EssPress Seite22

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IN GUTEN HÄNDEN
EssPress
NR. 04 • 2015
Kiloweise Käsekuchen
Ganz und gar auf Käsekuchen eingestellt: Thomas Neuendorff und Ulrike Reschke
Alles im Strudel
Rita Plessing macht mit ihren herzhaften wie süßen Alpen-Klassikern
den Wedding zum Strudelkiez
fertig gebacken.“ Ihr Grundrezept ist auf einem Faltblatt
nachzulesen, weitere
Kniffe zeigt sie in regelmäßigen Workshops, die jeweils
dienstags stattfinden.
Im ersten Wiener Strudelcafé im Wedding dürfen natürlich
die Klassiker der Kaffeehauskultur nicht fehlen.
Und so gibt es hier Konsul, Kaffee Verkehrt und
Kapuziner. Rita Plessings Lieblingsgetränk ist
der Einspänner, zu dem sie, wie auch zu den anderen Heißgetränken, einen Strudelkeks reicht.
Diese Idee stammt von ihrem Bruder Ezra Plessing, der 2014 extra nach Berlin kam, um seine
große Schwester zu unterstützen. Ein echter
kleiner Familienbetrieb also. (aw)
Strudelka
Sparrstraße 18, Wedding, www.strudelka.de
Fotos: Annemarie Blohm / HiPi
Das Strudelka in Wedding ist
gleich in mehrfacher Hinsicht eine Hommage
an die österreichische
Heimat von Rita Plessing. Der Name des
Cafés ist selbstredend
eine Anspielung auf das legendäre Wiener Kaffeehaus Hawelka, wo sich Literaten und Künstler noch heute
treffen. Und auch im Café in der Sparrstraße
spielt Kunst eine wichtige Rolle. „In Österreich
sind wechselnde Ausstellungen in Cafés sehr üblich“, erzählt die gebürtige Grazerin, die hiesigen
Künstlern auf den hohen Altbauwänden ihres
Cafés eine geräumige Ausstellungsfläche bietet.
Aktuell zieren die farbenfrohen Gemälde der
Künstlerin Britta Kregel die Wände. Aber auch
ansonsten gibt es einige Farbtupfer im Raum.
Wie die fröhliche gelbe Wandfarbe hinter dem
Tresen und die beiden zartgelben Panton-Stühle, mit denen eigentlich alles anfing.
„Ich kam Ende 2011 nach Berlin und alle
meine Freunde liebten meinen Strudel. Da entstand die Idee, daraus mehr zu machen. Dann
kamen die Stühle und letzten Herbst schließlich
das Strudelka.“ Ihr Ziel ist es, in Berlin, wo bisher weitgehend nur der klassische Apfelstrudel
bekannt ist, auch die herzhaften Strudel zu etablieren. „In der Steiermark haben sie eine lange Tradition. Vor allem Blutwurst-, Kraut- und
Hackfleischfüllungen“, erklärt sie. „Aber man
kann hineinfüllen, was man möchte.“ Erlaubt ist,
was gefällt und schmeckt. Im Strudelka gibt es
täglich mindestens zwei süße und zwei herzhafte Sorten, eine davon vegetarisch. Apfelstrudel,
traditionell ohne Vanillesoße, gibt es immer. Ein
besonderes Highlight ist der Kartoffel-BergkäseStrudel, etwas ausgefallener ist die Variante mit
Kürbis-Bratwurst-Füllung. „Eigentlich ist es gar
nicht so kompliziert. Wenn der Teig passt, geht
auch das Ausziehen gut“, meint die Österreicherin bescheiden. „Wenn er goldbraun ist, ist er
Die Geschwister Ezra und Rita Plessing
Die Sessel aus leicht schimmernden beige-grauen Stoffen,
mit zierlichen, geschwungenen
Armlehnen aus dunklem Holz
erinnern an Großmutters Zeiten. Sie harmonieren perfekt
mit dem zurückgenommenen
modernen Design der Inneneinrichtung des Cafés. Die drei
kreisrunden goldglänzenden
Applikationen an der Wand
verleihen dem hellen Raum
eine edle Note. Doch die wirklichen Prachtstücke befinden
sich in der geschwungenen
Glasvitrine gleich am Eingang.
Dort nämlich reiht sich ein Käsekuchen neben den anderen.
Der Teltower Bäckermeister
Thomas Neuendorff war schon
als Dreikäsehoch ein großer
Fan des Backklassikers. In seinem kleinen Charlottenburger
Café zeigt er seinen Gästen zusammen mit Geschäftsführerin
und Lebensgefährtin Ulrike
Reschke nun seit Ende letzten
Jahres, wie vielfältig Käsekuchen sein kann. Insgesamt 36
Sorten hat er sich inzwischen
ausgedacht, einige davon sind
preisgekrönt. Mit den Varianten Käse-Blaubeer und
Käse-Birne-Schoko wurde er
jeweils Berlin-Brandenburger
Käsekuchenkönig. Dieses Jahr
schaffte er es mit seinem KäseMohn-Kuchen auf den dritten
Platz. Seine neueste Kreation
ist Käse-Orange-Mandel.
Die Grundmasse ist im
Prinzip immer die gleiche, aber
je nach Variation und Füllung
gibt es beim Backen einige feine Unterschiede zu beachten.
