30887 FAMILIE der Ort an dem du verstanden wirst

Wayne A. Mack
„Ich habe das Gefühl, eine Zeitung mit Beinen geheiratet
zu haben.“
~
Warum wachsen manche Familien immer enger
zusammen, während andere sich
auseinander leben?
~
Als Ehemann, vierfacher Vater und Familienseelsorger weiß
Wayne Mack, was eine Familie gut funktionieren lässt. In
diesem Buch bietet er biblische Einsichten und praktische
Weisheiten für zwei elementare Bereiche des Familien­
lebens: Kommunikation und Konfliktbewältigung.
Das Buch weckt neue Hoffnung und zeigt eine klare Rich­
tung. Es ist eine Hilfe für jeden, der am Bau einer starken
Familie zur Ehre Gottes interessiert ist.
ISBN 978-3-932308-87-1
30887_Cover_03.indd 1
Fa­­­­milie
„Irgendwie sind wir auf keinem Gebiet einer Meinung.“
Fa­­­­milie
– der Ort, an dem du verstanden wirst
Gottes Weg zu gesunden Beziehungen
Wayne A. Mack
„Immer, wenn ich reden will, zieht sie sich zurück.“
–der Ort, an dem du
verstanden wirst
„Unsere Kinder leben in ihrer eigenen Welt.“
20.01.2014 08:53:12
Wayne A. Mack
„Ich habe das Gefühl, eine Zeitung mit Beinen geheiratet
zu haben.“
~
Warum wachsen manche Familien immer enger
zusammen, während andere sich
auseinander leben?
~
Als Ehemann, vierfacher Vater und Familienseelsorger weiß
Wayne Mack, was eine Familie gut funktionieren lässt. In
diesem Buch bietet er biblische Einsichten und praktische
Weisheiten für zwei elementare Bereiche des Familien­
lebens: Kommunikation und Konfliktbewältigung.
Das Buch weckt neue Hoffnung und zeigt eine klare Rich­
tung. Es ist eine Hilfe für jeden, der am Bau einer starken
Familie zur Ehre Gottes interessiert ist.
ISBN 978-3-932308-87-1
30887_Cover_03.indd 1
Fa­­­­milie
„Irgendwie sind wir auf keinem Gebiet einer Meinung.“
Fa­­­­milie
– der Ort, an dem du verstanden wirst
Gottes Weg zu gesunden Beziehungen
Wayne A. Mack
„Immer, wenn ich reden will, zieht sie sich zurück.“
–der Ort, an dem du
verstanden wirst
„Unsere Kinder leben in ihrer eigenen Welt.“
20.01.2014 08:53:12
Wayne A. Mack
Familie – der Ort, an dem
du verstanden wirst
Wayne A. Mack
Fa­­­­milie
– der Ort, an dem du verstanden wirst
Gottes Weg zu gesunden Beziehungen
© 1991 by Wayne A. Mack
Originaltitel: Your Family God‘s Way
P&R Publishing Company, P.O. Box 817, Phillipsburg, New Jersey 08865-0817.
All rights reserved.
ISBN 978-3-932308-87-1
CMV-Bestellnummer: 30887
Autor: Wayne A. Mack
1. Auflage 2014
© 2014 Christlicher Missions-Verlag e.V., 33729 Bielefeld
Übersetzung: Elisabeth Bergmann (Kanada)
Grafik und Satz: CMV
Printed in Germany
Inhaltsverzeichnis
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Danksagungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
Teil 1 Biblische Grundlagen für gesunde Beziehungen
in der Familie
1. Das Wichtigste zuerst
– Der ultimative Ehemann und Vater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2. Mit Sally ist etwas passiert
– Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter . . . . . . . . . . . 28
3. Olivenbäume heranziehen
– Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Teil 2 Gottes Weg, gesunde Beziehungen aufzubauen
4. Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68
5. Hören, was nicht gesagt wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
6. Schweigen ist nicht immer Gold! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
7. Genug ist genug und zu viel ist zu viel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119
8. Gesprächsblocker in der Familie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137
9. Um die Wahrheit zu sagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159
10.Endlich redest du . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
11.Die Ohren auf Empfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192
Teil 3 Beziehungen pflegen, wie es Gott gefällt
12.Warum in Familien gestritten wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210
13.Jede Familie braucht einen Friedensstifter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230
14.Harmonie statt Disharmonie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249
Über den Autor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266
Einleitung
Vor einiger Zeit erschien ein Zeitungsartikel von Marshall Auerbach,
einem Rechtsanwalt aus Illinois, in dem er die hohe Scheidungsrate
in den USA beklagte.
Im Laufe der letzten 30 Jahre war ich an der Auflösung von
mehr Ehescheidungen beteiligt als mir lieb ist. Ich bin ein
Schei­dungsanwalt von Beruf – ich habe das Scheidungsgesetz
für den Staat Illinois entworfen – im Herzen aber bin ich ein
Roman­tiker, deshalb leide ich jedes Mal während des gesamten
Verfahrens mit beiden Parteien mit. Ich gebe mir sogar die
größte Mühe, sie wieder miteinander zu versöhnen, bevor sie
den endgültigen Schritt tun, und ich kann sagen, dass das in
den letzten zehn Jahren wesentlich schwieriger geworden ist.
Seit 1960 haben sich etwa 40 Millionen Menschen scheiden
lassen. Eine mir bekannte Scheidungsberaterin nennt Ehe­schei­
dung den „Tod eines Traumes”. Sie ist davon überzeugt, dass
selbst Romeo und Julia ihre Hilfe in Anspruch hätten neh­men
müssen, um ihre Ehe zu retten, lebten sie in ihrem Stadtteil des
heutigen Chicago.
Wie lässt sich diese gewaltig hohe Anzahl zerstörter Ehen er­k lä­
ren, die den 80-er Jahren den Namen „Zeitalter der Ehe­schei­
dun­gen” verliehen hat? Die Statistiken sind schockierend. Diese
Nation wird von Scheidungen überschwemmt.
Ehescheidungen sind ein großes Geschäft, manche schätzen den
Wert dieser Industrie auf mehrere Milliarden Dollar. Laut Wall
Street Journal gab es vor zehn Jahren 700 Scheidungsanwälte.
Jetzt sind es 11.000.
In welchem Zustand befinden sich die heutigen Ehen? Im letzten
Jahrzehnt sind jedes Jahr fast 1,2 Millionen Ehen auseinander
7
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
ge­gangen. Über die Jahre gesehen ist das ein hoher Anteil von Ehen,
die aufgelöst werden, und sehr viele Menschen, die eine Scheidung
durchmachen. Hinzu kommt die Tatsache, dass es in vielen Ehen,
die vor dem Gesetz noch bestehen, stark kriselt. Viele Ehen (christ­
liche und andere), die nie vor dem Scheidungsrichter landen, ent­
spre­chen bei weitem nicht dem Bild, das Gott in der Bibel für das
Ehe- und Familienleben vorgezeichnet hat.
Die Wahrheit ist, dass keine Ehe (einschließlich meiner und dei­
ner Ehe) den Vorstellungen Gottes vollständig entspricht. Wäh­rend
ich dieses Buch schreibe, sind meine Frau und ich seit 34 Jah­ren
verheiratet. Wir haben vier leibliche Kinder und zwei Schwieger­
töchter, die sich alle zum Glauben an Christus be­ken­nen. Durch
Got­
tes Gnade durften wir gute Ehe- und Familien­
beziehun­
gen
ge­nießen. Diesseits des Himmels wird es aber immer noch Raum zur
Verbesserung geben.
Ich vermute, dass dasselbe auch auf deine Familie zutrifft. Dein
Familienleben kann immer noch besser werden. Wenn wir in unserer
Familie Anzeichen von Stolz, Selbstgefälligkeit, Gleichgültigkeit,
Selbst­zufriedenheit erkennen, ist das ein Zeichen dafür, dass sie zu
zerfallen droht. Wenn wir denken, dass wir nichts mehr dazulernen
können, dann können wir uns auch nicht verbessern.
Das bedeutet, dass es für uns ein großes Anliegen sein sollte,
unsere Familien nach Gottes Vorstellung zu gestalten. Alles andere
wird letztendlich zum Versagen führen, denn Ehe und Familie
sind ja schließlich Gottes Ideen. Er hat diese Beziehungen erdacht.
Nach seinem Plan sollten sie zu den besten Dingen gehören, die
ein Mensch je haben kann. Zunächst erschuf er den Mann und
die Frau, die dann das erste Paar und die ersten Eltern wurden. Er
stellte sie einander vor. Er gab ihnen voreheliche Unterweisung und
führte die erste Trauung durch. Gott, der Schöpfer, weiß, wie eine
Ehe und Familie funktionieren sollte. Ihm ist wohl bewusst, welches
Potenzial zum Glück, aber auch zur Tragödie die Familie in sich
trägt. Er ist der ultimative Ehe- und Familientherapeut.
Dieses Buch ist ein Versuch, Gottes Prinzipien für ein gelungenes
Familienleben zu erklären. Darin wirst du biblische Wahrheiten
über gute Familienbeziehungen finden, Übungen, um dich selbst
8
Einleitung
und deine Familie im Licht dieser Wahrheiten zu bewerten, und
praktische Anleitungen für die Anwendung dieser Wahrheiten.
Ich möchte dich ermutigen, deine Familie nach dem Plan Gottes
zu gestalten und mit seinem Segen für dich und deine Familie zu
rechnen. Gott verspricht uns, dass er diejenigen segnen wird, die sein
Wort hören und befolgen (Lukas 11,28). Also leg los und erwarte
den Segen Gottes!
Lass den Heiligen Geist an dir wirken, während du dieses Buch
liest und die Übungsaufgaben am Ende jeden Kapitels bearbeitest.
Bitte ihn um Ehrlichkeit, Offenheit, Erkenntnis, den Willen und
die Kraft, alles anzunehmen und zu tun, was er von dir verlangt.
Denke daran, dass wahrer Reichtum und Erfolg im biblischen Sinne
denen versprochen werden, die das tun, was die Bibel sagt (Josua
1,8; Psalm 1,1-3). Vergiss nicht, dass alle, die durch den Glauben mit
Jesus Christus verbunden sind, neue Geschöpfe sind, die neue Kraft
bekommen haben, um unbiblische Verhaltensmuster abzulegen und
sich einen biblischen Lebensstil anzueignen (2. Kor. 5,17; Eph. 5,1724; Phil. 2,12-13).
Wenn dir durch dieses Buch Bereiche in deinem Leben bewusst
werden, in denen Gott von dir eine Veränderung erwartet, soll­te
dir klar sein, dass das für einen Christen eine aufregende He­raus­
forderung ist. Du darfst dir sicher sein, dass Gott dir helfen wird,
wenn du ihm vertraust. Du musst an dir arbeiten, aber du musst
im Glauben arbeiten. Verlass dich ganz darauf, dass Gott dir helfen
wird, das zu tun, was ihm gefällt. Und was Gott gefällt, wird
letztendlich auch dir gefallen. Gott kann und will dir helfen. Darauf
kannst du dich verlassen.
9
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Danksagungen
Ich bin sehr dankbar für die vielen Menschen, die zur Entstehung
dieses Buches beigetragen haben. Ich danke Beth Mack, Judith
Mc­
Kenzie, Harold McKenzie und Irma Longworth für das
mehrfache Abtippen des Manuskripts. Meine Frau und meine Kin­
der verdienen meine Anerkennung für alles, was ich im Laufe der
Jahre durch sie gelernt habe, während wir uns bemühten, unser
Familien­leben nach dem Plan Gottes zu gestalten. Auch stehe ich
in der Schuld von Geraldine Irwin, Dr. John Neal (einem meiner
Kollegen in der Seelsorge), Karen Hoffner und besonders Susan Lutz
und Thom Notaro für ihre Editionsarbeit. Sie legten ihr EditionsSkalpell an mein wortreiches Manuskript und reduzierten es auf
ein Druckwerk, das hoffentlich etwas leichter zu lesen und somit
hilfreicher ist. Ich möchte auch Dr. Kenneth Hurst (einen Kollegen
bei CCEF) erwähnen, der mich dazu ermutigte, dieses Werk für die
Veröffentlichung fertig zu stellen. Abschließend möchte ich mich
auch bei Bryce Craig von der Presbyterian and Reformed Publishing
Company für seine Bereitschaft bedanken, dieses und einige andere
meiner Bücher zu veröffentlichen.
10
Teil 1
Biblische Grundlagen für gesunde
Beziehungen in der Familie
11
Kapitel 1
Das Wichtigste zuerst –
Der ultimative Ehemann und Vater
Die meisten Leute sahen an Greg1 alle Merkmale des Erfolgs. Er
war ein gut gekleideter, intelligenter, wortgewandter Mann mit einer
attraktiven und perfekten Ehefrau und zwei begabten Kindern. Mit
seinen vierzig Jahren war er bereits sehr wohlhabend. Außerdem
war er ein hervorragender Leiter in der Gemeinde. Greg schien das
perfekte Bild eines erfolgreichen Mannes zu sein.
Doch da saß er – neben seiner Frau, mir gegenüber in meinem
Beratungszimmer. Angeblich waren sie gekommen, um sich einen
Rat zum Umgang mit einem schwierigen Verwandten zu holen, doch
es war bald klar, dass das eigentliche Problem in ihrer Beziehung
zu­einander lag. Greg schien zwar in vielen Bereichen seines Lebens
erfolgreich zu sein, aber in einem sehr wichtigen Bereich lief es bei
ihm nicht so gut. Er und seine Frau waren sich einig, dass er als
Ehemann und Vater einiges zu wünschen übrig ließ.
Seine Frau litt sehr und fühlte sich ihm entfremdet. „Ich
be­wundere ihn sehr”, gab sie zu, „aber ich habe nicht das Gefühl,
dass er mich wirklich liebt oder respektiert. Er lässt mich nicht an
sich heran. Ich wünschte, wir wären offener miteinander, besonders
in geistlichen Dingen. Aber es klappt einfach nicht.” Greg gab
selber zu, dass sie ihre Beziehung nicht vertiefen konnten, weil
er bestimmte Dinge getan oder vernachlässigt hatte. Er gestand:
„Meine Ehefrau ist sehr gottesfürchtig, fürsorglich und hilfsbereit.
Die Schuld liegt hauptsächlich bei mir.”
1
12
Um die Identität der Personen zu schützen, werden in diesem Buch anstatt der echten Namen
Pseudonyme verwendet.
Kapitel 1
Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater
Greg und seine Frau halfen und ermutigten einander nicht zu
Liebe und guten Werken (Sprüche 27,17; Hebräer 10,24+25). Die
Beziehung zu seinen Kindern war kühl. Er beteiligte sich kaum
daran, sie in der Zucht (Rat) und Ordnung des Herrn zu er­ziehen.
Diese Aufgabe war automatisch hauptsächlich seiner Frau zu­ge­fal­
len. Er nahm nur wenig Einfluss auf ihr Leben, und als die Kinder
ins Teenager-Alter kamen, entfremdeten sie sich noch mehr von­ein­
ander.
Greg steht für viele Männer, die ich kenne, und tausende, die ich
nie getroffen habe. Vielleicht repräsentiert er auch dich. Egal, ob du
im Geschäftsleben auch so erfolgreich bist wie er oder nicht – du
ähnelst ihm, weil auch du ein bekennender Christ bist, der den
Wunsch hat, ein besserer Ehemann und Vater zu werden.
Der Schlüssel
In diesem Kapitel will ich aufzeigen, was in Gottes Augen der
wich­tigste Faktor ist, um der bestmögliche Ehemann und Vater
zu werden. Gott sieht ihn als Schlüssel, um einen Mann zu einem
großen Segen für seine Familie werden zu lassen. Dieser Faktor fehlte
in Gregs Leben.
Was ist dieser Schlüsselfaktor? Psalm 128,1-4 beschreibt ihn für
uns: „Wohl jedem, der den Herrn fürchtet, der in seinen Wegen
wandelt! Du wirst dich nähren von der Arbeit deiner Hände; wohl
dir, du hast es gut! Deine Frau ist wie ein fruchtbarer Weinstock
im Innern deines Hauses; deine Kinder wie junge Ölbäume rings
um deinen Tisch. Siehe, so wird der Mann gesegnet, der den Herrn
fürchtet!“
Hier sehen wir ein Bild von den verschiedenen Familienmitglie­
dern so wie Gott sie sich vorstellt: Ihre Eigenschaften, wie sie funk­
tionieren, wie sie miteinander umgehen, was sie antreibt und was
sie motiviert zu sein, wie sie sind. In diesem Kapitel werden wir
uns damit befassen, was der Psalm 128 uns über den Ehemann
und Vater lehrt. In den nächsten beiden Kapiteln werden wir die
Beschreibung der Ehefrau bzw. Mutter und der Kinder betrachten.
13
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Die Vorteile eines gottesfürchtigen Lebens
Dieser Psalm zeigt, dass ein Ehemann und Vater, der Gott
gefallen will, gottesfürchtig leben muss (Verse 1 und 4). Die wahre
Gottesfurcht wird dich zu einem außergewöhnlichen Segen für deine
Frau und Kinder werden lassen. Deine Familie wird dich anziehend
finden. Du wirst ein erfolgreicher Ehemann und Vater werden. Die
Gottesfurcht wird einen fruchtbaren Boden bilden, aus dem dein
positiver Einfluss wachsen wird. Sie wird der Hauptgrund dafür
sein, dass deine Familie aufstehen und dich gesegnet nennen wird.
Denke einmal über diese Aussagen nach. Gottes Wort sagt hier, dass
gottesfürchtige Menschen…
1. göttliche Weisung erhalten, wenn sie Entscheidungen treffen
(Ps. 25,12),
2. in den wichtigsten Bereichen des Lebens erfolgreich sind (Ps.
25,13; 112,3),
3. Gottes Güte erfahren (Ps. 31,20),
4. von Gott besonders bewahrt werden (Ps. 31,21),
5. Kinder haben, denen Gott besondere Barmherzigkeit erweist
(Ps. 103,11-18),
6. Nachkommen haben, die in den wichtigsten Bereichen dieses
Lebens Großartiges leisten (Ps. 112,2),
7. barmherzig und großzügig sein wollen (Ps. 112,4+5),
8. zuversichtliche, mutige Menschen sind (Ps. 112,6-8; Spr. 14,26),
9. genügsam sind (Ps. 112,5+6+9; Spr. 19,23),
10. Beter sind, deren Gebete erhört werden (Ps. 145,18),
11. mit Weisheit gesegnet werden (Spr. 1,7; 9,10),
12. lernfähig und friedlich sind (Spr. 8,13; 14,26; 15,33; Apg. 9,31),
13.als rechtschaffen und gewissenhaft bezeichnet werden (Hiob
2,3),
14. rücksichtsvoll und freundlich sind (Ps. 112,4+5),
15. erbauliche Äußerungen machen (Mal. 3,16),
16. geduldig, erwartungsvoll und echt sind (Ps. 147,11),
17. Ausdauer haben das Richtige zu tun (Ps. 112,3+5; 2.Kor. 7,1),
18.hart arbeiten, die Arbeit aber nicht so ernst nehmen, dass sie
keine Zeit mehr haben, das Leben zu genießen (Ps. 128,3),
14
Kapitel 1
Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater
19.die Verantwortung für ihre Familie übernehmen und sich
selbst doch nicht zu ernst nehmen (Ps. 128,3),
20.ihrer Familie treu sind und in ihr eine Quelle tiefster Zu­frie­
den­heit sehen (Ps. 128,1-4),
21. sich daran erfreuen, Gott anzubeten (Offb 14,7),
22.die Heilige Schrift lieben und ihr Leben nach Gottes Geboten
ausrichten (Ps. 112,1; Pred. 12,13).
Was hat das alles mit meinem Freund Greg und seinen Familien­
problemen zu tun? Offensichtlich brauchte er dringend genaue
An­weisungen in Bezug auf sein Leben als Ehemann und Vater. Im
Laufe unserer Beratungsstunden sprachen wir in allen Einzelheiten
darüber. Aber Greg brauchte mehr als nur das. Ihm fehlte eine
ge­sunde, heilsame Gottesfurcht.
Was es bedeutet, Gott zu fürchten
Was bedeutet es, ein gottesfürchtiger Mann zu sein? Solange du
keine klare Antwort auf diese Frage hast, wird es dir schwer fallen,
deine Familie nach Gottes Plan zu gestalten. Manche Menschen
haben eine Angst vor Gott, die schwer – ja, sogar bedrückend – auf
ihnen lastet. Wenn sie an Gott denken, verspüren sie Unbehagen,
Angst und Schrecken. Sie denken, dass Gott es auf sie abgesehen
hat, dass er launisch und rachsüchtig ist und mit ihm nur schwer
auszukommen ist.
Ein Beispiel für diese Art von Angst finden wir in der Geschichte,
die Jesus über drei Männer erzählt, denen Talente anvertraut wurden.
Zwei der Männer investierten ihre Talente bewusst und vermehrten
sie. Der dritte Mann unternahm mit seinem Talent nichts. Als er
zur Rechenschaft gezogen wurde, erklärte er seine Untätigkeit so:
„Herr, ich kannte dich, dass du ein harter Mann bist. Du erntest,
wo du nicht gesät, und sammelst, wo du nicht ausgestreut hast; und
ich fürchtete mich, ging hin und verbarg dein Talent in der Erde.”
(Matthäus 25,24+25, Hervorhebung hinzugefügt)
Die Furcht dieses Mannes machte ihn unfähig zu handeln. Er
sah seinen Herrn als einen rachsüchtigen Gewaltherrscher, dem es
Freude machte, Menschen vorzuführen und sich an ihnen zu rächen.
Diese pessimistische Einstellung sehen wir auch heute bei vielen
15
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Menschen. Sie leben in Angst vor anderen Menschen, bestimmten
Umständen oder der Zukunft. Sie sehen sogar Gott in so einem
Licht, wie der Mann im Gleichnis seinen Herrn sah.
Aber die Furcht in Matthäus 25,25 ist nicht die Gottesfurcht, die
in Psalm 128 beschrieben wird. Die eine lässt dich und deine Familie
verkümmern – die andere wird dein Leben bereichern. Die Angst in
Matthäus 25,25 macht unsicher, unzufrieden, unversöhnlich, lieblos,
autoritär und rückgratlos. Aber die Furcht in Psalm 128 bewirkt
das genaue Gegenteil. Sie ist aufbauend, nicht zerstörend. Sie zieht
dich hin zu Gott und treibt dich nicht von ihm weg. Sie regt zu
verantwortungsvollem Handeln an, anstatt Untätigkeit zu fördern.
Sie lässt dich auf andere zugehen, anstatt dich zurückzuziehen. Sie
hilft dir, anderen zu dienen und weniger selbstsüchtig zu sein. Und
sie vertreibt andere Ängste, die ein zuversichtliches, frohes, Frucht
bringendes Leben verhindern.
Die Schrift versichert: Wenn du eine enge Beziehung zu Jesus
Christus hast, besteht kein Grund, von einer Furcht gefangen gehal­
ten zu werden, die dich mit Angst und Schrecken vor Gott erfüllt.
Wenn du Gottes Vergebung durch Christi Erlösung nie erfahren
hast, hast du allen Grund, vor Gott Angst zu haben, weil du nie
Frieden mit ihm geschlossen hast. Aber wenn du von Christus allein
die Errettung und Vergebung deiner Sünden annimmst und ihn
als Herrn anerkennst, hast du keinen Grund für eine Knechtschaft
unter dieser Angst. Gott hat dir den Geist der Sohnschaft und
das Recht gegeben, ihn deinen Vater zu nennen (Römer 8,15). Als
Kind deines liebenden, mitfühlenden himmlischen Vaters bist du
ein Erbe Gottes und ein Mit-Erbe Christi. Du bist dazu berufen
Christi Herrlichkeit zu teilen (Römer 8,17), weil du durch seinen
Tod gerecht gesprochen und mit Gott versöhnt bist und durch ihn
vor Gottes Zorn verschont wirst (Römer 5,9-10). Wegen deiner
Beziehung zu Jesus braucht dich der Gedanke an Gott nicht mehr zu
beunruhigen. Vielmehr hast du jetzt allen Grund, dich über Gott zu
freuen und ihn in einem positiven Sinn zu fürchten, wie es in Psalm
128 beschrieben wird. Und damit kommen wir zu der Frage, was es
für dich bedeutet, Gott zu fürchten.
Einfach gesagt ist Gottesfurcht die unausweichliche Reaktion auf eine
16
Kapitel 1
Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater
wachsende biblische Erkenntnis des wahren und lebendigen Gottes und
die Beziehung zu ihm, der sich in Jesus Christus offenbart hat.
Der Kern dieser Gottesfurcht zeigt sich im Leben des Mose in 2.
Mose 15,1-18 sehr deutlich. Kurz vor diesem Abschnitt hatte Mose
eine Erfahrung gemacht, die sein Gottesbild beträchtlich vergrößerte.
Der Herr hatte sein Volk gerade auf wundersame und machtvolle
Weise vor der sicheren Vernichtung durch die Hand der Ägypter
bewahrt. Gott hatte das Wasser des Roten Meeres geteilt und es
den relativ hilfs- und schutzlosen Israeliten ermöglicht, sicher auf
die andere Seite hinüberzugehen. Auf sehr dramatische Art hatte er
die tödlichen Pläne der mächtigen Ägypter durchkreuzt. Gott hatte
seine Macht, Stärke und Güte gegen sein Volk sehr deutlich gezeigt.
Deshalb war Mose von der Majestät Gottes tief ergriffen. Mose hatte
Gott als jemanden erfahren, der äußerst erhaben, hoheitsvoll und
mächtig, herrlich und heilig, ehrfurchtgebietend und lobenswert,
zuverlässig und treu, absolut vertrauenswürdig, überaus barmherzig,
seinem Volk tief verbunden, absolut und unendlich souverän und
von unvergleichbarer Güte ist.
Seine automatische Reaktion auf diese tief greifende Erkenntnis
war Bewunderung, Liebe und Gehorsam. Alle Bereiche seines
Le­bens wurden jetzt von einem großen Gottesbild bestimmt. Er
empfand das, was in Psalm 128 als „Gottesfurcht” bezeichnet wird.
Das Leben Abrahams liefert ein anderes beeindruckendes Beispiel
dafür, was es heißt, ein gottesfürchtiger Mann zu sein. Die Bibel
nennt Abraham einen Freund Gottes. Er hatte zweifellos eine
sehr enge Beziehung zu Gott. Außerdem hatte Abraham ein sehr
er­habenes Gottesbild, das sein persönliches und sein Familienleben
in praktischer Hinsicht stark beeinflusste. Seine Beziehung zu Gott
war das Allerwichtigste für ihn.
Das Leben Abrahams kann man nur im Zusammenhang mit
seinem großen Gottesbild verstehen. Laut der Bibel ebbte diese
Be­geis­te­rung gelegentlich etwas ab, aber das Gesamtbild zeigt einen
Mann, dessen Gottesfurcht überragend, tief greifend und sehr stark
war. Weil er Gott fürchtete, war er bereit, sein Heimatland zu ver­
las­sen und in eine völlig unbekannte Gegend zu ziehen. Weil er
Gott fürchtete, war er großzügig und überließ seinem Neffen Lot
17
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
bereitwillig das beste Stück Land. Weil er Gott fürchtete, war er
zufrieden mit dem, was er hatte, nutzte andere nicht aus, liebte
Gerechtigkeit (das Recht anderer), und war bereit, sein eigenes
Leben für seine Familie zu riskieren und Zeit, Mühe und Finanzen
zu opfern. Er stellte Gottes Willen über alles andere, einschließlich
seine eigenen Gefühle und Wünsche. Abrahams großes Gottesbild
machte ihn zu dem gottesfürchtigen Mann, der er war.
Die motivierende Kraft der Gottesfurcht
Eine gesunde, heilsame Gottesfurcht kann bei dir und mir dasselbe
bewirken. Ein umfassender Sinn für (1) die Gegenwart Gottes,
(2) die unübertroffene Majestät Gottes, (3) die große Gnade und
Barmherzigkeit Gottes, (4) die Treue Gottes, (5) deine Abhängigkeit
von und deine Verantwortung vor Gott, (6) deine Beziehung zu Gott
und deren Wichtigkeit und (7) Gottes absolute Vollkommenheit
werden jeden Aspekt deines Lebens neu bestimmen. Sie ruft eine
liebende, vorbehaltlose Hingabe zu Gott hervor. Sie ermutigt dich,
dein Leben zu strukturieren, deine Angelegenheiten und Beziehungen
zu ordnen und Entscheidungen Gottes Willen entsprechend zu
treffen. Du wirst ein Mann sein, der eine enge Beziehung zu
Gott hat. Dein Leben wird sich um ihn drehen, sodass du mit
Paulus sagen kannst: „Christus ist mein Leben.” Du wirst dazu
angeregt und befähigt, mit deiner Frau und deiner Familie auf eine
gottgewollte Weise umzugehen. Du wirst der gesegnete (glückliche)
Mann aus Psalm 128, der seinerseits für seine Frau und Kinder zum
Segen wird. Die Familie nach Gottes Plan zu gestalten, wird kein
„unerreichbarer Traum” mehr bleiben. Er wird Wirklichkeit werden.
Die Gottesfurcht erlangen und bewahren
Dies wirft natürlich die Frage auf: Wie kann man eine gesunde
Gottesfurcht erlangen und bewahren? Letztendlich ist dies nur
dann möglich, wenn man in Jesus Christus wiedergeboren ist.
Wärst du dir selbst überlassen, würdest du wahrscheinlich die läh­
men­de, zerstörerische Furcht vor Gott empfinden, die wir vorhin
beschrieben haben. Es erfordert kein besonderes Wirken in deinem
Leben von Gottes Seite her, um dir diese furchtbare Angst vor
18
Kapitel 1
Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater
Gott einzuflößen. Aber es ist eine ganz andere Sache, Gott auf eine
angemessene Art zu fürchten. Das erfordert Gottes gnädiges Wirken
in deinem Leben. Der Heilige Geist muss durch Jesus Christus eine
geistliche Wiedergeburt und Erlösung von Sünden in dir bewirken.
In Bezug auf dieses Thema fordert uns Petrus dazu auf, unser
Leben in heiliger Ehrfurcht zu leben, weil wir wissen, dass wir
durch das kostbare Blut Christi erlöst worden sind (1.Petrus 1,1719). Petrus will damit wohl sagen, dass wir doppelten Grund haben,
Gott zu fürchten: (1) Unsere Erlösung durch Christus sollte in uns
ein großes Gottesbild schaffen, weil sie ihn so viel gekostet hat. Wir
sind durch nichts Geringeres von unserer Strafe und der Macht der
Sünde befreit worden als durch den Tod Jesu Christi, Gottes eigenen
Sohn. (2) Petrus behauptet, dass die Erlösung durch Christus uns
auch von unserem alten Lebenswandel befreit, in dem eine heilige
Gottesfurcht fehlte (V. 18).
Inzwischen denkst du vielleicht: „Ich bin zwar ein Christ, aber die
Gottesfurcht ist in meinem Leben nicht sehr stark zu spüren.” Ge­nau
das war Gregs Problem. Er hatte Jesus Christus als seinen Herrn und
Heiland bekannt. Er wollte Gott gefallen. Aber seine Gottes­furcht
war minimal und seine Beziehung zu ihm war oberflächlich. Was
fehlt in so einem Fall sonst noch, um dem wahren und lebendigen
Gott im eigenen Leben mehr Raum zu geben?
Durch Jeremia gibt uns Gott in seinem Wort einen wichtigen
Einblick in dieses Thema: „… und sie sollen mein Volk sein, und ich
will ihr Gott sein; und ich will ihnen ein Herz und einen Wandel
geben, dass sie mich allezeit fürchten, ihnen selbst zum Besten und
ihren Kindern nach ihnen. … dass ich nicht von ihnen ablassen will,
ihnen wohlzutun. Und ich werde die Furcht vor mir in ihr Herz
geben…” (Jer. 32,38-40)
Betrachte genau, was dieser Abschnitt über die Gottesfurcht aus­
sagt. Gottes Volk – alle, die zu ihm gehören – sind ohne Ausnahme
gottesfürchtige Leute. Sie fürchten ihn, weil Gott sie dazu anregt –
nicht aus irgendeiner natürlichen Veranlagung heraus. ER gibt ihnen
ein Herz und einen Wandel. Paulus erkannte dies und schrieb: „Denn
Gott, der dem Licht gebot, aus der Finsternis hervorzuleuchten,
er hat es auch in unseren Herzen licht werden lassen, damit wir
19
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
erleuchtet werden mit der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im
Angesicht Jesu Christi.” (2. Kor. 4,6) Paulus will damit sagen, dass
wir Gottes Majestät und Herrlichkeit niemals verstehen werden,
solange Gott nicht sein Licht im Dunkel unseres Herzens entfacht.
Damit wir seine Größe begreifen können, muss ER für Licht in
un­se­rem inneren Menschen sorgen.
Der Aspekt des Gebets
Seine Überzeugung veranlasst Paulus immer wieder dazu, Gott
darum zu bitten, sich ihm zu offenbaren. Im Epheserbrief schreibt
er, dass er für die Epheser betet, „dass der Gott unseres Herrn Jesus
Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch den Geist der Weisheit
und Offenbarung gebe in der Erkenntnis seiner selbst” (Eph. 1,17).
Später betet er in demselben Brief, „dass der Christus durch den
Glauben in euren Herzen wohne, damit ihr, in Liebe gewurzelt und
gegründet, dazu fähig seid, mit allen Heiligen zu begreifen, was
die Breite, die Länge, die Tiefe und die Höhe sei, und die Liebe des
Chris­tus zu erkennen, die doch alle Erkenntnis übersteigt, damit ihr
erfüllt werdet bis zur ganzen Fülle Gottes” (Eph. 3,17-19).
Man beachte einige wichtige Tatsachen in diesen Bibelabschnitten.
Es handelt sich um an Gott gerichtete Bittgebete, die den Lesern der
Briefe mitgeteilt werden. Paulus ermahnt und rügt seine Leser nicht. Er
betet. Er bittet Gott, in ihrem Leben etwas Bestimmtes zu bewirken.
Dies setzt natürlich voraus, dass wir die Erfahrungen, die er beschreibt,
ohne Gottes Hilfe nicht machen können. Außerdem verblüfft mich
die Tatsache, dass er gerade diese Bitte oft und immer wieder vor
Gott bringt. Er sagt: „Darum lasse auch ich… nicht ab … in meinen
Gebeten an euch zu gedenken.” (Eph. 1,15-16) Es heißt: „lasse … nicht
ab” (Gegenwart), nicht „ließ ich … nicht ab” (Vergangenheit).
Wenn man die Gebete des Paulus für die Epheser genau be­trach­
tet, stellt man fest, dass es darin um eine bestimmte Sache geht.
Sein Gebet war darauf ausgerichtet, dass Gott ihnen Weisheit und
Erkenntnis schenken möchte, damit sie ihn besser kennen lernen.
Paulus sah die Erfüllung dieser Bitte als Quelle an, die eine Welt des
Segens hervorbringen würde. Wenn du ein gottesfürchtiger Mann
bist, betest du, weil du Gott fürchtest. Und wenn du richtig betest,
20
Kapitel 1
Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater
wird deine gesunde Gottesfurcht genährt und vertieft, weil du
be­test. Dies ist die Dynamik, die dich befähigt, deine Familie nach
Gottes Plan zu gestalten.
Erinnerst du dich an Greg? Er wollte ein guter Ehemann und
Vater sein. Er arbeitete hart, um seiner Familie das Allerbeste zu
ermöglichen. Er sorgte sich wirklich um sie. Trotzdem war ihm
bewusst geworden, dass in den Beziehungen zu seiner Familie und
zu Gott etwas Wichtiges fehlte. Greg war so begabt und erfolgreich
bei allem, was er tat, dass er zu unabhängig geworden war. Er war so
beschäftigt, dass er sein Gebetsleben vernachlässigte. Die Anzeichen
für diese Unterlassung waren eine Entfremdung von Gott und ein
begrenzter Einfluss auf seine Familie. Ohne ein bedeutungsvolles
Gebetsleben zu führen, kann man kein gesundes, erbauliches
Gottesbewusstsein entwickeln oder eine Familie nach Gottes Plan
gestalten. Aber wie wichtig das Gebet in diesem Zusammenhang
auch ist, so ist es doch nur ein Teil des Puzzles.
„Sei still und wisse”
Wenn wir ein uns beherrschendes und tief greifendes Gottesbewusst­
sein entwickeln wollen, müssen wir laut Psalm 46 „still sein und
wissen”, dass er Gott ist (Ps. 46,11). Das bedeutet, sich regelmäßig
eine Auszeit von der Hektik des Lebens zu nehmen, um darüber
nachzudenken, wer und was Gott eigentlich ist. Psalm 46 beschreibt
einen Mann, der in außergewöhnlich schwierigen Zeiten voller Hoff­
nung, sicher und mutig auftritt. Und das ist nicht sein natürliches
Temperament. Er ist so ein Mann geworden, weil er sich Zeit
ge­nommen hat, um „still zu sein und zu wissen, dass er Gott ist”. Ich
rate dir dringend, es zu einer regelmäßigen Priorität zu machen, still
zu sein und über Gott nachzudenken, der in Jesus Christus offenbart
worden ist. Die Schrift lehrt, dass die Herrlichkeit Gottes durch
das Angesicht Jesu enthüllt wurde (2.Kor. 4,6). Christus ist „die
Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und der Ausdruck seines Wesens”
(Heb. 1,3). Verbringe regelmäßig Zeit damit, über die Person und
das Werk Jesu Christi nachzudenken – wer er ist und was er getan
hat, was er tut und was er tun wird. Strebe danach, ihn persönlich
kennen zu lernen. Sprich mit ihm über alles, was dich beschäftigt.
21
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Versetz dich einmal in die Lage eines Beobachters der einzelnen
Szenen im Neuen Testament und versuche dir vorzustellen, was
ge­
rade passiert. Betrachte, wie er lebte und sich mit Menschen
identi­fizierte und was er sagte und tat. Stell dir vor, was er wohl
dachte oder fühlte. Betrachte, wie die Menschen auf ihn reagierten.
