Programm - Münchner Stadtmuseum

Fassbinder / Schroeter / Wenders
Fassbinder / Schroeter / Wenders
Fassbinder, auftaucht und in ihnen mächtige Affekte
von Fremdenhass, Wut und Aggression aufrührt.
Milieuenge, Ressentiment, Gefühlskälte, tableauartig
stilisierte Szenen: Fassbinders Handschrift ist in jeder
thematischen und stilistischen Faser zu erkennen. Uraufgeführt im Oktober 1969 bei der Internationalen
Filmwoche Mannheim.
1969, das Jahr des ersten Rampenlichts. Bei diesen
Filmtagen 1969 in Mannheim erhält Werner Schroeter
für seinen ersten Langfilm, EIKA KATAPPA, den Josefvon-Sternberg-Preis. Auch das ein Werk, das die Originalität seines Machers fulminant und souverän zur Geltung bringt. Schroeters Collagen-Stil, seine Theatralik,
das Ineinander von Liebessehnsucht und Todesvision,
der bunte Mix aus Oper und Schlager, Gefühlspathos
und Parodie/Travestie. Unentwegte Anrufung der »Götterbotin« Maria Callas und Konzentration auf den ekstatischen Augenblick mit seinen Lieblingsdarstellerinnen,
Musen und Fetischfiguren Magdalena Montezuma und
Carla Aulaulu.
Wenders veröffentlicht 1969 in der Monatszeitschrift
Filmkritik eine Hymne auf Schroeter. Im Blick auf die
ellenlangen Plansequenzen und die Doppelprojektion
bei Schroeters ARGILA (1969) zieht er Verbindungs-
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KaTzelmacheR
Aufbruch in München
Allem Anfang wohnt ein Zauber inne. Wim Wenders erinnert sich an die erste Begegnung mit Rainer Werner
Fassbinder im Bungalow, einer Schwabinger Kneipe,
Ende der 1960er-Jahre: »Mensch, Rainer … Ich erinnere mich: vor der Jukebox tanzte ein Mädchen, allein.
Minirock, die krausen Haare hochgesteckt. Sie hieß
Hanna. Und der Typ mit dem Bierglas in der Hand, der
da stundenlang rumstand und ihr zuschaute, das warst
Du. Ihr wart eine ganze Clique und machtet irgendwie
Theater. Die andere Clique waren wir, die ›Münchner
Sensibilisten‹, Studenten an der Filmhochschule …
Eines Tages hieß es, der Rainer hätte einen Film gedreht, mit der Hanna. Mit ganz wenig Geld und in ganz
kurzer Zeit. KATZELMACHER. Da haben wir Dich dann
ganz anders angeschaut.«
Hanna ist Hanna Schygulla, die Fassbinders Star werden wird, sein Glamour-Girl. KATZELMACHER (1969)
ist nach LIEBE IST KÄLTER ALS DER TOD (1969) Fassbinders zweiter Spielfilm, basierend auf seinem im Kollektiv des antiteater erarbeiteten Theaterstück. Vier
junge Paare, die in einer Atmosphäre kleinbürgerlicher
Vorstadt-Ödnis und Langeweile einander umkreisen –
bis der griechische Gastarbeiter Jorgos, gespielt von
Fassbinder / Schroeter / Wenders
linien zu Filmen des amerikanischen »Underground«,
aber nur, um den Vorrang von Schroeters »Konzentriertheit« keck und selbstbewusst herauszustellen: »In
Filmen von Warhol haben faszinierende Sachen zwar
lange gedauert, aber sie waren überhaupt nicht konzentriert. Die Filme von Werner Schroeter sind unglaublich konzentriert.«
Seine Art der Konzentriertheit, anfangs geschult an
Popmusik-Popart-Vorbildern, demonstriert Wenders
1969 mit dem 21-minütigen ALABAMA: 2000 LIGHT
yEARS. Ein Mann eingehüllt in einen weiten Mantel,
eine Pistole, die Mini-Andeutung einer Story, lange Einstellungen als Sog und Faszination, Autofahrten vor
allem. »Noch nie hat jemand München und die Straßen
am Rande Münchens so gefilmt, das heißt so gesehen,
erfüllt mit dieser Weite« (Helmut Färber). ALABAMA:
2000 LIGHT yEARS wird zum exemplarischen Film der
»Münchner Sensibilisten«, die als Gegenpol der »Berliner Politfilmer« gesehen werden. In der ersten InnenSzene des Films, bei der die Kamera schwebend ein
Kneipenambiente durchquert, sieht man einen hochgewachsenen, schlaksigen jungen Mann mit Sonnenbrille
an der Jukebox stehen: Werner Schroeter.
1969, das Jahr, in dem drei deutsche Filmemacher
Jahrgang 1945 definitiv erkennbar werden in ihrer Originalität und künstlerischen Eigenart: Rainer Werner
Fassbinder († 1982), Werner Schroeter († 2010), Wim
Wenders. Drei Galionsfiguren des Neuen Deutschen
Films, der in den Jahren zwischen 1966 und Fassbinders Tod 1982 seine staunenswerte, ruhmreiche Aufbruchszeit hat. Diese Jahre zwischen 1966 und 1982
alabama: 2000 liGhT yeaRS
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bilden auch den zeitlichen Rahmen unserer Hommage
an Fassbinder / Schroeter / Wenders anlässlich ihrer
70. Geburtstage. Thematisch gruppiert soll in der Filmauswahl aus den drei Œuvres etwas vom Geist des Aufbruchs spürbar werden, von den Suchbewegungen im
Umkreis von Pop-Art, Avantgardekino, Underground,
von der Anmaßung und Notwendigkeit, das Filmemachen in der BRD mit der Entschiedenheit des Autorenkinos neu zu erfinden. Welche Sehnsuchtsorte werden
aufgesucht? Wie reflektieren die drei Filmemacher
deutsche Geschichte und gesellschaftliche Befindlichkeiten?
