
Mangelsdorf kam relativ unvermittelt, wie die meisten Bürger der DDR, in eine berufliche
Umbruchphase. Den Journalismus noch erlernend und in den ersten Berufsjahren ausübend, stand
Mangelsdorf nun vor der Erosion alter Verhältnisse und dem Genuss wachsender beruflicher
Freiheiten – in der Übergangszeit 1989/1990 freilich in einer Grauzone.
Doch wie war die Presselandschaft und das journalistische Arbeiten in der DDR gekennzeichnet? Die
DDR-Zeitungslandschaft wies die zweithöchste Pro-Kopf-Versorgung mit Presseexemplaren weltweit
nach Japan auf: Neues Deutschland und Junge Welt zusammen hatten eine Auflage von etwa
4_Millionen Exemplaren. Maßgeblich für die zu verwirklichende Auflage war das vorgegebene
Papierlimit. So konnte vielerorts die Nachfrage nach Abonnements einer Zeitung auch nicht
befriedigt werden. Allein das Neue Deutschland war von der Kontingentierung (offiziell
„Sperrvermerk“) ausgenommen. Daher gab es auch oft Wartelisten auf das Abonnement einer
bestimmten Zeitung. Mangelsdorf brachte hier etwas salopp das Beispiel, es müsse erst ein Leser
„sterben, damit man auf der Warteliste nachrücken und das Abonnement seiner Wunschzeitung
beziehen konnte“. Nicht-SED-Zeitungen erhielten nur ein extrem stark kontingentiertes
Papierkontingent (Der Morgen: ca. 100.000 Exemplare). In Gera bspw. standen die Leute morgens
um vier Uhr an, um ab sechs Uhr das einzige Exemplar des Morgen zu erhalten. Acht bis zwölf Seiten
erlaubten so nur monothematische Berichterstattung beim Morgen. Das Presseamt, ironischerweise
untergebracht im alten Göbbels-Ministerium für Propaganda, lud zu „freundschaftlichen“
Gesprächen die Chefredakteure: Überschriften wurden hier im wesentlichen schon inhaltlich in ihrer
Aussage vorgegeben.
Die Berichterstattung war in diesem Zusammenhang thematisch sehr beschnitten, da über vieles
nicht berichtet werden durfte, was zwar selbst noch nicht zu kritisch ausgelegt werden konnte,
jedoch in einem weiteren Schritt unangenehme Meldungen über Mangelversorgung etc. geführt
hätte. Ein Beispiel: keine Berichterstattung über Herzerkrankungen, denn die hierfür notwendigen
Medikamente kämen aus Ungarn, welches aber nicht liefere. Der Morgen berichtete schon etwas
wagemutiger und kommentierte offener, als das Neue Deutschland noch braven Staatsjournalismus
bot. Themen waren z. B.: Stalins Lager, Schicksale von Gefangenen oder Angehörigen. Natürlich hatte
Der Morgen Zugang zum Zentralarchiv der DDR. Doch auf der Suche nach einer Abbildung des Kölner
Doms gab es als Fotos zur Stadt Köln nur Bilder von Arbeitslosen, Demonstranten und Obdachlosen.
insofern war der Freiraum des selbstbestimmten Illustrierens und Arbeitens naturgemäß vom System
her beschränkt.
Mit dem Umbruch und der Wiedervereinigung mussten die Partei- und Bezirkszeitungen in die neue
Ordnung überführt werden. Die alten, aber in der Lesergunst rapide sinkenden, Tageszeitungen
profitierten strukturell noch von ihrer privilegierten Stellung. Die Auflage des Neuen Deutschland
sank von 1,6 Mio. Leser auf unter 30.000, die der Jungen Welt von 1,4 Mio. auf unter 20.000. Bei den
kleineren Bezirkszeitungen fehlte jedoch die wirtschaftliche Substanz. Die Bezirkszeitungen gingen in
einzelnen westlichen Zeitungsverlagen auf oder gingen ein. Kurios: Der Axel Springer Verlag schlug
z. B. den Erwerb der Berliner Zeitung für eine D-Mark aus, da der Vorstand „nicht mit Kommunisten
verhandeln“ wollte. Mit der Konkursmasse der ehemaligen Bezirkszeitungen erwirtschaftete die
Treuhand wohl in etwa 1,2 Mrd. D-Mark. In einer Zeit grundlegender Veränderungen verblieben aber
viele Leser bei den Bezirkszeitungen, die als vertraute Kraft die Veränderungen um einen herum
erklärten. Neue Namen wurden vergeben, zum Teil blieben die alten erhalten und genießen
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anhaltende Akzeptanz. Mangelsdorf zeichnet hier das Bild von der Tageszeitung, die „als
Familienmitglied morgens mit am Tisch sitzt und mit Marmelade oder Honig beim Frühstück
bekleckert“ wird. Unter den zehn größten Zeitungen waren am Ende sieben ostdeutsche. So ist z. B.
auch heute noch die Freie Presse aus Chemnitz mit 500.000 Exemplaren Auflage die größte
Regionalzeitung deutschlandweit.