So besteht die hohe Kunst beim
Käse-Florentiner-Kuchen insbesondere darin, die ButterMandel-Decke knusprig zu backen, ohne sie zu verbrennen.
Zum guten Gelingen ist Erfahrung genauso unabdingbar wie
die richtigen Backutensilien.
Für Neuendorff zählen dazu
insbesondere die Backplatten
aus feuerfestem Rathenower
Schamott. Sie stammen noch
aus Vorwendezeiten, sind gute
Hitzespeicher und eignen sich
hervorragend für Käsekuchen.
In seinem Teltower Familienbetrieb werden darauf täglich
45 bis 50, am Wochenende
sogar bis zu 120 Käsekuchen
gebacken. 90 bis 110 Minuten
lang, denn auch die richtige
Backzeit ist wichtig. „Man darf
nicht hetzen, sollte den Metallring innen einbuttern und einzuckern und den Kuchen mindestens zwei- oder dreimal aus
dem Ofen holen und anschnei-
den, damit er nicht reißt. Wenn
er fertig ist, bloß nicht im Ofen
auskühlen lassen“, verrät der
Bäckermeister.
Schließlich soll der Kuchen
ja schön saftig sein, ob nun
klassisch, fruchtig, exotisch,
schokoladig oder etwas hochprozentiger. „Bei der Variante
Käse-Eierlikör kommen auf
drei Torten 1,5 Liter Eierlikör“,
lacht Neuendorff. Gehaltvoll
sind die cremigen Kuchen allesamt, die bis zu 3,5 Kilogramm
auf die Waage bringen und nie
lange auf dem Kuchenteller
bleiben. (aw)
Café DreiKäsehoch
Kaiserdamm 20, Charlottenburg,
Tel. 030 33 00 89 90,
www.neuendorff-baeckerei.de
Dessertkultur
am laufenden
Meter
Im Zuka muss sich der Gast
entscheiden: Setzt er auf Vertrautes oder wagt er das Neue
Die runde Fensterfront des 60er-Jahre-Pavillons vor dem Wohngebäude in der Emser
Straße Ecke Ludwigkirchstraße ist schlicht
und dennoch ungewöhnlich. Wie die vielen
kleinen Kunstwerke im Inneren, die darauf
warten, entdeckt, bewundert und schließlich
verspeist zu werden. Herrenschnitte, Birne Helene und Black Forest, Cassistörtchen,
Vanille-Eclair, Praliné-Bananentarte und
Mascarpone-Grüntee-Charlotte. Alle liegen sie
fein säuberlich angeordnet nebeneinander auf
der meterlangen Theke und alle tragen sie die
gleiche Handschrift. Die von Chefpâtissier Gil
Avnon. Seit Anfang März belebt und bereichert
er durch die frisch eröffnete Pâtisserie Zuka
mit seinem kleinen Team die Wilmersdorfer
Dessertkultur. Etwas später als ursprünglich
geplant. „Die Eröffnung hat sich eben etwas
verschoben, so wie beim Berliner Flughafen“,
meint er lachend, denn in seinem Beruf ist Planung und Präzision alles. „Ohne Kompromisse, akkurat und perfekt.“ Denn vom richtigen
Zeitpunkt und gekonnten Zusammenspiel der
verschiedenen Aggregatzustände hängt das
Gelingen der süßen Kleingebäcke und Nachspeisen ab. Böden werden gebacken, Füllungen
und Crèmes erhitzt und schaumig gerührt.
In den schokoladigen Tornado
kommt ein gefrorener CrèmeBrûlée-Kern. Es ist ein Spiel
der Konsistenzen und der
Formen. Süß trifft auf sauer, Vertrautes auf Neues.
„Einiges kennen die Gäste
schon, wie die Schwarzwälder Kirschtorte oder die Her-
Fotos: Natalia Gutierrez / HiPi
Fotos: Annemarie Blohm / HiPi
Im Café DreiKäsehoch gibt es nur wenige Sitzplätze, dafür
aber um so mehr Käsekuchen – gebacken nach alter Tradition
und auf Original-DDR-Backblechen
Ein anspruchsvoller Interpret: Gil Avnon
renschnitte. Dadurch werden sie nicht von
lauter Unbekanntem überfahren. Ich gebe dem
Ganzen eine neue Form und interpretiere das
auf meine Art“, kommentiert Avnon das Sortiment. Seine jahrelange Erfahrung, die er in
renommierten internationalen Hotelküchen
gesammelt hat, fließt dort mit ein. Und mit einem Blick auf die Theke fügt er hinzu: „Keine
Unruhe durch zu viele Formen. Ich mag es klar
und ordentlich.“ Da verwundert es nicht, dass
ihn die schmalen Schnitten mit ihrer geometrischen Genauigkeit besonders begeistern. Der
bisherige Favorit der Gäste ist die Limonenbaisertarte mit einer feinen Zwischenschicht aus
Mandarinenkonfitüre. Für den Chefpâtissier
ist es ein absolutes Highlight, die Reaktionen
seiner Gäste direkt von der Produktionsstätte hinter der Theke aus zu
beobachten oder sie sogar persönlich zu beraten. (aw)
Zuka Dessertkultur
Emser Straße 25, Wilmersdorf,
Tel. 030 88 92 02 03,
www.zuka.berlin