Wayne A. Mack „Ich habe das Gefühl, eine Zeitung mit Beinen geheiratet zu haben.“ ~ Warum wachsen manche Familien immer enger zusammen, während andere sich auseinander leben? ~ Als Ehemann, vierfacher Vater und Familienseelsorger weiß Wayne Mack, was eine Familie gut funktionieren lässt. In diesem Buch bietet er biblische Einsichten und praktische Weisheiten für zwei elementare Bereiche des Familien lebens: Kommunikation und Konfliktbewältigung. Das Buch weckt neue Hoffnung und zeigt eine klare Rich tung. Es ist eine Hilfe für jeden, der am Bau einer starken Familie zur Ehre Gottes interessiert ist. ISBN 978-3-932308-87-1 30887_Cover_03.indd 1 Familie „Irgendwie sind wir auf keinem Gebiet einer Meinung.“ Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Gottes Weg zu gesunden Beziehungen Wayne A. Mack „Immer, wenn ich reden will, zieht sie sich zurück.“ –der Ort, an dem du verstanden wirst „Unsere Kinder leben in ihrer eigenen Welt.“ 20.01.2014 08:53:12 Wayne A. Mack „Ich habe das Gefühl, eine Zeitung mit Beinen geheiratet zu haben.“ ~ Warum wachsen manche Familien immer enger zusammen, während andere sich auseinander leben? ~ Als Ehemann, vierfacher Vater und Familienseelsorger weiß Wayne Mack, was eine Familie gut funktionieren lässt. In diesem Buch bietet er biblische Einsichten und praktische Weisheiten für zwei elementare Bereiche des Familien lebens: Kommunikation und Konfliktbewältigung. Das Buch weckt neue Hoffnung und zeigt eine klare Rich tung. Es ist eine Hilfe für jeden, der am Bau einer starken Familie zur Ehre Gottes interessiert ist. ISBN 978-3-932308-87-1 30887_Cover_03.indd 1 Familie „Irgendwie sind wir auf keinem Gebiet einer Meinung.“ Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Gottes Weg zu gesunden Beziehungen Wayne A. Mack „Immer, wenn ich reden will, zieht sie sich zurück.“ –der Ort, an dem du verstanden wirst „Unsere Kinder leben in ihrer eigenen Welt.“ 20.01.2014 08:53:12 Wayne A. Mack Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Wayne A. Mack Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Gottes Weg zu gesunden Beziehungen © 1991 by Wayne A. Mack Originaltitel: Your Family God‘s Way P&R Publishing Company, P.O. Box 817, Phillipsburg, New Jersey 08865-0817. All rights reserved. ISBN 978-3-932308-87-1 CMV-Bestellnummer: 30887 Autor: Wayne A. Mack 1. Auflage 2014 © 2014 Christlicher Missions-Verlag e.V., 33729 Bielefeld Übersetzung: Elisabeth Bergmann (Kanada) Grafik und Satz: CMV Printed in Germany Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Teil 1 Biblische Grundlagen für gesunde Beziehungen in der Familie 1. Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 2. Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter . . . . . . . . . . . 28 3. Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 Teil 2 Gottes Weg, gesunde Beziehungen aufzubauen 4. Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 5. Hören, was nicht gesagt wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 6. Schweigen ist nicht immer Gold! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 7. Genug ist genug und zu viel ist zu viel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 8. Gesprächsblocker in der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 9. Um die Wahrheit zu sagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 10.Endlich redest du . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 11.Die Ohren auf Empfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Teil 3 Beziehungen pflegen, wie es Gott gefällt 12.Warum in Familien gestritten wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 13.Jede Familie braucht einen Friedensstifter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 14.Harmonie statt Disharmonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 Über den Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 Einleitung Vor einiger Zeit erschien ein Zeitungsartikel von Marshall Auerbach, einem Rechtsanwalt aus Illinois, in dem er die hohe Scheidungsrate in den USA beklagte. Im Laufe der letzten 30 Jahre war ich an der Auflösung von mehr Ehescheidungen beteiligt als mir lieb ist. Ich bin ein Scheidungsanwalt von Beruf – ich habe das Scheidungsgesetz für den Staat Illinois entworfen – im Herzen aber bin ich ein Romantiker, deshalb leide ich jedes Mal während des gesamten Verfahrens mit beiden Parteien mit. Ich gebe mir sogar die größte Mühe, sie wieder miteinander zu versöhnen, bevor sie den endgültigen Schritt tun, und ich kann sagen, dass das in den letzten zehn Jahren wesentlich schwieriger geworden ist. Seit 1960 haben sich etwa 40 Millionen Menschen scheiden lassen. Eine mir bekannte Scheidungsberaterin nennt Eheschei dung den „Tod eines Traumes”. Sie ist davon überzeugt, dass selbst Romeo und Julia ihre Hilfe in Anspruch hätten nehmen müssen, um ihre Ehe zu retten, lebten sie in ihrem Stadtteil des heutigen Chicago. Wie lässt sich diese gewaltig hohe Anzahl zerstörter Ehen erk lä ren, die den 80-er Jahren den Namen „Zeitalter der Eheschei dungen” verliehen hat? Die Statistiken sind schockierend. Diese Nation wird von Scheidungen überschwemmt. Ehescheidungen sind ein großes Geschäft, manche schätzen den Wert dieser Industrie auf mehrere Milliarden Dollar. Laut Wall Street Journal gab es vor zehn Jahren 700 Scheidungsanwälte. Jetzt sind es 11.000. In welchem Zustand befinden sich die heutigen Ehen? Im letzten Jahrzehnt sind jedes Jahr fast 1,2 Millionen Ehen auseinander 7 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst gegangen. Über die Jahre gesehen ist das ein hoher Anteil von Ehen, die aufgelöst werden, und sehr viele Menschen, die eine Scheidung durchmachen. Hinzu kommt die Tatsache, dass es in vielen Ehen, die vor dem Gesetz noch bestehen, stark kriselt. Viele Ehen (christ liche und andere), die nie vor dem Scheidungsrichter landen, ent sprechen bei weitem nicht dem Bild, das Gott in der Bibel für das Ehe- und Familienleben vorgezeichnet hat. Die Wahrheit ist, dass keine Ehe (einschließlich meiner und dei ner Ehe) den Vorstellungen Gottes vollständig entspricht. Während ich dieses Buch schreibe, sind meine Frau und ich seit 34 Jahren verheiratet. Wir haben vier leibliche Kinder und zwei Schwieger töchter, die sich alle zum Glauben an Christus bekennen. Durch Got tes Gnade durften wir gute Ehe- und Familien beziehun gen genießen. Diesseits des Himmels wird es aber immer noch Raum zur Verbesserung geben. Ich vermute, dass dasselbe auch auf deine Familie zutrifft. Dein Familienleben kann immer noch besser werden. Wenn wir in unserer Familie Anzeichen von Stolz, Selbstgefälligkeit, Gleichgültigkeit, Selbstzufriedenheit erkennen, ist das ein Zeichen dafür, dass sie zu zerfallen droht. Wenn wir denken, dass wir nichts mehr dazulernen können, dann können wir uns auch nicht verbessern. Das bedeutet, dass es für uns ein großes Anliegen sein sollte, unsere Familien nach Gottes Vorstellung zu gestalten. Alles andere wird letztendlich zum Versagen führen, denn Ehe und Familie sind ja schließlich Gottes Ideen. Er hat diese Beziehungen erdacht. Nach seinem Plan sollten sie zu den besten Dingen gehören, die ein Mensch je haben kann. Zunächst erschuf er den Mann und die Frau, die dann das erste Paar und die ersten Eltern wurden. Er stellte sie einander vor. Er gab ihnen voreheliche Unterweisung und führte die erste Trauung durch. Gott, der Schöpfer, weiß, wie eine Ehe und Familie funktionieren sollte. Ihm ist wohl bewusst, welches Potenzial zum Glück, aber auch zur Tragödie die Familie in sich trägt. Er ist der ultimative Ehe- und Familientherapeut. Dieses Buch ist ein Versuch, Gottes Prinzipien für ein gelungenes Familienleben zu erklären. Darin wirst du biblische Wahrheiten über gute Familienbeziehungen finden, Übungen, um dich selbst 8 Einleitung und deine Familie im Licht dieser Wahrheiten zu bewerten, und praktische Anleitungen für die Anwendung dieser Wahrheiten. Ich möchte dich ermutigen, deine Familie nach dem Plan Gottes zu gestalten und mit seinem Segen für dich und deine Familie zu rechnen. Gott verspricht uns, dass er diejenigen segnen wird, die sein Wort hören und befolgen (Lukas 11,28). Also leg los und erwarte den Segen Gottes! Lass den Heiligen Geist an dir wirken, während du dieses Buch liest und die Übungsaufgaben am Ende jeden Kapitels bearbeitest. Bitte ihn um Ehrlichkeit, Offenheit, Erkenntnis, den Willen und die Kraft, alles anzunehmen und zu tun, was er von dir verlangt. Denke daran, dass wahrer Reichtum und Erfolg im biblischen Sinne denen versprochen werden, die das tun, was die Bibel sagt (Josua 1,8; Psalm 1,1-3). Vergiss nicht, dass alle, die durch den Glauben mit Jesus Christus verbunden sind, neue Geschöpfe sind, die neue Kraft bekommen haben, um unbiblische Verhaltensmuster abzulegen und sich einen biblischen Lebensstil anzueignen (2. Kor. 5,17; Eph. 5,1724; Phil. 2,12-13). Wenn dir durch dieses Buch Bereiche in deinem Leben bewusst werden, in denen Gott von dir eine Veränderung erwartet, sollte dir klar sein, dass das für einen Christen eine aufregende Heraus forderung ist. Du darfst dir sicher sein, dass Gott dir helfen wird, wenn du ihm vertraust. Du musst an dir arbeiten, aber du musst im Glauben arbeiten. Verlass dich ganz darauf, dass Gott dir helfen wird, das zu tun, was ihm gefällt. Und was Gott gefällt, wird letztendlich auch dir gefallen. Gott kann und will dir helfen. Darauf kannst du dich verlassen. 9 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Danksagungen Ich bin sehr dankbar für die vielen Menschen, die zur Entstehung dieses Buches beigetragen haben. Ich danke Beth Mack, Judith Mc Kenzie, Harold McKenzie und Irma Longworth für das mehrfache Abtippen des Manuskripts. Meine Frau und meine Kin der verdienen meine Anerkennung für alles, was ich im Laufe der Jahre durch sie gelernt habe, während wir uns bemühten, unser Familienleben nach dem Plan Gottes zu gestalten. Auch stehe ich in der Schuld von Geraldine Irwin, Dr. John Neal (einem meiner Kollegen in der Seelsorge), Karen Hoffner und besonders Susan Lutz und Thom Notaro für ihre Editionsarbeit. Sie legten ihr EditionsSkalpell an mein wortreiches Manuskript und reduzierten es auf ein Druckwerk, das hoffentlich etwas leichter zu lesen und somit hilfreicher ist. Ich möchte auch Dr. Kenneth Hurst (einen Kollegen bei CCEF) erwähnen, der mich dazu ermutigte, dieses Werk für die Veröffentlichung fertig zu stellen. Abschließend möchte ich mich auch bei Bryce Craig von der Presbyterian and Reformed Publishing Company für seine Bereitschaft bedanken, dieses und einige andere meiner Bücher zu veröffentlichen. 10 Teil 1 Biblische Grundlagen für gesunde Beziehungen in der Familie 11 Kapitel 1 Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater Die meisten Leute sahen an Greg1 alle Merkmale des Erfolgs. Er war ein gut gekleideter, intelligenter, wortgewandter Mann mit einer attraktiven und perfekten Ehefrau und zwei begabten Kindern. Mit seinen vierzig Jahren war er bereits sehr wohlhabend. Außerdem war er ein hervorragender Leiter in der Gemeinde. Greg schien das perfekte Bild eines erfolgreichen Mannes zu sein. Doch da saß er – neben seiner Frau, mir gegenüber in meinem Beratungszimmer. Angeblich waren sie gekommen, um sich einen Rat zum Umgang mit einem schwierigen Verwandten zu holen, doch es war bald klar, dass das eigentliche Problem in ihrer Beziehung zueinander lag. Greg schien zwar in vielen Bereichen seines Lebens erfolgreich zu sein, aber in einem sehr wichtigen Bereich lief es bei ihm nicht so gut. Er und seine Frau waren sich einig, dass er als Ehemann und Vater einiges zu wünschen übrig ließ. Seine Frau litt sehr und fühlte sich ihm entfremdet. „Ich bewundere ihn sehr”, gab sie zu, „aber ich habe nicht das Gefühl, dass er mich wirklich liebt oder respektiert. Er lässt mich nicht an sich heran. Ich wünschte, wir wären offener miteinander, besonders in geistlichen Dingen. Aber es klappt einfach nicht.” Greg gab selber zu, dass sie ihre Beziehung nicht vertiefen konnten, weil er bestimmte Dinge getan oder vernachlässigt hatte. Er gestand: „Meine Ehefrau ist sehr gottesfürchtig, fürsorglich und hilfsbereit. Die Schuld liegt hauptsächlich bei mir.” 1 12 Um die Identität der Personen zu schützen, werden in diesem Buch anstatt der echten Namen Pseudonyme verwendet. Kapitel 1 Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater Greg und seine Frau halfen und ermutigten einander nicht zu Liebe und guten Werken (Sprüche 27,17; Hebräer 10,24+25). Die Beziehung zu seinen Kindern war kühl. Er beteiligte sich kaum daran, sie in der Zucht (Rat) und Ordnung des Herrn zu erziehen. Diese Aufgabe war automatisch hauptsächlich seiner Frau zugefal len. Er nahm nur wenig Einfluss auf ihr Leben, und als die Kinder ins Teenager-Alter kamen, entfremdeten sie sich noch mehr vonein ander. Greg steht für viele Männer, die ich kenne, und tausende, die ich nie getroffen habe. Vielleicht repräsentiert er auch dich. Egal, ob du im Geschäftsleben auch so erfolgreich bist wie er oder nicht – du ähnelst ihm, weil auch du ein bekennender Christ bist, der den Wunsch hat, ein besserer Ehemann und Vater zu werden. Der Schlüssel In diesem Kapitel will ich aufzeigen, was in Gottes Augen der wichtigste Faktor ist, um der bestmögliche Ehemann und Vater zu werden. Gott sieht ihn als Schlüssel, um einen Mann zu einem großen Segen für seine Familie werden zu lassen. Dieser Faktor fehlte in Gregs Leben. Was ist dieser Schlüsselfaktor? Psalm 128,1-4 beschreibt ihn für uns: „Wohl jedem, der den Herrn fürchtet, der in seinen Wegen wandelt! Du wirst dich nähren von der Arbeit deiner Hände; wohl dir, du hast es gut! Deine Frau ist wie ein fruchtbarer Weinstock im Innern deines Hauses; deine Kinder wie junge Ölbäume rings um deinen Tisch. Siehe, so wird der Mann gesegnet, der den Herrn fürchtet!“ Hier sehen wir ein Bild von den verschiedenen Familienmitglie dern so wie Gott sie sich vorstellt: Ihre Eigenschaften, wie sie funk tionieren, wie sie miteinander umgehen, was sie antreibt und was sie motiviert zu sein, wie sie sind. In diesem Kapitel werden wir uns damit befassen, was der Psalm 128 uns über den Ehemann und Vater lehrt. In den nächsten beiden Kapiteln werden wir die Beschreibung der Ehefrau bzw. Mutter und der Kinder betrachten. 13 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Die Vorteile eines gottesfürchtigen Lebens Dieser Psalm zeigt, dass ein Ehemann und Vater, der Gott gefallen will, gottesfürchtig leben muss (Verse 1 und 4). Die wahre Gottesfurcht wird dich zu einem außergewöhnlichen Segen für deine Frau und Kinder werden lassen. Deine Familie wird dich anziehend finden. Du wirst ein erfolgreicher Ehemann und Vater werden. Die Gottesfurcht wird einen fruchtbaren Boden bilden, aus dem dein positiver Einfluss wachsen wird. Sie wird der Hauptgrund dafür sein, dass deine Familie aufstehen und dich gesegnet nennen wird. Denke einmal über diese Aussagen nach. Gottes Wort sagt hier, dass gottesfürchtige Menschen… 1. göttliche Weisung erhalten, wenn sie Entscheidungen treffen (Ps. 25,12), 2. in den wichtigsten Bereichen des Lebens erfolgreich sind (Ps. 25,13; 112,3), 3. Gottes Güte erfahren (Ps. 31,20), 4. von Gott besonders bewahrt werden (Ps. 31,21), 5. Kinder haben, denen Gott besondere Barmherzigkeit erweist (Ps. 103,11-18), 6. Nachkommen haben, die in den wichtigsten Bereichen dieses Lebens Großartiges leisten (Ps. 112,2), 7. barmherzig und großzügig sein wollen (Ps. 112,4+5), 8. zuversichtliche, mutige Menschen sind (Ps. 112,6-8; Spr. 14,26), 9. genügsam sind (Ps. 112,5+6+9; Spr. 19,23), 10. Beter sind, deren Gebete erhört werden (Ps. 145,18), 11. mit Weisheit gesegnet werden (Spr. 1,7; 9,10), 12. lernfähig und friedlich sind (Spr. 8,13; 14,26; 15,33; Apg. 9,31), 13.als rechtschaffen und gewissenhaft bezeichnet werden (Hiob 2,3), 14. rücksichtsvoll und freundlich sind (Ps. 112,4+5), 15. erbauliche Äußerungen machen (Mal. 3,16), 16. geduldig, erwartungsvoll und echt sind (Ps. 147,11), 17. Ausdauer haben das Richtige zu tun (Ps. 112,3+5; 2.Kor. 7,1), 18.hart arbeiten, die Arbeit aber nicht so ernst nehmen, dass sie keine Zeit mehr haben, das Leben zu genießen (Ps. 128,3), 14 Kapitel 1 Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater 19.die Verantwortung für ihre Familie übernehmen und sich selbst doch nicht zu ernst nehmen (Ps. 128,3), 20.ihrer Familie treu sind und in ihr eine Quelle tiefster Zufrie denheit sehen (Ps. 128,1-4), 21. sich daran erfreuen, Gott anzubeten (Offb 14,7), 22.die Heilige Schrift lieben und ihr Leben nach Gottes Geboten ausrichten (Ps. 112,1; Pred. 12,13). Was hat das alles mit meinem Freund Greg und seinen Familien problemen zu tun? Offensichtlich brauchte er dringend genaue Anweisungen in Bezug auf sein Leben als Ehemann und Vater. Im Laufe unserer Beratungsstunden sprachen wir in allen Einzelheiten darüber. Aber Greg brauchte mehr als nur das. Ihm fehlte eine gesunde, heilsame Gottesfurcht. Was es bedeutet, Gott zu fürchten Was bedeutet es, ein gottesfürchtiger Mann zu sein? Solange du keine klare Antwort auf diese Frage hast, wird es dir schwer fallen, deine Familie nach Gottes Plan zu gestalten. Manche Menschen haben eine Angst vor Gott, die schwer – ja, sogar bedrückend – auf ihnen lastet. Wenn sie an Gott denken, verspüren sie Unbehagen, Angst und Schrecken. Sie denken, dass Gott es auf sie abgesehen hat, dass er launisch und rachsüchtig ist und mit ihm nur schwer auszukommen ist. Ein Beispiel für diese Art von Angst finden wir in der Geschichte, die Jesus über drei Männer erzählt, denen Talente anvertraut wurden. Zwei der Männer investierten ihre Talente bewusst und vermehrten sie. Der dritte Mann unternahm mit seinem Talent nichts. Als er zur Rechenschaft gezogen wurde, erklärte er seine Untätigkeit so: „Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mann bist. Du erntest, wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; und ich fürchtete mich, ging hin und verbarg dein Talent in der Erde.” (Matthäus 25,24+25, Hervorhebung hinzugefügt) Die Furcht dieses Mannes machte ihn unfähig zu handeln. Er sah seinen Herrn als einen rachsüchtigen Gewaltherrscher, dem es Freude machte, Menschen vorzuführen und sich an ihnen zu rächen. Diese pessimistische Einstellung sehen wir auch heute bei vielen 15 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Menschen. Sie leben in Angst vor anderen Menschen, bestimmten Umständen oder der Zukunft. Sie sehen sogar Gott in so einem Licht, wie der Mann im Gleichnis seinen Herrn sah. Aber die Furcht in Matthäus 25,25 ist nicht die Gottesfurcht, die in Psalm 128 beschrieben wird. Die eine lässt dich und deine Familie verkümmern – die andere wird dein Leben bereichern. Die Angst in Matthäus 25,25 macht unsicher, unzufrieden, unversöhnlich, lieblos, autoritär und rückgratlos. Aber die Furcht in Psalm 128 bewirkt das genaue Gegenteil. Sie ist aufbauend, nicht zerstörend. Sie zieht dich hin zu Gott und treibt dich nicht von ihm weg. Sie regt zu verantwortungsvollem Handeln an, anstatt Untätigkeit zu fördern. Sie lässt dich auf andere zugehen, anstatt dich zurückzuziehen. Sie hilft dir, anderen zu dienen und weniger selbstsüchtig zu sein. Und sie vertreibt andere Ängste, die ein zuversichtliches, frohes, Frucht bringendes Leben verhindern. Die Schrift versichert: Wenn du eine enge Beziehung zu Jesus Christus hast, besteht kein Grund, von einer Furcht gefangen gehal ten zu werden, die dich mit Angst und Schrecken vor Gott erfüllt. Wenn du Gottes Vergebung durch Christi Erlösung nie erfahren hast, hast du allen Grund, vor Gott Angst zu haben, weil du nie Frieden mit ihm geschlossen hast. Aber wenn du von Christus allein die Errettung und Vergebung deiner Sünden annimmst und ihn als Herrn anerkennst, hast du keinen Grund für eine Knechtschaft unter dieser Angst. Gott hat dir den Geist der Sohnschaft und das Recht gegeben, ihn deinen Vater zu nennen (Römer 8,15). Als Kind deines liebenden, mitfühlenden himmlischen Vaters bist du ein Erbe Gottes und ein Mit-Erbe Christi. Du bist dazu berufen Christi Herrlichkeit zu teilen (Römer 8,17), weil du durch seinen Tod gerecht gesprochen und mit Gott versöhnt bist und durch ihn vor Gottes Zorn verschont wirst (Römer 5,9-10). Wegen deiner Beziehung zu Jesus braucht dich der Gedanke an Gott nicht mehr zu beunruhigen. Vielmehr hast du jetzt allen Grund, dich über Gott zu freuen und ihn in einem positiven Sinn zu fürchten, wie es in Psalm 128 beschrieben wird. Und damit kommen wir zu der Frage, was es für dich bedeutet, Gott zu fürchten. Einfach gesagt ist Gottesfurcht die unausweichliche Reaktion auf eine 16 Kapitel 1 Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater wachsende biblische Erkenntnis des wahren und lebendigen Gottes und die Beziehung zu ihm, der sich in Jesus Christus offenbart hat. Der Kern dieser Gottesfurcht zeigt sich im Leben des Mose in 2. Mose 15,1-18 sehr deutlich. Kurz vor diesem Abschnitt hatte Mose eine Erfahrung gemacht, die sein Gottesbild beträchtlich vergrößerte. Der Herr hatte sein Volk gerade auf wundersame und machtvolle Weise vor der sicheren Vernichtung durch die Hand der Ägypter bewahrt. Gott hatte das Wasser des Roten Meeres geteilt und es den relativ hilfs- und schutzlosen Israeliten ermöglicht, sicher auf die andere Seite hinüberzugehen. Auf sehr dramatische Art hatte er die tödlichen Pläne der mächtigen Ägypter durchkreuzt. Gott hatte seine Macht, Stärke und Güte gegen sein Volk sehr deutlich gezeigt. Deshalb war Mose von der Majestät Gottes tief ergriffen. Mose hatte Gott als jemanden erfahren, der äußerst erhaben, hoheitsvoll und mächtig, herrlich und heilig, ehrfurchtgebietend und lobenswert, zuverlässig und treu, absolut vertrauenswürdig, überaus barmherzig, seinem Volk tief verbunden, absolut und unendlich souverän und von unvergleichbarer Güte ist. Seine automatische Reaktion auf diese tief greifende Erkenntnis war Bewunderung, Liebe und Gehorsam. Alle Bereiche seines Lebens wurden jetzt von einem großen Gottesbild bestimmt. Er empfand das, was in Psalm 128 als „Gottesfurcht” bezeichnet wird. Das Leben Abrahams liefert ein anderes beeindruckendes Beispiel dafür, was es heißt, ein gottesfürchtiger Mann zu sein. Die Bibel nennt Abraham einen Freund Gottes. Er hatte zweifellos eine sehr enge Beziehung zu Gott. Außerdem hatte Abraham ein sehr erhabenes Gottesbild, das sein persönliches und sein Familienleben in praktischer Hinsicht stark beeinflusste. Seine Beziehung zu Gott war das Allerwichtigste für ihn. Das Leben Abrahams kann man nur im Zusammenhang mit seinem großen Gottesbild verstehen. Laut der Bibel ebbte diese Begeisterung gelegentlich etwas ab, aber das Gesamtbild zeigt einen Mann, dessen Gottesfurcht überragend, tief greifend und sehr stark war. Weil er Gott fürchtete, war er bereit, sein Heimatland zu ver lassen und in eine völlig unbekannte Gegend zu ziehen. Weil er Gott fürchtete, war er großzügig und überließ seinem Neffen Lot 17 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst bereitwillig das beste Stück Land. Weil er Gott fürchtete, war er zufrieden mit dem, was er hatte, nutzte andere nicht aus, liebte Gerechtigkeit (das Recht anderer), und war bereit, sein eigenes Leben für seine Familie zu riskieren und Zeit, Mühe und Finanzen zu opfern. Er stellte Gottes Willen über alles andere, einschließlich seine eigenen Gefühle und Wünsche. Abrahams großes Gottesbild machte ihn zu dem gottesfürchtigen Mann, der er war. Die motivierende Kraft der Gottesfurcht Eine gesunde, heilsame Gottesfurcht kann bei dir und mir dasselbe bewirken. Ein umfassender Sinn für (1) die Gegenwart Gottes, (2) die unübertroffene Majestät Gottes, (3) die große Gnade und Barmherzigkeit Gottes, (4) die Treue Gottes, (5) deine Abhängigkeit von und deine Verantwortung vor Gott, (6) deine Beziehung zu Gott und deren Wichtigkeit und (7) Gottes absolute Vollkommenheit werden jeden Aspekt deines Lebens neu bestimmen. Sie ruft eine liebende, vorbehaltlose Hingabe zu Gott hervor. Sie ermutigt dich, dein Leben zu strukturieren, deine Angelegenheiten und Beziehungen zu ordnen und Entscheidungen Gottes Willen entsprechend zu treffen. Du wirst ein Mann sein, der eine enge Beziehung zu Gott hat. Dein Leben wird sich um ihn drehen, sodass du mit Paulus sagen kannst: „Christus ist mein Leben.” Du wirst dazu angeregt und befähigt, mit deiner Frau und deiner Familie auf eine gottgewollte Weise umzugehen. Du wirst der gesegnete (glückliche) Mann aus Psalm 128, der seinerseits für seine Frau und Kinder zum Segen wird. Die Familie nach Gottes Plan zu gestalten, wird kein „unerreichbarer Traum” mehr bleiben. Er wird Wirklichkeit werden. Die Gottesfurcht erlangen und bewahren Dies wirft natürlich die Frage auf: Wie kann man eine gesunde Gottesfurcht erlangen und bewahren? Letztendlich ist dies nur dann möglich, wenn man in Jesus Christus wiedergeboren ist. Wärst du dir selbst überlassen, würdest du wahrscheinlich die läh mende, zerstörerische Furcht vor Gott empfinden, die wir vorhin beschrieben haben. Es erfordert kein besonderes Wirken in deinem Leben von Gottes Seite her, um dir diese furchtbare Angst vor 18 Kapitel 1 Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater Gott einzuflößen. Aber es ist eine ganz andere Sache, Gott auf eine angemessene Art zu fürchten. Das erfordert Gottes gnädiges Wirken in deinem Leben. Der Heilige Geist muss durch Jesus Christus eine geistliche Wiedergeburt und Erlösung von Sünden in dir bewirken. In Bezug auf dieses Thema fordert uns Petrus dazu auf, unser Leben in heiliger Ehrfurcht zu leben, weil wir wissen, dass wir durch das kostbare Blut Christi erlöst worden sind (1.Petrus 1,1719). Petrus will damit wohl sagen, dass wir doppelten Grund haben, Gott zu fürchten: (1) Unsere Erlösung durch Christus sollte in uns ein großes Gottesbild schaffen, weil sie ihn so viel gekostet hat. Wir sind durch nichts Geringeres von unserer Strafe und der Macht der Sünde befreit worden als durch den Tod Jesu Christi, Gottes eigenen Sohn. (2) Petrus behauptet, dass die Erlösung durch Christus uns auch von unserem alten Lebenswandel befreit, in dem eine heilige Gottesfurcht fehlte (V. 18). Inzwischen denkst du vielleicht: „Ich bin zwar ein Christ, aber die Gottesfurcht ist in meinem Leben nicht sehr stark zu spüren.” Genau das war Gregs Problem. Er hatte Jesus Christus als seinen Herrn und Heiland bekannt. Er wollte Gott gefallen. Aber seine Gottesfurcht war minimal und seine Beziehung zu ihm war oberflächlich. Was fehlt in so einem Fall sonst noch, um dem wahren und lebendigen Gott im eigenen Leben mehr Raum zu geben? Durch Jeremia gibt uns Gott in seinem Wort einen wichtigen Einblick in dieses Thema: „… und sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein; und ich will ihnen ein Herz und einen Wandel geben, dass sie mich allezeit fürchten, ihnen selbst zum Besten und ihren Kindern nach ihnen. … dass ich nicht von ihnen ablassen will, ihnen wohlzutun. Und ich werde die Furcht vor mir in ihr Herz geben…” (Jer. 32,38-40) Betrachte genau, was dieser Abschnitt über die Gottesfurcht aus sagt. Gottes Volk – alle, die zu ihm gehören – sind ohne Ausnahme gottesfürchtige Leute. Sie fürchten ihn, weil Gott sie dazu anregt – nicht aus irgendeiner natürlichen Veranlagung heraus. ER gibt ihnen ein Herz und einen Wandel. Paulus erkannte dies und schrieb: „Denn Gott, der dem Licht gebot, aus der Finsternis hervorzuleuchten, er hat es auch in unseren Herzen licht werden lassen, damit wir 19 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst erleuchtet werden mit der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi.” (2. Kor. 4,6) Paulus will damit sagen, dass wir Gottes Majestät und Herrlichkeit niemals verstehen werden, solange Gott nicht sein Licht im Dunkel unseres Herzens entfacht. Damit wir seine Größe begreifen können, muss ER für Licht in unserem inneren Menschen sorgen. Der Aspekt des Gebets Seine Überzeugung veranlasst Paulus immer wieder dazu, Gott darum zu bitten, sich ihm zu offenbaren. Im Epheserbrief schreibt er, dass er für die Epheser betet, „dass der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch den Geist der Weisheit und Offenbarung gebe in der Erkenntnis seiner selbst” (Eph. 1,17). Später betet er in demselben Brief, „dass der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne, damit ihr, in Liebe gewurzelt und gegründet, dazu fähig seid, mit allen Heiligen zu begreifen, was die Breite, die Länge, die Tiefe und die Höhe sei, und die Liebe des Christus zu erkennen, die doch alle Erkenntnis übersteigt, damit ihr erfüllt werdet bis zur ganzen Fülle Gottes” (Eph. 3,17-19). Man beachte einige wichtige Tatsachen in diesen Bibelabschnitten. Es handelt sich um an Gott gerichtete Bittgebete, die den Lesern der Briefe mitgeteilt werden. Paulus ermahnt und rügt seine Leser nicht. Er betet. Er bittet Gott, in ihrem Leben etwas Bestimmtes zu bewirken. Dies setzt natürlich voraus, dass wir die Erfahrungen, die er beschreibt, ohne Gottes Hilfe nicht machen können. Außerdem verblüfft mich die Tatsache, dass er gerade diese Bitte oft und immer wieder vor Gott bringt. Er sagt: „Darum lasse auch ich… nicht ab … in meinen Gebeten an euch zu gedenken.” (Eph. 1,15-16) Es heißt: „lasse … nicht ab” (Gegenwart), nicht „ließ ich … nicht ab” (Vergangenheit). Wenn man die Gebete des Paulus für die Epheser genau betrach tet, stellt man fest, dass es darin um eine bestimmte Sache geht. Sein Gebet war darauf ausgerichtet, dass Gott ihnen Weisheit und Erkenntnis schenken möchte, damit sie ihn besser kennen lernen. Paulus sah die Erfüllung dieser Bitte als Quelle an, die eine Welt des Segens hervorbringen würde. Wenn du ein gottesfürchtiger Mann bist, betest du, weil du Gott fürchtest. Und wenn du richtig betest, 20 Kapitel 1 Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater wird deine gesunde Gottesfurcht genährt und vertieft, weil du betest. Dies ist die Dynamik, die dich befähigt, deine Familie nach Gottes Plan zu gestalten. Erinnerst du dich an Greg? Er wollte ein guter Ehemann und Vater sein. Er arbeitete hart, um seiner Familie das Allerbeste zu ermöglichen. Er sorgte sich wirklich um sie. Trotzdem war ihm bewusst geworden, dass in den Beziehungen zu seiner Familie und zu Gott etwas Wichtiges fehlte. Greg war so begabt und erfolgreich bei allem, was er tat, dass er zu unabhängig geworden war. Er war so beschäftigt, dass er sein Gebetsleben vernachlässigte. Die Anzeichen für diese Unterlassung waren eine Entfremdung von Gott und ein begrenzter Einfluss auf seine Familie. Ohne ein bedeutungsvolles Gebetsleben zu führen, kann man kein gesundes, erbauliches Gottesbewusstsein entwickeln oder eine Familie nach Gottes Plan gestalten. Aber wie wichtig das Gebet in diesem Zusammenhang auch ist, so ist es doch nur ein Teil des Puzzles. „Sei still und wisse” Wenn wir ein uns beherrschendes und tief greifendes Gottesbewusst sein entwickeln wollen, müssen wir laut Psalm 46 „still sein und wissen”, dass er Gott ist (Ps. 46,11). Das bedeutet, sich regelmäßig eine Auszeit von der Hektik des Lebens zu nehmen, um darüber nachzudenken, wer und was Gott eigentlich ist. Psalm 46 beschreibt einen Mann, der in außergewöhnlich schwierigen Zeiten voller Hoff nung, sicher und mutig auftritt. Und das ist nicht sein natürliches Temperament. Er ist so ein Mann geworden, weil er sich Zeit genommen hat, um „still zu sein und zu wissen, dass er Gott ist”. Ich rate dir dringend, es zu einer regelmäßigen Priorität zu machen, still zu sein und über Gott nachzudenken, der in Jesus Christus offenbart worden ist. Die Schrift lehrt, dass die Herrlichkeit Gottes durch das Angesicht Jesu enthüllt wurde (2.Kor. 4,6). Christus ist „die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und der Ausdruck seines Wesens” (Heb. 1,3). Verbringe regelmäßig Zeit damit, über die Person und das Werk Jesu Christi nachzudenken – wer er ist und was er getan hat, was er tut und was er tun wird. Strebe danach, ihn persönlich kennen zu lernen. Sprich mit ihm über alles, was dich beschäftigt. 21 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Versetz dich einmal in die Lage eines Beobachters der einzelnen Szenen im Neuen Testament und versuche dir vorzustellen, was ge rade passiert. Betrachte, wie er lebte und sich mit Menschen identifizierte und was er sagte und tat. Stell dir vor, was er wohl dachte oder fühlte. Betrachte, wie die Menschen auf ihn reagierten. Sieh seine Erhabenheit, seine Güte, seine Weisheit, sein Mitgefühl, seine Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit, seine Macht. Geh häufig zu dem Kreuz, an dem er für deine Sünden starb. Geh weiter zu dem leeren Grab, aus dem er auferstand und mit Macht zum Sohn Gottes erklärt wurde. Verbringe Zeit auf dem Ölberg, von dem aus er auffuhr in die Gegenwart Gottes, des Vaters. Versetze dich in den Thronraum Gottes hinein, wo er sitzt, mit aller Autorität über Himmel und Erde, und sich für dich einsetzt, und zum Besten der Gemeinde über alle Dinge herrscht. Denke darüber nach, was all das für seine Beziehungen zur Welt, zu uns Menschen, zur Geschichte – und zu dir bedeutet. Versuche mit Paulus, Christus besser kennen zu lernen als du ihn je gekannt hattest (Phil. 3.10). Gib dich nicht damit zufrieden, Christus nur aus zweiter Hand zu kennen. Ich ermutige Menschen, die ihre persönliche Beziehung zu Jesus vertiefen wollen, eine stünd liche Gemeinschaftspause einzuhalten. Ein Mann stellte den Wecker seiner Armbanduhr auf jede volle Stunde. Er erinnerte ihn daran, sich auf Christus zu besinnen, mit ihm zu reden und über Gottes Wort nachzudenken. Diese Pause wurde für ihn „die Pause der Erfrischung” und half ihm, ein mehr Gott-bewusstes, Christuszentriertes Leben zu führen. Die Bibel – ein Brief Gottes Du kannst deine Beziehung zu Gott dadurch vertiefen, dass du regel mäßig über sein Wort nachdenkst, denn die Bibel offenbart uns in erster Linie, wer und was Gott ist. „Die Schriften … die von mir Zeugnis geben”, sagt Jesus in Johannes 5,39. David stellt fest: „Das Gesetz des Herrn ist… zuverlässig, es macht den Unverständigen weise … das Gebot des Herrn ist lauter, es erleuchtet die Augen. Die Furcht des Herrn ist rein, sie bleibt in Ewigkeit. ”(Ps. 19,8-9) Beachte, dass dieser Abschnitt Gottes Wort eng mit „der Furcht des Herrn” 22 Kapitel 1 Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater verbindet. David tut dies, weil er weiß, dass ein gründliches Studium des Wortes Gottes unausweichlich eine verstärkte Bewunderung für Gott zur Folge haben wird. Ihm ist klar, dass diejenigen, die sich konsequent und gehorsam an die Bibel wenden, um Gott zu begegnen, nicht enttäuscht werden. Denn die Bibel ist Gottes Buch (2.Tim. 3,16-17). Darin hat Gott seine Eigenschaften, seine Werke, seine Anliegen, seinen Willen, seine Absichten, seine Pläne, seine Wünsche für sein Volk und seine Pläne für die Welt, die ihn ablehnt, enthüllt. Nimm beim Lesen der Heiligen Schrift die Haltung und das Bewusstsein ein, dass Gott direkt zu dir spricht. Lies sie so, wie du einen Brief von einem guten Freund liest. Ihr tretet miteinander in Kontakt. Du lernst deinen Freund besser kennen. Nimm die Aussagen der Bibel an als direkt von deinem himmlischen Vater kommend; als direkt von deinem persönlichen Herrn und Heiland, der der großartige und ehrfurchtgebietende Herr der Schöpfung und Erlösung ist. Betrachte die Lehren der Bibel nicht als abstrakte Lebensregeln – als Pflichten, die erfüllt werden müssen. Geh auf Gottes Wort ein wie jemand, der aus lauter Gnade in die Familie der großartigsten Person des ganzen Universums aufgenommen wurde. Sieh alles in der Heiligen Schrift als Einladung an, eine noch tiefere Beziehung mit deinem majestätischen, unendlichen Vater und Erlöser einzugehen. Christliche Lebensberater geben Menschen, die Ehe- oder Fa milien probleme haben, oft die Aufgabe, zwei Diagramme zu zeichnen – eins, das die Höhepunkte und Tiefpunkte ihrer Beziehung zu Gott darstellt, und eins, das die Höhepunkte und Tiefpunkte der Be ziehungen innerhalb ihrer Familie darstellt. Interessanterweise überschneiden sich diese Höhepunkte und Tiefpunkte oft, wenn diese beiden Diagramme miteinander verglichen werden. Oft haben Menschen, die eine lebendige und tiefe Beziehung zu Gott haben, auch eine gute Beziehung zu anderen Familienmitgliedern. Greg hat diese grundlegende Lektion gelernt. Und du? Wenn ja, bist du auf dem richtigen Weg, deine Familie nach Gottes Plan zu gestalten. Wenn nicht, fordere ich dich auf, Buße zu tun, dein Leben durch Gottes Gnade neu zu orientieren und das Wichtigste 23 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst an die erste Stelle zu stellen. Das wird dir und deiner Familie richtig gut tun. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Denke über dieses Kapitel nach (und falls nötig, lies es noch einmal) und beantworte die folgenden Fragen: a) Beschreibe mit eigenen Worten Gregs Problem und wie es sich auf seine Familie auswirkte. b) Wie beschreibt Psalm 128 den Ehemann und Vater in einer gottgefälligen Familie? Was ist das auffälligste Merkmal des Mannes, der in diesem Psalm beschrieben wird? c) Warum ist laut Aussage der Bibel die Beziehung eines Man nes zu Gott so wichtig für ihn und für seine Familie? Wel che Vorteile verspricht Gott einem Menschen (und seiner Familie), der seine Beziehung zu Gott an die erste Stelle stellt? d) Welche zwei verschiedenen Arten der „Gottesfurcht” werden in diesem Kapitel erwähnt? Beschreibe die zerstörerische Angst vor Gott. Welche Beispiele aus der Bibel veranschaulichen die se Art von Furcht? Fällt dir jemand aus der Geschichte oder der Gegenwart ein, der eine zerstörerische Angst vor Gott hatte/hat? Wie hat sich diese Angst auf sein Leben und seine Familie ausgewirkt? Warum hatte er solch eine Angst vor Gott? Ist diese Angst für ihn realistisch? Ist sie gerechtfertigt? e) Beschreibe die Gottesfurcht, die heilsam und aufbauend ist. Wie würdest du sie jemandem erklären, der keine biblische Kenntnis der Gottesfurcht hat? Was sind ihre Merk male? Welche Personen aus der Bibel verdeutlichen diese Gottes furcht? Welche Auswirkungen hatte sie deiner Meinung nach auf ihr Leben und ihre Familien? f) Fällt dir jemand aus der Geschichte oder aus der Gegenwart ein, der diese aufbauende Gottesfurcht hatte/hat? Wie hat sie sich auf sein Leben und seine Familie ausgewirkt? g) Welche Anweisungen wurden in diesem Kapitel gegeben, 24 Kapitel 1 h) i) j) k) Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater um diese gesunde Art der Gottesfurcht zu entwickeln? Hast du noch andere Vorschläge, wie man eine lebendige Gottes furcht, d.h. Beziehung zu ihm, aufrecht erhalten kann? Stimmst du der Hauptaussage dieses Kapitels zu, dass eine gesunde Beziehung zu Gott die wichtigste Voraussetzung für einen gottgefälligen Ehemann und Vater ist? Warum oder warum nicht? Bewerte jetzt deine Beziehung zu Gott. (Ausgezeichnet ___, gut ___, mittelmäßig ___, nicht vorhanden ___.) Begründe deine Selbsteinschätzung. (Falls es dir schwer fällt, diese und die folgenden beiden Fragen zu beantworten, hilft dir die nächste Frage vielleicht etwas weiter.) Stellst du im täglichen Leben tatsächlich, nicht nur theo retisch, das Wichtigste an die erste Stelle? (Regelmäßig ___, oft ___, manchmal ___, selten ___, nie ___.) Begründe deine Bewertung. Besteht Verbesserungsbedarf in deiner Beziehung zu Gott? (Ja ___, nein ___, vielleicht ___.) Wenn ja, inwieweit? 2. Denk über die zweiundzwanzig in diesem Kapitel aufgeführten Vorteile nach, die demjenigen versprochen werden, der Gott fürchtet. Überlege, was jeder einzelne Vorteil im täglichen Leben praktisch bedeutet. Geh die Liste einzeln durch und frage dich bei jedem Punkt, ob er auf dein Leben regelmäßig (=4), oft (=3), gelegentlich (=2), selten (=1) oder nie (=0) zutrifft. Laut diesen Aussagen beeinflusst die Gottesfurcht das Leben eines Mannes auf bestimmte Art und Weise. Du kannst also diese Liste der Vorteile als Messlatte ansetzen, um die Tiefe und den Zustand deiner Beziehung zu Gott zu bewerten. Nachdem du anhand dieser zweiundzwanzig Aussagen eine Selbsteinschätzung vorgenommen hast, stell eine Liste mit allen Punkten zusammen, bei denen du 0, 1 oder 2 Punkte erreicht hast. Stell einen Plan auf, wie du deine Beziehung zu Gott verbessern kannst. Vielleicht möchtest du dich schriftlich verpflichten und dein Vorhaben mit deinem Namen unterschreiben. Bitte Gott täglich um Hilfe bei den 25 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst gewünschten Verbesserungen. Greif regelmäßig auf diese Liste zurück, um dich immer wieder neu zu bewerten und zu motivieren. 3. Was verraten die folgenden Bibelverse über die Beziehung Abrahams zu Gott, insbesondere über seine Gottesfurcht? Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, wie sich Abrahams Gottesfurcht entwickelt hatte und unterhalten wurde? Wie wirkte sie sich auf sein Leben und auf seine Familie aus? Versuche herauszufinden, was du konkret tust oder tun solltest, um deine Beziehung zu Gott zu fördern und deine Familie nach Gottes Plan zu gestalten. Betrachte jeden Abschnitt und frage dich: Was sagt Gott mir über meine Beziehung zu ihm? Wie kann ich das, was ich hier entdecke, auf mein Leben und meine Familie übertragen? Wie erfolgreich bin ich bei der Anwendung der Lehren dieses Abschnitts? a) 2.Chronik 20,7 b) Jesaja 41,8 c) Jakobus 2,23 d) 1.Mose 12,1-8 e) 1.Mose 13,8-9 f) 1.Mose 14,14 g) 1.Mose 14,22-23 h) 1.Mose 14,24 i) 1.Mose 21,10-11 j) 1.Mose 22,11-12 k) Römer 4,19-21 4. Analysiere die folgenden Verse und beachte, was sie lehren oder andeuten über: 1. die Größe Gottes, 2. Gottesfurcht, 3. wie unsere Beziehung zu Gott aussehen sollte, 4. welchen Platz Gott in unserem Leben einnehmen sollte, 5. wie man Gottesfurcht entwickeln kann, 6. was mit dem Menschen passiert, der Gott fürchtet. a) 1.Mose 5,22 b) 2.Mose 15,11 26 Kapitel 1 Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater c) 2.Mose 34,6-7 d) 5.Mose 6,13; 10,12 e) 2.Chronik 20,6-19 f) Psalm 19,7-11 g) Psalm 34,7+11 h) Psalm 128,1 i) Psalm 130,4 j) Psalm 139,1-6 k) Psalm 139,7-10 l) Psalm 139,13-16 m) Psalm 139,23-24 n) Psalm 147,11 o) Sprüche 1,7 p) Sprüche 8,13 q) Sprüche 14,26-27 r) Sprüche 19,23 s) Sprüche 28,14 t) Jesaja 40,10-31 u) Matthäus 10,28 v) Römer 8,26-39 w) Römer 11,36 x) Offenbarung 4,8-11 y) Offenbarung 5,9-14 z) Offenbarung 15,3-4 5. Denke darüber nach, was du gerade gelernt hast, und schreibe deine Antwort zur folgender Frage auf: Wie sollte sich dies alles auf mein eigenes Leben und auf die Beziehungen in mei ner Familie auswirken? 27 Kapitel 2 Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter So weit Sally zurückdenken konnte, hatte sie sich immer darauf gefreut, eine Ehefrau und Mutter zu sein. Der größte Wunsch ihres Lebens war zu heiraten und Kinder zu haben. Als sie vier Jahre alt war, ließen sich ihre Eltern scheiden. Ihren biologischen Vater sah Sally nie wieder. Ihre Mutter heiratete bald erneut, aber Sally hatte keine enges Verhältnis zu ihrer Mutter und zum Stiefvater. Sie war ein einsames und trauriges Mädchen; in Gegenwart anderer Menschen fühlte sie sich nie wohl. Sie fühlte sich minderwertig, ungewollt und unbeachtet, sie sehnte den Tag herbei, an dem sie heiraten und ihre eigene Familie gründen konnte. Dann würde sie dazugehören. Dann würde sie lieben und geliebt werden. Und tatsächlich heiratete Sally, als sie gerade erst siebzehn Jahre alt war. Schon bald bekam sie ihr erstes Kind. Innerhalb von ein paar Jahren bekam sie noch zwei. Sie und ihr Ehemann waren beide Christen geworden und engagierten sich in einer bibeltreuen Gemeinde. Ihr Mann war treu, liebevoll und freundlich. Sein Geschäft war eine Herausforderung, aber es lief gut. Jetzt hatte Sally den Ehemann und die Familie, die sie schon immer haben wollte. Aber sie war nicht glücklich. Obwohl sie jetzt hatte, was ihr Erfüllung bringen sollte, fühlte sie sich immer noch wie ein Versager. Sie fühlte sich unter Druck gesetzt, schuldig, ängst lich, unzulänglich und überfordert. Sie fühlte sich als Ehefrau, als Mutter und als Person völlig haltlos. 28 Kapitel 2 Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter Sally versuchte, ihrer Verzweiflung Herr zu werden, indem sie neue Aktivitäten aufnahm. Da sie hart arbeitete und viele Fähigkeiten besaß, fand sie eine verantwortungsvolle Position und wurde eine Karrierefrau. Außerdem engagierte sie sich noch stärker in der Gemeinde und in einer anderen christlichen Organisation. Die Leute sahen in ihr eine Frau mit Durchsetzungsvermögen. Aber Sally war immer noch unzufrieden. Sie sank immer tiefer in Depressionen. Sally wollte so nicht weitermachen. Sie musste sich ändern. Und so kam sie in meine Beratung mit der Bitte, ihr zu helfen, als Frau erfüllter und erfüllender zu werden. Hilfe gesucht Vielleicht kannst du dich mit Sally identifizieren. Vielleicht siehst du dich selbst nicht ganz so negativ wie sie, aber du fühlst, dass etwas fehlt. Und du willst gerne Hilfe annehmen, um eine erfüllte und erfüllende Person, Ehefrau und Mutter zu werden. Du sehnst dich tief in deinem Inneren nach Weisung und Bestätigung, um Gottes Plan für dich zu erkennen und eine klarere Perspektive von deiner Rolle in der Gestaltung deiner Familie nach Gottes Plan zu bekommen. Das ist, was Sally wollte, und sie bekam es. Es sind einige Jahre vergangen, seit sie zum ersten Mal um Hilfe bat. Seitdem hat sie sich stark verändert. Heute ist sie nicht mehr annähernd so ehrgeizig, ängstlich und haltlos wie früher. Zwar wird sie auf diesen Gebieten noch manchmal versucht, sie hat aber schon erhebliche Siege über ihre Probleme errungen. Vor kurzem bekam ich einen Brief von Sally, in dem sie schrieb: „Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass meine alten Freun de [die Verzweiflung und Depressionen, die sie erlebt hatte] mich nicht mehr so oft besuchen wie früher. Ich bin jetzt viel glücklicher, sicherer und erfüllter.” Was ist mit Sally geschehen? Was hat diese Veränderung bewirkt? Sally findet Erfüllung und Sicherheit in einem tieferen Verständnis für Gottes Plan für sie als Person, Ehefrau und Mutter. Sie sieht sich immer mehr aus Gottes 29 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Perspektive und versucht, ihr Leben nach seinen Richtlinien zu gestalten. Sie hat verstanden, dass sie keine Superfrau sein muss, die irgendein illusorisches Ziel zu erreichen versucht. Sie hat jetzt ein klareres Bild davon, was Gott von ihr erwartet und wie sie das erreichen kann. Und darin findet sie ihre Erfüllung. Ich kann natürlich nicht alles weitergeben, was Sally in den Beratungsstunden gelernt hat. Ich werde aber einige grundsätzliche Dinge mitteilen, die sie in die Tat umsetzte und die ihr neuen Auf trieb gaben. Wir haben im vorigen Kapitel Psalm 128 betrachtet und erfahren, welche Rolle Gott für einen Ehemann und Vater in der Familie vorgesehen hat. Jetzt möchte ich unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, was Gott in diesem Psalm über die Rolle der Ehefrau und Mutter zu sagen hat. Echte persönliche Erfüllung (Erfolg) ist ein Nebenprodukt eines Gott-zentrierten Lebens, wo ein Mensch zu dem wird und das tut, was Gott gefällt. Gottes Wort an die Ehefrau und Mutter Gott hätte hunderte von Vergleichen anführen können, um die Rolle der Frau in der Familie zu beschreiben, aber er legte sich auf das Bild des Weinstocks fest (Psalm 128,3). Dies scheint für uns im zwanzigsten Jahrhundert vielleicht keine besonders aussagekräftige Beschreibung zu sein. Aber für die Menschen zu biblischen Zeiten war das anders. Ein Weinstock hatte eine gewaltige Bedeutung. Er symbolisierte Luxus, Kostbarkeit und Reichtum – etwas sehr Erstrebenswertes und Wertvolles. Als Gott das gute Land beschreiben wollte, in das er sein Volk führen würde, sagte er, es sei ein Land voller Weinstöcke (5. Mose 8,7-8). Als der König von Syrien das Volk Israel dazu zu bringen versuchte, sich seiner Herrschaft zu unterwerfen, versprach er jedem einen eigenen Weinstock (Jesaja 36,16). Gott nannte das Volk Israel, mit dem er eine einzigartige Beziehung einging, seinen Weinstock und adelte ihn dadurch (Jeremia 2,21; Hosea 10,1). Jesus machte dem Weinstock das höchste Kompliment, indem er sich selbst als Weinstock und Gott, den Vater, als Weingärtner bezeichnete (Johannes 15,1+5). 30 Kapitel 2 Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter Im Zusammenhang mit Johannes 15 ist es offensichtlich, dass Jesus den Weinstock gebraucht, um sich selbst zu beschreiben, weil er Leben, Erfrischung und Dienst symbolisiert. Jesus ist ein Muster beispiel für all diese Dinge: „… denn getrennt von mir könnt ihr nichts tun.” (Johannes 15,5) Wir sind völlig abhängig von ihm als unserer Lebensquelle. Er ist unser Weinstock. Hätte unser Herr der Ehefrau und Mutter ein besseres Kompli ment machen können? Hätte er uns in irgendeiner Weise noch stärker mit ihrer wichtigen häuslichen Verantwortung beeindrucken können? Ihr Frauen, Gott adelt euren strategischen Dienst, indem er euch mit Weinstöcken vergleicht. Sally, der Weinstock Diese biblische Wahrheit musste Sally erst begreifen und wirklich glauben. Seit ihrer Kindheit hatte sie sich vor Gott, ihrer Familie und allen anderen Menschen ungewollt, wertlos und untragbar gefühlt. Als sie in die Seelsorge kam, beurteilte sie ihren Wert als Person immer noch nach ihrem unbiblischen Maßstab. Sally musste die Tatsache akzeptieren, dass Gott sie als Weinstock geschaffen und ihr einen strategischen Dienst an ihrem Mann und ihren Kindern übertragen hatte. Ja, sie hatte gesündigt; ja, sie hatte versagt; ja, sie war nicht die perfekte Ehefrau und Mutter; ja, es gab noch Raum zur Verbesserung. Aber weil sie eine erlöste Sünderin war, die mit Christus in Verbindung stand, ihr Leben mit ihm teilte und vom Heiligen Geist erfüllt war, hatte ihr Leben jetzt Bedeutung und Potenzial. Gott nannte sie einen Weinstock und Sally musste ver stehen, welche Bedeutung dieses Wort für ihr Leben hatte. Gottes Wort sagte ihr, dass sie in mancher Hinsicht für ihre Familie das war, was Christus für sein Volk ist. Natürlich nicht in der absoluten und vollen Bedeutung. Aber ihr Dienst sollte ein Spiegelbild des Dienstes Christi sein. Deshalb war sie wichtig und wertvoll, und so ist es mit jeder Ehefrau und Mutter. Der fruchtbare Weinstock Beachte in Psalm 128, dass Gott eine Ehefrau und Mutter nicht ein fach nur dazu beruft, ein Weinstock zu sein, sondern ein fruchtbarer 31 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Weinstock zu sein (Psalm 128,3). Manche Weinstöcke nützen nichts und niemandem. Sie sehen vielleicht gut aus, aber sie tragen keine Frucht. Sie nehmen nur Platz weg und benötigen viel Pflege. Sie ziehen sogar Nährstoffe von anderen Pflanzen ab und können Krankheiten an andere weitergeben. Ihr Frauen, Gott hat euch in diese Welt gesetzt, um einen wich tigen Beitrag zu leisten und ein fruchtbarer Weinstock zu sein. Als Gott die Welt schuf, sagte er zu dem Mann und zu der Frau: „Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch untertan; und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel des Himmels und über alles Lebendige, das sich regt auf der Erde!” (1.Mose 1,28) Beachte besonders, dass Gott diesen Auftrag dem Mann und der Frau gab. Die Frau sollte als Partnerin des Mannes ebenfalls fruchtbar sein und über die Erde herrschen. Später sagte Gott über die Frau, dass sie eine geeignete Hilfe für den Mann war (1.Mose 2,18). Wir wissen, dass das Wort, das hier als „Hilfe” übersetzt wurde, keine Minderwertigkeit unterstellen soll, denn es steht im Zusammenhang mit dem Wort, das oft als „treffen” übersetzt wird und genauso gut als „entsprechend”, „geeignet” oder „passend” übersetzt werden könnte. Die Frau soll eine Hilfe sein, die dem Mann „entspricht”. Sie passt zu ihm. Sie ist kompetent. Sie steht zum Mann und hilft ihm zu erreichen, was er alleine nie erreichen könnte. Sie ergänzt ihn in Bereichen, die ebenso wichtig sind wie seine eigenen. Gemeinsam bilden sie ein fähiges Paar, das mit Gottes Hilfe das erreicht, was er für sie vorgesehen hat. Interessant ist auch die Tatsache, dass das Wort, das hier für die Frau gebraucht wird, in der Heiligen Schrift oft für Gott verwendet wird (vgl. 5.Mose 33,29; Psalm 121,1-2). Gott ist in seiner ganzen Art genau die „Hilfe”, die wir brauchen. Wir kommen ohne ihn einfach nicht zurecht. Und weil Gott die Frau so geschaffen hat, wie sie ist, ist sie die beste Hilfe für den Mann, um seine (ihm von Gott gegebene) Verantwortung in der Welt und zu Hause erfüllen zu können. 32 Kapitel 2 Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter Die Eigenschaften der Frucht Wenn dem allem so ist, welche Frucht sollst du dann tragen? Gott gibt in vielen Bibelstellen genauere Einzelheiten. Auf jeden Fall ist die in Galater 5,22-23 beschriebene Frucht des Geistes ein Teil davon. Gott will, dass dein Leben von Liebe, Freu de, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung erfüllt ist. Als Jesus in Johannes 15,8 sagte: „Dadurch wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und meine Jünger werdet”, sprach er in erster Linie über die Frucht des Geistes. Wenn du geistliche Frucht bringst, sehen andere die Auswirkungen der Macht und Größe Gottes in deinem Leben. In einer gottgefälligen Familie muss sich eine Frau mehr Gedan ken darüber machen, wie sie sich gibt, als über das, was sie leistet. Christliche Verhaltensweise ist in einem christlichen Charakter ver wurzelt. Deswegen hängt es von dem Wirken des Heiligen Geistes in deinem Leben ab, wie viel du für Gott bewirken und wie sehr du anderen helfen kannst. Petrus betont den selben Gedanken, wenn er zu den Ehefrauen sagt: „Gleicherweise sollen auch die Frauen sich ihren eigenen Männern unterordnen, damit, wenn auch etliche sich weigern, dem Wort zu glauben, sie durch den Wandel der Frauen ohne Wort gewonnen werden, wenn sie euren in Furcht keuschen Wandel ansehen. Euer Schmuck soll nicht der äußerliche sein, Haarflechten und Anlegen von Goldgeschmeide oder Kleidung, sondern der verborgene Mensch des Herzens in dem unvergänglichen Schmuck eines sanften und stillen Geistes, der vor Gott sehr kostbar ist. Denn so haben sich einst auch die heiligen Frauen geschmückt, die ihre Hoffnung auf Gott setzten und sich ihren Männern unterordneten.” (1.Petrus 3,1-5) Petrus weist darauf hin, dass du in deiner Familie durch die Art, wie du dein Leben führst, am meisten Frucht bringen kannst. All deine Bemühungen, deinen Ehemann zu unterstützen werden vergeblich sein, wenn in deinem Leben der christliche Charakter (= Christus) nicht sichtbar ist. 33 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Die Frau als „fruchtbarer Weinstock” Es gibt wahrscheinlich keine Bibelstelle, die uns einen besseren Über blick darüber verschafft, was es bedeutet, als Ehefrau und Mutter ein „fruchtbarer Weinstock” zu sein als Sprüche 31,10-31. Hier finden wir ein Muster-Beispiel für alle Frauen, die eine gottgefällige Familie anstreben. Ihr Mann und ihre Kinder respektieren sie sehr und loben sie öffentlich (V. 28). Ihr Leben beeinflusst das Leben ihrer Lieben auf eine Art, die sie mit Dankbarkeit erfüllt. Und ihr Einfluss reicht weit über ihr eigenes Heim hinaus in die Gesellschaft. Sie wird in ihrem ganzen Umfeld anerkannt, respektiert und geschätzt. Wegen ihr ist die Welt ein besserer Ort (Verse 16.20.24.31). Bestimmte Aspekte dieses Porträts können auf Frauen aus Industrieländern aus mindestens zwei Gründen nicht direkt über tragen werden. Erstens treffen einige Beschreibungen auf die heutige Welt nicht mehr zu. Einen Acker zu kaufen und zu bearbeiten wie in Vers 16, war zum Beispiel eher typisch in einer Agrargesellschaft. Genauso waren Spinnrocken und Spindeln damals häufig in den Häusern anzutreffen (Vers 19). Zweitens standen dieser Frau Mög lichkeiten zur Verfügung, die damals wie heute nicht jeder hat. Sie hatte Mägde (Vers 15), Geld, um ein Feld zu kaufen, und wertvolle Kleidung (Verse 16.21.22). Die in dieser Schilderung aufgeführten Grundprinzipien sind jedoch allgemein anwendbar. Der Charakter und die Verhaltensweise dieser Frau sind ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Gott sich eine Ehefrau und Mutter in einer ihm gefälligen Familie gedacht hat. Sie ist in gewisser Weise ein Beispiel für jeden Christen. Die Eigenschaften einer Ehefrau und Mutter als „fruchtbarer Weinstock” Lasst uns einmal genauer betrachten, was es bedeutet, als Ehefrau und Mutter ein „fruchtbarer Weinstock” zu sein. Nach Aussage von Vers 30 ist der fruchtbare Weinstock eine Frau, die den Herrn fürchtet. Gott steht im Mittelpunkt ihres Lebens. So wie der Ehe mann in Psalm 128 hat auch sie ein großes Gottesbild – ein genaues, 34 Kapitel 2 Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter wachsendes, alles durchdringendes Bewusstsein des wahren und lebendigen Gottes. Gott ist eine mächtige Realität für sie. Alles Gute, das in ihr steckt, entspringt ihrem großen Gottesbild. Er ist ihr Ein und Alles – ihre motivierende Kraft, ihre Stärke, ihre Hoffnung, ihr Ratgeber. Das Geheimnis für ihre Fruchtbarkeit ist nicht ihre dynamische Persönlichkeit, ihre starke Willenskraft, ihre äußere Schönheit, ihre angenehmen Umstände, ihre besonderen Möglichkeiten, ihre gute Ausbildung, ihre natürliche Begabung oder ihr außergewöhnlicher Ehemann und ihre bemerkenswerten Kinder. Sie führt ein bewundernswertes Leben, weil sie eine lebendige und tiefe Beziehung zu Gott hat. Ein unmöglicher Traum? Vielleicht hast du Sprüche 31 gelesen dieses Kapitel für unrealistisch und unerreichbar erklärt. Wenn ja, bist du davon ausgegangen, dass du bei der Ausgestaltung eines solchen Lebens auf dich allein gestellt bist. Du hast auf deine Vergangenheit, deine Gegenwart, deine Möglichkeiten, deine Umstände gesehen und gesagt: „Keine Chance!” Denn du hast nicht verstanden, dass du von Gott abhängig bist und dass das Ziel, eine solche Person zu werden, das Ergebnis einer engen, persönlichen Beziehung zu Gott ist. Wenn diese nicht vorhanden ist, wirst du dich von dem Gelesenen überfordert fühlen. Genau das passierte mit Sally. Sie hatte ein klares Bild von ihren Aufgaben, ein bedrückendes Pflichtbewusstsein. Sie fühlte sich getrieben, alles perfekt zu machen, obwohl sie gar nicht wusste, was das genau bedeutete. Sie wusste nur, dass sie ihren selbsterfundenen Standard erreichen sollte – und niemals dazu in der Lage sein würde. Ihr Schema war: Sie setzte alles daran, ihre eigenen Erwartungen an sich selbst zu erfüllen, stempelte sich dann selbst als Versager ab und brach schließlich vor lauter Enttäuschung und Erschöpfung zu sammen. Dann erholte sie sich wieder, krempelte ihre Ärmel hoch und wiederholte den ganzen Vorgang von vorne, immer und immer wieder. Die ständige Wiederholung dieses Szenarios hatte im Laufe der Jahre zu Entmutigung, Ernüchterung, Verzweiflung und Depressionen geführt. Sally bekannte sich zwar als Christin, aber ihre Beziehung zu 35 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Gott war nicht sehr bedeutungsvoll. Genau genommen war sie in ihrer Einstellung zu Gott eher Werk-orientiert. Zwei der wichtigsten Wörter in ihrem Vokabular waren „tun” und „vorwärts”. Es belastete sie, dass sie sowohl Gott, als auch ihre Familie enttäuschte. Da in ihrer Gemeinde aus der Bibel gepredigt wurde, kannte sie sich etwas in der Bibel aus. Verstandesmäßig wusste sie, dass Gott uns allein durch die Person und das Werk Christi aus Gnade (=unverdiente Güte) gerecht macht (uns für schuldlos erklärt und die Verdienste Christi auf unser Konto gutschreibt). Aber in der Praxis hatte dieses Wissen keine Auswirkung auf ihr Denken und Handeln. Sally fürchtete Gott, aber hauptsächlich in dem negativen Sinne, der ihn als strengen Zuchtmeister darstellte, der Unmögliches von ihr verlangte, und bereit stand, um auf sie einzuschlagen, wenn sie versagte. Sie wusste theoretisch, dass Gott ein gnädiger, wunder barer und liebevoller himmlischer Vater der Christen ist. Aber im täglichen Leben standen ihre Pflichten im Vordergrund. Folglich war ihr Verhältnis zu Gott unpersönlich und freudlos. Sie wusste nicht viel über das große, heilsame Gottesbild, das bereichert und bevollmächtigt. Sie setzte am falschen Ende an und versuchte, die Frucht eines christlichen Lebens hervorzubringen, ohne seine Wurzeln zu pflegen. Als Sally neue Erkenntnisse über das Leben als Christ und ihre Beziehung zu Gott gewann, erlebte sie eine ganz neue Art von Frei heit. Seit sie es zu ihrer höchsten Priorität gemacht hat, Gott besser kennen zu lernen, hat sie eine neue Quelle für Lebenssinn, Akzep tanz, Kraft und Sicherheit entdeckt. Und sie ist viel zufriedener. Schwerpunkte in Sprüche 31 Wenn man Sprüche 31 aufmerksam liest, drängt sich eine bestimmte Schlussfolgerung auf. Eine gottesfürchtige Ehefrau und Mutter ist eine familienorientierte Frau. Psalm 128 bezeichnet sie als fruchtbaren Weinstock innerhalb des Hauses. Sprüche 31 betont, dass diese Frau sich vorbildlich um ihre Familie kümmert. Obwohl sie eindeutig nicht auf ihren Haushalt beschränkt ist (Verse 13.14.16.20), sieht sie ihre Familie als ihren wichtigsten Dienst und fühlt sich ihr zutiefst 36 Kapitel 2 Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter verpflichtet. Sie vernachlässigt ihre Familie nicht, wenn sie auch andere wichtige Dinge tut. „Auf sie verlässt sich das Herz ihres Mannes.” (Vers 11) Er weiß, dass sie ihm treu ist, und dass er ihr vorbehaltlos vertrauen kann. Das bedeutet, dass er sich auf ihre Unterstützung und Hilfe verlässt und weiß, dass sie ihn nicht enttäuschen wird. Das hebräische Verb, das hier gebraucht wird, bedeutet wörtlich „sich stützen auf”. Es unterstellt, dass die Frau zuverlässig ist. Wenn der Ehemann ein offenes Ohr braucht, wenn er müde und entmutigt ist, weiß er, dass sie seine Zuflucht ist. Er fühlt sich sicher, wenn er ihr seine Ängste, seine Träume, seine Freuden und seine Probleme erzählt, weil er weiß, dass sie sich nicht über ihn lustig machen oder ihn verachten wird. Er kann sich darauf verlassen, dass sie liebevoll und ehrlich zu ihm sein wird. Ihr Mann weiß, dass er mit ihrer Unterstützung im Gebet rechnen kann, wenn er sich Herausforderungen und der täglichen Verantwortung gegenübersieht. Sie ist seine Quelle der Erfrischung. Sie bereichert sein Leben und macht es interessant. Es macht ihr keine Freude, ihn zu verletzen, sondern sie ist immer bereit, ihm beizustehen (Verse 11.12.23.28). Es besteht kein Zweifel, dass ihr Mann bei ihr einen hohen Stellenwert hat. Das öffentliche Lob durch ihren Ehemann zeugt davon, dass er damit zufrieden ist, wie sie auf ihn eingeht. Er schätzt sie mehr als alle Frauen der Welt (Verse 28 und 29). Sie vernachlässigt weder ihn noch die Familie, während sie ihren eigenen Interessen nachgeht. Sie ist ein feinfühliger, zugänglicher und vertrauenswürdiger fruchtbarer Weinstock. Auch über die Beziehung dieser Frau zu ihren Kindern sagt dieser Abschnitt eine Menge aus. Wir lesen, dass ihre Kinder aufstehen und sie segnen. Sie sagen zusammen mit ihrem Mann: „Viele Töch ter haben sich als tugendhaft erwiesen, du aber übertriffst sie alle!” (Vers 29) Das würden sie wohl kaum sagen, wenn sie mürrisch, gereizt, launisch, verbittert oder manipulierend wäre. Sie sind von ihrer Frömmigkeit beeindruckt, die sich in einem edlen Charakter und einer großmütigen Verhaltensweise zeigt. Und sie sind dankbar dafür, dass sie sich so sehr für ihre Familie einsetzt. 