Autorenkino. Das europäische Autorenkino offenbart
sich nach 1945 in drei epochemachenden »Neuen Wellen«, in drei künstlerischen Aufbrüchen, die Reflex gesellschaftlicher Umbrüche sind. Junge Filmemacher
wollen ihrer Generation Sprache und Ausdruck verleihen. Dreifacher Eklat einer Vielfalt von Talenten, die der
Nachkriegszeit den Puls fühlen. Unmittelbar nach 1945
der Italienische Neorealismus, der für einige Jahre den
Ruhm des italienischen Kinos ausmacht: Befreiung der
Bilder von Pathos und Propaganda: Rossellini, Visconti,
Antonioni, Fellini.
Zehn Jahre später bereiten sich in Frankreich junge
Filmkritiker, gruppiert um die Redaktion der cahiers du
cinéma, aufs Filmemachen vor: Godard, Truffaut, Rivette, Rohmer, Chabrol. Der Erfolg von Truffauts LES
400 COUPS in Cannes 1959 wird zum Fanal der Nouvelle Vague.
Wieder zehn Jahre später der Aufbruch des Neuen
Deutschen Films, der sich in seiner cinephilen Geste
nos und die theaterhaften Fernsehspiele nicht wollte.«
Ein prägendes Vorbild bei der Attacke auf das Erzählkino ist der aus dem Umkreis der nouvelle vague stammende Jean-Marie Straub, der damals in München lebt
und arbeitet. In seinem DER BRÄUTIGAM, DIE KOMÖDIANTIN, DER ZUHÄLTER sind Fassbinder und weitere
Darsteller des antiteater-Kollektivs zu sehen. Eine Passage aus der langen Autofahrt des Films baut Fassbinder als Straub-Reminiszenz in LIEBE IST KÄLTER ALS
DER TOD ein.
Deutsche Geschichte. Deutlicher und direkter als
Schroeter und Wenders wendet sich Fassbinder den
Themen der deutschen Geschichte und Befindlichkeit
zu. Von der Xenophobie-Studie in KATZELMACHER bis
zur pessimistischen Sicht auf die Nachkriegsgeschichte in der sogenannten BRD-Trilogie, deren
Auftakt DIE EHE DER MARIA BRAUN (1978) zum großen Erfolg wird.
In Fassbinders Beitrag zu DEUTSCHLAND IM HERBST
(1977) ist aufschlussreich, wie er, aufgewühlt vom Tod
der RAF-Terroristen Meinhof, Baader und Raspe in
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das Bild emphatisch gegen die Story verteidigt, denn
die Story verhält sich zum Bild wie ein Vampir, der ihm
das Leben aussaugt.
Alle filmischen Avantgardebewegungen finden ihre zentrale ästhetische Stoßrichtung im Kampf gegen die konventionellen psychologischen oder spektakulär-dramatischen Erzählmuster. Nur so kann das Kino, das sich
von ästhetischen und ideologischen Altlasten befreien
will, neu erfunden werden. Schon im Surrealismus der
1920er-Jahre zeigt sich das, wenn Buñuel nach einer
Traumlogik der Bilderassoziationen sucht.
Wenders wird sich später dem Geschichtenerzählen
annähern. Ein Entwicklungsgang, den auch Schroeter
und Fassbinder auf ihre Weise absolvieren. Aber zuerst
gilt die Kampfansage gegen das Erzählkino. Schroeter:
»Mir war immer klar, dass ich den Schrott des Erzählki-
DeR bombeRpiloT
vielfältig auf die Nouvelle Vague bezieht, auf deren Maxime, dass das Kino der Zukunft so persönlich sein
müsse wie ein Tagebuch oder Bekenntnis. Zuerst treten die etwas älteren Filmemacher auf den Plan: Herzog, Schlöndorff, Kluge, Reitz, dann die jüngeren:
Thome, Lemke, Wenders, Schroeter und Fassbinder,
der mit seiner fiebrig vorangetriebenen Produktivität
rasch auch international zum Aushängeschild des New
German Cinema wird. Antrieb erfährt der Aufbruch von
den gesellschaftlichen Turbulenzen jener Jahre, den
Protesten gegen den Vietnamkrieg, der weltweiten Revolte der Jugend, dem Mai 1968. Hinzu kommt, dass
das Kino in den 1960er Jahren seine Vorrangstellung
verliert. Der Siegeszug des Fernsehens führt in eine
Situation, die das BRD-Kino Ende der 1960er Jahre zur
Dümpelei zwischen Softsex und Klamotte macht.
Dass München zu einem wichtigen Ausgangsort des
Neuen Deutschen Films wird, hat damit zu tun, dass
hier im Juli 1966 die erste Filmhochschule eröffnet
wird, die Hochschule für Fernsehen und Film (HFF). Für
den ersten Studentenjahrgang bewerben sich über
tausend Kandidaten, darunter Wenders und Schroeter.