Sieh seine Erhabenheit, seine Güte, seine Weisheit, sein Mitgefühl,
seine Rechtschaffenheit und Gerechtigkeit, seine Macht. Geh häufig
zu dem Kreuz, an dem er für deine Sünden starb. Geh weiter zu
dem leeren Grab, aus dem er auferstand und mit Macht zum Sohn
Gottes erklärt wurde. Verbringe Zeit auf dem Ölberg, von dem aus
er auffuhr in die Gegenwart Gottes, des Vaters. Versetze dich in
den Thronraum Gottes hinein, wo er sitzt, mit aller Autorität über
Himmel und Erde, und sich für dich einsetzt, und zum Besten der
Gemeinde über alle Dinge herrscht. Denke darüber nach, was all das
für seine Beziehungen zur Welt, zu uns Menschen, zur Geschichte –
und zu dir bedeutet.
Versuche mit Paulus, Christus besser kennen zu lernen als du
ihn je gekannt hattest (Phil. 3.10). Gib dich nicht damit zufrieden,
Christus nur aus zweiter Hand zu kennen. Ich ermutige Menschen,
die ihre persönliche Beziehung zu Jesus vertiefen wollen, eine stünd­
liche Gemeinschaftspause einzuhalten. Ein Mann stellte den Wecker
seiner Armbanduhr auf jede volle Stunde. Er erinnerte ihn daran,
sich auf Christus zu besinnen, mit ihm zu reden und über Gottes
Wort nachzudenken. Diese Pause wurde für ihn „die Pause der
Erfrischung” und half ihm, ein mehr Gott-bewusstes, Christuszentriertes Leben zu führen.
Die Bibel – ein Brief Gottes
Du kannst deine Beziehung zu Gott dadurch vertiefen, dass du regel­
mäßig über sein Wort nachdenkst, denn die Bibel offenbart uns in
erster Linie, wer und was Gott ist. „Die Schriften … die von mir
Zeugnis geben”, sagt Jesus in Johannes 5,39. David stellt fest: „Das
Gesetz des Herrn ist… zuverlässig, es macht den Unverständigen
weise … das Gebot des Herrn ist lauter, es erleuchtet die Augen. Die
Furcht des Herrn ist rein, sie bleibt in Ewigkeit. ”(Ps. 19,8-9) Beachte,
dass dieser Abschnitt Gottes Wort eng mit „der Furcht des Herrn”
22
Kapitel 1
Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater
verbindet. David tut dies, weil er weiß, dass ein gründliches Studium
des Wortes Gottes unausweichlich eine verstärkte Bewunderung
für Gott zur Folge haben wird. Ihm ist klar, dass diejenigen, die
sich konsequent und gehorsam an die Bibel wenden, um Gott zu
begegnen, nicht enttäuscht werden. Denn die Bibel ist Gottes Buch
(2.Tim. 3,16-17). Darin hat Gott seine Eigenschaften, seine Werke,
seine Anliegen, seinen Willen, seine Absichten, seine Pläne, seine
Wünsche für sein Volk und seine Pläne für die Welt, die ihn ablehnt,
enthüllt.
Nimm beim Lesen der Heiligen Schrift die Haltung und das
Bewusstsein ein, dass Gott direkt zu dir spricht. Lies sie so, wie du
einen Brief von einem guten Freund liest. Ihr tretet miteinander
in Kontakt. Du lernst deinen Freund besser kennen. Nimm die
Aus­sagen der Bibel an als direkt von deinem himmlischen Vater
kom­mend; als direkt von deinem persönlichen Herrn und Heiland,
der der großartige und ehrfurchtgebietende Herr der Schöpfung
und Erlösung ist. Betrachte die Lehren der Bibel nicht als abstrakte
Lebens­regeln – als Pflichten, die erfüllt werden müssen. Geh auf
Gottes Wort ein wie jemand, der aus lauter Gnade in die Familie
der großartigsten Person des ganzen Universums aufgenommen
wur­de. Sieh alles in der Heiligen Schrift als Einladung an, eine noch
tiefere Beziehung mit deinem majestätischen, unendlichen Vater und
Erlöser einzugehen.
Christliche Lebensberater geben Menschen, die Ehe- oder
Fa­
milien­
probleme haben, oft die Aufgabe, zwei Diagramme zu
zeichnen – eins, das die Höhepunkte und Tiefpunkte ihrer Be­ziehung
zu Gott darstellt, und eins, das die Höhepunkte und Tiefpunkte der
Be­
ziehungen innerhalb ihrer Familie darstellt. Interessanterweise
über­schneiden sich diese Höhepunkte und Tiefpunkte oft, wenn
diese beiden Diagramme miteinander verglichen werden. Oft haben
Menschen, die eine lebendige und tiefe Beziehung zu Gott haben,
auch eine gute Beziehung zu anderen Familienmitgliedern.
Greg hat diese grundlegende Lektion gelernt. Und du? Wenn
ja, bist du auf dem richtigen Weg, deine Familie nach Gottes Plan
zu gestalten. Wenn nicht, fordere ich dich auf, Buße zu tun, dein
Leben durch Gottes Gnade neu zu orientieren und das Wichtigste
23
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
an die erste Stelle zu stellen. Das wird dir und deiner Familie
richtig gut tun.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant­
worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Denke über dieses Kapitel nach (und falls nötig, lies es noch
einmal) und beantworte die folgenden Fragen:
a) Beschreibe mit eigenen Worten Gregs Problem und wie es
sich auf seine Familie auswirkte.
b) Wie beschreibt Psalm 128 den Ehemann und Vater in einer
gottgefälligen Familie? Was ist das auffälligste Merkmal des
Mannes, der in diesem Psalm beschrieben wird?
c) Warum ist laut Aussage der Bibel die Beziehung eines Man­
nes zu Gott so wichtig für ihn und für seine Familie? Wel­
che Vorteile verspricht Gott einem Menschen (und seiner
Fa­milie), der seine Beziehung zu Gott an die erste Stelle stellt?
d) Welche zwei verschiedenen Arten der „Gottesfurcht” werden
in diesem Kapitel erwähnt? Beschreibe die zerstörerische Angst
vor Gott. Welche Beispiele aus der Bibel veranschaulichen die­
se Art von Furcht? Fällt dir jemand aus der Geschichte oder
der Gegenwart ein, der eine zerstörerische Angst vor Gott
hatte/hat? Wie hat sich diese Angst auf sein Leben und seine
Familie ausgewirkt? Warum hatte er solch eine Angst vor
Gott? Ist diese Angst für ihn realistisch? Ist sie gerechtfertigt?
e) Beschreibe die Gottesfurcht, die heilsam und aufbauend ist.
Wie würdest du sie jemandem erklären, der keine bib­lische
Kenntnis der Gottesfurcht hat? Was sind ihre Merk­
male?
Wel­che Personen aus der Bibel verdeutlichen diese Got­tes­
furcht? Welche Auswirkungen hatte sie deiner Mei­nung nach
auf ihr Leben und ihre Familien?
f) Fällt dir jemand aus der Geschichte oder aus der Gegenwart
ein, der diese aufbauende Gottesfurcht hatte/hat? Wie hat sie
sich auf sein Leben und seine Familie ausgewirkt?
g) Welche Anweisungen wurden in diesem Kapitel gegeben,
24
Kapitel 1
h)
i)
j)
k)
Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater
um diese gesunde Art der Gottesfurcht zu entwickeln? Hast
du noch andere Vorschläge, wie man eine lebendige Gottes­
furcht, d.h. Beziehung zu ihm, aufrecht erhalten kann?
Stimmst du der Hauptaussage dieses Kapitels zu, dass eine
ge­sunde Beziehung zu Gott die wichtigste Voraussetzung für
einen gottgefälligen Ehemann und Vater ist? Warum oder
wa­rum nicht?
Bewerte jetzt deine Beziehung zu Gott. (Ausgezeichnet ___,
gut ___, mittelmäßig ___, nicht vorhanden ___.) Begründe
deine Selbsteinschätzung. (Falls es dir schwer fällt, diese und
die folgenden beiden Fragen zu beantworten, hilft dir die
nächste Frage vielleicht etwas weiter.)
Stellst du im täglichen Leben tatsächlich, nicht nur theo­
retisch, das Wichtigste an die erste Stelle? (Regelmäßig ___,
oft ___, manchmal ___, selten ___, nie ___.) Begründe
deine Bewertung.
Besteht Verbesserungsbedarf in deiner Beziehung zu Gott?
(Ja ___, nein ___, vielleicht ___.) Wenn ja, inwieweit?
2. Denk über die zweiundzwanzig in diesem Kapitel aufgeführten
Vorteile nach, die demjenigen versprochen werden, der Gott
fürchtet. Überlege, was jeder einzelne Vorteil im täglichen
Leben praktisch bedeutet. Geh die Liste einzeln durch und
frage dich bei jedem Punkt, ob er auf dein Leben regelmäßig
(=4), oft (=3), gelegentlich (=2), selten (=1) oder nie (=0)
zutrifft. Laut diesen Aussagen beeinflusst die Gottesfurcht
das Leben eines Mannes auf bestimmte Art und Weise. Du
kannst also diese Liste der Vorteile als Messlatte ansetzen,
um die Tiefe und den Zustand deiner Beziehung zu Gott
zu bewerten. Nachdem du anhand dieser zweiundzwanzig
Aussagen eine Selbsteinschätzung vorgenommen hast, stell
eine Liste mit allen Punkten zusammen, bei denen du 0, 1
oder 2 Punkte erreicht hast. Stell einen Plan auf, wie du deine
Beziehung zu Gott verbessern kannst. Vielleicht möchtest du
dich schriftlich verpflichten und dein Vorhaben mit deinem
Namen unterschreiben. Bitte Gott täglich um Hilfe bei den
25
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
gewünschten Verbesserungen. Greif regelmäßig auf diese
Liste zurück, um dich immer wieder neu zu bewerten und zu
motivieren.
3. Was verraten die folgenden Bibelverse über die Beziehung
Abrahams zu Gott, insbesondere über seine Gottesfurcht?
Gibt es irgendwelche Hinweise darauf, wie sich Abrahams
Gottesfurcht entwickelt hatte und unterhalten wurde? Wie
wirkte sie sich auf sein Leben und auf seine Familie aus?
Versuche herauszufinden, was du konkret tust oder tun solltest,
um deine Beziehung zu Gott zu fördern und deine Familie
nach Gottes Plan zu gestalten. Betrachte jeden Abschnitt und
frage dich: Was sagt Gott mir über meine Beziehung zu ihm?
Wie kann ich das, was ich hier entdecke, auf mein Leben und
meine Familie übertragen? Wie erfolgreich bin ich bei der
Anwendung der Lehren dieses Abschnitts?
a) 2.Chronik 20,7
b) Jesaja 41,8
c) Jakobus 2,23
d) 1.Mose 12,1-8
e) 1.Mose 13,8-9
f) 1.Mose 14,14
g) 1.Mose 14,22-23
h) 1.Mose 14,24
i) 1.Mose 21,10-11
j) 1.Mose 22,11-12
k) Römer 4,19-21
4. Analysiere die folgenden Verse und beachte, was sie lehren
oder andeuten über: 1. die Größe Gottes, 2. Gottesfurcht,
3. wie unsere Beziehung zu Gott aussehen sollte, 4. welchen
Platz Gott in unserem Leben einnehmen sollte, 5. wie man
Gottesfurcht entwickeln kann, 6. was mit dem Menschen
passiert, der Gott fürchtet.
a) 1.Mose 5,22
b) 2.Mose 15,11
26
Kapitel 1
Das Wichtigste zuerst – Der ultimative Ehemann und Vater
c) 2.Mose 34,6-7
d) 5.Mose 6,13; 10,12
e) 2.Chronik 20,6-19
f) Psalm 19,7-11
g) Psalm 34,7+11
h) Psalm 128,1
i) Psalm 130,4
j) Psalm 139,1-6
k) Psalm 139,7-10
l) Psalm 139,13-16
m) Psalm 139,23-24
n) Psalm 147,11
o) Sprüche 1,7
p) Sprüche 8,13
q) Sprüche 14,26-27
r) Sprüche 19,23
s) Sprüche 28,14
t) Jesaja 40,10-31
u) Matthäus 10,28
v) Römer 8,26-39
w) Römer 11,36
x) Offenbarung 4,8-11
y) Offenbarung 5,9-14
z) Offenbarung 15,3-4
5. Denke darüber nach, was du gerade gelernt hast, und schreibe
deine Antwort zur folgender Frage auf: Wie sollte sich dies
alles auf mein eigenes Leben und auf die Beziehungen in mei­
ner Familie auswirken?
27
Kapitel 2
Mit Sally ist etwas passiert –
Die erfüllte und erfüllende
Ehefrau und Mutter
So weit Sally zurückdenken konnte, hatte sie sich immer darauf
gefreut, eine Ehefrau und Mutter zu sein. Der größte Wunsch ihres
Lebens war zu heiraten und Kinder zu haben.
Als sie vier Jahre alt war, ließen sich ihre Eltern scheiden. Ihren
biologischen Vater sah Sally nie wieder. Ihre Mutter heiratete bald
erneut, aber Sally hatte keine enges Verhältnis zu ihrer Mutter und
zum Stiefvater. Sie war ein einsames und trauriges Mädchen; in
Gegenwart anderer Menschen fühlte sie sich nie wohl. Sie fühlte sich
minderwertig, ungewollt und unbeachtet, sie sehnte den Tag herbei,
an dem sie heiraten und ihre eigene Familie gründen konnte. Dann
würde sie dazugehören. Dann würde sie lieben und geliebt werden.
Und tatsächlich heiratete Sally, als sie gerade erst siebzehn Jahre
alt war. Schon bald bekam sie ihr erstes Kind. Innerhalb von ein
paar Jahren bekam sie noch zwei. Sie und ihr Ehemann waren
beide Christen geworden und engagierten sich in einer bibeltreuen
Gemeinde. Ihr Mann war treu, liebevoll und freundlich. Sein
Ge­schäft war eine Herausforderung, aber es lief gut.
Jetzt hatte Sally den Ehemann und die Familie, die sie schon
immer haben wollte. Aber sie war nicht glücklich. Obwohl sie jetzt
hatte, was ihr Erfüllung bringen sollte, fühlte sie sich immer noch
wie ein Versager. Sie fühlte sich unter Druck gesetzt, schuldig, ängst­
lich, unzulänglich und überfordert. Sie fühlte sich als Ehefrau, als
Mutter und als Person völlig haltlos.
28
Kapitel 2
Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter
Sally versuchte, ihrer Verzweiflung Herr zu werden, indem sie neue
Aktivitäten aufnahm. Da sie hart arbeitete und viele Fähigkeiten
besaß, fand sie eine verantwortungsvolle Position und wurde eine
Karrierefrau. Außerdem engagierte sie sich noch stärker in der
Ge­meinde und in einer anderen christlichen Organisation. Die Leute
sahen in ihr eine Frau mit Durchsetzungsvermögen. Aber Sally war
immer noch unzufrieden. Sie sank immer tiefer in Depressionen.
Sally wollte so nicht weitermachen. Sie musste sich ändern. Und
so kam sie in meine Beratung mit der Bitte, ihr zu helfen, als Frau
erfüllter und erfüllender zu werden.
Hilfe gesucht
Vielleicht kannst du dich mit Sally identifizieren. Vielleicht siehst
du dich selbst nicht ganz so negativ wie sie, aber du fühlst, dass
etwas fehlt. Und du willst gerne Hilfe annehmen, um eine erfüllte
und erfüllende Person, Ehefrau und Mutter zu werden. Du sehnst
dich tief in deinem Inneren nach Weisung und Bestätigung, um
Gottes Plan für dich zu erkennen und eine klarere Perspektive von
deiner Rolle in der Gestaltung deiner Familie nach Gottes Plan zu
bekommen.
Das ist, was Sally wollte, und sie bekam es. Es sind einige Jahre
vergangen, seit sie zum ersten Mal um Hilfe bat. Seitdem hat sie sich
stark verändert. Heute ist sie nicht mehr annähernd so ehrgeizig,
ängstlich und haltlos wie früher. Zwar wird sie auf diesen Gebieten
noch manchmal versucht, sie hat aber schon erhebliche Siege über
ihre Probleme errungen.
Vor kurzem bekam ich einen Brief von Sally, in dem sie schrieb:
„Ich freue mich, Ihnen mitteilen zu können, dass meine alten Freun­
de [die Verzweiflung und Depressionen, die sie erlebt hatte] mich
nicht mehr so oft besuchen wie früher. Ich bin jetzt viel glücklicher,
sicherer und erfüllter.”
Was ist mit Sally geschehen?
Was hat diese Veränderung bewirkt? Sally findet Erfüllung und
Sicher­heit in einem tieferen Verständnis für Gottes Plan für sie als
Person, Ehefrau und Mutter. Sie sieht sich immer mehr aus Gottes
29
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Perspektive und versucht, ihr Leben nach seinen Richtlinien zu
gestalten. Sie hat verstanden, dass sie keine Superfrau sein muss,
die irgendein illusorisches Ziel zu erreichen versucht. Sie hat jetzt
ein klareres Bild davon, was Gott von ihr erwartet und wie sie das
erreichen kann. Und darin findet sie ihre Erfüllung.
Ich kann natürlich nicht alles weitergeben, was Sally in den
Be­ratungsstunden gelernt hat. Ich werde aber einige grundsätzliche
Dinge mitteilen, die sie in die Tat umsetzte und die ihr neuen Auf­
trieb gaben.
Wir haben im vorigen Kapitel Psalm 128 betrachtet und erfahren,
welche Rolle Gott für einen Ehemann und Vater in der Familie
vorgesehen hat. Jetzt möchte ich unsere Aufmerksamkeit darauf
len­ken, was Gott in diesem Psalm über die Rolle der Ehefrau und
Mutter zu sagen hat. Echte persönliche Erfüllung (Erfolg) ist ein
Nebenprodukt eines Gott-zentrierten Lebens, wo ein Mensch zu
dem wird und das tut, was Gott gefällt.
Gottes Wort an die Ehefrau und Mutter
Gott hätte hunderte von Vergleichen anführen können, um die
Rolle der Frau in der Familie zu beschreiben, aber er legte sich auf
das Bild des Weinstocks fest (Psalm 128,3). Dies scheint für uns im
zwanzigsten Jahrhundert vielleicht keine besonders aussagekräftige
Beschreibung zu sein. Aber für die Menschen zu biblischen Zeiten
war das anders.
Ein Weinstock hatte eine gewaltige Bedeutung. Er symbolisierte
Luxus, Kostbarkeit und Reichtum – etwas sehr Erstrebenswertes
und Wertvolles. Als Gott das gute Land beschreiben wollte, in das
er sein Volk führen würde, sagte er, es sei ein Land voller Weinstöcke
(5. Mose 8,7-8). Als der König von Syrien das Volk Israel dazu zu
bringen versuchte, sich seiner Herrschaft zu unterwerfen, versprach
er jedem einen eigenen Weinstock (Jesaja 36,16). Gott nannte das
Volk Israel, mit dem er eine einzigartige Beziehung einging, seinen
Weinstock und adelte ihn dadurch (Jeremia 2,21; Hosea 10,1).
Jesus machte dem Weinstock das höchste Kompliment, indem er
sich selbst als Weinstock und Gott, den Vater, als Weingärtner
bezeichnete (Johannes 15,1+5).
30
Kapitel 2
Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter
Im Zusammenhang mit Johannes 15 ist es offensichtlich, dass
Jesus den Weinstock gebraucht, um sich selbst zu beschreiben, weil
er Leben, Erfrischung und Dienst symbolisiert. Jesus ist ein Muster­
beispiel für all diese Dinge: „… denn getrennt von mir könnt ihr
nichts tun.” (Johannes 15,5) Wir sind völlig abhängig von ihm als
unserer Lebensquelle. Er ist unser Weinstock.
Hätte unser Herr der Ehefrau und Mutter ein besseres Kompli­
ment machen können? Hätte er uns in irgendeiner Weise noch
stärker mit ihrer wichtigen häuslichen Verantwortung beeindrucken
können? Ihr Frauen, Gott adelt euren strategischen Dienst, indem er
euch mit Weinstöcken vergleicht.
Sally, der Weinstock
Diese biblische Wahrheit musste Sally erst begreifen und wirklich
glauben. Seit ihrer Kindheit hatte sie sich vor Gott, ihrer Familie
und allen anderen Menschen ungewollt, wertlos und untragbar
ge­fühlt. Als sie in die Seelsorge kam, beurteilte sie ihren Wert als
Person immer noch nach ihrem unbiblischen Maßstab. Sally musste
die Tatsache akzeptieren, dass Gott sie als Weinstock geschaffen und
ihr einen strategischen Dienst an ihrem Mann und ihren Kin­dern
übertragen hatte. Ja, sie hatte gesündigt; ja, sie hatte versagt; ja, sie
war nicht die perfekte Ehefrau und Mutter; ja, es gab noch Raum
zur Verbesserung. Aber weil sie eine erlöste Sünderin war, die mit
Christus in Verbindung stand, ihr Leben mit ihm teilte und vom
Heiligen Geist erfüllt war, hatte ihr Leben jetzt Bedeutung und
Potenzial. Gott nannte sie einen Weinstock und Sally musste ver­
stehen, welche Bedeutung dieses Wort für ihr Leben hatte.
Gottes Wort sagte ihr, dass sie in mancher Hinsicht für ihre
Fa­milie das war, was Christus für sein Volk ist. Natürlich nicht
in der absoluten und vollen Bedeutung. Aber ihr Dienst sollte ein
Spiegel­bild des Dienstes Christi sein. Deshalb war sie wichtig und
wertvoll, und so ist es mit jeder Ehefrau und Mutter.
Der fruchtbare Weinstock
Beachte in Psalm 128, dass Gott eine Ehefrau und Mutter nicht ein­
fach nur dazu beruft, ein Weinstock zu sein, sondern ein fruchtbarer
31
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Weinstock zu sein (Psalm 128,3). Manche Weinstöcke nützen
nichts und niemandem. Sie sehen vielleicht gut aus, aber sie tragen
keine Frucht. Sie nehmen nur Platz weg und benötigen viel Pflege.
Sie ziehen sogar Nährstoffe von anderen Pflanzen ab und können
Krankheiten an andere weitergeben.
Ihr Frauen, Gott hat euch in diese Welt gesetzt, um einen wich­
tigen Beitrag zu leisten und ein fruchtbarer Weinstock zu sein. Als
Gott die Welt schuf, sagte er zu dem Mann und zu der Frau: „Seid
fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie euch
untertan; und herrscht über die Fische im Meer und über die Vögel
des Himmels und über alles Lebendige, das sich regt auf der Erde!”
(1.Mose 1,28) Beachte besonders, dass Gott diesen Auftrag dem
Mann und der Frau gab. Die Frau sollte als Partnerin des Mannes
ebenfalls fruchtbar sein und über die Erde herrschen. Später sagte
Gott über die Frau, dass sie eine geeignete Hilfe für den Mann
war (1.Mose 2,18). Wir wissen, dass das Wort, das hier als „Hilfe”
übersetzt wurde, keine Minderwertigkeit unterstellen soll, denn
es steht im Zusammenhang mit dem Wort, das oft als „treffen”
übersetzt wird und genauso gut als „entsprechend”, „geeignet” oder
„passend” übersetzt werden könnte. Die Frau soll eine Hilfe sein, die
dem Mann „entspricht”. Sie passt zu ihm. Sie ist kompetent. Sie steht
zum Mann und hilft ihm zu erreichen, was er alleine nie erreichen
könnte. Sie ergänzt ihn in Bereichen, die ebenso wichtig sind wie
seine eigenen. Gemeinsam bilden sie ein fähiges Paar, das mit Gottes
Hilfe das erreicht, was er für sie vorgesehen hat.
Interessant ist auch die Tatsache, dass das Wort, das hier für die
Frau gebraucht wird, in der Heiligen Schrift oft für Gott verwendet
wird (vgl. 5.Mose 33,29; Psalm 121,1-2). Gott ist in seiner ganzen
Art genau die „Hilfe”, die wir brauchen. Wir kommen ohne ihn
einfach nicht zurecht. Und weil Gott die Frau so geschaffen hat,
wie sie ist, ist sie die beste Hilfe für den Mann, um seine (ihm von
Gott gegebene) Verantwortung in der Welt und zu Hause erfüllen
zu können.
32
Kapitel 2
Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter
Die Eigenschaften der Frucht
Wenn dem allem so ist, welche Frucht sollst du dann tragen? Gott
gibt in vielen Bibelstellen genauere Einzelheiten.
Auf jeden Fall ist die in Galater 5,22-23 beschriebene Frucht
des Geistes ein Teil davon. Gott will, dass dein Leben von Liebe,
Freu­
de, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut
und Selbstbeherrschung erfüllt ist. Als Jesus in Johannes 15,8 sagte:
„Dadurch wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt
und meine Jünger werdet”, sprach er in erster Linie über die Frucht
des Geistes. Wenn du geistliche Frucht bringst, sehen andere die
Auswirkungen der Macht und Größe Gottes in deinem Leben.
In einer gottgefälligen Familie muss sich eine Frau mehr Gedan­
ken darüber machen, wie sie sich gibt, als über das, was sie leistet.
Christ­liche Verhaltensweise ist in einem christlichen Charakter ver­
wurzelt. Deswegen hängt es von dem Wirken des Heiligen Geistes
in deinem Leben ab, wie viel du für Gott bewirken und wie sehr du
anderen helfen kannst.
Petrus betont den selben Gedanken, wenn er zu den Ehefrauen
sagt: „Gleicherweise sollen auch die Frauen sich ihren eigenen
Männern unterordnen, damit, wenn auch etliche sich weigern, dem
Wort zu glauben, sie durch den Wandel der Frauen ohne Wort
gewonnen werden, wenn sie euren in Furcht keuschen Wandel
ansehen. Euer Schmuck soll nicht der äußerliche sein, Haarflechten
und Anlegen von Goldgeschmeide oder Kleidung, sondern der
verborgene Mensch des Herzens in dem unvergänglichen Schmuck
eines sanften und stillen Geistes, der vor Gott sehr kostbar ist. Denn
so haben sich einst auch die heiligen Frauen geschmückt, die ihre
Hoffnung auf Gott setzten und sich ihren Männern unterordneten.”
(1.Petrus 3,1-5)
Petrus weist darauf hin, dass du in deiner Familie durch die
Art, wie du dein Leben führst, am meisten Frucht bringen kannst.
All deine Bemühungen, deinen Ehemann zu unterstützen werden
vergeblich sein, wenn in deinem Leben der christliche Charakter
(= Christus) nicht sichtbar ist.
33
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Die Frau als „fruchtbarer Weinstock”
Es gibt wahrscheinlich keine Bibelstelle, die uns einen besseren Über­
blick darüber verschafft, was es bedeutet, als Ehefrau und Mutter ein
„fruchtbarer Weinstock” zu sein als Sprüche 31,10-31. Hier finden
wir ein Muster-Beispiel für alle Frauen, die eine gottgefällige Familie
anstreben.
Ihr Mann und ihre Kinder respektieren sie sehr und loben sie
öf­fentlich (V. 28). Ihr Leben beeinflusst das Leben ihrer Lieben auf
eine Art, die sie mit Dankbarkeit erfüllt. Und ihr Einfluss reicht weit
über ihr eigenes Heim hinaus in die Gesellschaft. Sie wird in ihrem
ganzen Umfeld anerkannt, respektiert und geschätzt. Wegen ihr ist
die Welt ein besserer Ort (Verse 16.20.24.31).
Bestimmte Aspekte dieses Porträts können auf Frauen aus
In­dustrie­ländern aus mindestens zwei Gründen nicht direkt über­
tragen werden. Erstens treffen einige Beschreibungen auf die heu­tige
Welt nicht mehr zu. Einen Acker zu kaufen und zu bearbeiten wie
in Vers 16, war zum Beispiel eher typisch in einer Agrargesellschaft.
Genauso waren Spinnrocken und Spindeln damals häufig in den
Häusern anzutreffen (Vers 19). Zweitens standen dieser Frau Mög­
lichkeiten zur Verfügung, die damals wie heute nicht jeder hat. Sie
hatte Mägde (Vers 15), Geld, um ein Feld zu kaufen, und wertvolle
Kleidung (Verse 16.21.22).
Die in dieser Schilderung aufgeführten Grundprinzipien sind
jedoch allgemein anwendbar. Der Charakter und die Verhaltensweise
dieser Frau sind ein leuchtendes Beispiel dafür, wie Gott sich eine
Ehefrau und Mutter in einer ihm gefälligen Familie gedacht hat. Sie
ist in gewisser Weise ein Beispiel für jeden Christen.
Die Eigenschaften einer Ehefrau und Mutter als
„fruchtbarer Weinstock”
Lasst uns einmal genauer betrachten, was es bedeutet, als Ehefrau
und Mutter ein „fruchtbarer Weinstock” zu sein. Nach Aussage
von Vers 30 ist der fruchtbare Weinstock eine Frau, die den Herrn
fürchtet. Gott steht im Mittelpunkt ihres Lebens. So wie der Ehe­
mann in Psalm 128 hat auch sie ein großes Gottesbild – ein genaues,
34
Kapitel 2
Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter
wachsendes, alles durchdringendes Bewusstsein des wahren und
lebendigen Gottes. Gott ist eine mächtige Realität für sie. Alles
Gute, das in ihr steckt, entspringt ihrem großen Gottesbild. Er
ist ihr Ein und Alles – ihre motivierende Kraft, ihre Stärke, ihre
Hoffnung, ihr Ratgeber. Das Geheimnis für ihre Fruchtbarkeit ist
nicht ihre dynamische Persönlichkeit, ihre starke Willenskraft, ihre
äußere Schönheit, ihre angenehmen Umstände, ihre besonderen
Möglichkeiten, ihre gute Ausbildung, ihre natürliche Begabung oder
ihr außergewöhnlicher Ehemann und ihre bemerkenswerten Kinder.
Sie führt ein bewundernswertes Leben, weil sie eine lebendige und
tiefe Beziehung zu Gott hat.
Ein unmöglicher Traum?
Vielleicht hast du Sprüche 31 gelesen dieses Kapitel für unrealistisch
und unerreichbar erklärt. Wenn ja, bist du davon ausgegangen,
dass du bei der Ausgestaltung eines solchen Lebens auf dich allein
gestellt bist. Du hast auf deine Vergangenheit, deine Gegenwart,
deine Möglichkeiten, deine Umstände gesehen und gesagt: „Keine
Chance!” Denn du hast nicht verstanden, dass du von Gott abhängig
bist und dass das Ziel, eine solche Person zu werden, das Ergebnis
einer engen, persönlichen Beziehung zu Gott ist. Wenn diese nicht
vorhanden ist, wirst du dich von dem Gelesenen überfordert fühlen.
Genau das passierte mit Sally. Sie hatte ein klares Bild von ihren
Aufgaben, ein bedrückendes Pflichtbewusstsein. Sie fühlte sich
ge­trieben, alles perfekt zu machen, obwohl sie gar nicht wusste, was
das genau bedeutete. Sie wusste nur, dass sie ihren selbsterfundenen
Standard erreichen sollte – und niemals dazu in der Lage sein würde.
Ihr Schema war: Sie setzte alles daran, ihre eigenen Erwartungen
an sich selbst zu erfüllen, stempelte sich dann selbst als Versager ab
und brach schließlich vor lauter Enttäuschung und Erschöpfung
zu­
sammen. Dann erholte sie sich wieder, krempelte ihre Ärmel
hoch und wiederholte den ganzen Vorgang von vorne, immer und
im­mer wieder. Die ständige Wiederholung dieses Szenarios hatte im
Laufe der Jahre zu Entmutigung, Ernüchterung, Verzweiflung und
Depressionen geführt.
Sally bekannte sich zwar als Christin, aber ihre Beziehung zu
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Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Gott war nicht sehr bedeutungsvoll. Genau genommen war sie in
ihrer Einstellung zu Gott eher Werk-orientiert. Zwei der wichtigsten
Wörter in ihrem Vokabular waren „tun” und „vorwärts”. Es belastete
sie, dass sie sowohl Gott, als auch ihre Familie enttäuschte.
Da in ihrer Gemeinde aus der Bibel gepredigt wurde, kannte
sie sich etwas in der Bibel aus. Verstandesmäßig wusste sie, dass
Gott uns allein durch die Person und das Werk Christi aus Gnade
(=unverdiente Güte) gerecht macht (uns für schuldlos erklärt und
die Verdienste Christi auf unser Konto gutschreibt). Aber in der
Praxis hatte dieses Wissen keine Auswirkung auf ihr Denken und
Handeln. Sally fürchtete Gott, aber hauptsächlich in dem negativen
Sinne, der ihn als strengen Zuchtmeister darstellte, der Unmögliches
von ihr verlangte, und bereit stand, um auf sie einzuschlagen, wenn
sie versagte. Sie wusste theoretisch, dass Gott ein gnädiger, wun­der­
barer und liebevoller himmlischer Vater der Christen ist. Aber im
täglichen Leben standen ihre Pflichten im Vordergrund.
Folglich war ihr Verhältnis zu Gott unpersönlich und freudlos. Sie
wusste nicht viel über das große, heilsame Gottesbild, das bereichert
und bevollmächtigt. Sie setzte am falschen Ende an und versuchte,
die Frucht eines christlichen Lebens hervorzubringen, ohne seine
Wur­zeln zu pflegen.
Als Sally neue Erkenntnisse über das Leben als Christ und ihre
Beziehung zu Gott gewann, erlebte sie eine ganz neue Art von Frei­
heit. Seit sie es zu ihrer höchsten Priorität gemacht hat, Gott besser
kennen zu lernen, hat sie eine neue Quelle für Lebenssinn, Akzep­
tanz, Kraft und Sicherheit entdeckt. Und sie ist viel zufriedener.
Schwerpunkte in Sprüche 31
Wenn man Sprüche 31 aufmerksam liest, drängt sich eine bestimmte
Schlussfolgerung auf. Eine gottesfürchtige Ehefrau und Mutter ist
eine familienorientierte Frau. Psalm 128 bezeichnet sie als fruchtbaren
Weinstock innerhalb des Hauses. Sprüche 31 betont, dass diese Frau
sich vorbildlich um ihre Familie kümmert. Obwohl sie eindeutig
nicht auf ihren Haushalt beschränkt ist (Verse 13.14.16.20), sieht sie
ihre Familie als ihren wichtigsten Dienst und fühlt sich ihr zutiefst
36
Kapitel 2
Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter
verpflichtet. Sie vernachlässigt ihre Familie nicht, wenn sie auch
andere wichtige Dinge tut.
„Auf sie verlässt sich das Herz ihres Mannes.” (Vers 11) Er weiß,
dass sie ihm treu ist, und dass er ihr vorbehaltlos vertrauen kann.
Das bedeutet, dass er sich auf ihre Unterstützung und Hilfe verlässt
und weiß, dass sie ihn nicht enttäuschen wird. Das hebräische Verb,
das hier gebraucht wird, bedeutet wörtlich „sich stützen auf”. Es
unterstellt, dass die Frau zuverlässig ist. Wenn der Ehemann ein
offenes Ohr braucht, wenn er müde und entmutigt ist, weiß er, dass
sie seine Zuflucht ist. Er fühlt sich sicher, wenn er ihr seine Ängste,
seine Träume, seine Freuden und seine Probleme erzählt, weil er
weiß, dass sie sich nicht über ihn lustig machen oder ihn verachten
wird. Er kann sich darauf verlassen, dass sie liebevoll und ehrlich
zu ihm sein wird. Ihr Mann weiß, dass er mit ihrer Unterstützung
im Gebet rechnen kann, wenn er sich Herausforderungen und der
täglichen Verantwortung gegenübersieht. Sie ist seine Quelle der
Erfrischung. Sie bereichert sein Leben und macht es interessant.
Es macht ihr keine Freude, ihn zu verletzen, sondern sie ist immer
bereit, ihm beizustehen (Verse 11.12.23.28). Es besteht kein Zweifel,
dass ihr Mann bei ihr einen hohen Stellenwert hat.
Das öffentliche Lob durch ihren Ehemann zeugt davon, dass er
damit zufrieden ist, wie sie auf ihn eingeht. Er schätzt sie mehr als
alle Frauen der Welt (Verse 28 und 29). Sie vernachlässigt weder ihn
noch die Familie, während sie ihren eigenen Interessen nachgeht. Sie
ist ein feinfühliger, zugänglicher und vertrauenswürdiger fruchtbarer
Weinstock.
Auch über die Beziehung dieser Frau zu ihren Kindern sagt dieser
Abschnitt eine Menge aus. Wir lesen, dass ihre Kinder aufstehen
und sie segnen. Sie sagen zusammen mit ihrem Mann: „Viele Töch­
ter haben sich als tugendhaft erwiesen, du aber übertriffst sie alle!”
(Vers 29) Das würden sie wohl kaum sagen, wenn sie mürrisch,
gereizt, launisch, verbittert oder manipulierend wäre. Sie sind von
ihrer Frömmigkeit beeindruckt, die sich in einem edlen Charakter
und einer großmütigen Verhaltensweise zeigt. Und sie sind dankbar
dafür, dass sie sich so sehr für ihre Familie einsetzt.
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Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Die Superfrau-Zisterne
Sally musste lernen, ihre Familie in diesem Licht zu betrachten.
Sie liebte und sorgte sich sehr um sie. Aber sie war fast unmerklich
mit einem unbiblischen Wertesystem infiziert worden, das ihr vor­
gab, nur als Superfrau wertvoll zu sein. Das bedeutete, eine höhere
Aus­bildung zu haben, einem Beruf nachzugehen und sich in vielen
Organisationen und Aktivitäten zu engagieren oder gar die Leitung
zu übernehmen.