37 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Die Superfrau-Zisterne Sally musste lernen, ihre Familie in diesem Licht zu betrachten. Sie liebte und sorgte sich sehr um sie. Aber sie war fast unmerklich mit einem unbiblischen Wertesystem infiziert worden, das ihr vor gab, nur als Superfrau wertvoll zu sein. Das bedeutete, eine höhere Ausbildung zu haben, einem Beruf nachzugehen und sich in vielen Organisationen und Aktivitäten zu engagieren oder gar die Leitung zu übernehmen. Sally hatte zu Beginn ihrer Ehe versucht, als treu sorgende Ehe frau und Mutter Erfüllung und Bestätigung zu finden. Zu ihrer Enttäuschung brachte dies aber nicht das erhoffte Ergebnis. In ihrer Verzweiflung nahm sie immer wieder neue Aktivitäten auf und nahm schließlich auch leitende Stellen an. Traurigerweise verstärkte dies aber ihre Verzweiflung, anstatt die ersehnte Verbesserung zu bringen. Sie bekam Bulimie und Depressionen, wurde ängstlich und frustriert. Schließlich erkannte Sally, dass sie versucht hatte, aus „löchrigen Zisternen” zu trinken, die den Durst nicht stillen können. Sie hatte in Menschen und Dingen nach Erfüllung gesucht, anstatt bei Gott. Sie hatte zugelassen, dass ihre eigene Meinung und die Anschauungen anderer ihr Denken beherrschten. Die Perspektive Gottes So wie sich Sallys Einstellung Gott gegenüber änderte, veränderte sich auch ihre Einstellung zu ihrer Familie. Sie entschied, Gott bestimmen zu lassen, was im Leben wirklich zählt. Sie erkannte in der Heiligen Schrift, dass die Familie für Gott überaus wichtig ist. Sie glaubte Gottes Sichtweise in Bezug auf den Stellenwert, den die Familie in ihrem Leben haben sollte. Obwohl Sally sich weiterhin außer Haus engagierte, tat sie dies mit einer neuen Einstellung und aus einem anderen Grund als zuvor. Sie wurde immer familienorientierter, indem sie mehr diente als sich bedienen zu lassen, und tat ihren Dienst, weil sie bei Gott Erfüllung fand, nicht um Erfüllung zu finden. Gläubige Ehefrauen und Mütter sollen zu Hause fruchtbare Weinstöcke sein (Psalm 128,3). Wenn du eine verheiratete Frau bist, 38 Kapitel 2 Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter sollte deine Familie mit Abstand das wichtigste Einsatzgebiet deines Lebens sein. Der Beitrag, den du hier für das Reich Gottes und die Gesellschaft leisten kannst, kann nicht überbetont werden. Höre auf keinen, der versucht, den Stellenwert der Familie abzuwerten. Dein Gott sagt etwas Anderes. Glaube ihm! So wie die Frau in Sprüche 31 kannst du dich ruhig an verschie denen Aktivitäten außer Haus beteiligen. Hoffentlich wirst du deine von Gott gegebenen Gaben dazu einsetzen, Christus und seinem Volk in der Gemeinde und in der Gesellschaft zu dienen. Vielleicht hilfst du auch bei anderen christlichen Organisationen aus. Du kannst auch berechtigterweise außerhalb deines Hauses arbeiten, aber ich bitte dich sehr, alles, was du tust, zur Ehre Gottes und deiner Familie zuliebe zu tun. Lass nicht zu, dass diese wichtigsten aller Beziehungen durch irgendetwas gestört werden. Die Notwendigkeit eines edlen Charakters Im Lichte dessen betrachtet, was wir vorhin über die Basis für eine christliche Verhaltensweise erkannt haben, kann es nicht schaden, noch einmal zu betonen, dass die Frau als „fruchtbarer Weinstock” einen „edlen Charakter” hat (Spr. 31,10). Ihre Taten waren das Ergebnis ihrer Hingabe und Beziehung zu Gott. Ihre tiefe Ehrfurcht vor Gott hat bei ihr zu einem noblen Charakter geführt, der sich in den beispielhaften Gesinnungen und Taten äußerte, die in dem Abschnitt beschrieben werden. Sie ist selbstlos, großzügig und fürsorglich. Sie sorgt sich um ihre Familie, um die, die für sie arbeiten und um die Armen und Bedürftigen. Sie ist diszipliniert. Sie kann am frühen Morgen aufstehen, oder bis spät in die Nacht arbeiten. Sie achtet darauf, was sie isst, und betätigt sich körperlich ausreichend, um fit zu sein – ihre Arme sind stark. Sie ist zufrieden und zuversichtlich. Sie genießt, was sie tut. Sie kann darüber nachdenken, was sie erledigt hat, und spüren, dass ihr Ertrag gut ist. Sie ist nicht so beschäftigt mit ihrer Arbeit, dass sie keine Zeit mehr hätte, sich hinzusetzen und die Frucht ihrer Arbeit zu genießen. Sie kann ihre Kinder in die Arme nehmen und ihnen zuhören. Ich vermute, sie ist die Art von Frau, die sogar mit ihnen spielt. 39 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Diese Frau kann lächeln und lachen. Sie blickt voller Hoffnung und positiver Erwartung in die Zukunft. Man verbringt gerne Zeit mit ihr. Sie bleibt locker, arbeitet hart und vertraut Gott. Sie mag Menschen und bemüht sich, eine Ermutigung für andere zu sein. Ihren Mund öffnet sie mit Weisheit, und freundliche Unterweisung ist auf ihren Lippen. Es gibt Hinweise in diesem Text, dass diese Frau nicht unbedingt besonders anmutig, strahlend oder von natürlicher Schönheit war. „Anmut ist trügerisch und Schönheit vergeht.” (Sprüche 31,30) In den wichtigsten Lebensbereichen strahlte sie aber trotzdem Schön heit aus – in ihrem Charakter und ihrem Verhalten. Das gab ihr einen mächtigen Einfluss in ihrem Heim, unter Gottes Volk und in der Welt. Sie war ein fruchtbarer Weinstock. Die vier grundlegenden Faktoren Diese Frau weist allen verheirateten Christinnen den Weg. Sie hatte vier Prioritäten in ihrem Leben gesetzt, die auch heute noch für alle Frauen relevant sind: (1) ihre Beziehung zu Gott, (2) ihr Dienst an ihrer Familie, (3) die Entwicklung eines gottesfürchtigen Charakters und (4) ihre gottgefällige Verhaltensweise gegenüber anderen zu Hause und außer Haus. Lege diese sich überschneidenden Prioritäten in deinem Leben fest und auch du wirst ein „fruchtbarer Weinstock” werden. Dein Leben wird sich auf deine Familie, deine Gemeinde und die Gesellschaft auswirken. Das musste Sally lernen und durch die Gnade Gottes war sie in der Lage dazu. Möge Gott in seiner Gnade auch dir helfen, dasselbe zu tun. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Denke über dieses Kapitel nach (und falls nötig, lies es noch einmal) und beantworte die folgenden Fragen: a) Beschreibe Sallys Probleme und wie sie sich auf sie und ihre Familie auswirkten. 40 Kapitel 2 Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter b) Wie versuchte sie, diese Probleme zu lösen? Wie erfolgreich war sie dabei? c) Wie beschreibt Psalm 128 die Ehefrau und Mutter in einer gottgefälligen Familie? d) Was macht das Beispiel des Weinstocks in Bezug auf die Ehefrau und Mutter deutlich? Was sagt das Wort „fruchtbar” über die Rolle und Pflichten der Frau innerhalb der Familie aus? e) Was lehrt uns 1.Mose 2,18 über die Rolle der Frau in der Familie? f) Was macht die Frau in ihrem Vorrecht und in ihrer Ver antwortung für die Gestaltung ihrer Familie nach dem Plan Gottes erfolgreich? g) Was ist die höchste Priorität einer Ehefrau und Mutter, die ein „fruchtbarer Weinstock” ist (vgl. Sprüche 31,30)? h) Warum ist dies die höchste Priorität für die Frau in Sprüche 31? In welcher Beziehung steht diese Priorität zu ihrem offensichtlichen Erfolg? i) Was bedeutet es, dass sie als „tugendhafte Frau” bezeichnet wird (vgl. Sprüche 31,10)? Was ist Charakter? Lebt diese Frau ihr Leben von innen nach außen heraus, oder von außen nach innen? j) Wie zeigt sich der edle Charakter dieser Frau? k) Wie (wo) leistet diese Frau ihren größten Beitrag für Gott und die Gesellschaft? l) Wie ist ihre Beziehung zu ihrem Mann und ihren Kindern? Zu Menschen, die für sie arbeiten? Zu Menschen außerhalb der Familie? m)Was sagt Sprüche 31 darüber, dass eine Frau außer Haus arbeiten geht? n) Wie macht Sprüche 31 deutlich, dass diese Frau erfüllt und erfüllend war? o) Denke an zwei Frauen in der Gegenwart, die genauso erfüllt und erfüllend sind wie die Frau in Sprüche 31. Kannst du bei ihnen viele der Eigenschaften finden, die sie besaß? Was sind ihre Prioritäten? Inwieweit sind sie ihr ähnlich oder unähnlich? 41 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst p) Welche grundlegenden Anweisungen wurden in diesem Kapitel dazu gegeben, wie man eine zufriedene und zufrieden stellende Frau werden kann? q) Fallen dir noch andere biblische Aussagen dazu ein, wie man als Frau ein „fruchtbarer Weinstock” sein kann? r) Wie würdest du deine Beziehung zu Gott beschreiben (deinen Gottesfurcht-Quotienten)? (Ausgezeichnet ___, gut ___, schwankend ___, schwach ___, sehr schwach ___, nicht vorhanden ___.) Erkläre deine Selbsteinschätzung. s) Bewerte dich anhand der Aussagen in diesem Kapitel. Wie kommst du dem nach, ein „fruchtbarer Weinstock” zu sein – eine Frau mit Charakter; eine Frau, die die wichtige Rolle erkennt und erfüllt, die sie in ihrer Familie hat; eine Frau, die sich in der Regel so verhält, wie es die Frau in Sprüche 31 tut? Berücksichtige die kulturellen und situationsbedingten Unterschiede, aber wende die gleichen Grundprinzipien an. Bewerte dich nicht anhand der Ergebnisse, sondern anhand deines eigenen Lebens im Verhältnis zu den beschriebenen Prioritäten und Eigenschaften. Du kannst die Auswirkungen auf deinen Mann, deine Kinder und die Gesellschaft nicht beeinflussen. Mit Gottes Hilfe kannst du dein Leben nach den in diesem Kapitel erwähnten Prioritäten ordnen. Der Heilige Geist wird dir die Kraft geben, dir die aufgeführten Charakter eigenschaften anzueignen. „Wenn ich mein Leben betrachte, sehe ich viele ___, einige ___, wenige ___, keine ___ Anzeichen dafür, dass ich zu einem ,fruchtbaren Weinstock‘ werde.” Erkläre deine Selbsteinschätzung. (Falls es dir schwer fällt, diese Frage zu beantworten, hilft dir vielleicht die Checkliste, die weiter unten aufgeführt ist.) 2. Analysiere die folgenden Bibelverse über Frauen, Ehefrauen, Mütter, Frucht und Fruchtbringen. Schreib auf, was sie zu sagen haben und wie sie sich auf dein eigenes Leben anwenden lassen. Beachte, was sie über die Vorrechte, die Ver antwortung, die Rolle und den Wert von Frauen aussagen. 42 Kapitel 2 Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter a) 1.Mose 1,26-28 b) 2.Mose 20,12 c) Josua 17,3-6 d) 2.Könige 4,8-10 e) Sprüche 1,8-9 6,20 11,16 12,4 14,1 18,22 19,14 20,20 21,9+19 23,22-25 31,10 31,11+12 31,26 31,28-31 f) Hesekiel 24,16 g) Matthäus 26,13 27,55-56 h) Lukas 1,30-38 2,36-38 8,3 10,42 i) Johannes 15,1-16 20,11-18 j) Apostelgeschichte 1,14 2,17+18 9,36-39 16,14+15 21,9 k) Römer 16,1+2 16,3 16,6 16,14+15 43 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst l) 1. Korinther 7,2-5 m) Epheser 5,22-24+33 n) Philipper 4,3 o) 1. Timotheus 5,1-2 5,9-14 p) 2. Timoteus 1,5 3,15 q) Titus 3,2-5 r) 1. Petrus 3,1-6 3. Denke über alles nach, was du gerade gelernt hast, und versuche, deine wichtigsten Eindrücke darüber aufzuschreiben, wie du eine zufriedene und zufriedenstellende Frau werden kannst. Welche umfassenden, allgemeinen Prinzipien konntest du feststellen? Führe sie auf. a) b) c) d) e) f) g) h) 4. Bearbeite die folgende Checkliste. (Diese Checkliste wurde für Ehefrauen und Ehemänner entwickelt, deshalb sollten die Ehemänner dieselbe Liste benutzen.) Eine aufrichtige Prüfung sollte dazu führen, dass du Gott für alles Gute lobst, das er in deinem Leben bewirkt hat, Gott und anderen gegenüber Sünden bekennst, die dir klar geworden sind, dich verstärkt bemühst deine Familie nach Gottes Plan zu gestalten und Gott um Hilfe bittest, die Dinge zu ändern, die einer Veränderung bedürfen. 44 Kapitel 2 Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter Checkliste fruchtbarer Weinstock bzw. würdiger Ehepartner (Basierend auf Galater 5,22, 1.Petrus 3,1-7, Sprüche 31,10-31 und anderen Bibelstellen.) Lies jede Aussage genau durch und frage dich dann: Trifft das immer (=4), oft (=3), gelegentlich (=2), selten (=1) oder nie (=0) auf mich zu? Kreise die Ziffer ein, die auf dein Leben genau zutrifft. Schätze dich nicht besser oder schlechter ein (Römer 12,3). Mach daraus eine echte Lernerfahrung. 1. Ich habe eine tiefe und bedeutungsvolle Beziehung zu Gott. 4 2. Ich bin liebevoll. 4 3. Ich bin froh. 4 4. Ich bin friedlich. 4 5. Ich bin versöhnlich. 4 6. Ich bin sanft. 4 7. Ich bin geduldig. 4 8. Ich bin freundlich. 4 9. Ich bin treu, vertrauenswürdig, zuverlässig. 4 10. Ich verliere nicht meine Selbstbeherrschung. 4 11. Ich habe einen edlen Charakter. 4 12. Meine Familie respektiert mich. 4 13. Ich engagiere mich für meine Familie. 4 14. Ich erfülle die mir von Gott übertragenen Pflichten in der Familie. 4 15. Ich baue meine Familie auf, ich ermutige sie. 4 16. Ich diene anderen gerne. 4 17. Ich tue immer das Richtige und bin standhaft. 4 18. Ich bin fleißig und arbeite hart. 4 19. Mir sind Charakter, eine richtige Einstellung und die richtigen Motive wichtiger als äußere Schönheit. 4 20. Andere verbringen gerne Zeit mit mir. 4 21. Ich bin nicht arbeitsbesessen. Ich kann das Leben genießen, lachen und entspannen. 4 22. Ich bin grundsätzlich glücklich und zufrieden. 4 23. Ich bin flexibel und nachsichtig. 4 24. Ich nehme Rücksicht auf andere. 4 25. Andere fühlen sich bei mir wohl. 4 26. Ich akzeptiere und respektiere andere. 4 27. Ich äußere mich konstruktiv und erbaulich. 4 28. Ich übe Weitsicht und plane voraus. 4 29. Ich gehe weise mit Geld um, ich bin ein guter Verwalter. 4 30. Ich bin bereit, für andere auf etwas zu verzichten. 4 31. Ich bin ordentlich und organisiert. 4 32. Ich bin nicht impulsiv. 4 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 0 0 0 0 0 3210 3210 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 3 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 2 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 45 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 33. Es ist leicht, etwas von mir zu erbitten. 34. Ich bin offen und ehrlich. 35. Ich bin ein dankbarer Mensch. 36. Ich engagiere mich stark für Jesus Christus. 37. Ich gebe zu, dass ich ständig auf Gottes Güte und Gnade angewiesen bin. 38. Mir ist bewusst, dass alles Gute in mir von Gott bewirkt wurde. 4 4 4 4 3 3 3 3 2 2 2 2 1 1 1 1 0 0 0 0 43210 43210 5. Was hast du in diesem Studium über dich selbst erfahren? Was sind deine Stärken und Schwächen? Wie sollte sich das alles in deinem eigenen Leben und in den Beziehungen inner halb deiner Familie auswirken? 46 Kapitel 3 Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung Wenn dich jemand bitten würde, die Eltern-Kind-Beziehung in einer gottgefälligen Familie zu beschreiben, welches Bild würdest du gebrauchen? Noch wichtiger ist die Frage, welches Bild Gott deiner Meinung nach gebrauchen würde. Über diesen Punkt brauchen wir nicht zu spekulieren. In Psalm 128, dem Familienlied, beschreibt Gott die Eltern-Kind-Beziehung, wie sie in einer ihm gefälligen Familie aussehen sollte: „deine Kinder [werden sein] wie junge Ölbäume rings um deinen Tisch” (Psalm 128,3). Wenn du dich an das Prinzip halten wirst, das in diesen Worten enthalten ist, wird das deiner Familie sehr helfen, erfolgreich zusammenzuarbeiten. Im Gegensatz dazu wird es zu ernsthaften Schwierigkeiten zwischen Eltern und Kindern führen, wenn man die Wahrheiten in dieser Aussage missversteht oder missachtet. Ein Haus uneins mit sich selbst Harry und Mary Brown und ihre Tochter Susan sind ein lebhaftes Beispiel dafür, was passiert, wenn das Ölbaum-Prinzip missachtet wird. Sie steckten in einer schweren Familienkrise, als sie in die Seel sorge kamen. Sie hatten alle einmal ihren Glauben an Christus bekannt. Aber jetzt wollte die 14-jährige Susan kein Christ mehr sein. „Wenn Christsein bedeutet, dass ich meine Mutter mögen muss, will ich auf gar keinen Fall ein Christ sein”, erklärte sie. Susan verachtete ihre Mutter und hatte kein Interesse an einem Christus, den ihre Mutter 47 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst ihrer Meinung nach repräsentierte. Sie mied den Kontakt und sprach so wenig wie möglich mit ihrer Mutter. Susans Haltung ihrem Vater gegenüber war jedoch das genaue Gegenteil. Meistens war sie respektvoll und liebevoll zu ihm und erzählte ihm gerne, was sich in ihrem Leben tat. Sie hörte auf ihn und nahm seine Ratschläge ernst. Ihren Vater schien Susan dafür zu bewundern, dass er die Beleidigungen ihrer Mutter ertrug. Gleich zeitig bemitleidete sie ihn aber auch, weil er nicht bereit oder nicht fähig war, sich gegen solch schlechte Behandlung zu wehren. „Ich weiß nicht, wie oder warum er sich das gefallen lässt”, sagte sie. Im Laufe der Beratung wurden mehr Einzelheiten bekannt und es wurde offensichtlich, dass Vater und Tochter sich verbündet hatten, als Susan noch sehr jung war. Jahrelang galt Mary Brown für ihren Mann und ihre Tochter als gemeinsamer Feind (oder zumindest als Außenseiter). Harry suchte „Streicheleinheiten” und Sympathie bei seiner Tochter. Diese verließ sich darauf, dass ihr Vater sie vor ihrer Mutter beschützte und Susans Haltung und Benehmen der Mutter gegenüber verteidigte. Sie waren ein gutes Team. Wie zu erwarten war, führte dieses Bündnis zwischen Vater und Tochter dazu, dass Mary frustriert und feindselig wurde. Es schien, als sei es Harry wichtiger, seiner Tochter zu gefallen als ihr. Mary war außerdem der Meinung, dass Harry mit Susan nicht streng genug war. „Er verdirbt sie mit seiner Nachgiebigkeit”, beschwerte sie sich. „Er weiß doch gar nicht, was in ihrem Leben vor sich geht.” Die Tatsachen schienen darauf hinzudeuten, dass Susan nicht un bedingt ein „schlechtes Mädchen” im üblichen Sinn war. Sie nahm keine Drogen und hielt sich sexuell rein. Im Umgang mit anderen war sie nicht gemein, abgebrüht oder nachtragend. Zu allen, außer zu ihrer Mutter, war sie höflich, respektvoll und manchmal sogar hilfsbereit. Diese Erfahrung machte ich als Seelsorger. Susan sah nur zwei Möglichkeiten, wie ihre Familienprobleme gelöst werden könnten. Sie und ihr Vater könnten gemeinsam aus ziehen, oder sie würde es alleine tun. Sie war fest davon überzeugt, dass sie und ihre Mutter niemals in Frieden im selben Haus leben könnten. Sie hatte einige Male ohne die Einwilligung oder das Wissen ihrer 48 Kapitel 3 Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung Eltern für ein paar Tage bei Freunden übernachtet, um Spannungen aus dem Weg zu gehen. Bei mindestens zwei weiteren Gelegenheiten hatte Harry sie bei einer gläubigen Familie untergebracht, bis sich zu Hause alles beruhigt hatte. Hin und wieder sagte Harry selbst: „Ich ertrage das einfach nicht mehr. Vielleicht ist es das Beste, ich nehme Susan und verlasse Mary.” Und genauso oft sagte Mary: „Es gibt keine Garantie dafür, was ich tun werde, wenn Harry sich nicht bald ändert. Er sollte langsam mal die Leitung übernehmen, sonst wird es ihm noch Leid tun.” Trotz allem waren die Browns in vielen Hinsichten nette Leu te. Jeder für sich war sympathisch, ehrlich, aufrichtig, sogar groß zügig. Sie gingen regelmäßig zur Kirche und beteiligten sich am Bibelstudium. Sie taten, was von Christen erwartet wird. Sie hatten aber nie darauf geachtet, was Gott über die Beziehungen innerhalb der Familie zu sagen hat. In vielen Bereichen ihres Familienlebens verhielten sie sich so, wie sie es für richtig hielten, nicht so, wie die Bibel es vorgibt. Harry hatte seine eigene Vorstellung davon, was das Richtige für Susan war, und Mary hatte ihre. Leider widersprachen sich ihre Meinungen. Wenn sie mal gemeinsam die Bibel lasen, nutzte jeder die Gelegenheit, um seinen eigenen Standpunkt zu ver treten. Anstatt sich von der Heiligen Schrift belehren, ermahnen, zurechtweisen und sich in Gerechtigkeit erziehen zu lassen (vgl. 2.Tim. 3,16), suchten sie darin nach passenden Versen, um ihre bereits gefestigten Einstellungen zu untermauern. Als Folge davon waren die Browns „ein Haus uneins mit sich selbst“ (vgl. Matthäus 12,25) und richteten einander mit ihrer Selbstsucht zu Grunde. Sie konnten niemals so gesegnet werden wie die Familie in Psalm 128, solange sie nicht bereit waren, demütig das Wort Gottes als Maßstab für ihr Familienleben anzuerkennen. Sie versagten als Familie, weil Harry und Mary die biblische Sichtweise der Eltern-Kind-Beziehung, wie sie im Ölbaum-Prinzip verdeutlicht wird, weder verstanden noch angewandt hatten. Lasst uns darauf achten, dass wir nicht denselben Fehler begehen. 49 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Kinder gehören zu Gottes Plan Es ist beachtenswert, dass Gott dem Psalmisten eingab, in diesem Familienlied Kinder zu erwähnen. Für mich bedeutet das, dass es normalerweise Gottes Wille ist, dass Familien Kinder haben. Diese Schlussfolgerung kann auch aus anderen Bibelstellen gezogen werden. In 1. Mose gibt Gott Adam und Eva klare Anweisungen dazu: „Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde…” (1.Mose 1,28) Im letzten Buch des Alten Testaments fordert Maleachi seine Zeitgenossen dazu auf, die Ehe ernster zu nehmen, indem er sie daran erinnert, dass Gott die Ehe eingeführt hat. Weiterhin sagt er, dass Gott die Ehe zum einen deshalb einsetzte, damit „göttliche” Nachkommen gezeugt werden können (Mal. 2,13-16). Das Neue Testament untermauert die Aussagen des Alten Tes taments. An einer Stelle sagt Paulus, die jungen Witwen sollten heiraten und Kinder gebären (1.Tim. 5,14). An anderer Stelle sagt er, junge Frauen sollten dazu ermutigt (oder belehrt) werden, ihre Ehemänner und ihre Kinder zu lieben (Titus 2,4). Diese Aussage unterstellt, dass die meisten jüngeren Frauen heiraten und Kinder bekommen werden. Wenn Ehepaare mir sagen, dass sie keine Kinder wollen, lobe ich sie zwar für ihre Aufrichtigkeit, rate ihnen aber dringend, ihre Gründe neu zu überdenken. Wenn ein gläubiges Ehepaar sich die Frage stellt, ob sie Kinder haben wollen, sollten sie sagen: „Herr, was erwartest du von uns?” Solange keine körperlichen oder seelischen Gründe dagegen sprechen, Kinder zu haben, möchte Gott, dass gläubige Ehepaare gottesfürchtige Nachkommen hervorbringen und heranziehen. Allerdings möchte ich schnell hinzufügen, dass ich nicht der Meinung bin, dass man andere dazu zwingen sollte, schwanger zu werden. Menschen, die gezwungenermaßen Kinder bekommen, werden wohl kaum gute Eltern sein können. Der Schaden kann ver heerend sein. Das war der Fall bei Familie Brown. Als Mary heiratete, hatte sie eine einträgliche Arbeitsstelle. Sie mochte ihre Arbeit und war gut darin. Außerdem fühlte sie sich bei dem Gedanken daran, 50 Kapitel 3 Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung die Verantwortung einer Mutter zu übernehmen, unsicher und un zulänglich. Tatsache war: Mary wollte einfach keine Kinder haben. Harry hatte eine ganz andere Vorstellung. Er bat, er bettelte und schließlich versuchte er, Mary ein schlechtes Gewissen zu machen. Er setzte alle ihm bekannten Druckmittel ein, um Mary zu überreden, Kinder zu bekommen. Das ging eine ganze Weile so, bis Mary schließlich widerwillig zustimmte. Kurz darauf wurde Susan gezeugt. Mary war schwanger, aber sie freute sich nicht darüber. Sie verübelte es Harry und schließlich auch ihrer Tochter, dass sie ihr Leben umstellen musste. Hinzu kam, dass sie ein schlechtes Gewissen hatte, weil sie wusste, dass ihre Haltung gegen Susan und Harry sündig war. Mary wusste weder ein noch aus. Sie wusste, dass sie ihre sündi ge Verbitterung aufgeben sollte, aber gleichzeitig wollte sie es nicht wirklich, weil das ihre Art war, Harry dafür zu bestrafen, was er ihr angetan hatte. Sie wollte Harry nicht vergeben und hielt an ihrem Groll fest. Mary hatte das Kind, aber nur, weil sie dazu gezwungen worden war. Und das schuf die Basis für die gewaltigen Schwierigkeiten in ihrer Familie. Gründe für Elternschaft Mary und Harry machten beide einen Fehler, als es darum ging, über die Frage der Elternschaft zu entscheiden. Ihr Hauptaugenmerk lag nicht darauf, was Gott wollte, sondern was sie wollte. Harrys Hauptanliegen war nicht Gottes Wille, sondern seine eigenen Ziele. Und er war fest entschlossen, seinen Willen durchzusetzen, auch wenn das bedeutete, Mary solange unter Druck zu setzen, bis sie schließlich zustimmte. Sie hatte zwar nach außen hin nachgegeben, aber innerlich lehnte sie sich dagegen auf. Ihr Leben ist ein tragisches Beispiel dafür, dass man andere nicht dazu zwingen sollte, Eltern zu werden. Wer aus unbiblischen Gründen keine Kinder haben will, sollte dem Problem auf den Grund gehen. Man sollte ehrlich sein und herausf inden, weshalb man dem abgeneigt ist, und den unbiblischen Widerwillen schließlich aufgeben. Die Sünde muss man im Herzen 51 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst anpacken und ausräumen. Man muss die Vergebung Christi suchen und seine Hilfe für eine innere Veränderung annehmen. Man muss Gottes Sichtweise zum Thema Kinder verstehen und glauben. Es kann auch sein, dass manche von euch körperlich nicht in der Lage sind, Kinder zu bekommen. Ihr wollt es, könnt aber nicht. Bitte versinkt nicht in Verzweiflung, weil ihr euch auf etwas verbeißt, das nicht sein kann. Sucht vielmehr Gottes Hilfe und macht euch die Gelegenheiten zunutze, die ihr habt, um Kinder in eurer größeren Familie – der Gemeinde – auf gottgefällige Art zu fördern (Markus 3,35; 1.Tim. 5,1-2). Bittet Gott, euch zu zeigen, wie und mit wem ihr euren Beitrag leisten könnt, um gottesfürchtige Nachkommen für ihn heranzuziehen. Elternschaft ist ein Privileg In gewissem Sinne kann jedes gläubige Ehepaar Kinder haben. Alle verheirateten Christen können und sollen in irgendeiner Form daran beteiligt sein, Kinder zu erziehen. Und das ist spannend, denn nach Aussage des Familienliedes (Psalm 128) ist Elternschaft ein Privileg. Gleich nach der Bemerkung über die Kinder (Psalm 128,3) steht im Familienlied ein Ausruf über den Segen der Elternschaft (Psalm 128,4). Ähnlich wird im vorherigen Psalm bestätigt: „Siehe, Kinder sind eine Gabe des Herrn” und „wessen Köcher mit ihnen gefüllt ist, ist gesegnet“ (Psalm 127,3-5). Wenn der allmächtige Gott euch Kinder schenkt, dann gibt er euch eine der wichtigsten, bedeutendsten, lohnendsten, anspruchs volls ten Aufgaben, die ihr jemals haben könnt. Er beruft euch zur Mithilfe, einen Menschen für ihn heranzuziehen. Er hat euch beauftragt mit ihm zusammenzuarbeiten, um ein Leben aufzubau en, das ihn verherrlichen und viel Gutes für andere bewirken kann. Es ist eure Aufgabe als Eltern, Menschen zu fruchtbaren Jüngern Jesu Christi zu erziehen. Um es mit den Worten des Psalm 128 auszudrücken: Ihr könnt eine bedeutende Rolle dabei einnehmen, Kinder heranzuziehen, die üppigen, fruchtbaren Oliven bäumen gleichen. Mary und Harry Brown fehlte diese Sichtweise zur Kinderer ziehung. Ihre Sicht war zu eingeschränkt, ihre Einstellung unchrist 52 Kapitel 3 Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung lich. Sie bemerkten nicht, wie sich ihr Leben und ihre Beziehung negativ auf einen anderen Menschen auswirkte. Beiden fehlte die Sicht für das große Ganze: Welche Privilegien, Verantwortung und Methoden die Kindererziehung nach Gottes Maßstäben beinhaltet. Beide waren zu egoistisch, zu kurzsichtig und zu menschlich orien tiert in ihren Erziehungsmethoden. Keiner von bei den verstand die Bedeutung des Ölbaums, den Gott in Psalm 128 als Beispiel gebrauchte, um die Eltern-Kind-Beziehung zu beschreiben. Kinder wie Ölbäume Was genau bedeutet denn das Beispiel des Olivenbaums? Was sagt es über die Eltern-Kind-Beziehung aus? Wie kann dieser Vergleich uns helfen, die Fehler zu vermeiden, die Harry und Mary gemacht hatten? Zum einen besagt das Gleichnis des Psalmisten, dass ihr eure Kinder sehr schätzen solltet. Ein Schriftsteller berichtet, dass der Ölbaum in Palästina einer der wichtigsten Bäume war. In einem Bibelabschnitt wird der Ölbaum als König der Bäume dargestellt (Richter 9,8-9). Eine andere Stelle adelt ihn, indem er das Volk Gottes mit einem von Gott gepflanzten Olivenbaum vergleicht (Römer 11,17ff). Andere Bibelstellen würdigen diesen Baum, indem sie anordnen, dass für die Weihung der Priester und als Brennstoff für die Öllampen in der Stiftshütte das Öl des Olivenbaums – und nur das – benutzt werden sollte (2.Mose 27,20; 30,22-33). Mit anderen Worten, der Psalmist beschrieb die Kinder auf eine Weise, die betonte, wie wertvoll und kostbar sie sind. Der Herr Jesus vermittelte uns in seinem irdischen Leben dieselbe Haltung. Er wusste alles über Kinder. Er wusste, dass sie als Sünder geboren werden und deshalb erneuert und erlöst werden müssen (vgl. Psalm 51,3-5 und 58,3-4). Ihm war völlig klar, dass sie durch die Gnade Gottes verändert werden müssen (Epheser 2,1-8). Er hatte nicht die unrealistische Vorstellung, dass sie perfekt oder unschul dig seien oder einen guten Kern hätten (Sprüche 22,15). Trotzdem schätzte er sie sehr. Manchmal gebrauchte er sie als Beispiele für geistliche Wahrheiten (Matthäus 18,1-10). Er betonte, wie schlimm es ist, wenn man sie schlecht behandelt. Er tadelte seine Jünger ernsthaft dafür, dass sie versucht hatten, einige Eltern daran zu hin 53 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst dern, ihre Kinder zu ihm zu bringen (Markus 10,13-14). Ruhig, aber bestimmt sagte er: „Lasst die Kinder zu mir kommen und wehrt ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes! Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird nicht hineinkommen! Und er nahm sie auf die Arme, legte ihnen die Hände auf und segnete sie.” (Markus 10,14-16) So wie der Herr Jesus müsst auch ihr eure Kinder in einem realistischen Licht betrachten. Ihr müsst euch darüber im Klaren sein, dass eure Kinder das Potenzial zu großer Bösartigkeit in sich tragen (Psalm 51,3-5 und 58,3-4). Sie werden als Sünder geboren und müssen durch den Geist Gottes erneuert und durch die Gnade Gottes errettet werden. Eure Kinder brauchen die Vergebung Gottes für ihre Sünden. Sie brauchen seine Hilfe, um wirklich wertvolle, Gott-ehrende, Olivenbaum-Personen zu werden. Ohne ihn können sie keine Frucht für Gott bringen (Joh. 15,1-6). Aber die Betrachtung eurer Kinder aus biblischer Sicht hat noch eine andere Seite. Die Bibel fordert euch auch auf, eure Kinder als Menschen zu sehen, die trotz ihrer Bedürfnisse und Mängel sehr kostbar und wertvoll sind. Das heißt, eure Kinder sollten nicht in erster Linie wichtig für euch sein, weil sie eure sind, sondern weil sie Menschen sind, die nach Gottes Bild geschaffen wurden und seine Gabe an euch sind. Lasst die Erkenntnis euer Denken durchdringen, dass jedes eurer Kinder zu ewigem Leben berufen ist. Vergesst nie, dass er oder sie das Potenzial in sich trägt, unendlich viel Gutes zu tun – oder Böses. Ihr müsst verstehen, dass euer Kind durch die Gnade Gottes eine große Chance hat, sich so gut zu entwickeln wie der Ölbaum in Psalm 128. Ein „Baum” mit großem Potential Während meiner Nachforschungen über den Olivenbaum stellte ich fest, dass sowohl die Pflanzen als auch die Früchte auf viele verschiedene Arten genutzt wurden. Oliven und Olivenöl wurden als Nahrungsmittel (5.Mose 24,20), Leuchtmittel (3.Mose 24,2), zur Weihung (2.Mose 30,22-33), für kosmetische Zwecke (Ruth 3,3), für medizinische und hygienische Zwecke (Lukas 10,34), bei 54 Kapitel 3 Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung religiösen Zeremonien (1.Mose 28,18) und sogar als Tauschmittel (1.Könige 5,25; Lukas 16,6) verwendet. Außerdem sind der Ölbaum und seine Frucht ein Symbol für Freu de, Wohlstand und Frieden (Jesaja 61,3; Psalm 45,8). Der Baum selbst fiel durch seine Schönheit auf (Jeremia 11,16; Hosea 14,7). Sein Holz wurde als Brennstoff und Baumaterial geschätzt (1. Könige 6,23.31-33). Eine schlechte Olivenernte galt als nationale Tragödie (Habakuk 3,17). Welchen Stellenwert sollen eure Kinder demnach bei euch haben? Ihr sollt hohe Erwartungen an eure Kinder stellen. Achtet darauf, dass eure Erwartungen auch ihrer Begabung und ihrer Entwicklungs stufe entsprechen, aber unterschätzt die Kapazitäten nicht, die Gott ihnen zur Verfügung gestellt hat. Ermutigt sie zu glauben, dass sie entsprechend ihrer Begabung und Entwicklungsstufe auch jetzt schon einen wichtigen Beitrag leisten können. Natürlich brauchen Olivenbäume viel Pflege, um Frucht bringen zu können. Die umliegende Erde muss oft gepflügt werden. Sie benötigen Wasser und Dünger. Sie entwickeln sich am besten in einer warmen und sonnigen Umgebung. Lernt daraus, wie wichtig es ist, sich sorgfältig um die Kinder zu kümmern. Tut euer Allerbestes, um sie in der Lehre und Unter weisung des Herrn zu erziehen (Epheser 6,4). Vernachlässigt es nicht, ihnen das Wort Gottes in strukturierter Form aber auch spontan nahe zu bringen. Führt ein gottgefälliges Leben, das echt und ansprechend wirkt. Bewahrt das Wort Gottes im eigenen Her zen. Lasst euer ganzes Leben ein lebendiger Brief sein, der euren Kindern Gottes Wahrheiten vermittelt. Schafft ein Umfeld, das die Entwicklung von gottesfürchtigem Charakter und Verhalten fördert. Bemüht euch, dass man sich in eurer Gegenwart und in eurem Haus wohlfühlt. Versucht, alles zu vermeiden, was die Fruchtbarkeit einschränken könnte. Achtet gleichzeitig darauf, dass ihr nicht versucht, für eure Kinder Frucht zu bringen. Der Ölbaum muss seine eigene Frucht tragen. Bringt ihnen bei, diese Verantwortung selbst zu übernehmen. Macht euch nicht schuldig, indem ihr sie zu sehr schiebt und schubst. Verbreitet realistischen Optimismus. Entwickelt eine hoffnungsvolle 55 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst und angebrachte Erwartungshaltung, freut euch darauf, dass sie ertragreich sein werden. Bäume, nicht Äste Es fasziniert mich, dass es im Familienlied heißt, unsere Kinder sollen wie Ölbäume sein und nicht wie Äste (Psalm 128,3). Eine Pflanze hat eine eigene Existenz. Ein Ast ist lediglich Teil eines Bau mes. Dies deutet darauf hin, dass wir die Individualität unserer Kin der respektieren sollen. Gott wollte nicht, dass sie Kopien von uns darstellen sollen. Lasst eure Kinder ruhig andere Vorstellungen haben. Fühlt euch nicht bedroht, wenn ihr Meinungsverschiedenheiten habt. Helft euren Kindern vielmehr, über verschiedene Themen selbst nachzudenken. Natürlich müsst ihr fest bleiben und ruhig und klug euren Standpunkt erklären, wenn ihr ein „so spricht der Herr” habt. Geht unnötigen Machtkämpfen aus dem Weg. Streitet nicht, wenn es nicht nötig ist. Gebt euren Kindern im Rahmen der Heiligen Schrift den Freiraum, sie selbst zu sein. Stellt in eurer Erziehung Zäune auf, aber steckt eure Kinder nicht in Zwangsjacken. Setzt biblische Grenzen und bringt euren Kindern bei, diese einzuhalten. Wenn die Kinder kleiner sind, müssen ihre Grenzen viel enger und klarer umrissen sein. Ihr seid stärker daran beteiligt, Entscheidungen zu treffen, bestimmte Regeln festzulegen, euren Kindern zu helfen bestimmte Aufgaben zu erfüllen und zu unterscheiden, was richtig und was falsch ist. Aber auch in diesen ersten Jahren brauchen die Kinder Freiraum, um sich gesund ent wickeln zu können. Haltet euch zurück und tut nicht Dinge für die Kinder, die sie schon selbst tun können. Stellt ihnen die Instrumente zur Verfügung, ermutigt sie, seid ein Beispiel und gebt den Rahmen vor, damit sie ihre eigene Frucht bringen können. Wenn sie älter werden, können die Grenzen erweitert werden, da mit eure Kinder immer mehr Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen können. Helft ihnen, innere Motivation und Selbstkontrolle zu entwickeln – die Fähigkeit zu denken, zu ent scheiden und biblisch zu leben, ohne von außen stark motiviert oder kontrolliert werden zu müssen. Euer Ziel ist, euren Kindern zu helfen „selbstständig abhängig” 56 Kapitel 3 Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung von Christus und seinem Wort zu werden. Ihr wollt, dass sie zu einzelnen Bäumen innerhalb eines Olivenhains heranwachsen – so stehen sie in gegenseitiger Abhängigkeit. Sie brauchen den Umgang mit anderen Menschen – im gegenseitigen Geben und Nehmen. Sie sollen nicht wie vereinzelte Olivenbäume draußen in der Wüste sein, sondern wie Ölbäume, die als Teil eines Ganzen an eurem Tisch versammelt sind, bereit euch zu helfen und eure Hilfe anzunehmen. Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass eure Kinder eigen ständige Pflanzen sein sollen und nicht Äste. Schlussendlich solltet ihr sie von euch weg zu Christus lenken; denn ihre Abhängigkeit von ihm ist stärker als jede andere. Euer Ziel sollte sein, dass sie die Freiheit spüren können, zu der Christus sie berufen hat. Ihr wollt, dass sie zu euch eine reife Beziehung entwickeln, und nicht in Abhängigkeit verbleiben. Ihr dürft glauben, dass eure Kinder durch die Gnade Gottes eigene Frucht bringen können und müssen. Eine unausgewogene Perspektive Von diesem Ideal war die Familie Brown weit entfernt. Weder Vater noch Mutter hatten Respekt vor Susan. Mary hatte eine unaus gewogene Perspektive, weil sie nur Susans negative Eigenschaften sah. Harry war offensichtlich blind für die Möglichkeit, dass Susan böse sein konnte. Er konnte für fast alles eine Ausrede finden, wenn sie etwas angestellt hatte. Dadurch wurde sein Verhältnis zu Mary gestört. Sie fühlte sich persönlich übergangen und sah das Verhalten ihres Mannes als eine Weigerung an, Susan notwendige Grenzen zu setzen. Harrys toter Winkel war auch ein Nachteil für Susan. Man kann eine Schieflage nicht ausgleichen, indem man eine andere schafft. Von keinem ihrer Eltern lernte Susan, sich selbst richtig einzuschätzen. Ihr wurde auch nicht beigebracht, für ihre innere Haltung und ihre Reaktionsweise selbst Verantwortung zu übernehmen. Sie wurde nicht dazu ermutigt, Probleme und Sünden auf biblische Art anzugehen. Nach außen hin schien Harry Susan zu respektieren. Da er sie aber nicht dazu ermutigte, sich selbst und andere von einem bibli schen Standpunkt aus zu betrachten, zeigte er, dass er keine hohen Erwartungen an sie stellte. Wenn Harry und Mary wirklich wollten, 57 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst dass Susan nach Gottes Willen heranwuchs, mussten sie beide lernen, ihre Tochter in einem biblischen, realistischen, ausgewogenen Licht zu sehen. Ihr seid gefragt Eine Kernaussage von Psalm 128,3 ist, dass eure Kinder wie Ölbäu me an eurem Tisch sein sollen. Ihr habt vor Gott die Verantwortung für eure Kinder – weder der Staat oder die Schule noch die Gemein de (1.Tim.5,8). Ihr müsst sie dahingehend fördern, dass sie ihr Leben nach Gottes Maßstäben ausrichten. Dies umfasst ihre physischen, mentalen, sozialen, emotionalen und spirituellen Bedürfnisse. Ihr könnt die Hilfe anderer annehmen, um diesen Bedürfnissen gerecht zu werden, aber letzten Endes bleibt nach Got tes Aussage der „Schwarze Peter“ an euch hängen! Ihr müsst entweder selbst für eure Kinder sorgen oder dafür sorgen, dass andere es tun. Auf jeden Fall müsst ihr den Vorgang überwachen und euer Bestes geben, um die Bedürfnisse eurer Kinder ausreichend zu erfüllen. All dies setzt voraus, dass ihr mit ihnen wertvolle Zeit verbringt. Dass sie an eurem Tisch sitzen unterstellt schließlich, dass ihr auch da seid. Wenn ihr euren Kindern nicht eure ungeteilte Aufmerksamkeit schenkt, könnt ihr nicht wissen, was sie brauchen. Ihr müsst sie studieren, ihnen zuhören, mit ihnen reden, mit ihnen spielen, über sie nachdenken und für sie beten, wenn ihr wissen wollt, womit ihr für sie den Tisch decken sollt. Dieses Bild, dass eure Kinder an eurem Tisch sitzen wie Ölbäume, vermittelt die Vorstellung von Gemeinschaft und Loyalität. Es legt nahe, dass für die Gestaltung der Familie nach Gottes Plan das Zu sammengehörigkeitsgefühl und das Miteinander als Familie unerlässlich sind. Leider entwickelt sich dieses Miteinander, dieser Familiensinn nicht von alleine. Man kann es sich nicht einfach herbeiwünschen. Es muss gefördert werden. Aber wie? Ich möchte einige Vorschläge machen. Ihr könnt in eurer Familie den Geist der Loyalität und des Miteinanders so fördern: 1. Macht Christus zum Zentrum eurer Beziehungen innerhalb 58 Kapitel 3 Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung der Familie. Hingabe zu Christus wird die Familie nicht nur an ihn, sondern auch fester aneinander binden. 2. Äußert realistischen Optimismus und gute Erwartungen an jeden Einzelnen. Lasst weder durch Worte noch Taten den Eindruck entstehen, dass ihr ein Familienmitglied aufgegeben habt oder es als Versager abschreibt. 3. Achtet die Meinung jedes Familienmitglieds und gebt allen die Möglichkeit sich selbst und ihre Gedanken auszudrücken. Lasst alle ausreden ohne zu verurteilen oder zu verspotten. 4. Gebt jedem das gute Gefühl, dass alle Familienmitglieder sich gegenseitig ergänzen und vervollständigen. 5. Errichtet ein Museum schöner Erinnerungen der Familie. Spielt Spiele mit euren Kindern. Lasst sie an euren Aktivitäten teilnehmen. Unternehmt auch mit jedem Kind einzeln etwas. Legt für jedes Kind eine Erinnerungsbox an. Entwickelt Fa milien traditionen. Nutzt besondere Gelegenheiten. Tut ungewöhnliche Dinge mit euren Kindern. Macht besondere Anlässe wichtig. Feiert, wenn es nichts zu feiern gibt. Lasst jeden einmal die Ferien oder andere Anlässe planen. 6. Entwickelt einen gesunden „Familienstolz”. Sprecht über die Stärken und Erfolge einzelner Familienmitglieder. 7. Seid echt als Christen und lasst die Frucht des Geistes in eurem Leben sichtbar werden. Dann wird es auch keinem schwer fallen, euch zu respektieren und anziehend zu finden. 8. Legt angemessene Regeln fest, um die Disziplin in der Familie zu wahren. 9. Macht keine Scherze oder Witze auf Kosten von Familien mitgliedern. 10.Sprecht ausgiebig über größere Änderungen von Familien regeln, Entscheidungen und Aktivitäten. 11. Vermeidet physische und psychische Kindesmisshandlung. 12.Interessiert euch für die Interessen aller Familienmitglieder. 13.Vermeidet es, euren Kindern zu viele Freiheiten zu gewähren oder zu streng mit ihnen zu sein. 14.Lasst alle an der Planung von Familienangelegenheiten teil haben. 59 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 15.Lasst jedem die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen, wenn das vertretbar ist. 16.Erwartet von jedem, was der biblischen Schilderung der Rea lität entspricht. 17. Drückt eure Liebe füreinander in Worten und Taten offen aus. 18.Seid mehr auf eine biblische innere Haltung und einen gott gefälligen Charakter bedacht als auf Leistung und andere Äußerlichkeiten. 19. Seid gerecht und konsequent, wenn ihr eure Kinder bestrafen müsst. 20.Betrachtet jedes Familienmitglied nicht nur als menschliches Wesen, sondern auch als „menschliches Werden”. Wir befin den uns alle in einem Prozess. Keiner von uns ist bereits voll kommen. 21.Seid jedem Einzelnen gegenüber sehr aufmerksam in Bezug auf seine Bedürfnisse, Gefühle und Ängste. 22.Vermeidet ärgerliche und gereizte Worte. 23.Macht es allen Familienmitgliedern leicht, mit ihren Proble men und Sorgen zu euch zu kommen. 24.Macht euer Haus zu einem Zentrum der Gastfreundschaft, wo eure Kinder häufig mit anderen dynamischen Christen in Kontakt kommen. 25.Gestaltet Familienprojekte, an denen alle Familienmitglieder beteiligt sind. 26.Lernt, Probleme in der Familie anzugreifen anstatt sie zu ignorieren. 27.Vergebt Sünden und Versagen – aus Vergangenheit und Gegenwart. 28.Helft einander, wenn jemand versagt. 29.Stimmt eure Zeitpläne aufeinander ab, damit ihr Zeit für einander habt. Plant regelmäßig Zeit für die gesamte Familie und für jeden Einzelnen ein. 30.Bittet um Vergebung, wenn ihr einander Unrecht getan habt. 31. Fördert angemessenes Umarmen und Berühren. 32.Klärt, wer von euch wofür verantwortlich ist. 60 Kapitel 3 Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung 33.Gebraucht niemals Angst- oder Schuldgefühle als Druck mittel für Gehorsam. 34.Sprecht euch gegenseitig euer Vertrauen aus. 35. Macht die Bibel – nicht eure eigene Meinung – zum Maßstab für euer persönliches und euer Familienleben. 36.Pflegt eine tiefe persönliche Beziehung zu Jesus Christus. Jesus Christus in eurem Herzen zu haben, wird euch einander näher bringen. 37. Nehmt als Familie an christlichen Aktivitäten teil. 38.Lobt Gott als Familie – zu Hause und in der Gemeinde. 39. Betet regelmäßig für jedes einzelne Familienmitglied und für euch als ganze Familie. Wenn ihr euch an diese Richtlinien haltet, werdet ihr das nötige Umfeld schaffen, um eure Familie nach Gottes Plan zu gestalten. Sie werden dazu beitragen, dass eure Kinder wie Ölbäume um euren Tisch herum sein können. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Denke über dieses Kapitel nach (lies es noch einmal, falls nötig) und beantworte die folgenden Fragen: a) Welches Bild gebraucht Gott in Psalm 128,3 für die ElternKind-Beziehung? b) Was sagt die Bibel zu der Frage, ob Ehepaare Kinder haben sollten oder nicht? Belege deine Antwort mit Bibelstellen. c) Welche Gründe haben Menschen dafür, kinderlos zu bleiben? d) Gibt es legitime Gründe für Ehepaare, keine Kinder zu haben? Wenn ja, welche? e) Wie wirkte es sich bei Familie Brown aus, dass Mary zur Mutterschaft gezwungen wurde? f) Was bedeutet die Aussage: „In gewissem Sinne kann jedes gläubige Ehepaar Kinder haben.”? Inwieweit wäre es ange 61 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst bracht, andere bei ihrer Kindererziehung zu unterstützen? Wie können andere euch helfen? g) Was bedeutet die Tatsache, dass Kinder mit Olivenbäumen verglichen werden (und nicht mit Unkraut oder Brombeer sträuchern), in Bezug auf die Wertschätzung unserer Kinder? h) Warum ist es so wichtig, welche Einstellung man zu Kindern hat, wenn es um die Frage geht, ob man Kinder bekommen und erziehen will? i) Wie macht unser Herr Jesus Christus in seinen Beispielen und Unterweisungen deutlich, dass Kinder für ihn sehr wertvoll sind? j) Welche beiden Extreme sollten wir vermeiden, wenn wir unsere Kinder betrachten? k) Was bedeutet die Tatsache, dass Kinder mit jungen Oliven bäumen verglichen werden, im Blick auf ihre Bedürfnisse? Welche Pflege brauchen junge Ölbäume? Welche Bedürfnisse haben Kinder? l) Was bedeutet die Tatsache, dass Kinder mit jungen Oliven bäumen verglichen werden, in Bezug auf die Eltern-KindBeziehung? m) Inwiefern verletzen Eltern manchmal das Ölbaum-Prinzip in ihrer Eltern-Kind-Beziehung? Welche beiden Fehler machen Eltern oft? Fallen dir Beispiele aus der Bibel oder aus eigener Erfahrung (persönlich oder beobachtet) ein, wo dieses Prinzip nicht eingehalten wurde? Finde heraus, wie sich das auf die Kinder auswirkte. n) Welche zwei Prinzipien können aus den Worten „rings um deinen Tisch” für die Gestaltung eurer Familie nach Gottes Plan abgeleitet werden? 2. Denke über die neununddreißig Vorschläge nach, wie ihr eure Familie nach Gottes Vorstellung gestalten könnt. Überlege, was jeder einzelne Punkt im täglichen Leben praktisch bedeutet. Geh die Liste einzeln durch und bewerte deinen Erziehungsquotienten für jedes einzelne Kind nach der fol genden Skala: regelmäßig (=4), oft (=3), gelegentlich (=2), 62 Kapitel 3 Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung selten (=1), nie (=0). Nachdem du deine Selbsteinschätzung anhand aller neununddreißig Aussagen abgeschlossen hast, schreibe die Aussagen auf, bei denen du nur 0, 1 oder 2 Punkte erreicht hast. Stell einen Plan auf, wie du was in diesen Bereichen verbessern kannst. Besprich diese Punkte mit deinem Ehepartner. Vielleicht möchtest du dich schriftlich verpflichten und dein Vorhaben mit deinem Namen unterschreiben. Bitte Gott täglich um Hilfe bei den gewünschten Verbesserungen. Greif regelmäßig auf diese Lis te zurück, um dich immer wieder neu zu bewerten und zu motivieren. 3. Analysiere die folgenden Verse zur Eltern-Kind-Beziehung. Schreibe auf, was jeder einzelne Abschnitt über Kinder erziehung aussagt. Versuche, konkrete Hinweise darauf zu finden, was du tun solltest, um deine Familie nach Gottes Plan zu gestalten. Betrachte jeden Abschnitt und frage dich: Was will Gott mir zum Thema Elternschaft sagen? Wie sollte das in meiner Familie umgesetzt werden? Wie erfolgreich bin ich damit, die Wahrheit(en) dieser Bibelstelle in meinen Erziehungsmethoden anzuwenden? a) Sprüche 1,8-9 b) Sprüche 4,1-2 c) Sprüche 5,7-23 d) Sprüche 6,1-35 e) Sprüche 7,1-27 f) Sprüche 10,1.5 g) Sprüche 13,1 h) Sprüche 13,24 i) Sprüche 14,1 j) Sprüche 15,27 k) Sprüche 19,18 l) Sprüche 22,6 m) Sprüche 22,15 n) Sprüche 23,13 o) Sprüche 23,15-16 63 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst p) Sprüche 23,24 q) Sprüche 27,11 r) Sprüche 29,15 s) Sprüche 29,17 t) Sprüche 31,15 31,21 31,27 31,28 u) 5.Mose 6,4-9 v) Epheser 6,4; Kolosser 3,21 w) 2.Korinther 12,14-15 x) 1.Thessalonicher 2,7+8+11 y) 1.Timotheus 3,4-5 z) 2.Timotheus 1,5; 3,15 4. Beantworte die folgenden Fragen selbstständig; gib konkrete Antworten; führe Einzelheiten auf. Besprich sie dann mit deinem Ehepartner. Nutze diese Liste, um deine Stärken zu bestätigen und deine Schwächen zu erkennen und zu ver bessern. a) Wie reagierst du, wenn dein Kind deine Anweisungen miss achtet? Reagierst du bei jedem Kind und immer gleich? b) Was tust du, wenn ein Kind Wutanfälle bekommt, schmollt, schreit, brummelt, beleidigend wird, einfach weggeht, gegen Wände schlägt oder um sich tritt? Reagierst du bei jedem Kind gleich? c) Wenn du deine Kinder bittest, etwas zu tun, wie oft wieder holst du dich? Ist das immer gleich? d) Wie reagierst du, wenn ein Kind sich schwer damit tut, Auf gaben auszuführen und Pflichten zu erfüllen? Reagierst du bei jedem Kind gleich? e) Wie sehr oder wenig ähneln dir deine Kinder in Bezug auf Per sönlichkeit, innere Einstellung, Wertesystem, Beziehungen, Ziele, Reaktionsweise, Sprache, Interessen, Umgang mit bestimmten Situationen? f) Stimmen deine Erwartungen an jedes deiner Kinder mit 64 Kapitel 3 Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung denen deines Ehepartners überein (Hausarbeiten, Pflichten, Verhaltensweisen, Manieren, usw.)? Wie sieht es bei den Erziehungsmethoden aus? Warum? (Schreibe auf, wo ihr euch nicht einig seid.) g) Was tust du, um jedem einzelnen Kind deine Liebe, Wert schätzung, Respekt, Anteilnahme, Zuwendung, Vertrauen und Verständnis zu zeigen? Wie zeigst du jedem Kind, dass es besonders wertvoll ist? h) Welche deiner Reaktionen sind respektlos, lieblos, nicht loyal, selbstsüchtig, gleichgültig oder stur (oder könnten von deinem Kind so empfunden werden)? i) Betrachte dein Verhältnis zu jedem einzelnen deiner Kinder, schreibe die Höhepunkte und Tiefpunkte und die Gründe dafür auf. (D.h., warum waren sie gut oder schlecht, was war damals vorgefallen?) j) Nenne die Fähigkeiten, Eigenschaften, Gaben und Interessen jedes Kindes. Auf welche Art ermutigst du sie, diese Besonder heiten weiter zu entwickeln? k) Welche Schwächen, Probleme oder unbiblischen Eigenschaf ten hat jedes Kind? Wie gehst du damit um? l) Was unternimmst du, damit es deinen Kindern leicht fällt, sich dir zu öffnen, dich zu respektieren und dich als jeman den zu erleben, der zugänglich ist und mit dem man gern zusammen ist? Welches Verhalten lässt eventuell einen gegen sätzlichen Eindruck entstehen? m) Denk an die besten Eltern, die du kennst, und schreibe ihre Stärken und die positiven Seiten ihrer Beziehung zu ihren Kindern auf. n) Wenn du euer Familienleben mit einem Wort beschreiben solltest, welches würde es sein? o) Schreib deine Ziele für euer Familienleben auf. p) Schreib auf, was deine Kinder deiner Meinung nach über eure Familie sagen würden. q) Vervollständige die folgenden Sätze: Eltern sind… Eine gute Hausregel bei uns ist… 65 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 66 Die folgende Hausregel würde ich gerne ändern… Die Beziehungen in unserer Familie wären besser, wenn… Ich wünschte, unsere Familie würde… In unserer Familie ist Gott… Teil 2 Gottes Weg, gesunde Beziehungen aufzubauen 67 Kapitel 4 Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast Vor einiger Zeit war ich als Gast zu einem Radioprogramm einge laden. Ein Anrufer fragte mich: „Was verhindert Ihrer Meinung nach die Einigkeit in der Ehe und in der Familie heutzutage am stärksten?” Dies ist eine schwierige Frage, aber ich antwortete, dass schlechte Kommunikation einer der Hauptgründe dafür ist, dass Ehen und Familien unglücklich sind. Als Berater treffe ich oft Menschen, die ihre Probleme deswegen nicht lösen und keine tieferen Beziehungen eingehen können, weil sie nicht effektiv kommunizieren können. Ohne gute Kommunikation kann deine Ehe und deine Familie nicht so sein, wie Gott sie sich für dich gedacht hat. In seinem Buch „Christsein auch zu Hause” 2 weist Jay Adams darauf hin, dass Kommunikation die wichtigste Grundlage für zwischenmenschliche Beziehungen ist. Sie ist ein Grundbedürfnis. Deswegen möchte ich die nächsten Kapitel dazu nutzen zu erörtern, wie effektive Kom munikation aussieht und wie man sie erlernen kann. Ich hoffe, das wird dich ermutigen, deine eigene Kommunikationsweise in der Familie und mit anderen Menschen einmal genauer zu untersuchen. Was ist effektive Kommunikation? Grundsätzlich kann man effektive Kommunikation als einen Infor mationsaustausch zwischen zwei Personen beschreiben, bei dem die Botschaft so verstanden wird, wie es der Sender beabsichtigt hat. Solange der Sender und der Empfänger in der Botschaft nicht die gleiche Bedeutung sehen, haben sie nicht effektiv kommuniziert. In Epheser 4 schreibt Paulus, dass wir sprechen sollen, was zur Erbau 2 68 In deutsch erschienen beim Verlag CLV, Bielefeld (ISBN 978-3-86699-234-4). Kapitel 4 Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast ung dient, wo es nötig ist, damit es den Hörern Gnade oder Hilfe bringe (V. 29). Dieses aussagekräftige Kapitel aus der Heiligen Schrift zeigt, dass effektive Kommunikation dazu führt, dass beide Seiten gestärkt, ermutigt und bereichert werden. Das ist der Standard, an dem wir die Kommunikation innerhalb unserer Ehe und unserer Familie messen sollen. Fördert sie Harmo nie, Einigkeit und emotionale Nähe? Bringt sie Menschen zusam men? Erfahren wir physische und emotionale Nähe? Machen wir die gleiche Erfahrung wie David und Jonathan, deren Seelen sich ver banden, so dass sie sich lieb gewannen wie Brüder (1.Samuel 18,1)? Das ist das Ergebnis erfolgreicher Kommunikation. Und deswegen ist sie so enorm wichtig für die Beziehungen in Ehe und Familie. In vielen Familien leben die Menschen zwar physisch zusammen, sind aber emotional meilenweit voneinander entfernt. Sie können sich so eine Harmonie, dass ihre Herzen im selben Rhythmus schlagen könnten, nicht einmal vorstellen. Solch eine umfassende Einigkeit und tiefe Vertrautheit übersteigt ihr Vorstellungsvermögen, weil sie nicht effektiv miteinander kommunizieren. Wenn man Menschen trifft, die wirklich „ein Fleisch” geworden sind, so wie Gott es für Ehepaare vorgesehen hat (1.Mose 2,24), hat man Menschen vor sich, die erfolgreich kommunizieren. Denn das „ein Fleisch”- Prinzip beinhaltet mehr als nur körperliche Vereinigung. Es unterstellt emotionale Nähe, Harmonie und Vertrautheit – die unausweichlichen Folgen erfolgreicher Kommunikation. Kommunikation ohne Worte Ich habe dieses Kapitel „Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast” genannt, um das Augenmerk auf einen Aspekt der Kommunikation zu lenken, der oft übersehen wird: Kommunikation beinhaltet mehr als nur Worte. Es bedeutet auch, nicht-gesprochene Botschaften kor rekt zu senden und zu empfangen. In der Bibel finden wir viele Beispiele für wortlose Kommuni kation. Als Adam und Eva erschaffen wurden, waren sie beide nackt und schämten sich nicht (1.Mose 2,25). Das sagt viel aus über ihre Beziehung zueinander und zu Gott. Sie fühlten keine Scham oder Verlegenheit, weil sie schuldlos waren. Ihre Gewissen waren rein. Sie 69 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst fühlten sich miteinander und mit Gott wohl, weil ihre Herzen rein und heilig waren. Später, nachdem sie Gottes Gebot übertreten und von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen gegessen hatten (1.Mose 2,17; 3,6), zeigte ihr Verhalten auch ohne Worte, dass sich etwas geändert hatte. Sie versuchten, sich zu bedecken (1.Mose 3,7), und als Gott sie abends im Garten besuchen kam (1.Mose 3,8), taten sie etwas, das sie noch nie zuvor getan hatten. Sie versteckten sich. Ohne ein Wort zu sagen, machten Adam und Eva deutlich, dass etwas absolut nicht stimmte. Es war nicht nötig zu sagen: „Wir haben von der verbotenen Frucht gegessen und jetzt schämen wir uns.” Ihr Verhalten verriet alles. Ein weiteres Beispiel für die Kraft wortloser Kommunikation finden wir in einem späteren Kapitel des ersten Buches Mose. Die Heilige Schrift berichtet, dass die Söhne Jakobs wussten, dass er Joseph mehr liebte als sie (1.Mose 37,3-4). Wir wissen das, weil die Bibel es ausdrücklich erwähnt. Aber die Brüder Josephs erfuhren es, weil sie es sahen, nicht weil sie es gehört oder gelesen hätten (1.Mose 37,4). Ich bezweifle, dass Jakob herumging und verkündete: „Joseph ist mein Lieblingssohn. Ich liebe ihn viel mehr als euch.” Dass er Joseph mehr als alle anderen liebte, war eine Tatsache, und sein Ver halten übermittelte diese Botschaft mit Nachdruck. Jakobs Söhne hörten, was er nicht sagte. Und dasselbe geschieht auch heute. Andere hören, was wir nicht sagen, weil wir ständig Botschaften aussenden, ohne unseren Mund zu öffnen. Tatsache ist, dass wir ständig kommunizieren, selbst dann, wenn wir schweigen. Häufige Formen stiller Kommunikation Wir reden mit unseren Augen durch die Art, wie wir uns ansehen oder nicht ansehen. Wenn ich den Augenkontakt mit dir vermeide, kommuniziere ich. Wenn ich meine Augen verdrehe, während du mit mir sprichst, empfängst du eine bestimmte Botschaft. Wir kom munizieren mit unserem Gesichtsausdruck, sei er streng oder freund lich. Mein Stirnrunzeln, mein Lächeln, mein Schmunzeln, mein Schmollen, mein besorgter, ärgerlicher oder ängstlicher Gesichts ausdruck übermittelt eine Botschaft an dich. 70 Kapitel 4 Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast Wir sprechen auch durch unsere Kleidung. Unsere Kleidung zeigt, ob wir nachlässig oder ordentlich sind, ob wir organisiert sind, ob uns wichtig ist, was wir anziehen. Wir zeigen anderen oft durch die Art, wie wir uns in ihrer Gegenwart kleiden, was wir von ihnen halten. Wenn ein Ehemann oder eine Ehefrau sich weigert, das anzuziehen, was der Ehepartner vorschlägt, sendet er/sie damit eine Botschaft. Man braucht nicht ausdrücklich zu sagen: „Ich mag dich nicht”, oder „Es ist mir egal, was du denkst”, man kann es auch schweigend übermitteln. Wir kommunizieren durch die Art, wie wir sitzen und stehen. Wenn Menschen vor dir zurückweichen, sobald du dich näherst, deuten sie damit wahrscheinlich an, dass du in ihren persönlichen Freiraum eingedrungen bist. Vielleicht kennen sie dich nicht gut genug oder ihr Vertrauen ist nicht groß genug, um dich so nah an sich heran zu lassen. Vielleicht wollen sie dadurch deutlich machen, dass du dich nicht aufdrängen sollst. Wenn dir jemand den Rücken zukehrt, ist die Botschaft noch klarer. Ich beobachte oft, wie die Menschen sich hinsetzen, wenn sie in meine Praxis kommen. Manche ziehen ihren Stuhl so nahe an den Tisch heran wie nur eben möglich. Andere schieben den Stuhl weiter weg. Bei manchen Familien sitzt die Frau immer rechts und der Mann immer links. Das Kind setzt sich zwangsläufig auf den mittleren Stuhl, den es möglichst nah zur Mutter und möglichst weit weg vom Vater schiebt. Bei anderen Familien setzen sich Vater und Mutter nebeneinander und das Kind sitzt auf der anderen Seite des Raumes. Ein scharfsinniger Beobachter könnte daraus viele Informationen über die Bündnisse und Interaktionsmuster in den Familien ent nehmen. Das erste Kind z.B. orientiert sich wahrscheinlich stärker an der Mutter und sieht sie als Verbündete und Beschützerin. Das zweite Kind sieht sich mehr als Außenseiter und hat weder zum Vater noch zur Mutter eine enge Beziehung. Auch dadurch, wie man seine Zeit verbringt, macht man eine Aussage. Weiß ich, wie du deine Zeit verbringst, dann weiß ich auch einiges über deinen Charakter. Wenn du mir sagst, dass deine Beziehung zu Gott das Wichtigste in deinem Leben ist, hast aber 71 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst keine Zeit für die Gemeinde, zum Beten oder Bibellesen, dann sprechen deine Taten lauter als deine Worte. Wenn du sagst, deine Familie ist dir wichtig, aber du hast keine Zeit für sie, dann weiß ich, dass dir deine Familie nicht wichtig genug ist. Wir kommunizieren auch dadurch, wie wir mit unserem Geld umgehen. Wenn wir unser Geld für alle möglichen Dinge ausgeben, aber nichts für das Werk des Herrn und die Armen geben, machen wir deutlich, wo unser Schatz ist und was für uns wichtig ist. Jesus deutet darauf hin, dass unser Umgang mit Geld ein zuverlässiges Barometer für unseren Charakter und unsere Glaubwürdigkeit ist. Er sagt sogar, dass man einem Menschen, der mit seinen irdischen Gütern verlässlich umgeht (diesen Bereich bezeichnet er als „kleines Ding”), vertrauen kann, dass er auch in anderen Bereichen treu ist. Wer aber im Finanziellen nicht treu ist, dem kann man auch in anderen Bereichen nicht vertrauen (Lukas 16,11-12). Unsere Art zu lachen und das, worüber wir lachen, sagt auch viel über unsere innere Haltung und unsere Werte aus. Wir kommuni zieren dadurch, dass wir bereit sind, anderen zu helfen, und dadurch, mit welcher Stimmung und auf welche Art und Weise wir ihnen helfen. Ohne dass wir ein Wort sagen, erkennt man, ob wir froh sind, helfen zu können, oder ob wir es nur widerwillig tun, weil wir uns davor nicht drücken konnten. Wir kommunizieren sogar mit unseren Ohren – dadurch, ob wir bereit sind, anderen zuzuhören. Wenn ich meine Schüler betrachte, sehe ich, dass manche sich vorbeugen und genau das tun, was in den Sprüchen beschrieben wird: Sie neigen ihre Ohren um zu hören, was gesagt wird. Das Verhalten anderer deutet darauf hin, dass sie ihre Ohren neigen um nicht zu hören. Ohne ein Wort zu sagen, drücken diese Schüler ihr unterschiedlich starkes Interesse aus. Auch mit unseren Armen und Händen kommunizieren wir. Wenn ich meine Frau in die Arme nehme, schicke ich ihr eine Botschaft. Selbst durch unsere Gegenwart oder Abwesenheit machen wir eine Aussage, nämlich darüber, ob ich mit jemandem Zeit verbringen will oder nicht. 