Beide werden aufgenommen, doch Schroeter bricht
das »pseudotheoretische Filmstudium in München«
rasch ab. Er bewirbt sich dann an der im September
1966 eröffneten Deutschen Film- und Fernsehakademie (DFFB) in Berlin. Dort bewerben sich zugleich auch
Rainer Werner Fassbinder und Rosa von Praunheim,
mit dem Schroeter damals zusammenlebt. »Aber wir
drei wurden abgelehnt«, notiert Schroeter in seiner
Autobiographie, »wenn wir später dort Seminare hielten, war diese Ablehnung immer wieder einen Witz
wert«.
Als Mitbegründer der antiteater-Kommune nimmt Fassbinder den Umweg übers Theater zum Filmemachen.
Wenders zieht das dreijährige Studium an der HFF
durch, aber wichtiger als das offizielle Lehrprogramm
sind ihm die gegenseitige Inspiration unter den Studenten, die Freundschaft mit dem Schriftsteller Peter
Handke, das Flipperspiel im Bungalow. Die Kurzfilme,
die Wenders während der HFF-Zeit dreht, sind keine
Übungsfilme, sondern fertige, souveräne Gestaltungen:
SAME PLAyER SHOOTS AGAIN, SILVER CITy, ALABAMA: 2000 LIGHT yEARS. 3 AMERIKANISCHE LP’S
produziert er zusammen mit Peter Handke für den Hessischen Rundfunk.
Nieder mit dem Erzählkino! Wenders schreibt auch
Filmkritiken und Essays, nicht nur die Eloge auf Schroeter, auch einen Verriss zu KATZELMACHER: »Das
Grauenvolle an diesem Film ist, dass er bis ins kleinste
Detail lustlos ist!« Wenders forciert eine Ästhetik, die
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Storyboards von hammeTT, wie sie in der aRbeiTSKopie hammeTT verwendet werden
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Stammheim, die Diskussion darüber mit seiner Mutter zum inquisitorischen Verhör macht. Er will ihr antidemokratische Ressentiments entlocken, die auf eine aus der Nazizeit fortwirkende autoritäre Fügsamkeit schließen lassen. In DIE DRITTE GENERATION
(1979) zeigt Fassbinder Terroristen als bourgeoise Clowns und
Marionetten des Systems, das den Terror als Vorwand benötigt,
um seine Machtmittel der Überwachung und Kontrolle zu modernisieren und aufzurüsten.
Vergleichsweise sanft rechnet Wenders in FALSCHE BEWEGUNG
(1975) und IM LAUF DER ZEIT (1976) mit Vaterfiguren ab.
Schroeters BOMBERPILOT (1970) ist thematisch nicht weit entfernt von DIE EHE DER MARIA BRAUN. Drei Frauen in der Zeit des
Übergangs vom Nationalsozialismus zur Eisenhower-Ära. Schroeter interessiert »die Zerreißprobe zwischen ›Kraft durch Freude‹
und Nachkrieg mit amerikanischem Kultur- und Karriereverständnis«.
Sehnsuchtsorte / Utopien. Schroeters Sehnsuchtsort liegt in Italien. Bis ins Klischeehafte zelebriert er das in seinem bei der Berlinale 1980 prämierten PALERMO ODER WOLFSBURG. Da werden in Palermo fortwährend Gedichte rezitiert und Opernarien gesungen. In Wolfsburg ist alles Grau-in-Grau. Vom jungen Mann,
der nach Wolfsburg kommt, sagt die italienische Gastwirtin: »Er
brachte das Leben meiner Heimat mit sich und ich wollte nicht,
dass er zerstört wird hier, wo es kein Licht gibt, keine Sonne,
keine Lieder, keine Gespräche, wo alles nützlich zu sein hat!«
Schroeter: »Damals glaubte ich an die Utopie, dass Italien wegen
seiner Menschen, seiner Lebensqualität und seinem Sinn für die
Freiheit ein Modell für ganz Europa sein könne. Diese Hoffnung
ist längst verloren.«
Desillusionierung und Ernüchterung gibt es auch für Wenders bei
der Begegnung mit seinem Sehnsuchtsort Amerika. Zuerst die Erfahrung der Heimkunft: »Zum ersten Mal in Amerika kam ich
eines Morgens, in aller Herrgottsfrühe mit einem Autobus vom
Flughafen Kennedy nach Manhattan. Ich war zuhause. Anders
kann ich nicht benennen, was ich empfunden habe an jenem
Tag, an dem ich von früh bis spät durch die Straßen lief.« Dann
die Erfahrungen, die den »amerikanischen Traum« zerplatzen lassen.
Zur Sisyphusarbeit wird 1978 bis 1982 sein HAMMETT-Projekt
in Hollywood unter der Ägide Francis Ford Coppolas. Schon die
Arbeit am Drehbuch ist ein schier endloses Hin-und-Her: »Ich bin
sehr weit gegangen in dem Versuch, den Film, den ich machen
wollte, vorher bereits zu schreiben. Aber dieser Film ist in den
Kopf von Coppola nicht reingegangen. Er war ihm zu sehr Autorenfilm: über einen Autor und von einem Autor. Er wollte mehr
Action drin haben.«
Auch die Dreharbeiten werden immer wieder unterbrochen und
neu angesetzt. Schauspieler werden ausgetauscht, Rollen gestrichen, neue Figuren eingebaut. Von ersten, später verworfenen
Drehfassungen gibt es leider kein Originalmaterial mehr, aber Videoaufzeichnungen vom Schneidetisch. Sie vermitteln, trotz kar-
Die von Stefan Drößler und Rainer Gansera konzipierte Filmreihe findet statt in Zusammenarbeit mit und mit Unterstützung der Münchner Volkshochschule (Klaus Blanc).