Sally hatte zu Beginn ihrer Ehe versucht, als treu sorgende Ehe­
frau und Mutter Erfüllung und Bestätigung zu finden. Zu ihrer
Ent­täuschung brachte dies aber nicht das erhoffte Ergebnis. In ihrer
Verzweiflung nahm sie immer wieder neue Aktivitäten auf und
nahm schließlich auch leitende Stellen an. Traurigerweise verstärkte
dies aber ihre Verzweiflung, anstatt die ersehnte Verbesserung zu
bringen. Sie bekam Bulimie und Depressionen, wurde ängstlich
und frustriert. Schließlich erkannte Sally, dass sie versucht hatte, aus
„löchrigen Zisternen” zu trinken, die den Durst nicht stillen können.
Sie hatte in Menschen und Dingen nach Erfüllung gesucht, anstatt
bei Gott. Sie hatte zugelassen, dass ihre eigene Meinung und die
Anschauungen anderer ihr Denken beherrschten.
Die Perspektive Gottes
So wie sich Sallys Einstellung Gott gegenüber änderte, veränderte
sich auch ihre Einstellung zu ihrer Familie. Sie entschied, Gott
be­stimmen zu lassen, was im Leben wirklich zählt. Sie erkannte in
der Heiligen Schrift, dass die Familie für Gott überaus wichtig ist.
Sie glaubte Gottes Sichtweise in Bezug auf den Stellenwert, den die
Familie in ihrem Leben haben sollte.
Obwohl Sally sich weiterhin außer Haus engagierte, tat sie dies
mit einer neuen Einstellung und aus einem anderen Grund als zuvor.
Sie wurde immer familienorientierter, indem sie mehr diente als sich
bedienen zu lassen, und tat ihren Dienst, weil sie bei Gott Erfüllung
fand, nicht um Erfüllung zu finden.
Gläubige Ehefrauen und Mütter sollen zu Hause fruchtbare
Wein­stöcke sein (Psalm 128,3). Wenn du eine verheiratete Frau bist,
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Kapitel 2
Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter
sollte deine Familie mit Abstand das wichtigste Einsatzgebiet deines
Lebens sein. Der Beitrag, den du hier für das Reich Gottes und die
Gesellschaft leisten kannst, kann nicht überbetont werden. Höre auf
keinen, der versucht, den Stellenwert der Familie abzuwerten. Dein
Gott sagt etwas Anderes. Glaube ihm!
So wie die Frau in Sprüche 31 kannst du dich ruhig an ver­schie­
de­nen Aktivitäten außer Haus beteiligen. Hoffentlich wirst du deine
von Gott gegebenen Gaben dazu einsetzen, Christus und seinem
Volk in der Gemeinde und in der Gesellschaft zu dienen. Viel­leicht
hilfst du auch bei anderen christlichen Organisationen aus. Du
kannst auch berechtigterweise außerhalb deines Hauses arbeiten,
aber ich bitte dich sehr, alles, was du tust, zur Ehre Gottes und
deiner Familie zuliebe zu tun. Lass nicht zu, dass diese wichtigsten
aller Beziehungen durch irgendetwas gestört werden.
Die Notwendigkeit eines edlen Charakters
Im Lichte dessen betrachtet, was wir vorhin über die Basis für
eine christliche Verhaltensweise erkannt haben, kann es nicht
scha­den, noch einmal zu betonen, dass die Frau als „fruchtbarer
Weinstock” einen „edlen Charakter” hat (Spr. 31,10). Ihre Taten
waren das Ergebnis ihrer Hingabe und Beziehung zu Gott. Ihre tiefe
Ehrfurcht vor Gott hat bei ihr zu einem noblen Charakter geführt,
der sich in den beispielhaften Gesinnungen und Taten äußerte, die
in dem Abschnitt beschrieben werden. Sie ist selbstlos, großzügig
und fürsorglich. Sie sorgt sich um ihre Familie, um die, die für sie
arbeiten und um die Armen und Bedürftigen. Sie ist diszipliniert.
Sie kann am frühen Morgen aufstehen, oder bis spät in die Nacht
arbeiten. Sie achtet darauf, was sie isst, und betätigt sich körperlich
ausreichend, um fit zu sein – ihre Arme sind stark.
Sie ist zufrieden und zuversichtlich. Sie genießt, was sie tut. Sie
kann darüber nachdenken, was sie erledigt hat, und spüren, dass ihr
Ertrag gut ist. Sie ist nicht so beschäftigt mit ihrer Arbeit, dass sie
keine Zeit mehr hätte, sich hinzusetzen und die Frucht ihrer Arbeit
zu genießen. Sie kann ihre Kinder in die Arme nehmen und ihnen
zuhören. Ich vermute, sie ist die Art von Frau, die sogar mit ihnen
spielt.
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Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Diese Frau kann lächeln und lachen. Sie blickt voller Hoffnung
und positiver Erwartung in die Zukunft. Man verbringt gerne Zeit
mit ihr. Sie bleibt locker, arbeitet hart und vertraut Gott. Sie mag
Menschen und bemüht sich, eine Ermutigung für andere zu sein.
Ihren Mund öffnet sie mit Weisheit, und freundliche Unterweisung
ist auf ihren Lippen.
Es gibt Hinweise in diesem Text, dass diese Frau nicht unbedingt
besonders anmutig, strahlend oder von natürlicher Schönheit war.
„Anmut ist trügerisch und Schönheit vergeht.” (Sprüche 31,30) In
den wichtigsten Lebensbereichen strahlte sie aber trotzdem Schön­
heit aus – in ihrem Charakter und ihrem Verhalten. Das gab ihr
einen mächtigen Einfluss in ihrem Heim, unter Gottes Volk und in
der Welt. Sie war ein fruchtbarer Weinstock.
Die vier grundlegenden Faktoren
Diese Frau weist allen verheirateten Christinnen den Weg. Sie hatte
vier Prioritäten in ihrem Leben gesetzt, die auch heute noch für alle
Frauen relevant sind: (1) ihre Beziehung zu Gott, (2) ihr Dienst an
ihrer Familie, (3) die Entwicklung eines gottesfürchtigen Charakters
und (4) ihre gottgefällige Verhaltensweise gegenüber anderen zu
Hause und außer Haus. Lege diese sich überschneidenden Prioritä­ten
in deinem Leben fest und auch du wirst ein „fruchtbarer Weinstock”
werden. Dein Leben wird sich auf deine Familie, deine Gemeinde
und die Gesellschaft auswirken.
Das musste Sally lernen und durch die Gnade Gottes war sie in
der Lage dazu. Möge Gott in seiner Gnade auch dir helfen, dasselbe
zu tun.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant­
worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Denke über dieses Kapitel nach (und falls nötig, lies es noch
einmal) und beantworte die folgenden Fragen:
a) Beschreibe Sallys Probleme und wie sie sich auf sie und ihre
Familie auswirkten.
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Kapitel 2
Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter
b) Wie versuchte sie, diese Probleme zu lösen? Wie erfolgreich
war sie dabei?
c) Wie beschreibt Psalm 128 die Ehefrau und Mutter in einer
gottgefälligen Familie?
d) Was macht das Beispiel des Weinstocks in Bezug auf die Ehefrau
und Mutter deutlich? Was sagt das Wort „fruchtbar” über die
Rolle und Pflichten der Frau innerhalb der Familie aus?
e) Was lehrt uns 1.Mose 2,18 über die Rolle der Frau in der
Familie?
f) Was macht die Frau in ihrem Vorrecht und in ihrer Ver­
antwortung für die Gestaltung ihrer Familie nach dem Plan
Gottes erfolgreich?
g) Was ist die höchste Priorität einer Ehefrau und Mutter, die ein
„fruchtbarer Weinstock” ist (vgl. Sprüche 31,30)?
h) Warum ist dies die höchste Priorität für die Frau in Sprüche
31? In welcher Beziehung steht diese Priorität zu ihrem
offensichtlichen Erfolg?
i) Was bedeutet es, dass sie als „tugendhafte Frau” bezeichnet
wird (vgl. Sprüche 31,10)? Was ist Charakter? Lebt diese Frau
ihr Leben von innen nach außen heraus, oder von außen nach
innen?
j) Wie zeigt sich der edle Charakter dieser Frau?
k) Wie (wo) leistet diese Frau ihren größten Beitrag für Gott und
die Gesellschaft?
l) Wie ist ihre Beziehung zu ihrem Mann und ihren Kindern?
Zu Menschen, die für sie arbeiten? Zu Menschen außerhalb
der Familie?
m)Was sagt Sprüche 31 darüber, dass eine Frau außer Haus
arbeiten geht?
n) Wie macht Sprüche 31 deutlich, dass diese Frau erfüllt und
erfüllend war?
o) Denke an zwei Frauen in der Gegenwart, die genauso erfüllt
und erfüllend sind wie die Frau in Sprüche 31. Kannst du
bei ihnen viele der Eigenschaften finden, die sie besaß? Was
sind ihre Prioritäten? Inwieweit sind sie ihr ähnlich oder
unähnlich?
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Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
p) Welche grundlegenden Anweisungen wurden in diesem
Kapitel dazu gegeben, wie man eine zufriedene und zufrieden­
stellen­de Frau werden kann?
q) Fallen dir noch andere biblische Aussagen dazu ein, wie man
als Frau ein „fruchtbarer Weinstock” sein kann?
r) Wie würdest du deine Beziehung zu Gott beschreiben (deinen
Gottesfurcht-Quotienten)? (Ausgezeichnet ___, gut ___,
schwankend ___, schwach ___, sehr schwach ___, nicht
vorhanden ___.) Erkläre deine Selbsteinschätzung.
s) Bewerte dich anhand der Aussagen in diesem Kapitel. Wie
kommst du dem nach, ein „fruchtbarer Weinstock” zu sein
– eine Frau mit Charakter; eine Frau, die die wichtige Rolle
erkennt und erfüllt, die sie in ihrer Familie hat; eine Frau, die
sich in der Regel so verhält, wie es die Frau in Sprüche 31 tut?
Berücksichtige die kulturellen und situationsbedingten
Un­ter­schiede, aber wende die gleichen Grundprinzipien an.
Bewerte dich nicht anhand der Ergebnisse, sondern anhand deines eigenen Lebens im Verhältnis zu den beschriebenen
Prioritäten und Eigenschaften. Du kannst die Aus­wirkungen
auf deinen Mann, deine Kinder und die Gesellschaft nicht
beeinflussen.
Mit Gottes Hilfe kannst du dein Leben nach den in diesem
Kapitel erwähnten Prioritäten ordnen. Der Heilige Geist
wird dir die Kraft geben, dir die aufgeführten Charakter­
eigenschaften anzueignen. „Wenn ich mein Leben betrachte,
sehe ich viele ___, einige ___, wenige ___, keine ___
Anzeichen dafür, dass ich zu einem ,fruchtbaren Weinstock‘
werde.” Erkläre deine Selbsteinschätzung. (Falls es dir schwer
fällt, diese Frage zu beantworten, hilft dir vielleicht die
Checkliste, die weiter unten aufgeführt ist.)
2. Analysiere die folgenden Bibelverse über Frauen, Ehefrauen,
Mütter, Frucht und Fruchtbringen. Schreib auf, was sie
zu sagen haben und wie sie sich auf dein eigenes Leben
an­wenden lassen. Beachte, was sie über die Vorrechte, die Ver­
antwortung, die Rolle und den Wert von Frauen aussagen.
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Kapitel 2
Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter
a) 1.Mose 1,26-28
b) 2.Mose 20,12
c) Josua 17,3-6
d) 2.Könige 4,8-10
e) Sprüche 1,8-9
6,20
11,16
12,4
14,1
18,22
19,14
20,20
21,9+19
23,22-25
31,10
31,11+12
31,26
31,28-31
f) Hesekiel 24,16
g) Matthäus 26,13
27,55-56
h) Lukas 1,30-38
2,36-38
8,3
10,42
i) Johannes 15,1-16
20,11-18
j) Apostelgeschichte 1,14
2,17+18
9,36-39
16,14+15
21,9
k) Römer 16,1+2
16,3
16,6
16,14+15
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Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
l) 1. Korinther 7,2-5
m) Epheser 5,22-24+33
n) Philipper 4,3
o) 1. Timotheus 5,1-2
5,9-14
p) 2. Timoteus 1,5
3,15
q) Titus 3,2-5
r) 1. Petrus 3,1-6
3. Denke über alles nach, was du gerade gelernt hast, und versuche,
deine wichtigsten Eindrücke darüber aufzuschreiben, wie du
eine zufriedene und zufriedenstellende Frau werden kannst.
Welche umfassenden, allgemeinen Prinzipien konntest du
feststellen? Führe sie auf.
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
h)
4. Bearbeite die folgende Checkliste. (Diese Checkliste wurde
für Ehefrauen und Ehemänner entwickelt, deshalb sollten
die Ehemänner dieselbe Liste benutzen.) Eine aufrichtige
Prüfung sollte dazu führen, dass du Gott für alles Gute
lobst, das er in deinem Leben bewirkt hat, Gott und anderen
gegenüber Sünden bekennst, die dir klar geworden sind,
dich verstärkt bemühst deine Familie nach Gottes Plan zu
gestalten und Gott um Hilfe bittest, die Dinge zu ändern, die
einer Veränderung bedürfen.
44
Kapitel 2
Mit Sally ist etwas passiert – Die erfüllte und erfüllende Ehefrau und Mutter
Checkliste fruchtbarer Weinstock bzw. würdiger
Ehepartner (Basierend auf Galater 5,22, 1.Petrus 3,1-7, Sprüche
31,10-31 und anderen Bibelstellen.)
Lies jede Aussage genau durch und frage dich dann: Trifft das immer
(=4), oft (=3), gelegentlich (=2), selten (=1) oder nie (=0) auf mich
zu? Kreise die Ziffer ein, die auf dein Leben genau zutrifft. Schätze
dich nicht besser oder schlechter ein (Römer 12,3). Mach daraus eine
echte Lernerfahrung.
1. Ich habe eine tiefe und bedeutungsvolle
Beziehung zu Gott. 4
2. Ich bin liebevoll.
4
3. Ich bin froh.
4
4. Ich bin friedlich.
4
5. Ich bin versöhnlich.
4
6. Ich bin sanft.
4
7. Ich bin geduldig.
4
8. Ich bin freundlich.
4
9. Ich bin treu, vertrauenswürdig, zuverlässig.
4
10. Ich verliere nicht meine Selbstbeherrschung.
4
11. Ich habe einen edlen Charakter.
4
12. Meine Familie respektiert mich.
4
13. Ich engagiere mich für meine Familie. 4
14. Ich erfülle die mir von Gott übertragenen Pflichten
in der Familie. 4
15. Ich baue meine Familie auf, ich ermutige sie.
4
16. Ich diene anderen gerne.
4
17. Ich tue immer das Richtige und bin standhaft.
4
18. Ich bin fleißig und arbeite hart.
4
19. Mir sind Charakter, eine richtige Einstellung und
die richtigen Motive wichtiger als äußere Schönheit.
4
20. Andere verbringen gerne Zeit mit mir.
4
21. Ich bin nicht arbeitsbesessen. Ich kann das Leben
genießen, lachen und entspannen.
4
22. Ich bin grundsätzlich glücklich und zufrieden.
4
23. Ich bin flexibel und nachsichtig.
4
24. Ich nehme Rücksicht auf andere.
4
25. Andere fühlen sich bei mir wohl.
4
26. Ich akzeptiere und respektiere andere.
4
27. Ich äußere mich konstruktiv und erbaulich. 4
28. Ich übe Weitsicht und plane voraus.
4
29. Ich gehe weise mit Geld um, ich bin ein guter Verwalter. 4
30. Ich bin bereit, für andere auf etwas zu verzichten.
4
31. Ich bin ordentlich und organisiert.
4
32. Ich bin nicht impulsiv.
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Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
33. Es ist leicht, etwas von mir zu erbitten.
34. Ich bin offen und ehrlich.
35. Ich bin ein dankbarer Mensch.
36. Ich engagiere mich stark für Jesus Christus.
37. Ich gebe zu, dass ich ständig auf Gottes Güte
und Gnade angewiesen bin.
38. Mir ist bewusst, dass alles Gute in mir
von Gott bewirkt wurde.
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5. Was hast du in diesem Studium über dich selbst erfahren?
Was sind deine Stärken und Schwächen? Wie sollte sich das
alles in deinem eigenen Leben und in den Beziehungen inner­
halb deiner Familie auswirken?
46
Kapitel 3
Olivenbäume heranziehen –
Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung
Wenn dich jemand bitten würde, die Eltern-Kind-Beziehung in
einer gottgefälligen Familie zu beschreiben, welches Bild würdest du
ge­brau­chen? Noch wichtiger ist die Frage, welches Bild Gott deiner
Meinung nach gebrauchen würde. Über diesen Punkt brauchen wir
nicht zu spekulieren. In Psalm 128, dem Familienlied, beschreibt
Gott die Eltern-Kind-Beziehung, wie sie in einer ihm gefälligen
Familie aussehen sollte: „deine Kinder [werden sein] wie junge
Ölbäume rings um deinen Tisch” (Psalm 128,3).
Wenn du dich an das Prinzip halten wirst, das in diesen Worten
enthalten ist, wird das deiner Familie sehr helfen, erfolgreich
zu­sam­men­zuarbeiten. Im Gegensatz dazu wird es zu ernsthaften
Schwierig­keiten zwischen Eltern und Kindern führen, wenn man die
Wahrheiten in dieser Aussage missversteht oder missachtet.
Ein Haus uneins mit sich selbst
Harry und Mary Brown und ihre Tochter Susan sind ein lebhaftes
Beispiel dafür, was passiert, wenn das Ölbaum-Prinzip missachtet
wird. Sie steckten in einer schweren Familienkrise, als sie in die Seel­
sorge kamen.
Sie hatten alle einmal ihren Glauben an Christus bekannt. Aber
jetzt wollte die 14-jährige Susan kein Christ mehr sein. „Wenn
Christsein bedeutet, dass ich meine Mutter mögen muss, will ich auf
gar keinen Fall ein Christ sein”, erklärte sie. Susan verachtete ihre
Mutter und hatte kein Interesse an einem Christus, den ihre Mutter
47
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
ihrer Meinung nach repräsentierte. Sie mied den Kontakt und sprach
so wenig wie möglich mit ihrer Mutter.
Susans Haltung ihrem Vater gegenüber war jedoch das genaue
Gegenteil. Meistens war sie respektvoll und liebevoll zu ihm und
erzählte ihm gerne, was sich in ihrem Leben tat. Sie hörte auf ihn
und nahm seine Ratschläge ernst. Ihren Vater schien Susan dafür zu
bewundern, dass er die Beleidigungen ihrer Mutter ertrug. Gleich­
zeitig bemitleidete sie ihn aber auch, weil er nicht bereit oder nicht
fähig war, sich gegen solch schlechte Behandlung zu wehren. „Ich
weiß nicht, wie oder warum er sich das gefallen lässt”, sagte sie.
Im Laufe der Beratung wurden mehr Einzelheiten bekannt und es
wurde offensichtlich, dass Vater und Tochter sich verbündet hatten,
als Susan noch sehr jung war. Jahrelang galt Mary Brown für ihren
Mann und ihre Tochter als gemeinsamer Feind (oder zumindest als
Außenseiter). Harry suchte „Streicheleinheiten” und Sympathie bei
seiner Tochter. Diese verließ sich darauf, dass ihr Vater sie vor ihrer
Mutter beschützte und Susans Haltung und Benehmen der Mutter
gegenüber verteidigte. Sie waren ein gutes Team.
Wie zu erwarten war, führte dieses Bündnis zwischen Vater und
Tochter dazu, dass Mary frustriert und feindselig wurde. Es schien,
als sei es Harry wichtiger, seiner Tochter zu gefallen als ihr. Mary
war außerdem der Meinung, dass Harry mit Susan nicht streng
ge­nug war. „Er verdirbt sie mit seiner Nachgiebigkeit”, beschwerte
sie sich. „Er weiß doch gar nicht, was in ihrem Leben vor sich geht.”
Die Tatsachen schienen darauf hinzudeuten, dass Susan nicht
un­
bedingt ein „schlechtes Mädchen” im üblichen Sinn war. Sie
nahm keine Drogen und hielt sich sexuell rein. Im Umgang mit
an­deren war sie nicht gemein, abgebrüht oder nachtragend. Zu allen,
außer zu ihrer Mutter, war sie höflich, respektvoll und manchmal
sogar hilfsbereit. Diese Erfahrung machte ich als Seelsorger.
Susan sah nur zwei Möglichkeiten, wie ihre Familienprobleme
ge­löst werden könnten. Sie und ihr Vater könnten gemeinsam aus­
ziehen, oder sie würde es alleine tun. Sie war fest davon überzeugt,
dass sie und ihre Mutter niemals in Frieden im selben Haus leben
könnten.
Sie hatte einige Male ohne die Einwilligung oder das Wissen ihrer
48
Kapitel 3
Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung
Eltern für ein paar Tage bei Freunden übernachtet, um Spannungen
aus dem Weg zu gehen. Bei mindestens zwei weiteren Gelegenheiten
hatte Harry sie bei einer gläubigen Familie untergebracht, bis sich
zu Hause alles beruhigt hatte. Hin und wieder sagte Harry selbst:
„Ich ertrage das einfach nicht mehr. Vielleicht ist es das Beste, ich
nehme Susan und verlasse Mary.” Und genauso oft sagte Mary: „Es
gibt keine Garantie dafür, was ich tun werde, wenn Harry sich nicht
bald ändert. Er sollte langsam mal die Leitung übernehmen, sonst
wird es ihm noch Leid tun.”
Trotz allem waren die Browns in vielen Hinsichten nette Leu­
te. Jeder für sich war sympathisch, ehrlich, aufrichtig, sogar groß­
zügig. Sie gingen regelmäßig zur Kirche und beteiligten sich am
Bibel­studium. Sie taten, was von Christen erwartet wird. Sie hatten
aber nie darauf geachtet, was Gott über die Beziehungen innerhalb
der Familie zu sagen hat. In vielen Bereichen ihres Familienlebens
ver­hielten sie sich so, wie sie es für richtig hielten, nicht so, wie die
Bibel es vorgibt. Harry hatte seine eigene Vorstellung davon, was das
Richtige für Susan war, und Mary hatte ihre. Leider widersprachen
sich ihre Meinungen. Wenn sie mal gemeinsam die Bibel lasen,
nutz­te jeder die Gelegenheit, um seinen eigenen Standpunkt zu ver­
treten. Anstatt sich von der Heiligen Schrift belehren, ermahnen,
zurechtweisen und sich in Gerechtigkeit erziehen zu lassen (vgl.
2.Tim. 3,16), suchten sie darin nach passenden Versen, um ihre
bereits gefestigten Einstellungen zu untermauern.
Als Folge davon waren die Browns „ein Haus uneins mit sich
selbst“ (vgl. Matthäus 12,25) und richteten einander mit ihrer
Selbst­sucht zu Grunde. Sie konnten niemals so gesegnet werden wie
die Familie in Psalm 128, solange sie nicht bereit waren, demütig das
Wort Gottes als Maßstab für ihr Familienleben anzuerkennen. Sie
versagten als Familie, weil Harry und Mary die biblische Sichtweise
der Eltern-Kind-Beziehung, wie sie im Ölbaum-Prinzip verdeutlicht
wird, weder verstanden noch angewandt hatten. Lasst uns darauf
achten, dass wir nicht denselben Fehler begehen.
49
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Kinder gehören zu Gottes Plan
Es ist beachtenswert, dass Gott dem Psalmisten eingab, in diesem
Familienlied Kinder zu erwähnen. Für mich bedeutet das, dass
es normalerweise Gottes Wille ist, dass Familien Kinder haben.
Diese Schlussfolgerung kann auch aus anderen Bibelstellen gezogen
werden. In 1. Mose gibt Gott Adam und Eva klare Anweisungen
dazu: „Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde…” (1.Mose
1,28)
Im letzten Buch des Alten Testaments fordert Maleachi seine
Zeit­genossen dazu auf, die Ehe ernster zu nehmen, indem er sie
da­ran erinnert, dass Gott die Ehe eingeführt hat. Weiterhin sagt er,
dass Gott die Ehe zum einen deshalb einsetzte, damit „göttliche”
Nachkommen gezeugt werden können (Mal. 2,13-16).
Das Neue Testament untermauert die Aussagen des Alten Tes­
ta­ments. An einer Stelle sagt Paulus, die jungen Witwen sollten
hei­raten und Kinder gebären (1.Tim. 5,14). An anderer Stelle sagt
er, junge Frauen sollten dazu ermutigt (oder belehrt) werden, ihre
Ehemänner und ihre Kinder zu lieben (Titus 2,4). Diese Aussage
unterstellt, dass die meisten jüngeren Frauen heiraten und Kinder
bekommen werden.
Wenn Ehepaare mir sagen, dass sie keine Kinder wollen, lobe
ich sie zwar für ihre Aufrichtigkeit, rate ihnen aber dringend, ihre
Gründe neu zu überdenken. Wenn ein gläubiges Ehepaar sich die
Frage stellt, ob sie Kinder haben wollen, sollten sie sagen: „Herr, was
erwartest du von uns?” Solange keine körperlichen oder seelischen
Gründe dagegen sprechen, Kinder zu haben, möchte Gott, dass
gläubige Ehepaare gottesfürchtige Nachkommen hervorbringen und
heranziehen.
Allerdings möchte ich schnell hinzufügen, dass ich nicht der
Mei­nung bin, dass man andere dazu zwingen sollte, schwanger zu
werden. Menschen, die gezwungenermaßen Kinder bekommen,
wer­den wohl kaum gute Eltern sein können. Der Schaden kann ver­
heerend sein.
Das war der Fall bei Familie Brown. Als Mary heiratete, hatte
sie eine einträgliche Arbeitsstelle. Sie mochte ihre Arbeit und war
gut darin. Außerdem fühlte sie sich bei dem Gedanken daran,
50
Kapitel 3
Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung
die Verantwortung einer Mutter zu übernehmen, unsicher und
un­
zulänglich. Tatsache war: Mary wollte einfach keine Kinder
haben.
Harry hatte eine ganz andere Vorstellung. Er bat, er bettelte
und schließlich versuchte er, Mary ein schlechtes Gewissen zu
machen. Er setzte alle ihm bekannten Druckmittel ein, um Mary zu
überreden, Kinder zu bekommen. Das ging eine ganze Weile so, bis
Mary schließlich widerwillig zustimmte. Kurz darauf wurde Susan
gezeugt. Mary war schwanger, aber sie freute sich nicht darüber.
Sie verübelte es Harry und schließlich auch ihrer Tochter, dass sie
ihr Leben umstellen musste. Hinzu kam, dass sie ein schlechtes
Ge­wissen hatte, weil sie wusste, dass ihre Haltung gegen Susan und
Harry sündig war.
Mary wusste weder ein noch aus. Sie wusste, dass sie ihre sündi­
ge Verbitterung aufgeben sollte, aber gleichzeitig wollte sie es nicht
wirklich, weil das ihre Art war, Harry dafür zu bestrafen, was er
ihr angetan hatte. Sie wollte Harry nicht vergeben und hielt an
ihrem Groll fest. Mary hatte das Kind, aber nur, weil sie dazu
ge­zwungen worden war. Und das schuf die Basis für die gewaltigen
Schwierigkeiten in ihrer Familie.
Gründe für Elternschaft
Mary und Harry machten beide einen Fehler, als es darum ging,
über die Frage der Elternschaft zu entscheiden. Ihr Hauptaugen­merk
lag nicht darauf, was Gott wollte, sondern was sie wollte. Harrys
Hauptanliegen war nicht Gottes Wille, sondern seine eigenen Ziele.
Und er war fest entschlossen, seinen Willen durchzusetzen, auch
wenn das bedeutete, Mary solange unter Druck zu setzen, bis sie
schließlich zustimmte. Sie hatte zwar nach außen hin nachgegeben,
aber innerlich lehnte sie sich dagegen auf. Ihr Leben ist ein tragisches
Beispiel dafür, dass man andere nicht dazu zwingen sollte, Eltern zu
werden.
Wer aus unbiblischen Gründen keine Kinder haben will, soll­te
dem Problem auf den Grund gehen. Man sollte ehrlich sein und
he­raus­f inden, weshalb man dem abgeneigt ist, und den unbiblischen
Widerwillen schließlich aufgeben. Die Sünde muss man im Herzen
51
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
an­packen und ausräumen. Man muss die Vergebung Christi suchen
und seine Hilfe für eine innere Veränderung annehmen. Man muss
Gottes Sichtweise zum Thema Kinder verstehen und glauben.
Es kann auch sein, dass manche von euch körperlich nicht in der
Lage sind, Kinder zu bekommen. Ihr wollt es, könnt aber nicht. Bitte
versinkt nicht in Verzweiflung, weil ihr euch auf etwas verbeißt, das
nicht sein kann. Sucht vielmehr Gottes Hilfe und macht euch die
Gelegenheiten zunutze, die ihr habt, um Kinder in eurer größeren
Familie – der Gemeinde – auf gottgefällige Art zu fördern (Markus
3,35; 1.Tim. 5,1-2). Bittet Gott, euch zu zeigen, wie und mit wem
ihr euren Beitrag leisten könnt, um gottesfürchtige Nachkommen
für ihn heranzuziehen.
Elternschaft ist ein Privileg
In gewissem Sinne kann jedes gläubige Ehepaar Kinder haben. Alle
verheirateten Christen können und sollen in irgendeiner Form daran
beteiligt sein, Kinder zu erziehen. Und das ist spannend, denn nach
Aussage des Familienliedes (Psalm 128) ist Elternschaft ein Privileg.
Gleich nach der Bemerkung über die Kinder (Psalm 128,3) steht
im Familienlied ein Ausruf über den Segen der Elternschaft (Psalm
128,4). Ähnlich wird im vorherigen Psalm bestätigt: „Siehe, Kinder
sind eine Gabe des Herrn” und „wessen Köcher mit ihnen gefüllt ist,
ist gesegnet“ (Psalm 127,3-5).
Wenn der allmächtige Gott euch Kinder schenkt, dann gibt er
euch eine der wichtigsten, bedeutendsten, lohnendsten, anspruchs­
volls­
ten Aufgaben, die ihr jemals haben könnt. Er beruft euch
zur Mithilfe, einen Menschen für ihn heranzuziehen. Er hat euch
be­auftragt mit ihm zusammenzuarbeiten, um ein Leben aufzubau­
en, das ihn verherrlichen und viel Gutes für andere bewirken kann.
Es ist eure Aufgabe als Eltern, Menschen zu frucht­baren Jüngern
Jesu Christi zu erziehen. Um es mit den Worten des Psalm 128
auszudrücken: Ihr könnt eine bedeutende Rolle dabei einnehmen,
Kinder heranzuziehen, die üppigen, fruchtbaren Oliven­
bäumen
gleichen.
Mary und Harry Brown fehlte diese Sichtweise zur Kinder­er­
ziehung. Ihre Sicht war zu eingeschränkt, ihre Einstellung un­christ­
52
Kapitel 3
Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung
lich. Sie bemerkten nicht, wie sich ihr Leben und ihre Be­ziehung
negativ auf einen anderen Menschen auswirkte. Bei­den fehlte die
Sicht für das große Ganze: Welche Privilegien, Ver­ant­wortung und
Methoden die Kindererziehung nach Gottes Maß­stäben beinhaltet.
Beide waren zu egoistisch, zu kurzsichtig und zu menschlich orien­
tiert in ihren Erziehungsmethoden. Keiner von bei­
den verstand
die Bedeutung des Ölbaums, den Gott in Psalm 128 als Beispiel
gebrauchte, um die Eltern-Kind-Beziehung zu beschreiben.
Kinder wie Ölbäume
Was genau bedeutet denn das Beispiel des Olivenbaums? Was sagt es
über die Eltern-Kind-Beziehung aus? Wie kann dieser Vergleich uns
helfen, die Fehler zu vermeiden, die Harry und Mary gemacht hatten?
Zum einen besagt das Gleichnis des Psalmisten, dass ihr eure
Kinder sehr schätzen solltet. Ein Schriftsteller berichtet, dass der
Ölbaum in Palästina einer der wichtigsten Bäume war. In einem
Bibelabschnitt wird der Ölbaum als König der Bäume dargestellt
(Richter 9,8-9). Eine andere Stelle adelt ihn, indem er das Volk
Gottes mit einem von Gott gepflanzten Olivenbaum vergleicht
(Römer 11,17ff). Andere Bibelstellen würdigen diesen Baum, indem
sie anordnen, dass für die Weihung der Priester und als Brennstoff
für die Öllampen in der Stiftshütte das Öl des Olivenbaums – und
nur das – benutzt werden sollte (2.Mose 27,20; 30,22-33). Mit
anderen Worten, der Psalmist beschrieb die Kinder auf eine Weise,
die betonte, wie wertvoll und kostbar sie sind.
Der Herr Jesus vermittelte uns in seinem irdischen Leben dieselbe
Haltung. Er wusste alles über Kinder. Er wusste, dass sie als Sünder
geboren werden und deshalb erneuert und erlöst werden müssen
(vgl. Psalm 51,3-5 und 58,3-4). Ihm war völlig klar, dass sie durch
die Gnade Gottes verändert werden müssen (Epheser 2,1-8). Er hat­te
nicht die unrealistische Vorstellung, dass sie perfekt oder un­schul­
dig seien oder einen guten Kern hätten (Sprüche 22,15). Trotzdem
schätz­te er sie sehr. Manch­mal gebrauchte er sie als Beispiele für
geist­liche Wahrheiten (Matthäus 18,1-10). Er betonte, wie schlimm
es ist, wenn man sie schlecht behandelt. Er tadelte seine Jünger
ernst­haft dafür, dass sie versucht hatten, einige Eltern daran zu hin­
53
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
dern, ihre Kinder zu ihm zu bringen (Markus 10,13-14). Ruhig, aber
bestimmt sagte er: „Lasst die Kinder zu mir kommen und wehrt
ihnen nicht; denn solcher ist das Reich Gottes! Wahrlich, ich sage
euch: Wer das Reich Gottes nicht annimmt wie ein Kind, wird
nicht hineinkommen! Und er nahm sie auf die Arme, legte ihnen die
Hände auf und segnete sie.” (Markus 10,14-16)
So wie der Herr Jesus müsst auch ihr eure Kinder in einem
realis­tischen Licht betrachten. Ihr müsst euch darüber im Klaren
sein, dass eure Kinder das Potenzial zu großer Bösartigkeit in sich
tragen (Psalm 51,3-5 und 58,3-4). Sie werden als Sünder geboren
und müssen durch den Geist Gottes erneuert und durch die Gnade
Gottes er­rettet werden. Eure Kinder brauchen die Vergebung Gottes
für ihre Sünden. Sie brauchen seine Hilfe, um wirklich wertvolle,
Gott-ehrende, Olivenbaum-Personen zu werden. Ohne ihn können
sie keine Frucht für Gott bringen (Joh. 15,1-6).
Aber die Betrachtung eurer Kinder aus biblischer Sicht hat noch
eine andere Seite. Die Bibel fordert euch auch auf, eure Kinder als
Menschen zu sehen, die trotz ihrer Bedürfnisse und Mängel sehr
kost­bar und wertvoll sind. Das heißt, eure Kinder sollten nicht in
erster Linie wichtig für euch sein, weil sie eure sind, sondern weil sie
Menschen sind, die nach Gottes Bild geschaffen wurden und seine
Gabe an euch sind.
Lasst die Erkenntnis euer Denken durchdringen, dass jedes eurer
Kinder zu ewigem Leben berufen ist. Vergesst nie, dass er oder sie
das Potenzial in sich trägt, unendlich viel Gutes zu tun – oder Böses.
Ihr müsst verstehen, dass euer Kind durch die Gnade Gottes eine
große Chance hat, sich so gut zu entwickeln wie der Ölbaum in
Psalm 128.
Ein „Baum” mit großem Potential
Während meiner Nachforschungen über den Olivenbaum stellte
ich fest, dass sowohl die Pflanzen als auch die Früchte auf viele
ver­schie­dene Arten genutzt wurden. Oliven und Olivenöl wurden
als Nahrungsmittel (5.Mose 24,20), Leuchtmittel (3.Mose 24,2),
zur Weihung (2.Mose 30,22-33), für kosmetische Zwecke (Ruth
3,3), für medizinische und hygienische Zwecke (Lukas 10,34), bei
54
Kapitel 3
Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung
religiösen Zeremonien (1.Mose 28,18) und sogar als Tauschmittel
(1.Könige 5,25; Lukas 16,6) verwendet.
Außerdem sind der Ölbaum und seine Frucht ein Symbol für
Freu­
de, Wohlstand und Frieden (Jesaja 61,3; Psalm 45,8). Der
Baum selbst fiel durch seine Schönheit auf (Jeremia 11,16; Hosea
14,7). Sein Holz wurde als Brennstoff und Baumaterial geschätzt
(1. Könige 6,23.31-33). Eine schlechte Olivenernte galt als nationale
Tragödie (Habakuk 3,17).
Welchen Stellenwert sollen eure Kinder demnach bei euch haben?
Ihr sollt hohe Erwartungen an eure Kinder stellen. Achtet darauf,
dass eure Erwartungen auch ihrer Begabung und ihrer Entwicklungs­
stufe entsprechen, aber unterschätzt die Kapazitäten nicht, die Gott
ihnen zur Verfügung gestellt hat. Ermutigt sie zu glauben, dass sie
entsprechend ihrer Begabung und Entwicklungsstufe auch jetzt
schon einen wichtigen Beitrag leisten können.
Natürlich brauchen Olivenbäume viel Pflege, um Frucht bringen
zu können. Die umliegende Erde muss oft gepflügt werden. Sie
be­nötigen Wasser und Dünger. Sie entwickeln sich am besten in
einer warmen und sonnigen Umgebung.
Lernt daraus, wie wichtig es ist, sich sorgfältig um die Kinder
zu kümmern. Tut euer Allerbestes, um sie in der Lehre und Unter­
weisung des Herrn zu erziehen (Epheser 6,4). Vernachlässigt es
nicht, ihnen das Wort Gottes in strukturierter Form aber auch
spontan nahe zu bringen. Führt ein gottgefälliges Leben, das echt
und an­sprechend wirkt. Bewahrt das Wort Gottes im eigenen Her­
zen. Lasst euer ganzes Leben ein lebendiger Brief sein, der euren
Kindern Gottes Wahr­heiten vermittelt. Schafft ein Umfeld, das die
Entwicklung von gottesfürchtigem Charakter und Verhalten fördert.