72 Kapitel 4 Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast Die Macht der wortlosen Kommunikation Man könnte behaupten, dass wir durch wortlose Kommunikation viel mehr mitteilen als durch Worte. Unsere Kommunikation beinhaltet alles, was wir tun und sagen. Das bedeutet, dass wir uns ununterbrochen mitteilen. Selbst unsere Versuche, der Kom munikation auszuweichen, senden eine Botschaft. Die Frage lautet deshalb nicht: „Teile ich etwas mit oder nicht?”, sondern vielmehr: „Kommunizieren wir effektiv?” Diese Frage kann nicht bejaht wer den, solange wir die wortlosen Botschaften nicht korrekt senden und empfangen. Nonverbale (=wortlose) Botschaften haben eine hohe Aussage kraft. Die wortlose Kommunikation Gottes durch das Kreuz ist die aussagekräftigste Botschaft, die man sich vorstellen kann. Wie hätte Gott noch deutlicher sagen können: „Ich liebe dich”, als dadurch, dass er seinen eigenen Sohn gab? Nachdem Paulus uns daran erinnert, dass Gott seinen eigenen Sohn nicht verschonte, sondern ihn für uns alle opferte, fragt er uns: „Er, der sogar seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte er uns mit ihm nicht auch alles schenken?” (Römer 8,32) Gott hat durch diese mächtige wortlose Botschaft vom Kreuz seine unendliche Liebe für uns unmissverständlich und unwiderlegbar bestätigt. Mitten in einem aussagekräftigen Abschnitt über die Einigkeit in der Gemeinde sagt Paulus zu den Ephesern (4,28): „Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern bemühe sich vielmehr, mit den Händen etwas Gutes zu erarbeiten, damit er dem Bedürftigen etwas zu geben habe.” Warum erwähnt Paulus in einem Abschnitt über zwischenmenschliche Beziehungen das Stehlen? Die Sache ist die: Wenn wir behaupten, dass uns Menschen wichtig sind, und wir bestehlen sie, dann widersprechen unsere Taten unseren Worten. Men schen lieben und sie bestehlen, das passt nicht zusammen. Paulus erklärt, wenn man mit anderen wirklich auskommen will, muss man aufhören zu stehlen und anfangen zu arbeiten und zu geben. Anders ausgedrückt: Zeige dein Interesse an anderen, indem du ihnen in praktischen Angelegenheiten zur Seite stehst. Hör auf, nur an dich selbst zu denken und daran, was andere für dich tun 73 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst können. Drück durch dein Denken und Handeln aus, dass dir ihre Bedürfnisse wichtig sind. Solches Handeln spricht Bände über deine Liebe für andere. Gestalte dein eigenes Umfeld Du solltest die Aussagekraft deiner Verhaltensweisen nie unter schätzen. Nichts spielt eine größere Rolle in unserer Beziehung zu anderen. In gewisser Hinsicht können wir unser eigenes Umfeld gestalten und damit beeinflussen, wie andere auf uns reagieren – positiv oder negativ. Vor kurzem erzählte mir ein junger Mann, der in ernsthafte Schwierigkeiten geraten war, einige Dinge, die ihn quälten. Ins besondere mochte er die Art nicht, wie seine Mutter ihn behandelte. „Sie sagt mir ständig, dass ich um eine bestimmte Uhrzeit zu Hause sein soll. Sie hat Angst, ich könnte entführt werden. Sie will wis sen, wo ich hingehe, was ich tue, mit wem ich mich treffe, wann ich zurück sein werde. Ich bin schon sechzehn Jahre alt und sie behandelt mich immer noch wie ein kleines Kind und überprüft mich ständig.” Ich fragte ihn: „Hast du eine Ahnung, warum deine Mutter das tut, und soll dir jemand helfen zu erreichen, dass sie dich in Ruhe lässt?” Er antwortete: „Nein, ich weiß nicht, warum sie das tut. Und ja, ich hätte gerne, dass mir jemand dabei hilft, dass sie mich mehr wie einen Erwachsenen behandelt.” „Glaubst du, dass es sein könnte, dass du selbst dazu beigetragen hast, dass sie dich so behandelt?”, fragte ich. Etwas verwirrt erwiderte er: „Wie meinen Sie das?” Ich antwortete: „Lass mich das durch ein Beispiel erklären. Vor einiger Zeit arbeitete einer unserer Söhne in einem Fischrestaurant. Es dauerte nicht lange, bis der Besitzer an Chip Gefallen fand und ihn zu seinem Stellvertreter beförderte. Chips Vorgesetzter hatte so viel Vertrauen zu ihm, dass er ihm oft die Verantwortung überließ und selbst gar nicht erst im Restaurant erschien. Der Besitzer sagte uns oft, wie dankbar er für Chip war und wie sehr er sich wünschte, noch mehr solche Mitarbeiter zu finden. Kürzlich sahen wir diesen Mann 74 Kapitel 4 Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast wieder. Unser Sohn hatte nur zwei Jahre für ihn gearbeitet und er beschwerte sich, dass er immer noch keinen Ersatz für Chip gefunden hatte. Der Besitzer sagte: „Menschen wie er sind schwer zu finden.” Dann fragte ich den jungen Mann, der zu mir in die Beratung gekommen war: „Weißt du, warum dieser Restaurantbesitzer so eine hohe Meinung von unserem Sohn hatte und mehr solche Mitarbeiter habe wollte?” „Na ja, ich glaube, er vertraute ihm.” „Wie kam er wohl zu der Annahme, dass er meinem Sohn ver trauen konnte?” „Ich denke, er sah, wie Ihr Sohn sich verhielt und schloss daraus, dass er vertrauenswürdig war.” „Und wie kam er zu diesem Schluss? Wer brachte ihn dazu, Chip als vertrauenswürdig anzusehen?” „Ich denke, Chip.” „Du meinst also, mein Sohn gestaltete sich sein eigenes Umfeld. Durch seine Verlässlichkeit brachte er diesem Mann bei, dass er ihm vertrauen konnte. Jetzt stell dir einmal vor, Chip wäre immer fünfzehn Minuten zu spät gekommen, hätte auf seiner Stechkarte gemogelt oder bei der Arbeit getrödelt. Stell dir vor, er hätte die Anweisungen seines Chefs missachtet oder einem seiner Freunde eine kostenlose Mahlzeit zugeschoben. Wie hätte der Chef wohl reagiert?” „Er hätte ihn wahrscheinlich gefeuert – oder zumindest schärfer beobachtet. Ich glaube, er hätte ihn härter angefasst und daran gezweifelt, dass er ihm vertrauen kann.” „Richtig! Mein Sohn hätte ihm beigebracht, dass er ihm nicht vertrauen konnte. Auch in diesem Fall hätte mein Sohn sein eigenes Umfeld geschaffen und das Verhalten dieses Mannes beeinflusst. Also, wie können wir das alles darauf übertragen, was sich zwischen dir und deiner Mutter abspielt? Was kannst du demnach tun, damit dich deine Mutter mehr wie einen Erwachsenen behandelt?” „Ich denke, wenn ich will, dass sie mich wie einen Erwachsenen behandelt, muss ich mich auch wie ein Erwachsener benehmen. Ich muss mit ihr offener reden und ihr beweisen, dass sie mir vertrauen kann.” 75 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Danach besprachen wir ausführlich, wie er seine Mutter dazu bringen konnte, ihn anders zu behandeln. Wir überlegten, was sie dazu veranlasste, ihn wie ein Kind zu behandeln, und was er tun könnte, um seiner Mutter zu zeigen, dass sie ihm vertrauen konnte. Wir untersuchten das biblische Prinzip, dass wir oft ernten, was wir säen (nur in größerer Menge), und legten fest, was und wie er anderes säen konnte. Fazit: Unser Handeln bewirkt eine Reaktion in unserem Umfeld, auch zu Hause. Und unsere Reaktion auf andere ruft wieder eine Reaktion hervor – gut oder schlecht. Bevor wir uns über das Verhal ten anderer Familienmitglieder beschweren, sollten wir prüfen, wie wir sie provozieren oder auf sie reagieren. Die Ermahnung der Bibel, Böses nicht mit Bösem und Beleidigungen nicht mit Beleidigungen sondern mit einer Wohltat zu vergelten (1.Petrus 3,9), spricht den Domino- und Boomerang-Effekt vieler Verhaltensweisen an. Unser Benehmen kann tatsächlich dasselbe Verhalten hervorrufen oder verstärken, gegen das wir uns wehren, sei es Verdrießlichkeit, Misstrauen, Verachtung oder Streit. Falsch verstandene Botschaften Traurigerweise werden wortlose Botschaften oft missverstanden, selbst wenn Gott es ist, der die Botschaft sendet. Durch die Schöp fung zeigt Gott immer wieder seine Herrlichkeit, aber wie viele von uns sehen das? Viele Menschen ignorieren entweder die Botschaft Gottes über sich selbst in seiner Schöpfung, oder sie sehen darin eine Bestätigung der Evolutionstheorie. Sie verstehen die Botschaft, die Gott sendet, völlig falsch. Viele missverstehen auch die Offenbarung Gottes in der Welt geschichte. Die Bibel lehrt uns, dass die Weltgeschichte seine Geschichte ist, aber nur sehr wenige erkennen an, dass Gott seine Hand in der Geschichte der Menschheit mit im Spiel hat. Sogar Christen verstehen Gottes Handeln manchmal falsch. In Hebräer 12,6 steht, dass Gott seine Liebe zu uns dadurch zeigt, dass er uns züchtigt und straft. Dies beweist, dass er unser Vater ist und wir zu seiner Familie gehören. Aber es kommt oft vor, dass wir das nicht so sehen. Deshalb sagt die Bibel (Hebräer 12,5): „... achte nicht gering 76 Kapitel 4 Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast die Züchtigung des Herrn und verzage nicht, wenn du von ihm zurechtgewiesen wirst.” Wir erkennen nicht immer, dass Gott seine Liebe zu uns durch unsere Lebensumstände zeigen will. In gleicher Weise missverstehen wir oft das Verhalten anderer Menschen. Erinnerst du dich an den Fall im Alten Testament, wo Eli Hannas Verhalten falsch deutete, als er den Tempel betrat und sie dort sah (1.Samuel 1,12-18)? In der Bibel steht, dass sie verzweifelt war, weil sie so gerne ein Kind wollte. Während sie ernsthaft und vertrauensvoll zu Gott betete, beobachtete Eli, dass sich ihre Lippen bewegten, ohne dass sie einen Ton von sich gab. Er dachte, Hanna sei betrunken, und ermahnte sie streng für ihre Ausschweifung. Eli hatte ihr wortloses Verhalten völlig falsch gedeutet. In der Apostelgeschichte wird eine ähnliche Begebenheit geschil dert. An Pfingsten, als der Geist Gottes mit Macht auf die Christen von Jerusalem herabkam, gingen sie auf die Straßen und gaben Zeugnis und predigten von Jesus in fremden Sprachen. Einige, die das beobachteten, dachten sie seien betrunken (Apg. 2,1-15). Das Verhalten dieser Christen wurde gründlich missverstanden. Und was damals passierte, kann auch heute geschehen. Es kann schnell passieren, dass andere unser wortloses Handeln falsch deu ten. Sie gehen davon aus, dass sie hören, was wir nicht sagen, und ziehen die falschen Schlüsse. Und davon hängen ihr Denken und Handeln und ihre Gefühle uns gegenüber ab. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch wir die nicht-gesprochenen Botschaften anderer falsch verstehen können. Es ist eine Sache zu erkennen, dass andere unser Verhalten falsch deuten können. Aber aus irgendeinem Grund fällt es uns schwerer zuzugeben, dass auch wir die Handlungen unserer Mitmenschen missverstehen können. Allzu oft gehen wir völlig überzeugt davon aus, dass wir richtig verstanden haben, was der andere nicht gesagt hat. Zum Beispiel würden wir nicht unbedingt daran denken in Frage zu stellen, ob wir richtig verstanden haben, was ein anderes Familienmitglied getan hat und was es damit gemeint hat. Wir sind uns sicher, dass wir es wissen. Wie könnten wir denn auch im Unrecht sein!? Andere haben sich schon bei uns geirrt, aber in unserem Stolz wollen wir selten zugeben, dass wir uns bei anderen 77 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst genauso irren können. Obwohl die Erfahrung zeigt, dass wir mit unserer Interpretation schon tausendmal daneben lagen, reden wir uns ein, diesmal Recht zu haben. Also agieren und reagieren wir entsprechend. In dem Artikel „Wie wir emotionale Botschaften versenden” beschreibt Ernst Beier bildhaft, wie leicht es ist, wortlose Botschaften falsch zu verstehen: Wir baten einige Leute, sechs verschiedene Gefühle wortlos auszudrücken und auf Video aufzunehmen. Es waren Wut, Angst, Verführung, Gleichgültigkeit, Freude und Traurigkeit. Sie sollten sich dann die einzelnen Szenen ansehen und die jenigen herausnehmen, die ihrer Meinung nach nicht gut gelungen waren […] Als wir diese Videos vor großem Publikum abspielten, um die jeweiligen Gefühle erraten zu lassen, merkten wir, dass […] anscheinend jeder falsche Informationen sendet […] Zwei Beispiele für diese Nichtübereinstimmung werde ich nie vergessen. Ein Mädchen, das wie alle anderen versucht hatte Wut, Angst, Verführung, Gleichgültigkeit, Freude und Traurigkeit auszudrücken […], wurde von den Zuschauern stets als wütend empfunden. In was für einer schwierigen Welt muss sie wohl gelebt haben. Ganz gleich wie sie ihr Ge fühls barometer einstellte, alle anderen konnten nur ihre Wut spüren. Ein anderes Mädchen in unserem Experiment […] machte durchweg einen verführerischen Eindruck auf die Jurymitglieder. Selbst wenn sie wütend wirken wollte, pfiffen ihr die Männer hinterher.3 Wortlose Kommunikation geschieht ständig, ist aussagekräftig und wird sehr leicht falsch verstanden. Wenn wir also unsere Familie nach Gottes Vorstellung gestalten wollen, müssen wir daran arbeiten, unsere wortlosen Botschaften mit Vorsicht zu versenden und zu empfangen. Oft scheitern Familien in ihren Beziehungen an diesem Punkt. Lass nicht zu, dass das in deiner Familie geschieht. 3 78 Ernst Beier, How We Send Emotional Messages, Psychologie Today, Okt. 1974, Seite 56. Kapitel 4 Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Denke über dieses Kapitel nach (und falls nötig, lies es noch einmal) und beantworte die folgenden Fragen: a) Was ist effektive Kommunikation? b) Was geschieht, wenn Menschen nicht effektiv miteinander kommunizieren? c) Bewerte die Kommunikation in deiner Familie anhand deiner Definition. Benutze dabei als Skala folgende Abstufungen: Ausgezeichnet, gut, mittelmäßig, schlecht, sehr schlecht. d) Warum trägt dieses Kapitel die Überschrift „Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast”? e) Nenne einige biblische Beispiele wortloser Kommunikation und stelle fest, was du daraus lernen kannst. f) Nenne einige nicht-biblische Beispiele wortloser Kommuni kation und stelle fest, was du daraus lernen kannst. g) Was verdeutlicht Epheser 4,28 in Bezug auf wortlose Kom munikation? h) Erkläre den „Domino-” bzw. „Boomerang-Effekt” wortloser Verhaltensweisen. 2. Analysiere die folgenden Bibelstellen. Was sagen sie über wortlose Kommunikation aus? Sprich mit deinem Ehepartner darüber und fasse dann zusammen, was du über wortlose Kommunikation gelernt hast. a) 1.Mose 3,7-10 b) 1.Mose 4,5-6 c) 1.Mose 37,3 d) 1.Mose 39,4 e) 1.Mose 40,6-7 f) Josua 7,6 g) 1.Samuel 1,4-10 79 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst h) 1.Samuel 18,4 i) 1.Könige 19,3.4a j) 1.Könige 21,4 k) Sprüche 4,25-26 l) Sprüche 7,6-9 m) Sprüche 7,10-13a n) Sprüche 31,12-27 o) Markus 2,3-5 p) Lukas 10,30-35a q) Lukas 15,3-4+8+20 r) Lukas 18,10-13 s) 1.Johannes 3,17 3. Um Einigkeit in Ehe und Familie zu schaffen, ist es erfor derlich, wortlose Botschaften korrekt zu senden und zu emp fangen. Bearbeitet die folgenden Aufgaben jeder für sich und tauscht euch anschließend darüber aus. Schreibt die Ergebnis se eurer Diskussion auf und untersucht, was eurer Meinung nach für euer eigenes Leben und das eurer Familie wichtig ist. Inwieweit muss eure wortlose Kommunikation verbessert werden? Seid bereit, eure Gedanken mit anderen auszutau schen. a) Nenne zehn verschiedene Arten wortloser Kommunikation. b) Nenne einige wortlose Verhaltensweisen, die einer tiefen und zufriedenstellenden Beziehung im Wege stehen können. Warum sind sie ein Hindernis? c) Welche wortlosen Verhaltensweisen können das Zusammen gehörigkeitsgefühl stärken und Ehe und Familie zu einem zufriedenstellenden Erlebnis werden lassen? d) Finde heraus, welche deiner wortlosen Verhaltensweisen am problematischsten sind und erkläre, wie sie guten Beziehungen innerhalb der Familie im Wege stehen. e) Welche wortlosen Verhaltensweisen anderer Familienmitglie der verursachen deiner Meinung nach die meisten Probleme? f) Was tust du ohne Worte, um eine gute Beziehung zu fördern? 80 Kapitel 4 Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast g) Stelle für jedes einzelne Familienmitglied fest, welche seiner wortlosen Verhaltensweisen gute Beziehungen in der Familie fördern. 81 Kapitel 5 Hören, was nicht gesagt wird Es wird eine Geschichte über ein Dorf erzählt, dessen Bewohner über wiegend römisch-katholisch waren mit ein paar vereinzelten Juden darunter. Es lief nicht gut, und so beschlossen die römischkatholischen Oberhäupter, die Juden zu bitten wegzuziehen. Als der oberste Priester sich mit dem obersten Rabbi traf, um ihm die Nachricht zu überbringen, forderte der Rabbi den Priester zu einer Debatte heraus, die über das Schicksal der Juden entscheiden sollte. Wenn der Priester das Rededuell gewann, würden die Juden weg ziehen. Sollte aber der Rabbi gewinnen, würden die Juden bleiben. Der Rabbi schlug vor, die Diskussion ganz ohne Worte zu führen, und der Priester erklärte sich einverstanden. Am Tag der Debatte betraten der Priester und der Rabbi einen Raum mit wenigen Zuschauern, die den Sieger feststellen sollten. Der Priester stand auf und warf seine Arme weit auseinander. Der Rabbi erwiderte, indem er mit einer Hand energisch auf den Boden zeigte. Der Priester zeigte darauf drei Finger. Der Rabbi konterte mit einem Finger. Beeindruckt, aber unbeirrt hielt der Priester einen Apfel hoch. Der Rabbi nahm den Apfel und begann ihn zu essen. Daraufhin räumte der Priester ein, dass er übertrumpft worden war. „Ich kann nichts tun, um den Rabbi zu überlisten. Er hat anständig und ehrlich gewonnen. Die Juden dürfen bleiben.” Später erklärte der Priester seinen Kollegen, was passiert war. „Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so gekonnt debattiert und solch überzeugende Argumente vorgebracht hat. Als ich damit eröffnete, dass ich meine Arme weit auseinander warf um zu zeigen, dass Gott überall ist, zeigte er auf den Boden und sagte damit, dass 82 Kapitel 5 Hören, was nicht gesagt wird Gott auch hier ist. Dann hob ich drei Finger um zu erklären, dass Gott drei Personen in einer verkörpert: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Er hob nur einen Finger um zu unterstreichen, dass es nur einen Gott gibt. Schließlich hob ich einen Apfel auf um darauf hin zudeuten, dass Gott die Menschen prüfte. Er nahm den Apfel und begann ihn zu essen, was bedeuten sollte, dass der Mensch geprüft worden war und versagt hatte. In dem Moment wurde mir klar, dass er für alles, was ich sagen würde, überzeugende Gegenargumente haben würde. Deshalb gab ich nach und sagte, dass die Juden blei ben dürfen.” Während der Priester über den Vorgang berichtete, wurde auch der Rabbi von seinen Kollegen danach befragt. „Ich bin nicht sicher”, sagte er. „Ich weiß nur, dass wir bleiben können.” Als sie genauer nachfragten, erklärte er: „Wir betraten diesen Raum und der Priester warf seine Arme auseinander, was heißen sollte, dass wir gehen müssen. Ich zeigte auf den Boden, womit ich sagen wollte, dass wir bleiben. Dann hielt er drei Finger hoch – wir hätten drei Tage, um die Stadt zu verlassen. Ich erwiderte mit einem Finger, dass sie uns mindestens einen Monat Zeit lassen sollten. Dann bot er mir einen Apfel an, um seine Großzügigkeit zu bekunden. Ich nahm den Apfel und wir machten Mittagspause. Fragt mich nicht, warum, aber als ich den Apfel aß, schien der Priester überfordert zu sein und wollte die Debatte nicht weiterführen. Er erklärte mich zum Sieger und sagte, wir könnten bleiben.” Diese ausgedachte Geschichte zeigt, wie leicht es passieren kann, dass nonverbale Kommunikation missverstanden wird. Nicht nur der Priester und der Rabbi sondern auch Familienmitglieder kön nen einander völlig falsch verstehen ohne es je zu bemerken. Ein wichtiger Schritt, um deine Familie nach Gottes Vorstellung zu gestalten, besteht darin, die wortlosen Missverständnisse zu reduzie ren oder ganz auszuschließen. Um solcher Miss-Kommunikation vorzubeugen, muss man vier wichtige Dinge begreifen. Wir sollten uns darüber Gedanken machen, wie andere uns wahrnehmen. 83 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Sei dir bewusst, wie andere dich sehen Wir alle müssen lernen zu verstehen, was und wie wir mit anderen wortlos kommunizieren. Der Wahrheit „ins Gesicht sehen” Ist dir zum Beispiel bewusst, welche Botschaft dein Gesichtsaus druck anderen vermittelt? Er könnte ärgerlich wirken, wenn du gar nicht böse bist. Vielleicht wirkst du so ernst und angespannt, dass du anderen Angst machst. Solange du nicht weißt, welche Botschaft deine Miene sendet, kann es zu Missverständnissen führen und andere reagieren vielleicht unerwartet, weil sie von dir einen ganz falschen Eindruck haben. Vor einigen Jahren sah mich einmal einer meiner Söhne still im Wohnzimmer sitzen und fragte: „Was ist los, Papa?” Ich antwortete: „Nichts, es ist alles in Ordnung.” „Bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?”, fragte er. „Ja”, versicherte ich ihm. Und nachdem wir uns kurz unterhalten hatten, ging er wieder seines Weges. Dies wiederholte sich einige Male (ich brauche etwas Zeit, um solche Dinge zu bemerken) und ich begann zu überlegen, warum er fragte, was los sei. Und dann wurde mir klar, dass es immer dann passierte, wenn ich tief in Gedanken versunken war. Soweit mir bewusst war, war ich in diesen Augenblicken nicht aufgebracht, ärgerlich oder besorgt gewesen. Aber mein Sohn sah nur meinen Gesichtsausdruck, und für ihn sah es so aus, als sei ich über irgend etwas verärgert. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie andere mich manchmal wahrnehmen. Wenn meine Mimik meinem Sohn den Eindruck ver mittelt, ich sei besorgt oder ärgerlich oder traurig, dann sehen andere das wahrscheinlich genauso. Also beschloss ich, mehr auf meinen Gesichtsausdruck zu achten, wenn ich mich in Gegenwart anderer aufhielt. Wenn ich jetzt meinen Sohn das Haus betreten höre, setze ich ein Lächeln auf und begrüße ihn fröhlich. Wenn ich Menschen berate, eine Rede halte oder mich einfach mit Leuten unterhalte, versuche ich, mir bewusst zu machen, was mein Gesichtsausdruck aussagt. Ich will nicht unaufrichtig oder heuchlerisch sein und so tun als sei alles in bester Ordnung, wenn dem nicht so ist. Aber ich 84 Kapitel 5 Hören, was nicht gesagt wird will auch nicht den Eindruck von Kummer oder Unmut vermitteln, wenn ich diese Gefühle in dem Moment nicht empfinde. Taten sprechen lauter Vor kurzem erzählte Jim ein Erlebnis, das verdeutlicht, wie wichtig es ist, sich darüber im Klaren zu sein, wie sich unsere Taten auf andere auswirken. Über mehrere Jahre hatte er ein Doppelleben geführt. Er war verheiratet, hatte Kinder, bekannte sich als Christ und war aktiv in der Gemeinde. Aber gleichzeitig betrog er seine Frau Tanya und lebte seine Homosexualität aus. Im Laufe der Zeit überführte ihn der Herr und in ihm wuchs der Wunsch, ein gottesfürchtiger Mann zu werden. Er suchte nach Hilfe, um seinen sündigen Lebenswandel aufzugeben. Als erstes wandte er sich an eine christliche Seelsorge für Homosexuelle, wo man mit ihm arbeitete und ihm riet, eine christliche Beratungsstelle aufzusuchen. Das tat er auch und beschloss dann, seinem Pastor alles zu beichten und ihn um Hilfe zu bitten. Sein Pastor antwortete darauf: „Das ist eine ernste Angelegenheit, wir sollten uns mindestens einmal die Woche treffen.” Jim war begeistert, aber weißt du, wie oft sich der Pastor tatsäch lich mit ihm traf? Nach diesem Gespräch meldete er sich nie wie der, um einen Termin zu vereinbaren oder um zu sehen, wie es Jim und Tanya ging. Sie wussten, dass sie jemanden brauchten, der sie unterstützen und ermutigen würde und vor dem sie Rechenschaft ablegen würden. Sie dachten, sie könnten mit seiner Hilfe rechnen, um diese schwierigen Probleme zu bewältigen und die nötigen großen Veränderungen durchzuführen. Nachdem aber einige Wochen ver gangen waren, ohne dass der Pastor irgendetwas unternommen hatte, begannen Jim und Tanya daran zu zweifeln, dass es ihn über haupt interessierte. Da er sich nicht um sie gekümmert hatte, konnte man davon ausgehen, dass er sich nicht sonderlich um sie sorgte. Und es blieb ihnen überlassen herauszufinden, warum. Wusste er nicht, dass sie in ernsthaften Schwierigkeiten waren? Litt er unter Homophobie? War er böse auf Jim und nicht bereit, ihm sein Dop pelleben zu vergeben? Sie fühlten sich abgelehnt, ungewollt und allein gelassen. 85 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Jims Berater riet ihm, mit seinem Pastor zu sprechen und ihm mitzuteilen, dass er sich verlassen fühlte. Der Pastor entschuldigte sich und sagte, ihm war nicht bewusst gewesen, wie wichtig die geplanten Treffen für Jim und seine Frau waren. Er hätte gedacht, da sie zu einem christlichen Berater gingen, der viel mehr über Homosexualität und Eheprobleme wüsste als er, würde er vielleicht nur stören. Er selbst hatte nur wenig Erfahrung in der Arbeit mit Homosexuellen und keine Erfolge gehabt. Er betonte, dass seine Passivität auf keinen Fall bedeutete, dass er sich nicht um sie sorgte. Wahrscheinlich stimmte es, was der Pastor sagte. Ihm war aber leider nicht bewusst gewesen, wie Jim und Tanya den Widerspruch zwischen seiner mündlichen Zusage und seiner Tatenlosigkeit (non verbales Verhalten) deuten würden. Der Pastor kannte seine Gründe dafür, was er tat, und schien anzunehmen, dass sie es genauso sehen würden. Aber sie taten es nicht! Lerne daraus, wie wichtig es ist, dein Verhalten mit den Augen anderer zu betrachten. Versuche – so gut es geht – durch dein wortloses Verhalten das zu übermitteln, was du aussagen willst – was du denkst und fühlst. Bleib mit dir selbst verbunden Es gibt noch andere Fälle, wo wir anderen nicht das mitteilen, was wir eigentlich beabsichtigen. Manchmal spiegelt unser Verhalten das wider, was in uns vorgeht, aber unsere wahren Gefühle sind uns nicht bewusst. Das geschieht häufig, wenn wir sündige Gefühle haben. Weil wir vielleicht nicht zugeben wollen, dass unsere Gedan ken, Gefühle, Wünsche und Werte falsch sein könnten (Sprüche 16,2; 21,2), leugnen wir sie, schieben die Schuld von uns, suchen Ent schuldigungen, verheimlichen sie oder geben ihnen andere Namen. Wir belügen uns selbst und andere (Jakobus 1,22) darüber, was sich in unserem Leben wirklich tut. Ein Beispiel gefällig? Wir sind verärgert. Anstatt es einfach zuzugeben, versuchen wir, mit Ablenkungsmanövern die Wahrheit zu verbergen. Wir leugnen glatt weg, dass wir böse sind. Wenn uns jemand fragt: „Was quält dich?”, sagen wir: „Nichts.” Wenn jemand sagt: „Du scheinst sehr unzufrieden mit mir zu sein. Habe ich etwas 86 Kapitel 5 Hören, was nicht gesagt wird falsch gemacht?”, antworten wir: „Nein, ich bin nicht verärgert. Ich liebe dich wirklich. Wie kommst du nur darauf, dass ich dich nicht in meiner Nähe haben will?” Wir denken, es ist sicherer, unsere wahren Gefühle zu leugnen, anstatt ehrlich zu sein und sie im Licht der Bibel zu betrachten. Manchmal geben wir unseren Gefühlen auch neue Namen, um von ihrem wahren Charakter abzulenken. Anstatt zuzugeben, dass wir sehr verbittert, gekränkt oder wütend sind, gebrauchen wir Umschreibungen wie „Ich bin etwas verletzt”, „Ich bin enttäuscht”, „Ich mache mir nur Sorgen” oder „Ich verstehe nicht”. Wir spielen den Ernst der Lage herunter, um Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Vielleicht sind wir uns unserer wahren Gefühle gar nicht bewusst und bestehen darauf, dass wir nicht gereizt, verärgert oder wütend sind, selbst wenn das in Wahrheit der Fall ist. Jeremia warnt uns und sagt, dass unser Herz so trügerisch ist, dass wir oft die Wahrheit über uns selber nicht erkennen (Jeremia 17,9). Auf den ersten Blick mag es so scheinen, als hätten wir einen Vorteil davon, wenn wir unsere wahren Gefühle leugnen oder umbenennen. In Wahrheit aber ist es eine sehr gefährliche Gewohnheit. Das Wort Gottes entlarvt die Torheit und die Gefahr von Ver leugnung und Umbenennung, wenn es sagt (Sprüche 26,23-26+28): Silberglasur über ein irdenes Gefäß gezogen, so sind feurige Lippen und ein böses Herz. Mit seinen Lippen verstellt sich der Hasser, und in seinem Herzen nimmt er sich Betrügereien vor. Wenn er schöne Worte macht, so traue ihm nicht, denn es sind sieben Gräuel in seinem Herzen. Hüllt sich der Hass in Täuschung, so wird seine Bosheit [d.h. seine wahren Gefühle, sein Hass, seine Feindseligkeit, seine Bösartigkeit] doch offenbar [d.h. vielleicht durch sein Benehmen oder seinen Gesichtsausdruck oder seine Gesten] in der Gemeinde [d.h. in der Öffentlichkeit, nach außen hin]. […] Eine Lügenzunge [d.h., man sagt: Ich liebe dich, ich bin nicht böse, ich bin nur verletzt, obwohl es nicht stimmt] hasst die von ihr Zermalmten, und ein glatter Mund richtet Verderben an. Effektiv mit anderen Familienmitgliedern zu kommunizieren, 87 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst bedeutet, dass man über seine Gedanken, Wünsche und Gefühle absolut ehrlich ist. Man muss sie nicht unbedingt vor der ganzen Familie kundtun. Man muss sie aber sich selbst, Gott und vielleicht einer anderen gottesfürchtigen Person eingestehen, die dir helfen kann, damit richtig umzugehen (Galater 6,1; Hebräer 3,12-13). Das bedeutet: Du musst lernen, unbiblische und unchristliche Gefühle durch biblische zu ersetzen, die Christus Ehre bringen (Gal. 5,19-26; Eph. 4,17-24; Kol. 3,5-14). (Wie man seine wahren Gefühle anderen mitteilt, werden wir in den Kapiteln 6 bis 9 besprechen.) Wissen, wann eine Erklärung nötig ist Ein wichtiger Bestandteil effektiver Kommunikation besteht darin, anderen sein wortloses Verhalten zu erklären. Wenn du nach der Arbeit nach Hause kommst und über jemanden verärgert bist, soll test du zu deiner Frau sagen: „Liebling, was für ein Tag! Alles schien schief zu laufen. Ich hinke meinen Terminen hinterher und der Chef verlangt Unmögliches von mir. Ich versuche alles, was heute passiert ist, auf eine gottgefällige Art zu verarbeiten, aber im Moment habe ich Schwierigkeiten damit. Du und die Kinder sollt wissen, dass ich nicht so gut gelaunt bin, wie ich sein sollte, aber es hat nichts mit euch zu tun. Ich bitte euch auch, heute Abend ein bisschen Rücksicht auf mich zu nehmen. Ich will nicht gemein sein, aber ich habe das Gefühl, es würde nicht viel brauchen, um mich zum Explodieren zu bringen. Ich verteidige mich nicht, sondern ich bitte um eure Hilfe, bis ich meine Gefühle unter Kontrolle bringe.” Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie hilfreich diese Übung sein kann. Als ich vor kurzem aufgebracht von der Arbeit nach Hause kam, versuchte ich dies mit meiner eigenen Familie. Noch vor dem Abendessen sprachen sie ihr Mitgefühl aus und hörten mir zu. Während des Essens beteten sie für mich und waren besonders liebenswürdig und freundlich zu mir. Meine Frau schlug vor, dass ich ein entspannendes Bad nähme und dabei Musik laufen ließ. Ich befolgte ihren Rat, verbrachte eine Zeit im Gebet und wurde dabei viel ruhiger. Wenn ich meinen inneren Kampf nicht mitgeteilt hätte, hätte meine Familie wahrscheinlich mein mürrisches und sündhaftes 88 Kapitel 5 Hören, was nicht gesagt wird Verhalten auf sich selbst bezogen. Ihre Reaktionen darauf hätten wohl meine ursprüngliche Verzweiflung noch verschlimmert. In diesem Fall hatte meine Erklärung schädliche Miss-Kommunikation verhindert. Es half meiner Familie, meine Last zu tragen und zur Lösung des Problems beizutragen. Vorsicht beim Deuten der Handlungen anderer Bis jetzt war unsere Aufmerksamkeit auf den Sender von Botschaf ten gerichtet. Es gibt natürlich auch eine offensichtliche Folgerung für den Empfänger nonverbaler Kommunikation. Wie wir bereits festgestellt haben, wird die Botschaft vom Empfänger oft falsch verstanden, was darauf schließen lässt, dass wir vorsichtig sein müssen, wenn wir das Verhalten anderer deuten. Die Liebe „bläht sich nicht auf” (1.Kor. 13,4). „Sie freut sich nicht an der Ungerechtigkeit” (1.Kor. 13,6). Die Liebe „hofft alles” (1.Kor. 13,7). Die Liebe ver sucht, das Verhalten anderer möglichst positiv zu deuten. Solange ihr nicht das Gegenteil bewiesen wird, geht sie vom Besten aus anstatt vom Schlimmsten. Die Liebe geht nicht umher und sucht nach Beleidigungen und Beschimpfungen. Die Liebe fängt nicht an, sich selbst zu verteidigen. Die Liebe nimmt nicht alles persönlich. Die Liebe erkennt, dass ein und dasselbe Verhalten in verschiede nen Situationen verschiedene Bedeutungen haben kann. Wenn wir uns also Gedanken machen, wie wir das Benehmen eines anderen Menschen deuten können, wäre es gut, wenn wir zu der Person hingingen und (beispielsweise) sagten: „Du scheinst verzweifelt zu sein. Kann ich dir irgendwie helfen? Was hat dich so mitgenommen?” Sagen wir, ich komme verärgert nach Hause und meine Frau spürt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Sie weiß nicht, was es ist. Sie stellt nur fest, dass ich nicht gerade begeistert bin sie zu sehen. Ich gebe ihr einen flüchtigen Kuss und verhalte mich zurückhaltend. Ich gehe nicht darauf ein, wenn sie mich fragt, wie mein Tag gelaufen ist, oder wenn sie mir von ihrem erzählt. Sie bekommt den Ein druck, dass ich mich über irgendetwas ärgere. An diesem Punkt gibt es zwei Möglichkeiten, wie der weitere Abend verlaufen kann. Wenn ich mein Verhalten nicht erkläre (wie in dem oberen Beispiel), könnte meine Frau davon ausgehen, dass 89 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst sich meine Verstimmung auf sie bezieht. Sie könnte das Problem verschärfen, indem sie mein Benehmen persönlich nimmt. Oder sie überlegt sich: „Es ist offensichtlich, dass Wayne etwas quält. Ich sollte für ihn beten und versuchen, ihn aufzumuntern. Vielleicht braucht er nur ein bisschen Zeit für sich allein, um sich zu entspannen. Nein, ich glaube, das ist nicht die beste Lösung. In der Vergangenheit hat Wayne sich gewöhnlich besser gefühlt, nachdem ich ihm ein paar Fragen gestellt und er sich alles von der Seele geredet hatte.” Und dann würde sie liebevoll sagen: „Als du nach Hause kamst, machtest du den Eindruck, als ob dich irgendetwas stark beschäftig te. Willst du darüber reden? Hilf mir bitte zu verstehen, was in dir vorgeht.” Durch diese Reaktion hätte meine Frau die Beurteilung meines Ver haltens aufgeschoben, bis sie sicher war, was es wirklich zu bedeuten hatte. Da sie um eine Erklärung bat, hätte sie erfahren, dass mein Benehmen nichts mit ihr zu tun hatte. Dadurch hätte sie mir helfen können, mit meinem Problem auf eine christlichere Art fertig zu werden. Wenn aber mein unbiblisches Verhalten eine Reaktion auf etwas gewesen wäre, das sie getan hatte, hätten wir auch darüber reden und den Sachverhalt auf eine Art klären können, die Gott verherrlicht hätte. Wenigstens wären wir der Gefahr von Miss-Kommunikation aus dem Weg gegangen, weil meine Frau die Situation richtig verstanden hätte. Aufklärung – die andere Person freundlich bitten, dir zu helfen, sie zu verstehen – ist eine nützliche Methode, um nonverbale Kommu nikation effektiver zu gestalten. Du solltest niemals davon ausgehen, dass du unfehlbar richtig deutest, was das negative Verhalten eines anderen bedeutet. Du bist ja selbst von anderen falsch verstanden worden; es ist daher genauso gut möglich, dass du andere falsch verstehst. Macht es also zu einer regelmäßigen Gewohnheit in eurer Familie, euch auszusprechen. So gut diese Methode auch sein mag, muss ich doch eine kleine Warnung hinzufügen. Übertreibt es nicht! Manche Menschen sind so unsicher und empfindlich, dass sie immer denken, der andere sei böse auf sie. Sie sind so über-wachsam gegen alles, was auf Schwierigkeiten schließen lassen könnte, dass sie alles persönlich 90 Kapitel 5 Hören, was nicht gesagt wird nehmen. Sie bedrängen den anderen mit Fragen: „Liebst du mich? Habe ich etwas falsch gemacht? Bist du böse auf mich? Ich weiß, dich quält etwas; du willst es nur nicht sagen.” Die Geduld des anderen wird dadurch auf die Probe gestellt und er läuft Gefahr, gereizt zu werden. Er fühlt sich wie in einem Verhör. Sei also zurückhaltend mit deinen Bitten um Erklärungen. Wende diese Methode vorsichtig an, wenn es um wichtige Bereiche eurer Beziehung geht. Jakob und Esau In der Bibel finden wir ein interessantes Beispiel dafür, wie wichtig eine Erklärung manchmal sein kann. Es ist eine Begebenheit aus dem Leben Jakobs, aus der Zeit, als er in das Land zurückkehrte, in dem er geboren und aufgewachsen war. Wir erinnern uns, dass er sein Heimatland unter schmerzlichen Umständen verlassen hatte. Weil Jakob seinen Bruder betrogen und hintergangen hatte, war Esau sehr wütend auf ihn. Er hatte sogar gedroht, ihn zu töten. Jetzt kehrt Jakob an den Ort zurück, wo Esau lebt. Er weiß nicht, wie Esau ihn empfangen wird und nimmt an, dass er noch immer böse auf ihn ist. Und so heißt es in der Schrift (1.Mose 32,4+7): Und Jakob sandte Boten vor sich her zu seinem Bruder Esau ins Land Seir, in das Gebiet von Edom […] Und die Boten kehrten wieder zu Jakob zurück und berichteten ihm: Wir sind zu deinem Bruder Esau gekommen; und er zieht dir auch schon entgegen, und 400 Mann mit ihm! Jakob legt sein eigenes Raster an, um diese Nachricht über Esau zu deuten. Warum sollte Esau sich die Zeit nehmen, ihn persönlich zu begrüßen? Warum sollte er vierhundert Mann mitbringen? Er interpretiert Esaus Verhalten und schließt daraus, dass er immer noch einen Groll gegen ihn hegt. Er meint zu hören, was Esau nicht sagt, und folgert, dass er ihn auslöschen will. Die Geschichte geht so weiter: Da fürchtete sich Jakob sehr, und es wurde ihm angst. Und er teilte das Volk, das bei ihm war, und die Schafe, Rinder und Kamele in zwei Lager; denn er sprach: Wenn Esau das eine 91 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Lager überfällt und es schlägt, so kann doch das übrig gebliebene Lager entkommen! Und Jakob sprach: Du Gott meines Vaters Abraham und Gott meines Vaters Isaak […]! Errette mich doch aus der Hand meines Bruders, aus der Hand Esaus; denn ich fürchte ihn; er könnte kommen und mich erschlagen […]. Und er brachte die Nacht dort zu und nahm von dem, was er erworben hatte, als Geschenk für seinen Bruder Esau: [Er nahm] 200 Ziegen, 20 Böcke, 200 Mutterschafe, 20 Widder, [sowie] 30 säugende Kamele mit ihren Füllen, 40 Kühe und 10 Stiere, 20 Eselinnen und 10 Eselhengste. Und er gab sie in die Hand seiner Knechte […] und sprach […]: Geht vor mir hinüber und lasst Raum zwischen den einzelnen Herden! […] Ebenso befahl er auch dem zweiten und dem dritten und allen, die hinter den Herden hergingen, und sprach: So sollt ihr mit Esau reden, wenn ihr ihn antrefft; und ihr sollt sagen: Siehe, dein Knecht Jakob kommt auch hinter uns her! Denn er dachte: Ich will sein Angesicht günstig stimmen mit dem Geschenk, das vor mir hergeht; danach will ich sein Angesicht sehen; vielleicht wird er mich gnädig ansehen! […] Und Jakob erhob seine Augen und schaute, und siehe, Esau kam heran und 400 Mann mit ihm. Da verteilte er die Kinder auf Lea und auf Rahel und auf die beiden Mägde. Und er stellte die Mägde mit ihren Kindern voran, und Lea mit ihren Kindern danach, und Rahel mit Joseph zuletzt. Er selbst aber ging ihnen voraus und verneigte sich siebenmal zur Erde, bis er nahe zu seinem Bruder kam. (1.Mose 32,8-10a.12.14-17.20-21; 33,1-3) Beachte, wie Jakob Esaus wortloses Verhalten deutete und wie es ihn beeinflusste. Es beeinflusste seine Gefühle: Er wurde ängstlich und entmutigt. Es beherrschte seine Gedanken: Er überlegte lange, wie er reagieren sollte, was er zu seinem Schutz unternehmen sollte, was er und seine Diener sagen sollten. Es beeinflusste seine innere Haltung und seine Taten: Er erkannte seine eigene Schwachstelle; er betete. Er sprach ständig darüber; er teilte seine Herde auf; er wurde großzügig und fürsorglich; er sandte ein großes Geschenk für Esau voraus; er beugte sich siebenmal zur Erde um seine vollständige 92 Kapitel 5 Hören, was nicht gesagt wird Ergebenheit zu bekunden. Dies alles geschah, noch bevor Esau ein einziges Wort gesprochen hatte. Und es stellte sich heraus, dass es alles auf ein Missverständnis zurückzuführen war. Jakob hatte Esaus nonverbales Verhalten völlig falsch gedeutet. Die Bibel berichtet: Da lief ihm Esau entgegen, umarmte ihn, fiel ihm um den Hals und küsste ihn; und sie weinten. […] Und er fragte: Was willst du denn mit jenem ganzen Heer, dem ich begegnet bin? Jakob antwortete: Ich wollte Gnade finden in den Augen meines Herrn! Esau antwortete: Ich habe genug, mein Bruder; behalte, was du hast! (1.Mose 33,4+8-9) Abklärung und Erörterung bewahrten Jakob und Esau davor, die Taten des anderen falsch zu deuten. Zu Beginn waren beide nicht sicher, was der andere meinte. Jakob missdeutete den Grund dafür, dass Esau mit so großer Begleitung kam, und Esau verstand nicht, warum Jakob seinen Besitz vor sich her gesandt hatte. Sie verstanden einander besser, nachdem sie sich ausgesprochen und ihr nonverbales Verhalten erklärt hatten. Stell dir aber einmal vor, was passiert wäre, wenn Jakob sich wieder dorthin zurückgezogen hätte, woher er gekommen war. Er hätte den Rest seines Lebens in dem Glauben gelebt, dass Esau ihn immer noch hasst. Er hätte nie den Segen der Versöhnung mit seinem Bru der erlebt. Dieses Missverständnis hätte ihn bis ins Grab verfolgt. Oder nehmen wir an, er hätte beschlossen, Esau anzugreifen, bevor Esau ihn angreifen konnte. Er hätte seinen Bruder überfallen, bevor sie die Möglichkeit gehabt hätten, die Sache zu klären. Viele Leben und Güter hätten verloren gehen können. Jakob und Esau hätten beide sterben können, ohne jemals zu wissen, wie gründlich sie einander missverstanden hatten. Aber das alles konnte verhindert werden, weil sie sich die Zeit nahmen, Erklärungen auszutauschen. Forscher behaupten, dass Kommunikation zu 55 Prozent nonverbal und zu 45 Prozent verbal stattfindet. Ob diese Prozentzahlen immer zutreffen, weiß ich nicht. Es ist aber offensichtlich, dass das, was andere aus unserem Verhalten heraushören können, Aussagekraft hat, vielleicht sogar mehr, als wenn wir es in Worte fassen würden. Arbeite daran, dir selbst gegenüber über deine Gedanken und 93 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Gefühle ehrlich zu sein. Versuche, dir bewusst zu machen, wie andere dich vielleicht wahrnehmen. Mach es zu einer regelmäßigen Ge wohnheit in deiner Familie, Sachverhalte zu klären und zu erörtern. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Schreibe die vier wichtigen Lektionen über nonverbale Kom munikation auf, die deine Familie einüben und anwenden soll. Führe eine Selbst-Einschätzung in Bezug auf dein nonverbales Verhalten durch – wie erfolgreich wendest du diese vier Prinzipien an? Die Bewertungsskala ist: Ausgezeichnet, gut, mittelmäßig, schlecht, sehr schlecht. Bewerte auch andere Familienmitglieder. 2. Wie können wir aus den Reaktionen anderer auf unser eigenes nonverbales Verhalten schließen? Was erfahren wir über uns selbst, wenn wir merken, dass viele Leute in ähnlicher Weise auf uns reagieren? Beziehe Sprüche 11,27; 12,24; 13,15; 14,22b; 14,35; 17,13; 22,5 und 27,18 in die Beantwortung dieser Frage mit ein. 3. Vor welcher Gefahr im Bereich der nonverbalen Kommuni kation werden wir in Sprüche 16,2; 26,23-28; Jeremia 17,9 und Jakobus 1,22 gewarnt? 4. Stell eine Liste von Gefühlen und Grundhaltungen zusam men, die du in den letzten zwei Wochen empfunden hast (z.B. Wut, Traurigkeit, Entmutigung, Unzufriedenheit, Freude, Glück, Genuss, Friede, Sorge, Verzweiflung, Zufriedenheit, Aufregung, Mitgefühl, Enttäuschung, Nervosität, Angst, Schrecken, Ärger, Stolz, Demut, Scham, Verlegenheit, etc.), und notiere die jeweilige Situation. Welche dieser Gefühle und Grundhaltungen bereiten dir die meisten Probleme? 94 Kapitel 5 Hören, was nicht gesagt wird Wel che Stimmung nehmen wohl die Menschen, die dich am besten kennen, am häufigsten bei dir wahr? Wie wird dein nonverbales Verhalten dadurch beeinflusst? Wie können andere deine Stimmungslage erkennen (oder erraten), wenn du nicht darüber sprichst? 5. Wie können wir die Wahrheiten aus 1.Kor. 13,4-7 anwenden, wenn wir das Verhalten anderer zu deuten versuchen? 6. Inwiefern unterstreicht das Beispiel von Jakob und Esau den Hauptgedanken dieses Kapitels über wortloses Verhalten? 7. Wähle sechs Gefühle oder Grundhaltungen aus der folgen den Liste aus und versuche, sie ohne Worte zu übermitteln. Versetze dich gedanklich in eine Situation, wo du die Stim mung erlebt hast, die du gerade darstellen willst. Wechsle dich mit deinem Partner ab, bis jeder sechs Gefühle oder Grund haltungen dargestellt hat. Wie oft könnt ihr erraten, welche Stimmung übermittelt werden soll? Besprecht die Ergebnisse. Liebe Wut Glück Sexuelles Interesse Friede Enttäuschung Unbehagen Verärgerung Angst Entmutigung Traurigkeit Unglaube Zweifel Gleichgültigkeit Teilnahmslosigkeit Bescheidenheit Beklemmung Schuld Vorsicht Scham Schmerz Vertrauen Zuversicht Stolz Verlegenheit Kummer Begeisterung Entzücken Vergnügen 95 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! „Sobald meine Frau und ich über Dinge ins Gespräch kommen, die mir helfen würden, sie besser kennen zu lernen, macht sie dicht und verweigert jede weitere Unterhaltung. Sie hält alles unter Verschluss.” „Meine Frau fängt selten eine Unterhaltung an. Bei fast jedem Gespräch muss ich die Führung übernehmen, sonst wäre unser Haus wie eine Leichenhalle.” „Der Sprachschatz meines Mannes besteht aus einem einzigen Wort. Nein, es sind eher zwei. Eins davon ist Uh-hu und das andere ist Uh-uh.” „Sie haben vom alten Steingesicht gehört? Ich habe es geheiratet.” „Ich habe eine Zeitung auf Beinen geheiratet.” „Unseren Sohn zum Reden zu bringen, ist wie Zähneziehen. Wenn ich ihn etwas frage, grunzt er nur oder gibt eine einsilbige Antwort. Seine Lieblingswörter sind ‚nichts‘, ‚ich weiß nicht‘ und ‚lass mich in Ruhe‘. Andere Kinder reden doch mit ihren Eltern. Warum kann er es nicht?” Jeder Ehe- und Familienberater hat schon ähnliche Beschwerden über den Mangel an Kommunikation gehört. Sehr viele Menschen, Männer wie Frauen, wünschen sich ausführlichere Unterhaltungen mit anderen Familienmitgliedern, aber ein vorherrschendes Muster, das ich hier als „Verschwiegenheit” bezeichnen möchte, hält sie auf Distanz. Ein Sprichwort sagt: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Die Heilige Schrift hält dem allerdings entgegen (Sprüche 25,11): „Wie goldene Äpfel in silbernen Schalen, so ist ein Wort, gesprochen zur rechten Zeit.“ Es mag wohl Situationen geben, in denen Schweigen angebracht ist und in denen Verschwiegenheit 96 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! eine wichtige Tugend ist. Uns anvertraute Geheimnisse müssen wir für uns behalten (vgl. Sprüche 11,13), diese gute Art der Verschwiegenheit meine ich also nicht. In Sprüche 25,11 werden (zur rechten Zeit gesprochene) Worte, mit „goldenen Äpfeln“ verglichen. Solche Worte sind „Gold wert“. Das Schweigen aber ist lange nicht immer Gold. Für Beziehungen ist Schweigen nicht selten ein tödliches Gift. Der Wert von Worten Gott hat uns so geschaffen, dass wir mit Worten kommunizieren können, und erwartet von uns, dass wir diese Gabe auch nutzen. Die folgenden Verse sind nur einige davon, die uns ermutigen die Gabe der Sprache zu nutzen und uns sogar vor falscher Verschwiegenheit warnen. „Der Mund des Gerechten ist eine Quelle des Lebens…“ (Sprü che 10,11) „Die Lippen des Gerechten weiden viele…“ (Sprüche 10,21) „Die Lippen des Gerechten verkünden Gnade…“ (Sprüche 10,32) „Redet zueinander…“ (Epheser 5,19) „So tröstet nun einander mit diesen Worten!“ (1.Thessalonicher 4,18) All diese Verse deuten an, dass Gott will, dass wir unsere Sprach fähigkeit nutzen. Die Lippen des gerechten Mannes sollen nicht stän dig schweigen; sie sollen dazu eingesetzt werden, andere zu fördern. Unsere Lippen sollen Beifall bekunden, Zorn abwenden, Freund schaft fördern, Wissen loben, die Erschöpften ermutigen, Aufmunterung bieten und Heilung fördern. Gott beschreibt die vorbildliche Ehefrau und Mutter so (Sprüche 31,26): „Ihren Mund öffnet sie mit Weisheit, und freundliche Unter weisung ist auf ihrer Zunge.” Sie hält ihren Mund nicht ständig verschlossen. Ihr Mann und ihre Kinder wissen, was sie denkt und 97 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst fühlt, weil sie es ihnen sagt. Sie brauchen nicht zu raten und müssen sich nicht auf ihr wortloses Verhalten verlassen. Diese Frau teilt ihre Stimmung mit, und diese Offenheit fördert Harmonie und Nähe zu anderen Mitgliedern ihrer Familie. Jeder braucht eine gesunde Dosis verbaler Kommunikation inner halb der Familie. Durch Gebet, Planung und Bevollmächtigung durch den Heiligen Geist bei der Umsetzung kann sie zur Realität werden. Verschiedene Formen der „Verschwiegenheit” Wortmangel Die am häufigsten vorkommende Form der falschen Verschwiegen heit ist einfach ein Mangel an Worten. Leute haben mir erzählt, dass in ihrer Familie manchmal tagelang kein einziges Wort gewechselt wurde. Ein Mann berichtete sogar, dass seine Frau seit fünf Wochen nicht mehr mit ihm gesprochen hatte. Eltern erzählen mir, dass ihre Kinder nie eine Unterhaltung anfangen. Sie reden nur dann, wenn man ihnen eine Frage stellt, und auch dann nur sehr zurückhaltend. Wenn solche Gewohnheiten vorherrschen, bleibt die Beziehung oberflächlich und wird langweilig. Unterhaltungen dagegen machen eine Beziehung interessant. An manchen Arbeitstagen habe ich mehrere Stunden lang Ter mine für Beratungsgespräche. Manchmal werde ich müde und wür de gern entspannen oder Feierabend machen, aber ich kann nicht, weil ich noch weitere Beratungstermine vereinbart habe. In solchen Momenten frage ich mich, ob ich für die Ratsuchenden überhaupt von Nutzen sein kann. Aber die Termine sind gemacht worden und die Leute sind gekommen. Also bitte ich den Herrn um Hilfe und schenke den Klienten meine volle Aufmerksamkeit. Ich höre ihnen zu und äußere mich zu ihren Fragen. Sie gehen wiederum auf mich ein und nach einer Viertelstunde merke ich, dass ich überhaupt nicht mehr müde bin. Die Bereitschaft meiner Klienten, ihr Leben, ihr Innerstes vor mir offenzulegen, ist erfrischend. Oft habe ich am Ende der Sitzung mehr Energie als davor. Die gleiche Erfahrung habe ich schon oft mit meiner Familie 98 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! ge macht. Unzufriedenheit, Müdigkeit und Einsamkeit konnten durch Unterhaltungen vertrieben werden. Stattdessen erwuchs daraus ein Gefühl von Begeisterung, Engagement, Sicherheit, Wär me und Bestätigung. Das Schweigen hat aber einen gegensätzlichen Effekt. Als mir eine Frau einmal erzählte, dass ihr Ehemann nicht sehr gesprächig war, legte ich ihr nahe: „Na ja, vielleicht hat dieser Kommunikations mangel gar nichts mit Ihnen zu tun. Wahrscheinlich fällt es ihm allgemein einfach sehr schwer, sich zu unterhalten.” Und das sagte ich nicht, um den Mann zu verteidigen oder die Sorge der Frau herunterzuspielen. Denn ich weiß aus Erfahrung, dass es Menschen gibt, denen es einfach schwerer fällt sich mitzuteilen als anderen. Aber sie widersprach mir: „Nein, ich habe ihn beobachtet, wenn er mit anderen zusammen ist, besonders mit seinen Kollegen. Mit ihnen redet er viel. Nur bei mir ist er so zurückhaltend.” Diese Frau deutete das Schweigen ihres Mannes als direkte Ablehnung ihrer selbst. „Er hält mich nicht für sehr wichtig. Ich bin es nicht einmal wert, dass er mit mir spricht.” Dass ihr Mann nicht einmal den Versuch unternahm, eine Unterhaltung mit ihr aufzunehmen, führte bei ihr zu Enttäuschung, Unzufriedenheit und Unmut. Themenvermeidung Die falsche Verschwiegenheit tritt manchmal in Form von Themen vermeidung auf. Jemand unterhält sich gerne über bestimmte The men, meidet aber andere. Vielleicht redet er über Dinge, die ihn interessieren, aber nicht über das, was andere interessiert. Oder er spricht gerne über oberflächliche Themen, aber nicht über seine eigenen Gedanken, Meinungen oder Gefühle. Das ist eine Tragödie. Die Heilige Schrift sagt uns, „freundliche Worte sind … süß für die Seele” und gute Neuigkeiten mitzuteilen ist „wie kühles Wasser für eine dürstende Seele” (Sprüche 16,24; 25,25). Einige der besten Neuigkeiten und erfrischendsten Worte, die Familienmitglieder einander sagen können, sind angenehme Worte wie „Ich liebe dich”, „Du bist wirklich etwas ganz Besonderes für mich”, „Ich danke Gott für dich” und „Ich bin wirklich gern mit dir zusammen”. 99 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Traurigerweise haben viele Menschen Hemmungen, anderen Mitgliedern ihrer Familie solche Empfindungen in Worten auszu drücken. Ich höre von Ratsuchenden oft Äußerungen wie: „Ich liebe sie in meinem Herzen. Tief in mir drin, wirklich. Ich gehe nur nicht herum und sage es.” Eine Frau berichtete, ihr Mann hätte ihr seit vier Jahren nicht mehr gesagt, dass er sie liebte. Ich fragte ihn, ob das stimmte. Er antwortete: „Ja.” „Warum? Lieben Sie sie denn nicht?”, fragte ich. Er antwortete: „Oh doch, ich liebe sie. Ich rede einfach nicht darüber. Ich zeige es auf andere Weise.” So manches Kind (jung oder alt) hat mir mit tiefem Schmerz und großer Traurigkeit bekundet: „Meine Eltern haben mir nie gesagt, dass sie mich lieben.” Leidende Eltern machen ähnliche Äußerungen über ihre Kinder. Ich habe gesehen, wie sie bitterlich weinten, weil ihre Kinder weder mit Worten noch auf andere Weise ihre Liebe bekundeten. Jim war frustriert über seine Ehefrau Jane, weil sie über bestimmte wichtige familiäre Angelegenheiten einfach nicht mit ihm sprechen wollte. Themen wie Sex, Kindererziehung, Beziehung zu den Schwiegereltern, Finanzen, Arbeitsplatzwechsel und ähnliches waren ein Tabu. Sobald Jim eine Unterhaltung in die Richtung einer dieser Themen zu lenken versuchte, sagte Jane einfach: „Ich will darüber nicht reden”, oder „Lass uns morgen darüber reden”, oder „Darüber habe ich mir gar keine Gedanken gemacht.” Manchmal wurde sie ärgerlich oder gab eine schnippische Antwort, um zu betonen, dass sie darauf nicht weiter eingehen wollte. Je mehr Themen Jane vermied, desto mehr ungeklärte Fragen sammelten sich im Laufe der Jahre an. Schließlich bekamen Jim und Jane ernsthafte Ehe- und Familienprobleme, weil viele wichtige Themen nicht besprochen wurden. Gleichgültigkeit Manchmal tritt „Verschwiegenheit” als gleichgültige Unterhaltung auf. Die Botschaft: „Mir ist es egal, was du denkst, fühlst, willst oder sagst”, kann entweder wörtlich oder indirekt durch eine ausdrucks lose Miene, Unaufmerksamkeit oder das Fehlen von Begeisterung in der Stimme übermittelt werden, wenn jemand über seine Interessen 100 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! oder Sorgen spricht. So oder anders kommt die Botschaft an, dass es dich wirklich nicht interessiert, was der andere sagt; er und seine Gedanken sind dir völlig gleichgültig. Verschlossenheit Auch Verschlossenheit ist eine Form der „Verschwiegenheit”. Ehe frauen äußern oft etwa so: „Ich kenne meinen Mann nicht. Er teilt mir seine Gedanken nicht mit. Er redet nie über seine Wünsche, Ziele oder Sorgen. Er zeigt seine Gefühle nicht. Er hält mich auf Distanz, sodass ich nicht herausfinden kann, was in seinem Inneren vorgeht. Ich wüsste gerne, wie er tickt, aber er lässt mich nicht an sich heran.” Manchmal sagen Eltern: „Ich weiß überhaupt nicht, was mein Kind denkt oder wie es zu bestimmten Dingen steht. Es ist wie ein Haus, in dem die meisten Zimmer abgeschlossen und die Vorhänge vorgezogen sind, so dass ich nicht hineinsehen kann.” Verschlossenheit verhindert Nähe und vereitelt Bemühungen, die Familie nach Gottes Vorstellung zu gestalten. Mangel an Respekt Die falsche Verschwiegenheit zerstört die Familie manchmal durch den Mangel an Respekt. Steve denkt, er hat eine großartige Idee. Sie ist ihm sehr wichtig und er erzählt sie seinem Vater, wobei er ein: „Hey, Steve, das ist eine tolle Idee! Wie kann ich dir helfen?”, erwartet. Oder wenigstens: „Das ist ja sehr interessant. Erzähl mir mehr darüber.” Stattdessen erhält er gar keine Antwort oder nur ein „hmm”. Darauf nimmt der Vater die Zeitung zur Hand oder wechselt zu einem Thema, das ihm selbst wichtig ist. Es ist so, als hätte Steve nichts gesagt – oder zumindest nichts Beachtenswertes. Das Ergebnis ist, dass Steve sich abgelehnt fühlt. Mangel an Respekt zeigt sich auch dann, wenn die Familie in eine Unterhaltung verwickelt ist und eine Person etwas sagt, aber keiner darauf eingeht. Oder der Vorschlag wird heruntergespielt. Er tritt auf, wenn ein Familienmitglied die Ideen oder Leistungen eines anderen als seine eigenen ausgibt und den wahren Ursprung verheimlicht. Er kann auftreten, wenn Familienmitglieder gestritten haben oder eins 101 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst gegen das andere gesündigt hat und keiner seine Schuld oder seinen Fehler zugeben will. Wenn die Worte: „Ich war im Unrecht und du hattest Recht”, oder „Bitte vergib mir die sündige Art, wie ich dich behandelt habe”, in einer Familie selten zu hören sind, dann herrscht in dieser Familie ein Mangel an Anerkennung. Mangel an Wertschätzung Die falsche Verschwiegenheit kommt auch in Familien vor, wo man sich gegenseitig nur selten oder nie sagt, dass man den anderen schätzt. In solchen Familien hält man die Gegenwart des anderen für selbstverständlich und dankt einander nur selten für einfache Gefälligkeiten, falls überhaupt. Man tut so, als hätte man die Hilfe und Rücksichtnahme des anderen verdient. Liebesdienste werden als Bringschuld des anderen betrachtet. Da hat sich vielleicht einer die größte Mühe gemacht, um dem anderen einen Gefallen zu tun. Er oder sie war besonders treu in seiner/ihrer Pflichterfüllung und ging fröhlich die zweite Meile. Aber keiner erkennt es an oder ist dankbar dafür. Manche Ehefrauen, Ehemänner, Eltern oder Kinder bekommen niemals ein „Dankeschön” zu hören. Sie werden als Bedienstete gesehen, die für ihre Dienste keine Anerkennung erwarten sollten. Alles, was sie tun, ist einfach ihre Aufgabe – ihre Pflicht. Und warum sollte man ihnen danken, dass sie sie erfüllen? Bemerkenswerterweise enthalten die meisten der Briefe des Paulus einen Ausdruck der Dankbarkeit oder Anerkennung, nicht nur Gott gegenüber, sondern auch für und an die Leute, denen er schrieb. An die Philipper schrieb er: „Ich danke meinem Gott, sooft ich an euch gedenke […] wegen eurer Gemeinschaft am Evangelium vom ersten Tag an bis jetzt”; „Ich habe mich aber sehr gefreut im Herrn, dass ihr euch wieder so weit erholt habt, um für mich sorgen zu können; ihr habt auch sonst daran gedacht, aber ihr wart nicht in der Lage dazu”; ihr seid „meine Freude und meine Krone” (Phil. 1,3+5; 4,10.1). Paulus hielt diese Brüder und das, was sie für ihn getan hatten, nicht für eine Selbstverständlichkeit. Es stimmt, sie hatten nur das getan, was von ihnen als Christen auch zu erwarten war. Aber er legte großen Wert darauf, ihnen seine Dankbarkeit auszudrücken. 102 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! Christliche Familien, die Gott und sein Wort ernst nehmen, sollten nicht zulassen, dass „Verschwiegenheit” in Form von Mangel an Lob ihren Alltag beherrscht. Wir sollen einander ermutigen, anspornen und schätzen (1.Thess. 