Die Anfänge
Fassbinder, Schroeter, Wenders: Die Anfänge | Vortrag von Rainer Gansera mit Filmbeispielen | 30 min –
Das kleine Chaos | BRD 1967 | R+B: Rainer Werner
Fassbinder | K: Michael Fengler | D: Christoph Roser,
Marite Greiselis, Rainer Werner Fassbinder, Greta Rehfeld, Liselotte Eder | 12 min – Alabama: 2000 Light
Years | BRD 1969 | R+B: Wim Wenders | K: Robby
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ger Bildqualität, eine Ahnung davon, wie HAMMETT als
ein Wenders-Autorenfilm hätte aussehen können.
Fassbinder kennt keinen bestimmten Sehnsuchtsort. In
frühen Interviews spricht er davon, mit seinen Filmen
»ein Haus bauen« zu wollen. Im Essay zu seiner »Berlin
Alexanderplatz«-Adaption mit dem schönen Titel »Die
Städte des Menschen und seine Seele«, beschreibt er
das »Leben in der Großstadt« als ein »ganz besonderes
Wachsein«. Aber in seinen Filmen ist jede Stadt ein Ort,
an dem es – wie es Franz Biberkopf in BERLIN ALEXANDERPLATZ widerfährt – nicht gelingt, zu lieben, anständig zu sein, ein Zuhause zu finden. Die Utopie,
einen »wahren Liebenden« zu finden, zerschlägt sich in
jeder Stadt, an jedem Ort.
Überraschungen. Das Bild vom dem, was wir »typisch«
für einen Filmemacher nennen, verfertigt sich rasch zu
einem geschlossenen Ganzen. Aber da gibt es Brüche,
Ausnahmen, Überraschungen. Zwei Beispiele. In den
zahlreichen Filmen, die Schroeter 1968 dreht, ist erkennbar, wie er auf seinen theatralischen und ekstatischen Collagen-Stil zusteuert, den er dann in EIKA
KATAPPA groß ausfaltet. Aber er dreht 1968 auch den
Film AGGRESSION, der nicht in den Collagen-Stil passt,
der sich als erstaunlich realistisches, wunderbar hingebungsvoll gezeichnetes Frauenporträt entpuppt.
Wenders gesteht gern, dass er in seinen ersten Filmen
mit den Frauenfiguren Probleme gehabt habe. Zum
Beispiel sei ihm Hanna Schygullas Figur in FALSCHE
BEWEGUNG viel zu blass geraten. Dem soll nicht widersprochen werden, doch es gibt eine verblüffende Ausnahme. In DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER (1972), der Adaption von Peter Handkes gleichnamigem Roman, gelingt Wenders die Zeichnung der
Frauenfiguren faszinierend facettenreich. Nicht nur das.
Rhythmus der Bilder, Schilderung der Orte und Räume,
Zeichnung der Atmosphären, Diktion der Dialoge – all
das fügt sich zu einem vollkommenen Ganzen. Es
scheint, als hätte Wenders hier seine ideale Balance
von Bildermachen und Geschichtenerzählen gefunden.
Ende einer Epoche. 1982, mit Fassbinders Tod, endet
die Blütezeit des Neuen Deutschen Films. Das Autorenkino wird vom Produzentenkino verdrängt. Passend zur
Kohl-Ära und ihrer radikalen Ökonomisierung aller Bereiche. Das Wort »Autorenfilm«, bis dahin ein Ehrentitel,
wird zum Schimpfwort. Schon seit 1977 agitieren die
Produzenten kampagnenartig gegen die Autoren und
setzen sich mit ihren Bestsellerverfilmungen und
Genre-Wiederbelebungsversuchen durch.
1982 ist Fassbinder mit der Endfertigung von QUERELLE beschäftigt, der Verfilmung des Romans »Querelle de Brest« von Jean Genet. Ein Projekt, das zuerst
Schroeter realisieren sollte. Bei den Filmfestspielen von
Cannes 1982 sehen sich Wenders und Fassbinder zum
letzten Mal. Wenders erstellt dort seinen Film CHAMBRE 666: »Ich hatte eine Reihe von Regisseuren gebeten, in ein Zimmer des Hotels zu kommen, wo wir eine
Kamera und eine Nagra aufgebaut hatten, damit sie
dort, allein mit den Geräten, etwas über die Zukunft
des Kinos sagen sollten«. Antonioni, Spielberg, Herzog
und viele andere machen mit. Auch Fassbinder. Er gibt
ein kurzes Statement ab, bei dem der müde, resignierte Ton des Vortrags der hoffnungsfrohen Botschaft
widerspricht: Die Zukunft gehöre dem individuellen
Kino einzelner Autoren. Dieses Kino sei »heute schon
wichtiger als das Sensationskino«.