Bemüht euch, dass man sich in eurer Gegenwart und in eurem
Haus wohlfühlt. Versucht, alles zu vermeiden, was die Fruchtbarkeit
einschränken könnte.
Achtet gleichzeitig darauf, dass ihr nicht versucht, für eure Kinder
Frucht zu bringen. Der Ölbaum muss seine eigene Frucht tragen.
Bringt ihnen bei, diese Verantwortung selbst zu übernehmen. Macht
euch nicht schuldig, indem ihr sie zu sehr schiebt und schubst.
Verbreitet realistischen Optimismus. Entwickelt eine hoffnungsvolle
55
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
und angebrachte Erwartungshaltung, freut euch darauf, dass sie
ertragreich sein werden.
Bäume, nicht Äste
Es fasziniert mich, dass es im Familienlied heißt, unsere Kinder
sollen wie Ölbäume sein und nicht wie Äste (Psalm 128,3). Eine
Pflan­ze hat eine eigene Existenz. Ein Ast ist lediglich Teil eines Bau­
mes. Dies deutet darauf hin, dass wir die Individualität unserer Kin­
der respektieren sollen. Gott wollte nicht, dass sie Kopien von uns
darstellen sollen. Lasst eure Kinder ruhig andere Vorstellungen haben.
Fühlt euch nicht bedroht, wenn ihr Meinungsverschiedenheiten
habt. Helft euren Kindern vielmehr, über verschiedene Themen
selbst nachzudenken. Natürlich müsst ihr fest bleiben und ruhig
und klug euren Standpunkt erklären, wenn ihr ein „so spricht der
Herr” habt. Geht unnötigen Machtkämpfen aus dem Weg. Streitet
nicht, wenn es nicht nötig ist. Gebt euren Kindern im Rahmen der
Heiligen Schrift den Freiraum, sie selbst zu sein.
Stellt in eurer Erziehung Zäune auf, aber steckt eure Kinder nicht
in Zwangsjacken. Setzt biblische Grenzen und bringt euren Kindern
bei, diese einzuhalten. Wenn die Kinder kleiner sind, müssen ihre
Grenzen viel enger und klarer umrissen sein. Ihr seid stärker daran
beteiligt, Entscheidungen zu treffen, bestimmte Regeln festzulegen,
euren Kindern zu helfen bestimmte Aufgaben zu erfüllen und zu
unterscheiden, was richtig und was falsch ist. Aber auch in diesen
ersten Jahren brauchen die Kinder Freiraum, um sich gesund ent­
wickeln zu können. Haltet euch zurück und tut nicht Dinge für die
Kinder, die sie schon selbst tun können. Stellt ihnen die Instrumente
zur Verfügung, ermutigt sie, seid ein Beispiel und gebt den Rahmen
vor, damit sie ihre eigene Frucht bringen können.
Wenn sie älter werden, können die Grenzen erweitert werden,
da­
mit eure Kinder immer mehr Verantwortung für ihr eigenes
Le­ben übernehmen können. Helft ihnen, innere Motivation und
Selbstkontrolle zu entwickeln – die Fähigkeit zu denken, zu ent­
scheiden und biblisch zu leben, ohne von außen stark motiviert oder
kontrolliert werden zu müssen.
Euer Ziel ist, euren Kindern zu helfen „selbstständig abhängig”
56
Kapitel 3
Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung
von Christus und seinem Wort zu werden. Ihr wollt, dass sie zu
ein­zelnen Bäumen innerhalb eines Olivenhains heranwachsen – so
stehen sie in gegenseitiger Abhängigkeit. Sie brauchen den Umgang
mit anderen Menschen – im gegenseitigen Geben und Nehmen. Sie
sollen nicht wie vereinzelte Olivenbäume draußen in der Wüste sein,
sondern wie Ölbäume, die als Teil eines Ganzen an eurem Tisch
versammelt sind, bereit euch zu helfen und eure Hilfe anzunehmen.
Trotzdem bleibt die Tatsache bestehen, dass eure Kinder eigen­
ständige Pflanzen sein sollen und nicht Äste. Schlussendlich solltet
ihr sie von euch weg zu Christus lenken; denn ihre Abhängigkeit
von ihm ist stärker als jede andere. Euer Ziel sollte sein, dass sie
die Freiheit spüren können, zu der Christus sie berufen hat. Ihr
wollt, dass sie zu euch eine reife Beziehung entwickeln, und nicht in
Abhängigkeit verbleiben. Ihr dürft glauben, dass eure Kinder durch
die Gnade Gottes eigene Frucht bringen können und müssen.
Eine unausgewogene Perspektive
Von diesem Ideal war die Familie Brown weit entfernt. Weder Vater
noch Mutter hatten Respekt vor Susan. Mary hatte eine unaus­
ge­­wogene Perspektive, weil sie nur Susans negative Eigenschaften
sah. Harry war offensichtlich blind für die Möglichkeit, dass Susan
böse sein konnte. Er konnte für fast alles eine Ausrede finden,
wenn sie etwas angestellt hatte. Dadurch wurde sein Verhältnis zu
Mary gestört. Sie fühlte sich persönlich übergangen und sah das
Verhalten ihres Mannes als eine Wei­gerung an, Susan notwendige
Grenzen zu setzen. Harrys toter Winkel war auch ein Nachteil für
Susan. Man kann eine Schieflage nicht ausgleichen, indem man
eine andere schafft. Von keinem ihrer Eltern lernte Susan, sich selbst
richtig einzuschätzen. Ihr wurde auch nicht beigebracht, für ihre
innere Haltung und ihre Reaktionsweise selbst Verantwortung zu
übernehmen. Sie wurde nicht dazu ermutigt, Probleme und Sünden
auf biblische Art anzugehen.
Nach außen hin schien Harry Susan zu respektieren. Da er sie
aber nicht dazu ermutigte, sich selbst und andere von einem bib­li­
schen Standpunkt aus zu betrachten, zeigte er, dass er keine hohen
Erwartungen an sie stellte. Wenn Harry und Mary wirklich wollten,
57
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
dass Susan nach Gottes Willen heranwuchs, mussten sie beide
lernen, ihre Tochter in einem biblischen, realistischen, ausgewogenen
Licht zu sehen.
Ihr seid gefragt
Eine Kernaussage von Psalm 128,3 ist, dass eure Kinder wie Öl­bäu­
me an eurem Tisch sein sollen. Ihr habt vor Gott die Verantwortung
für eure Kinder – weder der Staat oder die Schule noch die Gemein­
de (1.Tim.5,8). Ihr müsst sie dahingehend fördern, dass sie ihr Leben
nach Gottes Maßstäben ausrichten. Dies umfasst ihre physischen,
mentalen, sozialen, emotionalen und spirituellen Be­dürfnisse. Ihr
könnt die Hilfe anderer annehmen, um diesen Be­dürfnissen gerecht
zu werden, aber letzten Endes bleibt nach Got­
tes Aussage der
„Schwarze Peter“ an euch hängen! Ihr müsst entweder selbst für eure
Kinder sorgen oder dafür sorgen, dass andere es tun. Auf jeden Fall
müsst ihr den Vorgang überwachen und euer Bestes geben, um die
Bedürfnisse eurer Kinder ausreichend zu erfüllen.
All dies setzt voraus, dass ihr mit ihnen wertvolle Zeit verbringt.
Dass sie an eurem Tisch sitzen unterstellt schließlich, dass ihr auch da
seid. Wenn ihr euren Kindern nicht eure ungeteilte Aufmerksamkeit
schenkt, könnt ihr nicht wissen, was sie brauchen. Ihr müsst sie
studieren, ihnen zuhören, mit ihnen reden, mit ihnen spielen, über
sie nachdenken und für sie beten, wenn ihr wissen wollt, womit ihr
für sie den Tisch decken sollt.
Dieses Bild, dass eure Kinder an eurem Tisch sitzen wie Ölbäume,
vermittelt die Vorstellung von Gemeinschaft und Loyalität. Es legt
nahe, dass für die Gestaltung der Familie nach Gottes Plan das
Zu­
sammengehörigkeitsgefühl und das Miteinander als Familie
un­erlässlich sind.
Leider entwickelt sich dieses Miteinander, dieser Familiensinn
nicht von alleine. Man kann es sich nicht einfach herbeiwünschen.
Es muss gefördert werden. Aber wie? Ich möchte einige Vorschläge
machen. Ihr könnt in eurer Familie den Geist der Loyalität und des
Miteinanders so fördern:
1. Macht Christus zum Zentrum eurer Beziehungen innerhalb
58
Kapitel 3
Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung
der Familie. Hingabe zu Christus wird die Familie nicht nur
an ihn, sondern auch fester aneinander binden.
2. Äußert realistischen Optimismus und gute Erwartungen an
jeden Einzelnen. Lasst weder durch Worte noch Taten den
Eindruck entstehen, dass ihr ein Familienmitglied aufgegeben
habt oder es als Versager abschreibt.
3. Achtet die Meinung jedes Familienmitglieds und gebt allen
die Möglichkeit sich selbst und ihre Gedanken auszudrücken.
Lasst alle ausreden ohne zu verurteilen oder zu verspotten.
4. Gebt jedem das gute Gefühl, dass alle Familienmitglieder
sich gegenseitig ergänzen und vervollständigen.
5. Errichtet ein Museum schöner Erinnerungen der Familie.
Spielt Spiele mit euren Kindern. Lasst sie an euren Aktivitäten
teilnehmen. Unternehmt auch mit jedem Kind einzeln etwas.
Legt für jedes Kind eine Erinnerungsbox an. Entwickelt
Fa­
milien­
traditionen. Nutzt besondere Gelegenheiten. Tut
un­ge­wöhn­liche Dinge mit euren Kindern. Macht besondere
Anlässe wichtig. Feiert, wenn es nichts zu feiern gibt. Lasst
jeden einmal die Ferien oder andere Anlässe planen.
6. Entwickelt einen gesunden „Familienstolz”. Sprecht über die
Stärken und Erfolge einzelner Familienmitglieder.
7. Seid echt als Christen und lasst die Frucht des Geistes in
eurem Leben sichtbar werden. Dann wird es auch keinem
schwer fallen, euch zu respektieren und anziehend zu finden.
8. Legt angemessene Regeln fest, um die Disziplin in der Familie
zu wahren.
9. Macht keine Scherze oder Witze auf Kosten von Familien­
mitgliedern.
10.Sprecht ausgiebig über größere Änderungen von Familien­
regeln, Entscheidungen und Aktivitäten.
11. Vermeidet physische und psychische Kindesmisshandlung.
12.Interessiert euch für die Interessen aller Familienmitglieder.
13.Vermeidet es, euren Kindern zu viele Freiheiten zu gewähren
oder zu streng mit ihnen zu sein.
14.Lasst alle an der Planung von Familienangelegenheiten teil­
haben.
59
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
15.Lasst jedem die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen,
wenn das vertretbar ist.
16.Erwartet von jedem, was der biblischen Schilderung der
Re­a lität entspricht.
17. Drückt eure Liebe füreinander in Worten und Taten offen
aus.
18.Seid mehr auf eine biblische innere Haltung und einen gott­
gefälligen Charakter bedacht als auf Leistung und andere
Äußerlichkeiten.
19. Seid gerecht und konsequent, wenn ihr eure Kinder bestrafen
müsst.
20.Betrachtet jedes Familienmitglied nicht nur als menschliches
Wesen, sondern auch als „menschliches Werden”. Wir be­fin­
den uns alle in einem Prozess. Keiner von uns ist bereits voll­
kommen.
21.Seid jedem Einzelnen gegenüber sehr aufmerksam in Bezug
auf seine Bedürfnisse, Gefühle und Ängste.
22.Vermeidet ärgerliche und gereizte Worte.
23.Macht es allen Familienmitgliedern leicht, mit ihren Proble­
men und Sorgen zu euch zu kommen.
24.Macht euer Haus zu einem Zentrum der Gastfreundschaft,
wo eure Kinder häufig mit anderen dynamischen Christen in
Kontakt kommen.
25.Gestaltet Familienprojekte, an denen alle Familienmitglieder
beteiligt sind.
26.Lernt, Probleme in der Familie anzugreifen anstatt sie zu
ignorieren.
27.Vergebt Sünden und Versagen – aus Vergangenheit und
Gegen­wart.
28.Helft einander, wenn jemand versagt.
29.Stimmt eure Zeitpläne aufeinander ab, damit ihr Zeit für­
einander habt. Plant regelmäßig Zeit für die gesamte Familie
und für jeden Einzelnen ein.
30.Bittet um Vergebung, wenn ihr einander Unrecht getan habt.
31. Fördert angemessenes Umarmen und Berühren.
32.Klärt, wer von euch wofür verantwortlich ist.
60
Kapitel 3
Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung
33.Gebraucht niemals Angst- oder Schuldgefühle als Druck­
mittel für Gehorsam.
34.Sprecht euch gegenseitig euer Vertrauen aus.
35. Macht die Bibel – nicht eure eigene Meinung – zum Maßstab
für euer persönliches und euer Familienleben.
36.Pflegt eine tiefe persönliche Beziehung zu Jesus Christus.
Jesus Christus in eurem Herzen zu haben, wird euch einander
näher bringen.
37. Nehmt als Familie an christlichen Aktivitäten teil.
38.Lobt Gott als Familie – zu Hause und in der Gemeinde.
39. Betet regelmäßig für jedes einzelne Familienmitglied und für
euch als ganze Familie.
Wenn ihr euch an diese Richtlinien haltet, werdet ihr das nötige
Umfeld schaffen, um eure Familie nach Gottes Plan zu gestalten.
Sie werden dazu beitragen, dass eure Kinder wie Ölbäume um euren
Tisch herum sein können.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant­
worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Denke über dieses Kapitel nach (lies es noch einmal, falls
nötig) und beantworte die folgenden Fragen:
a) Welches Bild gebraucht Gott in Psalm 128,3 für die ElternKind-Beziehung?
b) Was sagt die Bibel zu der Frage, ob Ehepaare Kinder haben
sollten oder nicht? Belege deine Antwort mit Bibelstellen.
c) Welche Gründe haben Menschen dafür, kinderlos zu bleiben?
d) Gibt es legitime Gründe für Ehepaare, keine Kinder zu
haben? Wenn ja, welche?
e) Wie wirkte es sich bei Familie Brown aus, dass Mary zur
Mutter­schaft gezwungen wurde?
f) Was bedeutet die Aussage: „In gewissem Sinne kann jedes
gläubige Ehepaar Kinder haben.”? Inwieweit wäre es an­ge­
61
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
bracht, andere bei ihrer Kindererziehung zu unterstützen?
Wie können andere euch helfen?
g) Was bedeutet die Tatsache, dass Kinder mit Olivenbäumen
verglichen werden (und nicht mit Unkraut oder Brombeer­
sträuchern), in Bezug auf die Wertschätzung unserer Kinder?
h) Warum ist es so wichtig, welche Einstellung man zu Kindern
hat, wenn es um die Frage geht, ob man Kinder bekommen
und erziehen will?
i) Wie macht unser Herr Jesus Christus in seinen Beispielen und
Unterweisungen deutlich, dass Kinder für ihn sehr wertvoll
sind?
j) Welche beiden Extreme sollten wir vermeiden, wenn wir
unsere Kinder betrachten?
k) Was bedeutet die Tatsache, dass Kinder mit jungen Oliven­
bäumen verglichen werden, im Blick auf ihre Bedürfnisse?
Welche Pflege brauchen junge Ölbäume? Welche Bedürfnisse
haben Kinder?
l) Was bedeutet die Tatsache, dass Kinder mit jungen Oliven­
bäumen verglichen werden, in Bezug auf die Eltern-KindBeziehung?
m) Inwiefern verletzen Eltern manchmal das Ölbaum-Prinzip in
ihrer Eltern-Kind-Beziehung? Welche beiden Fehler machen
Eltern oft? Fallen dir Beispiele aus der Bibel oder aus eigener
Erfahrung (persönlich oder beobachtet) ein, wo dieses Prinzip
nicht eingehalten wurde? Finde heraus, wie sich das auf die
Kinder auswirkte.
n) Welche zwei Prinzipien können aus den Worten „rings um
deinen Tisch” für die Gestaltung eurer Familie nach Gottes
Plan abgeleitet werden?
2. Denke über die neununddreißig Vorschläge nach, wie ihr eure
Familie nach Gottes Vorstellung gestalten könnt. Überlege,
was jeder einzelne Punkt im täglichen Leben praktisch
be­deutet. Geh die Liste einzeln durch und bewerte deinen
Er­ziehungsquotienten für jedes einzelne Kind nach der fol­
genden Skala: regelmäßig (=4), oft (=3), gelegentlich (=2),
62
Kapitel 3
Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung
selten (=1), nie (=0). Nachdem du deine Selbsteinschätzung
anhand aller neununddreißig Aussagen abgeschlossen
hast, schreibe die Aussagen auf, bei denen du nur 0, 1
oder 2 Punkte erreicht hast. Stell einen Plan auf, wie du
was in diesen Bereichen verbessern kannst. Besprich diese
Punkte mit deinem Ehepartner. Vielleicht möchtest du
dich schriftlich verpflichten und dein Vorhaben mit deinem
Namen unterschreiben. Bitte Gott täglich um Hilfe bei den
gewünschten Verbesserungen. Greif regelmäßig auf diese Lis­
te zurück, um dich immer wieder neu zu bewerten und zu
motivieren.
3. Analysiere die folgenden Verse zur Eltern-Kind-Beziehung.
Schreibe auf, was jeder einzelne Abschnitt über Kinder­
erziehung aussagt. Versuche, konkrete Hinweise darauf zu
fin­den, was du tun solltest, um deine Familie nach Gottes
Plan zu gestalten. Betrachte jeden Abschnitt und frage dich:
Was will Gott mir zum Thema Elternschaft sagen? Wie sollte
das in meiner Familie umgesetzt werden? Wie erfolgreich
bin ich damit, die Wahrheit(en) dieser Bibelstelle in meinen
Erziehungsmethoden anzuwenden?
a) Sprüche 1,8-9
b) Sprüche 4,1-2
c) Sprüche 5,7-23
d) Sprüche 6,1-35
e) Sprüche 7,1-27
f) Sprüche 10,1.5
g) Sprüche 13,1
h) Sprüche 13,24
i) Sprüche 14,1
j) Sprüche 15,27
k) Sprüche 19,18
l) Sprüche 22,6
m) Sprüche 22,15
n) Sprüche 23,13
o) Sprüche 23,15-16
63
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
p) Sprüche 23,24
q) Sprüche 27,11
r) Sprüche 29,15
s) Sprüche 29,17
t) Sprüche 31,15
31,21
31,27
31,28
u) 5.Mose 6,4-9
v) Epheser 6,4; Kolosser 3,21
w) 2.Korinther 12,14-15
x) 1.Thessalonicher 2,7+8+11
y) 1.Timotheus 3,4-5
z) 2.Timotheus 1,5; 3,15
4. Beantworte die folgenden Fragen selbstständig; gib konkrete
Antworten; führe Einzelheiten auf. Besprich sie dann mit
deinem Ehepartner. Nutze diese Liste, um deine Stärken zu
bestätigen und deine Schwächen zu erkennen und zu ver­
bessern.
a) Wie reagierst du, wenn dein Kind deine Anweisungen miss­
achtet? Reagierst du bei jedem Kind und immer gleich?
b) Was tust du, wenn ein Kind Wutanfälle bekommt, schmollt,
schreit, brummelt, beleidigend wird, einfach weggeht, gegen
Wände schlägt oder um sich tritt? Reagierst du bei jedem
Kind gleich?
c) Wenn du deine Kinder bittest, etwas zu tun, wie oft wieder­
holst du dich? Ist das immer gleich?
d) Wie reagierst du, wenn ein Kind sich schwer damit tut, Auf­
gaben auszuführen und Pflichten zu erfüllen? Reagierst du bei
jedem Kind gleich?
e) Wie sehr oder wenig ähneln dir deine Kinder in Bezug auf Per­
sönlichkeit, innere Einstellung, Wertesystem, Beziehungen,
Ziele, Reaktionsweise, Sprache, Interessen, Umgang mit
be­stimmten Situationen?
f) Stimmen deine Erwartungen an jedes deiner Kinder mit
64
Kapitel 3
Olivenbäume heranziehen – Einblicke in die Eltern-Kind-Beziehung
de­nen deines Ehepartners überein (Hausarbeiten, Pflichten,
Verhaltensweisen, Manieren, usw.)? Wie sieht es bei den
Er­ziehungsmethoden aus? Warum? (Schreibe auf, wo ihr euch
nicht einig seid.)
g) Was tust du, um jedem einzelnen Kind deine Liebe, Wert­
schätzung, Respekt, Anteilnahme, Zuwendung, Vertrauen
und Verständnis zu zeigen? Wie zeigst du jedem Kind, dass es
besonders wertvoll ist?
h) Welche deiner Reaktionen sind respektlos, lieblos, nicht
loyal, selbstsüchtig, gleichgültig oder stur (oder könnten von
deinem Kind so empfunden werden)?
i) Betrachte dein Verhältnis zu jedem einzelnen deiner Kinder,
schreibe die Höhepunkte und Tiefpunkte und die Gründe
dafür auf. (D.h., warum waren sie gut oder schlecht, was war
damals vorgefallen?)
j) Nenne die Fähigkeiten, Eigenschaften, Gaben und Interessen
jedes Kindes. Auf welche Art ermutigst du sie, diese Be­son­der­
heiten weiter zu entwickeln?
k) Welche Schwächen, Probleme oder unbiblischen Eigenschaf­
ten hat jedes Kind? Wie gehst du damit um?
l) Was unternimmst du, damit es deinen Kindern leicht fällt,
sich dir zu öffnen, dich zu respektieren und dich als je­man­
den zu erleben, der zugänglich ist und mit dem man gern
zusammen ist? Welches Verhalten lässt eventuell einen gegen­
sätzlichen Eindruck entstehen?
m) Denk an die besten Eltern, die du kennst, und schreibe ihre
Stärken und die positiven Seiten ihrer Beziehung zu ihren
Kindern auf.
n) Wenn du euer Familienleben mit einem Wort beschreiben
solltest, welches würde es sein?
o) Schreib deine Ziele für euer Familienleben auf.
p) Schreib auf, was deine Kinder deiner Meinung nach über eure
Familie sagen würden.
q) Vervollständige die folgenden Sätze:
Eltern sind…
Eine gute Hausregel bei uns ist…
65
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
66
Die folgende Hausregel würde ich gerne ändern…
Die Beziehungen in unserer Familie wären besser, wenn…
Ich wünschte, unsere Familie würde…
In unserer Familie ist Gott…
Teil 2
Gottes Weg,
gesunde Beziehungen
aufzubauen
67
Kapitel 4
Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast
Vor einiger Zeit war ich als Gast zu einem Radioprogramm ein­­ge­
laden. Ein Anrufer fragte mich: „Was verhindert Ihrer Meinung nach
die Einigkeit in der Ehe und in der Familie heutzutage am stärksten?”
Dies ist eine schwierige Frage, aber ich antwortete, dass schlechte
Kommunikation einer der Hauptgründe dafür ist, dass Ehen und
Familien unglücklich sind. Als Berater treffe ich oft Menschen, die
ihre Probleme deswegen nicht lösen und keine tieferen Beziehungen
eingehen können, weil sie nicht effektiv kommunizieren können.
Ohne gute Kommunikation kann deine Ehe und deine Familie
nicht so sein, wie Gott sie sich für dich gedacht hat. In seinem
Buch „Christsein auch zu Hause” 2 weist Jay Adams darauf hin, dass
Kom­­munikation die wichtigste Grundlage für zwischenmenschliche
Beziehungen ist. Sie ist ein Grundbedürfnis. Deswegen möchte ich
die nächsten Kapitel dazu nutzen zu erörtern, wie effektive Kom­
munikation aussieht und wie man sie erlernen kann. Ich hoffe, das
wird dich ermutigen, deine eigene Kommunikationsweise in der
Fa­mi­lie und mit anderen Menschen einmal genauer zu untersuchen.
Was ist effektive Kommunikation?
Grundsätzlich kann man effektive Kommunikation als einen In­for­
mationsaustausch zwischen zwei Personen beschreiben, bei dem die
Botschaft so verstanden wird, wie es der Sender beabsichtigt hat.
Solange der Sender und der Empfänger in der Botschaft nicht die
glei­che Bedeutung sehen, haben sie nicht effektiv kommuniziert. In
Epheser 4 schreibt Paulus, dass wir sprechen sollen, was zur Er­bau­
2
68
In deutsch erschienen beim Verlag CLV, Bielefeld (ISBN 978-3-86699-234-4).
Kapitel 4
Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast
ung dient, wo es nötig ist, damit es den Hörern Gnade oder Hilfe
bringe (V. 29). Dieses aussagekräftige Kapitel aus der Heiligen
Schrift zeigt, dass effektive Kommunikation dazu führt, dass beide
Seiten gestärkt, ermutigt und bereichert werden.
Das ist der Standard, an dem wir die Kommunikation innerhalb
unserer Ehe und unserer Familie messen sollen. Fördert sie Har­mo­
nie, Einigkeit und emotionale Nähe? Bringt sie Menschen zu­sam­
men? Erfahren wir physische und emotionale Nähe? Machen wir die
gleiche Erfahrung wie David und Jonathan, deren Seelen sich ver­
banden, so dass sie sich lieb gewannen wie Brüder (1.Samuel 18,1)?
Das ist das Ergebnis erfolgreicher Kommunikation. Und deswegen
ist sie so enorm wichtig für die Beziehungen in Ehe und Familie. In
vielen Familien leben die Menschen zwar physisch zusammen, sind
aber emotional meilenweit voneinander entfernt. Sie können sich
so eine Harmonie, dass ihre Herzen im selben Rhythmus schlagen
könnten, nicht einmal vorstellen. Solch eine umfassende Einigkeit
und tiefe Vertrautheit übersteigt ihr Vorstellungsvermögen, weil sie
nicht effektiv miteinander kommunizieren.
Wenn man Menschen trifft, die wirklich „ein Fleisch” geworden
sind, so wie Gott es für Ehepaare vorgesehen hat (1.Mose 2,24), hat
man Menschen vor sich, die erfolgreich kommunizieren. Denn das
„ein Fleisch”- Prinzip beinhaltet mehr als nur körperliche Vereinigung.
Es unterstellt emotionale Nähe, Harmonie und Vertrautheit – die
unausweichlichen Folgen erfolgreicher Kommunikation.
Kommunikation ohne Worte
Ich habe dieses Kapitel „Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast”
genannt, um das Augenmerk auf einen Aspekt der Kommunikation
zu lenken, der oft übersehen wird: Kommunikation beinhaltet mehr
als nur Worte. Es bedeutet auch, nicht-gesprochene Botschaften kor­
rekt zu senden und zu empfangen.
In der Bibel finden wir viele Beispiele für wortlose Kommuni­
kation. Als Adam und Eva erschaffen wurden, waren sie beide nackt
und schämten sich nicht (1.Mose 2,25). Das sagt viel aus über ihre
Be­ziehung zueinander und zu Gott. Sie fühlten keine Scham oder
Ver­legenheit, weil sie schuldlos waren. Ihre Gewissen waren rein. Sie
69
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
fühlten sich miteinander und mit Gott wohl, weil ihre Herzen rein
und heilig waren.
Später, nachdem sie Gottes Gebot übertreten und von dem Baum
der Erkenntnis des Guten und des Bösen gegessen hatten (1.Mose
2,17; 3,6), zeigte ihr Verhalten auch ohne Worte, dass sich etwas
geändert hatte. Sie versuchten, sich zu bedecken (1.Mose 3,7), und
als Gott sie abends im Garten besuchen kam (1.Mose 3,8), taten
sie etwas, das sie noch nie zuvor getan hatten. Sie versteckten sich.
Ohne ein Wort zu sagen, machten Adam und Eva deutlich, dass
etwas absolut nicht stimmte. Es war nicht nötig zu sagen: „Wir
haben von der verbotenen Frucht gegessen und jetzt schämen wir
uns.” Ihr Verhalten verriet alles.
Ein weiteres Beispiel für die Kraft wortloser Kommunikation
fin­den wir in einem späteren Kapitel des ersten Buches Mose. Die
Heilige Schrift berichtet, dass die Söhne Jakobs wussten, dass er
Joseph mehr liebte als sie (1.Mose 37,3-4). Wir wissen das, weil die
Bibel es ausdrücklich erwähnt. Aber die Brüder Josephs erfuhren es,
weil sie es sahen, nicht weil sie es gehört oder gelesen hätten (1.Mose
37,4). Ich bezweifle, dass Jakob herumging und verkündete: „Joseph
ist mein Lieblingssohn. Ich liebe ihn viel mehr als euch.” Dass er
Joseph mehr als alle anderen liebte, war eine Tatsache, und sein Ver­
halten übermittelte diese Botschaft mit Nachdruck.
Jakobs Söhne hörten, was er nicht sagte. Und dasselbe geschieht
auch heute. Andere hören, was wir nicht sagen, weil wir ständig
Bot­schaften aussenden, ohne unseren Mund zu öffnen. Tatsache ist,
dass wir ständig kommunizieren, selbst dann, wenn wir schweigen.
Häufige Formen stiller Kommunikation
Wir reden mit unseren Augen durch die Art, wie wir uns ansehen
oder nicht ansehen. Wenn ich den Augenkontakt mit dir vermeide,
kommuniziere ich. Wenn ich meine Augen verdrehe, während du
mit mir sprichst, empfängst du eine bestimmte Botschaft. Wir kom­
mu­ni­zieren mit unserem Gesichtsausdruck, sei er streng oder freund­
lich. Mein Stirnrunzeln, mein Lächeln, mein Schmunzeln, mein
Schmollen, mein besorgter, ärgerlicher oder ängstlicher Gesichts­
ausdruck übermittelt eine Botschaft an dich.
70
Kapitel 4
Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast
Wir sprechen auch durch unsere Kleidung. Unsere Kleidung zeigt,
ob wir nachlässig oder ordentlich sind, ob wir organisiert sind, ob
uns wichtig ist, was wir anziehen. Wir zeigen anderen oft durch
die Art, wie wir uns in ihrer Gegenwart kleiden, was wir von ihnen
halten. Wenn ein Ehemann oder eine Ehefrau sich weigert, das
anzuziehen, was der Ehepartner vorschlägt, sendet er/sie damit eine
Botschaft. Man braucht nicht ausdrücklich zu sagen: „Ich mag dich
nicht”, oder „Es ist mir egal, was du denkst”, man kann es auch
schweigend übermitteln.
Wir kommunizieren durch die Art, wie wir sitzen und stehen.
Wenn Menschen vor dir zurückweichen, sobald du dich näherst,
deu­ten sie damit wahrscheinlich an, dass du in ihren persönlichen
Freiraum eingedrungen bist. Vielleicht kennen sie dich nicht gut
genug oder ihr Vertrauen ist nicht groß genug, um dich so nah an
sich heran zu lassen. Vielleicht wollen sie dadurch deutlich machen,
dass du dich nicht aufdrängen sollst. Wenn dir jemand den Rücken
zukehrt, ist die Botschaft noch klarer.
Ich beobachte oft, wie die Menschen sich hinsetzen, wenn sie
in meine Praxis kommen. Manche ziehen ihren Stuhl so nahe an
den Tisch heran wie nur eben möglich. Andere schieben den Stuhl
weiter weg. Bei manchen Familien sitzt die Frau immer rechts und
der Mann immer links. Das Kind setzt sich zwangsläufig auf den
mittleren Stuhl, den es möglichst nah zur Mutter und möglichst
weit weg vom Vater schiebt. Bei anderen Familien setzen sich Vater
und Mutter nebeneinander und das Kind sitzt auf der anderen Seite
des Raumes.
Ein scharfsinniger Beobachter könnte daraus viele Informationen
über die Bündnisse und Interaktionsmuster in den Familien ent­
neh­men. Das erste Kind z.B. orientiert sich wahrscheinlich stärker
an der Mutter und sieht sie als Verbündete und Beschützerin. Das
zweite Kind sieht sich mehr als Außenseiter und hat weder zum
Vater noch zur Mutter eine enge Beziehung.
Auch dadurch, wie man seine Zeit verbringt, macht man eine
Aus­sage. Weiß ich, wie du deine Zeit verbringst, dann weiß ich
auch einiges über deinen Charakter. Wenn du mir sagst, dass deine
Be­ziehung zu Gott das Wichtigste in deinem Leben ist, hast aber
71
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
keine Zeit für die Gemeinde, zum Beten oder Bibellesen, dann
sprechen deine Taten lauter als deine Worte. Wenn du sagst, deine
Familie ist dir wichtig, aber du hast keine Zeit für sie, dann weiß ich,
dass dir deine Familie nicht wichtig genug ist.
Wir kommunizieren auch dadurch, wie wir mit unserem Geld
um­gehen. Wenn wir unser Geld für alle möglichen Dinge ausgeben,
aber nichts für das Werk des Herrn und die Armen geben, machen
wir deutlich, wo unser Schatz ist und was für uns wichtig ist. Jesus
deutet darauf hin, dass unser Umgang mit Geld ein zuverlässiges
Barometer für unseren Charakter und unsere Glaubwürdigkeit ist.
Er sagt sogar, dass man einem Menschen, der mit seinen irdischen
Gütern verlässlich umgeht (diesen Bereich bezeichnet er als „kleines
Ding”), vertrauen kann, dass er auch in anderen Bereichen treu ist.
Wer aber im Finanziellen nicht treu ist, dem kann man auch in
anderen Bereichen nicht vertrauen (Lukas 16,11-12).
Unsere Art zu lachen und das, worüber wir lachen, sagt auch viel
über unsere innere Haltung und unsere Werte aus. Wir kom­mu­ni­
zieren dadurch, dass wir bereit sind, anderen zu helfen, und dadurch,
mit welcher Stimmung und auf welche Art und Weise wir ihnen
helfen. Ohne dass wir ein Wort sagen, erkennt man, ob wir froh
sind, helfen zu können, oder ob wir es nur widerwillig tun, weil wir
uns davor nicht drücken konnten.
Wir kommunizieren sogar mit unseren Ohren – dadurch, ob wir
bereit sind, anderen zuzuhören. Wenn ich meine Schüler betrachte,
sehe ich, dass manche sich vorbeugen und genau das tun, was in den
Sprüchen beschrieben wird: Sie neigen ihre Ohren um zu hören, was
gesagt wird. Das Verhalten anderer deutet darauf hin, dass sie ihre
Ohren neigen um nicht zu hören. Ohne ein Wort zu sagen, drücken
diese Schüler ihr unterschiedlich starkes Interesse aus.
Auch mit unseren Armen und Händen kommunizieren wir. Wenn
ich meine Frau in die Arme nehme, schicke ich ihr eine Botschaft.
Selbst durch unsere Gegenwart oder Abwesenheit machen wir eine
Aussage, nämlich darüber, ob ich mit jemandem Zeit verbringen
will oder nicht.
72
Kapitel 4
Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast
Die Macht der wortlosen Kommunikation
Man könnte behaupten, dass wir durch wortlose Kommunikation
viel mehr mitteilen als durch Worte. Unsere Kommunikation
be­inhal­tet alles, was wir tun und sagen. Das bedeutet, dass wir
uns un­unterbrochen mitteilen. Selbst unsere Versuche, der Kom­
munikation auszuweichen, senden eine Botschaft. Die Frage lautet
deshalb nicht: „Teile ich etwas mit oder nicht?”, sondern vielmehr:
„Kommunizieren wir effektiv?” Diese Frage kann nicht bejaht wer­
den, solange wir die wortlosen Botschaften nicht korrekt senden und
empfangen.
Nonverbale (=wortlose) Botschaften haben eine hohe Aussage­
kraft. Die wortlose Kommunikation Gottes durch das Kreuz ist die
aussagekräftigste Botschaft, die man sich vorstellen kann. Wie hätte
Gott noch deutlicher sagen können: „Ich liebe dich”, als dadurch,
dass er seinen eigenen Sohn gab? Nachdem Paulus uns daran
erinnert, dass Gott seinen eigenen Sohn nicht verschonte, sondern
ihn für uns alle opferte, fragt er uns: „Er, der sogar seinen eigenen
Sohn nicht verschont hat, sondern ihn für uns alle dahingegeben hat,
wie sollte er uns mit ihm nicht auch alles schenken?” (Römer 8,32)
Gott hat durch diese mächtige wortlose Botschaft vom Kreuz seine
unendliche Liebe für uns unmissverständlich und unwiderlegbar
be­stätigt.
Mitten in einem aussagekräftigen Abschnitt über die Einigkeit in
der Gemeinde sagt Paulus zu den Ephesern (4,28): „Wer gestohlen
hat, der stehle nicht mehr, sondern bemühe sich vielmehr, mit den
Händen etwas Gutes zu erarbeiten, damit er dem Bedürftigen etwas
zu geben habe.” Warum erwähnt Paulus in einem Abschnitt über
zwischenmenschliche Beziehungen das Stehlen? Die Sache ist die:
Wenn wir behaupten, dass uns Menschen wichtig sind, und wir
be­stehlen sie, dann widersprechen unsere Taten unseren Worten.
Men­
schen lieben und sie bestehlen, das passt nicht zusammen.
Pau­lus erklärt, wenn man mit anderen wirklich auskommen will,
muss man aufhören zu stehlen und anfangen zu arbeiten und zu
geben. Anders ausgedrückt: Zeige dein Interesse an anderen, indem
du ihnen in praktischen Angelegenheiten zur Seite stehst. Hör auf,
nur an dich selbst zu denken und daran, was andere für dich tun
73
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
können. Drück durch dein Denken und Handeln aus, dass dir ihre
Bedürfnisse wichtig sind. Solches Handeln spricht Bände über deine
Liebe für andere.