5,12-15; Phil. 2,3; Röm. 12,10). Das ist unsere christliche Pflicht. Es ist außerdem ein Mittel, um gute Beziehungen innerhalb der Familie zu fördern. Menschen, die einander schätzen und respektieren, freuen sich aneinander und erleben Harmonie und Einigkeit. Gründe für das Schweigen Wir haben jetzt die verschiedenen Formen der falschen Verschwie genheit betrachtet. Eine etwas schwierigere Frage ist für viele, wie das Schweigen in der Familie Fuß fassen kann. Ich habe sechs weit verbreitete Faktoren beobachtet, die dazu beitragen. Müdigkeit Manchmal erfordert es regelrecht Arbeit, eine Unterhaltung in Gang zu bringen. Du willst dich unterhalten, aber es scheint eine unsichtbare Wand zwischen dir und der anderen Person zu stehen. Du startest einen Versuch, aber es klickt nicht. Und dann musst du es immer wieder versuchen, was einige Mühe kostet. Manche Menschen sind nicht bereit, so viel Energie aufzuwenden, und so kann das Schweigen in der Familie Fuß fassen. Egoismus und Rachsucht Egoismus, Sturheit und der Wunsch, jemanden zu bestrafen, sind andere Gründe, warum Menschen auf die „Verschwiegenheit” aus weichen. „Es ist mir egal, ob andere Mitglieder meiner Familie sich wün schen, dass ich mehr mit ihnen rede. Ich will nur das, was ich will!” „Keiner kann mir vorschreiben, was ich zu tun habe. Sie muss mich schon so akzeptieren, wie ich bin. Sie will, dass ich mehr mit ihr rede, aber ich werde nicht nachgeben, sonst wird sie mich nur ausnutzen.” „Denen werde ich es zeigen. Sie wollen, dass ich rede. Tja, ich werde es nicht tun! Sie tun vieles nicht, was ich möchte. Sie verletzen 103 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst mich! Sie lassen mich nicht das tun, was ich will. Ich habe keine andere Möglichkeit, mich zu rächen, außer dass ich schweige – das stört sie gewaltig.” Minderwertigkeitsgefühle Manchmal zieht die „Verschwiegenheit” im Hause ein, weil jemand an Min der wertigkeitsgefühlen leidet. Er denkt, er hätte nichts Wichtiges zu sagen. Er hat Angst, den Mund zu öffnen, weil er denkt, er könnte albern klingen. Ein Gefühl von Minderwertigkeit (oder ist es Stolz?) hält ihn also vom Reden ab. Angst In ähnlicher Weise kann auch Angst dazu führen, dass das Schwei gen sich in der Familie einnistet. Menschen haben Angst, offen zu sprechen, weil sie befürchten, dass jemand anderes das Gesagte gegen sie verwenden könnte. Sie denken, wenn sie das Gespräch oberflächlich halten, riskieren sie nicht viel, aber wenn sie sich wirk lich öffnen und ihre tiefsten Geheimnisse verraten, könnten andere sie auslachen. Oder wenn sie über ihre Kämpfe und Versuchungen sprechen, könnte jemand sie verachten und sagen: „Ich dachte, du bist ein geistlicher Mensch und dabei kämpfst du mit diesen Versuchungen? Gute Christen haben mit so etwas keine Probleme.” „Menschenfurcht ist ein Fallstrick; wer aber auf den Herrn ver traut, der ist geborgen.” (Sprüche 29,25) Manche haben so viel Angst vor Spott, Meinungsverschiedenheiten und Ablehnung seitens der Familie, dass sie sich einfach weigern, ihre Gedanken zu bestimmten Themen zu äußern. Das war Janes Problem, über das wir bereits gesprochen haben. Sie sah jede Meinungsverschiedenheit als Ablehnung an und verabscheute deswegen jede Art von Aus einandersetzung. Sie brauchte Hilfe um einzusehen, dass das falsch war. Aber viel mehr brauchte sie noch Hilfe bei der Vertiefung ihrer Beziehung zu Gott (Sprüche 14,26): „In der Furcht des Herrn liegt starkes Vertrauen, er wird auch seinen Kindern eine Zuflucht sein.” Das zu erkennen, war der Schlüssel dazu, dass Jane ihr Problem der „Verschwiegenheit” besiegen konnte. Ihr Vertrauen auf Gott, die Einsicht, dass Gott ihre Quelle und ihre Sicherheit ist, und die 104 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! vollständige Ausrichtung ihres ganzen Lebens auf Gott befähigte sie schließlich dazu, ihre lähmende Angst vor Menschen zu überwinden. In den Sprüchen steht, dass eine übertriebene Menschenfurcht auf ein fehlendes Gottvertrauen hindeutet und den Versuch darstellt, eigene Sicherheit irgendwo anders zu suchen. Eine korrekte Gottesfurcht ist lebenswichtig und befreit uns unweigerlich von unchristlicher Verklemmtheit und lähmender Angst. Sie macht uns frei, das zu tun, was richtig ist, ungeachtet der offensichtlichen Kon sequenzen. Sie ermöglicht uns, mit unserer Familie über wichtige Dinge zu reden, so dass die Familie in Harmonie und Einigkeit zusammenleben kann. Wenn wir von anderen Menschen Ablehnung erfahren, so ist dies meist sehr schmerzhaft. Wenn wir aber in einer festen Beziehung zu Gott stehen, spielt es in gewisser Weise keine Rolle, was andere von uns denken oder wie sie auf uns reagieren. „Ist Gott für uns, wer [oder was] kann gegen uns sein?” (Römer 8,31) „Der Herr ist mein Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?” (Psalm 27,1) Erziehung Manchen Menschen wurde die falsche Verschwiegenheit in ihrer Kindheit anerzogen. Die alte Vorstellung „Kinder soll man sehen, aber nicht hören” herrscht immer noch in vielen Familien. Anstatt ihnen beizubringen, wann und wie sie sprechen und wann sie schweigen sollen, bringen Eltern ihren Kindern (durch verbale und nonverbale Anweisungen) bei, dass gute kleine Jungen und Mädchen leise sind und nicht stören. Die Kinder lernen, dass Mama und Papa es mögen, wenn die Kinder still sind. Je weniger ein Kind sagt, desto besser. Vor einigen Jahren besuchte uns ein Freund aus einem anderen Teil der Welt. Eines Tages saß unsere ganze Familie am Abendbrot tisch mit ihm, als er ein theologisches Thema anschnitt. Er sah mich an und ich erklärte meine Sichtweise. Dann fügte mein Sohn Chip respektvoll seinen Kommentar hinzu. Zu angebrachter Zeit und in angebrachter Weise äußerte sich auch Nathan zum Thema. Ich vermute (obwohl ich mich nicht erinnern kann), dass wahrschein 105 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst lich auch meine Tochter Beth ein paar Bemerkungen machte. Josh war noch ein Baby und meine Frau Carol war gerade in der Küche, sonst hätten sie sich wahrscheinlich auch an der Unterhaltung beteiligt. Ich hielt ihre Beiträge für völlig angebracht und wertvoll. Sie unterbrachen niemanden. Sie waren nicht unhöflich oder bes ser wisse risch. Sie waren auch weder laut, noch rissen sie die Unterhaltung an sich. Ihre Beiträge zum Gespräch waren wirklich gut und ich hatte gedacht, es sollte eine Diskussion sein – nicht ein Monolog. Mein Freund sah das aber ganz anders. Er war entsetzt, dass Kinder sich in das Gespräch von Erwachsenen eingemischt hatten. Er machte uns das klar und erzählte es sogar anderen. Er war der Meinung, „Kinder soll man sehen, aber nicht hören”, oder vielleicht sogar weder sehen noch hören. Wir haben unsere Kinder bei den meisten Themen dazu ermutigt, sich an unseren Gesprächen zu beteiligen und haben die Einblicke und Meinungen unserer Kinder sehr geschätzt. Durch sie hat Gott uns vieles klar gemacht. Natürlich müssen Kinder in der respektvollen Gesprächsführung unterwiesen werden – aber nicht darin, das Gespräch zu vermeiden. Anstatt der „Verschwiegenheit” wäre es viel besser gewesen, ihnen beizubringen, „Worte zur rechten Zeit“ zu sprechen. Lehrt eure Kinder, über die richtigen Dinge, auf die richtige Art und Weise und zur rechten Zeit zu reden. Lehrt sie, respektvoll, rücksichtsvoll, auferbauend und mit Selbstbeherrschung zu sprechen. Das gehört alles dazu, wenn man seine Familie so gestalten will, wie Gott sie sich gedacht hat. Ich will damit nicht sagen, dass Erwachsene, die wegen ihrer Kinderstube in der „Verschwiegenheit” verstrickt sind, grundsätzlich nicht dazu in der Lage sind, effektiv zu kommunizieren. Ihnen wurde einfach beigebracht, diese Fähigkeit nicht zu gebrauchen. Sie müssen jetzt anhand der Anleitungen in diesem Buch lernen, Gespräche besser zu führen. Geschäftigkeit Geschäftigkeit ist eine der häufigsten Ursachen für die falsche Ver schwiegenheit in der Familie. Leute sagen: „Ich würde mich ja mehr 106 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! unterhalten, wenn ich nur die Zeit dazu hätte. Irgendwann, wenn ich älter bin und nicht mehr so viel und so schwer arbeiten muss, werde ich mich mit meinem Partner und meinen Kindern unterhalten, aber jetzt finde ich einfach nicht die Zeit dazu. Ich habe so viel zu tun mit meiner Arbeit, der Gemeinde und zu Hause. Wann soll ich denn die Zeit finden, mit meinem Ehepartner und meinen Kindern zu reden?” Klingt doch sinnvoll, oder? Ganz und gar nicht. Gottes Wort sagt uns, dass Kommunikation extrem wichtig ist, wir aber gehen ein großes Risiko ein, indem wir sie vermeiden. Außerdem zeigt die Erfahrung der Menschheit die zerstörerische Macht des Schweigens in Ehe und Familie sehr deutlich. Es erfordert ein gewisses Maß an effektiver Kommunikation, um tiefe, gottgefällige, zufriedenstellende Beziehungen innerhalb der Familie aufbauen zu können. Wer ständig die Ausrede gebraucht, er sei zu beschäftigt, um sich ausführlich zu unterhalten, will es entweder gar nicht oder ihm ist nicht klar, wie wichtig es für sein Leben und seine Familie ist. Er weiß entweder nicht, was Gott zu dem Thema sagt, oder es ist ihm gleichgültig. Im Endeffekt zeigt diese Person dadurch, dass es viele andere Dinge gibt, die ihr wichtiger (oder angenehmer) sind, als sich mit dem Partner oder den Kindern zu unterhalten. Wir nehmen uns Zeit für die Dinge, die uns am wichtigsten sind. Anderes lassen wir unerledigt. Wenn du der Bibel glaubst, kannst du unmöglich lesen, was sie zum Thema Kommunikation sagt, und dann trotzdem der Mei nung sein, dass effektive und ausreichende Kommunikation im Familienleben nicht zwingend notwendig seien. Genauso wenig kann man die falsche Verschwiegenheit als harmlos abtun, wenn man beobachtet, wie sie sich jahrelang in anderen Familien ausgewirkt hat. Das Schweigen gefährdet die Familie. Gottes Wort sagt es ganz deutlich und die Geschichte der Menschheit beweist es. „Verschwiegenheit” überwinden Die falsche Ver schwie gen heit ist zerstörerisch; aber wie kannst du sie überwinden und lernen, dich mehr mit deiner Familie zu unterhalten? 107 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 1. Du musst das Schweigen überwinden wollen. Wachstum in einem bestimmten Lebensbereich passiert nie zufällig. Es geschieht, weil Menschen bereit sind, etwas dafür zu tun. Viele Menschen, die früher keine guten Unterhaltungen führen konnten, haben ihre Fähigkeiten verbessern können, weil sie bereit waren, an sich zu arbeiten. In Johannes 5 sagte Jesus zu dem Gelähmten: „Willst du gesund werden? Steh auf, nimm deine Liegematte und geh umher!” Zu denen, für die es eine Herausforderung ist, sich zu unterhalten, würde Jesus sagen: „Willst du lernen, bessere Gespräche zu führen? Wenn ja, werde ich dir helfen, aber du musst dich verbessern wollen und dir Mühe geben.” Die falsche Verschwiegenheit zu überwinden, muss ein regelmäßi ges Gebetsanliegen sein. „Sorgt euch um nichts; sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden.” (Phil. 4,6) Mit Gottes Hilfe kannst du dich ändern. Vielleicht wirst du nie der beste Gesprächspartner der Welt werden, aber Gott kann dir helfen, das zu erreichen, was für dich möglich ist. Du musst ihm nur vertrauen und gehorchen, dann kannst du dich darauf verlassen, dass er dir helfen wird, dich zu verbessern, und kannst mit dem sicheren Wissen zu ihm beten, dass er dich hören und dir antworten wird. Das Gebet wird dir mindestens auf zweifache Weise helfen, deine Kommunikationsfähigkeit zu verbessern. Erstens gibt Gott uns Kraft und die Fähigkeit, seinen Willen zu tun, wenn wir ihn darum bitten, denn er ist es, „der weit über die Maßen mehr zu tun vermag, als wir bitten oder verstehen, gemäß der Kraft, die in uns wirkt” (Eph. 3,20). In Jakobus 4,2 werden wir daran erinnert: „ihr habt es nicht, weil ihr nicht bittet.” „Bittet, so wird euch gegeben”, ist der Aufruf und das Versprechen unseres Herrn Jesus Christus (Matth. 7,7). 2. Gebet kann bei der Verbesserung unserer Kom mu ni kationsfähigkeiten helfen, weil wir lernen, mit Gott – einer anderen Person – über uns selbst zu reden. Sicherlich sollte es nicht unser Hauptziel im Gebet sein, bessere Gesprächsführung zu üben, es ist aber ein Nebeneffekt. Wenn du lernen kannst, mit dem Gott des 108 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! Universums offen und ehrlich zu sein, dann kannst du das auch mit jedem anderen Menschen. 3. Kurble deine Dialogpumpe an. Lies Zeitschriften, Zeitungen, die Bibel, gute Bücher und andere Literatur. Höre Radio oder informiere dich auf andere Weise und sprich über das, was du erfahren hast. Nicht alles, was du sagst, muss originell sein. Denk über jeden Fünf- oder Zehnjahresabschnitt deines Leben nach und versuche, dich an Dinge zu erinnern, die dir passiert sind. Erzähl deiner Familie ab und zu mal eine interessante Begebenheit. Übe es im Voraus. Bemühe dich, deiner Familie jeden Tag etwas Interessantes zu erzählen. 4. Stell eine Liste mit Fragen zusammen, die du anderen stellen könntest. Sie sollte allgemeine Fragen enthalten, die du jedem stel len kannst, und spezifische für bestimmte Personen. Falls nötig, schreib dir diese Fragen auf eine kleine Karte und trage sie immer bei dir, so dass du einen Blick darauf werfen kannst, wenn du bei einer Unterhaltung nicht weiter weißt. Du kannst die Zeit, die du benötigst, um von der Arbeit nach Hause zu fahren, nutzen, um darüber nachzudenken und dafür zu beten, was du erzählen und was du jeden Einzelnen über seinen Tag fragen willst. In ihrem Buch Die Kunst, mit jedem ins Gespräch zu kommen behauptet Barbara Walter, die als eine der besten Interviewer der Welt gilt, dass der Schlüssel für ein gutes Gespräch darin liegt, die richtigen Frage zu stellen. Beobachte einen guten Interviewer und du wirst feststellen, dass sie nicht diejenigen sind, die am meisten reden. Sie haben gelernt, welche Fragen sie stellen müssen, und wie, wann und wo sie diese Fragen stellen müssen. 5. Beobachte andere, die in der Lage sind, effektive Gespräche zu führen, und lerne von ihnen. Gottes Lehrmethode umfasst seine Anweisungen und Beispiele aus dem Leben. 6. Mach es zu einem regelmäßigen, bewussten Versuch, diese Verbesserungsvorschläge in die Tat umzusetzen. Deine Kommuni kationsfähigkeiten können verbessert werden, aber nur, wenn du bereit bist, daran zu arbeiten. Unsere Sinne werden durch Übung geschult (vgl. Heb. 5,14). 109 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Der sprachlose Pastor Ich bin auf einer Farm aufgewachsen. Wir standen früh am Morgen auf und arbeiteten den ganzen Tag. Ich verbrachte viel Zeit alleine auf dem Traktor und arbeitete oft bis spät in die Nacht. Wenn wir gemeinsam Frühstück, zu Mittag oder Abendbrot aßen, redeten wir nicht viel. Wir wollten mit dem Essen fertig werden, damit wir wie der rausgehen und weiterarbeiten konnten. Deshalb hatte ich nicht viel Übung darin, eine Unterhaltung zu führen. Ich war ehrlich gesagt sehr schlecht darin. „Verschwiegenheit” war das Muster in meinem Leben. Als ich Pastor wurde, war eine meiner größten Ängste, was ich bei Hausbesuchen tun sollte. Ich fragte mich: „Worüber soll ich reden, wenn ich mit ihnen ganz alleine in ihrem Haus bin? Wie beginne ich ein Gespräch und wie erhalte ich es aufrecht?” Gib mir ein Thema, mit dem ich mich auskenne, und ich kann mich locker einige Stun den unterhalten. Aber wo und wie ein Gespräch zu beginnen – das war etwas ganz Anderes. Ironischerweise war die zweite Sache, vor der ich mich am meisten fürchtete und die ich am wenigsten mochte, als ich mein Amt antrat, der Beratungsdienst, dem ich jetzt freudig jede Woche einen großen Teil meiner Zeit widme. Während meines ersten Pastorats versuchte ich, dem Beratungsdienst so gut es ging auszuweichen. Aus zwei Gründen tat ich ihn nur sehr selten: Ich konnte mit Menschen einfach nicht reden. Und nur wenige wollten kommen. Sie müssen mein Unbehagen und meine Ungeschicklichkeit bei zwischen menschlichen Beziehungen gespürt haben. Ich bin immer noch nicht der weltbeste Gesprächspartner, aber mit Gottes Hilfe bin ich in meinem Kampf mit der „Verschwie genheit” vorangekommen. Es fällt mir jetzt viel leichter, mich zu unterhalten, und ich bin besser in der Lage, meine Familie nach Gottes Vorstellung zu gestalten und anderen über Jesus Christus zu erzählen. Ich fühle mich wohler in der Gegenwart anderer und sie fühlen sich wohler mit mir. Jetzt kann ich in meistens ein Gespräch eröffnen und es in Gang halten. Anstatt die Beratungsstunden zu fürchten, empfinde ich sie als etwas, das mir wirklich Freude bereitet. 110 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! Anwendungen für die Familie In unserer Familie haben wir auch auf verschiedene Art an der Kom munikation gearbeitet. Seit Beginn unserer Ehe haben meine Frau und ich mindestens einen Abend pro Woche für uns selbst reserviert, wo wir uns auf unsere Beziehung konzentrieren können. Manchmal gehen wir aus; manchmal verbringen wir den Abend auch zu Hause. Wir haben auch eine tägliche Gesprächszeit. Als die Kinder noch sehr klein waren, fand sie statt, wenn sie alle bereits im Bett waren. (Das war einer der Gründe, warum sie nicht so lange aufbleiben durften wie wir!) Als die Kinder älter wurden und länger aufblieben, zogen wir uns in unser Schlafzimmer oder an einen anderen Ort zurück, wo die Kinder uns nicht hören konnten, und besprachen alles, was wir uns gegenseitig mitteilen wollten. Wir schenkten den Kindern zu anderen Zeiten gezielte Aufmerksamkeit und sagten ihnen, dass Mama und Papa diese Zeit für sich alleine brauchten. Wir erklärten ihnen, dass sie uns nicht stören sollten, solange es sich nicht um einen Notfall handelte. Und sie taten es auch nicht. Unsere täglichen Gespräche sind für uns so wertvoll, dass wir sie immer noch sorgfältig einhalten. Wenn ich für ein paar Tage von zu Hause weg muss, rufe ich grundsätzlich jeden oder jeden zweiten Tag zu Hause an, um mit meiner Frau und den Kindern zu reden. Ich stimme dem Prediger zu, der für die gleiche Gewohnheit als verschwenderisch gescholten wurde. Er erwiderte darauf: „Telefon gespräche sind mit Sicherheit viel billiger und weniger schmerzhaft als eine Scheidung.” Von Anfang an reservierten wir einen Abend in der Woche für die ganze Familie, an dem wir unsere Beziehungen zueinander vertiefen und Gesprächsführung üben konnten. Jeden Abend beim Essen wur de jedes Familienmitglied gebeten, etwas Gutes oder Interessantes zu berichten, was an dem Tag passiert war. Wir hielten auch (und tun es immer noch, obwohl heute weniger Kinder im Haus wohnen) regelmäßige Familienandachten, wo wir die Heilige Schrift und andere christliche Literatur lasen und uns darüber aus tauschten, sangen, beteten und Bibelverse lernten. Es wurde erwartet, dass sich jeder an diesen Diskussionen beteiligte. Fragen, 111 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Anmerkungen, Gebetsanliegen und Klärung von Problemen waren willkommen. Manchmal wechselten wir uns mit der Gesprächsleitung ab. Familienkonferenzen wurden einberufen, wenn es besondere Proble me zu besprechen gab oder Familienfragen geklärt werden mussten. Diese Konferenzen durfte jeder beantragen. Alles, was irgendwie vorteilhaft war, durfte vorgebracht werden. Und jeder durfte sich äußern – und tat es auch. Das Ergebnis? Über die Jahre haben diese Familiengespräche mir geholfen, das Problem der falschen Ver schwiegenheit zu überwinden und meine Familie davor bewahrt. An den Zuhörer Diejenigen unter euch, die jemanden in der Familie haben – einen Partner, einen Elternteil oder ein Kind – der zur Schweigsamkeit neigt, fragen sich jetzt vielleicht: „Was kann ich tun, um diesem Familienmitglied zu helfen, sein Schweigen zu überwinden?” 1. Du kannst für diese Person beten. Setze sie nicht unnötig unter Druck, indem du sie immer wieder daran erinnerst, es sei denn, sie hat ihr Problem eingesehen und dich um Fürbitte gebeten. Bete hauptsächlich im Stillen. Bitte Gott, dieser Person bei konkreten Problemen zu helfen. Falls Angst mit im Spiel ist (zugegebene oder auch nicht), bitte Gott, sie von dieser Angst zu befreien und dir und dem Rest der Familie zu helfen, sich so zu verhalten, dass ihr diese Angst mindern könnt. 2. Schaffe ein Umfeld, in dem sie sich sicher fühlen kann offen zu sprechen – eine Atmosphäre, in der sie sich angenommen und geachtet fühlt, wo sie ihre Gedanken, Wünsche und Gefühle ehrlich äußern kann, ohne ausgelacht, unterbrochen, unter Druck gesetzt zu werden oder übertriebenen Reaktionen ausgesetzt zu sein. Versteh mich bitte nicht falsch: Akzeptanz und Respekt bedeuten nicht unbedingt, dass man allem zustimmt, was gesagt wird. Man braucht nicht mit allem einverstanden zu sein, um dem Gesprächspartner zu verstehen zu geben: „Ich respektiere dich; ich schätze dich.” Man kann verschiedener Meinung sein, ohne den anderen als Person abzulehnen. Wenn man will, dass Menschen offen und ehrlich mit 112 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! einander reden, muss man ein sicheres Umfeld schaffen, so dass sie sich auch frei fühlen, sich zu öffnen. Um zu unserem vorigen Beispiel zurückzukehren: Jane weigerte sich, mit Jim über bestimmte Themen zu reden, weil sie nicht moch te, dass er sie unter Druck setzte, seiner Meinung zuzustimmen. Sie fühlte sich bei allen Diskussionen als Verlierer. Manchmal führte Jim seine Argumente vor als sei er ein Anwalt im Gerichtssaal. Ihre Beiträge wurden allesamt in der Luft verrissen. Auf ungestüme Art bewies er, dass er Recht hatte, und sie im Unrecht war. Jim bestritt heftig, dass es tatsächlich so war. Er konnte verschie dene Zeitpunkte benennen, wo sie sich durchgesetzt hatte. Aber selbst, wenn sie gewonnen hatte, dachte Jane, sie hätte verloren, weil Jim sich wie ein Märtyrer verhielt oder sie daran erinnerte (dezent oder auch nicht ganz so dezent), wie großzügig er doch war. Sie war der Ansicht, dass Jim gar keine Diskussion wollte – er wollte Einig keit und versuchte, sie einfach zu zwingen oder zu manipulieren. Jim hatte durch seine Art der Gesprächsführung in Jane die Angst vor Ablehnung verstärkt, so dass sie das Gefühl hatte, über bestimmte Themen zu reden sei zu gefährlich. In gewisser Weise erntete Jim das, was er gesät hatte. Und wenn er Jane helfen wollte, die Angst über bestimmte Themen zu reden zu überwinden, musste er eine sicherere Atmosphäre für Unterhaltungen schaffen. Er musste die biblische Ermahnung beherzigen: „Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung sei von euch weggetan samt aller Bosheit. Seid aber gegeneinander freundlich und barmherzig und vergebt einander, gleichwie auch Gott euch vergeben hat in Christus.” (Eph. 4,31-32) Eine schüchterne Person, die all ihren Mut zusammennimmt und sich schließlich einem anderen Familienmitglied öffnet, fühlt sich häufig abgelehnt oder erniedrigt. Verletzt und entmutigt zieht sie sich wieder zurück. Ihre Befürchtung, dass es gefährlich ist, über ihre Gedanken und Gefühle zu reden, wird wieder bestärkt. „Tja, so schnell werde ich mich nicht wieder öffnen”, denkt sie. „Als ich es das letzte Mal tat, wurde ich in der Luft zerrissen. Das kann ich nun wirklich nicht gebrauchen.” Und schließlich wird das Schweigen zu 113 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst einem Lebensstil, einer gewohnten Art, mit riskanten Themen oder Situationen umzugehen. Wenn es in deiner Familie so eine Person gibt, solltest du lernen, ihr ruhig und geduldig zuzuhören. Wenn deine Frau den Mut fasst, sich in Bezug auf eure Ehe oder einen bestimmten Bereich in ihrem Leben zu öffnen, solltest du sie nicht gleich korrigieren oder dich verteidigen. Wenn dein Mann über ein Problem in seinem Leben, in deinem Leben oder in eurer Ehe reden will, solltest du nicht gleich das Schlimmste erwarten oder so reagieren, als wollte er dir das Leben schwer machen. Wenn du das tust, gibst du deinem Ehepartner das Gefühl, es sei zu gefährlich, wichtige Dinge mit dir zu besprechen. Höre respektvoll und selbstlos zu. Drücke deine Dankbarkeit dafür aus, dass der andere bereit ist, sich mitzuteilen, und denke ernsthaft darüber nach, was gesagt wurde. Sei bereit, dich zu beherr schen und bleib unvoreingenommen. Zeige Verständnis so viel du kannst und antworte angemessen (mehr dazu in den Kapiteln 7-10). Lass mich anhand eines Beispiels aufzeigen, was es bedeutet, eine sichere Atmosphäre für gute Unterhaltungen zu schaffen. Während einer unserer Familiendiskussionen sagte Joshua, unser Jüngster, etwas, das ziemlich lustig war. Alle brachen in Gelächter aus. Ich sah rüber zu Josh und bemerkte, dass er den Kopf hängen ließ, weil er sich durch unser Lachen verletzt fühlte. Deshalb sagte ich: „Josh, wir lachen nicht über dich. Wir lachen mit dir.” Josh sah mich an und sagte: „Ihr lacht gar nicht mit mir. Ich lache ja nicht.” Ich bat ihn sofort um Verzeihung und versicherte ihm, dass es uns Leid tat, ihn verletzt zu haben. Wenn unsere Familie immer wieder über Dinge gelacht hätte, die Josh sagte, und seine Gefühle ignoriert hätte, hätten wir ihm den Mut genommen, sich an unseren Familiengesprächen zu beteiligen. Die Mitglieder einer Familie müssen wissen, dass es sicher ist, das auszusprechen, was sie auf dem Herzen haben. Sie müssen wissen, dass ihr Zuhause ein sicherer Zufluchtsort ist, ein Ort, an dem sie geliebt, umsorgt und respektiert werden (Sprüche 14,26). In Chris tus ist das für jedes Heim möglich. Wie die Überschrift dieses Kapitels andeutet, stellt das Schweigen 114 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! eine Bedrohung für konstruktive, gottgefällige Beziehungen inner halb der Familie dar. Es kann ein echtes Hindernis sein, wenn man seine Familie nach der Vorstellung Gottes gestalten will. Mit Gottes Hilfe können und müssen sie ausgemerzt werden, indem man die verschiedenen Formen und Gründe identifiziert und sich an die Richtlinien hält, die in diesem Kapitel geschildert wurden. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Was sagen die folgenden Verse über den positiven Wert von Worten aus? Wie kann es bei der Gestaltung deiner Familie nach dem Plan Gottes helfen, Sprache so zu gebrauchen wie hier beschrieben? Warum ist die falsche Verschwiegenheit ein Hindernis für gesunde Beziehungen in der Familie? Folge dem Beispiel für Sprüche 10,21: a) Sprüche 10,21: Worte können andere fördern und aufbauen; da man denjenigen dankbar ist, die einen fördern, sind Worte ein wichtiges Mittel zur Stärkung der Beziehungen in der Familie. Weil Worte andere fördern, stärken und ermutigen können, stellt die falsche Ver schwie gen heit ein ernsthaftes Problem dar. Menschen, die nicht gesprächsbereit sind, tragen nicht in dem Maße zur Familie bei, wie sie könnten und sollten. b) Sprüche 12,18 c) Sprüche 12,25 d) Sprüche 15,4 e) Sprüche 15,7 f) Sprüche 15,30 g) Sprüche 31,26 h) Prediger 12,11 i) Jesaja 50,4 j) Hiob 4,4 k) Maleachi 3,16 l) 1.Thessalonicher 4,18 115 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 2. Beachte die Ausführungen in diesem Kapitel und beantworte die folgenden Fragen: a) Welche Formen der falschen Ver schwie gen heit wurden in diesem Kapitel erwähnt? b) Gibt es noch andere Formen der falschen Verschwiegenheit, die du selbst beobachtet hast? Beschreibe sie. c) Wie wirkt sich die falsche Verschwiegenheit auf Leute aus, die ihr ausgesetzt sind? d) Welche Gründe für die falsche Verschwiegenheit wurden in diesem Kapitel erwähnt? e) Fallen dir noch andere Gründe für falsche Verschwiegenheit ein? Welche? f) Geh die Vorschläge durch, wie man die falsche Verschwiegen heit überwinden kann. Was hälst du von diesen Vorschlägen? Sind sie angemessen? Hast du noch andere Ideen? 3. Wende die folgende Liste an, um dich selbst in Bezug auf die verschiedenen Formen von „Kurzgesprächen” oder „Kleingesprächen” zu bewerten: 4=nie, 3=selten, 2=manchmal, 1=oft, 0 = gewöhnlich. Kreise die Antwort ein, die auf dich zutrifft. a) Wortmangel 43210 b) Themenvermeidung 43210 c) Gleichgültigkeit 43210 d) Verschlossenheit 43210 e) Mangel an Respekt 43210 f) Mangel an Wertschätzung 43210 g) anderes __________________ 43210 Anzahl von 2-en: ____ (Verbesserungsbedarf) Anzahl von 1-en: ____ (großer Verbesserungsbedarf) Anzahl von 0-en: ____ (sehr großer Verbesserungsbedarf) 4. Prüfe anhand der folgenden Liste, welche Themenbereiche in deiner Familie zu kurz kommen: 1=Thema wird ausgiebig behandelt, 0=Thema wird nicht ausreichend diskutiert. 116 Kapitel 6 Schweigen ist nicht immer Gold! a) Geistliche Themen, Gemeinde, Andachten, biblische Wahrheiten, Gebet, christlicher Dienst, etc. 10 b) Fakten, Information 10 c) Gedanken, Meinungen1 0 d) Gefühle1 0 e) Wünsche, Sorgen, Interessen 10 f) Pläne, Ziele1 0 g) Träume, Sehnsüchte1 0 h) Finanzen, materielle Dinge, Anschaffungen, Ersparnisse, Investitionen1 0 i) Arbeit, Schule1 0 j) sexuelle Angelegenheiten, Wünsche, Vorlieben, Abneigungen1 0 k) Freunde1 0 l) Freizeit, Sport, Ferien, Erholung 10 m) Probleme, Versagen1 0 n) Freuden, Siege, Erfolge 10 o) Was ihr lest, studiert, lernt, hört, seht 10 p) Aktuelle Ereignisse, Politik 10 q) Anderes _________________________ 10 Stelle fest, über welche Themen ihr zu wenig redet. Sprich mit deiner Familie, ob die anderen das auch so sehen, und was ihr tun könnt, um euch in diesen Bereichen zu verbessern. 5. Überlege, ob jemand in deiner Familie besonders stark zur „Verschwiegenheit” neigt, und versuche, die Gründe dafür festzustellen. ja/nein/vielleicht a) Themenvermeidung ___ ___ ___ b) Minderwertigkeitsgefühle ___ ___ ___ c) Müdigkeit ___ ___ ___ d) Angst___ ___ ___ e) Erziehung ___ ___ ___ f) Erfahrungen ___ ___ ___ g) Geschäftigkeit ___ ___ ___ 117 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst h) Verdrängung der Wichtigkeit ___ ___ ___ i) Bestrafung ___ ___ ___ j) Egoismus___ ___ ___ k) Sturheit___ ___ ___ l) Anderes _______________________ ___ ___ ___ 6. Wenn ihr herauskristallisiert habt, welche Arten der falschen Verschwiegenheit bei euch üblich sind und was die Gründe dafür sind, solltet ihr im Kreis der Familie besprechen, wie ihr meine Vorschläge umsetzen wollt, um sie zu überwinden. Überlegt, was sonst noch helfen könnte, und haltet euch daran. 118 Kapitel 7 Genug ist genug und zu viel ist zu viel Im Gegensatz zu der alten Redewendung ist es leider doch möglich, von einer guten Sache zu viel zu bekommen. Schlaf, Ruhe und Erholung sind gute Dinge, aber über einen Menschen, der es damit übertreibt, sagt die Heilige Schrift: „Wie lange willst du liegen bleiben, du Fauler? Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf?” Und er antwortet: „Ein wenig schlafen, ein wenig schlummern, ein wenig die Hände in den Schoß legen, um zu ruhen…” Aber die Bibel warnt ihn: „so holt dich die Armut ein wie ein Läufer, und der Mangel wie ein bewaffneter Mann” (Spr. 6,9-11). Auch Nahrung ist eine gute Sache, aber wenn man zu viel isst, kann man Probleme bekommen. Die Bibel sagt, dass „Schlemmer verarmen” (Spr. 23,21). Viele gute Dinge können schädlich werden, wenn man sie über treibt, sogar die Kommunikation daheim. Die Bibel weist uns oft darauf hin, dass „Geschwätz” eine zerstörerische Gewohnheit sein kann. „Wo viele Worte sind, da geht es ohne Sünde nicht ab”, heißt es in Sprüche 10,19, und Sprüche 11,12 unterstreicht denselben Gedanken: „Wer seinen Nächsten verächtlich behandelt, ist ein herzloser Mensch, aber ein verständiger Mann nimmt es schweigend an.” Auch Sprüche 12,23 rät von „Geschwätz” ab, denn: „Ein kluger Mensch verbirgt sein Wissen, aber das Herz der Narren schreit die Torheit heraus.” Es ist offensichtlich, dass der Dummkopf seinen Mund nicht halten kann und ständig redet. Sprüche 17 gewährt mehrfach Einblick in die zerstörerische Natur des Schwatzens. In den Versen 27 und 28 lesen wir: „Wer seine Worte zurückhält, der besitzt Erkenntnis … Selbst ein Narr wird für weise gehalten, wenn er schweigt, für verständig, wenn er 119 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst seine Lippen verschließt.” Weiter am Anfang in Kapitel 17 wird dem Geschwätz vorgeworfen, gute Beziehungen zu zerstören: „wer aber eine Sache weitererzählt, trennt vertraute Freunde” (V. 9). Geschwätz kann Freundschaften zerstören, Ehen gefährden und Eltern-Kind-Beziehungen verderben. Wie der Prediger schreibt, gibt es eine Zeit zu sprechen und eine Zeit zu schweigen (vgl. Prediger 3,7). Menschen, die ihre Familie nach dem Plan Gottes gestalten wollen, müssen wissen, was, wann und wie viel sie sagen sollen. Verschiedene Formen von Geschwätz Monopolisierung Einige der vorhin erwähnten Verse lassen darauf schließen, dass es Menschen gibt, die dazu neigen, das Gespräch zu dominieren. Jedes verbale Zusammentreffen mit ihnen wird zu einem Monolog. Wenn jemand eine Frage stellt, sind sie die ersten und oft die Einzigen, die antworten. Ihnen fällt es extrem schwer, anderen zuzuhören. Oft fühlen sich „Schweiger” und „Schwätzer” zueinander hin gezogen und heiraten. Am Anfang scheint es ein gutes Abkommen zu sein. Der „Schweiger” braucht sich nicht um eine Unterhaltung zu bemühen, und der „Schwätzer” kann reden, so viel er will. Aber dann kehrt der Alltag ein und die stille Person hört der anderen nicht mehr zu oder wird verbittert, weil die Unterhaltung so einseitig ist. Für den überforderten und unterdrückten Ehepartner wird es zunehmend schwieriger, den beherrschenden Partner zu respektie ren, und sie könnten sich entfremden. Klatsch Sprüche 26,22 beschreibt eine weitere Form des Geschwätzes: „Die Worte des Verleumders sind wie Leckerbissen.” Der Verleumder in diesem Vers ist jemand, der nicht will, dass bestimmte Leute seine Äußerung mitbekommen, weil er Gerüchte weiterträgt oder jemanden verleumdet. Er traut sich nicht, laut oder zu der Person zu sprechen, über die er redet. Manchmal tratschen Menschen über ein anderes Mitglied der eigenen Familie. Ehemänner oder Ehefrauen sprechen schlecht über 120 Kapitel 7 Genug ist genug und zu viel ist zu viel ihren Partner oder ihre Kinder, ihre Eltern, ihre Geschwister oder ihre Freunde, um Sympathie oder Bestätigung zu erhalten. Viel leicht sind sie gerade über etwas aufgebracht, das der Partner tut oder nicht tut, und erzählen anderen, wie schlecht sie behandelt werden. In Wirklichkeit suchen sie oft nach Sympathie, Zustimmung oder Bestätigung und verkleiden dies als Bitte um einen Ratschlag oder Fürbitte im Gebet. Ich spreche jetzt nicht davon, dass jemand über seine ech ten Familienprobleme redet, was ja vollkommen legitim ist, wenn (1) biblische Versuche gestartet wurden, die Schwierigkeiten zu überwinden, und diese fehlgeschlagen sind, (2) die Person diese Informationen weitergibt, weil sie aufrichtig Hilfe sucht, (3) die Person nur mit solchen Menschen spricht, die einen christlich fun dierten Rat geben können, der zu einer Lösung führt (Psalm 1,1+2), und (4) die mitgeteilten Informationen für andere hilfreich sein können um vorzubeugen, zu schützen oder aufzubauen. Diese Art von Austausch ist kein Klatsch und wird durch das Wort Gottes empfohlen (Matt. 18,15+16; Spr. 15,22; Spr.18,17; Spr. 11,14; Spr. 12,15, Gal. 6,1-3). Leider geben viele Menschen Informationen über andere Fami lienmitglieder auf eine Art weiter, die diese Kriterien nicht erfüllt. Und schlussendlich erntet man das, was man gesät hat. Der Partner, das Kind oder der Elternteil einer solchen Person erfährt irgend wann, dass böse Gerüchte über ihn in Umlauf sind. Er fühlt sich betrogen; sein Vertrauen zu dieser Person ist erschüttert. Wenn dieser Art von Tratsch nicht auf eine biblische Art Einhalt geboten wird, wird die Beziehung langsam, aber sicher zu Grunde gehen. Als ich noch wesentlich jünger war, wurde ich von einem weisen Menschen über jemanden gewarnt, der mir saftige Einzelheiten erzählte: „Wayne, denke daran, dass ein Hund, der einen Knochen bringt, auch einen Knochen mitnimmt.” Menschen, die dir Klatsch zutragen, tratschen oft auch über dich. Am Anfang denkst du viel leicht, dass du eine besondere Stellung genießt, weil diese Person dir geheime Informationen weitergibt. Später erfährst du aber, dass du „übers Ohr gehauen” worden bist, denn dieselbe Person hat böse Gerüchte über dich an andere weitergegeben. 121 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Selbst wenn das nicht passiert, wirst du merken, dass das, was zunächst ein „Leckerbissen” (Spr. 26,22) zu sein schien, schon bald geschmacklos und widerlich wird. Weil wir sündige Menschen sind, genießen wir es, manchmal ein bisschen zu tratschen. Es scheint so gut zu tun, Schlechtes über andere zu hören, weil wir dann umso besser dastehen oder es wenigstens den anderen auf unser Niveau herunterbringt. Was aber so köstlich zu sein scheint, ist tat sächlich gefährlich, denn Klatsch dringt „ins Innerste des Leibes” (Spr. 26,22). Es dringt tief in uns hinein und beeinflusst uns von innen nach außen. Böse Gerüchte, die wir einmal gehört haben, können sich noch Jahre später auf unsere Haltung diesen Menschen gegenüber auswirken. Die Bibel sagt: „eine gute Botschaft stärkt das Gebein” (Spr. 15,30), und macht das Herz froh (Spr. 12,25). Ständig schlechte Nachrichten haben einen gegenteiligen Effekt. Sie machen das Herz traurig und nagen an Menschen und Beziehungen. Klatsch und Tratsch kann das Heim zerstören. Ausreden Sprüche 26 liefert ein lustiges und doch realistisches Bild von einer anderen Art von „Geschwätz” (Spr. 26,13-16; und 22,13). Es berichtet von einem Mann, der nicht arbeitet. Er geht nirgendwo hin und tut nichts. Er ignoriert sogar einige der Grundbedürfnisse des Lebens! Die Bibel erzählt von ihm: „Die Tür dreht sich in der Angel und der Faule in seinem Bett. Hat der Faule seine Hand in die Schüssel gesteckt, so wird’s ihm zu schwer, sie zum Mund zurückzubringen!” (Spr. 26,14+15) Welchen Grund könnte dieser Mensch wohl dafür angeben, dass er so verantwortungslos und apathisch ist? Was wird er antworten, wenn ihn jemand fragt: „Warum bist du nicht da draußen und arbeitest?” Wird er zugeben, dass er einfach nicht arbeiten will? Wird er zugeben, dass er faul ist? Dieser Mann „hält sich für weiser als sieben, die verständige Antworten geben” (Spr. 26,16). Er kann all sein Handeln rechtfertigen und tut es auch. Er ist fest davon überzeugt: alle seine Wege „sind rein in seinen Augen” (Spr. 16,2). Er fühlt sich vollkommen bestätigt in dem, was er tut. 122 Kapitel 7 Genug ist genug und zu viel ist zu viel Selbst wenn ihn sieben Männer eines Vergehens überführen und Gott ihn fünfmal als Faulpelz bezeichnet (Spr. 26,13-16; 22,13), er weiß es besser als Gott und als christliche Ratgeber. Wenn er wegen seiner Faulheit ermahnt wird, ist seine Verteidigung: „Es ist ein Löwe draußen; ich könnte umkommen auf offener Straße!” (V. 13) Auch wenn sonst niemand diesen erfundenen Löwen gesehen hat. Auch wenn andere zur Arbeit gegangen sind, und keiner angegriffen worden ist. Auch wenn Löwen normalerweise ihre Zeit nicht auf offener Straße oder auf dem Marktplatz verbringen. Derek Kidner sagt, dass dieser Mann „der letzte sein wird, der ihn sieht”. Was ihn selbst betrifft, so ist er „kein Drückeberger, sondern ein Realist (13); nicht ausschweifend, sondern morgens einfach nicht ganz auf der Höhe (14); seine Trägheit sein Protest dagegen, gehetzt zu werden (15); seine geistige Arbeitsunwilligkeit ein Strafzettel, der an seinen Waffen klebt (16)”. Hier sehen wir ein klassisches Beispiel für „Geschwätz”, durch das sich jemand verteidigt und rechtfertigt. Bedauerlicherweise ist es in vielen Familien heutzutage üblich, sich zu verteidigen und Ausreden zu suchen. Ehefrauen tun es, wenn ihr Männer vorschlagen, dass sie etwas an sich ändern sollen. Als Grund, sich nicht zu ändern, führen sie an: „Ich würde es tun, wenn du …”, oder: „Bei dem Druck, unter dem ich stehe…”, „Du hilfst mir ja nicht bei…”, „Du zeigst nie, dass du mich schätzt, also…” Auch Ehemänner nehmen manchmal eine Abwehrhaltung ihren Frauen gegenüber ein. Ein Mann kann seiner Frau das Gefühl geben, sie sei ein schlechter Mensch, nur weil sie ein bestimmtes Thema anschneidet. „Es ist unangemessen, dass du mich überhaupt darum bittest. Was ist mit all dem Guten, das ich für dich tue? Warum musst du immer einen Fehler bei mir suchen?” „Du bist einfach viel zu empfindlich. Wahrscheinlich ist es wieder die bestimmte Zeit im Monat.” „Ich denke, es ist alles gut so, wie es ist. Warum bist du nie zufrieden?” „Wenn du siehst, wie John seine Frau behandelt, dann kannst du noch ganz glücklich sein.” „Wie kannst du behaupten, dass ich dich nicht liebe? Ich schlage dich doch nicht! Ich bin dir noch nie untreu gewesen. Ich bemühe mich, gut für dich zu sorgen. Warum kannst 123 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst du nicht in deinen Kopf bekommen, dass ich nur versuche…” Abwehr! Rechtfertigung! Zerstörung! Gesprächsübernahme Gesprächsübernahme ist auch eine Form von „Geschwätz”. Mitten in einem Gespräch unterbricht dich plötzlich jemand und sagt: „Warte mal, du hast einiges nicht richtig erzählt und ein paar wich tige Tatsachen ausgelassen. Lass mich diese ergänzen.” Und dann ergänzt er nicht nur die fehlenden Details, sondern erzählt die gan ze Geschichte zu Ende. Er will die Pointe herüberbringen und das resultierende Gelächter ernten, weil er etwas Lustiges erzählt hat. Wenn so etwas zwischen Eheleuten oder Eltern und Kindern stän dig vorkommt, kann das den Boden bilden, auf dem Ablehnung, Bitterkeit und Enttäuschung gedeihen können. Pausenloses Gerede Eine andere Form von Geschwätz ist, wenn jemand pausenlos oder wie ein Wasserfall redet. In den Sprüchen werden Leute erwähnt, die plappern (Spr. 10,8+10). Manche Menschen sprudeln über wie eine Quelle. Die Worte fließen unaufhörlich aus ihrem Mund. Eine kurze Zeit lang ist das vielleicht interessant und sogar amüsant, so eine Person in der Familie zu haben. Aber es dauert nicht lange, bis eine gehaltlose Unterhaltung zu Verärgerung führt. Die Heilige Schrift warnt uns zweifach vor solchen Unterhaltun gen. Der Redner wird als „Narrenmund” bezeichnet (Spr. 10,8+10). Sie sagt auch, dass er „zu Fall” kommen wird. Es heißt dort nicht einfach, dass er hinfallen wird, sondern er „kommt zu Fall”: Kata strophen, Niederlagen, Ablehnung und Demütigungen er war ten ihn. Mit diesen Konsequenzen muss er in jedem Bereich seines Lebens rechnen: wirtschaftlich, beruflich, emotional, geist lich, sozial und familiär. Wenn ich an diese Verse denke, fällt mir ein Mann ein, den ich Jim nennen möchte. Jim und seine Frau kamen in die Beratung, weil sie in ihrer Ehe mit schwer wiegenden Problemen zu kämpfen hatten. Beide bekannten sich als Christen, aber sie vertrugen sich wie Katz und Hund. Eigentlich war es Jim, der am meisten stritt – 124 Kapitel 7 Genug ist genug und zu viel ist zu viel er war sehr aggressiv. Seine Frau hielt sich meistens zurück, wirkte äußerlich passiv, blieb innerlich aber stur. Seit sie mein Büro betreten hatten, redete Jim ununterbrochen. Er war keinen Moment still. Es überraschte mich nicht, dass seine Frau sehr still war und einfach nur da saß, während er immer weiter schwatzte. In einer unserer Sitzungen machte ich Jim auf diese Verse auf merksam und fragte ihn, was plappern wohl bedeutet. Zunächst versuchte er mir auszuweichen, gab aber schließlich eine gute Erklä rung. Dann fragte ich ihn, was er unter „zu Fall kommen” verstand. Jim begann zu lachen. Als ich ihn nach dem Grund fragte, sagte er: „Das ist mir passiert. Ich bin ein Narrenmund und ich bin zu Fall gekommen. Meine Ehe ist eine Katastrophe. Meine Frau lehnt mich ab. Sie will nicht einmal mehr mit mir beten oder die Bibel lesen. Wir haben kein Liebesleben. Sie behandelt mich wie einen Feind. Meinen Kindern bin ich gleichgültig. Sie schenken mir nicht viel Aufmerksamkeit und interessieren sich nicht für geistliche Dinge. Eins ist drogensüchtig und das andere hat keinen Lebensinhalt. Dieser Vers beschreibt genau das, was mir passiert ist. Ich bin zu Fall gekommen.” Und vielen anderen Menschen ist es genauso ergangen. Andere unter Druck setzen „Geschwätz” kann sich auch so auswirken, dass andere unter Druck gesetzt werden, besonders zu Hause. Sprüche 17,9b beschreibt diese Gewohnheit so (Elberfelder Übersetzung): „Wer aber eine Sache immer wieder anregt, entzweit Vertraute.” Denk an die Person, die ein Gesprächsthema anschneidet und kein Ende findet. Sie kennt nur ein Thema und bedrängt dich ständig damit. Solche Menschen denken, wenn sie ständig auf jemanden einreden, wird man ihnen schließlich zustimmen. Vielleicht scheint dies am Anfang den gewünschten Erfolg zu bringen, aber mit der Zeit wirkt es sich auf die Beziehung sehr schädlich aus. Der Stein, den diese Person auf andere wälzt, kehrt zu ihr zurück (Spr. 26,27). Situationsbedingtes „Geschwätz” Eine Art von „Gerede”, zu dem ich selbst am meisten neige, nen ne ich „situationsbedingtes Geschwätz”. Eigentlich bin ich keine 125 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Plaudertasche. Zum Plaudern muss ich mich zwingen. Aber es gibt einige Themen, mit denen ich mich ausgiebig befasst und viele Erfahrungen gemacht habe. Wenn diese Themen angeschnitten werden, kann es sehr leicht passieren, dass ich die biblische Wahrheit aus Sprüche 12,23 missachte: „Ein kluger Mensch verbirgt sein Wissen, aber das Herz der Narren schreit die Torheit heraus.” Es kommt vor, dass ich mich meiner Frau und meinen Kindern gegenüber nicht weise verhalte und zu viel von meinem Wissen weitergebe. Was ich sage, ist nicht unbedingt falsch, aber ich „schreie Torheit heraus”, indem ich zu viel sage oder es zu sehr in die Länge ziehe. Dadurch nehme ich meiner Frau und meinen Kindern die Gelegenheit, ihre Erkenntnisse mitzuteilen. Entweder habe ich schon gesagt, was sie sagen wollten, oder meine Fachkenntnis hat sie eingeschüchtert und verstummen lassen. Wenn ich mich so verhalte, mache ich mich des „Geschwätzes” schuldig. Und wenn das auch noch regelmäßig vorkäme, würde ich das persönliche Wachstum anderer Mitglieder meiner Familie, und die Entwicklung guter Beziehungen behindern. Ichbezogenes Reden Eine häufig vertretene Form des „Geschwätzes” besteht darin, dass einer ständig nur über sich selbst redet. Sprüche 27,2 bezieht sich darauf: „Ein anderer soll dich rühmen, nicht dein eigener Mund, ein Fremder und nicht deine eigenen Lippen!” Manchmal unterhält man sich mit Leuten, deren Hauptgesprächsthema sie selbst sind. Sie sprechen über ihre Probleme, ihre Schmerzen, ihre Erfolge, ihre Errungenschaften, ihre Siege, ihre Ausbildung. Fünfundneunzig Prozent ihrer Unterhaltung ist „ich, ich, ich”. Sie scheinen viele inte ressante Geschichten parat zu haben und wirken auf andere zunächst anziehend. Aber nach einer Weile merkt man, wie egozentrisch sie sind. Ihre Beziehung zu anderen bleibt oberflächlich und unange nehm. Es ist schwierig, jemandem näher zu kommen, der so sehr mit sich selbst beschäftigt ist. 126 Kapitel 7 Genug ist genug und zu viel ist zu viel Gründe für „Geschwätz” Stolz Warum gewöhnen sich manche Menschen das „Schwatzen” an? Einer der Gründe ist ihr Stolz. Wenn jemand viel redet, könnte das auf den Wunsch hinweisen, im Mittelpunkt stehen zu wollen. Durch Angeberei, Monopolisierung und Klatsch stellt man sich selbst in den Vordergrund. Wenn jemand einem anderen aufmerksam zuhört, ohne ihn zu unterbrechen oder mit den Gedanken abzuschweifen zeigt er, dass er seinen Gesprächspartner respektiert. Manchmal erfordert es wahre Demut, anderen zuzuhören, weil jemand anderes im Rampenlicht steht. Wenn aber eine Person das Gespräch dominiert, ist das so als sage sie: „Ich verdiene es, dass mir alle ihre Aufmerksamkeit schenken. Ich bin der Einzige, der etwas Interessantes zu sagen hat. Ich bin so wichtig, so gebildet, so interessant, dass ich am meisten sprechen sollte.” Selbstsucht Wo Stolz ist, da ist auch Selbstsucht vorhanden. Ich kenne einen „Schwätzer”, der es jedes Mal fertig bringt, das Gespräch der Familie in die Richtung zu lenken, die er gerade für wichtig hält. Er tut zwar so, als sei er an der Meinung seiner Frau und seiner Kinder interessiert, aber er würgt sie immer ab oder schiebt sie als bedeutungslos zur Seite. Er ist ein lebhaftes Beispiel des Narren, von dem es in Sprüche 18,2 heißt: „Einem Toren ist es nicht ums Lernen zu tun, sondern darum, zu enthüllen, was er weiß.” Seine Art, wie er sich zu Hause unterhält, ist ein schamloser Verstoß gegen die biblische Ermahnung: „Tut nichts aus Selbstsucht oder nichtigem Ehrgeiz, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich selbst. Jeder schaue nicht auf das Seine, sondern jeder auf das des anderen.” (Phil. 2,3+4) Angst vor der Stille Manche Menschen neigen zu „Geschwätz”, weil sie die Stille nicht ertragen können. Sie denken, still sein ist schlecht, und deshalb 127 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst macht es sie nervös, wenn im Gespräch eine Pause entsteht. Sie haben das Gefühl, es sei ihre Verantwortung, das Gespräch am Laufen zu halten und wenn sie es nicht tun, werden andere sie für dumm halten. Sie reden über alles, was ihnen in den Sinn kommt, egal ob es Gehalt hat oder nicht. Vielleicht beschweren sie sich über ihre eigenen Probleme. Oder sie jammern über die Probleme von Mitmenschen oder der Welt. Manchmal ist ihr „Geschwätz” auch einfach nur Klatsch und Tratsch. Meistens verlaufen ihre wortreichen Ausführungen in negativen Bahnen. Sie scheinen Experten darin zu sein, böse Geschichten auszugraben und Fehler zu finden (Spr. 16,27) – alles ist recht, um ihr Unbehagen zu vertreiben. Ihr unablässiges Gerede ist ein Zeichen für ein tiefer liegendes Problem. Einsamkeit Einsame Menschen werden oft zu „Schwätzern”. Das war bei Mary eindeutig der Fall. Ihre Beziehung zu ihrem Ehemann war schon immer oberflächlich gewesen, obwohl sie sich eine echte Partner schaft mit ihm wünschte. Sie wollte, dass sie beide nicht nur theo retisch Miterben der Gnade wären, sondern es auch im täglichen Leben zeigten. Aber ihr Mann hatte kein Interesse. Ihm schien fast alles gleichgültig zu sein, selbst Mary. Er ging zur Arbeit, kam nach Hause, aß zu Abend, sah fern und ging schlafen. Am nächsten Tag wiederholte sich das gleiche Programm. Schon kurz nach ihrer Hochzeit hatte sich bei Mary Unzufrie denheit eingestellt. Sie wollte ihren Mann zu ihrem Freund haben und fragte sich, wie sie die Kluft zwischen ihnen schließen und ihre Einsamkeit überwinden konnte. Mary versuchte, dieses Problem durch Worte zu beheben. Sie redete beim Essen, im Wohnzimmer, wenn er versuchte fernzusehen, wenn sie im Auto unterwegs waren. Zunächst schien ihr Mann auf sie einzugehen. Aber bald ertrug er ihr ständiges Gerede nur noch und schaltete einfach ab. Mary wusste nicht, was sie sonst noch tun konnte, deshalb erhöhte sie die Lautstärke, um ihre Einsamkeit zu bekämpfen. 128 Kapitel 7 Genug ist genug und zu viel ist zu viel Erziehung oder Gewohnheit „Schwätzer” sind oft als solche erzogen worden. Wenn einer oder beide Elternteile ständig reden, dann folgt das Kind vielleicht nur ihrem Beispiel und wird auch eine Plaudertasche. Es ist ihm wahr scheinlich gar nicht bewusst, dass dies eine schlechte Gewohnheit ist. Es ahmt seine größten Vorbilder nach und das Plaudern geht ihm in Fleisch und Blut über. Eine Gewohnheit ist etwas, das wir unbewusst tun. Viele Rat suchende sind überrascht, wenn ich sie auf Gewohnheiten, wie zum Beispiel das „Geschwätz”, aufmerksam mache. Eine Frau und ihre Kinder wurden von ihrem Mann und Vater ständig beschimpft. Er setzte sie immer wieder unter Druck, weil er sie anscheinend zu seinen Ebenbildern machen wollte. Aber er konnte nicht verstehen, warum sie die Kinder nehmen und ihn verlassen wollte. Er führte ein Beispiel nach dem anderen an, wie sehr er sich bemüht hatte, liebevoll und fürsorglich zu sein. Seiner Meinung nach war er immer bereit, auf seine Frau zu hören. Er täte ja äußerst selten, falls überhaupt mal, etwas ohne ihre Zustimmung. Er konnte es überhaupt nicht begreifen, warum sie der Meinung war, dass er sie und die Kinder misshandelte. Er liebte sie innig und alles, was er wollte, so sagte er, war ein christliches Zuhause. Während unserer Sitzungen beobachtete ich, dass er meh rere Formen des „Geschwätzes” praktizierte, unter anderem Ausreden-suchen und Andere-unter-Druck-setzen. Er konnte alles rechtfertigen, was unbiblisch oder selbstsüchtig erschien. Wenn es zu einer Meinungsverschiedenheit kam, wollte er seinen Standpunkt wiederholt erklären in der Hoffnung, uns zu seiner Sichtweise über reden zu können. Manchmal wurde er ärgerlich, weil er meinte, falsch verstanden worden zu sein. Manchmal vergoss er Tränen. Und manchmal bettelte er sogar, dass wir ihm zustimmen sollten. Obwohl er eindeutig ein „Schwätzer” war, war er einfach zu blind, um das einzusehen. Als ich ihn das erste Mal darauf aufmerksam machte, wollte er es nicht glauben. Um ihm zu helfen, sein Problem zu verstehen, ließ ich ihn im Verlauf einiger Wochen mehrere Familiengespräche aufnehmen, die er sich dann anhören musste. Schließlich sah er 129 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst sein Fehlverhalten ein, gab es zu und willigte ein, seine schädliche Gewohnheit aufzugeben. Nicht alle, die zugeben, „Schwätzer” zu sein, verstehen auch, wie sehr sie damit ihren Beziehungen schaden können. Dieser Mann aber verstand es und konnte deshalb daran arbeiten und die negati ven Auswirkungen beheben, die diese Gewohnheit auf seine Familie gehabt hatte. Schlechtes Zuhören Schlechtes Zuhören kann auch zu „Geschwätz” führen. In vielen Familien gibt es schlechte Zuhörer, die andere dadurch zum Nörgeln verleiten. Wenn eine Frau sicher sein könnte, dass ihr Ehemann sie beim ersten Mal gehört hat, bräuchte sie sich nicht zu wiederholen. Das entschuldigt ihr Nörgeln natürlich nicht, denn die Bibel ver bietet solches Reden. Aber es erklärt, warum jemand versucht, sich durch viele Worte Gehör zu verschaffen, wenn der andere ihm keine Aufmerksamkeit schenkt. Eine Möglichkeit, dem „Geschwätz” entgegenzuwirken besteht also darin, beim ersten Mal aufmerksam zuzuhören. Der Wunsch, das Gesprächsthema zu bestimmen Manche versuchen, die Kontrolle zu übernehmen, indem sie über mäßig viel reden. Sie denken, wenn sie andere sprechen lassen, verlieren sie die Kontrolle. Es könnte ja jemand ein Thema ansprechen, bei dem sie sich überhaupt nicht auskennen, oder eine Frage stellen, die ihnen unangenehm ist. Um das zu verhindern, reden sie so viel, dass keiner eine Chance bekommt, das Gespräch in eine Richtung zu lenken, die sie nicht einschlagen möchten. Solange sie das Steuer in der Hand halten, fühlen sie sich sicher und als Herr der Lage. Da ist vielleicht eine Ehefrau, die Angst davor hat, dass ihr Mann über Dinge reden will, die sie lieber umgehen möchte – Dinge wie Finanzen, Sexualität oder Kindererziehung. Sie denkt, darüber zu sprechen, sei zu schmerzhaft, und könnte zu noch mehr Schwierigkeiten führen. Wenn sie die Befürchtung hat, dass eins die ser Themen aufkommen könnte, reißt sie das Gespräch an sich, so dass ihr Mann das gefürchtete Thema nicht anschneiden kann. Ihr 130 Kapitel 7 Genug ist genug und zu viel ist zu viel „Geschwätz” ist ein Schutzmechanismus, ein Ablenkungsmanöver, das ihr hilft zu bestimmen, mit welchen Angelegenheiten sie sich auseinandersetzen muss. Vorschläge, um „Geschwätz” zu überwinden „Geschwätz” ist ein ernsthaftes Hindernis, wenn man seine Familie nach Gottes Vorstellung gestalten will. Deshalb ist es überaus not wendig, aktiv dagegen vorzugehen. Hier sind einige praktische Vor schläge, wie man das Problem in den Griff bekommen kann. 1. Prüfe, ob du selbst ein Problem mit „Geschwätz” hast. Lies dir die Beschreibungen für die verschiedenen Formen von „Geschwätz” noch einmal durch. Bestimme anhand der Bewertungsskala am Ende dieses Kapitels deinen „Geschwätz”-Quotienten. Schreibe die Formen von „Geschwätz” auf, bei denen du 0, 1 oder 2 Punkte erreicht hast. Bitte dann andere, dich zu bewerten. Oft ist einem selbst gar nicht bewusst, dass man ein „Schwätzer” ist, aber andere merken es. Frage deinen Ehepartner und deine Kinder, ob du zu einer Form von „Geschwätz” neigst. Bestehe darauf, dass sie ehrlich sind, und nicht einfach sagen, du seist großartig. Wenn du wirklich ein besserer Christ und ein erfolgreicherer Mensch werden willst, such ein paar gute Freunde auf, die dir wirklich die Meinung sagen werden, und frage sie. Denk daran: „Treu gemeint sind die Schläge des Freundes, aber reichlich sind die Küsse des Hassers.” (Spr. 27,6) 2. Wenn du feststellst, dass du zu der einen oder anderen Form von „Geschwätz” neigst, mach es zu einem Gebetsanliegen. Bete mit dem Psalmisten: „Lass die Worte meines Mundes und das Sinnen meines Herzens wohlgefällig sein vor dir, Herr, mein Fels und mein Erlöser!” (Ps. 19,15) „Herr, stelle eine Wache an meinen Mund, bewahre die Tür meiner Lippen!” (Ps. 141,3) Es stimmt, was Jakobus sagt: „die Zunge aber kann kein Mensch bezwingen” (Jakobus 3,8). Was kein Mensch tun kann, das kann Gott aber zuwege bringen. „Ach, Herr, Herr, siehe … dir ist nichts unmöglich!” (Jer. 32,17) „Die Frucht des Geistes aber ist … Selbst beherrschung.” (Gal. 5,22) „Bei Gott sind alle Dinge möglich.” (Matt. 19,26). Durch seine Gnade und die Kraft des Heiligen 131 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Geistes kann Gott, der dich durch das Kreuz Jesu Christi errettet hat, dir helfen, dein Problem mit dem „Geschwätz” und die Gründe dafür zu beheben. 3. Versuche, die Gründe für dein Verhalten festzustellen. Wie wir bereits gesehen haben, ist „Geschwätz” oft ein Merkmal für tiefer liegende Probleme. Um ihnen entgegenzutreten, reicht es nicht aus, dein Benehmen zu ändern. Du musst den Grund dafür herausfinden. 4. Wenn du den Grund für dein „Geschwätz” festgestellt hast, studiere die Bibel und finde heraus, wie Gott das zu Grunde liegende Problem angeht. Für jede mögliche Ursache des „Geschwätzes” gibt es eine biblische Lösung. Bedenke: „Es hat euch bisher nur menschliche Versuchung betroffen. Gott aber ist treu; er wird nicht zulassen, dass ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern er wird zugleich mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen…” (1.Kor. 10,13) Durch unseren Bund mit Jesus Christus und durch seine kostbaren Zusagen (die in der Bibel stehen) hat Gott uns alles gegeben, was wir zum Leben in Gottesfurcht benötigen (2. Petrus 1,3+4). „Alles” schließt auf jeden Fall auch die Fähigkeit mit ein, die Neigung zum „Geschwätz” zu überwinden. 5. Suche Bibelstellen heraus, die direkt über „Geschwätz” sprechen, und mach dich mit ihnen vertraut. Einige der hier aufgeführten Bibelstellen sind sehr passend. Zusätzlich kannst du eine Bibelkon kordanz zu Hilfe nehmen. Lerne wichtige Verse auswendig; lass sie reichlich in dir wohnen (Kol 3,16). Ruf sie dir in Erinnerung, wenn deine Unterhaltung Gefahr läuft, in „Geschwätz” auszuarten. Gottes Wort hat Macht (Hebr. 4,12). Es kann uns vor Sünde bewahren und unseren Weg säubern (Ps. 119,9+11; Joh. 15,3+17,17). 6. Lies jeden Morgen passende Schriftstellen. Vergegenwärtige dir dein Ziel, beim Reden umsichtiger zu sein, und setze Kontrollpunkte (Mittag, Abendessen, Schlafenszeit), an denen du über deinen Erfolg Bilanz ziehst. Wenn du erfolgreich warst, danke Gott für seine Hilfe und verpflichte dich neu. Wenn nicht, bitte Gott um Vergebung und um seine Hilfe und erneuere dein Versprechen. 7. Lege vor Mitgliedern deiner Familie Rechenschaft ab (Hebr. 3,12+13). Bitte sie, für dich zu beten und dich zu warnen, wenn sie merken, dass dein Reden in „Geschwätz” ausartet. Du könntest zum 132 Kapitel 7 Genug ist genug und zu viel ist zu viel Beispiel mit deinem Ehepartner ein geheimes Zeichen verabreden, um dir zu helfen, deine Zunge in der Öffentlichkeit im Zaum zu halten. 8. Bemühe dich beharrlich, diese Vorschläge umzusetzen, bis du dir das „Geschwätz” ganz abgewöhnt hast und gelernt hast, zu anderen Familienmitgliedern genug – aber nicht zu viel zu sagen (1.Tim. 4,7; Hebr. 5,14). Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Analysiere die folgenden Verse und schreibe auf, was sie zum Thema „Geschwätz” sagen. Schreibe die Worte auf, die auf „Geschwätz” hindeuten. Notiere auch die jeweilige Form von „Geschwätz” und wie es sich auf andere auswirkt. Hier sind zwei Beispiele: a) Hiob 11,2-4: „Menge der Worte”, „Schwätzer”; Rechtfertigung; provoziert andere, die Angriffe fortzusetzen. b) Hiob 19,2+3: „Wie lange”, „Zehnmal schon habt ihr mich geschmäht”; Andere-unter-Druck-setzen; der Zuhörer fühlt sich schikaniert, beleidigt, schlecht behandelt, verletzt, wütend. c) Sprüche 11,13 d) Sprüche 13,3 e) Sprüche 15,2 f) Sprüche 16,28 g) Sprüche 20,19 h) Sprüche 25,14 i) Prediger 5,2+3 j) Prediger 5,4-7 k) Prediger 10,14 l) Matthäus 6,7 m) Epheser 5,3 133 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 2. Denke über die Aussagen dieses Kapitels nach und beantworte die folgenden Fragen: a) Welche Formen des „Geschwätzes” wurden in diesem Kapitel erwähnt? b) Hast du noch andere Formen beobachtet? Beschreibe sie. c) Welche Gründe für „Geschwätz” wurden in diesem Kapitel genannt? d) Fallen dir noch andere Gründe ein? e) Was hältst du von den vorgeschlagenen Wegen, um sich das „Schwatzen” abzugewöhnen? Könnten sie hilfreich sein? Kannst du weitere Vorschläge machen? 3. Bestimme anhand der folgenden Liste, wie oft und zu welcher Form des „Schwatzens” du neigst: 4=nie, 3=selten, 2=manchmal, 1=oft, 0=immer. Kreise die Zahl ein, die auf dich zutrifft. a) Monopolisierung 43210 b) Klatsch4 3 2 1 0 c) Rechtfertigung 43210 d) Gesprächsübernahme 43210 e) Pausenloses Gerede 43210 f) Andere unter Druck setzen 43210 g) Situationsbedingtes Geschwätz 43210 h) Ichbezogenes Reden 43210 i) Anderes _____________________________ 4 3 2 1 0 Anzahl von 2-en: ____ (du musst dich etwas verbessern) Anzahl von 1-en: ____ (du musst dich stark verbessern) Anzahl von 0-en: ____ (du musst dich sehr stark verbessern) 4. Bestimme anhand der folgenden Liste, über welche Themen bereiche in deiner Familie zu viel geredet wird: 1=Thema wird angemessen behandelt, 0=Thema wird zu ausgiebig diskutiert. a) Geistliche Themen, Gemeinde, Andachten, biblische Wahrheiten, Gebet, christlicher Dienst, etc. 10 b) Fakten, Information1 0 134 Kapitel 7 Genug ist genug und zu viel ist zu viel c) Gedanken, Meinungen1 0 d) Gefühle1 0 e) Wünsche, Sorgen, Interessen 10 f) Pläne, Ziele1 0 g) Träume, Sehnsüchte1 0 h) Finanzen, materielle Dinge, Anschaffungen, Ersparnisse, Investitionen1 0 i) Arbeit, Schule1 0 j) sexuelle Angelegenheiten, Wünsche, Vorlieben, Abneigungen1 0 k) Freunde1 0 l) Freizeit, Sport, Ferien, Erholung 10 m) Probleme, Versagen1 0 n) Freuden, Siege, Erfolge 10 o) Was ihr lest, studiert, lernt, hört, seht 10 p) Aktuelle Ereignisse, Politik 10 q) Anderes _____________________________ 1 0 Stelle fest, über welche Themen ihr zu viel redet. Sprich mit deinem Ehepartner und deiner Familie, ob sie das auch so sehen, und was ihr tun könnt, um euch in diesen Bereichen zu verbessern. 5. Denke über die verschiedenen Gründe für „Geschwätz” nach, die hier genannt wurden. Wenn du Probleme in diesem Bereich hast, dann versuche herauszufinden, woran das liegt. a) b) c) d) e) f) g) h) Stolz Selbstsucht Angst oder Unbehagen Einsamkeit Erziehung oder Gewohnheit Schlechtes Zuhören Wunsch, Gesprächsthemen zu bestimmen Anderes _________________ ja / nein / vielleicht ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ ___ 135 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 6. Wenn ihr die Arten des „Geschwätzes”, zu denen ihr neigt, und die Gründe dafür herauskristallisiert habt, solltet ihr im Kreis der Familie besprechen, wie ihr meine Vorschläge umsetzen wollt, um die falschen Gewohnheiten in den Griff zu bekommen. Überlegt, was sonst noch helfen könnte, und haltet euch daran. 136 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie „Sie sind wahrscheinlich intelligenter als Einstein”, sagte ein Student nach der Vorlesung zu seinem Professor. Erstaunt und geschmeichelt fragte der Professor: „Warum meinst du das?” „Na ja”, erklärte der Student, „man sagt, es gab nur acht Menschen auf der Welt, die Einstein verstehen konnten. Aber Sie versteht keiner!” Sprechen und kommunizieren sind nicht unbedingt dasselbe. Das stellte dieser Professor fest. Es ist schon öfter vorgekommen, dass ich versucht habe, jemanden telefonisch zu erreichen, aber nicht durch kam, weil die Leitungen blockiert waren. In der Leitung war irgendeine Störung, sodass mein Anruf nicht zustande kam. Hätte ich mich trotzdem hingesetzt und stundenlang ins Telefon geredet, hätte das niemandem genützt. Die Botschaft hätte den Menschen, für den sie bestimmt war, nie erreicht. Halte die Leitungen frei! Es kommt in Familien oft vor, dass die Gesprächsleitungen blockiert sind. In Problemfamilien herrscht meistens kein Mangel an Worten. Es werden Botschaften gesendet, aber sie werden nicht empfangen und verstanden. Worte werden auch nicht dazu gebraucht, um einander zu erbauen und zu ermutigen und Harmonie und Nähe in der Familie zu schaffen (Eph. 4,25+29). Die Leitungen müssen erst freigemacht werden, damit in solchen Familien der christliche Umgang miteinander funktionieren kann. Was verursacht Gesprächsblockaden in der Familie? Ein Ungleich gewicht zwischen verbaler und nonverbaler Kommunikation ist ein Grund (siehe Kapitel 4 und 5). In Kapitel 7 beschriebenes 137 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst „Ge schwätz” ist ein weiterer Übeltäter. Aber es gibt noch mehr Gesprächshindernisse und die Bibel wird uns verstehen helfen, wel che es sind. Epheser 4,25-30 beschreibt einige der „Viren”, die effektive Kommunikation in der Familie töten können: „Darum legt die Lüge ab und »redet die Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten«, denn wir sind untereinander Glieder. Zürnt ihr, so sündigt nicht; die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn! Gebt auch nicht Raum dem Teufel! […] Kein schlechtes Wort soll aus eurem Mund kommen, sondern was gut ist zur Erbauung, wo es nötig ist, damit es den Hörern Gnade bringe. Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt worden seid für den Tag der Erlösung!