Auch der Morgen selbst bewegte sich in der Phase des Umbruchs mit den Füßen auf DDR-Recht und
einer politischen Neuordnung oder Wiedervereinigung im Blick in einer Grauzone: Ulrich Schamoni,
Gründer des Radiosenders Hundert,6, sowie der Mäzen Erich Marx boten sogar aus idealistischen
Gründen dem Morgen ihre Hilfe an. Der Morgen entschloss sich, künftig keine Meldungen mehr der
DDR-Nachrichtenagentur ADN mehr zu verarbeiten. Fortan wurden seit dem 9.11.89 durch die
Maueröffnung täglich die Tickermeldungen der westlichen Nachrichtenagenturen in Form von
Papierrollen geliefert – natürlich im rechtsfreiem Raum. Bezahlt worden sind diese nicht,
Beschwerden beim Presseamt der DDR seien allerdings wohl auch nicht eingegangen.
In dieser Zeit herrschte ein unvorstellbarer Zustand, wie von einem anderen Planeten. Plötzlich
waren Berichterstattung und Interviews möglich, die zuvor unmöglich gewesen sind. Die Journalisten
der DDR empfanden sich in einer Art Goldgräberstimmung, gemischt mit Tollkühnheit und Naivität.
So erinnerte sich Hans Otto Bräutigam, Leiter der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik
Deutschland in der DDR, dass er obwohl viele Jahre im Amt 1989 das erste Mal überhaupt von der
DDR-Presse interviewt wurde – nach eigener Aussage nicht, weil er nicht wollte, sondern weil er nie
gefragt wurde.
Und was bleibt? Trotz vieler Veränderungen, damals wie heute, hält Mangelsdorf die Zukunft des
Mediums Zeitung als gesichert – sofern man sich den Veränderungen nicht verschließt und neue
Wege der Ansprache findet. Staatliche Subventionen lehnt er dabei ab und setzt auf die Kraft der
Unabhängigkeit eines Zeitungsverlages.
Hans-Hermann Hertle: „Die heimlichen Helden des 9. November 1989“. Über die Rolle der Medien
für den Fall der Mauer.
Dr. Hans-Hermann Hertle war wissenschaftlicher Mitarbeiter am OSI als 1989 die Mauer fiel und kurz
darauf die DDR unterging. Für den Politikwissenschaftler wurde dieses einschneidende Ereignis nur
wenig später zum wissenschaftlichen Thema seiner Dissertation, das als „Chronik des Mauerfalls“
zum Publikumserfolg und Standardwerk wurde.
Der Zusammenbruch der DDR, erklärte Hertle zu Beginn seines Vortrags, kam überraschend und sei
kaum vorhergesehen worden. Auch wenn die strukturellen Krisenerscheinungen wie die chronische
Schwäche der Wirtschaft durchaus mobilisierend wirkten, hielt man diese Konsequenz zunächst nicht
für möglich.. Wie es dennoch zu einer Revolution kommen konnte, erläuterte Hertle mit Verweis auf
ein Konzept des französischen Soziologen Pierre Bourdieu, nach dem sich getrennte Handlungs- und
Ereignisstränge an einem kritischen Punkt verschränken und gegenseitig verstärken können.
Bereits im Vorfeld des Mauerfalls waren die Medien und speziell das Fernsehen von Bedeutung,
wirkten doch die Westmedien als Verstärker in die DDR-Öffentlichkeit. Sie verbreiteten vor allem im
Sommer und Herbst 1989 mit den Bildern der Massenflucht Tausender DDR-Bürger die Botschaft:
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„Das Staatsschiff DDR ist leck“. Sie verstärkten so die Ereignisse und wirkten als ein
Transmissionsriemen der Revolution.
Der Einfluss der Medien auf den Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 war dagegen ein ganz
anderer. Hier waren die Medien der Motor der Entwicklung und führten die unkontrollierte Öffnung
der Grenzübergangsstellen in und um Berlin überhaupt erst herbei. Denn eine vollständige Öffnung
der Mauer war – auch wenn es später anders behauptet wurde – keineswegs im Interesse der
damaligen SED-Führung. Egon Krenz äußerte sich dazu gegenüber Hertle Anfang der 90er Jahre:
„Wer glaubt, dass wir am 9.11. die Mauer einreißen wollten, der irrt.“
Ebenfalls lange überschätzt war die Rolle der Pressekonferenz von Günter Schabowski am frühen
Abend des 9. November, die eben nicht zu einem Ansturm der DDR-Bürger auf die Grenze führte, wie
Hans-Hermann Hertle betont. Dies könne anhand der stündlichen Berichte der Volkspolizei, die das
Umfeld der Grenzübergänge genau beobachtete, nachverfolgt werden.
Stattdessen wirkte die Berichterstattung der Medien im Verlauf des Abends und der Nacht als eine
sich selbst erfüllende Prophezeiung. Denn die ersten Berichte der Nachrichtenagenturen AP und kurz
darauf dpa zu den Äußerungen von SED-Politbüromitglied Schabowski auf der Pressekonferenz
entsprachen nicht den Tatsachen. Die Behauptung „DDR öffnet Grenze“ war zunächst eine Fiktion,
die erst im Verlauf der Nacht zur Realität werden sollte.