Gestalte dein eigenes Umfeld
Du solltest die Aussagekraft deiner Verhaltensweisen nie unter­
schät­zen. Nichts spielt eine größere Rolle in unserer Beziehung zu
anderen. In gewisser Hinsicht können wir unser eigenes Umfeld
ge­stalten und damit beeinflussen, wie andere auf uns reagieren –
positiv oder negativ.
Vor kurzem erzählte mir ein junger Mann, der in ernsthafte
Schwie­rig­keiten geraten war, einige Dinge, die ihn quälten. Ins­
besondere mochte er die Art nicht, wie seine Mutter ihn behandelte.
„Sie sagt mir ständig, dass ich um eine bestimmte Uhrzeit zu Hau­se
sein soll. Sie hat Angst, ich könnte entführt werden. Sie will wis­
sen, wo ich hingehe, was ich tue, mit wem ich mich treffe, wann
ich zurück sein werde. Ich bin schon sechzehn Jahre alt und sie
be­handelt mich immer noch wie ein kleines Kind und überprüft
mich ständig.”
Ich fragte ihn: „Hast du eine Ahnung, warum deine Mutter das
tut, und soll dir jemand helfen zu erreichen, dass sie dich in Ruhe
lässt?”
Er antwortete: „Nein, ich weiß nicht, warum sie das tut. Und ja,
ich hätte gerne, dass mir jemand dabei hilft, dass sie mich mehr wie
einen Erwachsenen behandelt.”
„Glaubst du, dass es sein könnte, dass du selbst dazu beigetragen
hast, dass sie dich so behandelt?”, fragte ich.
Etwas verwirrt erwiderte er: „Wie meinen Sie das?”
Ich antwortete: „Lass mich das durch ein Beispiel erklären. Vor
einiger Zeit arbeitete einer unserer Söhne in einem Fischrestaurant. Es
dauerte nicht lange, bis der Besitzer an Chip Gefallen fand und ihn
zu seinem Stellvertreter beförderte. Chips Vorgesetzter hatte so viel
Vertrauen zu ihm, dass er ihm oft die Verantwortung überließ und
selbst gar nicht erst im Restaurant erschien. Der Besitzer sagte uns
oft, wie dankbar er für Chip war und wie sehr er sich wünschte, noch
mehr solche Mitarbeiter zu finden. Kürzlich sahen wir diesen Mann
74
Kapitel 4
Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast
wieder. Unser Sohn hatte nur zwei Jahre für ihn gearbeitet und er
beschwerte sich, dass er immer noch keinen Ersatz für Chip gefunden
hatte. Der Besitzer sagte: „Menschen wie er sind schwer zu finden.”
Dann fragte ich den jungen Mann, der zu mir in die Beratung
gekommen war: „Weißt du, warum dieser Restaurantbesitzer so eine
hohe Meinung von unserem Sohn hatte und mehr solche Mitarbeiter
habe wollte?”
„Na ja, ich glaube, er vertraute ihm.”
„Wie kam er wohl zu der Annahme, dass er meinem Sohn ver­
trauen konnte?”
„Ich denke, er sah, wie Ihr Sohn sich verhielt und schloss daraus,
dass er vertrauenswürdig war.”
„Und wie kam er zu diesem Schluss? Wer brachte ihn dazu, Chip
als vertrauenswürdig anzusehen?”
„Ich denke, Chip.”
„Du meinst also, mein Sohn gestaltete sich sein eigenes Umfeld.
Durch seine Verlässlichkeit brachte er diesem Mann bei, dass er
ihm vertrauen konnte. Jetzt stell dir einmal vor, Chip wäre immer
fünfzehn Minuten zu spät gekommen, hätte auf seiner Stechkarte
gemogelt oder bei der Arbeit getrödelt. Stell dir vor, er hätte die
Anweisungen seines Chefs missachtet oder einem seiner Freunde
eine kostenlose Mahlzeit zugeschoben. Wie hätte der Chef wohl
reagiert?”
„Er hätte ihn wahrscheinlich gefeuert – oder zumindest schärfer
beobachtet. Ich glaube, er hätte ihn härter angefasst und daran
ge­zweifelt, dass er ihm vertrauen kann.”
„Richtig! Mein Sohn hätte ihm beigebracht, dass er ihm nicht
ver­trauen konnte. Auch in diesem Fall hätte mein Sohn sein eigenes
Umfeld geschaffen und das Verhalten dieses Mannes beeinflusst.
Also, wie können wir das alles darauf übertragen, was sich zwischen
dir und deiner Mutter abspielt? Was kannst du demnach tun, damit
dich deine Mutter mehr wie einen Erwachsenen behandelt?”
„Ich denke, wenn ich will, dass sie mich wie einen Erwachsenen
behandelt, muss ich mich auch wie ein Erwachsener benehmen. Ich
muss mit ihr offener reden und ihr beweisen, dass sie mir vertrauen
kann.”
75
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Danach besprachen wir ausführlich, wie er seine Mutter dazu
brin­gen konnte, ihn anders zu behandeln. Wir überlegten, was sie
dazu veranlasste, ihn wie ein Kind zu behandeln, und was er tun
könnte, um seiner Mutter zu zeigen, dass sie ihm vertrauen konnte.
Wir untersuchten das biblische Prinzip, dass wir oft ernten, was
wir säen (nur in größerer Menge), und legten fest, was und wie er
anderes säen konnte.
Fazit: Unser Handeln bewirkt eine Reaktion in unserem Umfeld,
auch zu Hause. Und unsere Reaktion auf andere ruft wieder eine
Reaktion hervor – gut oder schlecht. Bevor wir uns über das Ver­hal­
ten anderer Familienmitglieder beschweren, sollten wir prüfen, wie
wir sie provozieren oder auf sie reagieren. Die Ermahnung der Bibel,
Böses nicht mit Bösem und Beleidigungen nicht mit Beleidigungen
sondern mit einer Wohltat zu vergelten (1.Petrus 3,9), spricht
den Domino- und Boomerang-Effekt vieler Verhaltensweisen an.
Unser Benehmen kann tatsächlich dasselbe Verhalten hervorrufen
oder verstärken, gegen das wir uns wehren, sei es Verdrießlichkeit,
Misstrauen, Verachtung oder Streit.
Falsch verstandene Botschaften
Traurigerweise werden wortlose Botschaften oft missverstanden,
selbst wenn Gott es ist, der die Botschaft sendet. Durch die Schöp­
fung zeigt Gott immer wieder seine Herrlichkeit, aber wie viele von
uns sehen das? Viele Menschen ignorieren entweder die Botschaft
Gottes über sich selbst in seiner Schöpfung, oder sie sehen darin eine
Bestätigung der Evolutionstheorie. Sie verstehen die Botschaft, die
Gott sendet, völlig falsch.
Viele missverstehen auch die Offenbarung Gottes in der Welt­
geschichte. Die Bibel lehrt uns, dass die Weltgeschichte seine
Ge­schich­te ist, aber nur sehr wenige erkennen an, dass Gott seine
Hand in der Geschichte der Menschheit mit im Spiel hat. Sogar
Chris­ten verstehen Gottes Handeln manchmal falsch. In Hebräer
12,6 steht, dass Gott seine Liebe zu uns dadurch zeigt, dass er uns
züchtigt und straft. Dies beweist, dass er unser Vater ist und wir zu
seiner Familie gehören. Aber es kommt oft vor, dass wir das nicht so
sehen. Deshalb sagt die Bibel (Hebräer 12,5): „... achte nicht gering
76
Kapitel 4
Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast
die Züchtigung des Herrn und verzage nicht, wenn du von ihm
zurechtgewiesen wirst.” Wir erkennen nicht immer, dass Gott seine
Liebe zu uns durch unsere Lebensumstände zeigen will.
In gleicher Weise missverstehen wir oft das Verhalten anderer
Menschen. Erinnerst du dich an den Fall im Alten Testament, wo
Eli Hannas Verhalten falsch deutete, als er den Tempel betrat und
sie dort sah (1.Samuel 1,12-18)? In der Bibel steht, dass sie verzweifelt
war, weil sie so gerne ein Kind wollte. Während sie ernsthaft und
vertrauensvoll zu Gott betete, beobachtete Eli, dass sich ihre Lippen
bewegten, ohne dass sie einen Ton von sich gab. Er dachte, Hanna
sei betrunken, und ermahnte sie streng für ihre Ausschweifung. Eli
hatte ihr wortloses Verhalten völlig falsch gedeutet.
In der Apostelgeschichte wird eine ähnliche Begebenheit ge­schil­
dert. An Pfingsten, als der Geist Gottes mit Macht auf die Christen
von Jerusalem herabkam, gingen sie auf die Straßen und gaben
Zeugnis und predigten von Jesus in fremden Sprachen. Einige, die
das beobachteten, dachten sie seien betrunken (Apg. 2,1-15).
Das Verhalten dieser Christen wurde gründlich missverstanden.
Und was damals passierte, kann auch heute geschehen. Es kann
schnell passieren, dass andere unser wortloses Handeln falsch deu­
ten. Sie gehen davon aus, dass sie hören, was wir nicht sagen, und
ziehen die falschen Schlüsse. Und davon hängen ihr Denken und
Handeln und ihre Gefühle uns gegenüber ab.
Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass auch wir die
nicht-gesprochenen Botschaften anderer falsch verstehen können.
Es ist eine Sache zu erkennen, dass andere unser Verhalten falsch
deuten können. Aber aus irgendeinem Grund fällt es uns schwerer
zuzugeben, dass auch wir die Handlungen unserer Mitmenschen
missverstehen können. Allzu oft gehen wir völlig überzeugt da­von
aus, dass wir richtig verstanden haben, was der andere nicht gesagt
hat. Zum Beispiel würden wir nicht unbedingt daran denken in
Frage zu stellen, ob wir richtig verstanden haben, was ein anderes
Familienmitglied getan hat und was es damit gemeint hat. Wir
sind uns sicher, dass wir es wissen. Wie könnten wir denn auch
im Unrecht sein!? Andere haben sich schon bei uns geirrt, aber in
unserem Stolz wollen wir selten zugeben, dass wir uns bei anderen
77
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
genauso irren können. Obwohl die Erfahrung zeigt, dass wir mit
unserer Interpretation schon tausendmal daneben lagen, reden wir
uns ein, diesmal Recht zu haben. Also agieren und reagieren wir
entsprechend.
In dem Artikel „Wie wir emotionale Botschaften versenden”
beschreibt Ernst Beier bildhaft, wie leicht es ist, wortlose Botschaften
falsch zu verstehen:
Wir baten einige Leute, sechs verschiedene Gefühle wortlos
auszudrücken und auf Video aufzunehmen. Es waren Wut,
Angst, Verführung, Gleichgültigkeit, Freude und Traurigkeit.
Sie sollten sich dann die einzelnen Szenen ansehen und die­
jenigen herausnehmen, die ihrer Meinung nach nicht gut
gelungen waren […]
Als wir diese Videos vor großem Publikum abspielten, um die
jeweiligen Gefühle erraten zu lassen, merkten wir, dass […]
anscheinend jeder falsche Informationen sendet […]
Zwei Beispiele für diese Nichtübereinstimmung werde ich
nie vergessen. Ein Mädchen, das wie alle anderen versucht
hatte Wut, Angst, Verführung, Gleichgültigkeit, Freude und
Traurigkeit auszudrücken […], wurde von den Zuschauern
stets als wütend empfunden. In was für einer schwierigen
Welt muss sie wohl gelebt haben. Ganz gleich wie sie ihr
Ge­
fühls­
barometer einstellte, alle anderen konnten nur ihre
Wut spüren. Ein anderes Mädchen in unserem Experiment
[…] machte durchweg einen verführerischen Eindruck auf die
Jurymitglieder. Selbst wenn sie wütend wirken wollte, pfiffen
ihr die Männer hinterher.3
Wortlose Kommunikation geschieht ständig, ist aussagekräftig
und wird sehr leicht falsch verstanden. Wenn wir also unsere
Familie nach Gottes Vorstellung gestalten wollen, müssen wir daran
arbeiten, unsere wortlosen Botschaften mit Vorsicht zu versenden
und zu empfangen. Oft scheitern Familien in ihren Beziehungen an
diesem Punkt. Lass nicht zu, dass das in deiner Familie geschieht.
3
78
Ernst Beier, How We Send Emotional Messages, Psychologie Today, Okt. 1974, Seite 56.
Kapitel 4
Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant­
worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Denke über dieses Kapitel nach (und falls nötig, lies es noch
einmal) und beantworte die folgenden Fragen:
a) Was ist effektive Kommunikation?
b) Was geschieht, wenn Menschen nicht effektiv miteinander
kommunizieren?
c) Bewerte die Kommunikation in deiner Familie anhand deiner
Definition. Benutze dabei als Skala folgende Abstufungen:
Ausgezeichnet, gut, mittelmäßig, schlecht, sehr schlecht.
d) Warum trägt dieses Kapitel die Überschrift „Ich habe gehört,
was du nicht gesagt hast”?
e) Nenne einige biblische Beispiele wortloser Kommunikation
und stelle fest, was du daraus lernen kannst.
f) Nenne einige nicht-biblische Beispiele wortloser Kommu­ni­
kation und stelle fest, was du daraus lernen kannst.
g) Was verdeutlicht Epheser 4,28 in Bezug auf wortlose Kom­
munikation?
h) Erkläre den „Domino-” bzw. „Boomerang-Effekt” wortloser
Verhaltensweisen.
2. Analysiere die folgenden Bibelstellen. Was sagen sie über
wort­lose Kommunikation aus? Sprich mit deinem Ehepartner
darüber und fasse dann zusammen, was du über wortlose
Kom­munikation gelernt hast.
a) 1.Mose 3,7-10
b) 1.Mose 4,5-6
c) 1.Mose 37,3
d) 1.Mose 39,4
e) 1.Mose 40,6-7
f) Josua 7,6
g) 1.Samuel 1,4-10
79
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
h) 1.Samuel 18,4
i) 1.Könige 19,3.4a
j) 1.Könige 21,4
k) Sprüche 4,25-26
l) Sprüche 7,6-9
m) Sprüche 7,10-13a
n) Sprüche 31,12-27
o) Markus 2,3-5
p) Lukas 10,30-35a
q) Lukas 15,3-4+8+20
r) Lukas 18,10-13
s) 1.Johannes 3,17
3. Um Einigkeit in Ehe und Familie zu schaffen, ist es erfor­
der­lich, wortlose Botschaften korrekt zu senden und zu emp­
fan­gen. Bearbeitet die folgenden Aufgaben jeder für sich und
tauscht euch anschließend darüber aus. Schreibt die Er­geb­nis­
se eurer Diskussion auf und untersucht, was eurer Mei­nung
nach für euer eigenes Leben und das eurer Familie wich­tig
ist. Inwieweit muss eure wortlose Kommunikation ver­bessert
werden? Seid bereit, eure Gedanken mit anderen aus­zu­tau­
schen.
a) Nenne zehn verschiedene Arten wortloser Kommunikation.
b) Nenne einige wortlose Verhaltensweisen, die einer tiefen
und zufriedenstellenden Beziehung im Wege stehen können.
Warum sind sie ein Hindernis?
c) Welche wortlosen Verhaltensweisen können das Zu­sam­men­
gehörigkeitsgefühl stärken und Ehe und Familie zu einem
zufriedenstellenden Erlebnis werden lassen?
d) Finde heraus, welche deiner wortlosen Verhaltensweisen am
problematischsten sind und erkläre, wie sie guten Beziehungen
innerhalb der Familie im Wege stehen.
e) Welche wortlosen Verhaltensweisen anderer Familienmit­glie­
der verursachen deiner Meinung nach die meisten Probleme?
f) Was tust du ohne Worte, um eine gute Beziehung zu fördern?
80
Kapitel 4
Ich habe gehört, was du nicht gesagt hast
g) Stelle für jedes einzelne Familienmitglied fest, welche seiner
wortlosen Verhaltensweisen gute Beziehungen in der Familie
fördern.
81
Kapitel 5
Hören, was nicht gesagt wird
Es wird eine Geschichte über ein Dorf erzählt, dessen Bewohner
über­
wiegend römisch-katholisch waren mit ein paar vereinzelten
Juden darunter. Es lief nicht gut, und so beschlossen die römischkatholischen Oberhäupter, die Juden zu bitten wegzuziehen. Als
der oberste Priester sich mit dem obersten Rabbi traf, um ihm die
Nachricht zu überbringen, forderte der Rabbi den Priester zu einer
Debatte heraus, die über das Schicksal der Juden entscheiden sollte.
Wenn der Priester das Rededuell gewann, würden die Juden weg­
ziehen. Sollte aber der Rabbi gewinnen, würden die Juden bleiben.
Der Rabbi schlug vor, die Diskussion ganz ohne Worte zu führen,
und der Priester erklärte sich einverstanden.
Am Tag der Debatte betraten der Priester und der Rabbi einen
Raum mit wenigen Zuschauern, die den Sieger feststellen sollten.
Der Priester stand auf und warf seine Arme weit auseinander. Der
Rabbi erwiderte, indem er mit einer Hand energisch auf den Boden
zeigte. Der Priester zeigte darauf drei Finger. Der Rabbi konterte
mit einem Finger. Beeindruckt, aber unbeirrt hielt der Priester einen
Apfel hoch. Der Rabbi nahm den Apfel und begann ihn zu essen.
Daraufhin räumte der Priester ein, dass er übertrumpft worden war.
„Ich kann nichts tun, um den Rabbi zu überlisten. Er hat anständig
und ehrlich gewonnen. Die Juden dürfen bleiben.”
Später erklärte der Priester seinen Kollegen, was passiert war.
„Ich habe noch nie jemanden getroffen, der so gekonnt debattiert
und solch überzeugende Argumente vorgebracht hat. Als ich damit
eröffnete, dass ich meine Arme weit auseinander warf um zu zeigen,
dass Gott überall ist, zeigte er auf den Boden und sagte damit, dass
82
Kapitel 5
Hören, was nicht gesagt wird
Gott auch hier ist. Dann hob ich drei Finger um zu erklären, dass
Gott drei Personen in einer verkörpert: Vater, Sohn und Heiliger
Geist. Er hob nur einen Finger um zu unterstreichen, dass es nur
einen Gott gibt. Schließlich hob ich einen Apfel auf um darauf hin­
zudeuten, dass Gott die Menschen prüfte. Er nahm den Apfel und
begann ihn zu essen, was bedeuten sollte, dass der Mensch geprüft
worden war und versagt hatte. In dem Moment wurde mir klar, dass
er für alles, was ich sagen würde, überzeugende Gegenargumente
haben würde. Deshalb gab ich nach und sagte, dass die Juden blei­
ben dürfen.”
Während der Priester über den Vorgang berichtete, wurde auch
der Rabbi von seinen Kollegen danach befragt. „Ich bin nicht
sicher”, sagte er. „Ich weiß nur, dass wir bleiben können.” Als sie
ge­nau­er nachfragten, erklärte er: „Wir betraten diesen Raum und
der Priester warf seine Arme auseinander, was heißen sollte, dass wir
gehen müssen. Ich zeigte auf den Boden, womit ich sagen wollte,
dass wir bleiben. Dann hielt er drei Finger hoch – wir hätten drei
Tage, um die Stadt zu verlassen. Ich erwiderte mit einem Finger, dass
sie uns mindestens einen Monat Zeit lassen sollten. Dann bot er mir
einen Apfel an, um seine Großzügigkeit zu bekunden. Ich nahm den
Apfel und wir machten Mittagspause. Fragt mich nicht, warum,
aber als ich den Apfel aß, schien der Priester überfordert zu sein und
wollte die Debatte nicht weiterführen. Er erklärte mich zum Sieger
und sagte, wir könnten bleiben.”
Diese ausgedachte Geschichte zeigt, wie leicht es passieren kann,
dass nonverbale Kommunikation missverstanden wird. Nicht nur
der Priester und der Rabbi sondern auch Familienmitglieder kön­
nen einander völlig falsch verstehen ohne es je zu bemerken. Ein
wichtiger Schritt, um deine Familie nach Gottes Vorstellung zu
ge­stalten, besteht darin, die wortlosen Missverständnisse zu re­du­zie­
ren oder ganz auszuschließen.
Um solcher Miss-Kommunikation vorzubeugen, muss man vier
wichtige Dinge begreifen. Wir sollten uns darüber Gedanken
ma­chen, wie andere uns wahrnehmen.
83
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Sei dir bewusst, wie andere dich sehen
Wir alle müssen lernen zu verstehen, was und wie wir mit anderen
wortlos kommunizieren.
Der Wahrheit „ins Gesicht sehen”
Ist dir zum Beispiel bewusst, welche Botschaft dein Gesichtsaus­
druck anderen vermittelt? Er könnte ärgerlich wirken, wenn du gar
nicht böse bist. Vielleicht wirkst du so ernst und angespannt, dass
du anderen Angst machst. Solange du nicht weißt, welche Botschaft
deine Miene sendet, kann es zu Missverständnissen führen und
an­dere reagieren vielleicht unerwartet, weil sie von dir einen ganz
falschen Eindruck haben.
Vor einigen Jahren sah mich einmal einer meiner Söhne still im
Wohnzimmer sitzen und fragte: „Was ist los, Papa?” Ich antwortete:
„Nichts, es ist alles in Ordnung.” „Bist du sicher, dass alles in
Ordnung ist?”, fragte er. „Ja”, versicherte ich ihm. Und nachdem wir
uns kurz unterhalten hatten, ging er wieder seines Weges.
Dies wiederholte sich einige Male (ich brauche etwas Zeit, um
solche Dinge zu bemerken) und ich begann zu überlegen, warum er
fragte, was los sei. Und dann wurde mir klar, dass es immer dann
passierte, wenn ich tief in Gedanken versunken war. Soweit mir
bewusst war, war ich in diesen Augenblicken nicht aufgebracht,
ärger­lich oder besorgt gewesen. Aber mein Sohn sah nur meinen
Gesichtsausdruck, und für ihn sah es so aus, als sei ich über irgend­
etwas verärgert.
Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie andere mich manchmal
wahrnehmen. Wenn meine Mimik meinem Sohn den Eindruck ver­
mittelt, ich sei besorgt oder ärgerlich oder traurig, dann sehen andere
das wahrscheinlich genauso. Also beschloss ich, mehr auf meinen
Gesichtsausdruck zu achten, wenn ich mich in Gegenwart anderer
aufhielt. Wenn ich jetzt meinen Sohn das Haus betreten höre, setze
ich ein Lächeln auf und begrüße ihn fröhlich. Wenn ich Menschen
berate, eine Rede halte oder mich einfach mit Leuten unterhalte,
versuche ich, mir bewusst zu machen, was mein Gesichtsausdruck
aussagt. Ich will nicht unaufrichtig oder heuchlerisch sein und so
tun als sei alles in bester Ordnung, wenn dem nicht so ist. Aber ich
84
Kapitel 5
Hören, was nicht gesagt wird
will auch nicht den Eindruck von Kummer oder Unmut vermitteln,
wenn ich diese Gefühle in dem Moment nicht empfinde.
Taten sprechen lauter
Vor kurzem erzählte Jim ein Erlebnis, das verdeutlicht, wie wichtig es
ist, sich darüber im Klaren zu sein, wie sich unsere Taten auf andere
auswirken. Über mehrere Jahre hatte er ein Doppelleben geführt. Er
war verheiratet, hatte Kinder, bekannte sich als Christ und war aktiv
in der Gemeinde. Aber gleichzeitig betrog er seine Frau Tanya und
lebte seine Homosexualität aus.
Im Laufe der Zeit überführte ihn der Herr und in ihm wuchs der
Wunsch, ein gottesfürchtiger Mann zu werden. Er suchte nach Hil­fe,
um seinen sündigen Lebenswandel aufzugeben. Als erstes wandte er
sich an eine christliche Seelsorge für Homosexuelle, wo man mit ihm
arbeitete und ihm riet, eine christliche Beratungsstelle aufzusuchen.
Das tat er auch und beschloss dann, seinem Pastor alles zu beichten
und ihn um Hilfe zu bitten. Sein Pastor antwortete darauf: „Das
ist eine ernste Angelegenheit, wir sollten uns mindestens einmal die
Woche treffen.”
Jim war begeistert, aber weißt du, wie oft sich der Pastor tat­säch­
lich mit ihm traf? Nach diesem Gespräch meldete er sich nie wie­
der, um einen Termin zu vereinbaren oder um zu sehen, wie es Jim
und Tanya ging. Sie wussten, dass sie jemanden brauchten, der sie
unterstützen und ermutigen würde und vor dem sie Rechenschaft
ablegen würden. Sie dachten, sie könnten mit seiner Hilfe rechnen,
um diese schwierigen Probleme zu bewältigen und die nötigen großen
Veränderungen durchzuführen. Nachdem aber einige Wochen ver­
gangen waren, ohne dass der Pastor irgendetwas unternommen
hatte, begannen Jim und Tanya daran zu zweifeln, dass es ihn über­
haupt interessierte. Da er sich nicht um sie gekümmert hatte, konnte
man davon ausgehen, dass er sich nicht sonderlich um sie sorgte.
Und es blieb ihnen überlassen herauszufinden, warum. Wusste er
nicht, dass sie in ernsthaften Schwierigkeiten waren? Litt er unter
Homophobie? War er böse auf Jim und nicht bereit, ihm sein Dop­
pel­leben zu vergeben? Sie fühlten sich abgelehnt, ungewollt und
allein gelassen.
85
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Jims Berater riet ihm, mit seinem Pastor zu sprechen und ihm
mitzuteilen, dass er sich verlassen fühlte. Der Pastor entschuldigte
sich und sagte, ihm war nicht bewusst gewesen, wie wichtig die
ge­planten Treffen für Jim und seine Frau waren. Er hätte gedacht,
da sie zu einem christlichen Berater gingen, der viel mehr über
Homo­sexualität und Eheprobleme wüsste als er, würde er vielleicht
nur stören. Er selbst hatte nur wenig Erfahrung in der Arbeit mit
Homosexuellen und keine Erfolge gehabt. Er betonte, dass seine
Passivität auf keinen Fall bedeutete, dass er sich nicht um sie sorgte.
Wahrscheinlich stimmte es, was der Pastor sagte. Ihm war aber
leider nicht bewusst gewesen, wie Jim und Tanya den Widerspruch
zwischen seiner mündlichen Zusage und seiner Tatenlosigkeit (non­
verbales Verhalten) deuten würden. Der Pastor kannte seine Gründe
dafür, was er tat, und schien anzunehmen, dass sie es genauso sehen
würden. Aber sie taten es nicht!
Lerne daraus, wie wichtig es ist, dein Verhalten mit den Augen
anderer zu betrachten. Versuche – so gut es geht – durch dein
wortloses Verhalten das zu übermitteln, was du aussagen willst – was
du denkst und fühlst.
Bleib mit dir selbst verbunden
Es gibt noch andere Fälle, wo wir anderen nicht das mitteilen, was
wir eigentlich beabsichtigen. Manchmal spiegelt unser Verhalten das
wider, was in uns vorgeht, aber unsere wahren Gefühle sind uns
nicht bewusst. Das geschieht häufig, wenn wir sündige Gefühle
haben. Weil wir vielleicht nicht zugeben wollen, dass unsere Ge­dan­
ken, Gefühle, Wünsche und Werte falsch sein könnten (Sprüche
16,2; 21,2), leugnen wir sie, schieben die Schuld von uns, suchen
Ent­
schuldigungen, verheimlichen sie oder geben ihnen andere
Na­men. Wir belügen uns selbst und andere (Jakobus 1,22) darüber,
was sich in unserem Leben wirklich tut.
Ein Beispiel gefällig? Wir sind verärgert. Anstatt es einfach
zu­zugeben, versuchen wir, mit Ablenkungsmanövern die Wahrheit
zu verbergen. Wir leugnen glatt weg, dass wir böse sind. Wenn uns
jemand fragt: „Was quält dich?”, sagen wir: „Nichts.” Wenn jemand
sagt: „Du scheinst sehr unzufrieden mit mir zu sein. Habe ich etwas
86
Kapitel 5
Hören, was nicht gesagt wird
falsch gemacht?”, antworten wir: „Nein, ich bin nicht verärgert. Ich
liebe dich wirklich. Wie kommst du nur darauf, dass ich dich nicht
in meiner Nähe haben will?” Wir denken, es ist sicherer, unsere
wahren Gefühle zu leugnen, anstatt ehrlich zu sein und sie im Licht
der Bibel zu betrachten.
Manchmal geben wir unseren Gefühlen auch neue Namen, um
von ihrem wahren Charakter abzulenken. Anstatt zuzugeben, dass
wir sehr verbittert, gekränkt oder wütend sind, gebrauchen wir
Um­schrei­bun­gen wie „Ich bin etwas verletzt”, „Ich bin enttäuscht”,
„Ich mache mir nur Sorgen” oder „Ich verstehe nicht”. Wir spielen
den Ernst der Lage herunter, um Unannehmlichkeiten aus dem
Weg zu gehen. Vielleicht sind wir uns unserer wahren Gefühle gar
nicht bewusst und bestehen darauf, dass wir nicht gereizt, verärgert
oder wütend sind, selbst wenn das in Wahrheit der Fall ist. Jeremia
warnt uns und sagt, dass unser Herz so trügerisch ist, dass wir oft
die Wahrheit über uns selber nicht erkennen (Jeremia 17,9). Auf den
ersten Blick mag es so scheinen, als hätten wir einen Vorteil davon,
wenn wir unsere wahren Gefühle leugnen oder umbenennen. In
Wahrheit aber ist es eine sehr gefährliche Gewohnheit.
Das Wort Gottes entlarvt die Torheit und die Gefahr von Ver­
leugnung und Umbenennung, wenn es sagt (Sprüche 26,23-26+28):
Silberglasur über ein irdenes Gefäß gezogen, so sind feurige
Lippen und ein böses Herz. Mit seinen Lippen verstellt sich
der Hasser, und in seinem Herzen nimmt er sich Betrügereien
vor. Wenn er schöne Worte macht, so traue ihm nicht, denn
es sind sieben Gräuel in seinem Herzen. Hüllt sich der Hass in
Täuschung, so wird seine Bosheit [d.h. seine wahren Gefühle,
sein Hass, seine Feindseligkeit, seine Bösartigkeit] doch offenbar
[d.h. vielleicht durch sein Benehmen oder seinen Gesichtsausdruck
oder seine Gesten] in der Gemeinde [d.h. in der Öffentlichkeit,
nach außen hin]. […] Eine Lügenzunge [d.h., man sagt: Ich
liebe dich, ich bin nicht böse, ich bin nur verletzt, obwohl es nicht
stimmt] hasst die von ihr Zermalmten, und ein glatter Mund
richtet Verderben an.
Effektiv mit anderen Familienmitgliedern zu kommunizieren,
87
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
bedeutet, dass man über seine Gedanken, Wünsche und Gefühle
absolut ehrlich ist. Man muss sie nicht unbedingt vor der ganzen
Familie kundtun. Man muss sie aber sich selbst, Gott und vielleicht
einer anderen gottesfürchtigen Person eingestehen, die dir helfen
kann, damit richtig umzugehen (Galater 6,1; Hebräer 3,12-13). Das
bedeutet: Du musst lernen, unbiblische und unchristliche Gefühle
durch biblische zu ersetzen, die Christus Ehre bringen (Gal. 5,19-26;
Eph. 4,17-24; Kol. 3,5-14). (Wie man seine wahren Gefühle anderen
mitteilt, werden wir in den Kapiteln 6 bis 9 besprechen.)
Wissen, wann eine Erklärung nötig ist
Ein wichtiger Bestandteil effektiver Kommunikation besteht darin,
anderen sein wortloses Verhalten zu erklären. Wenn du nach der
Arbeit nach Hause kommst und über jemanden verärgert bist, soll­
test du zu deiner Frau sagen: „Liebling, was für ein Tag! Alles schien
schief zu laufen. Ich hinke meinen Terminen hinterher und der Chef
verlangt Unmögliches von mir. Ich versuche alles, was heute passiert
ist, auf eine gottgefällige Art zu verarbeiten, aber im Moment habe
ich Schwierigkeiten damit. Du und die Kinder sollt wissen, dass ich
nicht so gut gelaunt bin, wie ich sein sollte, aber es hat nichts mit
euch zu tun. Ich bitte euch auch, heute Abend ein bisschen Rück­sicht
auf mich zu nehmen. Ich will nicht gemein sein, aber ich habe das
Gefühl, es würde nicht viel brauchen, um mich zum Explodieren zu
bringen. Ich verteidige mich nicht, sondern ich bitte um eure Hilfe,
bis ich meine Gefühle unter Kontrolle bringe.”
Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie hilfreich diese Übung sein
kann. Als ich vor kurzem aufgebracht von der Arbeit nach Hause
kam, versuchte ich dies mit meiner eigenen Familie. Noch vor
dem Abendessen sprachen sie ihr Mitgefühl aus und hörten mir
zu. Während des Essens beteten sie für mich und waren besonders
liebens­würdig und freundlich zu mir. Meine Frau schlug vor, dass
ich ein entspannendes Bad nähme und dabei Musik laufen ließ. Ich
befolgte ihren Rat, verbrachte eine Zeit im Gebet und wurde dabei
viel ruhiger.
Wenn ich meinen inneren Kampf nicht mitgeteilt hätte, hätte
meine Familie wahrscheinlich mein mürrisches und sündhaftes
88
Kapitel 5
Hören, was nicht gesagt wird
Ver­hal­ten auf sich selbst bezogen. Ihre Reaktionen darauf hätten
wohl meine ursprüngliche Verzweiflung noch verschlimmert. In
diesem Fall hatte meine Erklärung schädliche Miss-Kommunikation
verhindert. Es half meiner Familie, meine Last zu tragen und zur
Lösung des Problems beizutragen.
Vorsicht beim Deuten der Handlungen anderer
Bis jetzt war unsere Aufmerksamkeit auf den Sender von Bot­schaf­
ten gerichtet. Es gibt natürlich auch eine offensichtliche Folgerung
für den Empfänger nonverbaler Kommunikation. Wie wir bereits
festgestellt haben, wird die Botschaft vom Empfänger oft falsch
verstanden, was darauf schließen lässt, dass wir vorsichtig sein
müssen, wenn wir das Verhalten anderer deuten. Die Liebe „bläht sich
nicht auf” (1.Kor. 13,4). „Sie freut sich nicht an der Ungerechtigkeit”
(1.Kor. 13,6). Die Liebe „hofft alles” (1.Kor. 13,7). Die Liebe ver­
sucht, das Ver­hal­ten anderer möglichst positiv zu deuten. Solange ihr
nicht das Gegen­teil bewiesen wird, geht sie vom Besten aus anstatt
vom Schlimmsten. Die Liebe geht nicht umher und sucht nach
Beleidigun­gen und Be­schimpfungen. Die Liebe fängt nicht an, sich
selbst zu verteidigen. Die Liebe nimmt nicht alles persönlich.
Die Liebe erkennt, dass ein und dasselbe Verhalten in verschiede­
nen Situationen verschiedene Bedeutungen haben kann. Wenn wir
uns also Gedanken machen, wie wir das Benehmen eines anderen
Menschen deuten können, wäre es gut, wenn wir zu der Person
hingingen und (beispielsweise) sagten: „Du scheinst verzweifelt zu
sein. Kann ich dir irgendwie helfen? Was hat dich so mitgenommen?”
Sagen wir, ich komme verärgert nach Hause und meine Frau
spürt, dass etwas nicht in Ordnung ist. Sie weiß nicht, was es ist. Sie
stellt nur fest, dass ich nicht gerade begeistert bin sie zu sehen. Ich
gebe ihr einen flüchtigen Kuss und verhalte mich zurückhaltend. Ich
gehe nicht darauf ein, wenn sie mich fragt, wie mein Tag ge­lau­fen
ist, oder wenn sie mir von ihrem erzählt. Sie bekommt den Ein­
druck, dass ich mich über irgendetwas ärgere.
An diesem Punkt gibt es zwei Möglichkeiten, wie der weitere
Abend verlaufen kann. Wenn ich mein Verhalten nicht erkläre (wie
in dem oberen Beispiel), könnte meine Frau davon ausgehen, dass
89
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
sich meine Verstimmung auf sie bezieht. Sie könnte das Problem
ver­schärfen, indem sie mein Benehmen persönlich nimmt. Oder sie
überlegt sich: „Es ist offensichtlich, dass Wayne etwas quält. Ich sollte
für ihn beten und versuchen, ihn aufzumuntern. Vielleicht braucht
er nur ein bisschen Zeit für sich allein, um sich zu entspannen. Nein,
ich glaube, das ist nicht die beste Lösung. In der Vergangenheit hat
Wayne sich gewöhnlich besser gefühlt, nachdem ich ihm ein paar
Fragen gestellt und er sich alles von der Seele geredet hatte.”
Und dann würde sie liebevoll sagen: „Als du nach Hause kamst,
machtest du den Eindruck, als ob dich irgendetwas stark be­schäf­tig­
te. Willst du darüber reden? Hilf mir bitte zu verstehen, was in dir
vorgeht.”
Durch diese Reaktion hätte meine Frau die Beurteilung meines
Ver­
haltens aufgeschoben, bis sie sicher war, was es wirklich zu
be­deuten hatte. Da sie um eine Erklärung bat, hätte sie erfahren,
dass mein Benehmen nichts mit ihr zu tun hatte. Dadurch hätte
sie mir helfen können, mit meinem Problem auf eine christlichere
Art fertig zu werden. Wenn aber mein unbiblisches Verhalten eine
Reaktion auf etwas gewesen wäre, das sie getan hatte, hätten wir
auch darüber reden und den Sachverhalt auf eine Art klären können,
die Gott verherrlicht hätte. Wenigstens wären wir der Gefahr von
Miss-Kommunikation aus dem Weg gegangen, weil meine Frau die
Situation richtig verstanden hätte.