“ Epheser 1-3 präsentiert eine der wichtigsten Wahrheiten des christlichen Glaubens, insbesondere, was Gott durch Jesus Christus für die Gläubigen getan hat. Die zentrale Botschaft dieser drei Kapitel sind die unglaublichen Vorrechte, die wir Christen haben, und unser Reichtum in Jesus Christus. Der Schlüsselvers in diesem Abschnitt ist Epheser 1,3, wo Pau lus sagt: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Chris tus, der uns gesegnet hat mit jedem geistlichen Segen in den himmlischen Regionen in Christus.” Hier kündigt Paulus das Thema und den Zweck dieses Bibelabschnitts an. Das Thema? Die grandiosen Segnungen, die uns durch Christus zuteil werden. Der Zweck? Uns anzuspornen, dankbar zu sein und Gott für diese Segnungen zu preisen. Am Anfang des 4. Kapitels betont Paulus, was wir im Gegenzug für Gottes große Taten tun sollen. Er lenkt die Aufmerksamkeit von unserer Beziehung zu Gott auf unsere Beziehung zu anderen Menschen. Nachdem er uns unsere Vorrechte und unseren Reichtum in Christus erklärt hat (Eph. 1-3), beschreibt Paulus, wie sie sich in unserem täglichen Leben auswirken sollen (Eph. 4-6). Es ist äußerst wichtig zu beachten, wie er diesen Abschnitt eröffnet: „So ermahne ich euch nun, … dass ihr der Berufung würdig wandelt, zu der ihr berufen worden seid.” (Eph. 4,1) Das Wort „So” zeigt uns, dass Paulus das, was er jetzt zu sagen hat, auf seine vorhergehenden Ausführungen bezieht. Weil wir in 138 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie Christus gesegnet sind, sollen und können wir unser Leben auf eine „angemessene Art und Weise” führen. Wie diese „angemessene Art und Weise” aussieht, wird in Epheser 4-6 geschildert. Der größte Teil dieses Abschnitts besteht aus Anweisungen, wie wir mit ande ren Menschen umgehen sollen, dabei wird in Epheser 4,25-30 die effektive Kommunikation besonders groß herausgestellt. Es werden zwei breite Kategorien gesprächs-blockierender Sprache hervor gehoben: Falschheit und ungesunde Sprache. Falschheit Aus Vers 25 können wir ableiten, dass Unwahrheiten die Gespräche in der Familie blockieren. Die meisten Eltern missachten diese Warnung und sagen: „Ich lüge meine Familie nicht an. Vielleicht tun es die Kinder, aber ich nicht.” Aber die Bibel sagt: „Überaus trügerisch ist das Herz und bösartig.” (Jeremia 17,9) „Die Gottlosen sind abtrünnig von Mutterleib an, die Lügner gehen auf dem Irrweg von Geburt an.” (Ps. 58,4) „Denn von innen, aus dem Herzen des Menschen, kommen die bösen Gedanken hervor, […] Betrug […].” (Markus 7,21+22) Es wäre schön, wenn sich diese Verse nur auf einige wenige Menschen beziehen würden, aber der Zusammenhang der Texte spricht dagegen. Die Bibel sagt, dass wir alle lügen. Wir alle sind betrügerisch und eigenwillig und irren seit unserer Geburt auf Abwegen – und lügen. Manche sind hinterhältiger als andere, aber es gibt keinen, der immer absolut aufrichtig gewesen ist. Das Lügen brauchte uns keiner beizubringen. Es liegt uns im Blut. Deswegen finden wir so viele Ermahnungen in der Bibel, die betonen, wie schwer wiegend Unehrlichkeit ist. Unverfrorenes Lügen Unwahrheiten können auf verschiedene Art und Weise ausgesprochen werden. Die bekannteste Form ist unverfrorenes Lügen. Familien mitglieder sagen: „Ja, mach ich”, aber sie tun es nicht; „Das war ich nicht”, wenn sie es getan haben; „Ich habe es nicht so gemeint, wie du es auffasst”, wobei sie es genau so gemeint haben; „Ich habe keine Ahnung, was damit passiert ist”, wenn sie es wissen, aber lieber nicht 139 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst zugeben wollen; „Ich habe nur Spaß gemacht”, wobei sie jedes Wort so meinten, wie sie es sagten; „Es tut mir Leid, ich habe vergessen zu tun, worum du mich gebeten hattest”, wobei es ihnen gar nicht Leid tut und sie es nicht einfach nur vergessen hatten. Angst bewog Abraham, den Pharao über sein wahres Verhältnis zu seiner Frau zu belügen (1.Mose 12,10-20). Denselben Grund hatte auch Abrahams Sohn Isaak (1.Mose 26,1-11). Aus Gier und Habsucht belog Jakob seinen blinden Vater und stahl seinem Bruder Esau das Erstgeburtsrecht (1.Mose 27). Neid und Verbitterung ver anlassten Josephs Brüder zu lügen und ihrem Vater zu erzählen, ein wildes Tier hätte ihren Bruder getötet (1.Mose 37). Diese Beispiele aus der Bibel verdeutlichen fünf Tatsachen über das Lügen: 1. Es ist allgemein üblich, 2. selbst gottesfürchtige Menschen kommen in Versuchung zu lügen, 3. wir sollten die Ermahnung gegen das Lügen ernst nehmen, 4. andere Familienmitglieder ent larven unsere Lügen, und 5. lügen führt zu persönlichen und fami liären Problemen. Ständiges und nicht zugegebenes Lügen bricht die Kommuni kation ab und belastet Beziehungen. Denk an das Beispiel von Jakob. 1.Mose 27-31 berichtet von mehreren Vorfällen, bei denen Jakobs Gier dazu führte, dass er seine Familie belog. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass er Gott oder seine Familie jemals um Verzeihung bat. Das Ergebnis? Jakob musste seine Heimat verlassen. Er sah seine Eltern nie wieder. Das Verhältnis zu seinem Bruder war für viele Jahre gestört. Seine Beziehung zu seinem Schwiegervater Laban wurde so feindselig, dass er Jakob beim Abschied Morddrohungen machte, falls er jemals zurückkehren sollte. Sein unverfrorenes Lügen rächte sich an Jakobs Beziehung zu seiner Familie. Als Pastor und Berater könnte ich Fälle über Fälle aufzählen, wo unverfrorenes Lügen die Familie völlig auf den Kopf gestellt hat. Ich denke da an einen Mann, der das Vertrauen zu seiner Ehefrau gänzlich verloren hatte, weil sie ihn ständig belog. Wenn das Paar eine Familienangelegenheit besprach, stimmte sie ihm zu und der Ehemann dachte, es sei eine einstimmige Entscheidung gewesen. Aber wenn er nicht da war, tat sie das genaue Gegenteil von dem, was sie beschlossen hatten. Wenn der Mann es bemerkte, fühlte er 140 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie sich betrogen und hintergangen. Sie hatte Lügen gesät und erntete Bitterkeit, Groll und Misstrauen. Tödliche Übertreibungen Das Übertreiben ist eine etwas dezentere aber genauso tödliche Form des Lügens. Es geschieht, wenn wir Tatsachen unverhältnismäßig aufblähen. Manchmal übertreiben wir in Bezug auf das Verhalten einer anderen Person. „Du willst nie das tun, was ich will!” „Du kommst immer zu spät!” „Du bist immer zu müde!” „Du bist nie rechtzeitig fertig!” „Du schreist ständig!” „Ich muss immer hinter dir aufräumen!” „Du willst nie über Probleme sprechen!” „Du hast für alles eine Ausrede!” „Ich kann mich nie auf dich verlassen!” „Du sagst, du wirst dich ändern, aber es passiert einfach nichts!” „Dir ist doch nie etwas recht!” „Du regst dich immer auf!” „Du wirst es nie lernen!” Manchmal übertreiben wir in Bezug auf unser eigenes Verhalten. „So etwas tue ich nie!” „Mich bringt nichts und niemand aus der Ruhe!” „Ich habe immer gute Laune!” „Ich helfe dir ständig!” „Ich gebe immer nach!” „Es gibt Nichts, das noch weniger auf mich zutrifft, als das!” Worte wie „immer”, „nie”, „nichts”, „völlig”, „absolut” und „andauernd” dienen als Warnsignale für mögliche Übertreibungen. Es trifft selten zu, dass jemand eine bestimmte Straftat „immer” begeht oder eine bestimmte gute Tat „niemals” tut. Aber es ist keine Übertreibung zu sagen, dass die Verhältnisse in der Familie unter solchen Übertreibungen leiden. Man übertreibt oft, weil man verzweifelt ist, und die Aussage wird als Angriff oder Abwehr aufgefasst. Keiner mag es, wenn er negativ abgestempelt wird, oder hören, wie jemand mit seinen eigenen Tugenden prahlt. Übertreibungen führen deshalb eher dazu, dass andere in Abwehrhaltung gehen oder dem Sprecher gegenüber misstrauisch werden. Übertreibungen sollen zwar die Aufmerksamkeit des Zuhörers erregen, fördern aber meistens nur Unglauben und Gleichgültigkeit gegen das Gesagte. Der Gebrauch starker Worte macht es offensichtlich, dass der Sprecher von der Wahrheit abweicht. Der Hörer verliert das Vertrauen zum Sprecher und in seine Worte und fühlt sich falsch und schlecht behandelt. 141 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Häufiges Übertreiben in der Familie, das nicht zurechtgestellt wird, gefährdet die Beziehungen untereinander, weil es Misstrauen, Groll, Abwehrhaltung, Rückzug, Gegenangriffe und Fehlersuche fördert. Falsche Darstellung Falsche Darstellung ist ein enger Verwandter der Übertreibung und gehört auch zur Familie der Unwahrheiten. Vielleicht ist das sogar die häufigste Form des Lügens, wenn Tatsachen über eine Person oder ihr Benehmen umgestaltet werden. Die Wahrheit wird durch Ergänzungen oder Auslassungen so verdreht und verzerrt oder die Tatsachen werden aus einem falschen Blickwinkel dargestellt, sodass das Ergebnis mit der Realität kaum mehr etwas zu tun hat. In einem Comicstreifen von „Hägar, der Schreckliche” geht dieser zu seinem Arzt, um sich untersuchen zu lassen. Nach der Unter suchung sagt der Arzt: „Du bist fett und schwabbelig. Bei deinem Alter staune ich, in welchem Zustand du dich befindest.” Als er nach Hause kam und seine Frau ihn fragte, was der Arzt gesagt hätte, antwortete Hägar hinterlistig: „Bei meinem Alter staunte er, in welchem Zustand ich mich befinde.” Hägar verdrehte die Aussage des Arztes, indem er sie aus dem Zusammenhang riss. Er ließ den Teil aus, der eindeutig negativ war, und zitierte den Rest wahrscheinlich in einem freudigen Ton, sodass die negative Bewertung des Arztes positiv klang. So wie Hägar stellen wir Tatsachen über uns selbst oft falsch dar, um uns einzuschmeicheln, Sympathien zu gewinnen, unser Gesicht zu wahren, Kritik zu vermeiden und uns selbst zu erhöhen oder zu schützen. Zunächst scheint es vorteilhaft zu sein, unsere Errungenschaften, Fähigkeiten und Erfahrungen oder unsere Miss erfolge, Schwächen und Niederlagen falsch darzustellen. Irgend wann kommt aber die Wahrheit heraus und die Beziehungen in unserer Familie leiden darunter. Genauso üblich und schädlich ist es, andere falsch darzustellen. Hiob wurde von seinen so genannten Freunden falsch dargestellt. Sie waren sich sicher, er hätte schwer wiegende, dunkle, geheime Sünde in seinem Leben, für die er bestraft wurde. Folglich erhoben sie falsche Anklage gegen ihn. 142 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie Auch Paulus wurde auf dieselbe Weise behandelt. Aus Neid und Feindseligkeit versuchten Leute immer wieder, ihn und seine Heils botschaft in Verruf zu bringen. Sie verbreiteten Gerüchte über sein Verhalten. Sie verdrehten, was er sagte und legten seine Motive für seine guten Taten falsch aus. Während seiner gesamten Dienstzeit wurde er immer wieder Opfer falscher Darstellung (vgl. 1.Kor. 4,913; 2.Kor. 1,13-24; 2.Kor. 12,11-19; 1.Thess. 2,1-11). Stell dir zum Beispiel vor, wie einfach es wäre, die Worte des Paulus in Epheser 4,28 zu verdrehen: „Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern bemühe sich vielmehr, mit den Händen etwas Gutes zu erarbeiten, damit er dem Bedürftigen etwas zu geben habe.” Mit ganz kleinen Hinzufügungen und Auslassungen könnte man diese Aussage völlig verdrehen: „Nur wer schon mal gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern bemühe sich vielmehr, mit den Händen etwas Gutes zu erarbeiten.” Das würde bereits genügen, um die Botschaft des Paulus zweideutig und zweifelhaft erscheinen zu lassen und auf den Kopf zu stellen. Wir alle haben wohl schon erleben müssen, dass man Tatsachen über uns verdreht hat. Was wir gesagt hatten, wurde falsch zitiert oder unter- oder übertrieben oder in einem anderen Ton, mit ande rer Betonung oder mit einer anderen Schattierung widergegeben. Oft kommt dies innerhalb unserer Familie vor. Jesus warnte uns, dass es Zeiten gibt, in denen wir in unserem eigenen Heim falsch behandelt werden (Matt. 10,36). Hinzu kommt, dass wir die Worte und Motive derer, die uns verletzt haben, auch verdrehen, sodass der Streit im Haus eskaliert. Schlechte Worte Eine zweite breite Kategorie von gesprächs-blockierendem Reden wird in Epheser 4,29 erwähnt. Paulus sagt: „Kein schlechtes Wort soll aus eurem Mund kommen.” Schlechte Worte müssen genauso aus unseren Unterhaltungen verbannt werden wie Unwahrheiten. Das griechische Wort für „schlecht” wurde auf verschiedene Weise gebraucht, Luther übersetzte es an dieser Stelle mit „faul“. Faules Obst ist verdorbenes Obst – es stinkt, sieht abstoßend aus und fühlt sich widerlich an und ist möglicherweise schädlich, wenn 143 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst man es isst. Eine wütende Seuche nannte man eine „faule“ Seuche. Die griechische Übersetzung des Alten Testaments gebraucht dieses Wort für die Krankheit, die Hiobs Fleisch verfaulen ließ (Hiob 33,21). Matthäus 13,48 gebraucht es, um schlechten oder „faulen“ Fisch mit gutem Fisch zu vergleichen, weil der „faule“ Fisch entweder krank oder nicht nahrhaft war. Wenn wir dies auf das „faule Geschwätz” (Lutherübersetzung) in Epheser 4,29 übertragen, sehen wir, dass das Reden in dieser Kategorie ein weites Spektrum abdeckt. Es umfasst alles Gesagte, das ungesund, unproduktiv, verwerflich, verletzend, giftig und zer störerisch ist. Sprache, auf die eine dieser Beschreibungen zutrifft, muss als gesprächs-blockierend erkannt und abgelegt werden. Abschweifen Zur Kategorie der unproduktiven Sprache zählt auch, was ich als „Abschweifen” bezeichne. Dies kommt vor, wenn während einer Un ter haltung kein einziges Thema ausdiskutiert wird. Es wird ständig ein neues Thema angeschnitten, ohne das vorige ab zu schließen. Es werden ständig neue Gesprächsthemen auf den Tisch gebracht, aber am Ende fühlt man sich völlig überfordert, weil keins zum Abschluss gebracht wurde. Ich erinnere mich an eine Dame, die sich über ihren Ehemann beschwerte, der zu keiner Kommunikation bereit war. Ihrer Meinung nach trug er allein die Schuld an allen Problemen in ihrer Ehe (und es waren viele). „Ich bin unzufrieden, weil unsere Beziehung nicht tief genug geht”, sagte sie. „Ich erwarte mehr vom Leben und von der Ehe, als ich zur Zeit habe. Aber mein Mann hat kein Interesse daran, über Probleme zu reden und unsere Ehe zu verbessern. Ich bekomme ihn einfach nicht dazu, über wichtige Dinge zu sprechen. Er will nichts anderes tun, als herumsitzen und fernsehen.” Probleme sind selten so einseitig, wie sie es versuchte darzustellen, und so bemühte ich mich, einigen ihrer Beschwerden auf den Grund zu gehen, indem ich ihr gezielte Fragen stellte, sodass sie die pas senden Antworten geben würde. Nach einigen Sitzungen stellte ich aber enttäuscht fest, dass wir nicht weiterkamen. Dann begriff ich, was vor sich ging. 144 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie Wenn sie in unsere wöchentliche Beratungsstunde kam, begann sie gewöhnlich damit: „Lassen Sie mich erzählen, was diese Woche passiert ist. Wir müssen dringend ein paar Dinge besprechen.” Dann begann sie mit einem Thema und ich versuchte, ihr zu helfen, Gottes Sichtweise zu verstehen. Aber noch bevor wir eine biblische Lösung gefunden hatten, ging sie zu einem neuen Thema über. Sie sprang von einem Problem zum nächsten, ohne auch nur eins gründlich durchgesprochen zu haben. Es wurden viele Feuer entfacht, aber keins ausgelöscht. Ich fragte mich, ob ihr Mann vielleicht deshalb nicht mit ihr reden wollte, weil sie ständig vom Thema abwich. Deshalb erklärte ich ihr, was ich während unserer Sitzungen festgestellt hatte, und wie ich mich dabei gefühlt hatte. Zusätzlich bat ich um ihre Zustim mung, unsere Gespräche aufzeichnen zu dürfen, damit sie sie später anhören konnte. Sie war damit einverstanden. Diese Übung öffnete ihr die Augen. Nachdem sie die erste Kas sette angehört hatte, sagte sie: „Mir hat nicht gefallen, was ich da gehört habe. Ich dachte immer, ich sei sehr rücksichtsvoll und aufgeschlossen. Was ich zu hören bekam, war eine von sich selbst überzeugte, engstirnige Person, die sich unhöflich und überheblich benahm.” Durch diese Übung wurde ihr bewusst, wie sie durch ihr Abschweifen vom Thema die Gesprächsleitungen blockiert hatte. Wir legten einige Grundregeln für unsere Unterhaltungen fest, von denen ich mir erhoffte, dass sie diese auf ihre Gespräche zu Hause übertragen würde. Wir machten eine Liste der Dinge, die wir besprechen wollten, legten die Reihenfolge fest, in der dies geschehen sollte, und begannen sie eins nach dem anderen abzu arbeiten. Jedes Mal, wenn sie in ihre alte Gewohnheit verfiel und vom Thema abwich, machte ich sie darauf aufmerksam und ließ nicht zu, dass sie das Thema wechselte, solange wir das aktuelle noch nicht ausgiebig genug behandelt hatten. Langsam, aber sicher ließ ihre Neigung abzuschweifen nach und damit auch die Frustration und Verwirrung, die damit einhergingen. Mit der Zeit kam auch ihr Mann, der sich geweigert hatte, in die Beratung zu gehen, gerne mit zu diesen Sitzungen. Er hatte die Veränderung an seiner Frau und ihrem Kommunikationsstil 145 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst bemerkt. Sie schufen in ihm die Bereitschaft, an einer Verbesserung ihrer Beziehung zu arbeiten. Verbales Schmettern Beim Tischtennis ist es eine beliebte Taktik, dem Gegner den Ball entgegenzuschmettern. Der Gegner muss dann oft zurückweichen, um den Ball zurückzuschlagen, der stark vom Tisch abprallt. Das Schmettern der Bälle treibt die Spieler weiter auseinander. Eine andere Strategie, bei der der Ball sanft über das Netz abgerollt wird und auf das gegnerische Feld dribbelt, hat den gegenteiligen Effekt. Um den Ball zurückzubefördern, muss man sich dem Gegner annähern. Das Schmettern mag eine legitime Taktik für das Tischtennis-Spiel sein. Aber wenn es um zwischenmenschliche Kommunikation geht, ist das „Schmettern” eine Form von ungesunder, „fauler“ Sprache, die abgelegt werden muss. Wenn du anderen Mitgliedern deiner Familie grobe, schneidende Worte entgegenschleuderst, werden sie sich gewiss von dir distanzieren, räumlich wie auch emotional. Die Heilige Schrift fordert uns auf, die „Dribbel”-Technik zu erlernen. Weiche, sanfte, respektvolle Worte auf andere zu träufeln, wird sie dir näher bringen. In Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen trifft es in der Tat zu: „Eine sanfte Antwort wendet den Grimm ab, ein verletzendes Wort aber reizt zum Zorn.” (Spr. 15,1) Entwerten Eigene Aussagen zu entwerten, ist eine weitere Form von ungesunder Kommunikation. Das passiert, wenn jemand etwas Angenehmes sagt und es im nächsten Atemzug zurücknimmt (entwertet). Zum Beispiel: „Das war ein gelungenes Essen. Warum kochst du nicht öfter so gut?” „Ich freue mich, dass du in Englisch und Geschichte Einser bekommen hast, aber warum hast du in den anderen Fächern nur Zweier und Dreier?” „Ich schätze es wirklich, wie gut du den Rasen diesmal gemäht hast. Ich wünschte nur, du würdest es öfter so machen.” „Danke, dass du mich angerufen hast um zu sagen, dass du später kommst. Ich begreife nur nicht, warum du das nicht immer tust.” „Sicher bist du ehrlich und treu und arbeitest hart, aber du bist so dumm und langweilig und uninteressant.” 146 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie Vor einiger Zeit nahm eine christliche Führungsperson, die als hervorragender Bibellehrer bekannt ist, an einem unserer Kurse in der Bildungseinrichtung für den christlichen Beratungsdienst teil. Als der Kurs beendet war, schrieb dieser Mann einen Brief an den Lehrer, in dem er sich für den Kurs bedankte, der sehr biblisch, praktisch und mit guten Informationen gefüllt gewesen sei. Zum Schluss erwähnte er, dass er zwar nichts Neues gelernt habe, der Kurs aber eine gute Auffrischung bekannter Tatsachen geboten habe. Es ist lobenswert, dass dieser Mann sich die Mühe machte, den Brief zu schreiben, aber der letzte Teil wirft einige Fragen auf. Warum entwertete er seine Aussage? Fügte er den Teil, dass er nichts gelernt hatte, deshalb ein, weil er verhindern wollte, dass der Lehrer stolz würde? Oder wollte er einfach nicht zugeben, dass er mögli cherweise etwas von dem Lehrer gelernt hatte? Wollte er dem Lehrer weismachen, dass er bereits alles wusste? Entwertung wird dann eingesetzt, wenn man stolz ist und sich selbst erhöht, indem man andere erniedrigt. Stolz hindert uns daran, an deren unsere Wertschätzung für ihren Dienst auszudrücken, ohne eine Art Ausschlussklausel hinzuzufügen. Aus Stolz versichern wir anderen bei jeder guten Idee, die sie haben, dass wir sie schon lange vor ihnen hatten – oder zumindest ohne ihre Hilfe darauf gekommen sind. Stolz bewirkt in uns das Verlangen, die Vorschläge anderer abzuwerten oder zu korrigieren. Aus Stolz sagen wir oft Dinge wie: „Das ist eine gute Idee. Ich hatte bereits vor drei Monaten denselben Gedanken.” „Du bist auf dem richtigen Weg, aber ich habe einige Ideen, um es noch zu verbessern …” „Was er sagte, war nicht schlecht, aber wenn du über ihn wüsstest, was ich weiß, wärst du nicht mehr so beeindruckt.” Die Heilige Schrift sagt, dass Stolz Unehre bringt und Beziehun gen zerstört (Spr. 11,2; 13,10). Der Stolz erniedrigt andere manchmal ganz offen und manchmal auf etwas dezentere Art, vielleicht indem er etwa seine Wertschätzung zurückhält oder niemals „danke” sagt. Oder er zeigt sich durch Entwertungssprache. Theoretisch kann man einer Person, die diese Gewohnheit hat, nicht vorwerfen, dass sie sich nie bedankt. Sie ist vielleicht sogar stolz darauf, dass sie über jemand anderes etwas Positives gesagt hat, und ihr ist gar nicht bewusst, dass 147 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst sie im nächsten Atemzug diese Aussage wieder entwertet hat. Sie versteht nicht, warum Leute denken, sie sei undankbar. Schießpulver-Sprache Sprüche 18,6 beschreibt eine sehr schwer wiegende Art von unge sunder Sprache, die ich als „Schießpulver-Sprache” bezeichne: „Die Reden des Toren stiften Streit, und er schimpft, bis er Schläge kriegt.” Wenn manche Leute ihren Mund aufreißen, muss man all seine Kraft zusammennehmen, um nicht auf sie loszugehen, sei es verbal oder physisch. Ihre explosive Sprache fordert Schläge geradezu heraus, sei es bildlich oder wörtlich. Einmal machte ich einer Ratsuchenden ein Kompliment, weil sie das persönliche Abfrage-Formular besonders sorgfältig ausgefüllt hatte. Sie erwiderte: „Naja, hätte das nicht jeder so machen sol len?” PENG! Herr, sei mir gnädig! Äußerlich ignorierte ich ihre provokative Antwort und las weiter in ihrem Formular. Ihre Ant worten ließen darauf schließen, dass sie ihre Bibel regelmäßig las und oft betete. Ich machte eine Bemerkung und fügte hinzu: „Das ist großartig!”, worauf sie erwiderte: „Naja, wird das nicht von jedem Christen erwartet?” PENG! Noch ein feindseliger Blitz. Dann erfuhr ich, dass sie viele Bibelstellen auswendig lernte. Ich lobte sie dafür, und sie erwiderte scharf: „Naja, sollte nicht jeder Christ Bibelstellen auswendig lernen?” Egal was ich sagte, sie wollte kämpfen, und selbst Worte des Lobes brachten sie zum Explodieren. Der Mund dieser Frau forderte Schläge heraus. Ich konnte ver stehen, warum sie keine Freunde hatte, warum sie sich einsam und von anderen entfremdet fühlte und warum sie mit ihrer Familie Probleme hatte. Ihre Schießpulver-Sprache forderte Streit heraus und ließ ihn eskalieren und führte zu Niederlagen in ihrem Leben. Bauchredner-Sprache Wenn Eltern mit ihren Kindern zu mir in die Seelsorge kommen, stelle ich den Kindern auch direkte Fragen. Obwohl ich sie ansehe und auf eine Antwort warte, höre ich manchmal eine Stimme von der anderen Seite des Raumes. Mama oder Papa antwortet an ihrer Stelle. Oder ich richte eine Frage an den Ehemann und seine Frau 148 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie antwortet. Oder wenn er selbst antwortet, sagt seine Frau: „Er meinte eigentlich…” Wenn er das gemeint hat, dann lass ihn mir das erzählen! Bauchredner-Sprache übernimmt das Reden für die andere Per son. Es ist, als wenn man beim Basketballspiel den Ball in Beschlag nimmt. Ein dominanter Spieler denkt, er sei der Einzige, der punk ten kann, und gibt den Ball deshalb nicht weiter. Die anderen Spieler sind gekränkt und geben vielleicht ganz auf. Sie denken: „Was nützt es? Er will der Star sein. Lass ihn alleine spielen.” Dasselbe Ergebnis erhält man in familiären Beziehungen, wenn man das Sprechen für andere übernimmt. Schlusswort-Sprache Manche Leute vermitteln den Eindruck, dass, wenn sie etwas zu einem Thema gesagt haben, dem nichts mehr hinzugefügt werden kann; das endgültige Wort ist gesprochen worden. Sie sind wie „Herr Schwätzer” in der Pilgerreise, der sich zu fast jedem Thema ausführlich äußern konnte. Er war sehr beeindruckt von sich selbst und erwartete dasselbe auch von anderen. Stattdessen sahen sie in ihm einen langweiligen Schaumschläger und einen oberflächlichen Wichtigtuer. Eine Frau dachte, sie wüsste genau, was für ihren Mann und ihre Tochter das Beste sei. Sie hielt sich für das Orakel der Familie. Sie wusste, über welche Themen ihre Tochter ihre Schulaufsätze schrei ben sollte. Sie wusste, was ihre Tochter aus ihrem Leben machen würde. Sie wusste, wie ihr Mann sein Geschäft führen sollte. Sie wusste, was in der Gemeinde und in der Welt nicht richtig lief, und was dagegen unternommen werden sollte. Sie wusste auch, weshalb ihr Mann und ihre Tochter nicht auf sie hören wollten und keine gute Beziehung zu ihr hatten: Sie waren weltlich und ungeistlich und ihnen fehlte die Gottesfurcht. In Wahrheit waren sie es einfach satt, als Schwachköpfe behandelt zu werden. Das Bedürfnis dieser Frau, immer das letzte Wort haben zu müssen, hatte zwischen ihr und ihrer Familie eine gewaltige Barriere aufgebaut. 149 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Übertrieben negative Sprache Manche Menschen beschweren sich ständig und finden überall Fehler. Selten loben sie andere oder erwähnen deren gute Eigenschaften. Sie erkennen selten die guten Dinge, die in der Welt, in der Gemeinde oder ihrer Familie passieren. Sie sind Experten auf dem Gebiet der übertrieben negativen Sprache. Ihr Mund verkündet nichts als Untergang und Verderben und schafft dadurch eine depressive Atmosphäre in ihrer Familie. Das Heim wird zu einem Ort, an dem die Stimmung getrübt wird und nicht gehoben, wo Schwermut wohnt statt Fröhlichkeit – ein Ort, den man meiden möchte. Gedankenleser-Sprache Eine weit verbreitete Form von ungesunder Sprache besteht darin, über die Gedanken und Motive anderer zu spekulieren. Jane hört Mark etwas sagen und verkündet: „Ich weiß, wie du das meinst, aber du willst, dass ich etwas anderes denken soll. Ich sage dir, mir gefällt das überhaupt nicht.” Mark erwidert: „Was habe ich deiner Meinung nach gemeint?” „Du meinst…” „Nein, das meinte ich gar nicht. Ich wollte damit wirklich sagen…” „Du kannst mich nicht zum Narren halten. Ich lebe lange genug mit dir zusammen und ich kenne dich zu gut. Du hast gemeint… Komm schon, gib es zu.” Diese Unterhaltung scheint vielleicht weit hergeholt. Aber was ich hier beschreibe, könnte sich tatsächlich öfter bei dir zu Hause abspielen. Vielleicht bist du das Opfer oder der Täter solchen Verhaltens. Viele Menschen halten es für eine harmlose Gewohnheit, die Gedanken anderer zu lesen. Gewöhnlich sind sie es, die es tun! Wenn sich aber das Blatt wendet und jemand mit Bestimmtheit behauptet, ihre Gedanken zu kennen, dann sehen sie es anders. 150 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie Verbale Manipulation Das persönliche Wachstum und gute innerfamiliäre Beziehungen können auch dadurch behindert werden, dass jemand versucht, andere mit Worten zu kontrollieren, zu manipulieren oder zu bestrafen. Eine 29-jährige Dame kam in die Beratung, weil sie sehr ernsthafte persönliche und familiäre Probleme hatte. Sie hatte bereits öfter versucht, sich das Leben zu nehmen. Zu Beginn sprach sie nur über ihre Eheprobleme. Es wurde aber zunehmend offensichtlich, dass ihre Probleme weit reichender waren. Aus meinen über sie gesammelten Informationen konnte ich schließlich ersehen, dass ihre Mutter sie manipulierte und bestrafte, indem sie Dinge sagte wie: „Du bringst mich noch ins Grab.” „Ich wünschte, du wärst nie geboren. Ich wollte dich eigentlich gar nicht. Du taugst doch zu nichts.” Als sie ein kleines Mädchen war, dröhnten diese Worte in ihren Ohren, wenn sie sich abends schlafen legte. Sie war so ängstlich, verletzt und beschämt, dass sie nicht einschlafen konnte, weil sie dachte, ihre Mutter könnte in der Nacht sterben und sie würde Schuld daran sein. Sie lag wach und hörte auf das Atmen der Mutter. Schließlich gelangte sie an einen Punkt, wo sie sich wünschte, ihre Mutter würde sterben. Sie dachte, das würde ihre Qualen beenden. „Ich lag in meinem Bett und stellte mir vor, wie meine Mutter in einem Sarg lag.” Stell dir vor, welche Auswirkung die manipulativen, strafenden Worte dieser Frau auf das Kind hatten! Mit ihren widernatürlichen Äußerungen wollte sie ihre Tochter dazu bringen, ihre Erwartungen zu erfüllen, stattdessen aber verwundete sie das Mädchen (Spr. 15,4) und zerstörte ihre Beziehung zueinander. Zwickmühlen-Sprache Sprache, die andere in eine Zwickmühle versetzt, ist ebenfalls eine weit verbreitete Art der Gesprächsblocker. Unsere Worte schaffen eine Doppelbindung und senden eine widersprüchliche Botschaft, so dass der andere immer Schuld ist, egal was er tut. Ein Beispiel dafür habe ich in dem Comicstreifen „Blondie” gesehen. Dagwood telefoniert mit Herb und sagt dabei zu Blondie: 151 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst „Herb will, dass ich mit ihm Billard spielen gehe.” Blondie erwidert: „Wenn es dir nichts ausmacht, mich hier ganz alleine zu lassen, und dein Gewissen dir erlaubt zu gehen, dann lasse ich dich auch gehen.” Und so sagt Dagwood zu Herb: „Sie hat ‚ja‘ gesagt, aber es klang eher wie ein nein.” Dagwood hörte Zwickmühlen-Sprache – er erhielt zwei gegensätzliche Botschaften. In einer unserer Bildungseinrichtungen für den Beratungsdienst bemerkte ich etwa zehn Minuten vor Beginn des Unterrichts ein Schild auf einem der bequemeren Stühle: „Dieser Platz ist reserviert für die Einleitung zur Christlichen Lebensberatung heute Abend von 6–9 Uhr. Alle Besetzer werden erschossen. Damit meine ich dich. Also hau ab!” Weiter unten auf dem Schild war hinzugefügt: „P.S. Ich liebe dich.” Das ist Zwickmühlen-Sprache! Wir schlagen Leuten mit einem Satz ins Gesicht und drehen uns dann um und knuddeln sie mit dem nächsten. Das Ergebnis ist oft Verwirrung, Frustration und Verbitterung. Zuckerwatte-Sprache Wenn man gelegentlich etwas Zuckerwatte isst, wird das der Gesundheit wahrscheinlich nicht schaden. Wehe aber dem Men schen, der sie zu seinem Hauptnahrungsmittel macht! Zuckerwatte kann den Körper einfach nicht stark machen. Ihr fehlen die Vita mine und Mineralien, die man braucht, um gesund zu bleiben. Wenn jemand nur Zuckerwatte isst, wird er letztendlich verhungern. Viele Familien sind schwach und gebrechlich, weil auf ihrem Kom munikationsmenü nichts anderes steht als Zuckerwatte-Sprache. Die Unterhaltungen in so einer Familie sind meistens oberflächlich und ohne Tiefe und Substanz. Gespräche ohne Tiefgang, alberne Späße und Sticheleien machen den Großteil der Unterhaltungen aus. Weil ernste Themen, schmerzhafte und komplizierte Angelegenheiten und Grundprobleme selten besprochen werden, bleiben die Beziehungen innerhalb der Familie sehr oberflächlich. 152 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie Übertriebene Schwergewicht-Sprache Aber auch das Gegenteil muss vermieden werden. Manche Men schen sind sehr ernst und missbilligen Geplauder als furchtbare Zeitverschwendung. Sie wollen bei jeder Unterhaltung über hoch theologische Fragen, Probleme, schwer wiegende Themen und Grundprobleme diskutieren. Für sie hat das Lachen, das Spaßen und über Sport oder anderen amüsanten Zeitvertreib reden nur wenig oder gar keinen Wert. Natürlich müssen ernste Dinge angesprochen, Probleme geklärt und biblische Wahrheiten analysiert und besprochen werden. Aber solche Leute vergessen, dass Gott uns alle Dinge im Übermaß gegeben hat, damit wir sie genießen können (1.Tim. 6,17). Das Leben besteht aus mehr als nur Zuckerwatte, aber auch aus mehr als nur aus Problemen und Schwierigkeiten. Etwas leichtere Kost ist legitim und sogar förderlich. Das Leben mit einem „Schwergewicht-Redner” kann eine Heraus forderung sein. Andere Familienmitglieder sehen vielleicht die Not wendigkeit ein, über Probleme oder schwer wiegende theologische Themen zu reden, aber sie werden müde, es ständig zu tun. Sie wollen auch mal entspannen und den Rosenduft genießen. Sie wollen lachen und ihren Gedanken erlauben, an die Dinge zu denken, die liebenswert und wohllautend sind (Phil. 4,8). Sie glauben, dass alles, was Gott geschaffen hat, gut ist, und sie es mit Dankbarkeit annehmen und genießen dürfen (1.Tim. 4,4). Wenn mir eine Situation unterkommt, wo „SchwergewichtSprache” die Beziehungen in der Familie belastet, schlage ich vor, dass die Familie eine bestimmte Tageszeit festsetzt, um über ernstere Themen zu sprechen. Ich sage ihnen, sie sollen die Diskussion von Problemen oder anderen schwer wiegenden Fragen auf eine bestimmte Zeitspanne begrenzen. Sonst werden ihr ganzes Leben und ihre Beziehungen problematisch. Ich bitte sie auch, für diese „Schwergewicht-Gespräche” einen bestimmten Ort festzulegen. Wenn sie im Auto, im Schlafzimmer, im Esszimmer und in der Küche nur über Probleme reden, wird das Leben bald keinen Spaß mehr machen. Jede Familie muss 153 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst lernen, das Gleichgewicht zwischen tiefgründigen und leichteren Gesprächen zu halten. Voreilige Worte Eine schnelle Antwort ist meistens eine unkluge und stellt eine andere Form von ungesunder Sprache dar. Die Bibel warnt uns vor solchem Verhalten: „Siehst du einen Mann, der übereilte Worte spricht, so kannst du für einen Toren mehr Hoffnung haben als für ihn.” (Spr. 29,20) „Es ist dem Menschen ein Fallstrick, überstürzt zu rufen: »Geweiht!«, und erst nach dem Gelübde zu überlegen.” (Spr. 20,25) „Darum, meine geliebten Brüder, sei jeder Mensch schnell zum Hören, langsam zum Reden.” (Jakobus 1,19) „Darum sollst du nicht viele Worte machen!” (Prediger 5,1b) König Saul liefert ein gutes Beispiel für die zerstörerische Kraft von Kurzschluss-Reaktionen. Einmal machte sein Sohn Jonathan beim Essen eine Bemerkung über seinen Freund David, die Saul nicht gefiel. „Da entbrannte Sauls Zorn gegen Jonathan, und er sprach zu ihm: Du missratener, widerspenstiger Sohn! Meinst du, ich wüsste nicht, dass du den Sohn Isais erwählt hast, zu deiner Schande und zur Scham und Schande deiner Mutter? … Und Jonathan stand vom Tisch auf in glühendem Zorn und aß an jenem zweiten Tag des Neumonds keine Speise; denn es tat ihm weh um Davids willen, weil sein Vater ihn beschimpft hatte.” (1.Samuel 20,30+34) Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass die Beziehung zwischen Saul und Jonathan angespannt war. Dafür gab es wahr scheinlich viele Gründe, aber man kann davon ausgehen, dass einer davon Sauls Neigung zu ärgerlichen, voreiligen Worten war. In Eile gesprochene Worte sind selten förderlich. Oft sind sie sehr zerstörerisch wie die Worte Sauls. Willst du deine Familie nach Gottes Plan gestalten? Nimm diese Gesprächsblocker ernst. Oberflächlich betrachtet erscheinen sie vielleicht unschuldig und harmlos. Aber sie sind es nicht! Sie sind tödlich. Wenn du deine Familie so gestalten willst, wie Gott sie sich gedacht hat, dann rate ich dir dringend, mit seiner Hilfe alle Formen 154 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie von ungesunder Sprache in deiner Familie zu identifizieren und aus euren Unterhaltungen zu verbannen. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Antworten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Analysiere die folgenden Verse und schreibe auf, was sie über „Kommunikations-Viren” (Gesprächsblocker) sagen. Bestimme die erwähnten Gesprächsblocker und deren Aus wirkungen auf die Beziehungen in der Familie. a) Epheser 4,31 b) Sprüche 12,18 c) Sprüche 11,13 d) Sprüche 16,27 e) Sprüche 18,21 f) Sprüche 17,9 g) Sprüche 10,18 h) Sprüche 13,3 i) Sprüche 15,1 j) Sprüche 16,28 k) Sprüche 18,7 l) Sprüche 22,14 m) Sprüche 24,28+29 n) Sprüche 25,9+10 o) Sprüche 25,24 p) Sprüche 26,18+19 q) Sprüche 27,2 r) Sprüche 28,23+24 s) Sprüche 29,20 t) Matthäus 5,21-24 u) Matthäus 5,33-37 v) Jakobus 3,1-12 w) Jakobus 4,11 x) Jakobus 5,9 y) Jakobus 5,12 155 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 2. Führe anhand der folgenden Liste eine Bestandsaufnahme über die Gesprächsblocker durch, die auf deine Familie zutreffen. Manche davon wurden in diesem Kapitel erwähnt, andere nicht. Bewerte dich selbst und jeden Einzelnen in deiner Familie. Benutze die folgende Bewertungsskala: Tue ich nie = 4, tue ich selten = 3, tue ich manchmal = 2, tue ich oft = 1, tue ich meistens = 0. Sei ehrlich bei deiner Bewertung. Versuche, etwas daraus zu lernen. a)Lügen (1) unverfrorenes Lügen 43210 (2) Übertreibungen 43210 (3) Falsche Darstellung 43210 b) Abschweifen 43210 c) Verbales Schmettern 43210 d) Beleidigendes, spöttisches Reden 43210 e) Entwerten 43210 f) Schießpulver-Sprache 43210 g) Bauchredner-Sprache 43210 h) Schlusswort 43210 i) Übertrieben negative Sprache 43210 j) Gedankenleser-Sprache 43210 k) Übertönen (laut, gewaltsam, aufdringlich) 43210 l) Manipulierende, strafende Sprache 43210 m) Zwickmühlen-Sprache 43210 n) Übergehende Sprache (der Beitrag des anderen wird übergangen) 43210 o) Emotionale, ungehaltene Sprache (ärgerlich, dramatisch, überreagierend) 43210 p) Zusammenhangloses Reden (kein Zusammenhang mit dem, worüber gerade gesprochen wird, passt nicht zur Situation) 43210 q)Lappalien-Sprache (aus einer Mücke einen Elefanten machen) 43210 r) Übertriebene Zuckerwatte-Sprache 43210 s) Übertriebene Schwergewicht-Sprache 43210 t) Aufgesetzte beschwichtigende Sprache 43210 156 Kapitel 8 Gesprächsblocker in der Familie u) Kurzschluss-Reaktion 43210 v) Schuldzuweisen, Rechtfertigen 43210 w) unchristliches Reden (Dinge sagen, die der Bibel widersprechen oder über die wir nicht reden sollen)4 3 2 1 0 x) Ausweichendes Reden (Themen nicht direkt ansprechen, andere täuschen) 43210 y) Gotteslästerliche, vulgäre Sprache 43210 z) Sarkastische Sprache (andere runterputzen, bissige Sprache) 43210 3. Stelle die „Kommunikations-Viren” fest, bei denen du oder andere Familienmitglieder 0, 1 oder 2 Punkte erreicht haben. Betet darüber und überlegt, wie ihr euch verbessern könnt. 4. Lies die folgenden Aussagen und überlege, welche der 26 Gesprächsblocker aus Übung 2 jeweils zutreffen. Unter „a” findest du ein Beispiel. a) Du machst mich krank. __c,d,f,k,l,o_______________ b) Ich hoffe, du bekommst, was du verdienst. _____________ c) Es ist mir egal, was du denkst. ______________________ d) Das wird dir noch Leid tun. ________________________ e) Du bist so ein Trottel, ein richtiger Einfaltspinsel. _________ f) Warum hältst du nicht einfach den Mund! ______________ g) Diesmal werde ich mich rächen. __________________ h) Sei doch still, ich werde dir schon sagen, was du tun sollst. Ich will nichts mehr hören. ____________________ i) Warum in aller Welt hast du das bloß getan? __________ j) Wenn du eine echte Frau (oder ein echter Mann) wärst, würdest du … _________________ k) Ich weiß, dass ich es versprochen habe, aber … __________ l) Jeder weiß doch, dass es nicht so ist, wie du es darstellst. __________________ m) Nach dem, was du mir angetan hast, erwartest du noch, dass ich dich liebe? ________________ n) Ich weiß, warum du das getan hast! ________________ 157 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst o) Ich will nichts über deine Probleme hören. Ich habe selber genug. ___________________ p) Dich interessiert nie, was ich denke. ________________ q) Keiner kann das so gut verstehen oder machen wie ich. ______________________ r) Du bist nie zufrieden. ___________________ s) Du bist doch derjenige, der immer Probleme macht. ______ t) Steig von deinem hohen Ross herab! _________________ u) Dann habe ich eben gelogen. Mach nicht so ein Drama daraus. __________________ v) Ich weiß, ich hätte es nicht tun sollen, aber … __________ w) Warum kannst du nie etwas richtig machen? ___________ x) Du wirst es nicht glauben, was ich heute über Sally erfahren habe. Sie … _____________________ y) Na gut, du bekommst deinen Willen. Ich gebe ja sowieso immer nach. __________________ z) Du hättest wissen müssen, dass ich es nicht wirklich so meinte. Jeder weiß, dass ich nur Spaß gemacht habe. Du nimmst immer alles viel zu ernst. _____________________ 5. Geh die Liste in Übung 4 noch einmal durch und kreise die Aussagen ein, die du selbst so oder ähnlich auch schon mal gemacht hast. Kreuze die Aussagen an, die du von anderen Mitgliedern deiner Familie gehört hast. Sprecht darüber, wie sich solche Äußerungen auf euch, eure Beziehungen und andere auswirken. Betet und arbeitet daran, solche Aussagen in euren Gesprächen zu vermeiden. 158 Kapitel 9 Um die Wahrheit zu sagen „Stock und Stein bricht mein Bein, aber Worte bringen keine Pein.” Dieses bekannte Sprichwort ist eine der größten Lügen, die der Menschheit je untergeschoben wurden. Laut der Heiligen Schrift können Worte Nachbarn zu Grunde richten (Spr. 11,9), Städte niederreißen (Spr. 11,11), Menschen töten (Spr. 12,6), Leben zerstören (Spr. 13,3), Ärger verursachen (Spr. 15,1) und zu Verzweiflung und Depressionen führen (Spr. 15,4). „Und die Zunge ist ein Feuer, eine Welt der Ungerechtigkeit. … sie befleckt den ganzen Leib und steckt den Umkreis des Lebens in Brand und wird selbst von der Hölle in Brand gesteckt. … die Zunge aber kann kein Mensch bezwingen, das unbändige Übel voll tödlichen Giftes!” (Jakobus 3,6.8) Die Menschheit hat keine Waffe entwickelt, die größere Zer störungskraft hat als die menschliche Zunge. Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Dieselbe Zunge kann eine überaus gute, aufbauende Kraft im Leben deiner Familie entfalten. Worte können Menschen aufbauen (Spr. 18,21), für eine ganze Stadt zum Segen werden (Spr. 11,11), Unbehagen vertreiben (Spr. 12,25), Freude und Zufriedenheit bewirken (Spr. 12,14), trösten und ermutigen (1.Thess. 4,18), Wut abschwächen und Streit verhindern (Spr. 15,1) und Gott Freude und Wohlgefallen bereiten (Eph. 4,30; Mal. 3,16). „Eine heilsame Zunge ist ein Baum des Lebens” (Spr. 15,4); „… die Zunge der Weisen aber ist heilsam” (Spr. 12,18). In Epheser 4,25 werden einige Tatsachen über die Wichtigkeit und Kraft verbaler Kommunikation aufgeführt: „Darum … redet die Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind untereinander Glieder.” (1) Wir werden aufgefordert zu reden. Kommunikation ist 159 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst eine Pflicht. Unser Herr hat uns beauftragt, miteinander zu sprechen. (2) Jeder von uns soll reden. Gott will von jedem Einzelnen, dass wir effektiv kommunizieren. Es gibt keine Ausnahmen. Wer sich weigert zu kommunizieren, ist ungehorsam. (3) Jeder soll mit seinem Nächsten sprechen. Mit dem Nächsten meint Paulus in diesem Abschnitt andere Christen. Im gröberen Zusammenhang ist in der Bibel mit dem Nächsten meistens jemand gemeint, der uns nahe ist, also jeder Mensch, mit dem wir in Berührung kommen (Lukas 10,29-37). Sich nahe stehende Personen (Ehemänner, Ehefrauen, Eltern, Kinder) sollten miteinander reden. (4) Wir sollen miteinander sprechen, weil wir zu einem Leib gehören, oder wie es die Schlachter 2000 ausdrückt: „Wir sind untereinander Glieder.” Als Mitchristen sind wir eng miteinander verwandt, Teile des Leibes Christi (Eph. 4,16; 1.Kor. 12,13). Charles Hodge erklärt: „Es wäre unnatürlich, absurd, frustrierend und könnte zu Verletzungen führen, wenn Hand und Fuß nicht effektiv miteinander kommunizieren würden, oder Auge und Ohr; es stellt also einen direkten Widerspruch gegen unsere Einheit dar, wenn Christen nicht miteinander reden.” 4 Wenn der menschliche Körper als Einheit funktionieren soll, muss jeder Körperteil wissen, was die anderen als nächstes tun werden. Wenn beispielsweise mein Kopf aufstehen will, aber dem Rest mei nes Körpers seinen Wunsch nicht mitteilt, werde ich nicht weit kommen. Das gleiche Ergebnis kommt bei Familien zu Stande, wo nicht miteinander geredet wird. Wenn du deine Familie nach dem Plan Gottes gestalten willst, erfordert das ein ausreichendes Maß an guten Gesprächen zwischen Familienmitgliedern. Die Alternative zu ungesunder, zerstörerischer Sprache ist nicht, still zu schweigen, sondern zu reden, was gut und erbaulich ist (Eph. 4,25+29). Ich bin nicht sicher, wie das Sprichwort „Stock und Stein bricht mein Bein, aber Worte bringen keine Pein” jemals entstanden ist. Aber ich habe das Gefühl, es müsse von jemandem erfunden worden sein, der eine Entschuldigung für seine eigenen unverantwortlichen Worte suchte. Es wurde jedenfalls weder von jemandem geprägt, der Gottes Sicht für das Reden teilte, noch von jemandem, der selber 4 Charles Hodge, Commentary on the Epistle to the Ephesians (Grand Rapids, Mich.: Eerdmans, 1954), Seite 268. 160 Kapitel 9 Um die Wahrheit zu sagen leichtfertigem, ungesundem Gerede ausgesetzt gewesen war. Die Wahrheit ist, dass Stock und Stein nur dein Gebein, aber Worte auch dein Herz brechen können. Wer seine Familie nach dem Plan Gottes gestalten will, muss die Ermahnung des Paulus: „Kein schlechtes Wort soll aus eurem Mund kommen, sondern was gut ist zur Erbauung, wo es nötig ist, damit es den Hörern Gnade bringe”, ernst nehmen (Eph. 4,29). Einfach nur miteinander zu reden, ist nicht genug. Es muss Gutes gesprochen werden, so dass andere gesegnet und nicht zu Grunde gerichtet wer den. Das Reden soll helfen und nicht verletzen, aufbauen und nicht zerstören. Gute Sprache ist ehrlich Gute Sprache enthält die Wahrheit. Paulus sagt: „… redet die Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind untereinander Glieder.” (Eph. 4,25) Aufrichtigkeit anderen gegenüber beginnt damit, dass man sich selbst gegenüber ehrlich ist. Die Bibel warnt uns oft vor Selbstbetrug. Jakobus schreibt über die Gefahr der Selbsttäuschung (Jak. 1,22). Jeremia sagt uns, dass unsere Herzen betrügerischer sind als alles andere (Jer. 17,9). Der Autor der Sprüche versichert uns, dass wir uns oft selbst betrügen und nicht wahrneh men, wie sündig wir sind (Spr. 16,2). In vielen seiner Briefe schlägt Paulus denselben Ton an. An die Korinther schreibt er: „Niemand betrüge sich selbst!” (1.Kor. 3,18) Er ermahnt die Römer sehr, sich nicht höher zu achten als angebracht wäre (Röm. 12,3). Manchmal tut die Wahrheit weh Es ist nicht immer leicht, sich die Wahrheit über sich selbst ein zugestehen. Manchmal ist es demütigend, sogar schmerzhaft und beängstigend, uns so zu sehen, wie wir wirklich sind. In meiner Beratungstätigkeit habe ich erlebt, wie Menschen die Wahrheit über sich selbst heftig abstritten, obwohl es unwiderlegbare Beweise gab. Leute, die zweifellos ausfällig, kritisch, streitsüchtig und gemein waren, behaupteten steif und fest, dass nichts davon auf sie zutraf. Etliche sahen ihre Schuld ein und entschuldigten sich später. Andere schienen ernsthaft davon überzeugt, dass sie unschuldig waren. 161 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Weil es schmerzhaft sein kann, die Wahrheit zuzugeben, wird es oft als sicherer angesehen, sie zu leugnen. Dies hindert uns aber daran, unsere Beziehung zu Gott und unseren Mitmenschen so zu vertiefen, wie er es sich für uns gedacht hat. Diese Beziehungen können nur auf der Grundlage der Offenheit und Aufrichtigkeit auf gebaut werden. Und wir können Gott und anderen gegenüber nicht ehrlich sein, wenn wir es nicht einmal uns selbst gegenüber sind. Es stimmt, manchmal schmerzt die Wahrheit. Wenn wir aber unehrlich sind und uns verstellen, verursachen wir noch mehr Schaden. Verschlagenheit und Falschheit schaden Menschen und Beziehungen im Endeffekt stärker als die Wahrheit, wenn sie auf angemessene Weise ausgesprochen wird. Die Wahrheit preiszugeben, kann einem vorkommen wie eine notwendige Operation. Der Schmerz ist real, aber das Ergebnis ist Gesundheit statt Tod. Wandeln im Licht Im ersten Johannesbrief finden wir einige Verse, die uns verstehen helfen, warum Offenheit und Ehrlichkeit für gesunde Beziehungen so unsagbar wichtig sind. „Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und doch in der Finsternis wandeln, so lügen wir und tun nicht die Wahrheit; wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.” (1.Joh. 1,6+7) Beachte sorgfältig die beiden Aussagen über wahre Gemeinschaft in diesem Abschnitt. Menschen, die in der Finsternis wandeln, können unmöglich echte Gemeinschaft mit Gott oder mit ihren Mitmenschen haben. „Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und doch in der Finsternis wandeln, so lügen wir …” Was bedeutet es denn, in Dunkelheit zu wandeln? A. W. Pink hat es gut erklärt: Ist das nicht schlichte Unaufrichtigkeit, der Mangel an absoluter Offenheit und transparenter Ehrlichkeit…? Ist es nicht so, dass wir bestimmte Dinge in und über uns selbst lieber verstecken oder verschleiern wollen? … Ich bin nicht bereit, alles, was ich tue und bin, hervorzubringen und vollständig ins helle Licht 162 Kapitel 9 Um die Wahrheit zu sagen der Wahrheit zu stellen. Ich wünschte, es könnte entschuldigt oder erklärt oder irgendwie abgedeckt oder angemalt werden. Ich bin nicht dafür, dass es dem grellen Sonnenlicht ausgesetzt wird.5 Johannes sagt: „wenn wir aber im Licht wandeln, … so haben wir Gemeinschaft…” Im Licht zu wandeln, ist die Voraussetzung für wahre Gemeinschaft mit Gott und anderen. Was bedeutet es, im Licht zu wandeln? Auch das hat A. W. Pink gut erklärt: „Licht ist klar, transparent, durchlässig, offensichtlich und offen, immer und überall… Der Eintritt des Lichts … verbreitet Realität um sich herum. Wolken und Schatten sind unwirklich; sie schaffen Unwahrheiten. Licht ist die nackte Wahrheit.” Aus dieser Definition können wir schließen, dass das Wandeln im Licht bedeutet, dass wir uns selbst und anderen gegenüber offen und ehrlich sein müssen. Das heißt, dass wir unsere Fehler, Sünden, Gedanken und Gefühle ehrlich zugeben sollten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, das echt und transparent ist. Unser Inneres, einschließlich unserer Sünden und Schwächen zu verstecken oder zu entschuldigen, hindert uns daran, Beziehungen aufzubauen, die Tiefe haben. „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben”, oder „Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben”, machen wir nicht nur „ihn zum Lügner” und betrügen uns selbst (1.Joh. 1,8+10), sondern machen wahre Gemeinschaft zu einem Ding der Unmöglichkeit. Wir müssen im Licht wandeln und unsere Sünden offen zugeben (1.Joh. 1,9). Jesus weist darauf hin, dass Menschen, die das Licht scheuen, es meiden, aber solche, die keine Angst haben, deutlich gesehen und erkannt zu werden, ins Licht treten (Joh. 3,20+21). Sie verstellen sich nicht. Der bescheidene Paulus Viele der Briefe des Apostels Paulus lassen erkennen, dass er sehr schnell tiefe Beziehungen eingehen konnte, die von Dauer waren. Zweifellos war ein Grund dafür, dass er „im Licht wandelte”. Er beschreibt, wie er mit anderen umgeht, mit folgenden Worten: „Un 5 A. W. Pink, An Exposition of 1 John (Grand Rapids, Mich.: Associated Publishers and Authors, 1971), Seite 16-17. 163 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst ser Mund hat sich euch gegenüber geöffnet … unser Herz ist weit geworden”; „… indem wir die Wahrheit offenbar machen, empfehlen wir uns jedem menschlichen Gewissen vor dem Angesicht Gottes.” (2.Kor. 6,11; 4,2) Paulus spielte weder in seinem Dienst noch in seinen zwischen menschlichen Beziehungen den großen Mann. Er verstellte sich nicht. Er hatte von den Menschen nichts zu befürchten, weil er ihnen gegenüber über sich selbst, seine Überzeugungen und seine Botschaft aufrichtig war. Was andere sahen und hörten, war keine Fassade und kein Werbeversuch, um irgendein Image aufzubauen. Er sprach frei und offen. Er öffnete sein Herz weit und erlaubte ihnen, den echten Paulus kennen zu lernen. Paulus’ Gewohnheit, „im Licht zu wandeln”, ist in vielen seiner Briefe erkennbar. Vor den Korinthern gab er seine persönlichen Qualen, Ängste und Sorgen über verschiedene Probleme zu und riskierte dabei, dass sie diese Informationen gegen ihn verwendeten: „Ich habe euch nämlich aus viel Bedrängnis und Herzensnot heraus geschrieben, unter vielen Tränen…” (2.Kor. 2,4). „Ich habe aber die Brüder gesandt, damit unser Rühmen von euch in dieser Hinsicht nicht zunichte wird … wenn die Mazedonier mit mir kommen und euch unvorbereitet finden, wir (um nicht zu sagen: ihr) mit diesem zuversichtlichen Rühmen zuschanden werden.” (2.Kor. 9,3.4) „Denn ich fürchte, wenn ich komme, … dass mein Gott mich nochmals demütigt bei euch…” (2.Kor. 12,21) „Ich habe mir aber vorgenommen, nicht wieder in Betrübnis zu euch zu kommen.” (2.Kor. 2,1) „Und ich war in Schwachheit und mit viel Furcht und Zittern bei euch.” (1.Kor. 2,3) Zu den Römern sprach er offen über seine persönlichen Kämpfe und Versagen: „Denn was ich vollbringe, billige ich nicht; denn ich tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das übe ich aus. Denn ich weiß, dass in mir … nichts Gutes wohnt; das Wollen ist zwar bei mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten gelingt mir nicht. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will, das verübe ich.” (Röm. 7,15+18-19) Paulus stimmte mit Johannes überein, dass wahre Gemeinschaft mit Gott und Mitmenschen erfordert, dass wir über uns selbst und über die Dinge 164 Kapitel 9 Um die Wahrheit zu sagen in unserem Leben wie Kämpfe und Versagen offen und ehrlich sein müssen. Schauspielern Es fällt uns oft schwer, dem Beispiel von Jesus, Johannes und Paulus zu folgen. Bei zwischenmenschlichen Beziehungen ist es viel leichter, sich zu verstellen. Die meisten tun es, wenn sie um einen Partner werben. Sie wollen auf den anderen einen guten Eindruck machen und legen ihr bestes Benehmen an den Tag. Bei bestimmten Themen hält man seine wahren Gedanken oder Gefühle zurück, weil man den anderen mit seinen fragwürdigen Vorstellungen und seinem anstößigen Verhalten nicht abstoßen will. Nicht nur bei der Partnersuche und in der Freundschaft zeigt man sich von der besten Seite. Es ist viel weiter verbreitet. Manche Christen benehmen sich unter anderen Christen ganz anders als unter Ungläubigen. Studenten oder Arbeitnehmer benehmen sich vielleicht respektvoll, solange der Professor oder der Chef gegen wär tig sind, sind aber respektlos, wenn sie nicht da sind. Manche Menschen reden höflich mit anderen, aber hinter ihrem Rücken lästern sie über diese. Ehepaare gehen miteinander in der Öffentlichkeit vielleicht sehr liebevoll um, aber wenn sie alleine sind, sind sie grob und rücksichtslos. Ich bekomme oft zu hören: „Mein Ehepartner ist nicht mehr die Person, die ich geheiratet habe. Bevor wir verheiratet waren, dachte, fühlte, verhielt er/sie sich nicht so wie jetzt. Wenn ich gewusst hätte, dass das passieren würde, hätte ich ihn/sie nie geheiratet.” Wenn jemand so etwas sagt, habe ich zwei mögliche Antworten parat: 1. „Natürlich hat sich dein Partner verändert, aber du doch auch. Jeder Mensch verändert sich ständig. Wir erleben neue Din ge. Wir werden älter. Wir sehen uns neuen Herausforderungen gegen über gestellt. Wir verändern uns entweder zum Guten oder zum Schlechten.” 2. „Dein Partner hat sich wahrscheinlich gar nicht so sehr verändert, wie du denkst. Vielleicht lernst du erst jetzt den wahren Menschen kennen, den du geheiratet hast. Vorher hat er oder sie 165 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst wahrscheinlich vieles vor dir geheim gehalten, was dich jetzt ärgert oder du hast damals nur auf die Dinge geachtet, die dir gefielen, und die Probleme einfach nicht bemerkt.” In der Ehe ist es schwieriger zu schauspielern, weil man viel mehr Zeit miteinander verbringt. Und trotzdem spielen viele Menschen weiterhin „So-als-ob” und „Verstecken”. Auch nach der Hochzeit verheimlichen sie vor anderen Familienmitgliedern viele persönliche Informationen, die ihnen peinlich sind oder riskant erscheinen. Aus verschiedenen Gründen weigern sie sich, offen und ehrlich mit einander zu sein. In meinen Ehe- und Familienberatungsstunden frage ich manch mal (gewöhnlich dann, wenn keine anderen Familienmitglieder anwesend sind): „Wie offen und ehrlich willst du mit dem Rest deiner Familie sein? Teilst du dich ihnen zu 100, 90, 80, 70 Prozent mit?” Wenn die Antwort darauf hindeutet, dass sie nicht genügend offen und ehrlich sind, stelle ich zwei weitere Fragen: 1. „Was ist der Grund dafür, dass du nicht offener und ehrlicher bist? Was hält dich davor zurück?” 2. „Welche Informationen hältst du meistens zurück? Bei welchen Dingen bist du zurückhaltend?” Ich tue das, weil ich weiß, dass familiäre Beziehungen nicht aufblühen können, solange Menschen notwendige Informationen zurückhalten. Einige der Gründe für die Zurückhaltung sind in sich selbst strittig und schädlich. Wenn jemand die Wahrheit zurückhält, um Macht zu gewinnen, den anderen zu bestrafen, um jeden Preis den Frieden wiederherzustellen oder sich selbst zu schützen, wird sich die Störung in der Beziehung verstärken, bis er/sie bereit ist, sein Verhalten den anderen Familienmitgliedern gegenüber zu ändern. Verschiedene Gesprächs-Ebenen und -Stile In jeder neuen Beziehung müssen die Parteien auf mehreren ver schiedenen Ebenen miteinander kommunizieren. Gute, harmonische und enge Beziehungen können durch viele verschiedene Kommu nikationsstile gefördert werden. Jeder Stil ist wichtig und sollte von jedem Mitglied der Familie in angemessenem Verhältnis angewandt werden. Ein Großteil der Unterhaltungen besteht aus Floskeln wie „Guten 166 Kapitel 9 Um die Wahrheit zu sagen Morgen”, „Schön, dich zu sehen”, „Es ist ein schöner Tag, nicht wahr?” oder „Hallo, wie geht’s?” Diese Sätze sind wichtig und dienen als Aufhänger, um ein Gespräch zu beginnen. Sie sind eine sichere Art, um die Stimmung zu prüfen und zu sehen, ob der andere an einem tieferen Gespräch interessiert ist. Auf dieser ersten Ebene laufen wir selten Gefahr, ignoriert oder abgelehnt zu werden. Die zweite Ebene dient dazu, Fakten und Informationen aus zutauschen. Wenn ein Ehemann seiner Frau berichtet, was an dem Tag bei der Arbeit passiert ist, und sie ihm erzählt, was sie zu Hause gemacht hat, kommunizieren sie auf Ebene 2. Auf dieser Ebene teilt man wenig über sich selbst mit, man übernimmt die Rolle eines unbeteiligten Reporters. Obwohl es wichtig ist Tatsachen aus zutauschen, werden Beziehungen oberflächlich bleiben, wenn das Gespräch nicht an Tiefe gewinnt. Eine tiefere Gesprächsebene erreichen wir, wenn wir Einblick in unsere Anschauungen, Einschätzungen und Beurteilungen gewähren und den Gesprächspartner nach seiner Auffassung über bestimmte Dinge oder Ereignisse fragen. Gespräche auf der dritten Ebene beginnen meistens mit Ausdrücken wie: „Meiner Meinung nach…”, „Ich denke…”, „Meiner Beurteilung zufolge…”, „Was denkst du über…” oder „Sag mir deine ehrliche Einschätzung zu…”. Weil man bei dieser Art von Austausch persönliche Dinge enthüllt, fördert er die Entwicklung enger, zufrieden stellender Beziehungen. Manche Menschen gehen auf solche Gespräche nur ungern ein, weil sie sich selbst oder andere davor bewahren wollen, verletzt zu werden oder weil sie vor jeder Art von Meinungsverschiedenheit zurückschrecken. Solange sie ihre Meinung für sich behalten, kann keiner sagen: „Das ist doch lächerlich! Ich verstehe überhaupt nicht, wie in aller Welt du so denken kannst.” Solange sie keinen nach seiner Meinung oder Einschätzung fragen, wird ihnen keiner einen Rat geben, den sie nicht hören wollten. Solchen Leuten scheint es viel besser zu sein, wenn sie ihre Meinungen und Vorstellungen für sich behalten. So laufen sie nicht Gefahr, andere zu kränken oder selbst zurückgewiesen zu werden. Die vierte und tiefste Ebene aufrechter Kommunikation besteht darin, unsere wahren Gefühle auf angemessene Art und Weise ein 167 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst zugestehen und zum Ausdruck zu bringen. Die Bibel sagt uns an keiner Stelle, dass wir unsere Gefühle missachten und so tun sollen, als gäbe es sie nicht. Vielmehr warnt uns die Heilige Schrift vor Heuchelei in Bezug auf unsere wahren Gefühle (Spr. 26,23-28). Viele Schriftstellen ermuntern uns eindeutig, uns unsere Gefühle einzugestehen und, wenn sie gottgefällig sind, sie zu genießen. Wenn sie aber Gott nicht gefallen, sollen wir sie erkennen und bekämpfen. Beispielsweise warnt uns die Bibel davor zu sündigen, indem wir unsere Wut an anderen auslassen: „Ein Tor lässt all seinem Unmut freien Lauf…” (Spr. 29,11), „Zürnt ihr, so sündigt nicht…” (Eph. 4,26), „Ein Narr lässt seinen Ärger sofort merken…” (Spr. 12,16). Diese Ermahnungen können wir nur dann befolgen, wenn wir uns unsere Gefühle eingestehen und sie auf angemessene Art und Weise zum Ausdruck bringen. Beachte besonders, wie wir mit unserer Wut umgehen sollen: „… aber ein Weiser hält ihn [seinen Ärger] zurück” (Spr. 29,11). Wir werden angewiesen, unsere Wut zurückzuhalten, nicht sie zu leugnen oder zu unterdrücken. „Zürnt ihr” (Eph. 4,26), aber „sündigt nicht” (Eph. 4,26) „… der Kluge aber steckt die Beleidigung ein.” (Spr. 12,16) Wir sollen zugeben, wenn wir uns ärgern, aber auf eine erbauende Art, nicht auf eine unwürdige. Das heißt, wir sollen unsere Gefühle zugeben – die guten wie die schlechten, die angenehmen wie die unangenehmeren – und zwar uns selbst, Gott und anderen gegenüber. Die Bibel liefert viele Beispiele frommer Menschen, die das taten. Oft gestand der Psalmist vor sich selbst, vor Gott und anderen ehrlich seine Angst und Verzweiflung (Psalm 38 und 42) oder seine Freude und Glücksgefühle (Psalm 16 und 145) ein. An vielen Stellen erwähnt Paulus seine Gefühle (1.Kor. 2,3; 2.Kor. 2,1-4; 6,10; 7,4+6). Und es gibt viele Bibelstellen, wo beschrieben wird, wie unser Herr Jesus sich fühlte. Er erlebte viele verschiedene Gefühle, darunter Mitgefühl, Freude, Leid, Sorge und Wut. Er verheimlichte seine Gedanken und Gefühle nicht, weil er wie auch auf allen anderen Gebieten selbst die Wahrheit ist (Joh. 14,6). Diese gesunden, reifen Persönlichkeiten waren sich ihrer Gefühle bewusst und schämten sich nicht, diese Gott und anderen gegenüber zuzugeben. Sie gebrauchten sie nicht als Waffen, um anderen Wun 168 Kapitel 9 Um die Wahrheit zu sagen den zuzufügen, sondern zum Guten. Und sie ermutigen uns, das selbe zu tun. Wenn du selbst nicht weißt, was du denkst oder fühlst Manche Menschen äußern hierzu Bedenken. „Ich bin einfach kein Denker. Wenn du einen Intellektuellen wolltest, hättest du jemand anderes heiraten sollen.” „Ich kann meine Meinung nicht äußern, weil ich bei vielen Themen selber nicht weiß, was ich davon halte.” „Ich rede nicht über meine Gefühle, weil ich kein emotionaler Mensch bin. Und selbst wenn ich Gefühle habe, weiß ich nicht einmal, welche das sind. Wie soll ich darüber sprechen?” „Ich bin kein gefühlsbetonter Mensch. Ich bin halt kein rührseliger, sentimentaler Typ. Ich bin nicht so schnell zu begeistern, und ich bin auch nicht depressiv oder ängstlich. Ich nehme die Dinge so, wie sie kommen.” „Ich bin einfach kein emotionaler Mensch. Ich kann mich nicht zu etwas machen, das ich nicht bin.” Äußerungen wie diese können Ausweichmanöver oder Ausreden von Menschen sein, die schweigen, um sich selbst zu schützen oder andere zu kontrollieren. Eine Frau, deren Mann sich auf ähnliche Weise entschuldigt hatte, sagte zu ihm: „Ich glaube dir nicht. Erzähl mir nicht, dass du nicht emotional bist. Ich habe gesehen, wie leb haft du wirst, wenn du Sportsendungen im Fernsehen ansiehst! Ich habe gehört, wie du dem Fernseher deine Meinung gesagt hast. Du bist dir deiner Gedanken und Gefühle schon bewusst, wenn du willst. Ich und die Kinder sind dir einfach nicht wichtig genug, um mit uns zu reden.” Genau aus diesem Grund sprechen viele Menschen nicht über ihre Gedanken und Gefühle. Aber es gibt auch andere, denen es ernsthaft schwer fällt, ihre Gedanken und Gefühle zu erkennen. Bei manchen ist dies situationsbedingt – es geschieht zu bestimmten Zeiten, mit bestimmten Personen. In anderen Fällen ist diese Unfähigkeit durchgängig und gleichbleibend. Es gibt Menschen, denen nie beigebracht wurde, richtig zu denken und zu fühlen, oder ihnen wurde beigebracht, ihre Gedanken und Gefühle so sehr zu unterdrücken, dass sie sie nicht mehr wahrnehmen können. Sie 169 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst besitzen einfach nicht die Fähigkeit zu beschreiben, was in ihnen vorgeht. Wenn sie gefragt werden, was sie denken oder fühlen, ist die aufrichtigste Antwort, die sie geben können: „Ich bin nicht sicher.” Es stimmt schon, dass man auch diese Fähigkeit erlernen kann, aber solche Leute zu einer sofortigen Antwort zu drängen, wird nur zu noch mehr Frust führen. Sie brauchen Zeit, um ihre Gedanken zu ordnen, bevor sie sprechen. Wenn man ihre Bereitschaft sich mitzuteilen (wie wenig das auch sein mag) ohne Verachtung akzeptiert, und sie dazu ermutigt, kann man ihnen helfen, freier und scharfsinniger zu werden. Kommunikationsfähigkeiten erlernen Für alle, die Probleme damit haben, ihre wahren inneren Gedanken und Gefühle zu erkennen und auszudrücken, können die folgenden Übungen hilfreich sein: 1. Nimm eine Bibelkonkordanz zur Hand und studiere die Gefühle und Empfindungen Jesu und anderer Personen aus der Bibel. 