Hertle berichtete, wie die Fernsehberichterstattung den ostdeutschen Dienstweg überholte und alle
halbherzigen Gegensteuerungen der DDR-Medien die Verwirrung nur noch verstärkten. Das
sprichwörtliche Fass zum Überlaufen brachte dann die Tagesthemen-Sendung, die im Anschluss an
ein DFB-Pokalspiel lief und daher in Ost und West hohe Zuschauerzahlen erreichte. In Unkenntnis der
genauen Lage vor Ort und auf der Grundlage der Agenturberichte des Abends formulierte in
Hamburg Hanns-Joachim Friedrichs seine Anmoderation: „Die Tore in der Mauer stehen weit offen.“
Zu diesem Zeitpunkt war diese Aussage noch verfrüht. Sie führte aber unmittelbar während und kurz
nach der Sendung tatsächlich zu einem Ansturm der Ost-Berliner auf die Grenzübergangsstellen vor
allem an der Bornholmer Straße, wo erst um 23:41 Uhr der Schlagbaum für die jubelnde Menge
gehoben wurde und sich damit tatsächlich die Tore in der Mauer öffneten. Die Medien waren, so
Hertle, daher Akteure, die als „heimliche Helden“ erheblichen Anteil am Mauerfall hatten. Hinter die
Bilder der Nacht, betonte der ZZF-Wissenschaftler, gab es für die SED-Führung kein zurück mehr. Sie
hatte damit ihre zentrale Machtressource eingebüßt, die sie seit 1961 gehütet hatte. Verheerend für
den Bestand der Parteiherrschaft wirkte sich der damit verbundene Sinnverlust aus. Die DDR
verschwand friedlich in weniger als einem Jahr.
Dr. Jürgen Kuttner: Alternativen im Vakuum? Wie Bürger Medien selber machten
Dr. Jürgen Kuttner wollte keinen Anspruch auf eine vollständige und akademische Behandlung des
Themas erheben. Stattdessen, so sein Ansatz wolle er oral history betreiben und erzählen, wie es zur
Ostausgabe der taz 1990 gekommen ist. Kunst habe gerade in den 80er Jahren in der DDR eine
politische Ersatzfunktion gehabt, erläuterte Kuttner, die sich auch in weitläufigen persönlichen
Netzwerken ausdrückte. Er sei daher Anfang 1990 einfach von Freunden gefragt worden, ob er nicht
Zeitung machen wolle – und er wollte. Damals meldete sich die taz aus West-Berlin ebenfalls über
persönliche Netzwerke und suchte nach Möglichkeit einer Expansion in den Osten der Stadt und des
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Landes. Dazu herrschten diffuse Vorstellungen. Auf die Schnelle wurde mit Hilfe eines Anwalts eine
GmbH in der DDR gegründet und ein Konzept für eine 16-seitige Zeitung erstellt. Auch eine
Druckgenehmigung und vor allen Dingen musste ein Papierkontingent beschafft werden. Das war das
größte Problem, da Zeitungspapier absolute Mangelware war und bislang immer für die SEDZeitungen reserviert war.
Das Projekt sei aber insgesamt bei vielen Menschen auf Sympathie gestoßen, alle verfügbaren
Unterstützer wurden zusammengetrommelt und am 26. Februar 1990 erschien nach sehr kurzer
Vorbereitungszeit die erste Ausgabe. Der Andruck war sehr früh, erinnerte sich Kuttner, um eine
Verteilung der Ost-taz in der ganzen DDR zu ermöglichen. Es galt das Motto, „wir schreiben so viel
wir können“. Über den Zugriff auf Texte der West-taz sei die Zeitung ergänzt worden. Neben dem
regulären Postzeitungsvertrieb sei sie auch über Handverkäufer in den Kneipen Ost-Berlins
vertrieben worden. Als echte neue und unbelastete Alternative sei die Zeitung auf extreme
Zustimmung bei den Lesern gestoßen. Schnelligkeit und Schnoddrigkeit sah Kuttner als
Markenzeichen der Zeitung. Sie war daher Teil des politischen Aufbruchs im Frühjahr 1990 im Umfeld
der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März und der anschließenden Regierungsbildung.
Kuttner erinnerte an die dramatische Geschwindigkeit der Veränderungen, die die ursprüngliche
Vorstellung auch im Umfeld der Bürgerbewegung von einem 3. Weg zwischen Kapitalismus und
Sozialismus schnell überholte. Mit der Währungsunion im Sommer 1990 begann auch für die
Zeitungen in der DDR der wirtschaftliche Umbruch. Die Abozahlen gingen dramatisch zurück ebenso
wie die Zahlungsbereitschaft. Für die jungen Medien ohne Rücklagen war dieser Einbruch schnell
existenzbedrohend.