Aufklärung – die andere Person freundlich bitten, dir zu helfen, sie
zu verstehen – ist eine nützliche Methode, um nonverbale Kom­mu­
ni­kation effektiver zu gestalten. Du solltest niemals davon ausgehen,
dass du unfehlbar richtig deutest, was das negative Verhalten eines
anderen bedeutet. Du bist ja selbst von anderen falsch verstanden
worden; es ist daher genauso gut möglich, dass du andere falsch
verstehst. Macht es also zu einer regelmäßigen Gewohnheit in eurer
Familie, euch auszusprechen.
So gut diese Methode auch sein mag, muss ich doch eine kleine
Warnung hinzufügen. Übertreibt es nicht! Manche Menschen sind
so unsicher und empfindlich, dass sie immer denken, der andere
sei böse auf sie. Sie sind so über-wachsam gegen alles, was auf
Schwierigkeiten schließen lassen könnte, dass sie alles persönlich
90
Kapitel 5
Hören, was nicht gesagt wird
nehmen. Sie bedrängen den anderen mit Fragen: „Liebst du mich?
Habe ich etwas falsch gemacht? Bist du böse auf mich? Ich weiß, dich
quält etwas; du willst es nur nicht sagen.” Die Geduld des anderen
wird dadurch auf die Probe gestellt und er läuft Gefahr, gereizt zu
werden. Er fühlt sich wie in einem Verhör. Sei also zurückhaltend
mit deinen Bitten um Erklärungen. Wende diese Methode vorsichtig
an, wenn es um wichtige Bereiche eurer Beziehung geht.
Jakob und Esau
In der Bibel finden wir ein interessantes Beispiel dafür, wie wichtig
eine Erklärung manchmal sein kann. Es ist eine Begebenheit aus
dem Leben Jakobs, aus der Zeit, als er in das Land zurückkehrte,
in dem er geboren und aufgewachsen war. Wir erinnern uns, dass
er sein Heimatland unter schmerzlichen Umständen verlassen hatte.
Weil Jakob seinen Bruder betrogen und hintergangen hatte, war
Esau sehr wütend auf ihn. Er hatte sogar gedroht, ihn zu töten. Jetzt
kehrt Jakob an den Ort zurück, wo Esau lebt. Er weiß nicht, wie
Esau ihn empfangen wird und nimmt an, dass er noch immer böse
auf ihn ist. Und so heißt es in der Schrift (1.Mose 32,4+7):
Und Jakob sandte Boten vor sich her zu seinem Bruder Esau
ins Land Seir, in das Gebiet von Edom […] Und die Boten
kehrten wieder zu Jakob zurück und berichteten ihm: Wir sind
zu deinem Bruder Esau gekommen; und er zieht dir auch schon
entgegen, und 400 Mann mit ihm!
Jakob legt sein eigenes Raster an, um diese Nachricht über Esau
zu deuten. Warum sollte Esau sich die Zeit nehmen, ihn persönlich
zu begrüßen? Warum sollte er vierhundert Mann mitbringen? Er
inter­pretiert Esaus Verhalten und schließt daraus, dass er immer
noch einen Groll gegen ihn hegt. Er meint zu hören, was Esau nicht
sagt, und folgert, dass er ihn auslöschen will. Die Geschichte geht
so weiter:
Da fürchtete sich Jakob sehr, und es wurde ihm angst. Und er
teilte das Volk, das bei ihm war, und die Schafe, Rinder und
Kamele in zwei Lager; denn er sprach: Wenn Esau das eine
91
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Lager überfällt und es schlägt, so kann doch das übrig gebliebene
Lager entkommen! Und Jakob sprach: Du Gott meines Vaters
Abraham und Gott meines Vaters Isaak […]! Errette mich doch
aus der Hand meines Bruders, aus der Hand Esaus; denn ich
fürchte ihn; er könnte kommen und mich erschlagen […].
Und er brachte die Nacht dort zu und nahm von dem, was
er erworben hatte, als Geschenk für seinen Bruder Esau: [Er
nahm] 200 Ziegen, 20 Böcke, 200 Mutterschafe, 20 Widder,
[sowie] 30 säugende Kamele mit ihren Füllen, 40 Kühe und
10 Stiere, 20 Eselinnen und 10 Eselhengste. Und er gab sie
in die Hand seiner Knechte […] und sprach […]: Geht vor
mir hinüber und lasst Raum zwischen den einzelnen Herden!
[…] Ebenso befahl er auch dem zweiten und dem dritten und
allen, die hinter den Herden hergingen, und sprach: So sollt
ihr mit Esau reden, wenn ihr ihn antrefft; und ihr sollt sagen:
Siehe, dein Knecht Jakob kommt auch hinter uns her! Denn
er dachte: Ich will sein Angesicht günstig stimmen mit dem
Geschenk, das vor mir hergeht; danach will ich sein Angesicht
sehen; vielleicht wird er mich gnädig ansehen! […] Und Jakob
erhob seine Augen und schaute, und siehe, Esau kam heran und
400 Mann mit ihm. Da verteilte er die Kinder auf Lea und auf
Rahel und auf die beiden Mägde. Und er stellte die Mägde mit
ihren Kindern voran, und Lea mit ihren Kindern danach, und
Rahel mit Joseph zuletzt. Er selbst aber ging ihnen voraus und
verneigte sich siebenmal zur Erde, bis er nahe zu seinem Bruder
kam. (1.Mose 32,8-10a.12.14-17.20-21; 33,1-3)
Beachte, wie Jakob Esaus wortloses Verhalten deutete und wie es
ihn beeinflusste. Es beeinflusste seine Gefühle: Er wurde ängstlich
und entmutigt. Es beherrschte seine Gedanken: Er überlegte lange,
wie er reagieren sollte, was er zu seinem Schutz unternehmen sollte,
was er und seine Diener sagen sollten. Es beeinflusste seine innere
Haltung und seine Taten: Er erkannte seine eigene Schwachstelle; er
betete. Er sprach ständig darüber; er teilte seine Herde auf; er wurde
großzügig und fürsorglich; er sandte ein großes Geschenk für Esau
voraus; er beugte sich siebenmal zur Erde um seine vollständige
92
Kapitel 5
Hören, was nicht gesagt wird
Ergebenheit zu bekunden. Dies alles geschah, noch bevor Esau ein
einziges Wort gesprochen hatte. Und es stellte sich heraus, dass es
alles auf ein Missverständnis zurückzuführen war. Jakob hatte Esaus
nonverbales Verhalten völlig falsch gedeutet. Die Bibel berichtet:
Da lief ihm Esau entgegen, umarmte ihn, fiel ihm um den Hals
und küsste ihn; und sie weinten. […] Und er fragte: Was willst
du denn mit jenem ganzen Heer, dem ich begegnet bin? Jakob
antwortete: Ich wollte Gnade finden in den Augen meines
Herrn! Esau antwortete: Ich habe genug, mein Bruder; behalte,
was du hast! (1.Mose 33,4+8-9)
Abklärung und Erörterung bewahrten Jakob und Esau davor, die
Taten des anderen falsch zu deuten. Zu Beginn waren beide nicht
sicher, was der andere meinte. Jakob missdeutete den Grund dafür,
dass Esau mit so großer Begleitung kam, und Esau verstand nicht,
warum Jakob seinen Besitz vor sich her gesandt hatte. Sie verstanden
einander besser, nachdem sie sich ausgesprochen und ihr nonverbales
Verhalten erklärt hatten.
Stell dir aber einmal vor, was passiert wäre, wenn Jakob sich wieder
dorthin zurückgezogen hätte, woher er gekommen war. Er hätte den
Rest seines Lebens in dem Glauben gelebt, dass Esau ihn immer
noch hasst. Er hätte nie den Segen der Versöhnung mit seinem Bru­
der erlebt. Dieses Missverständnis hätte ihn bis ins Grab verfolgt.
Oder nehmen wir an, er hätte beschlossen, Esau anzugreifen, bevor
Esau ihn angreifen konnte. Er hätte seinen Bruder überfallen, bevor
sie die Möglichkeit gehabt hätten, die Sache zu klären. Viele Leben
und Güter hätten verloren gehen können. Jakob und Esau hätten
bei­de sterben können, ohne jemals zu wissen, wie gründlich sie
ein­ander missverstanden hatten. Aber das alles konnte verhindert
werden, weil sie sich die Zeit nahmen, Erklärungen auszutauschen.
Forscher behaupten, dass Kommunikation zu 55 Prozent nonverbal
und zu 45 Prozent verbal stattfindet. Ob diese Prozentzahlen immer
zutreffen, weiß ich nicht. Es ist aber offensichtlich, dass das, was
andere aus unserem Verhalten heraushören können, Aussagekraft
hat, vielleicht sogar mehr, als wenn wir es in Worte fassen würden.
Arbeite daran, dir selbst gegenüber über deine Gedanken und
93
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Gefühle ehrlich zu sein. Versuche, dir bewusst zu machen, wie
an­dere dich vielleicht wahrnehmen. Mach es zu einer regelmäßigen
Ge­
wohnheit in deiner Familie, Sachverhalte zu klären und zu
er­örtern.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant­
worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Schreibe die vier wichtigen Lektionen über nonverbale Kom­
munikation auf, die deine Familie einüben und anwenden soll.
Führe eine Selbst-Einschätzung in Bezug auf dein nonverbales
Verhalten durch – wie erfolgreich wendest du diese vier
Prin­zipien an? Die Bewertungsskala ist: Ausgezeichnet, gut,
mittelmäßig, schlecht, sehr schlecht. Bewerte auch andere
Familienmitglieder.
2. Wie können wir aus den Reaktionen anderer auf unser eigenes
nonverbales Verhalten schließen? Was erfahren wir über uns
selbst, wenn wir merken, dass viele Leute in ähnlicher Weise
auf uns reagieren? Beziehe Sprüche 11,27; 12,24; 13,15;
14,22b; 14,35; 17,13; 22,5 und 27,18 in die Beantwortung
dieser Frage mit ein.
3. Vor welcher Gefahr im Bereich der nonverbalen Kom­mu­ni­
kation werden wir in Sprüche 16,2; 26,23-28; Jeremia 17,9
und Jakobus 1,22 gewarnt?
4. Stell eine Liste von Gefühlen und Grundhaltungen zusam­
men, die du in den letzten zwei Wochen empfunden hast (z.B.
Wut, Traurigkeit, Entmutigung, Unzufriedenheit, Freude,
Glück, Genuss, Friede, Sorge, Verzweiflung, Zufriedenheit,
Aufregung, Mitgefühl, Enttäuschung, Nervosität, Angst,
Schrecken, Ärger, Stolz, Demut, Scham, Verlegenheit, etc.),
und notiere die jeweilige Situation. Welche dieser Gefühle
und Grundhaltungen bereiten dir die meisten Probleme?
94
Kapitel 5
Hören, was nicht gesagt wird
Wel­
che Stimmung nehmen wohl die Menschen, die dich
am besten kennen, am häufigsten bei dir wahr? Wie wird
dein nonverbales Verhalten dadurch beeinflusst? Wie können
andere deine Stimmungslage erkennen (oder erraten), wenn
du nicht darüber sprichst?
5. Wie können wir die Wahrheiten aus 1.Kor. 13,4-7 anwenden,
wenn wir das Verhalten anderer zu deuten versuchen?
6. Inwiefern unterstreicht das Beispiel von Jakob und Esau den
Hauptgedanken dieses Kapitels über wortloses Verhalten?
7. Wähle sechs Gefühle oder Grundhaltungen aus der fol­gen­
den Liste aus und versuche, sie ohne Worte zu übermitteln.
Versetze dich gedanklich in eine Situation, wo du die Stim­
mung erlebt hast, die du gerade darstellen willst. Wechsle dich
mit deinem Partner ab, bis jeder sechs Gefühle oder Grund­
haltungen dar­gestellt hat. Wie oft könnt ihr erraten, welche
Stimmung übermittelt werden soll? Besprecht die Ergebnisse.
Liebe
Wut
Glück
Sexuelles Interesse
Friede
Enttäuschung
Unbehagen
Verärgerung
Angst
Entmutigung
Traurigkeit
Unglaube
Zweifel
Gleichgültigkeit
Teilnahmslosigkeit
Bescheidenheit
Beklemmung
Schuld
Vorsicht
Scham
Schmerz
Vertrauen
Zuversicht
Stolz
Verlegenheit
Kummer
Begeisterung
Entzücken
Vergnügen
95
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
„Sobald meine Frau und ich über Dinge ins Gespräch kommen, die
mir helfen würden, sie besser kennen zu lernen, macht sie dicht und
verweigert jede weitere Unterhaltung. Sie hält alles unter Verschluss.”
„Meine Frau fängt selten eine Unterhaltung an. Bei fast jedem
Gespräch muss ich die Führung übernehmen, sonst wäre unser Haus
wie eine Leichenhalle.”
„Der Sprachschatz meines Mannes besteht aus einem einzigen
Wort. Nein, es sind eher zwei. Eins davon ist Uh-hu und das andere
ist Uh-uh.”
„Sie haben vom alten Steingesicht gehört? Ich habe es geheiratet.”
„Ich habe eine Zeitung auf Beinen geheiratet.”
„Unseren Sohn zum Reden zu bringen, ist wie Zähneziehen.
Wenn ich ihn etwas frage, grunzt er nur oder gibt eine einsilbige
Antwort. Seine Lieblingswörter sind ‚nichts‘, ‚ich weiß nicht‘ und
‚lass mich in Ruhe‘. Andere Kinder reden doch mit ihren Eltern.
Warum kann er es nicht?”
Jeder Ehe- und Familienberater hat schon ähnliche Beschwerden
über den Mangel an Kommunikation gehört. Sehr viele Menschen,
Männer wie Frauen, wünschen sich ausführlichere Unterhaltungen
mit anderen Familienmitgliedern, aber ein vorherrschendes Muster,
das ich hier als „Verschwiegenheit” bezeichnen möchte, hält sie
auf Distanz. Ein Sprichwort sagt: „Reden ist Silber, Schweigen ist
Gold.“ Die Heilige Schrift hält dem allerdings entgegen (Sprüche
25,11): „Wie goldene Äpfel in silbernen Schalen, so ist ein Wort,
gesprochen zur rechten Zeit.“ Es mag wohl Situationen geben, in
denen Schweigen angebracht ist und in denen Verschwiegenheit
96
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
eine wichtige Tugend ist. Uns anvertraute Geheimnisse müssen
wir für uns behalten (vgl. Sprüche 11,13), diese gute Art der
Verschwiegenheit meine ich also nicht.
In Sprüche 25,11 werden (zur rechten Zeit gesprochene) Worte,
mit „goldenen Äpfeln“ verglichen. Solche Worte sind „Gold wert“.
Das Schweigen aber ist lange nicht immer Gold. Für Beziehungen
ist Schweigen nicht selten ein tödliches Gift.
Der Wert von Worten
Gott hat uns so geschaffen, dass wir mit Worten kommunizieren
können, und erwartet von uns, dass wir diese Gabe auch nutzen. Die
folgenden Verse sind nur einige davon, die uns ermutigen die Gabe
der Sprache zu nutzen und uns sogar vor falscher Verschwiegenheit
warnen.
„Der Mund des Gerechten ist eine Quelle des Lebens…“ (Sprü­
che 10,11)
„Die Lippen des Gerechten weiden viele…“ (Sprüche 10,21)
„Die Lippen des Gerechten verkünden Gnade…“ (Sprüche 10,32)
„Redet zueinander…“ (Epheser 5,19)
„So tröstet nun einander mit diesen Worten!“ (1.Thessalonicher
4,18)
All diese Verse deuten an, dass Gott will, dass wir unsere Sprach­
fähig­keit nutzen. Die Lippen des gerechten Mannes sollen nicht
stän­
dig schweigen; sie sollen dazu eingesetzt werden, andere zu
för­dern. Unsere Lippen sollen Beifall bekunden, Zorn abwenden,
Freund­
schaft fördern, Wissen loben, die Erschöpften ermutigen,
Auf­mun­­te­rung bieten und Heilung fördern.
Gott beschreibt die vorbildliche Ehefrau und Mutter so (Sprüche
31,26): „Ihren Mund öffnet sie mit Weisheit, und freundliche Unter­
weisung ist auf ihrer Zunge.” Sie hält ihren Mund nicht ständig
ver­schlossen. Ihr Mann und ihre Kinder wissen, was sie denkt und
97
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
fühlt, weil sie es ihnen sagt. Sie brauchen nicht zu raten und müssen
sich nicht auf ihr wortloses Verhalten verlassen. Diese Frau teilt ihre
Stimmung mit, und diese Offenheit fördert Harmonie und Nähe zu
anderen Mitgliedern ihrer Familie.
Jeder braucht eine gesunde Dosis verbaler Kommunikation in­ner­
halb der Familie. Durch Gebet, Planung und Bevollmächtigung
durch den Heiligen Geist bei der Umsetzung kann sie zur Realität
werden.
Verschiedene Formen der „Verschwiegenheit”
Wortmangel
Die am häufigsten vorkommende Form der falschen Ver­schwie­gen­
heit ist einfach ein Man­gel an Worten. Leute haben mir er­zählt, dass
in ihrer Familie manch­mal tagelang kein einziges Wort ge­wech­selt
wurde. Ein Mann be­rich­tete sogar, dass seine Frau seit fünf Wo­chen
nicht mehr mit ihm gesprochen hatte. Eltern erzählen mir, dass ihre
Kinder nie eine Unterhaltung anfangen. Sie reden nur dann, wenn
man ihnen eine Frage stellt, und auch dann nur sehr zurück­haltend.
Wenn solche Gewohnheiten vorherrschen, bleibt die Beziehung
oberflächlich und wird langweilig. Unterhaltungen dagegen machen
eine Beziehung interessant.
An manchen Arbeitstagen habe ich mehrere Stunden lang Ter­
mine für Beratungsgespräche. Manchmal werde ich müde und wür­
de gern entspannen oder Feierabend machen, aber ich kann nicht,
weil ich noch weitere Beratungstermine vereinbart habe. In solchen
Momenten frage ich mich, ob ich für die Ratsuchenden überhaupt
von Nutzen sein kann. Aber die Termine sind gemacht worden und
die Leute sind gekommen. Also bitte ich den Herrn um Hilfe und
schenke den Klienten meine volle Aufmerksamkeit. Ich höre ihnen
zu und äußere mich zu ihren Fragen. Sie gehen wiederum auf mich
ein und nach einer Viertelstunde merke ich, dass ich überhaupt
nicht mehr müde bin. Die Bereitschaft meiner Klienten, ihr Leben,
ihr Innerstes vor mir offenzulegen, ist erfrischend. Oft habe ich am
Ende der Sitzung mehr Energie als davor.
Die gleiche Erfahrung habe ich schon oft mit meiner Familie
98
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
ge­
macht. Unzufriedenheit, Müdigkeit und Einsamkeit konnten
durch Unterhaltungen vertrieben werden. Stattdessen erwuchs
da­raus ein Gefühl von Begeisterung, Engagement, Sicherheit, Wär­
me und Bestätigung.
Das Schweigen hat aber einen gegensätzlichen Effekt. Als mir eine
Frau einmal erzählte, dass ihr Ehemann nicht sehr gesprächig war,
legte ich ihr nahe: „Na ja, vielleicht hat dieser Kommunikations­
mangel gar nichts mit Ihnen zu tun. Wahrscheinlich fällt es ihm
allgemein einfach sehr schwer, sich zu unterhalten.” Und das sagte
ich nicht, um den Mann zu verteidigen oder die Sorge der Frau
herunterzuspielen. Denn ich weiß aus Erfahrung, dass es Menschen
gibt, denen es einfach schwerer fällt sich mitzuteilen als anderen.
Aber sie widersprach mir: „Nein, ich habe ihn beobachtet, wenn
er mit anderen zusammen ist, besonders mit seinen Kollegen. Mit
ihnen redet er viel. Nur bei mir ist er so zurückhaltend.” Diese Frau
deutete das Schweigen ihres Mannes als direkte Ablehnung ihrer
selbst. „Er hält mich nicht für sehr wichtig. Ich bin es nicht einmal
wert, dass er mit mir spricht.” Dass ihr Mann nicht einmal den
Versuch unternahm, eine Unterhaltung mit ihr aufzunehmen, führte
bei ihr zu Enttäuschung, Unzufriedenheit und Unmut.
Themenvermeidung
Die falsche Verschwiegenheit tritt manchmal in Form von Themen­
ver­meidung auf. Jemand unterhält sich gerne über bestimmte The­
men, meidet aber andere. Vielleicht redet er über Dinge, die ihn
interessieren, aber nicht über das, was andere interessiert. Oder er
spricht gerne über oberflächliche Themen, aber nicht über seine
eigenen Gedanken, Meinungen oder Gefühle.
Das ist eine Tragödie. Die Heilige Schrift sagt uns, „freund­liche
Worte sind … süß für die Seele” und gute Neuigkeiten mitzuteilen
ist „wie kühles Wasser für eine dürstende Seele” (Sprüche 16,24;
25,25). Einige der besten Neuigkeiten und erfrischendsten Worte,
die Familienmitglieder einander sagen können, sind angenehme
Worte wie „Ich liebe dich”, „Du bist wirklich etwas ganz Besonderes
für mich”, „Ich danke Gott für dich” und „Ich bin wirklich gern mit
dir zusammen”.
99
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Traurigerweise haben viele Menschen Hemmungen, anderen
Mit­glie­dern ihrer Familie solche Empfindungen in Worten aus­zu­
drücken. Ich höre von Ratsuchenden oft Äußerungen wie: „Ich liebe
sie in meinem Herzen. Tief in mir drin, wirklich. Ich gehe nur nicht
herum und sage es.” Eine Frau berichtete, ihr Mann hätte ihr seit
vier Jahren nicht mehr gesagt, dass er sie liebte. Ich fragte ihn, ob das
stimmte. Er antwortete: „Ja.” „Warum? Lieben Sie sie denn nicht?”,
fragte ich. Er antwortete: „Oh doch, ich liebe sie. Ich rede einfach
nicht darüber. Ich zeige es auf andere Weise.”
So manches Kind (jung oder alt) hat mir mit tiefem Schmerz und
großer Traurigkeit bekundet: „Meine Eltern haben mir nie gesagt,
dass sie mich lieben.” Leidende Eltern machen ähnliche Äußerungen
über ihre Kinder. Ich habe gesehen, wie sie bitterlich weinten, weil
ihre Kinder weder mit Worten noch auf andere Weise ihre Liebe
bekundeten.
Jim war frustriert über seine Ehefrau Jane, weil sie über bestimmte
wichtige familiäre Angelegenheiten einfach nicht mit ihm sprechen
wollte. Themen wie Sex, Kindererziehung, Beziehung zu den
Schwie­ger­eltern, Finanzen, Arbeitsplatzwechsel und ähnliches waren
ein Tabu. Sobald Jim eine Unterhaltung in die Richtung einer dieser
Themen zu lenken versuchte, sagte Jane einfach: „Ich will darüber
nicht reden”, oder „Lass uns morgen darüber reden”, oder „Darüber
habe ich mir gar keine Gedanken gemacht.” Manchmal wurde
sie ärgerlich oder gab eine schnippische Antwort, um zu betonen,
dass sie darauf nicht weiter eingehen wollte. Je mehr Themen Jane
vermied, desto mehr ungeklärte Fragen sammelten sich im Laufe der
Jahre an. Schließlich bekamen Jim und Jane ernsthafte Ehe- und
Familienprobleme, weil viele wichtige Themen nicht besprochen
wurden.
Gleichgültigkeit
Manchmal tritt „Verschwiegenheit” als gleichgültige Unterhaltung
auf. Die Botschaft: „Mir ist es egal, was du denkst, fühlst, willst oder
sagst”, kann entweder wörtlich oder indirekt durch eine aus­drucks­
lose Miene, Unaufmerksamkeit oder das Fehlen von Begeisterung in
der Stimme übermittelt werden, wenn jemand über seine Interessen
100
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
oder Sorgen spricht. So oder anders kommt die Botschaft an, dass
es dich wirklich nicht interessiert, was der andere sagt; er und seine
Gedanken sind dir völlig gleichgültig.
Verschlossenheit
Auch Verschlossenheit ist eine Form der „Verschwiegenheit”. Ehe­
frauen äußern oft etwa so: „Ich kenne meinen Mann nicht. Er teilt
mir seine Gedanken nicht mit. Er redet nie über seine Wünsche,
Ziele oder Sorgen. Er zeigt seine Gefühle nicht. Er hält mich auf
Distanz, sodass ich nicht herausfinden kann, was in seinem Inneren
vorgeht. Ich wüsste gerne, wie er tickt, aber er lässt mich nicht an
sich heran.”
Manchmal sagen Eltern: „Ich weiß überhaupt nicht, was mein
Kind denkt oder wie es zu bestimmten Dingen steht. Es ist wie
ein Haus, in dem die meisten Zimmer abgeschlossen und die
Vorhänge vorgezogen sind, so dass ich nicht hineinsehen kann.”
Verschlossenheit verhindert Nähe und vereitelt Bemühungen, die
Familie nach Gottes Vorstellung zu gestalten.
Mangel an Respekt
Die falsche Verschwiegenheit zerstört die Familie manchmal durch
den Mangel an Respekt. Steve denkt, er hat eine großartige Idee.
Sie ist ihm sehr wichtig und er erzählt sie seinem Vater, wobei er
ein: „Hey, Steve, das ist eine tolle Idee! Wie kann ich dir helfen?”,
erwartet. Oder wenigstens: „Das ist ja sehr interessant. Erzähl mir
mehr darüber.” Stattdessen erhält er gar keine Antwort oder nur
ein „hmm”. Darauf nimmt der Vater die Zeitung zur Hand oder
wechselt zu einem Thema, das ihm selbst wichtig ist. Es ist so, als
hätte Steve nichts gesagt – oder zumindest nichts Beachtenswertes.
Das Ergebnis ist, dass Steve sich abgelehnt fühlt.
Mangel an Respekt zeigt sich auch dann, wenn die Familie in eine
Unterhaltung verwickelt ist und eine Person etwas sagt, aber keiner
darauf eingeht. Oder der Vorschlag wird heruntergespielt. Er tritt auf,
wenn ein Familienmitglied die Ideen oder Leistungen eines anderen
als seine eigenen ausgibt und den wahren Ursprung verheimlicht. Er
kann auftreten, wenn Familienmitglieder gestritten haben oder eins
101
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
gegen das andere gesündigt hat und keiner seine Schuld oder seinen
Fehler zugeben will. Wenn die Worte: „Ich war im Unrecht und du
hattest Recht”, oder „Bitte vergib mir die sündige Art, wie ich dich
behandelt habe”, in einer Familie selten zu hören sind, dann herrscht
in dieser Familie ein Mangel an Anerkennung.
Mangel an Wertschätzung
Die falsche Verschwiegenheit kommt auch in Familien vor, wo man
sich gegenseitig nur selten oder nie sagt, dass man den anderen
schätzt. In solchen Familien hält man die Gegenwart des anderen
für selbstverständlich und dankt einander nur selten für einfache
Gefälligkeiten, falls überhaupt. Man tut so, als hätte man die Hilfe
und Rücksichtnahme des anderen verdient. Liebesdienste werden als
Bringschuld des an­deren betrachtet.
Da hat sich vielleicht einer die größte Mühe gemacht, um
dem anderen einen Gefallen zu tun. Er oder sie war besonders
treu in seiner/ihrer Pflichterfüllung und ging fröhlich die zweite
Meile. Aber keiner erkennt es an oder ist dankbar dafür. Manche
Ehefrauen, Ehemänner, Eltern oder Kinder bekommen niemals ein
„Dankeschön” zu hören. Sie werden als Bedienstete gesehen, die für
ihre Dienste keine Anerkennung erwarten sollten. Alles, was sie tun,
ist einfach ihre Aufgabe – ihre Pflicht. Und warum sollte man ihnen
danken, dass sie sie erfüllen?
Bemerkenswerterweise enthalten die meisten der Briefe des Paulus
einen Ausdruck der Dankbarkeit oder Anerkennung, nicht nur Gott
gegenüber, sondern auch für und an die Leute, denen er schrieb. An
die Philipper schrieb er: „Ich danke meinem Gott, sooft ich an euch
gedenke […] wegen eurer Gemeinschaft am Evangelium vom ersten
Tag an bis jetzt”; „Ich habe mich aber sehr gefreut im Herrn, dass ihr
euch wieder so weit erholt habt, um für mich sorgen zu können; ihr
habt auch sonst daran gedacht, aber ihr wart nicht in der Lage dazu”;
ihr seid „meine Freude und meine Krone” (Phil. 1,3+5; 4,10.1).
Paulus hielt diese Brüder und das, was sie für ihn getan hatten, nicht
für eine Selbstverständlichkeit. Es stimmt, sie hatten nur das getan,
was von ihnen als Christen auch zu erwarten war. Aber er legte
großen Wert darauf, ihnen seine Dankbarkeit auszudrücken.
102
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
Christliche Familien, die Gott und sein Wort ernst nehmen,
sollten nicht zulassen, dass „Verschwiegenheit” in Form von Mangel
an Lob ihren Alltag beherrscht. Wir sollen einander ermutigen,
an­spornen und schätzen (1.Thess. 5,12-15; Phil. 2,3; Röm. 12,10).
Das ist unsere christliche Pflicht. Es ist außerdem ein Mittel, um
gute Beziehungen innerhalb der Familie zu fördern. Menschen, die
einander schätzen und respektieren, freuen sich aneinander und
erleben Harmonie und Einigkeit.
Gründe für das Schweigen
Wir haben jetzt die verschiedenen Formen der falschen Ver­schwie­
gen­heit betrachtet. Eine etwas schwierigere Frage ist für viele, wie
das Schwei­gen in der Familie Fuß fassen kann. Ich habe sechs weit
ver­brei­tete Faktoren beobachtet, die dazu beitragen.
Müdigkeit
Manchmal erfordert es regelrecht Arbeit, eine Unterhaltung in
Gang zu bringen. Du willst dich unterhalten, aber es scheint eine
unsichtbare Wand zwischen dir und der anderen Person zu stehen.
Du startest einen Versuch, aber es klickt nicht. Und dann musst
du es immer wieder versuchen, was einige Mühe kostet. Manche
Menschen sind nicht bereit, so viel Energie aufzuwenden, und so
kann das Schweigen in der Familie Fuß fassen.
Egoismus und Rachsucht
Egoismus, Sturheit und der Wunsch, jemanden zu bestrafen, sind
an­dere Gründe, warum Menschen auf die „Verschwiegenheit” aus­
weichen.
„Es ist mir egal, ob andere Mitglieder meiner Familie sich wün­
schen, dass ich mehr mit ihnen rede. Ich will nur das, was ich will!”
„Keiner kann mir vorschreiben, was ich zu tun habe. Sie muss
mich schon so akzeptieren, wie ich bin. Sie will, dass ich mehr mit
ihr rede, aber ich werde nicht nachgeben, sonst wird sie mich nur
ausnutzen.”
„Denen werde ich es zeigen. Sie wollen, dass ich rede. Tja, ich
werde es nicht tun! Sie tun vieles nicht, was ich möchte. Sie verletzen
103
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
mich! Sie lassen mich nicht das tun, was ich will. Ich habe keine
andere Möglichkeit, mich zu rächen, außer dass ich schweige – das
stört sie gewaltig.”
Minderwertigkeitsgefühle
Manchmal zieht die „Verschwiegenheit” im Hause ein, weil jemand
an Min­
der­
wertigkeitsgefühlen leidet. Er denkt, er hätte nichts
Wichtiges zu sagen. Er hat Angst, den Mund zu öffnen, weil er
denkt, er könnte albern klingen. Ein Gefühl von Minderwertigkeit
(oder ist es Stolz?) hält ihn also vom Reden ab.
Angst
In ähnlicher Weise kann auch Angst dazu führen, dass das Schwei­
gen sich in der Familie einnistet. Menschen haben Angst, offen
zu sprechen, weil sie befürchten, dass jemand anderes das Gesagte
gegen sie verwenden könnte. Sie denken, wenn sie das Gespräch
oberflächlich halten, riskieren sie nicht viel, aber wenn sie sich wirk­
lich öffnen und ihre tiefsten Geheimnisse verraten, könnten andere
sie auslachen. Oder wenn sie über ihre Kämpfe und Versuchungen
sprechen, könnte jemand sie verachten und sagen: „Ich dachte,
du bist ein geistlicher Mensch und dabei kämpfst du mit diesen
Versuchungen? Gute Christen haben mit so etwas keine Probleme.”
„Menschenfurcht ist ein Fallstrick; wer aber auf den Herrn
ver­
traut, der ist geborgen.” (Sprüche 29,25) Manche haben so
viel Angst vor Spott, Meinungsverschiedenheiten und Ablehnung
seitens der Familie, dass sie sich einfach weigern, ihre Gedanken zu
bestimmten Themen zu äußern. Das war Janes Problem, über das
wir bereits gesprochen haben. Sie sah jede Meinungsverschiedenheit
als Ablehnung an und verabscheute deswegen jede Art von Aus­
einandersetzung. Sie brauchte Hilfe um einzusehen, dass das falsch
war. Aber viel mehr brauchte sie noch Hilfe bei der Vertiefung ihrer
Beziehung zu Gott (Sprüche 14,26): „In der Furcht des Herrn liegt
starkes Vertrauen, er wird auch seinen Kindern eine Zuflucht sein.”
Das zu erkennen, war der Schlüssel dazu, dass Jane ihr Problem
der „Verschwiegenheit” besiegen konnte. Ihr Vertrauen auf Gott,
die Einsicht, dass Gott ihre Quelle und ihre Sicherheit ist, und die
104
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
vollständige Ausrichtung ihres ganzen Lebens auf Gott befähigte sie
schließlich dazu, ihre lähmende Angst vor Menschen zu überwinden.
In den Sprüchen steht, dass eine übertriebene Menschenfurcht
auf ein fehlendes Gottvertrauen hindeutet und den Versuch
darstellt, eigene Sicherheit irgendwo anders zu suchen. Eine korrekte
Gottesfurcht ist lebenswichtig und befreit uns unweigerlich von
un­christlicher Verklemmtheit und lähmender Angst. Sie macht uns
frei, das zu tun, was richtig ist, ungeachtet der offensichtlichen Kon­
sequenzen. Sie ermöglicht uns, mit unserer Familie über wichtige
Dinge zu reden, so dass die Familie in Harmonie und Einigkeit
zu­sammenleben kann.
Wenn wir von anderen Menschen Ablehnung erfahren, so ist dies
meist sehr schmerzhaft. Wenn wir aber in einer festen Beziehung zu
Gott stehen, spielt es in gewisser Weise keine Rolle, was andere von
uns denken oder wie sie auf uns reagieren. „Ist Gott für uns, wer
[oder was] kann gegen uns sein?” (Römer 8,31) „Der Herr ist mein
Licht und mein Heil, vor wem sollte ich mich fürchten? Der Herr ist
meines Lebens Kraft, vor wem sollte mir grauen?” (Psalm 27,1)
Erziehung
Manchen Menschen wurde die falsche Verschwiegenheit in ihrer
Kindheit anerzogen. Die alte Vorstellung „Kinder soll man sehen,
aber nicht hören” herrscht immer noch in vielen Familien. Anstatt
ihnen beizubringen, wann und wie sie sprechen und wann sie
schweigen sollen, bringen Eltern ihren Kindern (durch verbale und
nonverbale Anweisungen) bei, dass gute kleine Jungen und Mädchen
leise sind und nicht stören. Die Kinder lernen, dass Mama und Papa
es mögen, wenn die Kinder still sind. Je weniger ein Kind sagt, desto
besser.
Vor einigen Jahren besuchte uns ein Freund aus einem anderen
Teil der Welt. Eines Tages saß unsere ganze Familie am Abendbrot­
tisch mit ihm, als er ein theologisches Thema anschnitt. Er sah mich
an und ich erklärte meine Sichtweise. Dann fügte mein Sohn Chip
respektvoll seinen Kommentar hinzu. Zu angebrachter Zeit und
in angebrachter Weise äußerte sich auch Nathan zum Thema. Ich
vermute (obwohl ich mich nicht erinnern kann), dass wahrschein­
105
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
lich auch meine Tochter Beth ein paar Bemerkungen machte. Josh
war noch ein Baby und meine Frau Carol war gerade in der Küche,
sonst hätten sie sich wahrscheinlich auch an der Unterhaltung
beteiligt. Ich hielt ihre Beiträge für völlig angebracht und wertvoll.
Sie unterbrachen niemanden. Sie waren nicht unhöflich oder
bes­
ser­
wisse­
risch. Sie waren auch weder laut, noch rissen sie die
Unterhaltung an sich. Ihre Beiträge zum Gespräch waren wirklich
gut und ich hatte gedacht, es sollte eine Diskussion sein – nicht ein
Monolog.
Mein Freund sah das aber ganz anders. Er war entsetzt, dass
Kinder sich in das Gespräch von Erwachsenen eingemischt hatten.
Er machte uns das klar und erzählte es sogar anderen. Er war der
Meinung, „Kinder soll man sehen, aber nicht hören”, oder vielleicht
sogar weder sehen noch hören.
Wir haben unsere Kinder bei den meisten Themen dazu ermutigt,
sich an unseren Gesprächen zu beteiligen und haben die Einblicke
und Meinungen unserer Kinder sehr geschätzt. Durch sie hat
Gott uns vieles klar gemacht. Natürlich müssen Kinder in der
respektvollen Gesprächsführung unterwiesen wer­den – aber nicht
darin, das Gespräch zu vermeiden. Anstatt der „Verschwiegenheit”
wäre es viel besser gewesen, ihnen beizubringen, „Worte zur rechten
Zeit“ zu sprechen. Lehrt eure Kinder, über die richtigen Dinge, auf
die richtige Art und Weise und zur rechten Zeit zu reden. Lehrt sie,
respektvoll, rücksichtsvoll, auferbauend und mit Selbstbeherrschung
zu sprechen. Das gehört alles dazu, wenn man seine Familie so
gestalten will, wie Gott sie sich gedacht hat.
Ich will damit nicht sagen, dass Erwachsene, die wegen ihrer
Kinder­stube in der „Verschwiegenheit” verstrickt sind, grundsätzlich
nicht dazu in der Lage sind, effektiv zu kommunizieren. Ihnen
wurde einfach beigebracht, diese Fähigkeit nicht zu gebrauchen.