Rainer Gansera
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Müller, Wim Wenders | D: Paul Lys, Peter Kaiser, Werner Schroeter, Christian Thierfelder, Christian Friedel |
21 min – Aggression | BRD 1968 | R+B+K: Werner
Schroeter | D: Heidi Lorenzo, Knut Koch | 22 min –
Hollywoodkino, Gangsterfilme, Schwarzweißaufnahmen, Alltag und Gewalt. Frühwerke dreier unterschiedlicher Filmemacher, die ihren Traum vom Kino in Kurzfilmexprimenten umzusetzen suchen. Fassbinder spielt
in seinem Film selber mit und hantiert mit einem Revolver, Schroeter steht im ersten 35mm-Film von Wenders an der Musicbox und stellt mit AGGRESSION ein
16mm-Remake seiner 8mm-Studie FACES her.
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▶ Freitag, 1. Mai 2015, 18.30 Uhr
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Katzelmacher | BRD 1969 | R+B: Rainer Werner Fassbinder, nach seinem Theaterstück | K: Dietrich Lohmann | M: Peer Raben | D: Rainer Werner Fassbinder,
Hanna Schygulla, Rudolf Waldemar Brem, Lilith Ungerer, Elga Sorbas, Irm Hermann, Harry Baer | 88 min |
»Form und Inhalt sind hier praktisch nicht auseinanderzudividieren. Wie Schlafwandler gehen die Figuren
durch ihre Begegnungen; genau das ist natürlich der
Eindruck, den Fassbinder suggerieren will. Diese Suggestion wirkt im Verein mit Fassbinders statischen Totalen und seinen bewusst unästhetischen Gruppierungen der Figuren einer Identifikation entgegen und
zwingt zugleich den Zuschauer, seine Haltung zu den
Darstellern und ihren Rollen zu überdenken. Die wohlfeile Versuchung, in KATZELMACHER einen Mikrokosmos der kleinbürgerlichen deutschen Gesellschaft zu
sehen, wird so abgelöst von der Erkenntnis, dass die
Lektionen dieses Films universelle Gültigkeit haben.«
(David Wilson)
▶ Freitag, 1. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rainer
Gansera
Der Stadtstreicher | BRD 1966 | R+B: Rainer Werner
Fassbinder | K: Josef Jung | D: Christoph Roser, Susanne Schimkus, Michael Fengler, Thomas Fengler |
10 min – Der Bräutigam, die Komödiantin und der
Zuhälter | BRD 1968 | R: Jean-Marie Straub | B: JeanMarie Straub, Danièle Huillet, nach dem Stück »Krankheit der Jugend« von Ferdinand Bruckner | K: Niklaus
Schilling, Hubertus Hagen | D: James Powell, Lilith Ungerer, Rainer Werner Fassbinder, Peer Raben, Irm Hermann | 20 min – Same Player Shoots Again | BRD
1968 | R+B+K: Wim Wenders | D: Hanns Zischler |
12 min – 3 amerikanische LP’s | BRD 1969 | R+K:
Wim Wenders | B: Peter Handke | 13 min – Himmel
hoch | BRD 1968 | R+B+K: Werner Schroeter | D: Steven Adamczewski, Rita Bauer, Joachim Bauer | 10 min
– Momentaufnahmen aus München Ende der 1960er
Jahre, in denen sich die Vorlieben und Stile von Fassbinder, Wenders und Schroeter ausprägen. Die Filme
von Jean-Marie Straub und Danièle Huillet waren wichtige Bezugspunkte.
▶ Samstag, 2. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rainer
Gansera
Eika Katappa | BRD 1969 | R+B: Werner Schroeter |
K: Werner Schroeter, Robert van Ackeren | D: Gisela
Trowe, Carla Aulaulu, Magdalena Montezuma, Knut
Koch, Rosy-Rosy, René Schönberger | 144 min |
Werner Schroeters erster abendfüllender Film war sein
internationaler künstlerischer Durchbruch: »Eine
Sammlung assoziativer Bilder und Töne aus meiner Lebenswelt, ein freies Kompendium, denn ein dramaturgisches Konzept entstand erst im Schnitt.« (Schroeter).
»144 Minuten lang die Wirklichkeit des Kitsches der
westlichen Kultur. Tosca, Monroe und Golgatha, Siegfried, Callas und Tango sind hier die Einheit, die scheinbar hoch entwickeltes Kulturbewusstsein säuberlich zu
trennen beflissen ist. Mit opulent ausgehaltenen und
wiederholten melodramatischen Bildern wird der Punkt
festgemacht, an dem wir zwischen Kunst und Kitsch
keineswegs unterscheiden, sondern ihre Üppigkeit als
Seelenoper genießen.« (Peter W. Jansen)
▶ Samstag, 2. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rainer
Gansera
Werner Schroeters Anfänge im Underground | Vortrag von Stefan Drößler mit Filmbeispielen | 30 min –
Magdalena | BRD 1968 | R+K: Werner Schroeter | D:
Magdalena Montezuma | 2 min – Home Movie | BRD
1968 | R: Werner Schroeter | D: Werner Schroeter, Daniel Schmid, Elfi Mikesch, Carla Aulaulu | 4 min –
Maria Callas singt 1957 Rezitativ und Arie der
Elvira aus Ernani 1844 von Giuseppe Verdi | BRD
1968 | R+B+K+D: Werner Schroeter | 11 min – Argila
| BRD 1969 | R+B+K: Werner Schroeter | D: Gisela
Trowe, Magdalena Montezuma, Carla Aulaulu, Sigurd
Salto | 33 min – An der Hochschule für Fernsehen und
Film hielt er es nicht lange aus, weil er sofort praktisch
arbeiten wollte: Werner Schroeter drehte 1968 mehr
als ein Dutzend 8mm-Filme, bevor er seine ersten
16mm-Filme in Filmclubs und Undergroundkinos öffentlich zeigte. Sein Werdegang im Kontext des »anderen Kinos« Ende der 1960er Jahre in der BRD.