Ost-West-Differenzen erschwerten die Entwicklung der Ost-taz meinte Jürgen Kuttner. WestKollegen seien teilweise überheblich gewesen und hätten ,sich in Diskussionen auch über die
Meinung der Ostjournalisten hinweggesetzt hätten, so Kuttner. Als Beispiel führte er die erbitterte
Diskussion um eine Liste mit Objekten und Immobilien des MfS gewesen, die im Frühjahr 1990 im
Umlauf war. Aus Sorge vor möglichen Racheakten hätten die ostdeutschen Medien diese Liste nicht
veröffentlichen wollen. Die West-taz habe aber darauf bestanden, die Liste zu verteilen. Dies habe
einen frühen Bruch im Verhältnis der Ost-tazler zur West-Redaktion zur Folge gehabt, meinte
Kuttner, der dem Blatt letztlich geschadet habe. Die schnelle Währungsunion im Juli 1990 bereite
gerade den jungen alternativen Medien wirtschaftliche Probleme, da auf einen Schlag sich das
Konsumverhalten der Menschen änderte. Die Abo-Zahlen aller Zeitungen gingen zurück. Über
mehrere Stationen fand dann die Fusion der Ostausgabe mit der West-taz statt; effektiv habe sie
daher nur ein halbes Jahr bestanden. Für die taz, so lautet das Fazit Kuttners, eine vertane Chance,
sowohl wirtschaftlich wie auch politisch.
Hannelore Steer: Rundfunkwende. Wandel und Neuordnung des Hörfunks in Ostdeutschland 198992
Als ehemalige Chefredakteurin des Radio International Berlin und stellvertretende Intendantin von
Funkhaus Berlin begleitete und gestaltete Hannelore Steer den Rundfunk in der Wendezeit. In ihrem
unter den Titel „Rundfunkwende“ gestellten Vortrag schilderte sie die Jahre 1989 bis 1992 als von ihr
in drei Phasen erlebte Entwicklung: Wandel, Wende und Aufbau.
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Nach einem kurzen historischen Abriss über die Struktur der Rundfunklandschaft zu DDR-Zeiten und
ihren obersten – sowohl nach innen als auch nach außen gerichteten – Propagandaauftrag erläuterte
sie zunächst, dass der Wandel in den elektronischen Medien in der DDR nicht erst mit dem Mauerfall
einsetzte. Der sich auf den Montagsdemonstrationen und in den Zirkeln um die Nikolaikirche in
Leipzig manifestierende Druck der Straße resultierte dabei zwar auch, aber nur zum einen Teil von
der maroden Wirtschaftslage in der DDR; die empfundene Gängelung des Systems in Belangen der
Informationsfreiheit und Deutungshoheit seitens des Regimes hätten einen ebenso großen Anteil
gehabt. Durch diese ersten Anzeichen im Zerfall des Systems beflügelt, datiert Steer den
Anfangsimpuls für kritischere (medien-)interne Diskussionen und das Hoffen auf Wandel auf den
Berlin Besuch Michail Gorbatschows und dessen in Richtung DDR-Führung gerichtetes Zitat „Wer zu
spät kommt, den bestraft das Leben“.
Nach dem Rücktritt von Erich Honecker sowie dem Verantwortlichen für Medien im Politbüro,
Joachim Hermann, am 18.Oktober 1989 und der damit verbundenen Wahl von Egon Krenz zum SEDChef verlautbarte die DDR-Führung auf einer Tagung des Zentralkomitees, die Rundfunkpolitik „neu
zu ordnen“. Es fielen erstmals Schlagworte wie Sachkunde, Offenheit, wahrhafte Information und
kritische Untersuchung. Aus Ermangelung an Naivität glaubten die Journalisten und Medienmacher
dieser Zeit zwar dem Versprechen nach einer Aufhebung des Widerspruchs von „Wirklichkeit und
Spiegelung in der Berichterstattung“ nicht, wurden aber wohl experimenteller. Die Formate wurde
geändert, das Personal blieb. Als Beispiel für die Öffnung des Rundfunkprogramms führte Radiofrau
Steer stellvertretend die Neuauflage der „Aktuellen Kamera“ Ende Oktober 1989 bis März 1990 an.
Der Erfolg dieser Öffnung lässt sich dabei an den Quoten des Nachrichtenmagazins festmachen,
welche von ursprünglich wenigen Prozentpunkten auf 40 Prozent schnellten und damit sogar ihren
westdeutschen Konkurrenten Tagesschau zeitweilig überholte.
Wenige Tage nach der Ernennung Hans Modrows zum neuen Ministerpräsidenten der DDR wurden
zum Anfang Dezember 1989 auch neue Intendanten für Fernsehen und Rundfunk eingesetzt. Das
neue, offenere Arbeitsklima der „Runden Tische“ und „Redakteursräte“ beschrieb Hannelore Steer
als basisdemokratisch und experimentell – auch wenn der Verklärung vorzubeugen sei, da auch hier
wenig neues Personal eine Chance zur Selbstverwirklichung bekam und die alten Kader weiter
bestanden.