Sie müssen jetzt anhand der Anleitungen in diesem Buch lernen,
Gespräche besser zu führen.
Geschäftigkeit
Geschäftigkeit ist eine der häufigsten Ursachen für die falsche Ver­
schwie­gen­heit in der Familie. Leute sagen: „Ich würde mich ja mehr
106
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
unterhalten, wenn ich nur die Zeit dazu hätte. Irgendwann, wenn ich
älter bin und nicht mehr so viel und so schwer arbeiten muss, werde
ich mich mit meinem Partner und meinen Kindern unterhalten,
aber jetzt finde ich einfach nicht die Zeit dazu. Ich habe so viel zu
tun mit meiner Arbeit, der Gemeinde und zu Hause. Wann soll ich
denn die Zeit finden, mit meinem Ehepartner und meinen Kindern
zu reden?”
Klingt doch sinnvoll, oder? Ganz und gar nicht. Gottes Wort
sagt uns, dass Kommunikation extrem wichtig ist, wir aber gehen
ein großes Risiko ein, indem wir sie vermeiden. Außerdem zeigt die
Erfahrung der Menschheit die zerstörerische Macht des Schweigens
in Ehe und Familie sehr deutlich. Es erfordert ein gewisses Maß an
effektiver Kommunikation, um tiefe, gottgefällige, zufriedenstellende
Beziehungen innerhalb der Familie aufbauen zu können.
Wer ständig die Ausrede gebraucht, er sei zu beschäftigt, um sich
ausführlich zu unterhalten, will es entweder gar nicht oder ihm ist
nicht klar, wie wichtig es für sein Leben und seine Familie ist. Er
weiß entweder nicht, was Gott zu dem Thema sagt, oder es ist ihm
gleichgültig. Im Endeffekt zeigt diese Person dadurch, dass es viele
andere Dinge gibt, die ihr wichtiger (oder angenehmer) sind, als sich
mit dem Partner oder den Kindern zu unterhalten. Wir nehmen uns
Zeit für die Dinge, die uns am wichtigsten sind. Anderes lassen wir
unerledigt.
Wenn du der Bibel glaubst, kannst du unmöglich lesen, was sie
zum Thema Kommunikation sagt, und dann trotzdem der Mei­
nung sein, dass effektive und ausreichende Kommunikation im
Familienleben nicht zwingend notwendig seien. Genauso wenig
kann man die falsche Ver­schwie­gen­heit als harmlos abtun, wenn man
beobachtet, wie sie sich jahrelang in anderen Familien ausgewirkt
hat. Das Schweigen gefährdet die Familie. Gottes Wort sagt es ganz
deutlich und die Geschichte der Menschheit beweist es.
„Verschwiegenheit” überwinden
Die falsche Ver­
schwie­
gen­
heit ist zerstörerisch; aber wie kannst
du sie überwinden und lernen, dich mehr mit deiner Familie zu
unterhalten?
107
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
1. Du musst das Schweigen überwinden wollen. Wachstum in
einem bestimmten Lebensbereich passiert nie zufällig. Es geschieht,
weil Menschen bereit sind, etwas dafür zu tun. Viele Menschen,
die früher keine guten Unterhaltungen führen konnten, haben ihre
Fähig­keiten verbessern können, weil sie bereit waren, an sich zu
arbeiten. In Johannes 5 sagte Jesus zu dem Gelähmten: „Willst du
gesund werden? Steh auf, nimm deine Liegematte und geh umher!”
Zu denen, für die es eine Herausforderung ist, sich zu unterhalten,
würde Jesus sagen: „Willst du lernen, bessere Gespräche zu führen?
Wenn ja, werde ich dir helfen, aber du musst dich verbessern wollen
und dir Mühe geben.”
Die falsche Ver­schwie­gen­heit zu überwinden, muss ein regelmäßi­
ges Gebets­an­liegen sein. „Sorgt euch um nichts; sondern in allem
lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor
Gott kundwerden.” (Phil. 4,6) Mit Gottes Hilfe kannst du dich
ändern. Vielleicht wirst du nie der beste Gesprächspartner der Welt
werden, aber Gott kann dir helfen, das zu erreichen, was für dich
möglich ist. Du musst ihm nur vertrauen und gehorchen, dann
kannst du dich darauf verlassen, dass er dir helfen wird, dich zu
verbessern, und kannst mit dem sicheren Wissen zu ihm beten, dass
er dich hören und dir antworten wird.
Das Gebet wird dir mindestens auf zweifache Weise helfen, deine
Kommunikationsfähigkeit zu verbessern. Erstens gibt Gott uns
Kraft und die Fähigkeit, seinen Willen zu tun, wenn wir ihn darum
bitten, denn er ist es, „der weit über die Maßen mehr zu tun vermag,
als wir bitten oder verstehen, gemäß der Kraft, die in uns wirkt”
(Eph. 3,20). In Jakobus 4,2 werden wir daran erinnert: „ihr habt es
nicht, weil ihr nicht bittet.” „Bittet, so wird euch gegeben”, ist der
Aufruf und das Versprechen unseres Herrn Jesus Christus (Matth.
7,7).
2. Gebet kann bei der Verbesserung unserer Kom­
mu­
ni­
kationsfähigkeiten helfen, weil wir lernen, mit Gott – einer anderen
Person – über uns selbst zu reden. Sicherlich sollte es nicht unser
Hauptziel im Gebet sein, bessere Gesprächsführung zu üben, es ist
aber ein Nebeneffekt. Wenn du lernen kannst, mit dem Gott des
108
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
Universums offen und ehrlich zu sein, dann kannst du das auch mit
jedem anderen Menschen.
3. Kurble deine Dialogpumpe an. Lies Zeitschriften, Zeitungen,
die Bibel, gute Bücher und andere Literatur. Höre Radio oder
informiere dich auf andere Weise und sprich über das, was du
er­fahren hast. Nicht alles, was du sagst, muss originell sein. Denk
über jeden Fünf- oder Zehnjahresabschnitt deines Leben nach
und versuche, dich an Dinge zu erinnern, die dir passiert sind.
Er­zähl deiner Familie ab und zu mal eine interessante Begebenheit.
Übe es im Voraus. Bemühe dich, deiner Familie jeden Tag etwas
Interessantes zu erzählen.
4. Stell eine Liste mit Fragen zusammen, die du anderen stellen
könntest. Sie sollte allgemeine Fragen enthalten, die du jedem stel­
len kannst, und spezifische für bestimmte Personen. Falls nötig,
schreib dir diese Fragen auf eine kleine Karte und trage sie immer
bei dir, so dass du einen Blick darauf werfen kannst, wenn du bei
einer Unterhaltung nicht weiter weißt. Du kannst die Zeit, die du
benötigst, um von der Arbeit nach Hause zu fahren, nutzen, um
darüber nachzudenken und dafür zu beten, was du erzählen und was
du jeden Einzelnen über seinen Tag fragen willst.
In ihrem Buch Die Kunst, mit jedem ins Gespräch zu kommen
behauptet Barbara Walter, die als eine der besten Interviewer der
Welt gilt, dass der Schlüssel für ein gutes Gespräch darin liegt, die
richtigen Frage zu stellen. Beobachte einen guten Interviewer und du
wirst feststellen, dass sie nicht diejenigen sind, die am meisten reden.
Sie haben gelernt, welche Fragen sie stellen müssen, und wie, wann
und wo sie diese Fragen stellen müssen.
5. Beobachte andere, die in der Lage sind, effektive Gespräche
zu führen, und lerne von ihnen. Gottes Lehrmethode umfasst seine
Anweisungen und Beispiele aus dem Leben.
6. Mach es zu einem regelmäßigen, bewussten Versuch, diese
Verbesserungsvorschläge in die Tat umzusetzen. Deine Kommuni­
kations­fähigkeiten können verbessert werden, aber nur, wenn du
be­reit bist, daran zu arbeiten. Unsere Sinne werden durch Übung
ge­schult (vgl. Heb. 5,14).
109
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Der sprachlose Pastor
Ich bin auf einer Farm aufgewachsen. Wir standen früh am Morgen
auf und arbeiteten den ganzen Tag. Ich verbrachte viel Zeit alleine
auf dem Traktor und arbeitete oft bis spät in die Nacht. Wenn wir
gemeinsam Frühstück, zu Mittag oder Abendbrot aßen, redeten wir
nicht viel. Wir wollten mit dem Essen fertig werden, damit wir wie­
der rausgehen und weiterarbeiten konnten. Deshalb hatte ich nicht
viel Übung darin, eine Unterhaltung zu führen. Ich war ehrlich
ge­sagt sehr schlecht darin. „Ver­schwie­gen­heit” war das Muster in
meinem Leben.
Als ich Pastor wurde, war eine meiner größten Ängste, was ich bei
Hausbesuchen tun sollte. Ich fragte mich: „Worüber soll ich reden,
wenn ich mit ihnen ganz alleine in ihrem Haus bin? Wie beginne ich
ein Gespräch und wie erhalte ich es aufrecht?” Gib mir ein Thema,
mit dem ich mich auskenne, und ich kann mich locker einige Stun­
den unterhalten. Aber wo und wie ein Gespräch zu beginnen – das
war etwas ganz Anderes.
Ironischerweise war die zweite Sache, vor der ich mich am meisten
fürchtete und die ich am wenigsten mochte, als ich mein Amt antrat,
der Beratungsdienst, dem ich jetzt freudig jede Woche einen großen
Teil meiner Zeit widme. Während meines ersten Pastorats ver­suchte
ich, dem Beratungsdienst so gut es ging auszuweichen. Aus zwei
Gründen tat ich ihn nur sehr selten: Ich konnte mit Men­schen
einfach nicht reden. Und nur wenige wollten kommen. Sie müssen
mein Unbehagen und meine Ungeschicklichkeit bei zwischen­
mensch­lichen Beziehungen gespürt haben.
Ich bin immer noch nicht der weltbeste Gesprächspartner, aber
mit Gottes Hilfe bin ich in meinem Kampf mit der „Ver­schwie­
gen­heit” voran­gekommen. Es fällt mir jetzt viel leichter, mich zu
unterhalten, und ich bin besser in der Lage, meine Familie nach
Gottes Vorstellung zu gestalten und anderen über Jesus Christus zu
erzählen. Ich fühle mich wohler in der Gegenwart anderer und sie
fühlen sich wohler mit mir. Jetzt kann ich in meistens ein Gespräch
eröffnen und es in Gang halten. Anstatt die Beratungsstunden
zu fürchten, empfinde ich sie als etwas, das mir wirklich Freude
bereitet.
110
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
Anwendungen für die Familie
In unserer Familie haben wir auch auf verschiedene Art an der Kom­
munikation gearbeitet. Seit Beginn unserer Ehe haben meine Frau
und ich mindestens einen Abend pro Woche für uns selbst reserviert,
wo wir uns auf unsere Beziehung konzentrieren können. Manchmal
gehen wir aus; manchmal verbringen wir den Abend auch zu Hause.
Wir haben auch eine tägliche Gesprächszeit. Als die Kinder noch
sehr klein waren, fand sie statt, wenn sie alle bereits im Bett waren.
(Das war einer der Gründe, warum sie nicht so lange aufbleiben
durften wie wir!)
Als die Kinder älter wurden und länger aufblieben, zogen wir
uns in unser Schlafzimmer oder an einen anderen Ort zurück, wo
die Kinder uns nicht hören konnten, und besprachen alles, was wir
uns gegenseitig mitteilen wollten. Wir schenkten den Kindern zu
anderen Zeiten gezielte Aufmerksamkeit und sagten ihnen, dass
Ma­ma und Papa diese Zeit für sich alleine brauchten. Wir erklärten
ihnen, dass sie uns nicht stören sollten, solange es sich nicht um
einen Notfall handelte. Und sie taten es auch nicht.
Unsere täglichen Gespräche sind für uns so wertvoll, dass wir sie
immer noch sorgfältig einhalten. Wenn ich für ein paar Tage von
zu Hause weg muss, rufe ich grundsätzlich jeden oder jeden zweiten
Tag zu Hause an, um mit meiner Frau und den Kin­dern zu reden.
Ich stimme dem Prediger zu, der für die gleiche Ge­wohn­heit als
verschwenderisch gescholten wurde. Er erwiderte darauf: „Telefon­
gespräche sind mit Sicherheit viel billiger und weniger schmerzhaft
als eine Scheidung.”
Von Anfang an reservierten wir einen Abend in der Woche für
die ganze Familie, an dem wir unsere Beziehungen zueinander
vertiefen und Gesprächsführung üben konnten. Jeden Abend beim
Essen wur­
de jedes Familienmitglied gebeten, etwas Gutes oder
In­teressantes zu berichten, was an dem Tag passiert war. Wir hielten
auch (und tun es immer noch, obwohl heute weniger Kinder im
Haus wohnen) regelmäßige Familienandachten, wo wir die Heilige
Schrift und andere christliche Literatur lasen und uns darüber
aus­
tauschten, sangen, beteten und Bibelverse lernten. Es wurde
er­wartet, dass sich jeder an diesen Diskussionen beteiligte. Fragen,
111
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
An­merkungen, Gebetsanliegen und Klärung von Problemen waren
willkommen.
Manchmal wechselten wir uns mit der Gesprächsleitung ab.
Fa­milienkonferenzen wurden einberufen, wenn es besondere Proble­
me zu besprechen gab oder Familienfragen geklärt werden mussten.
Diese Konferenzen durfte jeder beantragen. Alles, was irgendwie
vor­teilhaft war, durfte vorgebracht werden. Und jeder durfte sich
äußern – und tat es auch. Das Ergebnis? Über die Jahre haben diese
Familiengespräche mir geholfen, das Problem der falschen Ver­
schwie­gen­heit zu überwinden und meine Familie davor bewahrt.
An den Zuhörer
Diejenigen unter euch, die jemanden in der Familie haben – einen
Partner, einen Elternteil oder ein Kind – der zur Schweigsamkeit
neigt, fragen sich jetzt vielleicht: „Was kann ich tun, um diesem
Fa­milienmitglied zu helfen, sein Schweigen zu überwinden?”
1. Du kannst für diese Person beten. Setze sie nicht unnötig unter
Druck, indem du sie immer wieder daran erinnerst, es sei denn, sie
hat ihr Problem eingesehen und dich um Fürbitte gebeten. Bete
haupt­sächlich im Stillen. Bitte Gott, dieser Person bei konkreten
Proble­men zu helfen. Falls Angst mit im Spiel ist (zugegebene oder
auch nicht), bitte Gott, sie von dieser Angst zu befreien und dir und
dem Rest der Familie zu helfen, sich so zu verhalten, dass ihr diese
Angst mindern könnt.
2. Schaffe ein Umfeld, in dem sie sich sicher fühlen kann offen
zu sprechen – eine Atmosphäre, in der sie sich angenommen und
ge­achtet fühlt, wo sie ihre Gedanken, Wünsche und Gefühle ehrlich
äußern kann, ohne ausgelacht, unterbrochen, unter Druck gesetzt zu
werden oder übertriebenen Reaktionen ausgesetzt zu sein. Versteh
mich bitte nicht falsch: Akzeptanz und Respekt bedeuten nicht
un­bedingt, dass man allem zustimmt, was gesagt wird. Man braucht
nicht mit allem einverstanden zu sein, um dem Gesprächspartner
zu verstehen zu geben: „Ich respektiere dich; ich schätze dich.” Man
kann verschiedener Meinung sein, ohne den anderen als Person
ab­zulehnen. Wenn man will, dass Menschen offen und ehrlich mit­
112
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
ein­ander reden, muss man ein sicheres Umfeld schaffen, so dass sie
sich auch frei fühlen, sich zu öffnen.
Um zu unserem vorigen Beispiel zurückzukehren: Jane weigerte
sich, mit Jim über bestimmte Themen zu reden, weil sie nicht moch­
te, dass er sie unter Druck setzte, seiner Meinung zuzustimmen. Sie
fühlte sich bei allen Diskussionen als Verlierer. Manchmal führte
Jim seine Argumente vor als sei er ein Anwalt im Gerichtssaal. Ihre
Beiträge wurden allesamt in der Luft verrissen. Auf ungestüme Art
bewies er, dass er Recht hatte, und sie im Unrecht war.
Jim bestritt heftig, dass es tatsächlich so war. Er konnte verschie­
dene Zeitpunkte benennen, wo sie sich durchgesetzt hatte. Aber
selbst, wenn sie gewonnen hatte, dachte Jane, sie hätte verloren, weil
Jim sich wie ein Märtyrer verhielt oder sie daran erinnerte (dezent
oder auch nicht ganz so dezent), wie großzügig er doch war. Sie war
der Ansicht, dass Jim gar keine Diskussion wollte – er wollte Einig­
keit und versuchte, sie einfach zu zwingen oder zu manipulieren.
Jim hatte durch seine Art der Gesprächsführung in Jane die
Angst vor Ablehnung verstärkt, so dass sie das Gefühl hatte, über
be­stimmte Themen zu reden sei zu gefährlich. In gewisser Weise
ernte­te Jim das, was er gesät hatte. Und wenn er Jane helfen wollte,
die Angst über bestimmte Themen zu reden zu überwinden, musste
er eine sicherere Atmosphäre für Unterhaltungen schaffen. Er musste
die biblische Ermahnung beherzigen: „Alle Bitterkeit und Wut und
Zorn und Geschrei und Lästerung sei von euch weggetan samt
aller Bosheit. Seid aber gegeneinander freundlich und barmherzig
und vergebt einander, gleichwie auch Gott euch vergeben hat in
Christus.” (Eph. 4,31-32)
Eine schüchterne Person, die all ihren Mut zusammennimmt und
sich schließlich einem anderen Familienmitglied öffnet, fühlt sich
häufig abgelehnt oder erniedrigt. Verletzt und entmutigt zieht sie
sich wieder zurück. Ihre Befürchtung, dass es gefährlich ist, über
ihre Gedanken und Gefühle zu reden, wird wieder bestärkt. „Tja, so
schnell werde ich mich nicht wieder öffnen”, denkt sie. „Als ich es
das letzte Mal tat, wurde ich in der Luft zerrissen. Das kann ich nun
wirklich nicht gebrauchen.” Und schließlich wird das Schweigen zu
113
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
einem Lebensstil, einer gewohnten Art, mit riskanten Themen oder
Situationen umzugehen.
Wenn es in deiner Familie so eine Person gibt, solltest du lernen,
ihr ruhig und geduldig zuzuhören. Wenn deine Frau den Mut fasst,
sich in Bezug auf eure Ehe oder einen bestimmten Bereich in ihrem
Leben zu öffnen, solltest du sie nicht gleich korrigieren oder dich
ver­teidigen. Wenn dein Mann über ein Problem in seinem Leben,
in deinem Leben oder in eurer Ehe reden will, solltest du nicht
gleich das Schlimmste erwarten oder so reagieren, als wollte er
dir das Leben schwer machen. Wenn du das tust, gibst du deinem
Ehepartner das Gefühl, es sei zu gefährlich, wichtige Dinge mit dir
zu besprechen.
Höre respektvoll und selbstlos zu. Drücke deine Dankbarkeit
dafür aus, dass der andere bereit ist, sich mitzuteilen, und denke
ernst­haft darüber nach, was gesagt wurde. Sei bereit, dich zu be­herr­
schen und bleib unvoreingenommen. Zeige Verständnis so viel du
kannst und antworte angemessen (mehr dazu in den Kapiteln 7-10).
Lass mich anhand eines Beispiels aufzeigen, was es bedeutet, eine
sichere Atmosphäre für gute Unterhaltungen zu schaffen. Während
einer unserer Familiendiskussionen sagte Joshua, unser Jüngster,
etwas, das ziemlich lustig war. Alle brachen in Gelächter aus. Ich sah
rüber zu Josh und bemerkte, dass er den Kopf hängen ließ, weil er
sich durch unser Lachen verletzt fühlte. Deshalb sagte ich: „Josh, wir
lachen nicht über dich. Wir lachen mit dir.” Josh sah mich an und
sagte: „Ihr lacht gar nicht mit mir. Ich lache ja nicht.” Ich bat ihn
sofort um Verzeihung und versicherte ihm, dass es uns Leid tat, ihn
verletzt zu haben.
Wenn unsere Familie immer wieder über Dinge gelacht hätte, die
Josh sagte, und seine Gefühle ignoriert hätte, hätten wir ihm den
Mut genommen, sich an unseren Familiengesprächen zu beteiligen.
Die Mitglieder einer Familie müssen wissen, dass es sicher ist, das
auszusprechen, was sie auf dem Herzen haben. Sie müssen wissen,
dass ihr Zuhause ein sicherer Zufluchtsort ist, ein Ort, an dem sie
geliebt, umsorgt und respektiert werden (Sprüche 14,26). In Chris­
tus ist das für jedes Heim möglich.
Wie die Überschrift dieses Kapitels andeutet, stellt das Schweigen
114
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
eine Bedrohung für konstruktive, gottgefällige Beziehungen inner­
halb der Familie dar. Es kann ein echtes Hindernis sein, wenn man
seine Familie nach der Vorstellung Gottes gestalten will. Mit Gottes
Hilfe können und müssen sie ausgemerzt werden, indem man die
verschiedenen Formen und Gründe identifiziert und sich an die
Richtlinien hält, die in diesem Kapitel geschildert wurden.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant­
worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Was sagen die folgenden Verse über den positiven Wert von
Worten aus? Wie kann es bei der Gestaltung deiner Familie
nach dem Plan Gottes helfen, Sprache so zu gebrauchen wie
hier beschrieben? Warum ist die falsche Ver­schwie­gen­heit ein
Hin­dernis für gesunde Beziehungen in der Familie? Folge
dem Beispiel für Sprüche 10,21:
a) Sprüche 10,21: Worte können andere fördern und aufbauen;
da man denjenigen dankbar ist, die einen fördern, sind Worte
ein wichtiges Mittel zur Stärkung der Beziehungen in der
Familie. Weil Worte andere fördern, stärken und ermutigen
können, stellt die falsche Ver­
schwie­
gen­
heit ein ernsthaftes
Problem dar. Men­schen, die nicht gesprächsbereit sind, tragen
nicht in dem Maße zur Familie bei, wie sie könnten und
sollten.
b) Sprüche 12,18
c) Sprüche 12,25
d) Sprüche 15,4
e) Sprüche 15,7
f) Sprüche 15,30
g) Sprüche 31,26
h) Prediger 12,11
i) Jesaja 50,4
j) Hiob 4,4
k) Maleachi 3,16
l) 1.Thessalonicher 4,18
115
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
2. Beachte die Ausführungen in diesem Kapitel und beantworte
die folgenden Fragen:
a) Welche Formen der falschen Ver­
schwie­
gen­
heit wurden in
diesem Kapitel erwähnt?
b) Gibt es noch andere Formen der falschen Ver­schwie­gen­heit,
die du selbst beobachtet hast? Beschreibe sie.
c) Wie wirkt sich die falsche Ver­schwie­gen­heit auf Leute aus, die
ihr ausgesetzt sind?
d) Welche Gründe für die falsche Ver­schwie­gen­heit wurden in
diesem Kapitel erwähnt?
e) Fallen dir noch andere Gründe für falsche Ver­schwie­gen­heit
ein? Welche?
f) Geh die Vorschläge durch, wie man die falsche Ver­schwie­gen­
heit über­win­den kann. Was hälst du von diesen Vorschlägen?
Sind sie angemessen? Hast du noch andere Ideen?
3. Wende die folgende Liste an, um dich selbst in Bezug
auf die verschiedenen Formen von „Kurzgesprächen” oder
„Kleingesprächen” zu bewerten: 4=nie, 3=selten, 2=manchmal,
1=oft, 0 = gewöhnlich. Kreise die Antwort ein, die auf dich
zutrifft.
a) Wortmangel 43210
b) Themenvermeidung
43210
c) Gleichgültigkeit
43210
d) Verschlossenheit 43210
e) Mangel an Respekt
43210
f) Mangel an Wertschätzung
43210
g) anderes __________________
43210
Anzahl von 2-en: ____ (Verbesserungsbedarf)
Anzahl von 1-en: ____ (großer Verbesserungsbedarf)
Anzahl von 0-en: ____ (sehr großer Verbesserungsbedarf)
4. Prüfe anhand der folgenden Liste, welche Themenbereiche
in deiner Familie zu kurz kommen: 1=Thema wird ausgiebig
behandelt, 0=Thema wird nicht ausreichend diskutiert.
116
Kapitel 6
Schweigen ist nicht immer Gold!
a) Geistliche Themen, Gemeinde, Andachten,
biblische Wahr­hei­ten, Gebet,
christlicher Dienst, etc.
10
b) Fakten, Information
10
c)
Gedanken, Meinungen1 0
d)
Gefühle1 0
e) Wünsche, Sorgen, Interessen
10
f)
Pläne, Ziele1 0
g)
Träume, Sehnsüchte1 0
h) Finanzen, materielle Dinge, Anschaffungen,
Ersparnisse, Investitionen1 0
i)
Arbeit, Schule1 0
j) sexuelle Angelegenheiten, Wünsche,
Vorlieben, Abneigungen1 0
k)
Freunde1 0
l) Freizeit, Sport, Ferien, Erholung
10
m)
Probleme, Versagen1 0
n) Freuden, Siege, Erfolge
10
o) Was ihr lest, studiert, lernt, hört, seht
10
p) Aktuelle Ereignisse, Politik
10
q) Anderes _________________________
10
Stelle fest, über welche Themen ihr zu wenig redet. Sprich mit
deiner Familie, ob die anderen das auch so sehen, und was ihr
tun könnt, um euch in diesen Bereichen zu verbessern.
5. Überlege, ob jemand in deiner Familie besonders stark zur
„Ver­schwie­gen­heit” neigt, und versuche, die Gründe dafür
fest­zustellen.
ja/nein/vielleicht
a) Themenvermeidung
___ ___ ___
b) Minderwertigkeitsgefühle
___ ___ ___
c) Müdigkeit
___ ___ ___
d)
Angst___ ___ ___
e) Erziehung
___ ___ ___
f) Erfahrungen
___ ___ ___
g) Geschäftigkeit
___ ___ ___
117
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
h) Verdrängung der Wichtigkeit
___ ___ ___
i) Bestrafung
___ ___ ___
j)
Egoismus___ ___ ___
k)
Sturheit___ ___ ___
l) Anderes _______________________ ___ ___ ___
6. Wenn ihr herauskristallisiert habt, welche Arten der falschen
Ver­schwie­gen­heit bei euch üblich sind und was die Gründe
dafür sind, solltet ihr im Kreis der Familie besprechen, wie
ihr meine Vorschläge umsetzen wollt, um sie zu überwinden.
Überlegt, was sonst noch helfen könnte, und haltet euch
daran.
118
Kapitel 7
Genug ist genug und zu viel ist zu viel
Im Gegensatz zu der alten Redewendung ist es leider doch möglich,
von einer guten Sache zu viel zu bekommen. Schlaf, Ruhe und
Er­holung sind gute Dinge, aber über einen Menschen, der es damit
übertreibt, sagt die Heilige Schrift: „Wie lange willst du liegen
bleiben, du Fauler? Wann willst du aufstehen von deinem Schlaf?”
Und er antwortet: „Ein wenig schlafen, ein wenig schlummern, ein
wenig die Hände in den Schoß legen, um zu ruhen…” Aber die
Bibel warnt ihn: „so holt dich die Armut ein wie ein Läufer, und der
Mangel wie ein bewaffneter Mann” (Spr. 6,9-11). Auch Nahrung
ist eine gute Sache, aber wenn man zu viel isst, kann man Probleme
bekommen. Die Bibel sagt, dass „Schlemmer verarmen” (Spr. 23,21).
Viele gute Dinge können schädlich werden, wenn man sie über­
treibt, sogar die Kommunikation daheim. Die Bibel weist uns oft
darauf hin, dass „Geschwätz” eine zerstörerische Gewohnheit sein
kann. „Wo viele Worte sind, da geht es ohne Sünde nicht ab”, heißt
es in Sprüche 10,19, und Sprüche 11,12 unterstreicht denselben
Gedanken: „Wer seinen Nächsten verächtlich behandelt, ist ein
herzloser Mensch, aber ein verständiger Mann nimmt es schweigend
an.” Auch Sprüche 12,23 rät von „Geschwätz” ab, denn: „Ein kluger
Mensch verbirgt sein Wissen, aber das Herz der Narren schreit die
Torheit heraus.” Es ist offensichtlich, dass der Dummkopf seinen
Mund nicht halten kann und ständig redet.
Sprüche 17 gewährt mehrfach Einblick in die zerstörerische
Na­tur des Schwatzens. In den Versen 27 und 28 lesen wir: „Wer
seine Worte zurückhält, der besitzt Erkenntnis … Selbst ein Narr
wird für weise gehalten, wenn er schweigt, für verständig, wenn er
119
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
seine Lippen verschließt.” Weiter am Anfang in Kapitel 17 wird dem
Ge­schwätz vorgeworfen, gute Beziehungen zu zerstören: „wer aber
eine Sache weitererzählt, trennt vertraute Freunde” (V. 9).
Geschwätz kann Freundschaften zerstören, Ehen gefährden und
Eltern-Kind-Beziehungen verderben. Wie der Prediger schreibt, gibt
es eine Zeit zu sprechen und eine Zeit zu schweigen (vgl. Prediger
3,7). Menschen, die ihre Familie nach dem Plan Gottes gestalten
wollen, müssen wissen, was, wann und wie viel sie sagen sollen.
Verschiedene Formen von Geschwätz
Monopolisierung
Einige der vorhin erwähnten Verse lassen darauf schließen, dass es
Menschen gibt, die dazu neigen, das Gespräch zu dominieren. Jedes
verbale Zusammentreffen mit ihnen wird zu einem Monolog. Wenn
jemand eine Frage stellt, sind sie die ersten und oft die Einzigen, die
antworten. Ihnen fällt es extrem schwer, anderen zuzuhören.
Oft fühlen sich „Schweiger” und „Schwätzer” zueinander hin­
ge­zogen und heiraten. Am Anfang scheint es ein gutes Abkommen
zu sein. Der „Schweiger” braucht sich nicht um eine Unterhaltung
zu bemühen, und der „Schwätzer” kann reden, so viel er will. Aber
dann kehrt der Alltag ein und die stille Person hört der anderen
nicht mehr zu oder wird verbittert, weil die Unterhaltung so einseitig
ist. Für den überforderten und unterdrückten Ehepartner wird es
zu­nehmend schwieriger, den beherrschenden Partner zu respektie­
ren, und sie könnten sich entfremden.
Klatsch
Sprüche 26,22 beschreibt eine weitere Form des Geschwätzes: „Die
Worte des Verleumders sind wie Leckerbissen.” Der Verleumder
in diesem Vers ist jemand, der nicht will, dass bestimmte Leute
sei­ne Äußerung mitbekommen, weil er Gerüchte weiterträgt oder
je­manden verleumdet. Er traut sich nicht, laut oder zu der Person zu
sprechen, über die er redet.
Manchmal tratschen Menschen über ein anderes Mitglied der
eige­nen Familie. Ehemänner oder Ehefrauen sprechen schlecht über
120
Kapitel 7
Genug ist genug und zu viel ist zu viel
ihren Partner oder ihre Kinder, ihre Eltern, ihre Geschwister oder
ihre Freunde, um Sympathie oder Bestätigung zu erhalten. Viel­
leicht sind sie gerade über etwas aufgebracht, das der Partner tut oder
nicht tut, und erzählen anderen, wie schlecht sie behandelt werden.
In Wirklichkeit suchen sie oft nach Sympathie, Zustimmung oder
Bestätigung und verkleiden dies als Bitte um einen Ratschlag oder
Fürbitte im Gebet.
Ich spreche jetzt nicht davon, dass jemand über seine ech­
ten
Familienprobleme redet, was ja vollkommen legitim ist, wenn
(1) biblische Versuche gestartet wurden, die Schwierigkeiten zu
überwinden, und diese fehlgeschlagen sind, (2) die Person diese
Informationen weitergibt, weil sie aufrichtig Hilfe sucht, (3) die
Person nur mit solchen Menschen spricht, die einen christlich fun­
dier­ten Rat geben können, der zu einer Lösung führt (Psalm 1,1+2),
und (4) die mitgeteilten Informationen für andere hilfreich sein
kön­nen um vorzubeugen, zu schützen oder aufzubauen. Diese Art
von Austausch ist kein Klatsch und wird durch das Wort Gottes
empfohlen (Matt. 18,15+16; Spr. 15,22; Spr.18,17; Spr. 11,14; Spr.
12,15, Gal. 6,1-3).
Leider geben viele Menschen Informationen über andere Fa­mi­
lien­mitglieder auf eine Art weiter, die diese Kriterien nicht erfüllt.
Und schlussendlich erntet man das, was man gesät hat. Der Partner,
das Kind oder der Elternteil einer solchen Person erfährt irgend­
wann, dass böse Gerüchte über ihn in Umlauf sind. Er fühlt sich
betrogen; sein Vertrauen zu dieser Person ist erschüttert. Wenn
dieser Art von Tratsch nicht auf eine biblische Art Einhalt geboten
wird, wird die Beziehung langsam, aber sicher zu Grunde gehen.
Als ich noch wesentlich jünger war, wurde ich von einem weisen
Menschen über jemanden gewarnt, der mir saftige Einzelheiten
er­zählte: „Wayne, denke daran, dass ein Hund, der einen Knochen
bringt, auch einen Knochen mitnimmt.” Menschen, die dir Klatsch
zu­tragen, tratschen oft auch über dich. Am Anfang denkst du viel­
leicht, dass du eine besondere Stellung genießt, weil diese Person dir
geheime Informationen weitergibt. Später erfährst du aber, dass du
„übers Ohr gehauen” worden bist, denn dieselbe Person hat böse
Gerüchte über dich an andere weitergegeben.
121
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Selbst wenn das nicht passiert, wirst du merken, dass das, was
zunächst ein „Leckerbissen” (Spr. 26,22) zu sein schien, schon bald
geschmacklos und widerlich wird. Weil wir sündige Menschen sind,
genießen wir es, manchmal ein bisschen zu tratschen. Es scheint
so gut zu tun, Schlechtes über andere zu hören, weil wir dann
um­so besser dastehen oder es wenigstens den anderen auf unser
Ni­veau herunterbringt. Was aber so köstlich zu sein scheint, ist tat­
sächlich gefährlich, denn Klatsch dringt „ins Innerste des Leibes”
(Spr. 26,22). Es dringt tief in uns hinein und beeinflusst uns von
innen nach außen. Böse Gerüchte, die wir einmal gehört haben,
können sich noch Jahre später auf unsere Haltung diesen Menschen
gegenüber auswirken.
Die Bibel sagt: „eine gute Botschaft stärkt das Gebein” (Spr.
15,30), und macht das Herz froh (Spr. 12,25). Ständig schlechte
Nachrichten haben einen gegenteiligen Effekt. Sie machen das Herz
traurig und nagen an Menschen und Beziehungen. Klatsch und
Tratsch kann das Heim zerstören.
Ausreden
Sprüche 26 liefert ein lustiges und doch realistisches Bild von einer
anderen Art von „Geschwätz” (Spr. 26,13-16; und 22,13). Es berichtet
von einem Mann, der nicht arbeitet. Er geht nirgendwo hin und tut
nichts. Er ignoriert sogar einige der Grundbedürfnisse des Lebens!
Die Bibel erzählt von ihm: „Die Tür dreht sich in der Angel und
der Faule in seinem Bett. Hat der Faule seine Hand in die Schüssel
gesteckt, so wird’s ihm zu schwer, sie zum Mund zurückzubringen!”
(Spr. 26,14+15)
Welchen Grund könnte dieser Mensch wohl dafür angeben, dass
er so verantwortungslos und apathisch ist? Was wird er antworten,
wenn ihn jemand fragt: „Warum bist du nicht da draußen und
ar­beitest?” Wird er zugeben, dass er einfach nicht arbeiten will?
Wird er zugeben, dass er faul ist? Dieser Mann „hält sich für weiser
als sieben, die verständige Antworten geben” (Spr. 26,16). Er kann
all sein Handeln rechtfertigen und tut es auch. Er ist fest davon
überzeugt: alle seine Wege „sind rein in seinen Augen” (Spr. 16,2).
Er fühlt sich vollkommen bestätigt in dem, was er tut.
122
Kapitel 7
Genug ist genug und zu viel ist zu viel
Selbst wenn ihn sieben Männer eines Vergehens überführen und
Gott ihn fünfmal als Faulpelz bezeichnet (Spr. 26,13-16; 22,13), er
weiß es besser als Gott und als christliche Ratgeber. Wenn er wegen
seiner Faulheit ermahnt wird, ist seine Verteidigung: „Es ist ein
Löwe draußen; ich könnte umkommen auf offener Straße!” (V. 13)
Auch wenn sonst niemand diesen erfundenen Löwen gesehen hat.
Auch wenn andere zur Arbeit gegangen sind, und keiner angegriffen
worden ist. Auch wenn Löwen normalerweise ihre Zeit nicht auf
offener Straße oder auf dem Marktplatz verbringen. Derek Kidner
sagt, dass dieser Mann „der letzte sein wird, der ihn sieht”. Was ihn
selbst betrifft, so ist er „kein Drückeberger, sondern ein Realist (13);
nicht ausschweifend, sondern morgens einfach nicht ganz auf der
Höhe (14); seine Trägheit sein Protest dagegen, gehetzt zu werden
(15); seine geistige Arbeitsunwilligkeit ein Strafzettel, der an seinen
Waffen klebt (16)”.