▶ Sonntag, 3. Mai 2015, 18.30 Uhr
▶ Sonntag, 3. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rainer
Gansera
Deutschland
Die Ehe der Maria Braun | BRD 1978 | R: Rainer Werner Fassbinder | B: Peter Märthesheimer, Pea Fröhlich
| K: Michael Ballhaus | M: Peer Raben | D: Hanna Schygulla, Klaus Löwitsch, Ivan Desny, Gottfried John, Gisela Uhlen, Rainer Werner Fassbinder | 120 min | »Eine
große Chronik der Ära Adenauer. Zum ersten Mal
scheint es dem Regisseur gelungen zu sein, die Erfahrungen aller vorausgegangenen Arbeiten zu vereinen;
das Ergebnis ist reicher an Motiven und Stimmungen
als die meisten anderen Filme Fassbinders, dabei weniger obsessiv und monomanisch inszeniert. DIE EHE
DER MARIA BRAUN ist ebenso populär wie kritisch,
ebenso unterhaltsam wie politisch. Und der Film zeigt,
wie weit Fassbinder als Chronist von Gefühlen ins In-
nere Deutschland vorzudringen vermag. Fassbinders
Geschichtsschreibung verläuft kontrapunktisch zu den
offiziellen Annalen der Bundesrepublik.« (Hans Günther
Pflaum)
▶ Freitag, 22. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rainer
Gansera
Polizeifilm | BRD 1969 | R+K: Wim Wenders | B: Albert Gröschel, Wim Wenders | D: Jimmy Vogler, Kasimir Esser, Peter Frötschl | 11 min | Ein ironischer Instruktionsfilm der Polizei für den Umgang mit demonstrierenden Studenten. – Der Bomberpilot | BRD 1970
| R+B+K: Werner Schroeter | D: Carla Aulaulu, Mascha
Rabben, Magdalena Montezuma, Werner Schroeter,
Daniel Schmid | 65 min | »Magdalena stellte eine Kirchenrestauratorin, Reichsvolkshochschullehrerin und
Schlangentänzerin dar, Carla Aulaulu eine Sängerin
und Bäckerin, Mascha Rabben eine Varieté-Tanzerin.
Mascha kränkelt mit einem Nervenzusammenbruch,
Carla erleidet eine Fehlgeburt, Magdalena bringt sich
nach dem Tod des Führers beinahe ums Leben. Die
drei tingeln und machen Karriere bis nach Amerika,
alles ziemlich bizarr. Wir hatten ja kein Geld und nahmen uns frech, was wir brauchten. Wir trieben es mit
den komischen Kontrasten zwischen Bild und Sprache
ziemlich weit.« (Schroeter)
▶ Freitag, 22. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Stefan
Drößler
Falsche Bewegung | BRD 1975 | R: Wim Wenders | B:
Peter Handke, frei nach dem Roman »Wilhelm Meisters
Lehrjahre« von Johann Wolfgang Goethe | K: Robby
Müller | M: Jürgen Knieper | D: Rüdiger Vogler, Hanna
Schygulla, Hans Christian Blech, Nastassja Kinski,
Peter Kern, Ivan Desny | 103 min | Handkes Version
von Goethes Geschichte: Wilhelm reist durch Deutschland, um die Welt zu begreifen. Unterwegs begegnet er
verschiedenen Menschen, die ihn zeitweise begleiten.
Fassbinder / Schroeter / Wenders
Die Angst des Tormanns beim Elfmeter | BRD 1972
| R+B: Wim Wenders, nach dem Roman von Peter
Handke | K: Robby Müller | M: Jürgen Knieper | D: Arthur Brauss, Kai Fischer, Erika Pluhar, Libgart Schwarz,
Marie Bardischewski | 101 min | »Am Buch hat mich
eigentlich weniger ›Handke‹ interessiert als die Geschichte und die Art, wie etwas beschrieben wird. Wie
da eins auf das andere folgt, ein Satz auf den anderen.