Die wirkliche Strukturreform in der Rundfunklandschaft der DDR machte sie im Folgenden im
Beschluss der Volkskammer vom 5. Februar 1990 über die „Gewährleistung der MeinungsInformations- und Pressefreiheit“ aus. Angeregt vom Runden Tisch sowie den Verbänden der
Journalisten und Fernsehmacher wurden Grundlagen für die politische Freiheit, die juristische
Eigenverantwortlichkeit und demokratische Kontrolle gefordert und ein neues Presse- und
Mediengesetz vorgeschlagen, im welchem erstmals der Passus der „sozialistischen Gesellschaft“
nicht mehr vorkam. Das zehn Punkte beinhaltende Papier umfasste dabei unter anderem das Recht
auf Information, ein Verbot staatlicher Eingriffe, eine Auskunftspflicht staatlicher Institutionen sowie
ein Verweigerungsrecht der Journalisten und Quellenschutz. Weiterhin sollten der Rundfunk sowie
die Nachrichtenagentur ADN in Anstalten des öffentlichen Rechts überführt und mit Medienräten
besetzt werden.
Nach den Volkskammerwahlen im März 1990 setzte die neu gebildete Regierung zwar den Beschluss
über die Pressefreiheit formell durch, jedoch veränderte sich mit der Perspektive einer schnellen
deutschen Einheit auch der Blick auf die eigenen Medien. Nach der Unterzeichnung des Vertrags
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über eine Wirtschafts- und Währungs- und Sozialunion am 18. Mai 1990 stand der schnelle Weg zur
deutschen Einheit endgültig fest. Wie sich das auf die Medien auswirkte, zeigte sich an der
Abberufung des bisherigen Intendanten Bentzin durch Ministerpräsiden Lothar de Maiziere und die
Einsetzung von Michael Albrecht als neuen Hörfunkchef. Indem der Artikel 23 Grundgesetz für den
Weg zur deutschen Einheit angewendet wurde, hatte der Osten eine sehr viel schlechtere
Verhandlungsposition, der Westen konnte erbeblich schneller Einfluss nehmen und die Medien
wurden in bundesdeutsche Strukturen eingebunden In Positionspapieren sprachen sich die beiden
großen Anstalten ARD und ZDF explizit gegen eine dritte, eigenständige Rundfunkanstalt für die
neuen Bundesländer aus. Neben dem Beitritt der neu zu bildenden ostdeutschen Länder zum ZDFStaatsvertrag und die Überführung der neuen Landesrundfunkanstalten in die ARD wurden so noch
vor der Wiedervereinigung Verträge mit öffentlich-rechtlichen und auch privaten Anstalten über
Werbe-Akquisition, Produktionshilfe und gemeinsame Programme geschlossen.
Da es zu diesem Zeitpunkt kein „Rundfunküberleitungsgesetz“ gab, überholte die Wiedervereinigung
einen Beschluss des Medienausschusses der Volkskammer zur Selbstbestimmung der ostdeutschen
Rundfunks – die Neuregelung der Rundfunklandschaft unterlag dem Einigungsvertrag. Mit dem
betreffenden Artikel 36 des Einigungsvertrag über die ostdeutschen Medienanstalten, nach dem
praktisch alle Beschäftigten zum Ende des Jahres 1991 ihren Job verloren, wollte man zwar auf der
einen Seite verhindern, dass alte SED-Seilschaften in den Medien weiter fortbestehen oder sich neu
formieren, jedoch müsse auch die geplante, wirtschaftliche Einflussnahme des Westens in diesem
Prozess bedacht werden. Steer betonte, dass es eine besondere Leistung der circa 15.000 Mitarbeiter
im Rundfunk gewesen sei, bis zum Ende ihre Aufgabe als Medienmacher nachzukommen, obwohl
durch die Regelungen zur Rundfunkneuordnung niemand von ihnen als Mitarbeiter automatisch
übernommen wurden. Mit immer weniger Ressourcen sei bis zum Schluss Programm gemacht
worden, so das Fazit der Journalistin.
Konrad Weiß: Aufbruch zur Medienfreiheit. Die Bürgerbewegung in der frei gewählten
Volkskammer 1990
Der Regisseur und Dokumentarfilmer Konrad Weiß saß als Vertreter der Gruppe „Demokratie jetzt“
zunächst am „Runden Tisch“, war später Mitglied der Volkskammer und schließlich von 1990 bis
1993 Abgeordneter im Bundestag für Bündnis 90/Die Grünen. Weiß kennt daher nicht nur die
Diskussionen über Medienfreiheit im Übergangsprozess der Wiedervereinigung, er hat sich auch
wesentlich an der Formulierung von Gesetzesentwürfen zum Thema beteiligt. Unabdingbar sei für
ihn dabei immer „die Freiheit des Denkens und Handelns derer, die Medien gestalten“ gewesen.
Dabei habe er sich gar nicht mal unbedingt „in Ketten“ gefühlt in der DDR, obwohl es ein
gesellschaftliches System der Zensur gab, bei dem es hieß, abzuwägen. So habe er sich durchaus auf
Änderungen bei seinen Filmen eingelassen, damit sie überhaupt gezeigt werden konnten. Doch es
gab Tricks und Möglichkeiten, wie man auch in einen „obrigkeitserlaubten Film“ Passagen
reinschmuggelte, über die Zensurbehörde so intensiv diskutierte, dass sie dabei anderes übersah.
Auch Kinderfilme seien eine gute Möglichkeit gewesen, die Zensur zu umgehen, da sie schlicht nicht
besonders ernst genommen wurden.