2. Beobachte, wie gottesfürchtige Menschen ihre Gedanken und Gefühle erkennen und ausdrücken. 3. Lerne, verschiedene Gefühle akkurat zu beschreiben – wenn man den Begriff für etwas nicht kennt, kann man es auch nicht erkennen oder ausdrücken. 4. Erlaube dir selbst zu denken und zu fühlen – du darfst das, weil Gott es dir erlaubt. 5. Gib zu, dass es schädlich ist, Gedanken und Gefühle zu leug nen, aber hilfreich, sie auf angemessene Art anzuerkennen, auszudrücken und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. 6. Beobachte deine Gedanken und Gefühle. Achte bewusst darauf, was in dir vorgeht; frage dich immer wieder: „Was denke oder fühle ich gerade?” 7. Sprich mit anderen über deine Gedanken und Empfindun gen. Sei bereit, ein Risiko einzugehen. Bemühe dich ganz bewusst. 8. Mach es zu einem Gebetsanliegen, dich in dieser Sache zu 170 Kapitel 9 Um die Wahrheit zu sagen verbessern. Gott versteht dich gut. Er hat dich mit diesen Fähigkeiten geschaffen und will, dass du sie gebrauchst. 9. Nimm die Hilfe anderer an. Bitte sie um Fürbitte, Geduld, Vorschläge, Anleitungen und Rückmeldungen. Ein Ziel der Kommunikation in der Familie sollte es sein, solche Beziehungen aufzubauen, dass wir miteinander über alles, was für unser persönliches Wachstum, unsere Beziehungen zueinander und unsere Beziehung zu Gott wichtig ist, offen und ehrlich reden kön nen. Über alles, was zu diesem Wachstum beiträgt, muss gesprochen werden. Ein Wort der Klarstellung Allerdings möchte ich klarstellen, dass ich nicht vorschlage, dass wir absolut alles, was wir denken und fühlen, unserer Familie mitteilen sollen. Du wirst bemerkt haben, dass ich meine Bemerkungen zu Offenheit und Ehrlichkeit mit den Worten „angemessen”, „passend” und „aufbauend” näher bestimmt habe. In vorigen Kapiteln habe ich dazu gedrängt, bestimmte Arten der Kommunikation zu meiden. In Kapitel 10 werden weitere Richtlinien erklärt. Das Thema dieses Kapitels ist, dass wir über alles, was für unsere Beziehungen und unser Wachstum in dem Herrn Jesus Christus wichtig ist, offen und ehrlich sein müssen, selbst wenn es manchmal schmerzhaft ist oder zu Spannungen führt. Wenn die Bibel uns sagt, dass wir die Sonne über unserem Zorn nicht untergehen lassen sollen (Eph. 4,26), bedeutet das, dass wir unsere Gefühle nicht ignorieren und so tun sollen, als gäbe es sie nicht. Außerdem lehrt uns diese Stelle auch, dass wir Probleme, die mit unseren Gefühlen zu tun haben, nicht unter den Teppich kehren sollen. Irgendwie müssen diese Angelegenheiten geklärt werden. Vielleicht müssen wir sie mit Gott allein klären, indem wir Gott um Hilfe bitten, unsere Fehler zu bedecken (1.Petr. 4,8). Wenn es aber für die andere Person, unsere Beziehung, uns selbst oder andere Leute nachteilig wäre, sie zu übersehen, müssen wir uns offen, ehrlich und biblisch damit befassen. Sonst gestatten wir (laut der Bibel) dem Teufel, in vielen Sphären Chaos und Verwüstung anzurichten, auch in unserem eigenen Leben und in unseren Beziehungen zu anderen (Eph. 4,27). 171 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Wahrheit oder Konsequenzen Aus einer Mücke einen Elefanten machen, Nörgeln oder Pingeligkeit bei unwichtigen Dingen stellen große Gefahren dar, die vermieden werden müssen (Spr. 17,9). Aber sich zu weigern, bei wichtigen Angelegenheiten ehrlich mit sich selbst und anderen zu sein, ist ge nauso problematisch und kann großen Schaden in Familien an richten. Ich bin Situationen begegnet, wo Leute jahrelang Schwierigkeiten geleugnet, heruntergespielt, gerechtfertigt und ver teidigt haben. Sie vergruben ihre wahren Gefühle und sagten: „Was er/sie tut, stört mich gar nicht. Es ist nicht wichtig.” „Das ist so eine Kleinigkeit.” „Wir haben eigentlich ein sehr gutes Verhältnis; es ist nur…” Schließlich gelangten sie an ihre Grenzen und versicherten, dass sie es nicht länger hinnehmen könnten (oder würden). Aus Frust, Schmerz oder Verzweiflung taten sie oft etwas Unbiblisches oder Zerstörerisches. Sie wussten einfach nicht, was sie sonst tun sollten, und beschlossen, es nicht länger hinzunehmen. Stattdessen wollten sie ein Ultimatum setzen oder das Handtuch werfen. Bis dahin hatten sie vielleicht gedacht, sie behielten die Wahrheit für sich, um den Frieden in der Familie zu wahren. Stattdessen aber erlaubten sie dem Teufel, in ihrem Heim Fuß zu fassen, weil sie sich weigerten, die Probleme auf angemessene Art offen und ehrlich anzugehen. (Mehr dazu in den Kapiteln 12–14.) Sprüche 26 berichtet von einem Menschen, der die Unwahrheit spricht, indem er leidenschaftlich seine Bewunderung und Wert schätzung bekundet, obwohl seine innere Einstellung völlig gegen sätzlich ist (Spr.26,23-28). Die Bibel bezeichnet seine Worte als „Silberglasur über ein irdenes Gefäß gezogen…” (V.23). Zunächst hört sich sein Reden gut und überzeugend an, aber bald nutzt sich die dünne Silberschicht ab und seine wahre Haltung und Gefühle kommen zum Vorschein. Die Heilige Schrift macht deutlich, dass dieser Mann denkt, wenn er die Wahrheit verschweigt, vermeidet er es, andere zu verletzen und tut etwas sehr Gutes. Tatsächlich aber hat sein Ver halten schmerzhafte Folgen: 1. Er vernichtet und zerstört andere (V.28); 2. er wird gefangen und in die Enge getrieben (V.27a); 3. was er anderen angetan hat, passiert ihm selbst (V.27b); 4. 172 Kapitel 9 Um die Wahrheit zu sagen seine Unehrlichkeit wird bekannt (V.26b); 5. andere verlieren das Vertrauen zu ihm (V.25); 6. was er getan hat, ist ein Ausdruck von Hass und Bosheit (V.24,26,28). Wie würdest du die folgenden Fragen beantworten? 1. Erzähle ich meiner Familie die Wahrheit oder hintergehe ich sie – halte ich Tatsachen zurück, die wichtig wären, damit wir alle wachsen können? 2. Bin ich so offen, ehrlich und durchschaubar, wie Gott es von mir erwartet, oder halte ich die Anderen auf Abstand? 3. Lasse ich zu, dass die Anderen mich wirklich kennen lernen können, oder verstelle ich mich? Selbst wenn man die Wahrheit auf die richtige Art und Weise vermittelt, kann sie weh tun, aber es gar nicht zu tun, wird am Ende noch mehr schmerzen. Verpflichte dich jetzt und hier zu der Art von Offenheit und Aufrichtigkeit, die Gott fordert, damit du deine Familie nach seiner Vorstellung gestalten kannst. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Denke über die Wahrheiten in diesem Kapitel nach und beantworte die folgenden Fragen: a) Warum ist es manchmal so schwer, mit Gott und Mit menschen offen und ehrlich zu sein? b) Was bedeutet die Aussage, dass die Wahrheit einer Operation gleichen kann? c) Was ist laut 1. Johannes eine Voraussetzung für wahre Gemeinschaft? d) In welcher Hinsicht haben diejenigen, die im Licht wandeln, von anderen nichts zu befürchten? e) Was ist in diesem Kapitel mit „Schauspielern” gemeint? f) Fallen dir Beispiele aus deinem eigenen Leben oder deinem Umfeld ein, wo sich jemand verstellt hat? g) Warum ist „Schauspielern” ein Hindernis für gute inner familiäre Beziehungen? 173 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst h) Was könnte der Grund dafür sein, dass jemand sagt: „Mein Ehepartner ist nicht der, den ich geheiratet habe!”? i) Beantworte folgende Fragen: Wie viel erzählst du anderen in deiner Familie über dich selbst? Was sind deine Gründe dafür, dass du bestimmte Dinge für dich behältst? Welche Dinge sind es, die du nicht erzählst? Hast du triftige Gründe für dein Schweigen? Wären deine Beziehungen besser, wenn du offener wärst? j) Welche unterschiedlichen Gesprächs-Ebenen wurden in diesem Kapitel erwähnt? k) Zu welchen Anteilen bestehen deine Unterhaltungen aus Ebene 1? ____ Ebene 2? ____ Ebene 3? ____ Ebene 4? ____ l) Warum teilen manche Menschen ihre Gedanken und Gefühle anderen nicht mit? m) Welche Richtlinien zur Verbesserung von Kommunikations fähigkeiten wurden hier gegeben? Kannst du noch andere hilfreiche Tipps hinzufügen? n) Welche Warnung bezüglich Offenheit und Ehrlichkeit wurde in diesem Kapitel ausgesprochen? o) Inwiefern gibt man dem Teufel die Gelegenheit, der Familie zu schaden, wenn man die Wahrheit verschweigt? p) Was schmerzt mehr, als die Wahrheit zu sagen? Stimmst du dem zu? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht? q) Kennst du Beispiele dafür – aus der Bibel oder sonstige –, welchen Schaden es verursachen kann, wenn man die Wahrheit verschweigt? 2. Wähle einige der folgenden Bibelstellen aus (wenn du willst, kannst du natürlich auch alle analysieren) und stelle fest, was sie über die Bedeutung von Offenheit und Ehrlichkeit sagen. Manche Stellen liefern gute Beispiele, denen wir folgen können; andere zeigen schlechte Beispiele, die man vermei den sollte. Beschreibe, welche Folgen es hat, wenn man die Wahrheit spricht oder verheimlicht; „a” und „b” geben dir je ein Beispiel. a) Psalm 51: David ist offen und ehrlich mit Gott und anderen 174 Kapitel 9 Um die Wahrheit zu sagen über seine Sündhaftigkeit. Er gibt freimütig zu, dass er sündig ist, dass Gott gerecht ist, wenn er ihn für schuldig erklärt, dass er Gott nicht treu war, dass er gereinigt werden muss, dass er seine Freude und Fröhlichkeit verloren hat, dass er ein reines Herz braucht und dass er Mord begangen hat (er spricht von Blutschuld, etc.). Das alles bekennt er sich selbst, Gott und anderen, so dass wir es heute lesen können. Außerdem waren die Psalmen das Gesangbuch des Volkes Gottes im Alten Testament, also wurde dieser Psalm wahrscheinlich von anderen gesungen, die David kannten. Er versteckte oder verstellte sich nicht. Deshalb vergab Gott ihm, reinigte ihn und gab ihm die Gelegenheit, andere zu unterweisen und zu warnen. b) 1.Mose 4,1-13: Kain sagte nicht die Wahrheit, als er gefragt wurde, ob er wüsste, wo sein Bruder sei. Er versuchte, sich vor Gott zu verstecken, aber Gott ließ sich nicht hereinlegen. Er klagte Kain des Verbrechens an und sprach das Urteil über ihn. Kains Ausweichmanöver brachte ihn in noch größere Schwierigkeiten und vermehrte seine Schuld. c) Hohelied 1,12-16 d) Hohelied 2,14 e) Hohelied 4,9-11 f) Hohelied 5,4-6+8 g) Hohelied 5,10-16 h) 1.Mose 12,10-20 i) 1.Mose 26,1-17 j) 1.Mose 27,1-44 k) 1.Mose 37,23-35 l) 2.Mose 32,1-4+19-25 m) Matthäus 26,69-75 n) Apostelgeschichte 5,1-11 o) 1.Samuel 12,1-5 p) Johannes 1,43-51 q) Psalm 42 + 43 r) Psalm 73 s) Psalm 77 175 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst t) u) v) w) x) y) z) Römer 7,14-25 1.Thessalonicher 3,1-5 Markus 3,1-5 Johannes 11,31-38 Matthäus 26,36-41 Lukas 7,36-50 Apostelgeschichte 20,19.31 3. Wähle vier oder fünf der folgenden Bibelstellen (wenn du willst, kannst du natürlich auch alle analysieren) und stelle fest, was sie über Offenheit und Ehrlichkeit sagen. a) Sprüche 12,19: „Wahrhaftige Lippen bestehen ewiglich, die Lügenzunge nur einen Augenblick.” Auf lange Sicht zahlt es sich aus, ehrlich zu sein. Beispielsweise werden andere mehr und mehr Vertrauen zu und Respekt vor dir haben; Beziehungen werden aufrecht erhalten. Unehrlich zu sein, scheint manchmal kurzfristig Erfolg zu haben, aber früher oder später (wahrscheinlich früher) wirst du entlarvt werden und büßen müssen. b) Sprüche 14,25 c) Sprüche 19,1 d) Sprüche 23,23 e) Sprüche 24,23-26 f) Sprüche 27,5+6 g) Sprüche 28,13 h) Psalm 32,2-5 i) Psalm 51,6 j) Psalm 62,8-9 k) 1.Johannes 1,7-10 l) 1.Johannes 3,18 m) Jakobus 5,16 n) 2.Korinther 4,1+2 o) 2.Korinther 6,11-13 p) 1.Thessalonicher 2,3-6 176 Kapitel 9 Um die Wahrheit zu sagen 4. Sprich mit deinem Ehepartner darüber, ob eure Familie offen und ehrlich genug ist. Eure Antworten werden wahrscheinlich einige Bereiche zum Vorschein bringen, in denen eure Gespräche verbessert werden könnten. Die Fragen sollen euch helfen, die Bewertung zu erstellen. Mar k iert die Aussage, die die Qualität der Gespräche in eurer Familie am besten beschreibt. Nehmt euch Zeit zum Beten und zum Überlegen, wie ihr die gewünschten Verbesserungen herbeiführen könnt. Die Kommunikation in unserer Familie ist: Hervorragend, könnte nicht besser sein. ____ Gut, könnte aber etwas besser sein. ____ Mittelmäßig, muss verbessert werden. ____ Schlecht, muss erheblich verbessert werden. ____ a) Wünscht sich jemand von euch, offener und ehrlicher mit dem anderen zu sein? b) Mit den Kindern? c) Die Kinder mit dir? d) Gibt es jemanden in der Familie, der dich auf Abstand hält? Wünschst du dir, bestimmte Familienmitglieder besser kennen zu lernen? e) Wie kannst du den Wunsch in ihnen wecken und ihnen helfen, sich dir mehr zu öffnen? 177 Kapitel 10 Endlich redest du Wenn Kommunikation den Namen „echtes Gespräch” verdienen soll, muss man offen und ehrlich miteinander sein, aber das ist noch nicht alles. Ein „echtes Gespräch” ist wie ein Diamant, es hat viele Facetten, die alle wesentliche Bestandteile des Ganzen sind. Warum sollen wir reden? Mehrere Worte in Epheser 4,29 betonen, dass „echtes Gespräch” dann stattfindet, wenn Leute die richtigen Motive für ihr Reden haben. Wir müssen nicht nur darauf achten, was wir sagen, sondern auch, warum wir es sagen. Paulus weist uns an, nur das zu sagen, „was gut ist zur Erbau ung” (Schlachter 2000) oder „was nützlich zur Besserung ist” (Luther). Diesem Vers zufolge soll jedes Wort – nicht nur einige oder die meisten – zur Erbauung dienen. Das griechische Wort für „Erbauung” wurde gebraucht, um die Arbeit eines Zimmermanns oder eines Maurers zu beschreiben – das sind Leute, die den Wunsch haben zu bauen, nicht zu zerstören. 1987 gaben wir einem gläubigen Mann den Auftrag, ein Haus für uns zu bauen. Wir arbeiteten mit ihm alle Einzelheiten aus. Dann sahen wir zu, wie er und seine Männer den Keller aushoben, das Fundament legten, die Außenmauern aufbauten und alles andere taten, was getan werden musste. Zum Glück für uns gebrauchten sie kein minderwertiges Material und pfuschten nicht bei ihrer Arbeit. Sie achteten darauf, nur das zu tun, was unser Haus „erbaute”. Und als sie fertig waren, hatten wir nichts zu beanstanden – und jetzt immer noch nicht. Wir können ehrlich sagen, wenn wir noch 178 Kapitel 10 Endlich redest du einmal ein Haus bauen würden, würden wir sehr gerne denselben Unternehmer beauftragen. Er hat sich als guter „Erbauer” von Häusern erwiesen. In ähnlicher Weise sind wir von Gott berufen, Erbauer von Menschen zu sein, besonders von Mitgliedern unserer Familie. Als Menschen-Erbauer müssen wir genauso sehr auf die Qualität von Material und Arbeit achten – vielleicht sogar noch mehr. Um es mit den Worten von Paulus auszudrücken: „Ich versichere euch: es gibt nichts Wichtigeres bei diesem Bau-Projekt als die Worte, die ihr gebraucht. Jedes gesprochene Wort wird jemanden aufbauen oder vernichten. Achtet darauf, dass alles, was ihr sagt, von dem Wunsch begleitet wird, andere aufzubauen. Wenn das nicht der Fall ist, dann sagt lieber nichts.” Um zu unterstreichen wie wichtig eine angemessene Motivation für unser Reden ist, gebraucht Paulus einen zweiten Ausdruck, der gewissermaßen den ersten wiederholt, den wir gerade untersucht haben. Am Ende desselben Verses sagt er uns, wir sollen darauf achten, dass unser Reden „den Hörern Gnade bringe” (Eph. 4,29, Schlachter 2000) oder dass es ihnen „wohl tut” (NEÜ). Es soll nicht Sinn und Zweck unserer Unterhaltungen sein, unsere Intelligenz und unser Wissen zur Schau zu stellen. Wir sollten auch nicht reden, um unseren Frust abzulassen, uns zu rächen oder jemanden herunterzuputzen. Gott fordert uns auf, in unseren Unterhaltungen „nichts aus Parteisucht (Konkurrenzdenken oder Eigennutz) oder eitlem Ruhm (aus dem Wunsch heraus, uns selbst zu erhöhen oder für uns Werbung zu machen)” zu tun. Vielmehr „in der Demut einer den anderen höher achtend als sich selbst”, nicht nur auf unsere eigenen Interessen bedacht zu sein, sondern auch auf die Belange anderer zu achten (Phil. 2,3-4). Stell dir vor, welche gravierenden Auswirkungen es auf unsere Familien haben würde, wenn jeder diese Anweisungen bei seinen Gesprächen gewissenhaft befolgen würde. Stell dir vor, wie es in unseren Familien aussähe, wenn alles wetteifernde, selbst-fördernde Reden aus unseren Unterhaltungen gestrichen würde! Nur das zu reden, was anderen zur Gnade dient, heißt aber nicht, dass wir mit anderen nie über negative Dinge oder Gefühle sprechen 179 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst dürfen. Es bedeutet auch nicht, dass wir keine konstruktive Kritik äußern dürfen. Wir sollen aber, wenn wir sprechen, davon überzeugt sein, dass das Gesagte – sei es Trauriges oder Erfreuliches – dem anderen zum Guten dient. Alles Schlechte, das ausgesprochen wird, muss einem guten, erbaulichen Zweck dienen. Die Anweisungen des Paulus in Bezug auf angemessen motiviertes Reden bedeuten nicht, dass sich unsere Gespräche immer um schwer wiegende Themen drehen oder mit Zitaten aus der Bibel gespickt sein sollen. Selbst einfaches Plaudern kann dazu dienen, andere aufzubauen. Es kann Mauern niederreißen, Menschen ein ander näher bringen und die Laune heben. Es kann auch dazu beitragen, dass Leute sich wohlfühlen und offener dafür werden, auch über bedeutendere Themen zu reden. Unsere Gespräche anhand der Anweisungen zu gestalten, die Paulus in Philipper 4,8 macht, wäre eine hervorragende Art, andere aufzubauen. Wenn wir Paulus’ Anweisungen folgend nur an solche Dinge denken (und über solche reden), die wahr, ehrbar, gerecht, rein, angenehm, bewundernswert, großartig und lobenswert sind, werden wir Worte sprechen, die den Hörern Gnade erweisen. Viel zu oft sind Gespräche in der Familie mehr von der „pessimistischen” Sorte, gefüllt mit Beschwerden, Vorwürfen, Kri tik, unerfreulichen Nachrichten, Enttäuschungen, Versagen und Pro ble men. Selbstverständlich beinhaltet offene und ehrliche Kom munikation auch solche Gespräche. Trotzdem müssen zwei Warnungen in Bezug auf negative Unterhaltungen ausgesprochen werden. Erstens müssen wir uns sicher sein, dass es einem guten Zweck dient. Und zweitens sollten wir uns darum bemühen, dass der Großteil unserer Unterhaltungen einen guten, erfreulichen Inhalt hat. Das griechische Wort, das als „Gnade bringen” oder „wohl tun” übersetzt wird, kann bedeuten, andere zu bevorzugen oder ihnen zu helfen. Wenn man es so deutet, findet ein „echtes Gespräch” dann statt, wenn wir anderen Mitgliedern unserer Familie aufrichtig mitteilen, dass wir sie schätzen. Weitere Beispiele für diese Art von Gesprächen wären biblische Erkenntnisse, Ermutigung, Trost, Anleitungen und Berichtigungen auszusprechen. 180 Kapitel 10 Endlich redest du Übrigens, um bei der biblischen Betonung des Guten (Phil. 4,8; Eph. 4,29) zu bleiben: Interessanterweise behaupten Unter haltungsforscher, dass unser positives und negatives Reden im Verhältnis von 7:1 stehen muss, wenn andere sich von uns nicht ab gestoßen fühlen sollen. Deine eigene Erfahrung wird diese Beobachtung belegen. Wer hat dir am meisten geholfen? Bei wem bist du eher bereit, zuzuhören und Hilfe anzunehmen? Ist es eine Person, die hauptsächlich Negatives redet oder jemand, der realitätsnah positiv ist? Ist es die Person, deren Worte Selbstsucht widerspiegeln, oder jemand, der an deinem Wohlergehen aufrichtig interessiert ist? Das ist bestimmt die Person, die dir am meisten Hilfe bietet. Selbst wenn der Andere die Wahrheit spricht, wirst du dich doch nicht zu ihm hingezogen fühlen, denn sein vorwiegend negatives Reden wird dich nicht aufrichten. Wie sollen wir reden? Worte voller Bitterkeit, Wut, sündigem Zorn, Geschrei und Bosheit werden zu einem Kurzschluss für effektive Kommunikation führen (Eph. 4,31). Aber freundliche, angenehme, liebenswürdige und einfühlsame Worte begünstigen „echte Gespräche” (Eph. 4,32). „Wer ein weises Herz hat, wird verständig genannt, und liebliche Rede fördert die Belehrung.” (Spr. 16,21) „Freundliche Worte sind wie Honigseim, süß für die Seele (leicht bekömmlich) und heilsam für das Gebein (erholsam, stärkend, positiv).” (Spr. 16,24) „Euer Wort sei allezeit in Gnade (liebenswürdig), mit Salz gewürzt (ansprechend), damit ihr wisst, wie (nicht nur was) ihr jedem Einzelnen antworten sollt.” (Kol. 4,6) Angenommen, ich befinde mich im oberen Stockwerk in meinem Haus und rufe einem meiner Kinder zu: „Könntest du bitte nach oben kommen?” Auf dem Papier sieht das vielleicht wie eine einfache Bitte aus, die nur eines bedeuten kann. Im wahren Leben kann es aber verschiedene Bedeutungen haben, was von mehreren Faktoren abhängt. Dazu gehören Sprechgeschwindigkeit und Tonfall, Betonung, Intensität und Lautstärke meiner Stimme. Wenn ich es mit einer ärgerlichen, fordernden Stimme sage, bedeutet es eine Sache. Ein bittender Unterton würde eine andere Bedeutung 181 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst vermitteln. Eine fröhliche und liebenswürdige Stimme würde eine noch andere Botschaft aussenden. Es ist vorgekommen, dass ich zu jemandem in meiner Familie etwas gesagt habe und eine schlechtere Reaktion erhielt als erwartet; darauf habe ich entweder gedacht oder gesagt: „Ich verstehe nicht, warum du so aufgebracht bist. Ich habe doch nur gesagt…” Manch mal war die negative Erwiderung auf die schlechte Laune der an gesprochenen Person oder auf widrige Umstände zurückzuführen. Aber oft war die gereizte Antwort eine Reflexion meiner eigenen unchristlichen Redensart. Den meisten von uns ist sehr bewusst, dass unsere Reaktion stark davon beeinflusst wird, wie andere uns ansprechen. Aber was wir bei anderen leicht feststellen können, fällt uns manchmal schwer, über uns selbst zuzugeben – dass die Reaktion anderer nämlich genauso davon abhängt, wie wir sie ansprechen (Spr. 15,2; 18,6-7). Wenn wir „sanfte Antwort[en]”, „liebliches Reden” und „freundliche Worte” gebrauchen, streuen wir Samen, der gleichermaßen ansprechende Frucht tragen wird (Spr. 15,1; 16,21.23.24). Wann sollen wir reden? Leute, die gut kommunizieren können, fragen sich ständig: „Ist dies der richtige Zeitpunkt, um zu sagen, was ich denke?” Den passenden Augenblick zu wählen, kann entscheidend sein. Heilsame Worte spricht man da, „wo es nötig ist” (Eph. 4,29). „Es freut einen Mann, wenn sein Mund eine richtige Antwort geben kann, und wie gut ist ein Wort, das zur rechten Zeit gesprochen wird!” (Spr. 15,23) In Sprüche 27,14 finden wir eine der interessantesten Aussagen darüber, wie wichtig es ist, den passenden Zeitpunkt für unser Reden zu wählen: „Wenn einer seinen Nächsten am frühen Morgen mit lauter Stimme segnet, so wird ihm das als ein Fluch angerechnet.” Wir segnen andere, wenn wir ihnen sagen, wie sehr wir sie schätzen, oder wenn wir sie loben oder ihnen einen Bibelvers oder andere gute Informationen geben. Es „mit lauter Stimme” zu tun, deutet auf Überschwänglichkeit und Begeisterung hin. Instinktiv denken wir, dass jede Beziehung von solch einer Gewohnheit profitieren würde. 182 Kapitel 10 Endlich redest du Aber Gott sagt tatsächlich: „Nein, es gibt Zeiten, wo man sich Schwierigkeiten einhandelt, wenn man andere segnet.” Wie kann man jemanden ärgern, wenn man ihn segnet? Die Ant wort: Wenn man es früh am Morgen tut. Du bist vielleicht schon hellwach, aber der andere schläft noch und will nicht geweckt wer den. Vielleicht kommst du morgens schnell in Schwung, aber die andere Person kommt erst spät am Vormittag in die Gänge, und um ehrlich zu sein, ärgert deine Begeisterung sie mehr, als dass sie sie ermutigt. Du kannst darauf bestehen, dass sie genauso sein soll wie du, und dich weiterhin so verhalten, als wäre sie es. Oder du passt deine Art, wie du sie ansprichst, an die verschiedenen Tageszeiten an und gehst auf ihre Persönlichkeit ein. Es gibt Zeiten, wenn bestimmte Dinge gesagt werden müssen, und Zeiten, wo dieselben Dinge besser nicht angesprochen werden sollten. Es kann vorkommen, dass Inhalt, Motiv und Art meiner Rede angebracht sind und sie doch nicht gut ist, weil der Zeitpunkt unpassend ist. Ich habe gemerkt, dass meine Frau manchmal bestimmte Äußerungen oder Vorschläge begrüßt, aber ein anderes Mal ist sie darüber nicht sehr begeistert. Wenn sie z.B. gerade zu Hause ist und etwas dagegen unternehmen kann, dass sie einen Fleck auf ihrer Bluse hat, begrüßt sie es, darauf hingewiesen zu werden. Wenn sie aber nichts dagegen tun kann, dann nicht. Ein traurigeres Beispiel ist das einer Freundin, die zu einem Zeitpunkt, zu dem sie normalerweise in der Kirche war, körperlich attackiert und misshandelt wurde. Durch diesen Vorfall bekam sie Alpträume und hatte heftig gegen Angst und Wut zu kämpfen. Sobald sie ihr Haus verließ, wurde sie von dem Gedanken geplagt, dass sie sich in Gefahr befand und völlig wehrlos war. Würde derselbe Angreifer ihr im Dunkeln auflauern? Würde er vielleicht in ihrem Auto auf sie warten? Würde er sie von der Straße drängen und erneut über sie herfallen? In dem Versuch, ihre Schwierigkeiten zu überwinden, sprach sie sich bei einem ihrer Pastoren aus. Sie erwartete Ermutigung und biblische Weisung, wie sie mit ihren Ängsten und ihrer Wut umgehen sollte. Stattdessen erinnerte der Pastor – der wusste, dass der Überfall während der Gebetsstunde stattgefunden hatte – sie 183 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst daran, dass das nie passiert wäre, wenn sie dort gewesen wäre, wo sie hätte sein sollen. Das nenne ich ungesunde Kommunikation zum falschen Zeit punkt! Was der Pastor sagte, mag ja stimmen, aber seine Worte waren gewiss nicht da, „wo es nötig ist”. Diese junge Frau brauchte in dem Moment keine Zurechtweisung oder Ermahnung. Sie brauchte Ermutigung, Unterstützung und Trost. Ich machte vor vielen Jahren eine Erfahrung mit einem meiner Söhne, durch die ich viel darüber gelernt habe, wie wichtig es ist, den richtigen Zeitpunkt zum Reden zu wählen. Ich musste in die Nähe von New York City, um dort eine Rede zu halten, und nahm Nathan, der gerade seinen Führerschein gemacht hatte, zur Gesellschaft mit auf die Reise. Ich fragte ihn, ob er das Steuer übernehmen wollte, und natürlich sagte er ja. Wir verließen Philadelphia und fuhren auf der New-Jersey-Mautstraße in Richtung Nord-Osten. Als wir uns New York City näherten, war der Verkehr grauenhaft. Autos zischten von einer Spur auf die andere. Ein kleiner Fehler konnte zu einem schweren Unfall führen. Gerade vor uns liefen unsere und eine benachbarte Spur, auf der ein großer Lastwagen unterwegs war, zusammen. Ein paar Sekunden später sah ich über meine rechte Schulter und bemerkte, wie ein Sattelschlepper um unsere Spur kämpfte. Der LKW-Fahrer hupte, um uns zu sagen, dass die Lücke ihm gehöre. Mein Sohn erschrak durch das Hupen und bremste. „Nathan, nicht!”, sagte ich schnell. Sofort nahm er den Fuß von der Bremse und beschleunigte, um dem LKW hinter uns Platz zu machen. Wütend zog der Lkw-Fahrer neben uns vor, öffnete sein Fenster und schrie uns an. Es kam uns sehr lange vor, bis er endlich begann, uns zu überholen. Ich warnte meinen Sohn: „Pass auf, es kann sein, dass er uns den Weg abschneidet und sich vor uns in die Spur drängt.” Und genau das tat er auch. Als sein LKW etwa zur Hälfte an uns vorbei war, wechselte er in unsere Spur. Wir mussten entweder ausweichen oder würden zerdrückt werden. Zum Glück für uns war die andere Spur frei und wir konnten dorthin ausweichen. Da wir jetzt außer Gefahr waren, beschloss ich, „das Eisen zu schmieden, solange es heiß war”, und meinem Sohn einige dringend 184 Kapitel 10 Endlich redest du notwendige Anweisungen zu geben, wie man sich im Straßenverkehr verhält. „Nathan”, sagte ich, „wenn du in so einem Verkehr unter wegs bist, dann solltest du…” Aber während ich sprach, sah ich an seinem Gesichtsausdruck, dass er nicht in der Lage war, meine Rat schläge aufzunehmen. Was ich meinem Sohn sagen wollte, entsprach der Wahrheit, ich hatte die richtige Motivation, und ich denke, ich war auch darauf eingestellt, es in angemessener Weise vorzubringen. Aber wenn ich meine kleine Unterweisung fortgeführt hätte, hätte ich damit eine Situation geschaffen wie in Sprüche 25,20: „Wie einer, der an einem kalten Tag das Gewand auszieht…, so ist, wer einem missmutigen Herzen Lieder singt.” Mein Sohn war traurig. Er hatte gerade eine entsetzliche Erfahrung gemacht. Es war ihm peinlich. Er wollte doch seinem Vater zeigen, dass er ein guter Autofahrer war und man ihm den Familienwagen anvertrauen konnte, und dann passierte das. Als ich seine erste Reaktion sah und mich in seine Lage versetzte, wurde mir klar, dass dies nicht der Zeitpunkt für eine Lektion war. Ich ließ das Thema fallen, legte es in Gottes Hände und wartete auf eine passendere Gelegenheit. Die passendere Gelegenheit ergab sich später am Abend, als wir nach Hause fuhren. Mein Sohn, der wieder am Steuer saß, sah mich an und fragte: „Okay, Papa, was habe ich falsch gemacht? Was hätte ich anders machen sollen?” Der „Moment” zum Sprechen war gekommen. Jetzt konnte ich darüber reden, ohne unser Verhältnis zu belasten, und er konnte davon profitieren. Die biblische Wahrheit, die wir „die goldene Regel” nennen (Matth. 7,12), lässt sich auf jeden Fall auch auf unsere Kommunika tion anwenden. Das Mindeste, das diese Anweisung unseres Herrn uns lehrt, ist, dass wir uns in die Lage des Zuhörers versetzen sollen. Bevor du deinen Mund öffnest, solltest du überlegen, wie du dich fühlen würdest oder reagieren würdest, wenn jemand dasselbe zu dir sagen würde. Frage dich: Wie hilfreich ist es für mich, wenn jemand mich auf meine Fehler aufmerksam macht, nachdem ich gerade eine beängstigende Situation erlebt habe? Wie fühle ich mich, wenn jemand versucht, mit mir schwierige oder umstrittene Themen zu diskutieren, wenn ich emotional und physisch erschöpft bin? 185 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Was geht in mir vor, wenn jemand versucht, mich zu überzeugen oder zu korrigieren, wenn ich aufs Äußerste verärgert oder frustriert bin? Was erwidere ich, wenn jemand einen Scherz macht, obwohl ich das Gesagte todernst gemeint habe? Wie reagiere ich, wenn ich mein Allerbestes getan habe, aber sofort auf meine Fehler und Unzulänglichkeiten aufmerksam gemacht werde? „Die goldene Regel” zu befolgen, geht aber noch weiter. Wir soll ten versuchen, uns in die Lage des anderen hineinzuversetzen, an den wir unsere Worte richten. Es genügt nicht, uns vorzustellen, wie wir reagieren würden – das ist ein Anfang, aber auch nur das. Wenn deine Worte die andere Person stören und dein Schweigen nicht unbiblisch wäre, dann „kein Wort darüber” – behalte sie für dich. Es ist nicht der passende Moment. Um effektiv zu kommunizieren, musst du versuchen, dein Gegenüber zu verstehen und deine Sprache an seine oder ihre Persönlichkeit anzupassen. Das würdest du von anderen erwarten und du solltest es für andere tun. Rechtzeitig gesprochene Worte sind erfreulich und aufbauend (Spr. 15,2+23); Worte, im falschen Moment gesprochen – zerstörerisch und schädlich (Spr. 18,21). Wenn du deine Familie nach dem Plan Gottes gestalten willst, musst du dich fragen: „Ist dies der richtige (beste) Moment um vorzubringen, was ich sagen möchte?” Dies ist eine vertraute Frage für Menschen, deren Gewohnheit es ist, „echte Gespräche” zu führen. Wo sollten wir reden? „Wie goldene Äpfel in silbernen Schalen, so ist ein Wort, gesprochen zur rechten Zeit.” (Spr. 25,11) Gott möchte uns zeigen, dass es uns genauso wichtig (wenn nicht noch wichtiger) sein sollte, unsere Worte in der passenden Umgebung zu sprechen, wie unsere wertvollsten Besitztümer am richtigen Ort unterzubringen. Wenn wir unsere Äußerungen in der richtigen Umgebung machen, ver vielfacht sich ihre positive Auswirkung. Das Gegenteil trifft aber leider auch zu. Ich habe gehört, wie Leute über (oder zu) Mitgliedern ihrer Familie Dinge in der Öffentlichkeit sagten, die unter vier Augen hätten besprochen werden sollen, falls überhaupt. Ich habe mit Ehemännern, Ehefrauen, Eltern und Kindern gelitten, wenn 186 Kapitel 10 Endlich redest du ihre Fehler unnötigerweise und auf völlig unbiblische Art in der Gegenwart von anderen ausposaunt wurden. Es gibt zahlreiche Beispiele für solches Verhalten. Man hört oft, wie ein Mann, der sich zu Hause nicht traut, seiner Frau zu einem bestimmten Thema die Meinung zu sagen, sie vor anderen attackiert. Man hört, wie Eltern ihre Kinder für ihr Fehlverhalten ermahnen, obwohl das in einer privateren Atmosphäre viel effektiver geschehen könnte. Einige meiner Erkenntnisse über das Reden in passender Umge bung entstammen meinen eigenen Fehlern. Es ist vorgekommen, dass ich in Gegenwart meiner Kinder etwas über meine Frau sagte, was weder für die Kinder noch für meine Frau sehr förderlich war. In meiner Selbstsucht wollte ich sie dazu bekommen, etwas zu tun, und machte dummerweise eine Bemerkung, die sie viel eher hätte akzeptieren können, hätte ich sie unter vier Augen gemacht. Leider muss ich zugeben, dass ich manchmal auch über eines meiner Kinder in der Öffentlichkeit schlecht gesprochen habe. Viel zu oft musste ich bei Gott und bei meiner Familie für meine Äußerungen in falscher Umgebung um Verzeihung bitten. Ich habe auch viel über diesen Aspekt „echte Gespräche” gelernt, indem ich selbst Opfer von falsch platzierten Aussagen wur de. Es wurden Dinge vor einer Gruppe gesagt, die für andere wahr scheinlich schädlich waren. Mir wurden Sachen in Gegenwart anderer gesagt, die ich besser aufgefasst hätte, wenn das vertraulich geschehen wäre. „Das Herz des Gerechten überlegt, was es antworten soll.” (Spr. 15,28) Menschen, die wollen, dass ihre Worte „wie goldene Äpfel in silbernen Schalen” sind, werden sich Gedanken über das Was (Inhalt), das Warum (Motivation), das Wie (Art und Weise) und das Wann (Zeitpunkt) ihrer Äußerungen machen. Sie berücksichtigen auch das Wo (Umgebung) ihrer Kommunikation, weil sie verstehen, wie wichtig es ist, in welcher Umgebung etwas gesagt wird. Worte sind stark. Sie machen Eindruck. Im Jahr 1951 wurde mein ganzes Leben verändert, weil ich bestimmte Worte hörte. Ich kannte Gott nicht und kümmerte mich nicht um ihn. Aber ein Freund lud mich in einen Gemeindegottesdienst ein und ich hörte zum ersten 187 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Mal in meinem Leben das Evangelium. Als ich von Jesus hörte und was er für uns Sünder getan hatte, wurde ich von meinen Sünden überführt, bevor der Abend zu Ende war. Während ich dem Redner zuhörte, begann ich mich nach einer Beziehung zu Gott zu sehnen. Als dann die Gelegenheit kam, ging ich auf die Heilsbotschaft ein und nahm Jesus Christus als meinen Herrn und Heiland an. Seitdem ist mein Leben total verändert worden. Durch Jesus Christus wurde ich ein neues Geschöpf mit einer neuen Bestimmung, neuen Wünschen und einem neuen Lebensziel. Was gebrauchte Gott, um mich zu einer Hinkehr zu ihm zu bewegen? Er gebrauchte Worte! Während ich sie hörte, wirkte Gott mächtig in mir und veränderte mein Leben für immer. „Demnach kommt der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort.” (Römer 10,17) Wenn du ein Christ bist, hast du dieselbe Erfahrung gemacht. Du hast Worte über Jesus Christus gehört, über Gott, über das Evangelium und dein ganzes Leben hat sich verändert. So stark können Worte sein! Unterschätze deshalb niemals, wie wichtig Worte für die Beziehungen in deiner Familie sind. Obwohl die Macht deiner Worte niemals mit der Macht des Wortes Gottes gleichgesetzt werden kann, können und werden deine Worte einen großen Einfluss auf deine Familie haben. Deine Worte sind wichtig für Gott und für andere. Zu Gottes Plan, deine Familie zu stärken, so dass sie seiner Vor stellung entspricht, gehört das Praktizieren von „echten Gesprächen”, wie es in diesem Kapitel beschrieben wurde. Man kann „echte Gespräche” üben, indem man fünf wichtige Fragen als Richtlinien für alle Gespräche gebraucht: • Bin ich in angebrachter Weise und genügend offen und ehr lich? • Sind meine Beweggründe für das, was ich sagen will, angemessen? Wird es sich positiv auswirken? • Bin ich bereit, es in der bestmöglichen Art und Weise vor zubringen? • Wann ist der beste Zeitpunkt? Ist dies der beste Zeitpunkt? Ist das, was ich sagen will, auf die Bedürfnisse des (der) anderen abgestimmt? 188 Kapitel 10 Endlich redest du • Wo sollte ich es sagen? Ist dies der beste Ort dafür? Diese fünf Fragen betonen wichtige, von Gott vorgegebene Prin zipien für unser Reden. Lege diese Prinzipien als Richtlinien für alle deine Gespräche fest. Bitte Gott um Hilfe, sie in allen Beziehungen in deiner Familie anzuwenden. Prüfe dich immer wieder anhand dieser Fragen, bis sie sich in deinem Reden automatisch wider spiegeln. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Antworten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Denke über den Inhalt dieses Kapitels nach und beantworte folgende Fragen: a) Wie ist die Aussage gemeint, dass „echte Gespräche” einem Diamanten gleichen? b) Welche Worte in Epheser 4,29 betonen, wie wichtig es ist, dass man aus den richtigen Beweggründen heraus spricht? Was sollte uns motivieren zu sprechen? c) Wie können wir Philipper 2,3-4 auf unsere Art der Kommu nikation anwenden? d) Wie ist die Aussage gemeint, dass jede negative Äußerung einen positiven Zweck erfüllen soll? e) Wie kann einfaches Plaudern dazu beitragen, die Familie aufzubauen? f) Wie kann man Philipper 4,8 auf die Kommunikation in der Familie beziehen? g) Was sollte bei den Unterhaltungen in der Familie im Verhält nis 7:1 stehen? h) Was sagte dieses Kapitel über das „Säen und Ernten” in Bezug auf Kommunikation? i) Welches Kommunikationsprinzip wird in Sprüche 27,14 verdeutlicht? j) Welches Kommunikationsprinzip wird in Sprüche 25,20 verdeutlicht? 189 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst k) Diskutiert, inwieweit sich „die goldene Regel” auf die Kommunikation in der Familie bezieht. l) Welches Kommunikationsprinzip wird in Sprüche 25,11 verdeutlicht? m)Welche fünf Fragen können uns helfen, „echte Gespräche” führen zu lernen? n) Welche anderen Merkmale für gute Sprache würdest du denen aus den Kapiteln 9 und 10 noch hinzufügen? 2. Beachte, was die folgenden Verse über die Merkmale für gute Sprache und „echte Gespräche” sagen. Stelle für jeden Abschnitt fest, zu welcher der in diesem Kapitel erwähnten Kategorien er passt (oder erfinde eine neue, falls nötig!). a) Epheser 4,25 b) Epheser 4,32 c) Psalm 141,3 d) Jesaja 50,4 e) Prediger 12,10 f) Sprüche 12,25 g) Sprüche 15,30 h) Sprüche 16,21 i) Sprüche 22,11 j) Sprüche 25,15 k) Sprüche 31,26 l) Sprüche 31,28 3. Analysiere die folgenden Bibelstellen und stelle fest, in welcher Hinsicht dort „echte Gespräche” praktiziert werden oder auch nicht. a) Ruth 2,1-3,18 b) 1.Samuel 20,27-34 c) 1.Samuel 24,8-15 d) 1.Samuel 25,2-35 e) Daniel 1,8-16 f) Johannes 11,17-44 g) Johannes 21,1-23 190 Kapitel 10 Endlich redest du 4. Geh die folgende Checkliste für „echte Gespräche” durch. Bewerte dich selbst und andere Mitglieder deiner Familie in Bezug auf jeden Punkt. Die Bewertungsskala ist: Tue ich fast immer (=4), tue ich oft (=3), tue ich manchmal (=2), tue ich selten (=1), tue ich nie (=0). Mein Reden (oder das Reden eines anderen) ist gekennzeichnet von: a) Ehrlichkeit 43210 b) Genauigkeit 43210 c) Offenheit4 3 2 1 0 d) Motivation, andere aufzubauen 43210 e) Anstand und Liebenswürdigkeit 43210 f) Einem respektvollen Ton 43210 g) Ermutigung 43210 h) Einem positiven Ton und einer positiven Art 43210 i) Sanftheit4 3 2 1 0 j) Wärme und Zärtlichkeit 43210 k) Einem angenehmen Ton 43210 l) Wahl des richtigen Zeitpunkts 43210 m) Empfindsamkeit für die Bedürfnisse anderer 43210 n) Freundlichkeit 43210 o) Hoffnung und Trost 43210 p) Einer dienenden Haltung 43210 q) Sensibilität für die Interessen anderer 43210 r) Empfindsamkeit für die Stimmung anderer 43210 s) Wahl der passenden Umgebung 43210 5. Schreibe die Eigenschaften auf, bei denen du (oder andere Familienmitglieder) nur 0, 1 oder 2 Punkte erreicht hast. Bete dafür und stell einen Plan auf, wie du dich verbessern kannst. 191 Kapitel 11 Die Ohren auf Empfang Vor einigen Jahren ließen wir in unseren Autos CB-Funkgeräte einbauen. Wir waren oft stundenlang unterwegs und dachten, sie könnten nützlich sein, falls wir eine Panne hätten und Hilfe rufen müssten. Es stellte sich heraus, dass sie auch einen hohen Unter haltungswert hatten, denn wir konnten die Gespräche anderer CB-Funker mithören. Oft stellten wir das Funkgerät an und hörten Dinge wie: „Ist da jemand QRV (empfangsbereit)? Hier ist die Station Big Daddy und geht auf allgemeinen Empfang.” Manchmal antwortete ein anderer CB-Funker und es entwickelte sich ein Gespräch. Es kam vor, dass keiner antwortete; entweder war keiner „QRV” oder es ging allen anderen so wie uns und sie kannten sich einfach mit der CB-Fachsprache nicht aus. In der Welt der Funker ist Kommunikation wie eine Straße, auf der Botschaften gesendet und empfangen werden. Bei der Kommu nikation in der Familie ist das nicht anders. Der Hörer ist genauso wichtig wie der Sprecher. Man kann gar nicht überbetonen, wie wichtig es ist, aufmerksam zuzuhören. Gott selbst ist uns ein Beispiel. Die Bibel sagt über Gott, den Vater: „Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten, und seine Ohren hören auf ihr Flehen…”; „Da besprachen sich die miteinander, welche den Herrn fürchteten, und der Herr achtete darauf und hörte es…”; „Siehe, die Hand des Herrn ist nicht zu kurz zum Retten und sein Ohr nicht zu schwer zum Hören” (1.Petr. 3,12; Mal. 3,16; Jes. 59,1). Auch unser Herr Jesus Christus ist ein guter Zuhörer. Er hört alles, was Gott, der Vater, zu ihm spricht: „… weil ich euch alles 192 Kapitel 11 Die Ohren auf Empfang verkündet habe, was ich von meinem Vater gehört habe” (Joh. 15,15). Außerdem finden wir überall im Evangelium, dass Jesus immer aufmerksam zuhörte, wenn jemand sprach – ganz gleich, ob sie alt oder jung, reich oder arm, gebildet oder unwissend, männlich oder weiblich waren. In der CB-Sprache war Jesus immer „QRV”. Die Bibel beschreibt den Heiligen Geist in ähnlicher Weise. Jesus erzählte seinen Jüngern: „der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe”; „Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, so wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird er euch verkündigen” (Joh. 14,26; 16,13). Beachte, wie Jesus betont, dass der Heilige Geist ein hervorragender Zuhörer ist. Der Heilige Geist hörte jedes Wort, das Jesus zu den Jüngern sagte und „… wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe…” Die Tatsache, dass der Drei-Einige Gott ein guter Zuhörer ist, sollte uns motivieren, in diesem Bereich an uns selbst zu arbeiten und uns zu verbessern. Die drei einzelnen Personen, die die Dreieinigkeit bilden, hören sich gegenseitig aufmerksam zu und erstaunlicherweise auch uns! Hast du je darüber nachgedacht, wie verblüffend es ist, dass Gott uns zuhört? Diese Tatsache sollte uns in absolutes Erstaunen versetzen, wenn man bedenkt, wer Gott ist und wer wir sind. Es ist außerdem auch deshalb erstaunlich, weil Gott bereits weiß, was wir sagen werden, bevor wir es aussprechen. „Ja, es ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Herr, nicht völlig wüsstest.” (Psalm 139,4) Gott muss uns nicht zuhören, um Informationen zu erhalten oder um uns verstehen zu können. Er weiß schon alles. Aber er hört trotzdem geduldig zu. Welche Herausforderung und welch ein Beispiel für uns! Paulus ermahnt uns, Gottes Nachahmer zu werden (Eph. 5,1). Wenn das Zuhören schon für Gott so einen hohen Stellenwert hat, sollte es für uns als seine Kinder erst recht wichtig sein. 193 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Zuhören mit dem ganzen Sein Was macht einen guten Zuhörer aus? Sprüche 2,2 ermutigt uns, beim Zuhören sowohl unsere Ohren als auch unsere Herzen zu gebrauchen. Das Ohr steht dabei für den äußeren Menschen und das Herz für den inneren. Um gut zuhören zu können, muss man sich laut der Aussage Gottes mit seinem ganzen Wesen zur Verfügung stellen. Zuhören mit dem äußeren Menschen An mehreren Stellen in den Sprüchen weist Gott uns an, unsere Ohren zu neigen und zuzuhören (Spr. 5,1; 22,17). Es klingt fast, als würde Gott sagen: „Wenn du jemandem zuhörst, dann lehne dich vor, halte deine Hände hinter die Ohren und biege sie zum Sprecher.” Es ist vielleicht ein bisschen übertrieben zu behaupten, dass Gott wörtlich meint, wir sollten unsere Hände hinter die Ohren halten. Aber wir sollten unseren Gesprächspartnern auf jeden Fall unsere volle Aufmerksamkeit schenken. Um uns die physischen Merkmale guten Zuhörens besser merken zu können, können wir die Abkürzung „ZONAK” zu Hilfe nehmen. „Z” erinnert uns daran, wie wichtig es ist, sich dem Gesprächs partner „zuzuwenden”. Dreh der Person, die dir etwas sagen möchte, nicht die Seite oder gar den Rücken zu. Wenn du dich der Person zuwendest, sagst du damit: „Es ist mir wirklich wichtig, was du mir erzählst.” Der Buchstabe „O” steht für „Offenheit”. Eine abwehrende Haltung sagt: „Ich lasse dich nicht an mich heran. Ich will dich auf Abstand halten.” Bei einer offenen Körperhaltung sind die Arme, Hände und Schultern des Zuhörers entspannt; das bedeutet: „Ich bin bereit, dir zuzuhören. Ich schenke dir meine volle Aufmerksamkeit.” „N” erinnert uns daran, dass ein guter Zuhörer sich leicht zum Sprecher „neigt”. Dadurch sagt er: „Ich will sichergehen, dass mir nichts von dem entgeht, was du sagst.” Der Buchstabe „A” steht für „Augenkontakt”. Ein guter Zuhörer sieht sein Gegenüber direkt an und vermeidet es, den Eindruck zu erwecken, er sei in Eile oder gedanklich abwesend. 194 Kapitel 11 Die Ohren auf Empfang „K” erinnert uns daran, dass unsere „Körperhaltung” entspannt wirken sollte. Dies teilt dem Sprecher mit, dass der Zuhörer nicht nervös, angespannt oder ungeduldig ist und hilft im Gegenzug dem Sprecher, sich wohler zu fühlen. Z= Zuwenden O= Offenheit N= Neigen A= Augenkontakt K= Körperhaltung Zuhören mit dem inneren Menschen „Voll da zu sein” im physischen Sinne ist eine Grundvoraussetzung für gutes Zuhören. Aber es ist genauso wichtig, mit seinen Gefühlen, Gedanken und auch seelisch – mit dem inneren Menschen – „voll da zu sein”. Zuhören mit dem Verstand Wie wir später noch genauer untersuchen werden, unterscheidet die Bibel zwischen „hören” und „zuhören”. Laut der Heiligen Schrift kann man etwas hören, ohne es wirklich wahrzunehmen. Das passiert, wenn man nur mit dem äußeren Menschen zuhört, und nicht mit dem inneren. Um andere Menschen wirklich kennen und verstehen zu lernen, muss man mit dem Verstand und dem Körper zuhören (vgl. Spr. 18,15). Zuhören mit den Gefühlen Ein guter Zuhörer befolgt die Ermahnung aus dem Römerbrief. Er stellt sich so sehr auf den anderen ein, dass er sich mit den Glücklichen freuen und mit den Trauernden weinen kann. Er bemüht sich zu fühlen oder wenigstens zu verstehen, was der andere fühlt. Wir haben keine gute Grundlage, um darauf zu reagieren, was andere sagen, solange wir nicht wenigstens einen Bruchteil ihrer Gefühle nachvollziehen können. Wenn wir anderen antworten, ohne uns die Zeit zu nehmen und die Mühe zu machen, uns in 195 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst sie hineinzuversetzen, werden unsere Beziehungen und Gespräche oberflächlich bleiben. Sie werden denken, dass wir sie nicht verstehen und dass sie uns gleichgültig sind. Ich habe schon oft darüber gestaunt, welchen starken Eindruck der Apostel Paulus auf andere machte. Das Neue Testament ist voll von Beispielen von Menschen, deren Leben durch die Beziehung zu ihm radikal verändert wurden. Wenn ich lese, wie Paulus andere beeinflusste, frage ich mich, was ihn wohl so erfolgreich machte. Eigentlich weiß ich ja, dass Gott, der Heilige Geist, ihn in son der barer Weise gebrauchen wollte. Paulus konnte pflanzen und Apollos gießen, aber Gott musste das Wachstum schenken (1.Kor. 3,6). Andererseits denke ich aber, dass die Menschen sich deshalb zu Paulus und seinem Dienst hingezogen fühlten, weil er als ganze Person auf sie einging, mit seinem äußeren und inneren Menschen. Der Bericht des Lukas über den Dienst des Paulus in Ephesus ist eine von vielen Bibelstellen, die ihn als jemanden darstellen, der sich bis ins tiefste Innere mit den Menschen identifizierte. Während seines ausgedehnten Aufenthalts dort war er ständig von gläubigen Menschen umgeben, er lebte mit ihnen, erlebte, was sie erlebten, litt mit ihnen und für sie (Apg. 20,18-19). Er diente dem Herrn und ihnen in tiefster Demut und großer Hingabe. Er hörte so aufmerksam zu, wenn sie etwas sagten oder durch ihr Verhalten andeuteten, dass ihre Lasten und Probleme ihn oft zu Tränen rührten. Ihm konnte keiner vorwerfen, distanziert, gleichgültig oder unsensibel zu sein oder abgedroschen zu klingen. Keiner konnte sagen: „Ach Paulus, du verstehst mich einfach nicht!” (vgl. Apg. 20,18+31). Das Vorbild für Paulus war der Herr Jesus. Drei Tage nach dem Tod des Lazarus reiste Jesus nach Bethanien, wo Lazarus gelebt hatte (Joh. 11,1-44). Als er sich der Stadt näherte, kam ihm Maria, die Schwester des Lazarus entgegen und fiel ihm zu Füßen. Sie weinte bitterlich und rief aus: „Herr, wenn du hier gewesen wärst, mein Bruder wäre nicht gestorben!” (V.32) In diesem Moment wusste Jesus bereits, dass er Lazarus von den Toten auferwecken würde. Er hätte sagen können: „Maria, steh auf. Hör auf zu weinen. Trauere nicht darüber, was passiert ist, denn ich werde deinen Bruder wieder auferwecken.” Stattdessen hörte Jesus Maria mit seinem ganzen Sein 196 Kapitel 11 Die Ohren auf Empfang zu – mit seinem Körper, seinem Verstand und mit seinen Gefühlen – und weinte (Joh. 11,35). Dann, nachdem er sich die Zeit genommen hatte sich mit Maria zu identifizieren, machte er sich auf den Weg, um Lazarus von den Toten aufzuerwecken. Jesus wollte Maria helfen, deshalb ignorierte er ihre Gefühle nicht und spielte sie nicht herunter. Da er vorhatte, Lazarus wieder ins Leben zurückzurufen, wusste er, dass es für Marias Tränen keinen wirklichen Grund gab, aber er ließ sie weinen und weinte sogar mit ihr. Welch ein Beispiel für echtes Zuhören! In Familien wird dieses Prinzip des guten Zuhörens oft miss achtet. Wenn wir jemandem aus unserer Familie zuhören, sagt uns manchmal unser Verstand, dass es keinen guten Grund dafür gibt, was der andere denkt oder fühlt. Wenn ein Kind zum Bei spiel eine unbegründete Angst äußert, neigen die Eltern oft dazu, sofort zu erklären, warum es keine Angst zu haben braucht. Wenn eine Ehefrau in einer bestimmten Situation ängstlich oder aufgeregt ist, reagieren viele Ehemänner mit einer – ihrer Meinung nach – logischen Erklärung, warum ihre Bedenken albern sind. Wenn ein Mitglied der Familie über eine Chance oder eine Aktivität begeistert ist, die man für unwichtig hält, kann es sehr schnell passieren, dass man ihre Vorfreude zerstört. Selbstverständlich gibt es Zeiten, wo es durchaus angebracht ist, logische Argumente, Erklärungen oder Zurechtweisungen vor zubringen oder aufzuzeigen, warum bestimmte Gefühle oder Reaktionen unbegründet sind. Im Allgemeinen aber wird es uns leichter fallen, weise zu antworten, und die andere Person wird es viel besser aufnehmen, nachdem wir uns die Zeit genommen haben, mit unserem inneren und äußeren Menschen zuzuhören. Aufmerksames Zuhören erfordert Disziplin und Selbstbeherrschung Die Fähigkeit, gut zuhören zu können, ist uns nicht angeboren. An vielen Stellen befiehlt uns die Bibel: „… so dass du der Weisheit dein Ohr leihst und dein Herz der Einsicht zuwendest” (Spr. 2,2); „Neige dein Ohr und höre auf die Worte der Weisen, und dein Herz achte auf meine Erkenntnis!” (Spr. 22,17); „Gehorche dem 197 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Rat” (Spr. 19,20); „Darum … sei jeder Mensch schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn” (Jakobus 1,19). Die Tatsache, dass wir aufgefordert werden zuzuhören, deutet an, dass es manchmal Disziplin erfordert. Manchmal sind wir so erschöpft oder geistesabwesend, dass uns einfach nicht danach ist, jemandem zuzuhören. Dann müssen wir uns in Selbstbeherrschung üben, unsere Gedanken zügeln und uns zwingen zuzuhören. Ich bin in Pflegeheimen gewesen, wo Bewohner im Gemein schaftsraum vor dem Fernseher saßen und die Lautstärke auf die höchste Stufe gestellt war. Aber wenn ich sie gefragt hätte, welche Sendung sie gerade anschauten, hätten sie es mir nicht sagen können, weil sie ihren Gedanken freien Lauf gelassen hatten. Solche Unaufmerksamkeit kommt nicht nur in Pflegeheimen vor. Du hast vielleicht auch schon mal deine Gedanken spazieren gehen lassen, während jemand aus deiner Familie dir etwas erzählte, vielleicht weil für dich das Thema nicht interessant war. Manchmal wollen wir nicht zuhören, weil jemand etwas sagt, womit wir absolut nicht einverstanden sind. Dann ist die Ver suchung abzuschalten besonders stark. Ein Ehemann muss vielleicht Selbstbeherrschung aufbringen, wenn seine Frau mit ihm über seine Gefühllosigkeit oder Verschwendungssucht sprechen will. Eine Ehe frau braucht vielleicht dann Selbstdisziplin, wenn ihr Mann mit ihr über Sexualität oder über ihre Eltern reden will. Aufmerksames Zuhören kann auch bei explosiven Konflikten zwischen Eltern und Kindern eine Herausforderung sein. Es ist schwer, aufmerksam zuzuhören – und leicht, etwas Zer störerisches zu sagen oder zu tun – wenn man sich von seinen Gefühlen übermannen lässt. Deshalb ergänzt Jakobus seine Er mahnung über das Zuhören mit den Worten „langsam zum Zorn” (Jakobus 1,19). Jakobus wusste, dass man nicht mehr wirk lich zuhören kann, wenn man erst die Fassung verloren hat. Die losgelösten Gefühle behindern wie eine Wolke den Empfang und die richtige Deutung der gesprochenen Worte. Wenn dich jemand korrigiert, ermahnt oder kritisiert, schreit wahrscheinlich alles in dir nach einer schnellen und energischen Antwort. „Es ist ja kein Wunder, dass ich zu spät komme. Du 198 Kapitel 11 Die Ohren auf Empfang hilfst ja nie mit den Kindern. Du rührst keinen Finger, um mit dem Abwasch oder dem Hausputz zu helfen.” „Du denkst, ich bin rücksichtslos? Du magst es nicht, wenn ich gereizt bin? Vielleicht wäre ich rücksichtsvoller und würde mich weniger ärgern, wenn du…” „Ich weiß, ich sollte nicht so launisch sein, aber vielleicht wäre ich das auch nicht, wenn du…” Wenn du dich falsch verstanden fühlst, würdest du den Sprecher am liebsten unterbrechen und sagen: „Das hast du ganz falsch verstanden. In Wirklichkeit ist das so…” Du würdest diese Person am liebsten sofort attackieren und sie auf ihre eigenen Fehler aufmerksam machen. In solchen Momenten erfordert es Disziplin und Selbstbeherrschung, mit dem inneren und dem äußeren Menschen zuzuhören und „schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn” zu sein (Jakobus 1,19). Aufmerksames Zuhören erfordert Demut Während einer der ersten Beratungsstunden mit der Familie von Sam und Sue hatte ich den Eindruck, dass Sam das Gespräch zu 80% alleine bestritt. Jedes Mal, wenn ich eine Frage an ein anderes Mitglied der Familie stellte, unterbrach Sam sie (und mich) und fügte Einzelheiten hinzu oder sprach ihre Gedanken an ihrer Stelle zu Ende aus. Er beherrschte das Gespräch während der ganzen Sitzung und versuchte sogar, die Themen zu bestimmen. Als sich unsere Sitzung dem Ende näherte, fragte ich die ganze Familie: „Ist diese Unterhaltung so gelaufen wie die meisten bei euch zu Hause?” Alle stimmten dem zu. Ich verriet ihnen nicht, warum ich diese Frage gestellt hatte, aber ich hatte die ganze Sitzung aufgenommen und schlug ihnen vor, die Kassette zu Hause anzuhören und ihren Kommunikationsstil zu untersuchen. „Achtet beim Zuhören darauf, was gesagt wird, wie es gesagt wird, wer am meisten redet, und auf alles, was euch in Bezug auf eure Unterhaltung in der Familie wichtig erscheint. Nächste Woche könnt ihr dann wiederkommen und mir berichten, was ihr herausgefunden habt.” Als sie zum nächsten Termin erschienen, fragte ich sie, was sie festgestellt hatten. Typischerweise antwortete Sam als erster. „Ich habe gemerkt, dass ich mehr gesprochen hatte als alle ande ren. 199 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Außerdem ist mir aufgefallen, dass ich andere unterbrach und Din ge hinzufügte, wenn sie etwas gesagt hatten.” Sue fügte hinzu: „Wir unterhalten uns viel, aber ich habe selten Gelegenheit, über Dinge zu reden, die mir am Herzen liegen. Wir reden meistens darüber, was Sam interessiert. Ich bin ein guter Zuhörer; ich höre gerne zu, wenn Sam etwas zu sagen hat. Ich wünsche mir nur, das er auch mal zuhören würde, wenn ich über etwas reden will, dass mir wichtig ist. Ich habe es aufgegeben, über viele bestimmte Dinge mir ihm reden zu wollen. Entweder unterbricht er mich und lässt sich darüber aus, was ich tun sollte, oder er gibt mir das Gefühl, dass ich nur seine Zeit verschwende und ihn von anderen wichtigeren Dingen abhalte.” Mit seiner Gewohnheit, dass er nie aufmerksam zuhörte, verstieß Sam gegen viele biblische Anweisungen und erwies sich als großes Hindernis für gute Verhältnisse in der Familie. Er bewies damit nicht nur, wie unsensibel er war, sondern enthüllte auch eine Form von Selbstsucht und Stolz. Der Stolz sagt: „Zieh alle Aufmerksamkeit auf dich. Bestimme die Gesprächsthemen. Worüber du reden willst, ist viel wichtiger als das, worüber andere Familienmitglieder sprechen wollen. Deine Probleme und Sorgen sind viel wichtiger als ihre. Nutze jede Gelegenheit, um zu erwähnen, wen du kennst, was du weißt, was du erreicht hast. Jeder wird gerne einen Bericht darüber hören, was du erlebt und erreicht hast.” Die Demut hingegen ist das genaue Gegenteil von dieser Art von Denken und Benehmen. Wenn du ein kluger und demütiger Mensch sein willst, wie er in der Bibel beschrieben wird, dann: (1) hörst du gerne auf den Rat anderer und bist dankbar dafür (Spr. 12,15); (2) hörst du respektvoll zu, was andere zu sagen haben, bevor du deine eigene Meinung zum Thema abgibst (Spr. 18,2); (3) hörst du erst aufmerksam zu, bevor du Schlüsse ziehst oder einen Rat gibst (Spr. 18,13); (4) erkennst du, dass deine Sichtweise einseitig sein könnte, weil du vielleicht nicht genügend Informationen hattest oder selbstsüchtige Interessen überwiegen könnten (Spr. 18,17); (5) prüfst du sorgfältig die Meinungen und Sichtweisen anderer (Spr. 26,12+16); (6) bist „schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn” (Jakobus 1,19). 200 Kapitel 11 Die Ohren auf Empfang Das Zuhören ist eine Art anderen Menschen zu dienen. Es ist eine Möglichkeit zu zeigen, dass man den anderen höher achtet als sich selbst (Phil. 2,3). Zum Reden braucht man nicht demütig zu sein, aber es gehört eine große Menge Demut dazu, wirklich zuzuhören. Wenn wir sprechen, stehen wir auf der Bühne, sind der Star der Show. Wenn wir zuhören, übernehmen wir eine Nebenrolle. Um wirklich zuhören zu können, benötigen wir die Gesinnung und Körperhaltung eines Dieners. Das erfordert von uns, dass wir uns mit unserem ganzen inneren und äußeren Menschen jemand anderem zur Verfügung stellen und sagen: „Deine Interessen, Sorgen, Probleme, Erfolge und Versagen sind wichtiger als meine. Ich werde mir alles anhören, was du zu sagen hast, solange es nicht gegen die Bibel verstößt. Ich erlaube dir, dich ganz auszusprechen. Ich gebe dir den Vorrang. Wir können uns damit befassen, was dir am wichtigsten ist, anstatt mit dem, was mir wichtig ist.” Eine besondere Art des Zuhörens Als Jesus das Gleichnis über die vier verschiedenen Arten von Erd boden erzählte, gab er uns ein wichtiges Beispiel für aufmerksames Zuhören. Er sprach von Menschen, die „hören und doch nicht hören“ (Matt. 13,13). Oberflächlich betrachtet könnte man das für doppeldeutiges Reden halten, aber Jesus lässt keinen Zweifel zu, was er mit dem Satz meint. Er ergänzt die erklärenden Worte: „weil sie … nicht verstehen.” Der Aussage Jesu zufolge bedeutet wahres Zuhören, dass man das Gesagte so versteht, wie der Sprecher es verstanden haben wollte. Solange das nicht der Fall ist, würde Jesus sagen, hast du deinem Gegenüber nicht richtig zugehört. Wenn in meinen Beratungsstunden ein Familienmitglied einem anderen vorwirft, etwas Verletzendes oder Beleidigendes gesagt zu haben, sagt der Beschuldigte oft: „Das habe ich nicht gesagt. Du hast mich falsch verstanden. In Wirklichkeit habe ich gesagt…” Es kann vorkommen, dass jemand wochenlang – oder sogar monateoder jahrelang – wegen einer Aussage beleidigt ist, die nie wirklich gemacht wurde. Es war lediglich etwas falsch aufgefasst worden. Darauf zu achten, dass man den anderen richtig verstanden hat, ist eine Sache – ein erster wichtiger Schritt. Aber Menschen 201 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst gebrauchen dieselben Worte manchmal auf verschiedene Weise. Es wird behauptet, dass die 500 am meisten gebrauchten Worte der englischen Sprache 28.000 verschiedene Bedeutungen haben. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ich weiß, dass zwei Menschen genau dieselben Worte gebrauchen können und damit etwas völlig Unterschiedliches meinen. Denk nur einmal an die Worte „Ich liebe dich” und welche unterschiedlichen Bedeutungen sie haben können. Das Wort „rich tig” hat viele Definitionen. Was man darunter versteht, „treu”, „liebenswürdig”, „freundlich”, „pünktlich” oder „rücksichtsvoll” zu sein, kann stark variieren. Was bei einem eine „Diskussion” ist, ist beim nächsten vielleicht schon ein „Streit”. „Sparsamkeit”, „Unter ordnung”, „Respekt” und „angemessenes Benehmen” sind ein paar andere Worte, die unterschiedlich ausgelegt werden. In Johannes 2 wurden die Worte Jesu über die „Zerstörung des Tempels” völlig falsch verstanden (Joh. 2,19-21). Mit dem „Tempel” meinte er seinen physischen Leib, aber die Leute dachten, er spräche von dem Tempelgebäude in Jerusalem. Drei Jahre später machten sie Jesus aus ihrer Auslegung dieser Worte einen Vorwurf, als er vor dem Hohen Rat stand (Matt. 26,59-61). Die Begegnung Jesu mit Nikodemus gibt uns ein anderes Bei spiel (Joh. 3,1-12). In diesem Fall dachte Jesus an eine geistige Wiedergeburt, als er Nikodemus erklärte, wie wichtig es sei, von neuem geboren zu werden, aber Nikodemus war auf einer anderen Wellenlänge. Er dachte an eine physische Wiedergeburt und konnte sich nicht vorstellen, wie ein erwachsener Mann „wieder geboren werden” könnte. Er hatte zwar deutlich gehört, was Jesus gesagt hatte, aber er war völlig verwirrt und musste Jesus bitten, ihm zu erklären, wie er das gemeint hatte. Am Anfang unserer Ehe hatten meine Frau und ich ähnliche Miss verständnisse. Wir gebrauchten manchmal dieselben Worte mit verschiedener Bedeutung, sodass ich manchmal davon ausging, dass wir uns in einer Sache einig waren, wobei das gar nicht der Fall war. Ich ging also davon aus, dass wir uns einig waren und handelte entsprechend, wobei ich mit der vollen Unterstützung meiner Frau rechnete. Ich stellte erst später fest, dass unsere Absprache nicht so 202 Kapitel 11 Die Ohren auf Empfang eindeutig gewesen war, wie ich gedacht hatte, weil ich eines meinte und meine Frau meinte etwas ganz Anderes. Wenn man Worte oder Ausdrücke unterschiedlich versteht, kann das auch auf andere Weise problematisch sein. Zwei Menschen den ken, dass sie über ein bestimmtes Thema verschiedener Meinung sind, wenn sie in Wirklichkeit dasselbe meinen. Frank gebraucht ein Wort oder einen Ausdruck und meint damit etwas ganz Bestimmtes. Dave fasst es anders oder extremer auf als Frank es gemeint hat, und reagiert ablehnend. Weil Frank nicht bewusst ist, dass Dave ihn falsch verstanden hat, versteht er nicht, warum dieser sich aufregt. Er denkt, Dave ist einfach unvernünftig, und hat deshalb mit Frust und Wut zu kämpfen. Der zweite Schritt auf dem Weg zum besseren Verständnis des anderen besteht darin, nach einer Bestätigung zu suchen, ob man das Gesagte richtig verstanden hat. Schritte drei und vier sind, herauszufinden, was der andere fühlt (3), und was er mit seinen Worten bezwecken will (4). Je nach Stimmungslage und Absicht des Sprechers können dieselben Worte verschiedene Dinge bedeuten. Ich habe gehört, wie mein Sohn seine kleine Tochter manchmal „eine dumme Gans” nennt. Für sich allein gestellt, könnte das wie eine Herabsetzung klingen. Wenn man aber hört, wie mein Sohn diese Worte gebraucht, weiß man, dass er dadurch seine Liebe und Bewunderung für seine Tochter ausdrückt. Der Ton und die Wärme in seiner Stimme zeigen eindeutig, wie sehr er sich an ihr freut. Gute Zuhörer haben gelernt zu fragen: „Was empfindet der Sprecher gerade und was will er durch sein Sprechen bezwecken?” Ich sage z.B.: „Ich gehe.” Können diese Worte missverstanden werden? Auf jeden Fall. Obwohl die Worte eigentlich leicht verständlich sind, ist es für deren korrektes Verständnis wichtig zu berücksichtigen, in welcher Stimmung ich mich befinde und zu welchem Zweck ich diese Aussage mache. Von diesen Dingen hängt es ab, welche von mehreren möglichen Bedeutungen die richtige ist. Ich könnte einfach meine Familie darüber unterrichten, wo ich mich befinde, falls ich gebraucht würde. Ich könnte diese Worte auch mit einem einladenden, motivierenden Unterton sagen, weil ich hoffe, dass meine Frau und meine Kinder mitkommen. Aber ich 203 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst könnte sie genauso gut zum Schutz, als Strafe oder aus Rache sagen, weil ich vielleicht auf jemanden wütend bin, oder ich will Abstand zu jemandem gewinnen, weil ich Angst davor habe, was er oder ich tun könnte. Oder ich will jemandem sagen, dass ich so verletzt bin, dass ich es in seiner Nähe nicht länger aushalte. Zum guten Zuhören gehört eben, dass man sich bemüht, die Gefühle und Absichten des Sprechers zu erkennen. Aber hier liegt das Problem: Weil du und ich nicht allwissend sind (Joh. 2,24+25), sollten wir über die Absichten einer anderen Person keine voreiligen Schlüsse ziehen. „Einem Toren ist es nicht ums Lernen zu tun, sondern darum, zu enthüllen, was er weiß.” (Spr. 18,2) „Wer antwortet, bevor er gehört hat, dem ist es Torheit und Schande.” (Spr. 18,13) „Das Herz des Verständigen erwirbt Erkenntnis, und nach Erkenntnis trachtet das Ohr der Weisen.” (Spr. 18,15) „Gehorche dem Rat…, damit du künftig weise bist!” (Spr. 19,20) „Darum, meine geliebten Brüder, sei jeder Mensch schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.” (Jakobus 1,19) „Die Liebe ist langmütig und gütig, die Liebe beneidet nicht, die Liebe prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf; sie ist nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu; … sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.” (1.Kor. 13,4.5.7) Menschen, die gute Zuhörer werden wollen, müssen die Prinzi pien dieser Bibelstellen auf ihr Zuhören anwenden. Christen müs sen bereit sein, sich durch die Gnade Gottes in Selbstbeherrschung zu üben und durch harte Arbeit an sich selbst biblische Muster des Zuhörens zu entwickeln, die sie befähigen werden zu hören und zu verstehen. Leider ist es schwer, Menschen zu finden, die sich tatsächlich die Mühe machen, sich ihre schlechten Gewohnheiten abzugewöhnen. Gutes Zuhören wird in die Kategorie „gut, aber nicht wirklich notwendig” verdrängt. Durch mein Bibelstudium und meine Be ratungs tätigkeit bin ich aber zu einer anderen Überzeugung gelangt. Für den Christen, der eine starke Familie zur Ehre Gottes gestalten will, ist das Studium guten Zuhörens ein Kernfach in Gottes Schule des lebenslangen Lernens. 204 Kapitel 11 Die Ohren auf Empfang Die klaren Anweisungen Gottes in der Bibel über das Zuhören dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Jesus sagte: „Wer meine Gebote festhält und sie befolgt, der ist es, der mich liebt…”; „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort befolgen…” (Joh. 14,21.23) Weil gutes Zuhören ein Gebot Christi ist, ist es auch eine Möglichkeit, dadurch unsere Liebe für ihn auszudrücken. Die Liebe Christi für uns und unsere Liebe für ihn bewegen uns dazu, unsere Fähigkeiten beim Zuhören zu verbessern. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Antworten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Beschreibe deine Reaktion auf den Inhalt dieses Kapitels. a) Wie lauteten die wichtigsten Punkte über das Zuhören? b) Gab es etwas, das für deine Beziehung zu deiner Familie oder anderen eine besondere Herausforderung darstellt? Warum? c) Gab es etwas, womit du nicht einverstanden warst? 2. Was ist mit dem Ausdruck gemeint „zuhören mit dem ganzen Sein”? 3. Welches Prinzip über das Zuhören wurde durch das Beispiel von Jesus und Maria in Johannes 11 verdeutlicht? 4. Wann und warum erfordert gutes Zuhören Selbstbeherr schung? 5. Warum ist Demut erforderlich, um gut zuhören zu können? 6. Was ist mit der Aussage gemeint: „Um wirklich zuhören zu können, benötigen wir die Gesinnung eines Dieners”? Wie kann man anderen Menschen dienen, indem man ihnen zuhört? 205 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 7. Wie zeigen sich Stolz und Demut in der Art, wie du anderen zuhörst? 8. Was wollte Jesus damit andeuten, als er von Menschen sprach, die hören und doch nicht hören? 9. Wie dieses Kapitel zeigt, ist ein wichtiger Aspekt guten Zuhörens die Fähigkeit, den anderen zu verstehen. Was sind die vier Schritte, um den Sprecher besser verstehen zu lernen? 10. Welche Wahrheit über das Zuhören wird dadurch verdeutlicht, wie Jesus das Wort „Tempel” gebrauchte? 11.Welche zwei Arten von Familienproblemen können daraus entstehen, dass man davon ausgeht, dass bestimmte Worte oder Ausdrücke für alle dasselbe bedeuten? 12.Was bedeutet es, darauf zu achten, was jemand mit seiner Aussage beabsichtigt? 13.Weshalb muss man vorsichtig sein, wenn man versucht, die Gefühle und Absichten eines Sprechers zu erkennen? 14. Welche Gefahr besteht, wenn man die Gefühle und Absichten eines anderen falsch deutet? 15.Prüfe anhand der folgenden Liste deine Fähigkeiten als Zuhörer. Benutze diese Bewertungsskala: Tue ich meistens (=4), tue ich oft (=3), tue ich manchmal (=2), tue ich selten (=1), tue ich nie (=0). Sei ehrlich bei deiner Selbst-Beurteilung. Wenn ich mich mit jemandem aus meiner Familie unterhalte, (1) wende ich mich dem Sprecher zu. 43210 (2) drücke ich mit meinem Armen und Händen Offenheit aus. 43210 (3) drücke ich durch meine Körperhaltung Interesse aus. 43210 206 Kapitel 11 Die Ohren auf Empfang (4) sehe ich den Sprecher direkt an. (5) bin ich entspannt, nicht nervös. (6) höre ich mit meinem Verstand zu. (7) höre ich mit meinen Gefühlen zu. (8) passe ich meine Antwort an die Stimmung des anderen an. (9) zwinge ich mich zum Zuhören, selbst wenn ich müde bin. (10) zwinge ich mich zum Zuhören, auch wenn ich an dem Thema nicht sonderlich interessiert bin. (11) zwinge ich mich zum Zuhören, auch wenn ich mit dem Gesagten nicht einverstanden bin. (12) behalte ich beim Zuhören die Kontrolle über meine Gefühle. (13) zwinge ich mich zum Zuhören, selbst wenn ich ermahnt oder zurechtgewiesen werde. (14) bin ich geduldig, langsam zum Zorn. (15) habe ich meine Reaktion in der Gewalt. (16) beherrsche ich nicht das Gespräch. (17) gestatte ich dem anderen, über seine Interessen und Sorgen zu reden. (18) bin ich dankbar für Ratschläge und höre auf sie. (19) erlaube ich anderen, ihre Meinung zu äußern, ohne sie zu unterbrechen. (20) ziehe ich keine voreiligen Schlüsse und gebe keinen Rat, solange ich nicht aufmerksam zugehört habe. (21) bin ich mir bewusst, dass meine Sichtweise voreingenommen sein könnte. (22) begrüße und bitte ich um die Beiträge anderer. (23) höre ich gerne zu. (24) möchte ich anderen durch mein Zuhören dienen. (25) ist mir bewusst, dass ich die Worte, die der andere spricht, nicht unbedingt immer korrekt verstehe. 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 207 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst (26) ist mir klar, dass wir mit denselben Worten oder Ausdrücken nicht unbedingt dasselbe meinen. (27) versuche ich, die Worte des anderen so zu verstehen, wie er sie meint. (28) ist mir bewusst, dass meine Stimmung beeinflussen könnte, wie ich die Aussage des anderen deute. (29) ist mir bewusst, dass meine Einschätzung der Stimmungslage des Sprechers beeinflussen könnte, wie ich seine Aussage deute. (30) ist mir bewusst, dass meine Einschätzung der Stimmungslage des Sprechers falsch sein könnte. (31) weigere ich mich, dem anderen böse Absichten zu unterstellen. (32) lasse ich andere ausreden und ziehe keine voreiligen Schlüsse. (33) bestehe ich nicht darauf, dass ich weiß, was der andere sagen will. (34) bin ich mir bewusst, dass der andere viel besser weiß, was er meint, als ich. (35) nutze ich die Zeit, während der andere spricht, nicht dazu, um meine Antwort vorzubereiten. (36) unterbreche ich den anderen nicht. (37) kann ich das, was der andere gesagt hat, korrekt zusammenfassen und wiedergeben. (38) lasse ich den anderen seine Geschichte zu Ende erzählen. 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 43210 16.Beachte die Dinge, bei denen du 0, 1 oder 2 Punkte erreicht hast. Denke darüber nach, sprich und bete darüber. Überlege dir, wie du dich verbessern kannst. 208 Teil 3 Beziehungen pflegen, wie es Gott gefällt 209 Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird Warum schrieb Paulus an die Christen in Rom: „Ist es möglich, soviel an euch liegt, so haltet mit allen Menschen Frieden”? (Röm. 12,18) Weil er wusste, dass sie zwischenmenschliche Probleme hatten. Andere Bibelstellen sprechen denselben Gedanken an. „So lasst uns nun nach dem streben, was zum Frieden und zur gegenseitigen Erbauung dient” (Röm. 14,19). „Nehmt den Schwachen im Glauben an, ohne über Gewissensfragen zu streiten” (Röm. 14,1). Paulus woll te damit sagen: „Brüder, ich weiß, dass ihr Auseinandersetzungen und Meinungsverschiedenheiten habt. Aber lasst nicht zu, dass diese Differenzen einen Keil zwischen euch treiben.” Dieses Thema greift Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther erneut auf. Nach einer kurzen Einleitung ist das erste Problem, das Paulus anspricht, Streitigkeiten und Spaltungen: „Ich ermahne euch aber, ihr Brüder, kraft des Namens unseres Herrn Jesus Christus, dass ihr alle einmütig seid in eurem Reden und keine Spaltungen unter euch zulasst, sondern vollkommen zusammengefügt seid in derselben Gesinnung und in derselben Überzeugung.” (1.Kor. 1,10) Den Grund für diese Aufforderung erklärt er im nächsten Vers: „Mir ist nämlich, meine Brüder, durch die Leute der Chloe bekannt geworden, dass Streitigkeiten unter euch sind.” (1.Kor. 1,11) Die Beziehungen zwischen manchen Gemeindemitgliedern waren angespannt. Sie schadeten dadurch ihrem Zeugnis in der Welt. Diese Leute brauchten dringend Hilfe, um zu lernen, wie man Konflikte löst. Auch andere Briefe im Neuen Testament enthalten ähnliche Auf forderungen und zeigen, wie überaus wichtig es ist, Konflikte lösen 210 Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird zu können. An die Galater schreibt Paulus: „Wenn ihr einander aber beißt und fresst, so habt Acht, dass ihr nicht voneinander aufgezehrt werdet!” (Gal. 5,15) An die Gläubigen, die unter den Nationen ver streut waren, schrieb Jakobus: „Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden denen gesät, die Frieden stiften. Woher kommen die Kämpfe und die Streitigkeiten unter euch? Kommen sie nicht von den Lüsten, die in euren Gliedern streiten? Ihr seid begehrlich und habt es nicht, ihr mordet und neidet und könnt es doch nicht erlangen; ihr streitet und kämpft.” (Jakob 3,18-4,2) Jakobus schrieb dies nicht einfach nur, um eine Weisheit weiterzugeben. Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass es zwischen den Menschen, an die er schrieb, tatsächlich Streitigkeiten gab. Leider ist die Situation heute nicht viel anders. Wir erleben immer noch, wie Christen sich gegenseitig beißen und fressen – zu Hause wie in der Gemeinde –, weil sie ständig streiten und kämpfen. In vielen Familien, selbst bei Gläubigen, ist Unfriede der normale Zustand. Wie ist es bei dir und deiner Familie? Kämpfst du manchmal gegen andere Familienmitglieder? Hast du schon einmal mit deinem Vorgesetzten, deinen Kollegen, deinen Nachbarn oder Mitgliedern deiner Gemeinde Streit gehabt? Ich bin sicher, es gibt keinen einzigen Menschen, der dieses Buch liest, der noch nie mit jemandem gestritten hat. Manche streiten mehr als andere. Aber wenn wir ehrlich sind, werden wir alle zugeben müssen, dass wir schon mit anderen Menschen Streit gehabt haben, auch in der eigenen Familie. Meinungsverschiedenheiten sind unvermeidbar Es kommt vor, dass Menschen zu mir sagen: „Wir sind nie derselben Meinung. Wir können uns einfach nicht einigen. Das beweist doch, dass unsere Ehe nicht von Gott gewollt war.” Ich antworte darauf, dass Adam und Eva von Gott füreinander maßgeschneidert worden waren – sie passten perfekt zusammen. Und doch wurden sie von einander enttäuscht. Adam beschuldigte Eva dafür, dass er von der verbotenen Frucht gegessen hatte. Eva beschuldigte die Schlange. Sie beschuldigten sogar Gott. Rebekka und Isaak wurden auch auf besondere Weise von Gott 211 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst zusammengebracht. Gott führte den Diener Abrahams zu Rebekka, als dieser eine Ehefrau für Isaak suchte (1.Mose 24). Aber wir lesen im ersten Buch Mose, dass auch sie Auseinandersetzungen hatten. Das bedeutete nicht, dass Gott einen Fehler gemacht hatte. Sie mussten einfach lernen, sich zu vertragen. Entgegen der landläufigen Meinung hängt der Unterschied zwi schen einem glücklichen und einem unglücklichen Zuhause nicht davon ab, ob man immer einer Meinung ist oder nicht. Der einzige Unterschied ist, dass man sich in der einen Familie mit den Konflikten auseinandersetzt und sie löst, während die andere Familie dazu nicht in der Lage ist. Ein Lebensberater erklärt: Lasst uns deshalb die dumme Vorstellung aufgeben, dass es genauso ein Zufall ist, dass ein Mann eine Perle von Frau findet, wie im Lotto zu gewinnen. Außerdem könnte es sich als schwierig herausstellen, mit einer Perle zusammenzuleben, wenn man sich selbst nicht zu derselben Kategorie zählt. Worauf es wirklich ankommt, ist, dass man sich sein eheliches Glück gemeinsam erarbeitet. Es ist ein Ziel, nach dem man streben muss, nicht ein Privileg, das man gleich zu Beginn erhält … So genannte „emotionale Unverträglichkeit“ ist ein Märchen, das von Richtern erdacht wurde, denen die Argumente für die Rechtfertigung von Scheidungen ausgegangen sind. Ebenso ist sie eine gebräuchliche Ausrede, um die eigenen Schwächen zu entschuldigen. Ich glaube einfach nicht an sie. Es gibt keine „emotionale Unverträglichkeit“. Es gibt aber Missverständnisse und Fehler, die man korrigieren kann, wenn der Wille dazu vorhanden ist.6 Hier erklärt Paul Tournier auf realistische und biblische Weise mehrere Wahrheiten über eheliches und familiäres Glück. Es ist normal, dass die Mitglieder einer Familie zu einem gewissen Grad Probleme damit haben einander zu verstehen. Das ist nicht anders zu erwarten. Familiäres Glück stellt sich nicht von alleine ein, aber durch harte Arbeit kann es erlangt werden. 6 Paul Tournier, To Understand Each Other (Atlanta, Ga.: John Knox Press 1974, S. 12-13) 212 Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird „Wir haben uns noch nie gestritten” Manche Menschen erheben Einwände und behaupten: „Wir haben noch nie einen Streit in unserer Ehe oder Familie gehabt.” Solch eine Behauptung unterstellt eine von zwei Möglichkeiten: 1. Sie haben Meinungsverschiedenheiten, sind aber zu ängstlich, um diese zu äußern. Ich erinnere mich noch sehr gut an so einen Fall. Ein älteres Paar kam zu mir in die Seelsorge, weil die Ehefrau in tiefe Depressionen versunken war. Sie sah keinen Sinn mehr im Leben. Sie saß oft einfach nur da und weinte. Ich wollte mehr über ihre Beziehung zueinander herausfinden. Deshalb bat ich sie, mir etwas über ihre Ehe zu erzählen. Sie sah zu ihrem Mann hinüber und erwiderte: „Mein Mann und ich haben uns noch nie gestritten.” Ihr Mann nickte zustimmend. „Sie wollen behaupten, sie sind seit fünfundvierzig Jahren ver heiratet und haben noch nie Meinungsverschiedenheiten mit ihrem Mann gehabt? Sie waren sich immer absolut einig?” „Oh, ich hatte schon manchmal eine andere Meinung, aber wir haben nie gestritten.” „Wie erklären Sie sich das?” Sie sah wieder schüchtern zu ihrem Mann hinüber und antwortete dann kleinlaut: „Wir streiten uns nicht, weil ich meine Meinung für mich behalte. Am Anfang unserer Ehe sagte er immer, wenn ich anderer Meinung war als er: „Lass uns nicht streiten! Ich mag keinen Streit.” Daraus lernte ich, dass wir uns viel besser vertragen, wenn ich meine Meinung für mich behalte.” Diese Frau behauptete zwar, dass sie mit ihrem Mann noch nie einen Streit gehabt hatte, aber in Wirklichkeit hatten sie noch nie äußerlich gestritten. Sie unterdrückte ihre Gedanken, um den Frieden in der Familie zu wahren. Seit fünfundvierzig Jahren lebte sie in stiller Unruhe. Obwohl sie intelligent genug war, um eigene Entscheidungen zu treffen und zu eigenen Ergebnissen zu gelangen, fühlte sie sich nie frei, ihrem Mann ihre Gedanken mitzuteilen. Dass sie sich immer einig waren, war eher eine Wunschvorstellung als eine Tatsache. 2. Die andere Möglichkeit, bei der Leute behaupten, dass sie nie streiten, ist erfreulich. Das Paar hat Meinungsverschiedenheiten, 213 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst löst sie aber, bevor daraus ein Streit entsteht. Eine Meinungsver schiedenheit ist genau das – man hat eben verschiedene Meinun gen zu einem Thema. Aber wenn man sich über eine Meinungs verschiedenheit streitet, werden unsere Gefühle und Beziehungen stark beeinträchtigt. Manche Menschen lernen, Streit zu vermeiden, indem sie Meinungsverschiedenheiten auf eine biblische Art begeg nen. Diese Leute sind keine Kopien voneinander, sondern gehen mit Meinungsverschiedenheiten so um, dass daraus kein Streit entsteht. Die Qual der Uneinigkeit Sowohl die Bibel als auch historische Berichte und persönliche Er fah rungen zeigen, dass Unstimmigkeiten in zwischenmensch lichen Beziehungen unvermeidbar sind. Dein persönliches Glück hängt davon ab, wie du mit Meinungsverschiedenheiten umgehst. Die Heilige Schrift sagt: „Siehe, wie fein und wie lieblich ist’s, wenn Brüder in Eintracht beisammen sind!” (Ps. 133,1) Das Gegenteil ist genauso wahr. Die meisten Menschen sind sich wohl einig, dass es kein größeres Leid gibt als ungelöste Konflikte in der Familie. Eine gute Bekannte überstand eine schwierige Zeit intensiver Schmerzen und Unsicherheiten mit Bravour. Sie blieb emotional stabil, als sie ihr Leben beinahe verlor, als die Gefahr bestand, dass sie ihre Unabhängigkeit verlieren könnte, als Familienangehörige starben und bestimmte Mitglieder ihrer Familie mit erheblichen Problemen zu kämpfen hatten. Als sich aber eine Meinungsverschie denheit zwischen ihr und ihrem Mann ergab, die sie anscheinend nicht ausräumen konnten, versank sie in tiefe Depressionen. Diese Uneinigkeit wirkte sich auf ihr persönliches Glück stärker aus als alles andere. Deine Art, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen be ein flusst auch deine Arbeitsleistung. Viele begabte, gebildete Menschen mühen sich in ihrem Berufsleben umsonst ab, weil sie zu anderen Menschen keine Beziehung aufbauen können. Eine Bekannte von mir hatte innerhalb von neunzehn Jahren neunzehn verschiedene Arbeitsstellen. Jedes Mal, wenn sie eine neue Stelle antrat, dachte sie, sie könnte endlich glücklich sein, aber schon bald hatte sie mit ihrem Chef oder einem Kollegen eine Meinungs ver schieden heit. 214 Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird Es dauerte nicht lange, bis sie unzufrieden wurde und nach einer neuen Arbeitsstelle suchte. Als sie vierzig Jahre alt war, bekam sie schwere Depressionen, weil sie ihr Leben betrachtete und merkte, dass sie nicht viel erreicht hatte. Sie hatte zwar viel Potenzial, aber ihr Unvermögen, mit Konflikten umzugehen, schränkte sie in ihrer Karriere stark ein. Auch im christlichen Dienst ist es wichtig, mit Konflikten richtig umgehen zu können. Als ich Bob und Mary kennen lernte, war Bob seit zwanzig Jahren Pastor gewesen. In dieser Zeit hatte er sechs verschiedene Gemeinden geleitet und Mary hatte fünf „Nervenzusammenbrüche” erlitten. Sie kamen in meine Beratung, weil Mary kurz vor einem weiteren Nervenzusammenbruch stand. Nachdem ich einiges über sie in Erfahrung gebracht hatte, stell te sich heraus, dass ihre Nervenzusammenbrüche immer dann auftraten, wenn sich in der Gemeinde ernsthafte Probleme anbahn ten. Meistens handelte es sich darum, dass der Pastor oder seine Frau oder eines der Kinder irgendetwas getan hatten, womit eine Gruppe von Gemeindemitgliedern unzufrieden waren. Mary konnte mit diesen Schwierigkeiten nicht umgehen. Während sie darüber grübelte, fühlte sie sich innerlich verletzt, verunsichert, ein geschüchtert und entmutigt. Äußerlich aber tat sie so, als sei alles in bester Ordnung, und versuchte, den Leuten, die sich so unver nünftig und undankbar benahmen, einfach aus dem Weg zu gehen. Mit der Zeit wurde der innere Druck so stark, dass sie schließlich durchdrehte. Bob reagierte ganz anders auf solche Probleme. Mary war ein „In-sich-hinein-Fresser”, ein „Unterdrücker”. Bob dagegen war ein „Zur-Rede-Steller”. Wenn sich Streit anbahnte, nahm er eine klare Haltung ein und erklärte immer wieder vorsichtig, aber bestimmt, warum seine Meinung richtig und die der anderen falsch war. Schließlich hatten die Leute drei Möglichkeiten: Entweder sie gaben auf, oder sie bildeten einen Gegenpol zu Bob oder sie verließen die Gemeinde. Wenn sich zu viele Leute für eine der letzten beiden Möglichkeiten entschieden, verließen die Smiths schließlich selbst die Gemeinde und suchten sich eine andere. Bob und Mary zerstörten ihr persönliches Glück durch ihre sündige 215 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Art, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen. Und nicht nur das, sie konnten dadurch auch Christus nicht mehr effektiv dienen. Sie waren beide sehr begabt und hätten sehr viel dazu beitragen können, andere Christen zu erbauen. Leider konnten sie keinen großen Beitrag leisten, weil sie mit Konflikten nicht richtig umgehen konnten. Der Segen des Friedens Die Bibel sagt: „Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden denen gesät, die Frieden stiften.” (Jak. 3,18) Willst du in deiner Familie die Frucht der Gerechtigkeit säen und ernten? Jakobus sagt, dass man das nicht erwarten kann, wenn in einem Haus stän dig gestritten und gekämpft wird. Es geschieht in Familien, wo Friedensstifter fortwährend Frieden säen. Sie werden die Frucht der Gerechtigkeit ernten. Psalm 133 betont denselben Gedanken. Er vergleicht die Einigkeit in der Familie mit dem Salböl, das auf Aaron ausgegossen wurde, als er zum Priesterdienst geweiht wurde (2.Mose 29,7; 30,25). Damit war er offiziell für den Dienst des Herrn geweiht. Der Psalmist sagt, dass, wenn wir die Einigkeit bewahren (durch das Verhindern und Lösen von Konflikten), wir genauso wie Aaron für den Dienst des Herrn abgesondert sind. In einer friedlichen und einträchtigen Atmosphäre kann Gott uns in besonderer Weise segnen und gebrau chen. Ein anderer Ausdruck in diesem Psalm weitet diesen Gedanken noch weiter aus. Der Frieden und die Einheit zwischen Brüdern wird verglichen mit dem „Tau des Hermon, der herabfließt auf die Berge Zions” (Psalm 133,3). Zwischen den Regenzeiten im Frühjahr und im Spätsommer regnete es in Palästina wenig. Wenn die Früchte wachsen sollten, benötigten sie zusätzliches Wasser. Glücklicher weise bildete sich in manchen Gegenden in Palästina ein starker Tau, wenn kein extremes Wetter herrschte. Nirgends war dieser Tau stärker ausgeprägt als auf dem Berg Hermon. Folglich brachten die Felder in dieser Gegend meistens eine reiche Ernte. Genauso segnet Gott die Menschen (einzelne Personen, ganze Familien und Gemeinden) reichlich, die in Einigkeit zusammen leben. Um diese Menschen herum kann Trockenheit herrschen und 216 Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird böse Mächte können sich gegen das Werk des Herrn stellen, aber in ihren Beziehungen zu Hause und außerhalb segnet Gott sie mit der Frucht der Gerechtigkeit. Die drei Phasen der Ehe Jemand hat einmal behauptet, dass die meisten amerikanischen Ehen drei Phasen durchlaufen. Phase 1 ist Rausch bzw. Verzauberung. Das ist die Zeit des Werbens und die erste Zeit der Ehe, wenn die Romantik noch vorherrscht. Alles ist wunderbar und der Partner kann nichts falsch machen. Das Paar glaubt, dass die kleinen Fehler oder Unterschiede ihre Beziehung nicht beeinträchtigen können. Phase 2 ist Realität bzw. Auseinandersetzung, wo Paare feststellen müssen, dass sie nicht immer derselben Meinung sind. Langsam stellen sie fest, dass sie nicht sich selbst geheiratet haben. Sie merken, dass der andere echte Fehler hat und dass sie zu manchen Themen sehr unterschiedliche Sichtweisen vertreten. Langsam (oder bei man chen auch schneller) kommt es zu Streitigkeiten zwischen ihnen. Aus dieser Phase der Realität bzw. Auseinandersetzung bewegen sich die Paare schließlich weiter in eine von drei Richtungen. Manche Paare stellen fest, dass sie ihre Unterschiede nicht über winden können und bewegen sich in Richtung Scheidung. Andere bewegen sich in einen unglücklichen Dauerzustand, wo sie nur noch nebeneinander her leben. Die dritte Gruppe lernt, mit ihren Meinungsverschiedenheiten umzugehen und Konflikte zu verhin dern oder zu lösen. Folglich entwickeln sie eine reifende Beziehung. Für sie stellen Meinungsverschiedenheiten in der Ehe oder Familie eine Gelegenheit dar, um biblische Prinzipien anzuwenden und zu üben. Sie ernten die Früchte der Gerechtigkeit, weil sie die wichtige Fähigkeit erlernt haben, Konflikte zu lösen. Aber die Frage ist: Wie wird man ein Friedensstifter anstatt eines Kriegstreibers? Was gehört dazu, Streitigkeiten auf biblische Art zu vermeiden und zu beheben? Ein wichtiger Teil davon ist einzusehen, dass Meinungsverschiedenheiten unvermeidbar sind und oft zu Konflikten führen. Eine klare Antwort auf die Frage zu haben: „Woher kommen die Kämpfe und die Streitigkeiten unter euch?” (Jak. 4,1), ist ein erster Schritt. 217 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Ursachen für Auseinandersetzungen Die Mitglieder einer Familie unterscheiden sich in ihrer Per sön lichkeit, ihren Sichtweisen, Werten, Gaben und Fähigkeiten, In te ressen, Vorlieben, Abneigungen, ihrem Bildungsgrad, ihrer Intelligenz und Erziehung. Diese Unterschiede begünstigen oft Mei nungsverschiedenheiten und Missverständnisse, die zu Streitigkeiten führen können. Das Anderssein kann deshalb oft zu Auseinander setzungen in der Familie beitragen. Weil Gott uns verschiedene Gaben und Talente geschenkt hat (Röm. 12,4-6), haben wir vielleicht ein stärkeres Interesse an be stimmten Dingen als andere Familienmitglieder. Wir meinen, dass sich jeder für diese bestimmte Sache so stark engagieren sollte, wie wir es tun. Wenn das nicht geschieht, werden wir vielleicht aufdringlich und geben ihnen das Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmt, weil sie nicht so begeistert sind wie wir. Auch unterschiedliche Arten der Entscheidungsfindung können zu Spannungen in der Familie führen. Manche Menschen treffen ihre Entscheidungen sehr schnell, andere brauchen länger. Manche können eine Situation schnell einschätzen und eine schnelle Ent scheidung treffen, um keine Zeit zu verlieren. Andere analysieren und analysieren wieder, warten und sammeln neue Fakten, bevor sie eine Entscheidung treffen, um nichts zu überstürzen. Die erste Gruppe könnte die Geduld mit der zweiten verlieren, während die zweite sich von der ersten gehetzt fühlen könnte, und so können Spannungen zu Auseinandersetzungen führen. Ein 65-jähriges Paar lebte seit Jahren in ständigem Streit. Es war offensichtlich, dass sie in vielen Dingen sehr unterschiedlich waren, vor allem aber in dem Tempo, mit der sie ihr Leben lebten. Die Frau war mit fünfundsechzig noch sehr aktiv. Sie war immer in Eile, arbeitete in Vollzeit als Krankenschwester und verschwendete keinen Gedanken daran, in Rente zu gehen. Ihr Mann hingegen war das genaue Gegenteil und schon immer so gewesen. Er war langsam – sehr, sehr langsam. Wenn er sich bewegte, kam er kaum voran. Es schien, das Einzige, das er schnell tun konnte, war, müde zu werden. Er hatte seine Vollzeit-Arbeitsstelle schon vor langer Zeit aufgegeben. Wenn seine Frau morgens das Haus verließ, bat sie ihn, bestimmte 218 Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird Dinge im Haus zu erledigen, worauf er mit einem „Aha” antwortete. Wenn sie wiederkam, stellte sie fest, dass vieles unerledigt geblieben war. Jedes Mal, wenn das passierte, regte sie sich stärker auf. Er versprach, sich zu bessern, tat es aber nie zu ihrer Zufriedenheit. Schließlich steigerte sich ihre Wut dermaßen, dass sie tatsächlich das Schlachtermesser ergriff und ihn durch das Haus jagte! Pünktlichkeit ist ein anderer Bereich, in dem sich Menschen unterscheiden. Für manche ist es sehr wichtig, pünktlich zu erscheinen. Termine müssen eingehalten werden, koste es, was es wolle. Für andere ist Pünktlichkeit nicht so wichtig. Solange sie in etwa um die abgesprochene Uhrzeit erscheinen oder wenigstens, bevor die Veranstaltung beendet ist, ist für sie alles in Ordnung. Flexibilität und die Berücksichtigung verschiedener anderer Bedürf nisse ist für sie wichtiger als pünktlich zu sein. Sogar eine Sache wie die Essenszubereitung kann zu Unstim migkeiten in der Familie führen. Ein Arzt und seine Frau erlebten schwer wiegende Probleme in ihrer Ehe. Sie hatten zwar wegen vielen verschiedenen Dingen Streit, aber eine der stärksten Aus einandersetzungen hatte damit zu tun, wie das Essen vorbereitet werden sollte. Wegen seiner hohen Cholesterinwerte dachte er, sie sollte alles mit Wasser kochen. Sie war aber der Meinung, dass sie nur die richtigen Ölsorten wählen musste. Außerdem sah sie die Küche als ihr Reich an und es gefiel ihr nicht, dass er ihr vorschreiben wollte, was sie in ihrem Kompetenzbereich tun und lassen sollte. Unterschiede in Alter, Erziehung, Prioritäten, Werten und Er fah rung sind die Gründe für unterschiedliche Sichtweisen von Eltern und Kindern. Im Umgang mit ihren Kindern müssen El tern diese Alters- und Erfahrungsunterschiede berücksichtigen. Sie müssen an die Worte des Paulus denken: „Als ich ein Unmündi ger war, redete ich wie ein Unmündiger, dachte wie ein Unmün diger und urteilte wie ein Unmündiger; als ich aber ein Mann wurde, tat ich weg, was zum Unmündigsein gehört.” (1.Kor. 13,11) Eltern dürfen nicht vergessen, dass es die Sichtweise der Kinder und die Sichtweise der Eltern gibt. Es gibt unzählige Bereiche, in denen sich die Angehörigen einer Familie unterscheiden können. Ich habe gerade einige Beispiele 219 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst ausführlicher dargestellt. In der folgenden Liste habe ich einige der häufigsten Gründe zusammengestellt, warum es in Familien zu Meinungsverschiedenheiten kommen kann: 1. Verständnis von Ehe- und Familienverhältnissen 2. Die Rollen und Verantwortungsbereiche von Ehemann und Ehefrau 3. Berufliche Ziele 4. Grenzen zwischen Familienmitgliedern (Teilen, Privatsphäre, Freiheit, Individualität, Beisammensein, etc.) und zu Per sonen außerhalb der Familie 5.Finanzen 6. Vorlieben für Freizeitaktivitäten 7. Gottesdienstbesuche und Engagement in der Gemeinde, geistliche Überzeugungen 8. Erwartungen bezüglich der Anzahl der Kinder, zeitliche Abstände zwischen den Kindern, Verhältnis zu den Kindern, Gründe für den Kinderwunsch, Erziehungsfragen, ob die Kinder wichtiger sind als der Ehepartner 9. Wie sehr man seine Gefühle zeigt und auf welche Art 10. Gesellschaftliche Beziehungen, Freundschaften 11.Sexualleben 12.Was zu anständigem Benehmen, guten Sitten, Etikette gehört 13.Weltanschauung 14. Beziehung zu Eltern und Schwiegereltern 15. Werte und Ziele 16. Wie man größere und manchmal auch kleinere Entscheidun gen trifft 17. Hausarbeit; was man unter einem sauberen Haus versteht und wer dafür verantwortlich ist 18. Wie viel Zeit man miteinander verbringt 19.Familienandachten, Gebet, Bibelstudium (Ja? Was? Wie? Wann? Wie viel?) 20.Unterkunft: Kaufen oder mieten; Wartung und Möblierung Selbst in den besten Familien kommt es vor, dass man mal 220 Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird verschiedener Meinung ist. Das ist eine Tatsache. Stell dich darauf ein und lass dich dadurch nicht ins Schleudern bringen. Sei dir darüber im Klaren, dass nicht alles schwarz oder weiß ist; manche Dinge sind nur verschieden. Sei aber auf der Hut, denn Verschiedenheiten, mit denen nicht angemessen umgegangen wird, können einen harmonischen Haushalt sehr schnell in eine Kriegszone verwandeln. Den Konflikt an der Wurzel packen Was ist denn der Grund dafür, dass Meinungsverschiedenheiten so leicht zu Konflikten führen können? Die Bibel sagt, dass wir deshalb streiten, weil in uns verschiedene Wünsche miteinander kämpfen; weil wir etwas haben wollen, das wir nicht bekommen können (Jakobus 4,1-3). Anders ausgedrückt: Verschiedenheiten führen oft zu Konflikten, weil wir selbstsüchtig sind. Wir wollen, dass unsere Familie die Dinge genauso sieht wie wir, glaubt, was wir glauben, sich so benimmt, wie wir es haben wollen, und tut, was wir von ihr verlangen. Und wenn sie nicht mitmacht, sind wir frustriert. Unser Egoismus führt dann zu einer sündhaften Reaktion. Wir versuchen, die anderen durch Nörgeln, Schreien oder unentwegtes Argumentieren zur Zustimmung zu zwingen. Vielleicht rasten wir aus und strafen sie mit Worten oder sogar mit Schlägen. Vielleicht setzen wir auch etwas mildere Methoden ein, um sie umzustimmen oder sie zu bestrafen, weil sie uns nicht zustimmen. Wir schmollen, ziehen uns zurück, weinen, senden böse Blicke, schweigen, trotzen oder werden verschwenderisch. Weil unsere Wünsche nicht erfüllt werden, versuchen wir, die Situation in den Griff zu bekommen und fangen an zu streiten. Denk an deine eigenen Erfahrungen. Vielleicht wünschst du dir mehr emotionale Unterstützung, Respekt, Lob, Bestätigung oder Zuneigung von deinen Familienangehörigen. Vielleicht hättest du gerne mehr Hilfe im Haushalt und hast das Gefühl, dass du ausgenutzt wirst. Oder du hast Wünsche im geistlichen Bereich, zum Beispiel, dass jemand dein Bibelverständnis teilt oder derselben Ansicht ist, was richtig und was falsch ist, oder dass jemand seinen Wandel mit dem Herrn verbessert. Wie reagierst du, wenn du deinen Willen nicht bekommst? Und warum reagierst du so? 221 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Jakobus entlarvt alle fromme Heuchelei und geht unseren zwischenmenschlichen Konflikten auf den Grund. Er erklärt sehr direkt und einleuchtend, dass das brennende Verlangen, die eigenen Wünsche zu erfüllen, das eigentliche Problem darstellt und zu Konflik ten in der Familie führt. Jakobus sagt eigentlich: „Ihr streitet und kämpft, weil ihr selbstsüchtig seid. Ihr lasst euch von falschen Motiven leiten. Euch geht es nicht wirklich darum, Gott zu ehren oder für andere das Beste zu tun. Euch geht es hauptsächlich um euch selbst, euren Ruf, euer eigenes Vergnügen. Um euren Willen durchzusetzen, versucht ihr sogar, Gott und eure Familienangehörigen zu manipulieren.” (vgl. Jak. 4,1-3) Konflikte um der Gerechtigkeit willen Manchmal entstehen Spannungen aus einem gänzlich anderen Grund. Die Bibel sagt, dass wir manchmal auf Widerstand stoßen werden, weil wir für die Gerechtigkeit einstehen. „Glückselig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden… Glückselig seid ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und lügnerisch jegliches böse Wort gegen euch reden um meinetwillen!” (Matt. 5,10-11) Christen müssen mit Widerstand in der Gesellschaft rechnen. Aber Jesus warnt uns auch vor ähnlichen Schwierigkeiten innerhalb der Familie. „Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Feinde des Menschen werden seine eigenen Hausgenossen sein.” (Matt. 10,3536) Gelegentlich wird es in der Familie zu Disharmonien kommen, weil einer (der Ehemann, die Ehefrau, ein Elternteil oder ein Kind) für die Gerechtigkeit einsteht und ein anderer dieser Gerechtigkeit gegenüber feindselig gesinnt ist. Abels Gerechtigkeit zog den Zorn Kains auf sich (1.Mose 4). Aus demselben Grund bekam Joseph den Hass seiner Brüder zu spüren (1.Mose 37). Es kann also auch in der Familie eines Gläubigen vorkommen, dass sich jemand über seine Überzeugungen ärgert. Vielleicht bist du es sogar, der durch die christlichen Überzeugungen oder das biblische Handeln eines Familienmitglieds gelegentlich aus der Fassung gebracht wird. Leider sind wir diesseits des Himmels 222 Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird alle anfällig dafür, uns dem Willen Gottes zu widersetzen und uns über andere zu ärgern, die versuchen, ihm gehorsam zu sein. Zum Beispiel: Meine Frau hat den Wunsch, nach dem Gottes dienst einer bedürftigen Person zu helfen. Carol merkt, dass diese Person tiefen Schmerz empfindet und sie will ihr die Last tragen helfen und ihr Ermutigung zusprechen. Sie sieht es als eine Tat der Gerechtigkeit und sie hat Recht! Sie bittet mich um meine Zustimmung, die ich ihr äußerlich auch gebe, aber nicht innerlich. Ich denke nicht an den Auftrag Jesu oder die Bedürfnisse dieser Person. Ich denke nur daran, dass ich endlich nach Hause will. Ich habe Hunger. Ich hatte eine anstrengende Woche. Ich will meine bequemen Sachen anziehen und mich entspannen. Als sie endlich (fünfzehn Minuten später) zum Auto kommt, lasse ich sie so oder anders merken, dass ich damit nicht einverstan den bin, was sie getan hat. Was geschieht hier? Wir haben einen Konflikt, weil Carol jemandem im Namen Jesu helfen wollte, und ich bin verärgert über sie, weil sie das Richtige getan hat. Ja, es kann zu Uneinigkeit in der Familie kommen, weil einer das Richtige tun will, und der andere ist, zumindest zeitweilig, dagegen. Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass ich jedes Mal für Christus Stellung nahm, wenn ich einen Streit mit je man dem aus meiner Familie hatte. Aber oft war der Grund für unse ren Zusammenstoß meine egoistische Reaktion auf Meinungs verschiedenheiten oder auf die Rechtschaffenheit des anderen. Allzu oft habe ich mich dessen schuldig gemacht, was Jakobus verurteilt. Ich wollte etwas und bekam es nicht. Oh, ich könnte alle geistlichen Gründe der Welt anführen, warum meine Wünsche angebracht waren und so meine Verärgerung rechtfertigen. Aber die Wahrheit ist, dass ich mehr für meine Selbstsucht litt als für die Glaubensgerechtigkeit. Und was auf mich zutrifft, ist auch bei anderen oft der Fall. Durch die Art meines Dienstes bin ich ständig damit beschäftigt, Leuten zu helfen, die Probleme in ihrer Familie haben. Manche von ihnen leiden tatsächlich wegen ihrer Glaubensgerechtigkeit. Sie brauchen Ermutigung, Unterstützung, Bestätigung, Gebet, Annahme und Mitgefühl. In anderen Fällen stelle ich fest, dass der 223 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Unfriede durch Selbstsucht verursacht wird, durch unvernünftige Erwartungen, eine do mi nierende Haltung, durch den Wunsch, andere zu kontrollieren, durch Eifersucht, Übereifer, Gefühllosigkeit, unbiblische Motive, Vergnügungssucht, Selbst-Vergötterung und einem von Gefühlen geleiteten Lebenswandel. Solche Leute brauchen keine Ermutigung, um ihre Einstellung beizubehalten. Sie müssen sanft zur Buße und zum Bekenntnis ihrer Sünden gerufen werden. Sie müssen darauf hingewiesen werden, dass sie Jesus Christus um Vergebung ihrer Sünden und um Kraft für einen Richtungswechsel für ihr Leben bitten müssen. Durch die Kraft des innewohnenden Heiligen Geistes müssen sündhafte Überzeugungen und Handlungen abgelegt und biblische (Christus ähnliche) Überzeugungen und Handlungen antrainiert werden. Streit in der Familie vermeiden Wie vermeidet und löst man Konflikte in der Familie? Zunächst muss man sich dessen bewusst sein, dass jede Meinungsverschieden heit zwischen zwei Menschen sehr schnell zum Streit führen kann. Je enger die Beziehung, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass es zu Auseinandersetzungen und Unstimmigkeiten kommt. Damit das in deiner Familie nicht passiert, solltet ihr feststellen, in welchen Dingen ihr euch ähnelt und in welchen ihr euch unterscheidet. Kehrt eure Verschiedenheiten nicht unter den Teppich. Legt sie offen und sprecht ausführlich darüber. Versucht dann, den Grund herauszufinden, warum diese Ver schiedenheiten so leicht in Streit ausarten. Seid ehrlich vor Gott. Fragt jeder sich selbst: Stören mich diese Unterschiede und Mei nungs verschiedenheiten deshalb so sehr, weil ich egoistisch bin? Ist es, weil ich meinen eigenen Willen durchsetzen will und die andere Person sich nicht fügen will? Bin ich neidisch? Habe ich unchristliche Motive? Untersuche anhand der Bibel, was sich in deinem Leben und deinen Beziehungen tut. Wenn du feststellst, dass deine innere Haltung, deine Gedanken, Gefühle und Handlungen unbiblisch sind, dann steh dazu. Versuche nicht, die Schuld auf jemand anderen zu schieben oder dich zu rechtfertigen, sondern bekenne 224 Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird deine Sünden und bitte den Herrn um Vergebung. Sieh auf ihn und vertraue ihm, dass er euch helfen wird, eure Differenzen und Meinungsverschiedenheiten auf christliche, konstruktive Art zu lösen. Durch die Macht Gottes kann Disharmonie in der Familie in Harmonie verwandelt werden. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Antworten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1.Beschreibe, wie du normalerweise auf Meinungs ver schiedenheiten und Konflikte reagierst. Untersuche die jeweilige innere Haltung, die zu diesen Reaktionen führt. 2. Was sagt die Bibel dazu, wie einfach oder schwierig es ist, mit anderen auszukommen? Belege deine Antwort mit Bibelstellen. 3. Bist du mit der Aussage von Paul Tournier über emotionale Unverträglichkeit einverstanden? Warum bzw. warum nicht? Begründe deine Antwort anhand der Bibel. 4. Stimmst du der Aussage zu, dass Meinungsverschiedenheiten unvermeidbar sind? Warum sind sie unumgänglich? 5. Was könnte tatsächlich vor sich gehen, wenn Menschen, die zusammen leben, behaupten, noch nie eine Meinungs verschiedenheit oder einen Konflikt gehabt zu haben? 6. In diesem Kapitel wurden verschiedene Gründe genannt, warum es wichtig ist, Konflikte zu lösen. Welche sind es? Finde passende Bibelstellen. Füge deine eigenen Begründungen hin zu. Nenne Beispiele aus der Bibel, Geschichte, Literatur und deinem eigenen Leben für die lähmenden Auswirkungen ungelöster Konflikte. 225 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 7. Beschreibe einige Meinungsverschiedenheiten und Konflikte, die du mit jemandem aus deiner Familie gehabt hast. Stelle mit Hilfe der Informationen aus diesem Kapitel fest, was die jeweilige Ursache für die Meinungsverschiedenheit war und warum daraus ein Streit wurde. 8. Fülle den Persönlichkeitstest aus (siehe unten). Bewerte jeden Einzelnen aus deiner Familie. Wem von ihnen ähnelst du am meisten? Von wem unterscheidest du dich am stärksten? Mit wem verträgst du dich am besten? Mit wem am schlechtesten? Wie haben die Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten die Beziehungen innerhalb deiner Familie beeinflusst? 9. Führe die Konflikt-Analyse durch (unter dem Persönlich keitstest). Mit wem aus deiner Familie streitest du am ehesten? Weißt du, warum das so ist? Wie haben diese Streitigkeiten die Beziehungen zu diesen Personen beeinflusst? Wie haben sich diese Konflikte auf die ganze Familie ausgewirkt? Persönlichkeitstest Bewerte dich selbst und alle anderen Mitglieder deiner Familie. Gib jedem 0-4 Punkte für jede Eigenschaft, wobei 4 die höchste und 0 die niedrigste Punktzahl ist. Wenn du z.B. sehr geduldig bist, gib dir eine 4 für „geduldig”. Wenn du überhaupt keine Geduld hast, gib dir eine 0. Wenn du irgendwo dazwischen liegst, bewerte dich mit 1, 2 oder 3 (K. = Kind). Kreise die Eigenschaften ein, bei denen ihr mehr als 1 Punkt auseinanderliegt. Sprecht darüber, wie sich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf eure Beziehungen auswirken. Eigenschaften Punkte: Du / Partner / K.1 / K.2 / K.3 / K.4 geduldig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ entgegenkommend ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ stur ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ schnell gereizt ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ 226 Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird nachtragend ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ versöhnlich ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ dominant ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ egozentrisch ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ sanftmütig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ aufdringlich ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ kann gut zuhören ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ vernünftig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ rücksichtsvoll, aufmerksam ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ Einzelgänger ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ depressiv ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ offen ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ ausdrucksstark ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ praktisch ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ tüchtig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ ordentlich, organisiert ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ ausgefallen ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ zuverlässig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ liebevoll ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ sportlich ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ ehrgeizig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ angenehme Stimme ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ musikalisch ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ kleidet sich geschmackvoll ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ vergesslich ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ faul ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ kontaktfreudig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ impulsiv ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ künstlerisch begabt ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ ruhig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ konventionell ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ Naturliebhaber ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ verschwenderisch ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ Initiator ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ sicher, zuversichtlich ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ großzügig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ aggressiv ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ pünktlich ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ 227 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst anpassungsfähig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ unternehmungslustig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ entschlussfreudig ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ sentimental ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ schiebt auf die lange Bank ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___ Konflikt-Analyse Trage in die Liste ein, wie sehr du mit den einzelnen Mitgliedern deiner Familie bei den aufgeführten Themen übereinstimmst. Benutze die folgende Bewertungsskala: 1 = sind uns immer einig 2 = sind uns oft einig 3 = sind uns manchmal einig 4 = sind uns oft nicht einig 5 = sind uns meistens nicht einig 6 = sind uns immer nicht einig 7 = trifft nicht zu Nachdem du den Fragebogen ausgefüllt hast, kreise die Themen ein, die am ehesten zu einem Streit führen. Du & Partner / & K.1 / & K.2 / & K.3 / & K.4 Verwendung von Geld _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Erholung _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Geistliche Dinge _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Freunde _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Ausdruck von Zuneigung _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Angemessenes Verhalten _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Weltanschauung; Ziele _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Zeit miteinander _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Entscheidungsfindung _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Freizeitaktivitäten _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Berufliche Entscheidungen _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Gem. Beten und Bibellesen _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Bestimmung des Wohnortes _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Wahl der Unterkunft 228 _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Kapitel 12 Warum in Familien gestritten wird Wie man mit Großeltern, Eltern und Schwiegereltern umgeht _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Gebrauch von Alkohol und Drogen _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Wie man mit Meinungsverschiedenheiten umgeht _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Sexualleben _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Familienfragen: Erziehung, Spaß, etc. _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Engagement in der Gemeinde und Gottesdienstbesuche _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Erwartungen an Ehe und Familie _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Schulische und berufliche Angelegenheiten _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Häusliche und familiäre Pflichten _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Rolle und Verantwortungsbereiche von Ehemann und Ehefrau _____ / _____ / _____ / _____ / _____ Wie zufrieden bist du mit deinem derzeitigen Verhältnis zu den einzelnen Personen? (Skala von 0 – 10; 0 = überhaupt nicht; 10 = sehr). _____ / _____ / _____ / _____ / _____ 229 Kapitel 13 Jede Familie braucht einen Friedensstifter Selbst in der eigenen Familie kann es durchaus sehr schwierig sein, miteinander auszukommen. Es kommt so leicht zu Konflikten und Spaltungen, aber sie zu lösen, kann sich als sehr schwierig heraus stellen. Aber die Bibel bietet uns die Hilfe eines einzigartigen, speziell dafür bestimmten Friedensstifters mit einem makellosen Zeugnis und unbegrenzten Fähigkeiten, um einen tiefen und dauernden Frieden zu schaffen. Ich beziehe mich natürlich auf Jesus Christus, den Gott gesandt hat, um uns den Frieden zu bringen, Mauern niederzureißen und Feindseligkeiten zu beseitigen (Eph. 2,13-22). Es hat nie einen Friedensstifter gegeben, den man mit Jesus vergleichen könnte. Er kann bewirken, was kein anderer Friedensstifter je zu Stande bringen kann. Um gute Verhältnisse in der Familie zu schaffen, muss man Mei nungs verschiedenheiten und Konflikte lösen. Jesus Christus ist ein Fachmann auf diesem Gebiet. Deshalb behaupte ich, dass der wichtigste Faktor zur Vermeidung und Lösung von familiären Konflikten die eigene Beziehung zu Jesus Christus ist. Das Mittel zur Lösung von Konflikten ist nicht eine bestimmte Methode oder eine kleine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Methoden haben ihre Berechtigung, aber sie können den Frieden in der Familie nicht automatisch herstellen. Deine Beziehung zu Jesus Christus ist viel wichtiger – und praktischer – als jede Methode. Dies ist zwar eine gewagte Behauptung, sie kann aber leicht durch Bibelstellen belegt und durch persönliche Erfahrungen untermauert werden. Der Apostel Johannes macht dazu eine Bemerkung in 1.Joh. 1,3+7: „Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen 230 Kapitel 13 Jede Familie braucht einen Friedensstifter wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt; und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Chris tus. … Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.” Was stellt Johannes hier in den Mittelpunkt der wahren Gemeinschaft zwischen Gläubigen? Unsere Einheit und Gemeinschaft dreht sich nicht darum, dass wir immer derselben Meinung sind, die gleiche Erziehung oder ethnische Abstammung, Lebensstandard, Stellung in der Gesellschaft oder irgendwelche anderen Gemeinsamkeiten haben, die Menschen normalerweise zusammenbringen. Es ist vielmehr – so sagt Johan nes – Christus, der die Grundlage für wahre Gemeinschaft mit Gott und miteinander bildet. Wir als Gläubige bilden jeweils eine Einheit mit Christus und das ist die Grundlage für unsere Einheit miteinander. Wenn wir mit ihm als dem Haupt verbunden sind, sind wir als Glieder seines Leibes auch miteinander verbunden. Durch das reinigende Blut Christi haben wir Frieden mit Gott und Harmonie unter einander. Andere Dinge, die uns entzweien könnten, verblassen zu Nebensächlichkeiten im Vergleich zu unserer Gemeinsamkeit: der Einheit mit und die Hingabe an Christus. In Philipper 4,2 schreibt Paulus an zwei Frauen, die stark zer stritten waren. Es ist anzunehmen, dass Euodia und Syntyche einen Groll gegeneinander hegten, verbittert waren und einander mieden. Ihre Situation war so verfahren, dass ihr Streit allgemein bekannt war. Es bestand die Gefahr, dass die Gemeinde in zwei Lager gespalten würde. Von ihrem Stand her gesehen waren diese beiden Frauen durch Christus mit Gott und miteinander verbunden (Phil. 4,3), aber in der Praxis erlebten sie etwas ganz anderes. Die Nachricht über dieses Problem hatte Paulus erreicht, der sich hunderte von Kilometern entfernt in Rom aufhielt. Die Lage war so ernst, dass Paulus sich gezwungen fühlte einzugreifen. Wie wollte er diese Situation angehen? Die Antwort ist einfach, aber tief greifend. Zunächst bat er einen reifen Christen, sich einzuschalten und den Streit zu schlichten. Er ließ durchblicken, dass das Verhältnis 231 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst zwischen Euodia und Syntyche so angespannt war, dass die Hilfe eines erfahrenen Seelsorgers gefragt war. Dann appellierte Paulus an beide Beteiligten, selbst die Verantwortung für die Lösung des Konfliktes zu übernehmen. Er sagte faktisch: „Ihr beide habt ein Problem und ich fordere euch auf, etwas dagegen zu unternehmen. Ich will nicht, dass ihr beide wartet, bis die andere den Streit beendet. Wenn ihr bereit seid, meinen von Gott gegebenen Anweisungen zu folgen, gibt es absolut keinen Grund, warum euer Streit nicht behoben werden könnte. Ihr könnt wieder in Frieden leben.” Paulus half diesen Frauen hauptsächlich dadurch, dass er sie mit Nachdruck an bestimmte grundlegende Tatsachen erinnerte. John Gwyn-Thomas beschreibt das Vorgehen des Paulus wie folgt: Er wollte nicht, dass sie ihren Streit oberflächlich beilegten, denn die Feindseligkeit würde unter der Oberfläche weiter bestehen. Er wollte das Übel an der Wurzel packen, so dass sie den Tatsachen ins Gesicht sehen mussten, die sie entzweiten, und im Herrn wiedervereinigt werden konnten. Also erinnerte er sie daran, dass ihre Gemeinsamkeiten viel größer waren als ihre Differenzen, dass sie nämlich beide durch Jesus Christus erlöst waren; dass sie beide denselben himmlischen Vater und den innewohnenden Heiligen Geist hatten; dass sie beide die Ewigkeit in der Gegenwart Gottes verbringen würden. Er forderte sie auf, sich unter diesen vereinigenden Gesichtspunkten mit Herz und Verstand zu betrachten, damit sie die Belanglosigkeit natürlicher Unterschiede im Licht dieser großartigen Einheit im Geist erkennen konnten… Er beruft sich auf ihre vorherige Einheit im Dienst für Jesus Christus: „Sie haben beide Seite an Seite mit mir für das Evangelium gekämpft.” Der Apostel richtet einen weiteren Appell an diese Frauen, der nicht ganz so direkt ist. Er will, dass sie sich von einem anderen Blickwinkel aus betrachten. Wie können sie miteinander strei ten, wenn doch beider Namen im Buch des Lebens eingetra gen sind? Und wieder erinnert er sie an eine wichtige biblische Wahrheit, die auf jeden Christen zutrifft, dass es nämlich nicht darauf ankommt, wie unbedeutend oder unwichtig wir in den 232 Kapitel 13 Jede Familie braucht einen Friedensstifter Augen der Welt oder auch der Gemeinde zu sein scheinen – unser Name steht im Buch des Lebens… Letztendlich ist das Einzige, was wirklich zählt, dass unser Name im Buch des Lebens geschrieben steht… Als Bürger des himmlischen Königreiches sollen wir unser Leben auf dieser Erde nach Gottes Willen gestalten, uns wie Bürger dieses Königreiches verhalten. Es soll in unserem Leben nicht darum gehen, ständig um irgendwelche Posten zu kämpfen…. Wenn wir dieses Leben im Licht der Ewigkeit leben, werden die belanglosen Dinge in die richtige Perspektive gerückt.17 Verstehst du, was Paulus hier in den Mittelpunkt der Konflikt lösung stellt? Er sagt nicht: „Die Sache zwischen euch beiden ist so schlimm, dass eure Beziehung nicht mehr zu reparieren geht. Eure Persönlichkeiten, Interessen und Überzeugungen machen es unmöglich, dass ihr euch vertragen könnt. Ich glaube, es wäre das Beste, wenn eine von euch die Gemeinde verlassen und sich eine neue suchen würde.” Die Worte des Paulus machen deutlich, dass er fest daran glaubte, dass Euodia und Syntyche ihren Streit bei legen konnten. Paulus half ihnen auch nicht, indem er ihnen eine niedliche kleine Anleitung zur Konfliktlösung vorlegte. Obwohl ich glaube, dass er bestimmt nichts gegen die Anwendung biblischer Methoden hatte, waren sie ihm hier doch nicht wichtig. Er wusste, dass Auseinandersetzungen zwischen Christen hauptsächlich des halb entstehen und ungelöst bleiben, weil sie dazu neigen, sich mehr auf die kleinen Dinge zu konzentrieren, die sie trennen, als auf die wichtigeren Dinge, die sie vereinen. Deshalb lenkt Paulus die Auf merksamkeit dieser verfeindeten Frauen zurück auf das zentrale, wesentliche Thema: Ihre Gemeinsamkeiten durch ihre Einheit mit Christus. Euodia und Syntyche hatten wahrscheinlich unterschiedliche Charaktere, Interessen, Hintergründe und unterschiedliche Sicht weisen bezüglich vieler Dinge. Aber beide waren Eins mit Jesus Christus. Diese Einheit machte es praktisch möglich, dass Frieden und Harmonie wiederhergestellt werden konnten. Ähnliche Situationen wie bei Euodia und Syntyche kommen oft in 7 John Gwyn-Thomas, Rejoice Always (Edinburgh: Banner of Truth, 1989, S. 13-15) 233 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Familien vor. Ich höre von zerstrittenen Familien oft Aussagen wie: „Wir haben keine Gemeinsamkeiten. Wir passen überhaupt nicht zusammen. Wir haben unterschiedliche Interessen, Wünsche und Erwartungen. Selbst unsere Vorlieben und Abneigungen machen uns inkompatibel. Wir kommen einfach nicht miteinander klar.” Und doch habe ich gesehen, wie diese Mauern eingestürzt sind, wenn diese Leute bereit waren, ihren Blick von den Dingen abzu wenden, die sie trennten und ärgerten, und stattdessen auf ihre Beziehung zu Jesus Christus zu richten. Wenn es um die Lösung von Konflikten geht, ist nichts wichtiger und nichts hilfreicher als eine lebendige Beziehung zu Jesus. Beachte, dass ich sagte, eine lebendige Beziehung zu ihm. Es gibt viele Christen, die zwar eine Beziehung zu Christus haben, die aber nicht eng und lebendig ist. Vor einiger Zeit sprach ich mit einer Frau, die mit ihrem Mann und mit ihren Kollegen ernsthafte Schwierigkeiten hatte. Ihre Art zu reden und ihr Verhalten ließen darauf schließen, dass sie sehr egoistisch, anstrengend und kritisch war und man mit ihr nur schwer auskommen konnte, aber sie fühlte sich für all die Schwierig keiten überhaupt nicht verantwortlich. Sie sagte, sie sei ein Christ, also fragte ich, was das für sie bedeute. Sie gab mir die allgemein übliche Antwort und ich fragte weiter: „Na gut, dann erklären Sie mir bitte, wie Jesus Christus ihr tägliches Leben beeinflusst. Wie hat Jesus heute ihre Beziehung zu ihrem Mann beeinflusst? Wie hat Christus sich gestern auf ihre Arbeit ausgewirkt?” Sie antwortete: „Ich lüge und betrüge bei der Arbeit nicht, wie manche andere.” „Das ist gut”, sagte ich, „aber es gibt bestimmt viele Nicht-Christen, die bei der Arbeit auch nicht lügen oder betrügen.” Sie zählte weitere Dinge auf, die ihr gutes Benehmen zeigten, wie: „Ich fluche nicht.” Wieder bestätigte ich, dass es wünschenswert ist, dass Christen nicht fluchen, wies aber auch darauf hin, dass es viele Nicht-Christen gibt, die das auch nicht tun. Ich wiederholte meine Frage: „Ich möchte Sie noch einmal fragen: Wie wirkt sich Ihr Glaube im täglichen Leben aus?” Schließlich gab sie zu: „Ich bin nicht wirklich sicher, ob er sich in meinem Leben praktisch auswirkt.” Diese Frau war in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen, 234 Kapitel 13 Jede Familie braucht einen