Diese Genauigkeit ist genau das, was mir Lust gemacht hat, den Film auf eine ähnliche Art zu machen,
nämlich in Bildern, die auf eine ähnliche Art aufeinanderfolgen wie die Sätze von Handke, also Bilder, die
auch stimmen und genauso präzise sein müssen. Deshalb ist der Film auch recht aufwändig, weil nur mit
Aufwand auch so eine Präzision herzustellen ist, nämlich in dem Sinne, dass die Bilder, die wir machen,
auch erinnern können an ganz bestimmte Einstellungen, wie wir sie z.B. aus amerikanischen Filmen gewöhnt sind oder kennen.« (Wenders)
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»Hanna Schygulla kannte ich schon, bevor sie ihren ersten Film machte. Ich besuchte oft die gleiche Kneipe
wie Fassbinder, den Bungalow, wo sie vor der Musikbox tanzte. Dort hat auch er sie kennengelernt. Als wir
FALSCHE BEWEGUNG drehten, hatte sie schon ein Dutzend Filme mit ihm gemacht. Sie war in den Filmen von
Fassbinder sehr lebhaft, in meinem sichtlich weniger,
und ich habe das als eine Art Niederlage meinerseits
erlebt.« (Wenders)
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▶ Samstag, 23. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rainer Gansera
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Episode aus Deutschland im Herbst | BRD 1978 |
R+B: Rainer Werner Fassbinder | K: Michael Ballhaus |
D: Rainer Werner Fassbinder, Liselotte Eder, Armin
Meier | 26 min | Ein schonungsloses Selbstporträt angesichts der Ereignisse von Mogadischu, der Ermordung Schleyers und der RAF-Selbstmorde in Stammheim, in das Fassbinder auch seinen Lover und seine
Mutter miteinbezieht. – Die dritte Generation | BRD
1979 | R+B+K: Rainer Werner Fassbinder | M: Peer
Raben | D: Volker Spengler, Bulle Ogier, Hanna Schygulla, Harry Baer, Eddie Constantine, Vitus Zeplichal |
110 min | Eine wilde Farce über den Terrorismus. »Beißend und verlachend, mit Gefühlen und Spannung, Polemik und Karikatur, Brutalität und Dummheit, in einer
Atmosphäre wie im Traum, wie im Märchen. Wie die
Märchen, die man Kindern erzählt, damit sie ihr Leben
als lebendig Begrabene besser ertragen.« (Fassbinder)
▶ Samstag, 23. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rainer Gansera
Im Lauf der Zeit | BRD 1976 | R+B: Wim Wenders | K:
Robby Müller, Martin Schäfer | M: Improved Sound Ltd.
| D: Rüdiger Vogler, Hanns Zischler, Lisa Kreuzer, Marquard Bohm, Rudolf Schündler | 175 min | Zwei Männer fahren in einem LKW entlang der deutsch-deutschen Grenze. Der eine zieht durch die Lande und re-
pariert Kinoprojektoren, der andere hat sich gerade von
seiner Frau getrennt. Es geht um das Problem, miteinander zu kommunizieren, und um die Amerikanisierung
des Lebens. »Bei der Motivsuche zu FALSCHE BEWEGUNG bin ich dauernd auf Motive gestoßen, die ich
gar nicht gebrauchen konnte, weil so ein Ort in der Geschichte nicht vorkam. Ich habe schließlich so viel anderes in Deutschland gefunden, was mir gefallen hat,
dass ich mir gewünscht habe, ich hätte keine feste Geschichte. Da habe ich beschlossen, als nächstes einen
Reisefilm zu machen, in den ich ganz nach Belieben
das reinnehmen kann, was mir unterwegs gefällt.«
(Wenders)
▶ Sonntag, 24. Mai 2015, 19.00 Uhr | einführung: Rai-
ner Gansera
Palermo oder Wolfsburg | BRD 1980 | R: Werner
Schroeter | B: Werner Schroeter, Giuseppe Fava | K:
Thomas Mauch | D: Nicola Zarbo, Calogero Arancio,
Magdalena Montezuma, Brigitte Tilg, Antonio Orlando |
180 min | Die Geschichte eines jungen Sizilianers, der
in Wolfsburg Arbeit sucht, zwei Menschen tötet und
erst vor Gericht durch das Eingeständnis seiner Tat
seine Identität wiederfindet. Erzählt in drei vordergründig disparaten Strängen: Im ersten wird des Protagonisten Heimat und kultureller Hintergrund skizziert, im
zweiten dessen Ankunft und Erfahrungen in der Volkswagen-Stadt Wolfsburg in düsteren, bedrängenden Bildern gezeichnet, der dritte mündet schließlich in eine
furiose Gerichtsszene mit surrealen Anklängen. Es wird
eine bewusst subjektive, emotionale und romantisierende Sicht auf die bundesrepublikanische Aufbauphase gezeigt, in der Leben nur noch verwaltet und
bürokratisiert wird.