Letztendlich sei aber die „Konformität der Todfeind der Freiheit und der Kunst“. Mit einem kritischen
Diskussionsbeitrag anlässlich der Sitzung des Verbands der Funk- und Fernsehschaffenden hatte
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Konrad Weiß sich dann mit seiner Forderung nach Abschaffung der Zensur zu weit aus dem Fenster
gelehnt. Er wurde als Redner erst gar nicht zugelassen und zog daraufhin seine Kandidatur für den
Vorsitz zurück. Allerdings kursierte der Text, weil andere Mittel und Wege fanden, ihn zu
veröffentlichen.
Im Untergrund Filme oder Radio zu produzieren, war erheblich schwieriger als Druckerzeugnisse zu
verbreiten, weil es zum Teil einfach an den technischen Möglichkeiten fehlte. Videorekorder wurden
beschlagnahmt, Computer gab es nicht und Radiostationen konnten durch Störsender lahmgelegt
werden. Es half auch nicht, Texte im sozialistischen Ausland, etwa in der polnischen Res Publica zu
veröffentlichen: In seinem Belegexemplar war außer seinem Namen alles gestrichen.
Freiheit der Presse und der Medien war ein zentrales Thema auf den Demonstrationen und Plakaten
im Herbst 1989. Das erste „freie halbe Jahr in der DDR“ sei dann folglich „reich an Medienvielfalt“
gewesen. In den ersten Gesetzesentwürfen, an denen Bürgerrechtsgruppen maßgeblich beteiligt
waren, hatte die „4. Gewalt“ einen hohen Stellenwert. Für den Rundfunk waren öffentlich-rechtliche
Modelle geplant; den „freien“ Medien gegenüber war man eher skeptisch.
Anfang 1990 erarbeitete die AG Medien des Runden Tisches einen Passus zur Medienfreiheit, der der
Volkskammer als Beschlussvorlage präsentiert wurde. Trotz Änderungswünschen der Abgeordneten
konnten sich die Vertreter des Runden Tisches mit ihrem Ursprungstext durchsetzen. Man habe
einfach ein Machtvakuum zu nutzen gewusst.
Inhaltlich waren in die Vorlage die Erfahrungen der Bürgerrechtler eingeflossen. Das Gesetz enthielt
Paragrafen zur Informationsfreiheit, zum Quellenschutz und Urheberrecht, legte fest, dass
Pressevertreter Recht auf Informationen haben, regelte die Unabhängigkeit und Eigenständigkeit der
Medien und dass sie nicht dem Staat unterstehen. Es war vorgesehen, dass ein Medienkontrollrat
über die Einhaltung des Gesetzes wachen sollte.
Journalisten und Künstler hatten in diesem seltenen Fall sich praktisch ihr Gesetz selbst erarbeitet.
Dem Gesetz merkte man das an: die Sprache war einfach, klar und verständlich. Allerdings wurde das
Gesetz durch den Beitritt obsolet. Zwar fanden sich noch viele Passagen des Textes in der Vorlage
zum Einigungsvertrag, aber letztlich wurden nur noch Elemente davon übernommen. Obwohl Weiß
ein Befürworter der Einheit war, stimmte er daraufhin dem Einigungsvertrag nicht zu.
Die Umgestaltung der Medienlandschaft nach dem Beitritt ging einher mit dem Verlust von
Arbeitsplätzen in der ehemaligen DDR. Andere Medienschaffende wussten die neue Freiheit nicht zu
nutzen. Es fehlten Kenntnisse, z. B. bei der Verwaltung oder Leitung von Betrieben, sodass man auf
die „alten Kräfte“ angewiesen war. Außerdem wollte niemand so recht die Verantwortung für einen
Sender, eine Redaktion oder gar die Abwicklung übernehmen. Dann gab es diejenigen, die die neue
Freiheit missbrauchten. Als Beispiele schilderte Konrad Weiß die knallharten Methoden der privaten
Sender, die Allianzen mit den alten Kadern eingingen. Und dann waren auch die vielen
eingeschleusten Informellen Mitarbeiter der Stasi, die erst nach und nach enttarnt wurden.
Alles in allem zog Weiß aber eine positive Bilanz über den Stand der Medien-, Presse- und
Rundfunkfreiheit. Nur dürfe man nicht nachlassen, sich dafür einzusetzen. Pressefreiheit sei
tendenziell immer gefährdet, etwa durch die Machtstrukturen in den Sendern, durch den Einfluss
von politischen Parteien oder durch die Art und Weise, wie gelegentlich mit Autoren und Künstlern
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umgegangen wird. Pressefreiheit, so Weiß abschließend, sei eine „kostbare Freiheit, ohne die ein
demokratisches Gemeinwesen nicht existieren kann“.
Christoph Links: Um kein Wort mehr verlegen. Die Gründung unabhängiger Verlage am Ende der
DDR
Detailreich schilderte der Verleger Christoph Links in seinem Vortrag, wie es ihm und seinem Verlag
am Ende der DDR gelang, ein Machtvakuum zu nutzen und – im Gegensatz zu vielen anderen kleinen
Verlagen auch noch nach dem „wunderbaren Jahr der Anarchie“ – weiter erfolgreich Bücher zu
publizieren.