Friedensstifter war immer zur Kirche gegangen, hatte Jesus in ihr Herz aufge nommen, als sie noch ein Kind war, und hatte einen äußerlichen Lebensstil übernommen, den ihre Gemeinde vorgab. Sie sang im Chor, las gelegentlich ihre Bibel und betete, besuchte eine Bibel schule und heiratete einen jungen Mann, den sie an dieser Schule kennen gelernt hatte. Es gab viele äußere Zeichen für ihren christli chen Glauben. Aber ihre Beziehung zu Christus war sehr oberf läch lich. Er war für sie überhaupt nicht persönlich oder real. Hatte dieses oberflächliche Verhältnis zu Jesus Christus etwas mit ihren zwischenmenschlichen Problemen zu tun? Um diese Frage zu beantworten, möchte ich noch einmal betonen: Wenn es um die Lösung von Konflikten geht, ist nichts wichtiger und nichts hilf reicher als eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus. Wenn jeder eine wachsende, lebendige Beziehung zu Christus hat, besteht aus mehreren Gründen ein unglaubliches Potenzial für Harmonie in deiner Familie. Einheit durch gleiche Richtlinien Für Menschen, die bei Entscheidungen denselben Richtlinien fol gen, ist eine solide Einheit möglich. Wenn Christen mit Ehe- oder Familienproblemen zu mir kommen, sage ich oft zu ihnen: „Sagen Sie mir, was es bedeutet, ein Christ zu sein.” Viele antworten: „Ein Christ ist jemand, der an den Herrn Jesus Christus glaubt.” „Sie haben absolut Recht”, sage ich dann. „Wenn Sie mit dem Mund Jesus als Ihren Herrn bekennen, und in Ihrem Herzen glauben, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, werden Sie gerettet werden, schreibt Paulus in Römer 10,9. Was meint denn die Bibel Ihrer Meinung nach damit, Jesus als Herrn zu bekennen?” Nachdem sie einige Versuche gemacht haben, es zu erklären, gehe ich meistens an die Tafel in meinem Büro und sage: „Wir wollen Herr einmal etwas anders buchstabieren.” Dann schreibe ich in großen Buchstaben Chef! „Wenn Sie Jesus als Ihren Herrn bekennen, bedeutet das für Sie persönlich, dass er Ihr Chef ist.” Dann wende ich mich an jedes einzelne Familienmitglied und frage: „Hast du Jesus als deinen Chef angenommen?” Wenn sie alle bestätigt haben, dass Jesus der Chef über ihr Leben 235 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst ist, sage ich ernsthaft und begeistert zu ihnen: „Was ihr gerade bekannt habt, ist eine großartige Nachricht in Bezug darauf, wie ihr eure Probleme lösen könnt, die euch in die Seelsorge geführt haben. Wenn ihr alle denselben Chef habt und tun wollt, was er von euch erwartet, können wir damit rechnen, dass wir die Situation klären können. Er wird ja keine widersprüchlichen Aufträge erteilen, indem er einem etwas aufträgt, was in direktem Widerspruch zu dem Auf trag eines anderen steht. Da ihr im Moment Auseinandersetzungen habt, können wir davon ausgehen, dass mindestens einer von euch die Anweisungen eures Chefs missachtet. Wenn ihr eure Konflikte lösen wollt, müsst ihr nicht auf eure eigenen Wünsche achten, sondern darauf, was Christus sich für eure Beziehung wünscht. Also, was denkt ihr, was erwartet Christus wohl von euch, das ihr gegen eure Schwierigkeiten unternehmen sollt?” Ein armer, ungebildeter Mann bekehrte sich, als er in einer Mis sionsstation einer großen Stadt das Evangelium hörte. Danach nahm er regelmäßig an den Bibelstunden dort teil. Eines Abends trugen alle anderen einen Pullover mit einer Aufschrift vorne. Nach der Veranstaltung ging er nach Hause und sagte zu seiner Frau: „Ich hätte wirklich gerne einen Pullover mit Worten darauf.” Seine Frau erklärte sich bereit, ihm einen zu stricken, aber sie konnte auch nicht lesen. Schließlich beschloss sie, die Worte zu übernehmen, die am Fenster des gegenüberliegenden Restaurants standen. Als der Pullover fertig war, zog der Mann ihn an und ging stolz zur Bibelstunde. Bei der Versammlung äußerten sich alle positiv über die Aussage auf dem Pullover. Die Worte beschrieben perfekt, was passiert, wenn ein Mensch ein Christ wird. Auf dem Pullover stand: „UNTER NEUER LEITUNG.” Das ist ein Christ – jemand, der einen neuen Vorgesetzten hat. Ein Christ ist jemand, der Christus nicht nur als Herrn des Uni versums, sondern als Herrn seines Lebens bekennt, und der sich den Anweisungen dieser Leitung im täglichen Leben beugt. Wenn jeder einzelne in der Familie Jesus als seinen Chef anerkannt hat, wird sein Wille, der in der Heiligen Schrift offenbart wurde, zur gemeinsamen Richtschnur, nach der alle Entscheidungen getroffen 236 Kapitel 13 Jede Familie braucht einen Friedensstifter und alle Meinungsverschiedenheiten geklärt werden. In solchen Familien sind sich die Mitglieder vielleicht nicht immer einig, was bestimmte Bibelstellen bedeuten oder wie sie sich auf sie beziehen. Aber sie sind sich einig, dass die Bibel – nicht ihre eigenen Wünsche und Meinungen – die höchste Autorität ist. Wenn es also zu Meinungsverschiedenheiten darüber kommt, was die Bibel meint, werden sie sich dem Chef unterordnen und erwarten, dass er ihnen hilft, seinen Willen zu erkennen. In solchen Familien ist Christus der Friedensstifter, dessen Richtlinien eine solide Grundlage bilden, um Streit in der Familie zu vermeiden und zu schlichten. Einheit durch gleichen Lebensinhalt In Familien, wo die Herrschaft und Gegenwart Christi Realität sind, ist er der Friedensstifter, der den gemeinsamen Lebensinhalt darstellt. Die Gegenwart der Liebe Christi wird zu einer treiben den Macht, die die Menschen über ihre eigenen Interessen hinaus wachsen lässt, um für ihn und seine Ziele zu leben (2.Kor. 5,14+15). Wenn die Liebe Christi – die er in seinem Leben und Sterben, in seiner Auferstehung und Herrschaft bewiesen hat – eine geschätzte, bindende Realität in unserem Leben wird, verlieren viele Meinungs verschiedenheiten an Bedeutung. Wir sind zu sehr mit einer viel größeren und wichtigeren Sache beschäftigt, als dass wir uns über unseren eigenen kleinen Sorgen streiten könnten. Unsere Herzen sind gebrochen und von der Liebe Christi erfüllt. Wir reagieren darauf mit den Worten Johannes‘ des Täufers: „Er muss wachsen, ich aber muss abnehmen.” (Joh. 3,30) Wenn Christus für uns real ist, sehen wir ihn als unseren größten Besitz, wie Paulus in Philipper 3,8: „ich achte alles für Schaden gegenüber der alles übertreffenden Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe; und ich achte es für Dreck, damit ich Christus gewinne.” Wenn wir wirklich eins sind mit Jesus, ist es unser Herzenswunsch zu sehen, wie er verherrlicht wird. Ruhm für uns selbst zu ernten oder unseren Willen durchzusetzen, verliert seinen Reiz. Es wird unser größtes Anliegen, als erstes nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit zu trachten. Es ist erstaunlich, wie schnell sich unsere Perspektive im 237 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Hinblick darauf ändert, wie wichtig bzw. unwichtig einige unserer Verschiedenheiten wirklich sind, wenn wir erkennen, dass wir als Gläubige an einer viel größeren Sache teilhaben dürfen. Christus bringt uns näher zusammen, wenn wir uns für Dinge einsetzen, die wichtiger sind, als die Nebensächlichkeiten, über die wir unter schiedlicher Meinung sind. Einheit durch gleiche Befähigung Christus wirkt als Friedensstifter, den jede Familie braucht, indem er das Leben jedes Einzelnen mit Zufriedenheit, Kraft und Sicherheit erfüllt. Manche Probleme in der Familie stammen daher, dass wir von unseren Beziehungen untereinander etwas erwarten, was uns nur Gott geben kann. Wir erwarten von anderen in unserer Familie, dass sie für unsere Sicherheit, Erfüllung, Bestätigung und Zufriedenheit sorgen. Genau dasselbe warf Gott den religiösen Menschen zur Zeit Jeremias vor. „Denn mein Volk hat eine zweifache Sünde begangen: Mich, die Quelle des lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um sich Zisternen zu graben, löchrige Zisternen, die kein Wasser halten!” (Jer. 2,13) Wenn wir von Familienangehörigen erwarten, für unsere Zufriedenheit und Sicherheit zu sorgen, verlassen wir die Quelle des lebendigen Wassers und graben löchrige Zisternen, die kein Wasser halten. Paulus meint genau das, wenn er die Kolosser in Kapitel 2 Vers 10 daran erinnert, dass wir in Christus zur Fülle gebracht worden sind. Objektiv betrachtet stehen wir vor Gott und haben alles, was wir brauchen, weil wir mit Christus vereint sind. Gott hat uns gerecht gesprochen und sieht uns als fehlerlos an. Die vollkommene Gerechtigkeit Christi ist uns angerechnet worden. Weil wir mit ihm vereint sind, benötigen wir keine andere Gerechtigkeit, um vor Gott bestehen zu können. Unsere Vollkommenheit in Christus geht aber noch weiter als dieser objektive Aspekt. Christus ist gekommen, um uns auch auf subjektive Art vollkommen zu machen. Er will unseren Zustand und unsere Stellung verbessern. „Ich bin gekommen,” sagte Jesus, „damit sie das Leben haben und es im Überfluss haben.” (Joh. 10,10) „Wenn jemand dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich 238 Kapitel 13 Jede Familie braucht einen Friedensstifter glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus seinem Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.” (Joh. 7,37-38) Wenn wir in einer engen, lebendigen Beziehung zu Christus stehen, erfahren wir eine subjektive Vollkommenheit. Gott schenkt uns eine innere Kraft, sodass wir mit Paulus sagen können: „ich habe nämlich gelernt, mit der Lage zufrieden zu sein, in der ich mich befinde.” (Phil. 4,11) Zu Hause wird man schnell streitsüchtig und emotional, wenn man sich bedroht fühlt. Der Hintergrund für sündige Reaktionen ist ein Gefühl der Leere und Unsicherheit, das man zu überwinden versucht, indem man Bestätigung bei anderen Menschen sucht. Man legt Meinungsverschiedenheiten als Missbilligung aus. In dem Versuch, selbsterdachte Mängel zu beheben, überreagiert man auf Meinungsverschiedenheiten und versucht, andere von der eigenen Sichtweise zu überzeugen, um sich wieder sicher zu fühlen. Wenn die anderen einem dann zustimmen, fühlt man sich gut, weil man sein Selbstwertgefühl von der Bestätigung durch andere Menschen abhängig macht. Solche Menschen haben vergessen, dass sie in Christus bereits vollkommen (ausreichend, zulänglich) sind. Wer ein enges Ver hältnis zu Christus hat, braucht andere nicht zu dominieren. Er braucht anderen seine eigene Meinung nicht aufzuzwingen, um sein Selbstwertgefühl zu steigern. Er ist durch Christus vervollständigt, erfüllt und vollkommen, selbst wenn keiner in der Familie seine Sichtweise teilt. Unser Wert und unsere Zufriedenheit hängen nicht von den Menschen um uns herum ab. Sie werden uns genauso beigemessen wie unsere Gerechtigkeit. Wir erhalten unseren Wert durch unsere Be ziehung zu Christus als Geschenk. Weil wir mit ihm vereint sind, wurde uns auch der Heilige Geist geschenkt, der in uns wohnt und uns Jesus Christus ähnlicher macht und uns die Kraft gibt, den Auftrag Gottes für unser Leben zu erfüllen, ungeachtet der Meinung, die andere von uns haben mögen. Die Bestätigung, Zustimmung und Wertschätzung durch die Familie ist schön, sogar wünschenswert. Aber sie ist keine Notwendigkeit, weil wir in Jesus Christus alles haben, was wir zum Leben brauchen. 239 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Eine Familie, die einen Friedensstifter brauchte Was sich in der Familie von Ken und Dorothy Martin abspielte, ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Christus als Friedensstifter auftritt. Ken und Dorothy waren etwa achtundzwanzig Jahre alt, als sie mit dem brennenden Wunsch in die Mission gingen, um in einer primitiven Gesellschaft für Christus zu wirken. Als sie dort ankamen, bemühten sie sich sehr, die Sprache zu lernen und sich der Kultur anzupassen. Schließlich wurden sie einem erfahrenen Missionars-Ehepaar zugewiesen, um missionarische Pionierarbeit zu leisten. Ken und Dorothy bezogen ihren Posten mit großer Freude – sie taten das, wonach ihre Herzen sich sehnten. Es kam vor, dass einer sich über den anderen oder über die Kinder ärgerte. Ken tat oder sagte etwas, das Dorothy nicht gefiel, Dorothy verärgerte Ken oder die Kinder waren ungezogen. Das führte zu einer Diskussion, woraus ein Streit entstand. Ken wurde ausfällig und Dorothy oder die Kinder fühlten sich sehr verletzt und zogen sich schweigend zurück. Ken zwang Dorothy, seine Sichtweise zu übernehmen, und seine Kinder, ihm zu gehorchen. Dorothy brach in Tränen aus und gab friedenshalber nach, obwohl sie oft nicht wirklich einverstanden war. Dann wurde das Thema unter den Teppich gekehrt – sie „küssten und versöhnten sich”, beteten und beschlossen, sich nie wieder so zu verhalten. Aber es kam zwangsläufig etwas Anderes auf und sie verfielen wieder in das gleiche Verhaltensmuster. Die Häufigkeit und Intensität dieser Konflikte nahm zu. Dem anderen Missionars-Ehepaar und schließlich auch dem Missionsleiter wurde klar, dass die Martins ernsthafte Familienprobleme hatten. Versuche, ihnen auf dem Missionsfeld zu helfen, scheiterten. Sie wurden zurück nach Amerika geschickt, um Seelsorge in Anspruch zu nehmen. Ken und Dorothy kannten die Bibel gut und nahmen ihren christ lichen Glauben ernst. Ihnen war klar, was sie tun und lassen sollten. Aber ihnen fehlte einfach die Kraft, um das Richtige zu tun. Beide waren entmutigt, verwirrt, verärgert und beschämt. Sie brauchten Jesus Christus dringend als Friedensstifter, um die Harmonie in ihrer Familie wiederherzustellen. 240 Kapitel 13 Jede Familie braucht einen Friedensstifter Während unserer Beratungsstunden untersuchten wir viele Bereiche ihres Lebens und ihrer Beziehung. Wir stellten fest, wo die Konf likte lagen und versuchten zu verstehen, wie sie sich entwickelt hatten. Mir wurde deutlich, dass Ken und Dorothy Jesus Christus aus dem Mittelpunkt ihres Lebens und ihrer Beziehung verdrängt hatten. Ich war davon überzeugt, dass ihre Probleme nicht nur ein Beweis dafür waren, dass ihre Beziehung zueinander zerbrochen war, sondern auch dafür, dass ihr Verhältnis zu Christus beeinträchtigt war. Sie waren so sehr mit ihren Problemen und Aufgaben beschäftigt, dass Christus aus dem Zentrum gedrängt worden war. Ich wusste, dass sie diese Schwierigkeiten nicht selbstständig würden überwinden können. Sie hatten es schon oft versucht und dabei versagt. Sie brauchten Hilfe, um eine tiefere Beziehung zu Jesus aufzubauen, der ihnen Richtlinien, Lebensinhalt, Zufriedenheit und Befähigung schenken würde, die sie vereinen könnten. Im Verlauf unserer Sitzungen gab ich ihnen verschiedene Aufgaben, die ihnen helfen sollten, eine lebendigere Beziehung zu Christus aufzubauen. Nach Aussage von Dorothy und Ken war die hilfreichste Aufgabe, dass sie Bibelstellen über ihre Einheit mit Christus studieren sollten. Ich gab ihnen eine Liste mit solchen Bibelstellen und bat sie zu beachten, was diese für ihre Beziehung zu Gott und zu Mitgliedern ihrer Familie bedeuteten. Die meisten Verse kannten sie sehr gut, aber als sie sie erst aus dem Blickwinkel betrachteten, den ich ihnen vorgeschlagen hatte, gewannen sie an Bedeutsamkeit für sie. Ken äußerte sich über einige Abschnitte in Römer 5 und 6 in Bezug auf seine Beziehung zu Gott so: Diese Verse sagen aus, dass ich mir über Gottes Zorn und Gericht keine Sorgen mehr zu machen brauche. Gott lastet mir meine Vergehen aus der Vergangenheit nicht länger an. Er vergibt mir voll und ganz und nimmt mich in Jesus Christus an. Ich muss für meine Sünden nicht selber büßen; Gott bestraft mich nicht für meine Fehler. Er schimpft nicht mit mir und hält mich nicht auf Abstand. Meine Stellung vor Gott gründet sich immer auf seine Gnade, die ich durch Christus erfahren habe, nicht auf meine eigenen guten Werke oder meine völlige Übereinstimmung mit ihm. Das Recht, vor 241 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Gott zu treten, habe ich nur durch meine Einheit mit Christus, nicht durch meinen eigenen Verdienst. In Christus habe ich die selige Hoffnung auf die vollkommene, ewige Errettung und ich kann und sollte der Freude, die aus dieser Zuversicht erwächst, in meinem Leben Raum geben. Meine Zukunft ist herrlich. Durch Christus habe ich einen Grund, mich über Schwierigkeiten zu freuen. Der Gott, der mich voll und ganz akzeptiert hat, wird jede Versuchung, die auf mich zukommt, dazu nutzen, um in meinem Leben etwas Gutes zu bewirken. Ken bezog dieselben Bibelstellen weiterhin auch auf seine Beziehung zu seiner Familie: Ich sollte mich nicht mit früheren Vergehen und Fehlern meiner Familie aufhalten. Ich sollte ihnen voll und ganz vergeben, weil sie in Christus sind, und weil Gott mir und ihnen vergeben hat. Ich sollte meine Frau und Kinder nicht so behandeln, wie es mir gerecht erscheint, sondern ihnen vielmehr meine Liebe und Aufmerksamkeit und mein Verständnis entgegenbringen. Da Dorothy und ich dieselbe Zuversicht und Freude teilen, sollte sich das in unserer Beziehung auswirken; denn wir freuen uns über dieselbe Errettung. Ich sollte auf Prüfungen, denen ich durch meine Familie begegne, mit Freude und Hoffnung reagieren, weil Gott sie nutzen wird, um mich seinem Sohn ähnlicher zu machen. Meine Hoffnung auf die Herrlichkeit ist gewiss. Nichts, was meine Familie tut, kann sie mir nehmen. Durch Christus muss und kann ich ein fröhlicherer Mensch sein. Meine Freude hängt nicht davon ab, ob meine Familie reibungslos funktioniert oder immer mit meiner Meinung einverstanden ist. Dies ist ein Lebensprinzip, das ich in den letzten Jahren vergessen hatte anzuwenden. Und das war ohne Zweifel der Grund für unsere Eheprobleme. In den vergangenen Wochen habe ich mich dessen mehrfach schuldig gemacht. Ich brauche die Gnade Gottes, um wieder von vorne beginnen zu können, um für sündige, egoistische Wünsche und Ansprüche zu 242 Kapitel 13 Jede Familie braucht einen Friedensstifter sterben und durch die Auferstehungskraft Christi ein neues Leben zu führen. Im weiteren Verlauf unserer Sitzungen ließen der Frust und die Wut der Martins immer mehr nach. Ihre innere Haltung und ihr Benehmen Gott und einander gegenüber veränderte sich gewaltig. Dinge, über die sie sich früher geärgert hatten, schienen nicht mehr so wichtig zu sein. Sie entwickelten neuen Respekt füreinander. Die Kommunikationsleitungen öffneten sich wieder, Mauern fielen ein und alte Konflikte wurden aufgearbeitet und gelöst. Einige Monate, nachdem sie die Seelsorge abgeschlossen hatten, und da ihre Beziehung sich offensichtlich weiter verbesserte, erlaubte ihnen die Missionsgesellschaft, auf das Missionsfeld zurückzukehren. Was war der Hauptfaktor, der diesen Leuten half, ihre langjähri gen, bitteren Konflikte zu lösen? Diese Frage stellte ich Ken und Dorothy zum Abschluss unserer Beratungsstunden. Ihre Antwort war: Jesus Christus wieder in das Zentrum ihres Lebens zu stellen und ihre Beziehung zu ihm neu aufleben zu lassen. Während der Sitzungen rief Christus sie zurück zu sich. Jetzt konzentrierten sie sich wieder darauf, ihn kennen zu lernen und ihn bekannt zu machen. Dadurch konnte Christus die Mauer der Feindseligkeit niederreißen, die sich zwischen sie geschoben hatte. Was ich hier schreibe, klingt für manche vielleicht allzu einfach. Vielleicht scheint es zu oberflächlich, zu abstrakt, zu geheimnisvoll. Ich versichere dir, das ist es nicht. Hunderte von Menschen wie Ken und Dorothy sind ein Beweis dafür, dass dies durchaus machbar ist. Wenn du Konflikte in deiner Familie lösen willst, lass nicht zu, dass du durch den Streit von Christus abgelenkt wirst. Konzentriere dich vielmehr darauf, den Herrn besser kennen zu lernen, ihm zu dienen und zu gefallen. Suche bei ihm Sicherheit und sei dir dessen bewusst, dass du in Jesus Christus vollkommen und ausreichend bist. Erkenne seine Autorität an. Denke über seine große Liebe für dich nach und akzeptiere die Tatsache, dass deine Vollkommenheit in ihm begründet ist (vgl. Kol. 2,10). Es gibt absolut nichts, das praktischer wäre! 243 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Antworten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Beschreibe deine Reaktion auf den Inhalt dieses Kapitels. a) Warst du mit den Ausführungen einverstanden? b) Gab es etwas, das auf dich besonders ermutigend oder ent mutigend wirkte? c) Erkläre, wie du den Inhalt auf dein eigenes Leben anwenden kannst, oder dazu, anderen zu helfen. 2. In diesem Kapitel wurde darauf hingewiesen, dass die Ein heit, die Christen untereinander haben, die Grundlage für unsere Einheit miteinander bildet. Stimmst du dem zu, dass diese Einheit eine feste Grundlage zur Konfliktlösung bie tet? Warum bzw. warum nicht? Belege deine Antwort mit Bibelstellen. 3. Wenn unsere Einheit mit Christus eine feste Grundlage für Frieden in der Familie schafft, warum führen Meinungs verschiedenheiten zu Streit und warum eskaliert der Streit? 4. Ich habe in diesem Kapitel erwähnt, dass manche Konflikte deswegen entstehen und ungelöst bleiben, weil Menschen sich unsicher, machtlos und unzulänglich fühlen. Erkläre, wie solche Selbsteinschätzungen und Empfindungen Konflikte fördern und deren Lösung behindern. 5. Welchen Rat gibt Paulus in Philipper 4,2-3 zur Lösung von Konflikten? 6. In diesem Kapitel wurden drei Möglichkeiten genannt, wie Christus als Friedensstifter in Familien auftritt. Welche sind es? 244 Kapitel 13 Jede Familie braucht einen Friedensstifter 7. Was bedeutet es laut Aussage dieses Kapitels, Jesus als Herrn zu bekennen? 8. Fallen dir Beispiele ein, wo Menschen mit starken Meinungs verschiedenheiten durch eine größere Sache zusammen ge bracht wurden? 9. Wie beziehen sich die folgenden Verse auf die Lösung von Konflikten? a) Kolosser 2,10 b) Philipper 4,10-13 c) Jeremia 2,13 d) Psalm 27,1 10.Analysiere die folgenden Bibelstellen und beachte die Worte, die auf die Möglichkeit hinweisen, eine persönliche (im Ge gen satz zu einer gleichgültigen) Beziehung zu Gott zu haben. a) Psalm 27,1-10 b) Philipper 3,8-10 c) Epheser 3,16-19 d) 1. Johannes 1,3 e) Johannes 15,1-16 f) Römer 8,15 g) Epheser 2,13-22 h) Hebräer 2,11 i) Hebräer 13,5+6 j) Jesaja 41,10 k) Psaln 23,1-6 l) Matthäus 5,8 m) 2.Timotheus 4,17 n) Johannes 17,3 o) 2. Timotheus 1,12 11. Was bedeutet es, eine „persönliche Beziehung zu Christus” zu haben? Welche Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten bestehen 245 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst zwischen einer persönlichen Beziehung zu einem anderen Menschen und zu Gott? Analysiere die folgenden Verse und beachte, was sie über wahre Freundschaft aussagen, d.h., was sie über enge persönliche Beziehungen aussagen. a) Psalm 35,13+14 b) Sprüche 17,17 c) Sprüche 18,24 d) Sprüche 22,24+25 e) Sprüche 27,6 f) Sprüche 27,9 g) Sprüche 27,10 h) Sprüche 27,17 i) Prediger 4,9-12 j) 1. Mose 5,22 k) Johannes 15,13+15 l) Hiob 42,10 m) Hohelied 2,16 n) Jakobus 2,23 o) Matthäus 11,28-30 p) Hebräer 2,10+11 12. Welche Einschränkung bzw. Befähigung ergibt sich durch die Tatsache, dass wir noch nicht im Himmel sind, für unsere Beziehung zu Gott? Was können wir von unserem Verstand und von der Bibel her für unsere Beziehung zu Gott in dieser Welt erwarten? Wird unsere Beziehung zu Gott im Himmel anders sein als jetzt? Inwiefern? Warum ist es wichtig, das zu wissen? Erkläre die Bedeutung der folgenden Verse: a) Psalm 16,11 b) Psalm 17,15 c) Psalm 63,1-8 d) 1. Korinther 13,12 e) 2. Korinther 5,7+8 f) Epheser 1,13+14 g) Philipper 1,21-23 h) Philipper 3,10 246 Kapitel 13 Jede Familie braucht einen Friedensstifter 13.Wie kann man eine enge persönliche Beziehung zu Christus entwickeln? Wodurch wird sie behindert? Denke darüber nach, wie sich eine enge persönliche Beziehung zu einer anderen Person entwickelt. Wodurch wird sie gefördert? Was hemmt ihre Entwicklung? Denke besonders an Bibelstellen, die einen Hinweis darauf geben, wie man Christus besser kennen lernen kann. Hier sind einige Beispiele: a) Johannes 5,39 b) Johannes 14,21+23 c) Johannes 15,1-16 d) Matthäus 5,8 e) Römer 8,15+16 f) 2. Korinther 4,6 g) 2. Korinther 6,16 h) Epheser 3,16-19 i) Kolosser 3,16 j) 1. Johannes 1,6 k) Offenbarung 3,20 l) Josua 1,8+9 m) Psalm 27,1-14 n) Psalm 46,11 o) Psalm 63,1+2 p) Jesaja 55,6+7 q) Jesaja 57,15 14. Bewerte auf einer Skala von 0–4, wie eng und lebendig deine eigene Beziehung zu Christus ist: 4___= fast immer lebendig und persönlich; 3___= oft eng, real und persönlich; 2___= ab und zu eng und persönlich; 1___= selten eng und persönlich; 0___= ich habe noch nie eine enge und persönliche Beziehung zu Gott gehabt. 247 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 15. Vervollständige diese Sätze: a) Meine persönliche Beziehung zu Christus wird behindert durch… b) Um eine enge persönliche Beziehung zu Gott zu entwickeln und zu pflegen, muss bzw. werde ich … 248 Kapitel 14 Harmonie statt Disharmonie Ein kleines Mädchen kam nach dem Spielen mit ihren Freunden nach Hause; sie ließ den Kopf hängen und runzelte die Stirn. „Leute, Leute, Leute”, murmelte sie. „Was ist los, Liebling?”, fragte ihre Mutter. Aber das kleine Mädchen ignorierte sie, ging in ihr Zimmer und schloss die Tür. Als ihr Vater an die Tür klopfte und fragte: „Darf ich reinkommen?”, antwortete das kleine Mädchen: „Geh weg! Ich will dich nicht sehen – du bist auch ein ‚Leute‘.” Sie musste in ihrem zarten Alter schon lernen, dass der Umgang mit anderen Menschen nicht immer angenehm oder einfach ist. Zwischenmenschliche Beziehungen können ein sehr erfüllender Teil des Lebens sein. Die Bibel bestätigt: „Siehe, wie fein und wie lieblich ist’s, wenn Brüder in Eintracht beisammen sind.” (Psalm 133,1) Leider wissen wir alle aus eigener Erfahrung, dass diese Münze eine Kehrseite hat. Probleme in Beziehungen sind wahr scheinlich der Hauptgrund für das Vergießen von Tränen. Man trifft selten Leute, deren größte Herausforderung nicht ihr Verhältnis zu ihren Mitmenschen ist. Es gibt wohl kaum etwas Unangenehmeres als Streit und Feind seligkeit in der Familie. Der Prophet Maleachi beschreibt Menschen, die wegen ihrer Eheprobleme weinen und jammern (Mal. 2,13-16). Auch in dem Buch der Sprüche werden wir auf den Schmerz und die Trauer aufmerksam gemacht, die auf problematische Familien beziehungen zurückzuführen sind. Manchmal sind es die Kinder, die ihren Eltern unerträgliche Sorgen machen. Manchmal sind es die Eltern, die für das Elend ihrer Kinder verantwortlich sind. Und Eheleute können ihren Partner so unglücklich machen, dass er in die 249 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Wildnis davonlaufen möchte (Spr. 10,1; 17,21+25; 19,26; 20,7+20; 21,9+19). Nichts kann unseren Wandel mit Gott und unseren Dienst so stark beeinflussen wie unser Verhältnis zu Familienangehörigen. In seinem zeitlosen Abschnitt über gottgefällige Ehen betont Petrus, wie wichtig es für Gott ist, dass wir seine Anweisungen befolgen. Petrus sagt zu den Ehefrauen sinngemäß: „Wenn ihr solche Ehefrauen sein werdet, wie ich sie beschrieben habe, werdet ihr nicht nur einen starken Einfluss auf eure Ehemänner haben; es wird auch in den Augen Gottes wertvoll sein.” (1.Petr. 3,1+4) Und zu Ehemännern: „Ehemänner zu sein, wie ich sie beschrieben habe, ist nicht nur wichtig für eure Ehen; es ist auch für Gott wichtig. Wenn ihr eure Ehefrauen nicht so behandelt, wie Gott es von euch erwartet, schränkt ihr dadurch die Macht eurer Gebete ein.” (V. 7) Denselben Zusammenhang unterstreicht auch Paulus in Kolos ser 3. Zu Beginn des Kapitels gibt er allgemeine Anweisungen, wie Christen leben sollen. Vers 17 schließt diesen Abschnitt mit einer allgemeinen Ermahnung ab: „Alles was ihr tut”, schreibt Pau lus sinngemäß, „sollt ihr unter der Autorität Christi tun, als seine Stellvertreter, mit seiner Zustimmung und zu seiner Ehre.” Ab Vers 18 beschreibt Paulus im Einzelnen, was es bedeutet, ein solches Leben zu führen. Bezeichnenderweise eröffnet er diesen Abschnitt mit einer Beschreibung, wie Christus sich den zwischenmensch lichen Umgang in den Familien wünscht. Der Kern seiner Aussage ist: „Wenn ihr alles im Namen Christi tun wollt, umfasst das auch die Art, wie ihr als Ehemänner und Ehefrauen, Eltern und Kinder miteinander umgeht. Ihr werdet gute Vertreter Christi sein, wenn eure Familie so funktioniert, wie Gott es gewollt hat.” Deshalb ist es nicht uns selbst überlassen, ob wir lernen wollen, die unver meid lichen Meinungsverschiedenheiten richtig zu hand haben. Es besteht vielmehr eine zwingende Notwendigkeit darin, wenn wir unsere Familien so gestalten wollen, wie Gott sie sich gedacht hat. Erfreulicherweise hat Gott uns praktische Richtlinien gegeben, wie wir in unserer Familie Disharmonie in Harmonie verwandeln können. 250 Kapitel 14 Harmonie statt Disharmonie Biblische Richtlinien für Harmonie in der Familie Meiner Einschätzung nach ist Epheser 4,1-3 eine der wichtigsten Bibelstellen zum Thema Konfliktlösung. Wenn ich sie im Hinblick auf Familienkonflikte betrachte, die ich selbst erfahren und beobachtet habe, staune ich immer wieder darüber, wie tiefgründig, umfassend und praktikabel diese Worte sind. Paulus schreibt hier: ”So ermahne ich euch nun, ich, der Gebundene im Herrn, dass ihr der Berufung würdig wandelt, zu der ihr berufen worden seid, indem ihr mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut einander in Liebe ertragt und eifrig bemüht seid, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens.” (Eph. 4,1-3) R.T. Archibald stellte fest: „Friedensstifter… tragen eine Atmo sphäre mit sich herum, in der Streitigkeiten eines natürlichen Todes sterben.”8 In Gegenwart bestimmter Leute kommt es unweigerlich zu Streit. In Gegenwart anderer werden Spannungen abgeschwächt. Welche Eigenschaften charakterisieren solche Menschen, in deren Gegenwart Konflikte einen natürlichen Tod erleiden? Sie weisen fünf Eigenschaften auf, die Paulus in Epheser 4,1-3 erwähnt. Es sind 1. Fleiß, 2. Demut, 3. Sanftmut, 4. Geduld und 5. Langmut. Eigenschaften eines Friedensstifters Fleiß Als Mary und Dirk in die Seelsorge kamen, hatte Dirk völlig gegen sätzliche Haltungen zu zwei Bereichen seines Lebens. Er war ein sehr erfolgreicher Arzt mit einer großen Familienpraxis. Um das zu erreichen, hatte er viele Jahre studiert und lange als Praktikant und Assistenzarzt gearbeitet. Schließlich waren Dirk und Mary in eine Gegend gezogen, wo Ärzte gebraucht wurden, und er hatte seine eigene Familienpraxis eröffnet. In seinem Beruf scheute Dirk keine Mühe. Er arbeitete lange und hart und erwarb bald einen guten Ruf. Durch seine Fachkompetenz und seine Bereitschaft, alles zu tun, um seinen Patienten zu helfen, wuchs seine Arztpraxis. Das bedeutete natürlich Arbeit für ihn, aber 8 Derek Kidner, The Proverbs (Downers Grove, Ill.: InterVarsity Press, 1972, S. 115) 251 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Dirk machte das nichts aus. Er schien dadurch sogar aufzublühen. Sechzig bis siebzig Stunden in der Woche zu arbeiten, war kein Problem. Eine große Praxis aufzubauen, war jede Mühe wert. Leider war seine Haltung zu seinem Ehe- und Familienleben eine ganz andere. Zu Hause erwartete er, wie ein König behandelt zu werden. Seine Frau hatte ihm auf Abruf zur Verfügung zu stehen und ihre Termine um seine Bedürfnisse herum zu planen. Dirk durfte mit häuslichen Angelegenheiten nicht behelligt werden. Er machte sich kaum Mühe, ihre Beziehung durch gemeinsame Aktivitäten oder erbauliche Unterhaltungen zu vertiefen. Wenn Mary versuchte, mit ihm über wichtige Familienangelegenheiten zu reden, beschuldigte Dirk sie, unvernünftig zu sein, und zog sich in eisernes Schweigen zurück. Aber in seinen Augen war er der ideale Ehemann. Nach fünfzehn Jahren beschloss Dirk, dass er nicht länger mit Mary verheiratet sein wollte. „Nein”, sagte er, „ich habe mich nicht in jemand anderen verliebt. Ich will einfach nicht mehr mit Mary verheiratet sein. Sie erwartet zu viel und sie wird sich nie ändern. Ich will diesen Druck loswerden. Mir wird es ohne sie viel besser gehen und unserem Sohn auch.” In der Beratung sagte Dirk: „Die Ehe ist ganz anders als ich erwartet hatte. Wir haben zu viele Probleme. Mary und ich sind einfach zu verschieden. Wenn ich gewusst hätte, dass die Ehe so aussehen würde, hätte ich nie geheiratet.” Als ich ihn darauf aufmerksam machte, dass an einer Ehe gearbeitet werden muss, erwiderte Dirk: „Wenn man hart daran arbeiten muss, ist sie es nicht wert.” So wie Dirk gibt es viele Menschen, die für ihren gewählten Beruf alles daransetzen, um voranzukommen, sich aber weigern, zu Hause dieselbe Mühe zu investieren. Wenn es um ihr Familienleben geht, sind sie faul und erwarten, dass sich gute innerfamiliäre Beziehungen von alleine entwickeln. Sie haben die märchenhafte Vorstellung, dass eine gottgefällige Familie durch Magie oder Zufall entsteht und keine Anstrengung erfordert. Dadurch entsteht ein Irrgarten ungelöster Konflikte, der die Familie schließlich auseinander reißt. Nach Aussage von Paulus erfordert es Fleiß und Engagement, um den Frieden in der Familie und außerhalb zu erhalten (Eph. 4,3). Du darfst keine Mühen scheuen und musst dein Äußerstes geben. 252 Kapitel 14 Harmonie statt Disharmonie Demut Die Worte „mit aller Demut” in Epheser 4,2 deuten auf eine zweite Eigenschaft eines Friedensstifters hin. An vielen Stellen der Bibel wird Gottes Haltung zur Demut und deren Gegenteil – Stolz – her vorgehoben. Jesaja sagt uns, dass Gott auf besondere Weise bei denen wohnt, die einen zerschlagenen und demütigen Geist haben (Jes. 57,15). Zwei Verse im Neuen Testament betonen: „Gott widersteht den Hochmütigen; den Demütigen aber gibt er Gnade.” (1.Petr. 5,5; Jak. 4,6) Bei mehreren Gelegenheiten verkündete Jesus Christus: „Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.” (Lukas 18,14; 14,11; Matt. 23,12) Die Sprüche enthalten zahlreiche Warnungen für stolze Men schen und Versprechen für demütige Menschen: „Alle stolzen Herzen sind dem Herrn ein Gräuel, die Hand darauf – sie bleiben nicht ungestraft!“ (Spr. 16,5) „Die Furcht des Herrn ist die Schule der Weisheit, und der Ehre geht Demut voraus.“ (Spr. 15,33) „Der Hochmut des Menschen erniedrigt ihn, aber ein Demütiger erlangt Ehre.“ (Spr. 29,23) Wenn man diese Bibelstellen liest, bleibt kein Zweifel, dass der Stolz unser Verhältnis zu Gott beeinträchtigt. Stolz wirkt sich auch auf unsere Beziehungen zu anderen Menschen störend aus. In den Sprüchen lesen wir: „Auf Übermut folgt Schande, bei den Demütigen aber ist Weisheit.” (Spr. 11,2) Stolze Menschen neigen dazu, Familienangehörige respektlos zu behandeln. Weil sie andere ständig runterputzen, passiert es leicht, dass man eine feindselige Haltung gegen sie einnimmt. Ein stolzer Mensch sucht den eigenen Ruhm, weil er denkt, dass er mit Weisheit erfüllt ist und ihn alle nach seiner Meinung fragen und diese sehr schätzen sollten. Den Sprüchen zufolge erlebt er stattdessen Schande. Es ist schwer, jemanden zu respektieren, der 253 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst eine sehr hohe Meinung von sich selbst hat. Wir neigen eher dazu, solchen Menschen zu widersprechen. „Durch Übermut entsteht nur Streit.” (Spr. 13,10) Wenn du also einen Konflikt mit jemandem in deiner Familie hast, prüfe, ob nicht Stolz eure Beziehung beein trächtigt. Die Demütigen nehmen die Warnung Christi ernst, andere nicht zu verurteilen (Matt. 7,1-5). Die Stolzen aber beschuldigen andere schnell und gehen bei jedem Streit davon aus, dass der andere völlig oder wenigstens teilweise falsch liegt. Der demütige Mensch erkennt den Balken in seinem eigenen Auge, so dass die Fehler anderer im Gegensatz dazu wie kleine Splitter wirken. Wenn es zu Auseinandersetzungen kommt, prüft er sich selbst: „Ich weiß, wie sündig ich bin. Ich sollte mich lieber zunächst selber prüfen. Nehme ich eine falsche Haltung ein? Habe ich ungesunde Worte gesprochen? Habe ich mich unchristlich verhalten? Habe ich etwas falsch gemacht?” Demut befähigt uns, die volle Verantwortung für unser Fehl verhalten zu übernehmen, ohne die Schuld auf andere zu schieben, sie wegzuargumentieren oder zu verschleiern. Der verlorene Sohn legte diese Demut an den Tag, als er zu seinem Vater zurückkehrte und sagte: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir, und ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen!” (Lukas 15,21) Er sagte zu seinem Vater nicht: „Es tut mir Leid, was ich tat, als du mir zu herrisch und gebieterisch wurdest. Ich hätte dich nicht so behandeln sollen, als du versuchtest, mich davon abzuhalten zu tun, was ich wollte.” Er versuchte nicht, sich zu rechtfertigen oder zu begründen, was er getan hatte. Er übernahm in Demut die volle Verantwortung für seine Haltung und seine Taten. Wenn es in der Familie zu Disharmonie kommt, können wir oft einen Fehler darin finden, was der andere gesagt oder getan hat. Vielleicht haben wir die Behandlung auch gar nicht verdient, die uns zuteil wurde. In so einem Fall sagt der Stolz: „Ich habe das Recht zu denken, zu tun und zu sagen, was ich will, weil der andere den Streit angefangen hat.” Die Demut aber bewegt uns dazu, etwas anderes zu sagen, nämlich: „Ein Unrecht hebt das andere nicht auf. Zwei Mal Unrecht ist und bleibt zwei Mal Unrecht. Ich kann sündiges 254 Kapitel 14 Harmonie statt Disharmonie Verhalten nicht entschuldigen oder jemand anderem zuschreiben. Ich bin für mein Benehmen selbst verantwortlich, ganz gleich, was andere mir antun.” Unsere Demut wird sichtbar, wenn wir andere um Vergebung bitten, nachdem wir sie falsch behandelt haben. Wenn ich Paare berate, höre ich oft den Vorwurf: „Er (oder sie) bittet niemals um Vergebung.” Ein Ehemann sagte, er hatte diese Worte in zwanzig Jahren kein einziges Mal von seiner Ehefrau gehört. „Stimmt das?”, fragte ich sie. Sie antwortete: „Man muss doch nur dann um Vergebung bitten, wenn man etwas falsch gemacht hat.” Stell dir das vor! Diese Frau konnte sich in zwanzig Jahren Ehe an kein einziges Vergehen ihrerseits erinnern! Bei so einer selbst gerechten Einstellung ist es nicht schwer zu verstehen, warum der Streit des Ehepaares eskaliert war. Mike kam in die Seelsorge, nachdem seine Frau mit einem ande ren Mann durchgebrannt war. Andere Leute hatten zu Mike gesagt: „Vergiss sie! Du bist ohne sie besser dran.” Aus irgendeinem Grund war Mike dazu noch nicht bereit. Er wollte sicher sein, dass er alles in seiner Macht Stehende getan hatte, um die Beziehung zu retten, und beschloss deshalb, Hilfe anzunehmen. Nachdem er sein Herz ausgeschüttet hatte und wir gemeinsam gebetet hatten, fragte er mich: „Was sollte ich deiner Meinung nach tun?” Ich sagte: „Mike, meine Meinung ist völlig unwichtig. Wenn du willst, kann ich dir sagen, was Gott meiner Meinung nach von dir erwartet. Willst du das?” Er war einverstanden. Ich hatte das Gefühl, dass er emotional bereit war, eine direkte Unterweisung anzunehmen, deshalb las ich ihm Matthäus 7,2-5 vor. „Mike”, sagte ich, „wenn andere uns verletzen, konzentrieren wir uns meistens auf ihr Vergehen und unseren Schmerz. Das scheint einfach die richtige Reaktion zu sein. Aber Christus lehrt uns in diesem Abschnitt etwas Anderes. Er sagt, wir sollen erst uns selbst überprüfen, was wir vielleicht falsch gemacht haben. Ich weiß, dass das zunächst unfair zu sein scheint, weil du deine Ehefrau nicht verlassen hast; du bist nicht mit einer anderen Frau weggelaufen; und trotzdem erwartet es unser weiser und liebender Herr von uns. Er sagt nicht, dass die Sünde deiner 255 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Ehefrau unbeachtet bleiben soll, sondern er sagt, du sollst zunächst auf deine eigenen Fehler sehen, bevor du an ihre denkst. Denkst du auch, dass Christus uns das hier sagen will?” Mike stimmte mir zu und ich fragte ihn: „Bist du bereit, die schwierige und schmerzliche Aufgabe anzugehen und zu prüfen, wo du als Ehemann und Vater vielleicht versagt hast?” „Ich will alles tun, was Christus von mir verlangt. Ich weiß, dass ich sie und meine Kinder und Gott in vielen Bereichen enttäuscht habe. In den vergangenen Jahren war mir meine Zahnarztpraxis oft wichtiger als meine Familie. Ich war egoistisch und rücksichtslos. Judy versuchte, mit mir über ihre Sorgen zu reden, aber ich sagte ihr, sie sollte zufrieden sein, weil ich immer noch ein besserer Ehemann und Vater war als viele andere. Ich bin schon viele Jahre Christ, aber ich habe mein geistliches Leben verkommen lassen. Zwischendurch machte ich kleine Änderungen, aber das hielt nicht lange, und ich fiel wieder in meine eingefahrenen Verhaltensweisen zurück.” Ich ließ Mike Zeit, seine eigenen „Balken” zu untersuchen und ermutigte ihn, seine Sünden vor Gott zu bekennen und die Ver gebung in Christus anzunehmen. Dann sagte ich ihm, dass ich ihn bitten würde, etwas zu tun, was ihm sehr schwer fallen würde, was eine große Menge an Demut erfordern würde. „Ich möchte, dass du deine Frau anrufst und ihr gegenüber zugibst, inwieweit du sie enttäuscht hast. Ich möchte, dass du sie um Verzeihung bittest und ihr sagst, dass du dich mit Gottes Hilfe ändern wirst. Du sollst sie nicht anpredigen oder ihr sagen, was für eine schlimme, verdorbene Sünderin sie ist. Konzentriere dich vielmehr darauf, den „Balken” aus deinem eigenen Auge zu entfernen. Ich weiß nicht, wie sie reagieren wird. Sie wird sich vielleicht weigern, dir zu vergeben und dir aus allem Vorwürfe machen, was du sagst. Sie wird vielleicht leugnen, überhaupt etwas falsch gemacht zu haben. Aber ich glaube trotzdem, dass Gott das von dir erwartet. Wirst du es tun?” Mike versprach, es zu tun, und als er ging, war er fest entschlossen, sich zu bessern. Er kontaktierte seine Frau, bekannte seine Sünden und bat sie um Vergebung. Judy staunte. Zuvor hatte er sich immer 256 Kapitel 14 Harmonie statt Disharmonie verteidigt und ihr die Schuld für alle Probleme in ihrer Ehe gegeben. Jetzt übernahm er die volle Verantwortung für seine Fehler. Gott gebrauchte Mikes Demut, um Judy zu entwaffnen und die Mauer des Widerstandes einzureißen, die sie errichtet hatte. Er tat Buße, dann tat sie Buße und kehrte zu ihrer Familie zurück. Gemeinsam kamen sie in die Seelsorge, um ihre Probleme aufzu arbeiten. Und gemeinsam arbeiteten sie daran, bis sie neue Wege für ihren Umgang miteinander fanden. Für Mike und Judy begannen sich die Dinge zu ändern, als er bereit war, sich zu demütigen und seine Sorgfaltspflicht in ihrer Ehe zu erfüllen. Sanftmut Der dritte Faktor im biblischen Friedensprogramm ist die oft ver nachlässigte und missverstandene Eigenschaft der Sanftmut (Eph. 4,2+3). In biblischen Zeiten wurde das griechische Wort, das hier als „Sanftmut” übersetzt wird, manchmal gebraucht, um zahme Tiere zu beschreiben. Bedenke, was das für die zwischenmenschlichen Beziehungen bedeutet. Ein Mensch, der keine Sanftmut besitzt, ist wie ein wildes Tier. Auf Beziehungen innerhalb der Familie übertragen ist der Standpunkt des Paulus über Sanftmut unmiss verständlich. Wenn verschiedene Parteien in der Familie sich gegen seitig beißen, zerreißen und verschlingen, zerbricht die Familie. Solch unzivilisiertes Verhalten führt zu Sorgen, Abwehrhaltung und Engstirnigkeit, wenn einzelne Familienmitglieder versuchen, sich vor Verletzungen zu schützen. In so einer Atmosphäre ist es sehr schwierig Konflikte zu lösen. Sich wie ein sanftes, zahmes Tier zu verhalten, bewirkt das genaue Gegenteil. Wenn Menschen wissen, dass wir sie nicht verletzen werden, geben sie ihre Abwehrhaltung auf. In einer freundlichen Atmosphäre ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass unsere Familie darauf hören wird, was wir sagen. Die Wahrscheinlichkeit schwin det, dass Meinungsverschiedenheiten in Gefühlsausbrüche ausarten, in denen jeder nur darum bemüht ist, sein Gesicht zu wahren. Machtkämpfe werden abgeschwächt und vernünftige Diskussionen können geführt werden, wenn man sich gegenseitig Respekt und Mitgefühl entgegenbringt. 257 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Paulus fordert uns auf, unserem Erlöser ähnlicher zu werden, der selbst die Sanftmut in Person war (2.Kor. 10,1). Jesus war „sanft mütig und von Herzen demütig” (Matt. 11,29). Er hatte nicht die Angewohnheit, mit anderen zu streiten, sie anzuschreien und anzu brüllen und sie zu blamieren. Er ignorierte ihre Schwächen und Schmerzen nicht, indem er seine höhere Intelligenz und Sprach gewandtheit ausnutzte und sie durch Argumente zur Unterordnung zwang. Nein, er nahm Rücksicht auf ihren Zustand und ihre Gefühle. Mit erstaunlicher Freundlichkeit und Sorgfalt sprach er ihnen Kraft und Mut zu (Matt. 12,18-21). Dieser Geist, den Jesus auf so wunderbare Art verkörperte, hatte eine erstaunliche Kraft, den Frieden zu erhalten. Ohne Sanftmut werden Meinungsverschiedenheiten zu ernsthaften Konflikten, die nur sehr schwer, falls überhaupt, gelöst werden können. Die Sanft mut hat aber eine starke spannungsmildernde Kraft, die Menschen näher zusammenbringt. Geduld „Wenn ich meine Geduld bewerte, erreiche ich nur null Punkte”, hörte ich vor kurzem einen Gemeindeleiter auf der Kanzel zugeben. Ich begrüßte die Aufrichtigkeit dieses Mannes, aber sein ungezwun genes Lachen, das darauf folgte, ließ mich annehmen, dass er diesen Mangel nicht sehr ernst nahm. Der Bibel zufolge ist die Geduld aber ein unerlässlicher christlicher Charakterzug. Der Apostel Paulus hält die Geduld für eine Grundvoraussetzung für die Einheit und den Frieden mit anderen (Eph. 4,2+3). Ein geduldiger Mensch wird nicht schnell ärgerlich oder ungehal ten und reagiert bei Meinungsverschiedenheiten nicht so schnell über. Seine ruhige Art wendet möglichen Streit ab (Spr. 15,18). Eine geduldige Person mildert Fehlverhalten mit Gelassenheit ab (Pred. 10,4). Sie lässt sich ihre Verärgerung nicht sofort anmerken, wenn sie angegriffen wird (Spr. 12,16; 19,11). Sie vergilt nicht Böses mit Bösem. In ihrer Verantwortung demjenigen gegenüber, der gerecht richtet, bemüht sie sich vielmehr so zu reagieren, wie es Gott gefallen und anderen helfen würde (1.Petr. 2,21-23; Spr. 15,1+28). Differenzen beizulegen geschieht nicht immer sofort; es braucht 258 Kapitel 14 Harmonie statt Disharmonie oft Zeit und kann unangenehm sein. Es gefällt uns nicht, wenn sich uns jemand widersetzt. Wir wollen sofort eine Übereinstimmung, und wenn das nicht geschieht, werden wir ungeduldig und weigern uns, das Thema weiter zu diskutieren. Wir vergessen, dass das Herstellen der Harmonie ein Vorgang ist, nicht ein augenblickliches Ereignis. Ungeduld führt dazu, dass Menschen zu kontraproduktiven Stra tegien greifen, um strittige Themen zu vermeiden. Stures Schweigen, Tränen, Drohungen, Themenvermeidung, Schuldzuweisungen, Geschäftigkeit, vorgetäuschte Nachgiebigkeit und Abwesenheit von zu Hause sind alles zerstörerische Strategien, die einer Lösung von familiären Konflikten im Weg stehen. Geduld andererseits macht uns willig, die harte, manchmal unangenehme Aufgabe an zu gehen und die gegensätzlichen Sichtweisen durchzudiskutieren und darüber zu beten, bis wir uns einigen können. „So wartet nun geduldig”, sagt Jakobus, „bis zur Wiederkunft des Herrn! Siehe, der Landmann wartet auf die köstliche Frucht der Erde und geduldet sich ihretwegen, bis sie den Früh- und Spätregen empfangen hat. So wartet auch ihr geduldig…” (Jak. 5,7-8). Wenn der Bauer den Samen gesät hat, erwartet er die Ernte nicht in der nächsten Woche. Nachdem er den Samen in die Erde gebracht hat, düngt, wässert und pflegt er ihn – und wartet. Er weiß, dass die Pflanze nicht schneller wachsen wird, wenn er in der Erde herumstochert. Also tut er alles, was in seiner Macht steht, und wartet dann geduldig ab. Die Aussage des Jakobus über Geduld hat eine gewaltige Bedeu tung für die Lösung von Konflikten. Die Mitglieder unserer Fami lie brauchen Zeit, um über unsere Vorstellungen nachzudenken, ohne dass wir unnötigen Druck auf sie ausüben. Veränderungen im Denken und Handeln passieren nicht immer sofort. Wir müssen uns damit abfinden, dass manche Veränderungen nur langsam geschehen. Die Verhältnisse in der Familie werden beeinträchtigt und Konflikte werden verstärkt, wenn wir nicht einsehen wollen, dass manche Veränderungen Zeit brauchen. Wenn Ehemänner und Ehefrauen auf eine sofortige Veränderung des Charakters oder des Verhaltens ihres Partners bestehen und Ablehnung und Über 259 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst legenheit ausstrahlen, begünstigen sie weitere Disharmonie in ihrer Beziehung. Eltern, die ihren Kindern keinen Raum geben, um allmählich reifer zu werden, leisten in ihrer Familie einem kämpfe rischen Geist Vorschub. Langmut Nahe verwandt mit der Geduld ist die Charaktereigenschaft, die als Langmut bezeichnet wird. Einerseits ist es eine Facette der Geduld – man kann das eine ohne das andere nicht haben. Trotzdem hebt Paulus die Langmut in Epheser 4,1-3 besonders hervor. Dadurch betont er die Schlüsselrolle, die diese Facette der Geduld für die Erhaltung der Einheit spielt. In Bezug auf die Notwendigkeit dieser Eigenschaft schreibt Jerry Bridges: Menschen benehmen sich oft so, dass ihr Verhalten nicht direkt gegen uns gerichtet ist, uns aber trotzdem berührt und verärgert oder enttäuscht. Vielleicht ist es der Autofahrer vor uns, der zu langsam fährt, oder ein Freund, der zu einer Verabredung zu spät erscheint, oder ein rücksichtsloser Nachbar. Meistens aber ist es das unbewusste Verhalten von jemandem aus unserer eigenen Familie, dessen lästige Gewohnheiten uns stärker berühren, weil er uns näher steht. Die Geduld, über solche Umstände hinwegzusehen, wird von uns am meisten in unserer eigenen Familie gefordert…9 Viele Streitigkeiten ergeben sich deshalb, weil Familienangehörige nicht zulassen, dass andere einen Fehler machen oder einfach nur anders sind, ohne Druck auf sie auszuüben. Intolerante Menschen weisen auf jeden Patzer hin, den ein anderer macht. Sie unter scheiden nicht zwischen wichtigen Angelegenheiten und Kleinig keiten. Irgendwie denken sie, wenn sie andere nicht umgehend auf jeden Schnitzer hinweisen, dann vernachlässigen sie ihre Pflicht (Spr. 19,11; 17,9). Wir täten gut daran, Gott nachzuahmen, wie er mit den Mit gliedern seiner Familie umgeht. Beachte, wie langmütig Jesus Chris 9 Jerry Bridges, The Practice of Godliness (Colorada Springs: NavPress, 1983, S. 209) 260 Kapitel 14 Harmonie statt Disharmonie tus mit seinen Jüngern war. Als Gott in Menschengestalt waren ihm alle ihre sündigen Gedanken, Worte und Taten voll bewusst. Er hätte sie ständig für alle ihre Fehler und Sünden ermahnen können. Aber er tat es nicht. Er wählte sorgfältig, worauf er sie aufmerksam machte und wann, wo und wie er die Dinge ansprach, die ihm am wichtigsten waren. Während ich dieses Kapitel schreibe, bin ich seit fast vierzig Jah ren Christ. In dieser Zeit habe ich gelernt, sehr dankbar dafür zu sein, dass Gott so langmütig mit mir gewesen ist. Wenn ich mein Leben betrachte, sehe ich, dass ich durch Gottes Gnade in einigen Bereichen etwas gewachsen bin. Aber zu meinem Leidwesen muss ich zugeben, dass ich noch eine weite Strecke vor mir habe. Ich unterscheide mich in so vielen Hinsichten von meinem Herrn Jesus! Aber Gott hat mich nie aufgegeben. Er liebt mich immer noch und ist immer geduldig mit mir gewesen. Er entschuldigt und billigt meine verbleibenden Sünden nicht, aber er macht mich auch nicht ständig runter deswegen. Mit großer Langmut akzeptiert er mich in Jesus Christus auch weiterhin und arbeitet an mir, damit ich schließlich völlig in das Ebenbild seines Sohnes verwandelt werde (Phil. 1,6; Röm. 8,29; 1.Joh. 3,2). Es ermutigt mich zu wissen, dass Gott mich mit all meinen Feh lern gnädig annimmt. Und weißt du was? Diese Langmut Gottes führt nicht dazu, dass ich mit meiner Sünde sorglos umgehe. Im Gegenteil, Gottes langmütige Liebe fördert meine Hingabe zu ihm, sodass ich meine Sünde hasse und ihm umso mehr gefallen will (1.Joh. 4,19; 2.Kor. 5,14). So wird das auch in unseren Familien sein. Wenn wir anderen dieselbe Langmut entgegenbringen, die Gott uns erweist, erfüllen wir sein Gebot, um Disharmonie in Harmonie zu verwandeln. Die Mauern, die uns als Familie trennen, werden einstürzen, und das, was uns verbindet, wird stärker werden. Nimm dir das Rezept zu Herzen, das Paulus uns gibt, um Frieden zu stiften. Bemühe dich, dir mit Hilfe des Heiligen Geistes (vgl. Gal. 5,22+23; 2.Kor. 3,18) die fünf Eigenschaften anzueignen, die in Epheser 4,1-3 beschrieben werden. Wenn sie dein Leben bestimmen, wirst du zu dem 261 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst Friedensstifter, in dessen Gegenwart Streitigkeiten einen natürlichen Tod erleiden und in dessen Familie sich Harmonie ausbreitet. Übungsaufgaben Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe. 1. Inwiefern weist Epheser 4,1-3 darauf hin, dass es wichtig ist, Konflikte zu lösen? 2. Was bedeutet der Ausdruck „[seid] eifrig bemüht, die Einheit des Geistes zu bewahren” in Bezug auf Konfliktlösung? 3. Warum ist eine demütige Haltung so wichtig für die Lösung von Konflikten? Wie zeigt sich wahre Demut im Umgang mit Familienmitgliedern? Was veranlasst die Demut, uns zu tun, das die Schlichtung des Streits begünstigen wird? 4. Wie hilft Sanftmut bei der Konfliktlösung in unserer Familie? 5. Wie wird Sanftmut sichtbar, wenn Meinungsverschiedenheiten auftreten? 6. Welche Bibelstellen belegen die Sanftmut Christi? Welche Hinweise geben sie darauf, wie sich unser Umgang mit ande ren auf die Lösung von Konflikten auswirkt? 7. Wie kann Geduld zur Konfliktlösung beitragen? 8. Wie wird Geduld sichtbar, wenn Meinungsverschiedenheiten auftreten? 9. In welchem Zusammenhang steht Langmut zur Konflikt lösung? 262 Kapitel 14 Harmonie statt Disharmonie 10. Was bedeutet Langmut und wie zeigt sie sich im Umgang mit anderen? 11. Erinnere dich an Menschen aus der Bibel oder der Gegenwart, die gute Friedensstifter waren bzw. sind und dabei fest zu ihren Überzeugungen standen bzw. stehen. Wie zeigen sich die Eigenschaften aus Epheser 4,1-3 in ihrem Leben? 12. Denke an ein christliches Ehepaar oder eine christliche Familie aus deinem Bekanntenkreis, die ein großartiges Verhältnis zueinander zu haben scheinen. Welche Eigenschaften charak terisieren ihr Leben? Was sind die Gründe für ihre guten Beziehungen? 13.Wie schätzt du Harmonie und Einheit in deiner Familie ein? Ist deine Familie ein Beispiel für die Einheit des Geistes durch das Band des Friedens? Wie ist der Friedensquotient in deiner Familie? Ausgezeichnet ___ Gut ___ Mittelmäßig ___ Schlecht ___ Begründe deine Einschätzung. 14.Beurteile deine Fähigkeit, Konflikte anhand der in diesem Kapitel empfohlenen Kriterien zu lösen. Benutze die folgende Bewertungsskala: 4 = gewöhnlich, 3 = oft, 2 = manchmal, 1 =selten, 0 =nie 1. Ich gebe mir die größte Mühe, Meinungsverschiedenheiten zu klären. 43210 2. Ich übernehme die volle Verantwortung für mein Fehlverhalten. 43210 3. Ich versuche, meine Schuld nicht auf andere zu schieben, wenn ich gesündigt habe. 43210 4. Ich bitte um Vergebung, wenn ich mich einem Familienmitglied gegenüber falsch verhalten habe. 43210 263 Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst 5. Ich gebe meine Fehlbarkeit und Unzulänglichkeit zu. 43210 6. Mir ist bewusst, dass ich manchmal etwas falsch verstehen oder deuten könnte. 43210 7. Ich höre sorgfältig und respektvoll zu, wenn jemand aus meiner Familie spricht. 43210 8. Ich ziehe keine voreiligen Schlüsse und verurteile keinen, solange ich nicht sicher bin, dass ich alles richtig verstanden habe. 43210 9. Ich höre zu, auch wenn ich nicht hören will, was der andere sagt. 43210 10. Ich versuche, die Sichtweise des anderen zu verstehen, bevor ich antworte. 43210 11. Ich nehme Rücksicht auf die Gefühle anderer. 43210 12. Ich antworte auf eine sanftmütige Art und Weise. 43210 13. Ich sorge dafür, dass sich andere in meiner Gegenwart wohl fühlen. 43210 14. Ich versuche zu vermeiden, dass sich andere wegen mir dumm vorkommen. 43210 15. Ich übe Langmut, wenn mich jemand provoziert oder falsch behandelt. 43210 16. Ich halte durch, wenn sich unangenehme, schmerzliche Situationen ergeben. 43210 17. Ich stelle mich Meinungsverschiedenheiten und versuche, sie zu klären, anstatt davor wegzulaufen. 43210 18. Ich lasse anderen Zeit sich zu ändern. 43210 19. Ich akzeptiere Verschiedenheiten. 43210 20. Ich unterscheide zwischen wichtigen und unwichtigen Dingen. 43210 21. Ich erlaube anderen, Fehler zu machen, ohne sie dafür zu bestrafen. 43210 22. Ich respektiere die Mitglieder meiner Familie, auch wenn ich mit ihnen nicht einverstanden bin oder sie gesündigt haben. 43210 Anzahl von 2-en: ____ (Ich muss mich etwas verbessern.) Anzahl von 1-en: ____ (Ich muss mich stark verbessern.) Anzahl von 0-en: ____ (Ich muss mich sehr stark verbessern.) Um der Aufforderung in Epheser 4,1-3 nachzukommen, musst du dich in den Bereichen verbessern, wo du nur 2, 1 oder 0 Punkte erreicht hast. Wenn die Anzahl deiner 0-en und 1-en sehr hoch ist, 264 Kapitel 14 Harmonie statt Disharmonie bestehen in deiner Familie viele ungeklärte Konflikte und die Einheit des Geistes durch das Band des Friedens ist nicht vorhanden. Wenn du ein Christ bist, kannst du dich verbessern. Lies die Kapitel 12-14 noch einmal und lege eine biblische Strategie fest, um zu lernen, mit Meinungsverschiedenheiten richtig umzugehen und Konflikte zu lösen. Vervollständige den folgenden Satz: Um mich als Friedensstifter und in der Konfliktlösung zu verbessern, werde ich … 15.Analysiere die folgenden Bibelstellen und beachte, was sie über Friedensstifter und Konfliktlösung zu sagen haben. Übertrage sie auf deine eigene Familie. a) 1. Mose 13,8+9 b) 1. Mose 26,17-31 c) Esther 10,3 d) 2. Samuel 10,1-14 e) Psalm 34,14 f) Psalm 133,1 g) Sprüche 10,12 h) Sprüche 13,10 i) Sprüche 15,1 j) Sprüche 15,4 k) Sprüche 15,18 l) Sprüche 17,14 m)Sprüche 20,3 n) Prediger 10,4 o) Römer 12,14-21 p) Römer 14,19 q) Galater 5,13-23 r) Philipper 2,1-9 s) Jakobus 3,14-4,2 265 Über den Autor Wayne A. Mack (B.A., Wheaton College; M.Div., Philadelphia Theological Seminary; D.Min., Westminster Theological Seminary) ist außerplanmäßiger Professor für biblische Seelsorge am Master’s College und Direktor von Strengthening Ministries International. Er hat mehr als vier Jahrzehnte Erfahrung in verschiedenen Bereichen der Seelsorge und Familienberatung und hat an der Gründung von drei Beratungszentren mitgewirkt. Dr. Mack hat an zahlreichen Schulungseinrichtungen für Pasto ren unterrichtet, darunter auch Westminster. Er ist Vorstandsmitglied der National Association of Nouthetic Counselors und hat auf mehre ren Kontinenten Konferenzen über Seelsorge und das Leben als Christ durchgeführt. Liebevoll leben Frucht bringen für die Ewigkeit Wayne A. Mack ISBN 978-3-932308-86-4 Best.-Nr.: 308 86 Gb. 336 S. Wie kann ich durch mein Leben den bestmöglichen Einfluss auf meine Umgebung ausüben? Diese Frage zu beantworten ist das Ziel dieses Buches, welches den „weit vortrefflicheren Weg“, den Weg der Liebe, der uns in 1.Kor. 13 geschildert wird, Stück für Stück erklärt. Das Buch ist vollgespickt mit lebensnahen Geschichten und klaren, praktischen Anwendungen. Es ist nicht nur eine der gründlichsten und praktischsten Auslegungen des „Hohelieds der Liebe“, sondern eine enorme Herausforderung. „Die Zeit, die Sie damit verbringen, dieses Buch zu studieren, ist bestens investiert: Sie werden tragfähige und konkrete Antworten auf die Frage erhalten, wie Sie in der Liebe gemäß 1. Korinther 13 wachsen können. Sie werden sich nicht ein einziges Mal fragen müssen, wie Sie das, was Sie gelesen haben, anwenden können. Wayne ist ein sehr guter Seelsorger. Er weiß, dass er sein Ziel erst dann erreicht hat, wenn Hörer zu Tätern des Wortes geworden sind. Sie werden ermutigt werden, konkrete und nachvollziehbare Schritte zu gehen – hin zu dem Ziel, die größtmögliche „Liebeswirkung“ im Sinne von 1. Korinther 13 auf das Leben der Menschen zu haben, die Gott Ihnen anvertraut hat.“ (Aus dem Vorwort von Pastor Steve Viars) Raus aus dem Dunkel! Vom Umgang mit der Niedergeschlagenheit durch Depression und Einsamkeit Wayne A. Mack ISBN 978-3-932308-94-9 Best.-Nr.: 308 94 Pb. 176 S. Fast jeder Mensch gerät im Laufe des Lebens in Zeiten der andauernden Niedergeschlagenheit. Wie soll man mit solchen Zeiten umgehen – und wie überwindet man die Traurigkeit richtig? Was sagt uns Gott in seinem Wort dazu? Das vorliegende Buch... • definiert und beschreibt Depression, • beschreibt ihre Dynamik und die Entwicklung, • zeigt eine biblische Problemlösung auf und • schildert Fallbeispiele und Lösungen für durch Einsamkeit verursachte Depressionen. Ideale Handreichung sowohl für Helfer als auch für Hilfesuchende. Gemeindeglied – sein oder nicht sein? Von der Pflicht und Freude einer verbindlichen Gemeindezugehörigkeit Wayne A. Mack ISBN 978-3-932308-93-2 Best.-Nr.: 308 93 Tb. 80 S. Bekennende Christen des einundzwanzigsten Jahrhunderts stellen sich die erstaunlichsten Fragen über die Gemeinde und kommen zu ganz unterschiedlichen Antworten. • Soll ich einer Gemeinde beitreten oder nicht? • Ist Gemeindemitgliedschaft ein erforderlicher oder freiwilliger Bestandteil für einen Christen? •Ist die Gemeindemitgliedschaft die Hauptmöglichkeit im Bezug auf Dienst und geistliches Wachstum oder nur eine von vielen? • Ist Gemeindemitgliedschaft wichtig oder unwichtig? • Ist es eine Frage des Gehorsams dem Herrn gegenüber oder eine individuelle Frage für einen Christen? Dieses Buch zeigt anhand der Bibel Gottes Sichtweise zu diesem Thema. Darüber hinaus vermittelt der Autor wichtige Grundlagen bezüglich der Bedeutung der Gemeinde im Leben eines Gläubigen. Dieses Buch ist daher auch für alle diejenigen sehr hilfreich, für die Gemeindemitgliedschaft gar keine Frage ist! Lieblinge auf Lebenszeit Aus der Ehe das Beste machen Wayne A. Mack ISBN 978-3-932308-85-7 Best.-Nr.: 308 85 Gb. 320 S. Ein Buch für Eheleute. Sowohl für solche, die schon jahrzehntelang verheiratet sind (und dringend neue Impulse zur Pflege ihrer Ehebeziehung brauchen) als auch für die frisch verheirateten, die gerade dabei sind, eine solide Grundlage für eine fruchtbare, lebenslange Ehe zu legen. Ein Buch, das nicht nur dringend notwendig, sondern auch biblisch fundiert, klar und sehr praktisch ist. Demut – die vergessene Tugend Wayne A. Mack ISBN 978-3-932308-92-5 Best.-Nr.: 308 92 Pb. 160 S. Dieses äußerst wichtige Buch behandelt ein Hauptübel, an dem wir alle leiden, über das wir aber wenig sprechen und das in der Verkündigung eher selten thematisiert wird. „Der Stolz ist das Kleid der Seele – als erstes angelegt, als letztes abgelegt!“ Der erfahrene Seelsorger und Autor definiert Stolz und Demut auf der Grundlage der Bibel und zitiert zu diesem Thema sehr hilfreiche Auszüge und Zitate aus Predigten vor allem von C.H. Spurgeon, aber auch aus Werken von Jonathan Edwards, John Newton, John Bunyan, C.S. Lewis und anderen Autoren. Das Hauptziel des Buches ist, dem Leser praktische Hilfen zu zeigen, wie man den Stolz ablegen und in der Demut wachsen kann. Dazu gibt es nach jedem Kapitel Übungsaufgaben und Fragen, die das eigene Leben im Licht Gottes bewerten helfen.
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