▶ Montag, 25. Mai 2015, 19.00 Uhr | einführung: Stefan
Drößler
In die Welt hinaus
Warnung vor einer heiligen Nutte | BRD 1971 | R+B:
Rainer Werner Fassbinder | K: Michael Ballhaus | M:
Peer Raben | D: Lou Castel, Eddie Constantine, Hanna
Schygulla, Rainer Werner Fassbinder, Margarethe von
Trotta, Magdalena Montezuma, Werner Schroeter |
103 min | In einem Hotel am Meer in Spanien wartet
ein Filmteam auf den Beginn der Dreharbeiten. »Ein
paar Mal tanze ich mit Magdalena eng umschlungen
und tröstend. Sie spielte Irm, die abgewiesene Liebhaberin des Regisseurs, die ihm verzweifelte dramatische Szenen macht. Magdalena und ich amüsierten
▶ Freitag, 29. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rainer
Gansera
Querelle – Ein Pakt mit dem Teufel | BRD 1982 | R:
Rainer Werner Fassbinder | B: Rainer Werner Fassbinder, Burkhard Driest, nach dem Roman von Jean Genet
| K: Xaver Schwarzenberger | M: Peer Raben | D: Brad
Davis, Franco Nero, Jeanne Moreau, Laurent Malet,
Hanno Pöschl | 108 min | engl. OF | Werner Schroeter
war noch mit dem Casting und der Suche für Drehorte
für die Verfilmung von Genets »Querelle« beschäftigt,
als die Produzenten ihn durch Rainer Werner Fassbinder ersetzten, dessen Namen die Finanzierung des
Films erleichterte. »Ich kann mir die Welt des Jean
Genet nicht an Originalschauplätzen vorstellen, da jedwede Handlung, die in dieser Welt geschieht, jede
Geste, jeder Blick, immer anderes bedeutet, immer wesentlich mehr und immer Größeres, meist Heiliges. Ich
habe mich daher entschieden, dass der Film in einer
Art surrealistischer Landschaft gedreht wird, die sich
aus spezifischen Teilen und Signalen aller angesprochenen Motive zusammensetzt.« (Fassbinder)
▶ Freitag, 29. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rainer
Gansera
Reverse Angle: NYC March ’82 (Ein Brief aus New
York) | USA 1982 | R+B: Wim Wenders | K: Lisa Rinsler | D: Francis Ford Coppola, Wim Wenders, Louis
Malle, Isabelle Weingarten, Tony Richardson | 17 min |
OF | Ein Tagebuchfilm über die Probleme bei der Herstellung von HAMMETT. – Hammett | USA 1982 | R:
Wim Wenders | B: Ross Thomas, Dennis O' Flaherty,
nach dem Roman von Joe Gores, | K: Philip Lathrop,
Joseph Biroc | M: John Barry | D: Frederic Forrest,
Peter Boyle, Marilu Henner, Roy Kinnear, Elisha Cook
jr., Lydia Lei, Michael Chow | 94 min | OF – Arbeitskopie Hammett | USA 1980 | R: Wim Wenders | B:
Dennis O’Flaherty, nach dem Roman von Joe Gores | K:
Joseph Biroc | M: Ry Cooder | D: Frederic Forrest, Brian
Keith, Marilu Henner, Ronee Blakley, Sylvia Sidney, Roy
Kinnear, Samuel Fuller | 136 min | OF – Die Produktion
von HAMMETT dauerte mehrere Jahre, weil Produzent
Francis Ford Coppola die ursprüngliche Arbeitsfassung
verwarf und der Film fast vollständig ein zweites Mal
abgedreht werden musste. Erhalten hat sich von der ursprünglichen Fassung nur ein vom Schneidetisch abgefilmtes Amateurvideo mit sehr bescheidener Bildqualität, das das Filmmuseum München – so gut es geht –
restauriert hat.
▶ Samstag, 30. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung:
Rainer Gansera, Stefan Drößler
Willow Springs | BRD 1973 | R+B+K: Werner Schroeter | D: Magdalena Montezuma, Christine Kaufmann,
Ila von Hasperg, Michael O’Daniels | 78 min | Es sollte
ein 60-minütiges Filmessay über Marilyn Monroe werden, doch als Schroeter mit dem Geld des ZDF nach
Los Angeles fuhr, entstand ein schräges B picture über
drei männermordende Frauen in der Einöde einer kalifornischen Wüstensiedlung. »Nur fünf oder sechs Tage
drehten wir, ganz schnell in einem durch, das könnte
erklären, warum WILLOW SPRINGS so dicht und knapp
wirkt. Ich mochte eben amerikanische Trivialfilme ohne
tiefere Bedeutung, ohne Psychologie über das hinaus,
was im Bild zu sehen ist.« (Schroeter) »Nicht nur Aldrich und Wilder, nicht nur Schlager-Absurdität und
Opern-Grandezza, auch Kafka, Faulkner und Beckett
spuken durch diesen unheimlichen Film, den man vom
ersten bis zum letzten Bild aufregend ›erleben‹ kann.«
(Eckhart Schmidt)
▶ Sonntag, 31. Mai 2015, 18.30 Uhr | einführung: Rai-
ner Gansera
Weisse Reise | Schweiz 1980 | R+B+K: Werner
Schroeter | D: Jim Auwae, Tilly Soffing, Margareth Clementi, Maria Schneider, Ursula Rodel | 52 min | OmU |
1972 veröffentlichte Werner Schroeter in der Filmkritik
ein Treatment für einen großen Spielfilm über die Liebe
und die Abenteuer zweier Matrosen, der in 35mm an
Originalschauplätzen hergestellt werden sollte. Schließlich drehte er ihn in einer Zürcher Villa vor gemalten
Kulissen. »Es war ein Punk-Film, mit Humor und Narretei gedreht.« (Schroeter) – Chambre 666 | Frankreich
1982 | R+B: Wim Wenders | M: Jürgen Knieper | Mit
Jean-Luc Godard, Paul Morrissey, Mike de Leon,
Monte Hellman, Romain Goupil, Susan Seidelman, Noël
Simsolo, Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog,
Robert Kramer, Anna Carolina, Mahroun Bagdadi, Steven Spielberg, Michelangelo Antonioni, Wim Wenders |
50 min | OmU | Antworten auf die Frage, ob das Kino
eine Sprache ist, die uns verlorengeht.
▶ Sonntag, 31. Mai 2015, 21.00 Uhr | einführung: Rai-
ner Gansera
Fassbinder / Schroeter / Wenders
uns über die Querelen innerhalb der Truppe, Rainer
nahm das nicht übel. Kurz vor Ende der Dreharbeiten
drehte er eine extrem lange Einstellung, in der ich als
Fotograf Deiters eine verworrene Geschichte über
Goofy, Winz-Willi und ein kleines Mädchen improvisieren sollte. Ich erzählte einen verrückten Traum,
mehr weiß ich nicht mehr. Die Szene wurde die Eröffnungssequenz.« (Schroeter)
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