Zunächst erinnerte er an die Praxis in der DDR, die darin bestand, dass sich jedes Buch eines staatlich
lizenzierten Verlags einem Druckgenehmigungsverfahren unterziehen musste. Eigentlich basierte
diese Verfahrensweise auf einem Gesetz der Alliierten nach 1945 und sollte der Entnazifizierung
dienen. Während die West-Alliierten das Verfahren bereits 1949 abschafften, führte die DDR die
Zensur 1952 wieder ein. Dabei schrumpften die Zahl der lizenzierten Verlage von 200 auf 100 und
schließlich auf nur noch 78 Verlage in der DDR (zum Vergleich: in Deutschland existieren heute nach
Angaben Links ca. 2.800 Verlage).Bei den eingereichten Manuskripten wurden häufig
„problematische Stellen“ markiert und moniert, die geändert werden sollten. Wenn sich Autoren,
wie z. B. Christa Wolf bei ihrem Roman „Kassandra“ weigerten, den Text zu ändern, wurden die
inkriminierten Passagen kurzerhand ausgelassen und die Auslassungen durch […] gekennzeichnet.
Nur die Westausgabe enthielt den vollständigen Text.
Im Unterschied zu den Zeitungen, die dem Presseamt beim Miniserrat der DDR vorgelegt werden
mussten bzw. direkt aus dem Zentralkomitee der SED kontrolliert wurden, war das Kultusministerium
für die Verlage zuständig. Das hatte zur Folge, dass die Eingriffe zurückhaltender waren. Dies trug
sicherlich dazu bei, dass in der DDR Bibliotheken stets sehr gut besucht waren.
Nach dem Mauerfall wurde die Zensur obsolet: Man konnte sich schließlich im Westen mit Büchern
versorgen – eine Kontrolle fand nicht mehr statt. Den Verlegern wurde am 30.11.89 mitgeteilt, dass
es bereits ab dem nächsten Tag keine Druckgenehmigungspraxis für lizenzierte Verlage mehr geben
werde. Christoph Links ergriff sofort die Gelegenheit und stellte bereits am 1.12.89 einen Antrag auf
eine Lizenz für eine unabhängige Verlagsgenossenschaft. Aber dann ging alles sehr schnell. Ihm
wurde beschieden, dass schon ab dem 1.1.1990 gar keine Lizenz mehr erforderlich sei. Links
gründete am 5.1. eine GmbH und mit der Verabschiedung des Mediengesetzes im Februar gab es
dann auch offiziell keine Zensur mehr.
Es begann „Das wunderbare Jahr der Anarchie „ (so ein Buchtitel aus dem Links-Verlag), in dem eine
Vielfalt an neuen Verlagen und neuen Zeitungen entstand. Eine Präsentation der neuen Verlage auf
der Leipziger Buchmesse scheiterte dann aber schlicht am Platzmangel. Längst waren die Stände
komplett ausgebucht. Der Verlag „Die Andere“ , der unbedingt sein erstes Buch mit Stasiprotokollen
und dem Titel „Ich liebe euch doch alle“ auf der Messe verkaufen wollte, mietete kurzerhand einen
LKW , stellte ihn vor der Messe ab und verkaufte von dort aus. In den ersten Monaten verkauften sie
ca. 200.000 Bücher. Mit der Währungsunion brachen die Verkaufszahlen dann aber ein.
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Der Links-Verlag verfolgte eine andere Strategie. Auf der Buchmesse war er nur mit Ankündigungen
vertreten. Erst im Herbst begann man mit den Publikationen, nachdem zunächst ein umfassendes
Vertriebssystem aufgebaut worden war. Christoph Links begab sich dazu auf eine Reise durch die
Republik und verhandelte selbst vor Ort. Die ersten Bücher hatten die Aufarbeitung der DDRGeschichte zum Thema, dann wurde das Sortiment erweitert z. B. um historische Reisebücher. Am
Anfang arbeiteten drei Mitarbeiter für einen Einheitslohn von 1.200 DM für den Verlag. Nach
nunmehr fast 25 Jahren nach der Gründung des Verlags sind es zwölf Mitarbeiter. Dass der Verlag ,
der heute jährlich ungefähr 40 neue Titel produziert und zwischen 30 und 40 Bücher aktualisiert, die
Zeiten der Wende überlebt hat, führt Christoph Links darauf zurück, dass der Verlag langsam
gewachsen sei und man sich nicht überhoben habe.
Von den 200 neuen Verlagen, die im Jahr 1990 neu gegründet wurden und von denen 25 im
Frankfurter Börsenblatt des deutschen Buchhandels aufgeführt waren, existieren heute nur noch
eine Handvoll. Dazu gehören z.B. der Melitzke-Verlag Dresden, der sich auf Schulbücher spezialisiert
hat oder Basisdruck Berlin mit vier Büchern im Jahr zu den Themen Bürgerbewegung und
Aufarbeitung des Stalinismus.
„Die Verlage sind unter denkbar schlechten Verhältnissen in die neue Einheit gestartet“, meint
Christoph Links. Dafür nannte er mehrere Gründe: zum einen war die Konkurrenz auf dem
bundesdeutschen Markt zu stark; zum anderen spielte die Politik der Treuhand eine unrühmliche
Rolle. Sie führte dazu, dass die Verlage von ihren westdeutschen Konkurrenten übernommen und
schließlich geschlossen wurden. Hinzu kam noch das Problem mit den Rechten. Da es keine DDR
mehr gab, galten auch die in der DDR erworbenen Rechte nicht mehr. Manchmal führte das zu
absurden Situationen, wenn zum Beispiel westdeutsche Verlage, die eigentlich Lizenznehmer
wahren, plötzlich die alleinigen Rechte besaßen.
Dabei seien sich die jungen, immer wieder hochgelobten Neugründungen manchmal als eine Art
Feigenblatte vorgekommen, so Links. Letztendlich zog der Verleger dann aber doch eine positive
Bilanz des Büchermarkts in Deutschland. Es gebe in Deutschland günstige kulturpolitische
Rahmenbedingungen, wozu u.a. die Buchpreisbindung zähle. Somit ist es der Verleger, der
entscheidet, was ein Buch kostet. Günter Grass habe Recht mit seiner Feststellung, dass es in
Deutschland ein „dichtes Netz geistiger Tankstellen “ gebe. Die Tradition des Buches sei hier doch
sehr viel „beharrender“ als in anderen Ländern.
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4. Pressearbeit
Zum Start und vor jeder Ringvorlesung wurden die Berliner Medien über den Presseverteiler des OSIClubs über Thema und Referenten der Veranstaltung informiert. Besondere Bedeutung hatte dabei
der Vortrag des Bundesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, der mit einer
ausführlichen Pressemitteilung angekündigt wurde. Insgesamt wurden 12 Pressemitteilungen
versandt, die im Anhang aufgeführt sind.
5. Veröffentlichungen
Aufgrund der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit gelangen mehrere Veröffentlichungen zur
Ringvorlesung in Berliner Medien. So druckte der Tagesspiegel mehrmals Hinweise auf einzelne
Termine in seinem redaktionellen Teil. Dreimal brachte das Kulturradio des rbb einen Terminhinweis
auf je eine Ringveranstaltung in seinem Vormittagsprogramm. Eines dieser Hinweise war ein
fünfminütiges Live-Interview mit dem ersten Referenten der Ringvorlesung Dr. Christoph Classen
vom Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam. Die Terminhinweise wurden auch auf der
Webseite des Kulturradios eingestellt.
6. Die Werbung für Veranstaltungen
Für die Ringvorlesung wurde durch mehrere Kanäle Werbung gemacht, um das potenzielle Publikum
überhaupt über die Veranstaltung zu informieren. Neben der internen Kommunikation im Newsletter
des OSI-Clubs, sowie auf den Seiten der FU und dem Aushängen von Plakaten an der FU Berlin und
weiteren Universitäten und öffentlichen Orten der Stadt spielten die Online-Aktivitäten eine große
Rolle. Die Termine und Inhalte der Ringvorlesungen wurde neben der Webseite des OSI-Clubs auch
auf den Facebook-Seiten und über Twitter verbreitet, so dass eine große Anzahl von Menschen
erreicht werden konnte (Standbilder der Einträge finden sich in der Anlage). Daneben wurde mit
Anzeigen in Berliner Tageszeitungen für die Ringvorlesung geworben. Die Medienpartnerschaft mit
taz macht mehrere Anzeigen im Berlin-Teil möglich. Darüber hinaus wurden weitere Anzeigen in der
taz und im Tagesspiegel gebucht, was sich positiv auf die Besucherzahlen auswirkte. Die Anzeigen
erschienen im Einzelnen:
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RV-Anzeige in der taz am 25.04.2014
Rüddenklau-Anzeige in der taz vom 05.05.2014
Jahn-Anzeige in der taz vom 10.05.2014
Anzeige der RV im Tagesspiegel am 15.06.2014
Kuttner-Anzeige in der taz am 21.06.2014
Anzeige der RV im Tagesspiegel am 30.06.2014
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Des weiteren informierten auch weitere Partner und Unterstützer der Ringvorlesung über ihre
Kanäle. So nahm die Robert-Havemann-Gesellschaft die meisten Termine der Ringvorlesung in ihren
Online-Veranstaltungskalender auf. Die Zeitschrift politik&kommunikation informierte ebenfalls über
ihre Homepage über die Ringvorlesung.
7. Resonanz und Besucherzahlen
Auch die Ringvorlesung 2014 hat wieder ein interessiertes und verlässliches Publikum gefunden.
Allerdings blieb die Zahl der Besucher an einigen Tagen deutlich hinter den Erwartungen zurück. Dazu
hat wesentlich eine Vielzahl von Terminüberschneidungen mit den Spielen der Fußball-WM 2014
beigetragen. Vor diesem Hintergrund darf die Zahl der Besucher dann doch zufriedenstellend
genannt werden.
Referent
Teilnehmende
davon Frauen
Classen
34
7
Rüddenklau
35
6
Jahn
45
11
Zimmermann
27
7
Lautenbach
53
15
Mangelsdorf
29
3
Hertle
34
2
Kuttner
25
4
Weiß
46
10
Steer
39
9
Links
44
14
23