Hier sehen wir ein klassisches Beispiel für „Geschwätz”, durch das
sich jemand verteidigt und rechtfertigt. Bedauerlicherweise ist es in
vielen Familien heutzutage üblich, sich zu verteidigen und Ausreden
zu suchen. Ehefrauen tun es, wenn ihr Männer vorschlagen, dass sie
etwas an sich ändern sollen. Als Grund, sich nicht zu ändern, führen
sie an: „Ich würde es tun, wenn du …”, oder: „Bei dem Druck, unter
dem ich stehe…”, „Du hilfst mir ja nicht bei…”, „Du zeigst nie, dass
du mich schätzt, also…”
Auch Ehemänner nehmen manchmal eine Abwehrhaltung
ihren Frauen gegenüber ein. Ein Mann kann seiner Frau das
Gefühl geben, sie sei ein schlechter Mensch, nur weil sie ein
bestimmtes Thema anschneidet. „Es ist unangemessen, dass du
mich überhaupt darum bittest. Was ist mit all dem Guten, das
ich für dich tue? Warum musst du immer einen Fehler bei mir
suchen?” „Du bist einfach viel zu empfindlich. Wahrscheinlich
ist es wieder die bestimmte Zeit im Monat.” „Ich denke, es ist
alles gut so, wie es ist. Warum bist du nie zufrieden?” „Wenn du
siehst, wie John seine Frau behandelt, dann kannst du noch ganz
glücklich sein.” „Wie kannst du behaupten, dass ich dich nicht
liebe? Ich schlage dich doch nicht! Ich bin dir noch nie untreu
gewesen. Ich bemühe mich, gut für dich zu sorgen. Warum kannst
123
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
du nicht in deinen Kopf bekommen, dass ich nur versuche…”
Abwehr! Rechtfertigung! Zerstörung!
Gesprächsübernahme
Gesprächsübernahme ist auch eine Form von „Geschwätz”. Mitten
in einem Gespräch unterbricht dich plötzlich jemand und sagt:
„Warte mal, du hast einiges nicht richtig erzählt und ein paar wich­
tige Tatsachen ausgelassen. Lass mich diese ergänzen.” Und dann
ergänzt er nicht nur die fehlenden Details, sondern erzählt die gan­
ze Geschichte zu Ende. Er will die Pointe herüberbringen und das
resultierende Gelächter ernten, weil er etwas Lustiges erzählt hat.
Wenn so etwas zwischen Eheleuten oder Eltern und Kindern stän­
dig vorkommt, kann das den Boden bilden, auf dem Ablehnung,
Bitterkeit und Enttäuschung gedeihen können.
Pausenloses Gerede
Eine andere Form von Geschwätz ist, wenn jemand pausenlos oder
wie ein Wasserfall redet. In den Sprüchen werden Leute erwähnt,
die plappern (Spr. 10,8+10). Manche Menschen sprudeln über wie
eine Quelle. Die Worte fließen unaufhörlich aus ihrem Mund. Eine
kurze Zeit lang ist das vielleicht interessant und sogar amüsant, so
eine Person in der Familie zu haben. Aber es dauert nicht lange, bis
eine gehaltlose Unterhaltung zu Verärgerung führt.
Die Heilige Schrift warnt uns zweifach vor solchen Unterhaltun­
gen. Der Redner wird als „Narrenmund” bezeichnet (Spr. 10,8+10).
Sie sagt auch, dass er „zu Fall” kommen wird. Es heißt dort nicht
ein­fach, dass er hinfallen wird, sondern er „kommt zu Fall”: Kata­
strophen, Niederlagen, Ablehnung und Demütigungen er­
war­
ten
ihn. Mit diesen Konsequenzen muss er in jedem Bereich sei­nes
Lebens rechnen: wirtschaftlich, beruflich, emotional, geist­
lich,
sozial und familiär.
Wenn ich an diese Verse denke, fällt mir ein Mann ein, den ich
Jim nennen möchte. Jim und seine Frau kamen in die Beratung,
weil sie in ihrer Ehe mit schwer wiegenden Problemen zu kämpfen
hatten. Beide bekannten sich als Christen, aber sie vertrugen sich
wie Katz und Hund. Eigentlich war es Jim, der am meisten stritt –
124
Kapitel 7
Genug ist genug und zu viel ist zu viel
er war sehr aggressiv. Seine Frau hielt sich meistens zurück, wirkte
äußerlich passiv, blieb innerlich aber stur. Seit sie mein Büro betreten
hatten, redete Jim ununterbrochen. Er war keinen Moment still. Es
überraschte mich nicht, dass seine Frau sehr still war und einfach
nur da saß, während er immer weiter schwatzte.
In einer unserer Sitzungen machte ich Jim auf diese Verse auf­
merks­am und fragte ihn, was plappern wohl bedeutet. Zunächst
ver­suchte er mir auszuweichen, gab aber schließlich eine gute Erklä­
rung. Dann fragte ich ihn, was er unter „zu Fall kommen” ver­stand.
Jim begann zu lachen. Als ich ihn nach dem Grund fragte, sagte er:
„Das ist mir passiert. Ich bin ein Narrenmund und ich bin zu Fall
gekommen. Meine Ehe ist eine Katastrophe. Meine Frau lehnt mich
ab. Sie will nicht einmal mehr mit mir beten oder die Bibel lesen.
Wir haben kein Liebesleben. Sie behandelt mich wie einen Feind.
Meinen Kindern bin ich gleichgültig. Sie schenken mir nicht viel
Aufmerksamkeit und interessieren sich nicht für geistliche Dinge.
Eins ist drogensüchtig und das andere hat keinen Lebensinhalt.
Dieser Vers beschreibt genau das, was mir passiert ist. Ich bin zu Fall
gekommen.” Und vielen anderen Menschen ist es genauso ergangen.
Andere unter Druck setzen
„Geschwätz” kann sich auch so auswirken, dass andere unter Druck
gesetzt werden, besonders zu Hause. Sprüche 17,9b beschreibt diese
Gewohnheit so (Elberfelder Übersetzung): „Wer aber eine Sache
immer wieder anregt, entzweit Vertraute.” Denk an die Person, die
ein Gesprächsthema anschneidet und kein Ende findet. Sie kennt
nur ein Thema und bedrängt dich ständig damit. Solche Menschen
denken, wenn sie ständig auf jemanden einreden, wird man ihnen
schließlich zustimmen. Vielleicht scheint dies am Anfang den
gewünschten Erfolg zu bringen, aber mit der Zeit wirkt es sich auf
die Beziehung sehr schädlich aus. Der Stein, den diese Person auf
andere wälzt, kehrt zu ihr zurück (Spr. 26,27).
Situationsbedingtes „Geschwätz”
Eine Art von „Gerede”, zu dem ich selbst am meisten neige, nen­
ne ich „situationsbedingtes Geschwätz”. Eigentlich bin ich keine
125
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Plaudertasche. Zum Plaudern muss ich mich zwingen. Aber es gibt
einige Themen, mit denen ich mich ausgiebig befasst und viele
Erfahrungen gemacht habe. Wenn diese Themen angeschnitten
werden, kann es sehr leicht passieren, dass ich die biblische Wahrheit
aus Sprüche 12,23 missachte: „Ein kluger Mensch verbirgt sein
Wissen, aber das Herz der Narren schreit die Torheit heraus.”
Es kommt vor, dass ich mich meiner Frau und meinen Kindern
gegenüber nicht weise verhalte und zu viel von meinem Wissen
weitergebe. Was ich sage, ist nicht unbedingt falsch, aber ich „schreie
Torheit heraus”, indem ich zu viel sage oder es zu sehr in die Länge
ziehe. Dadurch nehme ich meiner Frau und meinen Kindern die
Gelegenheit, ihre Erkenntnisse mitzuteilen. Entweder habe ich
schon gesagt, was sie sagen wollten, oder meine Fachkenntnis hat sie
eingeschüchtert und verstummen lassen. Wenn ich mich so verhalte,
mache ich mich des „Geschwätzes” schuldig. Und wenn das auch
noch regelmäßig vorkäme, würde ich das persönliche Wachstum
anderer Mitglieder meiner Familie, und die Entwicklung guter
Beziehungen behindern.
Ichbezogenes Reden
Eine häufig vertretene Form des „Geschwätzes” besteht darin, dass
einer ständig nur über sich selbst redet. Sprüche 27,2 bezieht sich
darauf: „Ein anderer soll dich rühmen, nicht dein eigener Mund,
ein Fremder und nicht deine eigenen Lippen!” Manchmal unterhält
man sich mit Leuten, deren Hauptgesprächsthema sie selbst sind.
Sie sprechen über ihre Probleme, ihre Schmerzen, ihre Erfolge, ihre
Errungenschaften, ihre Siege, ihre Ausbildung. Fünfundneunzig
Pro­zent ihrer Unterhaltung ist „ich, ich, ich”. Sie scheinen viele inte­
ressante Geschichten parat zu haben und wirken auf andere zu­nächst
anziehend. Aber nach einer Weile merkt man, wie ego­zent­risch sie
sind. Ihre Beziehung zu anderen bleibt oberflächlich und un­an­ge­
nehm. Es ist schwierig, jemandem näher zu kommen, der so sehr mit
sich selbst beschäftigt ist.
126
Kapitel 7
Genug ist genug und zu viel ist zu viel
Gründe für „Geschwätz”
Stolz
Warum gewöhnen sich manche Menschen das „Schwatzen” an?
Einer der Gründe ist ihr Stolz. Wenn jemand viel redet, könnte das
auf den Wunsch hinweisen, im Mittelpunkt stehen zu wollen. Durch
Angeberei, Monopolisierung und Klatsch stellt man sich selbst in
den Vordergrund.
Wenn jemand einem anderen aufmerksam zuhört, ohne ihn zu
unterbrechen oder mit den Gedanken abzuschweifen zeigt er, dass er
seinen Gesprächspartner respektiert. Manchmal erfordert es wahre
Demut, anderen zuzuhören, weil jemand anderes im Rampenlicht
steht. Wenn aber eine Person das Gespräch dominiert, ist das so
als sage sie: „Ich verdiene es, dass mir alle ihre Aufmerksamkeit
schenken. Ich bin der Einzige, der etwas Interessantes zu sagen hat.
Ich bin so wichtig, so gebildet, so interessant, dass ich am meisten
sprechen sollte.”
Selbstsucht
Wo Stolz ist, da ist auch Selbstsucht vorhanden. Ich kenne einen
„Schwätzer”, der es jedes Mal fertig bringt, das Gespräch der
Familie in die Richtung zu lenken, die er gerade für wichtig hält.
Er tut zwar so, als sei er an der Meinung seiner Frau und seiner
Kinder interessiert, aber er würgt sie immer ab oder schiebt sie als
bedeutungslos zur Seite. Er ist ein lebhaftes Beispiel des Narren, von
dem es in Sprüche 18,2 heißt: „Einem Toren ist es nicht ums Lernen
zu tun, sondern darum, zu enthüllen, was er weiß.” Seine Art, wie
er sich zu Hause unterhält, ist ein schamloser Verstoß gegen die
biblische Ermahnung: „Tut nichts aus Selbstsucht oder nichtigem
Ehrgeiz, sondern in Demut achte einer den anderen höher als sich
selbst. Jeder schaue nicht auf das Seine, sondern jeder auf das des
anderen.” (Phil. 2,3+4)
Angst vor der Stille
Manche Menschen neigen zu „Geschwätz”, weil sie die Stille nicht
ertragen können. Sie denken, still sein ist schlecht, und deshalb
127
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
macht es sie nervös, wenn im Gespräch eine Pause entsteht. Sie
haben das Gefühl, es sei ihre Verantwortung, das Gespräch am
Laufen zu halten und wenn sie es nicht tun, werden andere sie für
dumm halten. Sie reden über alles, was ihnen in den Sinn kommt,
egal ob es Gehalt hat oder nicht. Vielleicht beschweren sie sich über
ihre eigenen Probleme. Oder sie jammern über die Probleme von
Mitmenschen oder der Welt. Manchmal ist ihr „Geschwätz” auch
einfach nur Klatsch und Tratsch. Meistens verlaufen ihre wortreichen
Ausführungen in negativen Bahnen. Sie scheinen Experten darin
zu sein, böse Geschichten auszugraben und Fehler zu finden (Spr.
16,27) – alles ist recht, um ihr Unbehagen zu vertreiben. Ihr
unablässiges Gerede ist ein Zeichen für ein tiefer liegendes Problem.
Einsamkeit
Einsame Menschen werden oft zu „Schwätzern”. Das war bei Mary
eindeutig der Fall. Ihre Beziehung zu ihrem Ehemann war schon
immer oberflächlich gewesen, obwohl sie sich eine echte Part­ner­
schaft mit ihm wünschte. Sie wollte, dass sie beide nicht nur theo­
re­tisch Miterben der Gnade wären, sondern es auch im täglichen
Leben zeigten. Aber ihr Mann hatte kein Interesse. Ihm schien fast
alles gleichgültig zu sein, selbst Mary. Er ging zur Arbeit, kam nach
Hause, aß zu Abend, sah fern und ging schlafen. Am nächsten Tag
wiederholte sich das gleiche Programm.
Schon kurz nach ihrer Hochzeit hatte sich bei Mary Unzufrie­
den­heit eingestellt. Sie wollte ihren Mann zu ihrem Freund haben
und fragte sich, wie sie die Kluft zwischen ihnen schließen und ihre
Einsamkeit überwinden konnte. Mary versuchte, dieses Problem
durch Worte zu beheben. Sie redete beim Essen, im Wohnzimmer,
wenn er versuchte fernzusehen, wenn sie im Auto unterwegs waren.
Zunächst schien ihr Mann auf sie einzugehen. Aber bald ertrug
er ihr ständiges Gerede nur noch und schaltete einfach ab. Mary
wusste nicht, was sie sonst noch tun konnte, deshalb erhöhte sie die
Lautstärke, um ihre Einsamkeit zu bekämpfen.
128
Kapitel 7
Genug ist genug und zu viel ist zu viel
Erziehung oder Gewohnheit
„Schwätzer” sind oft als solche erzogen worden. Wenn einer oder
beide Elternteile ständig reden, dann folgt das Kind vielleicht nur
ihrem Beispiel und wird auch eine Plaudertasche. Es ist ihm wahr­
scheinlich gar nicht bewusst, dass dies eine schlechte Gewohnheit ist.
Es ahmt seine größten Vorbilder nach und das Plaudern geht ihm in
Fleisch und Blut über.
Eine Gewohnheit ist etwas, das wir unbewusst tun. Viele Rat­
suchen­de sind überrascht, wenn ich sie auf Gewohnheiten, wie zum
Beispiel das „Geschwätz”, aufmerksam mache.
Eine Frau und ihre Kinder wurden von ihrem Mann und Vater
ständig beschimpft. Er setzte sie immer wieder unter Druck, weil
er sie anscheinend zu seinen Ebenbildern machen wollte. Aber er
konnte nicht verstehen, warum sie die Kinder nehmen und ihn
verlassen wollte. Er führte ein Beispiel nach dem anderen an, wie
sehr er sich bemüht hatte, liebevoll und fürsorglich zu sein. Seiner
Meinung nach war er immer bereit, auf seine Frau zu hören. Er täte
ja äußerst selten, falls überhaupt mal, etwas ohne ihre Zustimmung.
Er konnte es überhaupt nicht begreifen, warum sie der Meinung war,
dass er sie und die Kinder misshandelte. Er liebte sie innig und alles,
was er wollte, so sagte er, war ein christliches Zuhause.
Während unserer Sitzungen beobachtete ich, dass er meh­
rere Formen des „Geschwätzes” praktizierte, unter anderem
Ausreden-suchen und Andere-unter-Druck-setzen. Er konnte alles
rechtfertigen, was unbiblisch oder selbstsüchtig erschien. Wenn es
zu einer Meinungsverschiedenheit kam, wollte er seinen Standpunkt
wiederholt erklären in der Hoffnung, uns zu seiner Sichtweise über­
reden zu können. Manchmal wurde er ärgerlich, weil er meinte,
falsch verstanden worden zu sein. Manchmal vergoss er Tränen.
Und manchmal bettelte er sogar, dass wir ihm zustimmen sollten.
Ob­wohl er eindeutig ein „Schwätzer” war, war er einfach zu blind,
um das einzusehen.
Als ich ihn das erste Mal darauf aufmerksam machte, wollte er
es nicht glauben. Um ihm zu helfen, sein Problem zu verstehen,
ließ ich ihn im Verlauf einiger Wochen mehrere Familiengespräche
aufnehmen, die er sich dann anhören musste. Schließlich sah er
129
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
sein Fehlverhalten ein, gab es zu und willigte ein, seine schädliche
Gewohnheit aufzugeben.
Nicht alle, die zugeben, „Schwätzer” zu sein, verstehen auch, wie
sehr sie damit ihren Beziehungen schaden können. Dieser Mann
aber verstand es und konnte deshalb daran arbeiten und die ne­ga­ti­
ven Auswirkungen beheben, die diese Gewohnheit auf seine Familie
gehabt hatte.
Schlechtes Zuhören
Schlechtes Zuhören kann auch zu „Geschwätz” führen. In vielen
Familien gibt es schlechte Zuhörer, die andere dadurch zum Nörgeln
verleiten. Wenn eine Frau sicher sein könnte, dass ihr Ehemann sie
beim ersten Mal gehört hat, bräuchte sie sich nicht zu wiederholen.
Das entschuldigt ihr Nörgeln natürlich nicht, denn die Bibel ver­
bietet solches Reden. Aber es erklärt, warum jemand versucht, sich
durch viele Worte Gehör zu verschaffen, wenn der andere ihm keine
Aufmerksamkeit schenkt. Eine Möglichkeit, dem „Geschwätz”
entgegenzuwirken besteht also darin, beim ersten Mal aufmerksam
zuzuhören.
Der Wunsch, das Gesprächsthema zu bestimmen
Manche versuchen, die Kontrolle zu übernehmen, indem sie über­
mäßig viel reden. Sie denken, wenn sie andere sprechen lassen,
verlieren sie die Kontrolle. Es könnte ja jemand ein Thema an­spre­chen,
bei dem sie sich überhaupt nicht auskennen, oder eine Frage stellen,
die ihnen unangenehm ist. Um das zu verhindern, reden sie so viel,
dass keiner eine Chance bekommt, das Gespräch in eine Richtung zu
lenken, die sie nicht einschlagen möchten. Solange sie das Steuer in der
Hand halten, fühlen sie sich sicher und als Herr der Lage.
Da ist vielleicht eine Ehefrau, die Angst davor hat, dass ihr
Mann über Dinge reden will, die sie lieber umgehen möchte –
Dinge wie Finanzen, Sexualität oder Kindererziehung. Sie denkt,
darüber zu sprechen, sei zu schmerzhaft, und könnte zu noch mehr
Schwierigkeiten führen. Wenn sie die Befürchtung hat, dass eins die­
ser Themen aufkommen könnte, reißt sie das Gespräch an sich, so
dass ihr Mann das gefürchtete Thema nicht anschneiden kann. Ihr
130
Kapitel 7
Genug ist genug und zu viel ist zu viel
„Geschwätz” ist ein Schutzmechanismus, ein Ablenkungsmanöver,
das ihr hilft zu bestimmen, mit welchen Angelegenheiten sie sich
auseinandersetzen muss.
Vorschläge, um „Geschwätz” zu überwinden
„Geschwätz” ist ein ernsthaftes Hindernis, wenn man seine Familie
nach Gottes Vorstellung gestalten will. Deshalb ist es überaus not­
wendig, aktiv dagegen vorzugehen. Hier sind einige praktische Vor­
schläge, wie man das Problem in den Griff bekommen kann.
1. Prüfe, ob du selbst ein Problem mit „Geschwätz” hast. Lies dir
die Beschreibungen für die verschiedenen Formen von „Geschwätz”
noch einmal durch. Bestimme anhand der Bewertungsskala am
Ende dieses Kapitels deinen „Geschwätz”-Quotienten. Schreibe die
Formen von „Geschwätz” auf, bei denen du 0, 1 oder 2 Punkte
er­reicht hast.
Bitte dann andere, dich zu bewerten. Oft ist einem selbst gar
nicht bewusst, dass man ein „Schwätzer” ist, aber andere merken es.
Frage deinen Ehepartner und deine Kinder, ob du zu einer Form von
„Geschwätz” neigst. Bestehe darauf, dass sie ehrlich sind, und nicht
einfach sagen, du seist großartig. Wenn du wirklich ein besserer
Christ und ein erfolgreicherer Mensch werden willst, such ein paar
gute Freunde auf, die dir wirklich die Meinung sagen werden, und
frage sie. Denk daran: „Treu gemeint sind die Schläge des Freundes,
aber reichlich sind die Küsse des Hassers.” (Spr. 27,6)
2. Wenn du feststellst, dass du zu der einen oder anderen Form
von „Geschwätz” neigst, mach es zu einem Gebetsanliegen. Bete mit
dem Psalmisten: „Lass die Worte meines Mundes und das Sinnen
meines Herzens wohlgefällig sein vor dir, Herr, mein Fels und mein
Erlöser!” (Ps. 19,15) „Herr, stelle eine Wache an meinen Mund,
bewahre die Tür meiner Lippen!” (Ps. 141,3)
Es stimmt, was Jakobus sagt: „die Zunge aber kann kein Mensch
bezwingen” (Jakobus 3,8). Was kein Mensch tun kann, das kann
Gott aber zuwege bringen. „Ach, Herr, Herr, siehe … dir ist nichts
unmöglich!” (Jer. 32,17) „Die Frucht des Geistes aber ist … Selbst­
beherrschung.” (Gal. 5,22) „Bei Gott sind alle Dinge möglich.”
(Matt. 19,26). Durch seine Gnade und die Kraft des Heiligen
131
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Geistes kann Gott, der dich durch das Kreuz Jesu Christi errettet
hat, dir helfen, dein Problem mit dem „Geschwätz” und die Gründe
dafür zu beheben.
3. Versuche, die Gründe für dein Verhalten festzustellen. Wie wir
bereits gesehen haben, ist „Geschwätz” oft ein Merkmal für tiefer
liegende Probleme. Um ihnen entgegenzutreten, reicht es nicht aus,
dein Benehmen zu ändern. Du musst den Grund dafür herausfinden.
4. Wenn du den Grund für dein „Geschwätz” festgestellt hast,
studiere die Bibel und finde heraus, wie Gott das zu Grunde liegende
Problem angeht. Für jede mögliche Ursache des „Geschwätzes” gibt es
eine biblische Lösung. Bedenke: „Es hat euch bisher nur menschliche
Versuchung betroffen. Gott aber ist treu; er wird nicht zulassen, dass
ihr über euer Vermögen versucht werdet, sondern er wird zugleich
mit der Versuchung auch den Ausgang schaffen…” (1.Kor. 10,13)
Durch unseren Bund mit Jesus Christus und durch seine kostbaren
Zusagen (die in der Bibel stehen) hat Gott uns alles gegeben, was
wir zum Leben in Gottesfurcht benötigen (2. Petrus 1,3+4). „Alles”
schließt auf jeden Fall auch die Fähigkeit mit ein, die Neigung zum
„Geschwätz” zu überwinden.
5. Suche Bibelstellen heraus, die direkt über „Geschwätz” sprechen,
und mach dich mit ihnen vertraut. Einige der hier aufgeführten
Bibelstellen sind sehr passend. Zusätzlich kannst du eine Bibel­kon­
kor­danz zu Hilfe nehmen. Lerne wichtige Verse auswendig; lass sie
reichlich in dir wohnen (Kol 3,16). Ruf sie dir in Erinnerung, wenn
deine Unterhaltung Gefahr läuft, in „Geschwätz” auszuarten. Gottes
Wort hat Macht (Hebr. 4,12). Es kann uns vor Sünde bewahren und
unseren Weg säubern (Ps. 119,9+11; Joh. 15,3+17,17).
6. Lies jeden Morgen passende Schriftstellen. Vergegenwärtige dir
dein Ziel, beim Reden umsichtiger zu sein, und setze Kontrollpunkte
(Mittag, Abendessen, Schlafenszeit), an denen du über deinen Erfolg
Bilanz ziehst. Wenn du erfolgreich warst, danke Gott für seine Hilfe
und verpflichte dich neu. Wenn nicht, bitte Gott um Vergebung
und um seine Hilfe und erneuere dein Versprechen.
7. Lege vor Mitgliedern deiner Familie Rechenschaft ab (Hebr.
3,12+13). Bitte sie, für dich zu beten und dich zu warnen, wenn sie
merken, dass dein Reden in „Geschwätz” ausartet. Du könntest zum
132
Kapitel 7
Genug ist genug und zu viel ist zu viel
Beispiel mit deinem Ehepartner ein geheimes Zeichen verabreden,
um dir zu helfen, deine Zunge in der Öffentlichkeit im Zaum zu
halten.
8. Bemühe dich beharrlich, diese Vorschläge umzusetzen, bis
du dir das „Geschwätz” ganz abgewöhnt hast und gelernt hast, zu
anderen Familienmitgliedern genug – aber nicht zu viel zu sagen
(1.Tim. 4,7; Hebr. 5,14).
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant­
worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Analysiere die folgenden Verse und schreibe auf, was sie zum
Thema „Geschwätz” sagen. Schreibe die Worte auf, die auf
„Geschwätz” hindeuten. Notiere auch die jeweilige Form von
„Geschwätz” und wie es sich auf andere auswirkt. Hier sind
zwei Beispiele:
a) Hiob 11,2-4: „Menge der Worte”, „Schwätzer”; Rechtfertigung;
provoziert andere, die Angriffe fortzusetzen.
b) Hiob 19,2+3: „Wie lange”, „Zehnmal schon habt ihr mich
geschmäht”; Andere-unter-Druck-setzen; der Zuhörer fühlt
sich schikaniert, beleidigt, schlecht behandelt, verletzt,
wütend.
c) Sprüche 11,13
d) Sprüche 13,3
e) Sprüche 15,2
f) Sprüche 16,28
g) Sprüche 20,19
h) Sprüche 25,14
i) Prediger 5,2+3
j) Prediger 5,4-7
k) Prediger 10,14
l) Matthäus 6,7
m) Epheser 5,3
133
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
2. Denke über die Aussagen dieses Kapitels nach und beantworte
die folgenden Fragen:
a) Welche Formen des „Geschwätzes” wurden in diesem Kapitel
erwähnt?
b) Hast du noch andere Formen beobachtet? Beschreibe sie.
c) Welche Gründe für „Geschwätz” wurden in diesem Kapitel
genannt?
d) Fallen dir noch andere Gründe ein?
e) Was hältst du von den vorgeschlagenen Wegen, um sich
das „Schwatzen” abzugewöhnen? Könnten sie hilfreich sein?
Kannst du weitere Vorschläge machen?
3. Bestimme anhand der folgenden Liste, wie oft und zu
welcher Form des „Schwatzens” du neigst: 4=nie, 3=selten,
2=manchmal, 1=oft, 0=immer. Kreise die Zahl ein, die auf
dich zutrifft.
a) Monopolisierung
43210
b)
Klatsch4 3 2 1 0
c) Rechtfertigung
43210
d) Gesprächsübernahme
43210
e) Pausenloses Gerede
43210
f) Andere unter Druck setzen
43210
g) Situationsbedingtes Geschwätz
43210
h) Ichbezogenes Reden
43210
i) Anderes _____________________________ 4 3 2 1 0
Anzahl von 2-en: ____ (du musst dich etwas verbessern)
Anzahl von 1-en: ____ (du musst dich stark verbessern)
Anzahl von 0-en: ____ (du musst dich sehr stark verbessern)
4. Bestimme anhand der folgenden Liste, über welche Themen­
bereiche in deiner Familie zu viel geredet wird: 1=Thema wird
angemessen behandelt, 0=Thema wird zu ausgiebig diskutiert.
a) Geistliche Themen, Gemeinde, Andachten, biblische
Wahrheiten, Gebet, christlicher Dienst, etc.
10
b)
Fakten, Information1 0
134
Kapitel 7
Genug ist genug und zu viel ist zu viel
c)
Gedanken, Meinungen1 0
d)
Gefühle1 0
e) Wünsche, Sorgen, Interessen
10
f)
Pläne, Ziele1 0
g)
Träume, Sehnsüchte1 0
h) Finanzen, materielle Dinge, Anschaffungen,
Ersparnisse, Investitionen1 0
i)
Arbeit, Schule1 0
j) sexuelle Angelegenheiten, Wünsche,
Vorlieben, Abneigungen1 0
k)
Freunde1 0
l) Freizeit, Sport, Ferien, Erholung
10
m)
Probleme, Versagen1 0
n) Freuden, Siege, Erfolge
10
o) Was ihr lest, studiert, lernt, hört, seht
10
p) Aktuelle Ereignisse, Politik
10
q) Anderes _____________________________ 1 0
Stelle fest, über welche Themen ihr zu viel redet. Sprich mit
deinem Ehepartner und deiner Familie, ob sie das auch so
sehen, und was ihr tun könnt, um euch in diesen Bereichen
zu verbessern.
5. Denke über die verschiedenen Gründe für „Geschwätz” nach,
die hier genannt wurden. Wenn du Probleme in diesem
Be­reich hast, dann versuche herauszufinden, woran das liegt.
a)
b)
c)
d)
e)
f)
g)
h)
Stolz Selbstsucht
Angst oder Unbehagen
Einsamkeit
Erziehung oder Gewohnheit
Schlechtes Zuhören
Wunsch, Gesprächsthemen
zu bestimmen
Anderes _________________ ja / nein / vielleicht
___ ___ ___
___ ___ ___
___ ___ ___
___ ___ ___
___ ___ ___
___ ___ ___
___ ___ ___
___ ___ ___
135
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
6. Wenn ihr die Arten des „Geschwätzes”, zu denen ihr neigt,
und die Gründe dafür herauskristallisiert habt, solltet ihr
im Kreis der Familie besprechen, wie ihr meine Vorschläge
umsetzen wollt, um die falschen Gewohnheiten in den Griff
zu bekommen. Überlegt, was sonst noch helfen könnte, und
haltet euch daran.
136
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
„Sie sind wahrscheinlich intelligenter als Einstein”, sagte ein Student
nach der Vorlesung zu seinem Professor. Erstaunt und geschmeichelt
fragte der Professor: „Warum meinst du das?” „Na ja”, erklärte der
Student, „man sagt, es gab nur acht Menschen auf der Welt, die
Einstein verstehen konnten. Aber Sie versteht keiner!”
Sprechen und kommunizieren sind nicht unbedingt dasselbe. Das
stellte dieser Professor fest. Es ist schon öfter vorgekommen, dass
ich versucht habe, jemanden telefonisch zu erreichen, aber nicht
durch kam, weil die Leitungen blockiert waren. In der Leitung war
irgendeine Störung, sodass mein Anruf nicht zustande kam. Hätte
ich mich trotzdem hingesetzt und stundenlang ins Telefon geredet,
hätte das niemandem genützt. Die Botschaft hätte den Menschen,
für den sie bestimmt war, nie erreicht.
Halte die Leitungen frei!
Es kommt in Familien oft vor, dass die Gesprächsleitungen blockiert
sind. In Problemfamilien herrscht meistens kein Mangel an Worten.
Es werden Botschaften gesendet, aber sie werden nicht empfangen
und verstanden. Worte werden auch nicht dazu gebraucht, um
ein­ander zu erbauen und zu ermutigen und Harmonie und Nähe
in der Familie zu schaffen (Eph. 4,25+29). Die Leitungen müssen
erst freigemacht werden, damit in solchen Familien der christliche
Umgang miteinander funktionieren kann.
Was verursacht Gesprächsblockaden in der Familie? Ein Un­gleich­
gewicht zwischen verbaler und nonverbaler Kommunikation ist
ein Grund (siehe Kapitel 4 und 5). In Kapitel 7 beschriebenes
137
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
„Ge­
schwätz” ist ein weiterer Übeltäter. Aber es gibt noch mehr
Ge­sprächs­hindernisse und die Bibel wird uns verstehen helfen, wel­
che es sind.
Epheser 4,25-30 beschreibt einige der „Viren”, die effektive
Kommunikation in der Familie töten können: „Darum legt die Lüge
ab und »redet die Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten«, denn wir
sind untereinander Glieder. Zürnt ihr, so sündigt nicht; die Sonne
gehe nicht unter über eurem Zorn! Gebt auch nicht Raum dem
Teufel! […] Kein schlechtes Wort soll aus eurem Mund kommen,
sondern was gut ist zur Erbauung, wo es nötig ist, damit es den
Hörern Gnade bringe. Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes,
mit dem ihr versiegelt worden seid für den Tag der Erlösung!“
Epheser 1-3 präsentiert eine der wichtigsten Wahrheiten des
christlichen Glaubens, insbesondere, was Gott durch Jesus Christus
für die Gläubigen getan hat. Die zentrale Botschaft dieser drei
Kapitel sind die unglaublichen Vorrechte, die wir Christen haben,
und unser Reichtum in Jesus Christus.
Der Schlüsselvers in diesem Abschnitt ist Epheser 1,3, wo Pau­
lus sagt: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus
Chris­
tus, der uns gesegnet hat mit jedem geistlichen Segen in
den himmlischen Regionen in Christus.” Hier kündigt Paulus das
Thema und den Zweck dieses Bibelabschnitts an. Das Thema?
Die gran­diosen Segnungen, die uns durch Christus zuteil werden.
Der Zweck? Uns anzuspornen, dankbar zu sein und Gott für diese
Segnungen zu preisen.
Am Anfang des 4. Kapitels betont Paulus, was wir im Gegenzug
für Gottes große Taten tun sollen. Er lenkt die Aufmerksamkeit
von unserer Beziehung zu Gott auf unsere Beziehung zu anderen
Menschen. Nachdem er uns unsere Vorrechte und unseren Reichtum
in Christus erklärt hat (Eph. 1-3), beschreibt Paulus, wie sie sich in
unserem täglichen Leben auswirken sollen (Eph. 4-6). Es ist äußerst
wichtig zu beachten, wie er diesen Abschnitt eröffnet: „So ermahne
ich euch nun, … dass ihr der Berufung würdig wandelt, zu der ihr
berufen worden seid.” (Eph. 4,1)
Das Wort „So” zeigt uns, dass Paulus das, was er jetzt zu sagen
hat, auf seine vorhergehenden Ausführungen bezieht. Weil wir in
138
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
Christus gesegnet sind, sollen und können wir unser Leben auf eine „angemessene Art und Weise” führen. Wie diese „angemessene Art
und Weise” aussieht, wird in Epheser 4-6 geschildert. Der größ­te
Teil dieses Abschnitts besteht aus Anweisungen, wie wir mit an­de­
ren Menschen umgehen sollen, dabei wird in Epheser 4,25-30 die
effektive Kommunikation besonders groß herausgestellt. Es werden
zwei breite Kategorien gesprächs-blockierender Sprache hervor­
gehoben: Falschheit und ungesunde Sprache.
Falschheit
Aus Vers 25 können wir ableiten, dass Unwahrheiten die Gespräche
in der Familie blockieren. Die meisten Eltern missachten diese
War­nung und sagen: „Ich lüge meine Familie nicht an. Vielleicht
tun es die Kinder, aber ich nicht.” Aber die Bibel sagt: „Überaus
trügerisch ist das Herz und bösartig.” (Jeremia 17,9) „Die Gottlosen
sind abtrünnig von Mutterleib an, die Lügner gehen auf dem Irrweg
von Geburt an.” (Ps. 58,4) „Denn von innen, aus dem Herzen des
Menschen, kommen die bösen Gedanken hervor, […] Betrug […].”
(Markus 7,21+22)
Es wäre schön, wenn sich diese Verse nur auf einige wenige
Men­schen beziehen würden, aber der Zusammenhang der Texte
spricht dagegen. Die Bibel sagt, dass wir alle lügen. Wir alle sind
betrügerisch und eigenwillig und irren seit unserer Geburt auf
Abwegen – und lügen. Manche sind hinterhältiger als andere, aber
es gibt keinen, der immer absolut aufrichtig gewesen ist. Das Lügen
brauchte uns keiner beizubringen. Es liegt uns im Blut. Deswegen
finden wir so viele Ermahnungen in der Bibel, die betonen, wie
schwer wiegend Unehrlichkeit ist.
Unverfrorenes Lügen
Unwahrheiten können auf verschiedene Art und Weise aus­ge­spro­chen
werden. Die bekannteste Form ist unverfrorenes Lügen. Fa­milien­
mitglieder sagen: „Ja, mach ich”, aber sie tun es nicht; „Das war ich
nicht”, wenn sie es getan haben; „Ich habe es nicht so gemeint, wie
du es auffasst”, wobei sie es genau so gemeint haben; „Ich habe keine
Ahnung, was damit passiert ist”, wenn sie es wissen, aber lieber nicht
139
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
zugeben wollen; „Ich habe nur Spaß gemacht”, wobei sie jedes Wort
so meinten, wie sie es sagten; „Es tut mir Leid, ich habe vergessen zu
tun, worum du mich gebeten hattest”, wobei es ihnen gar nicht Leid
tut und sie es nicht einfach nur vergessen hatten.
Angst bewog Abraham, den Pharao über sein wahres Verhältnis
zu seiner Frau zu belügen (1.Mose 12,10-20). Denselben Grund
hatte auch Abrahams Sohn Isaak (1.Mose 26,1-11). Aus Gier und
Habsucht belog Jakob seinen blinden Vater und stahl seinem Bruder
Esau das Erstgeburtsrecht (1.Mose 27). Neid und Verbitterung ver­
anlassten Josephs Brüder zu lügen und ihrem Vater zu erzählen, ein
wildes Tier hätte ihren Bruder getötet (1.Mose 37).
Diese Beispiele aus der Bibel verdeutlichen fünf Tatsachen über das
Lügen: 1. Es ist allgemein üblich, 2. selbst gottesfürchtige Men­schen
kommen in Versuchung zu lügen, 3. wir sollten die Ermahnung
gegen das Lügen ernst nehmen, 4. andere Familienmitglie­der ent­
larven unsere Lügen, und 5. lügen führt zu persönlichen und fa­mi­
liären Problemen.
Ständiges und nicht zugegebenes Lügen bricht die Kommuni­
kation ab und belastet Beziehungen. Denk an das Beispiel von Jakob.
1.Mose 27-31 berichtet von mehreren Vorfällen, bei denen Jakobs
Gier dazu führte, dass er seine Familie belog. Es gibt keinen Hinweis
darauf, dass er Gott oder seine Familie jemals um Verzeihung bat.
Das Ergebnis? Jakob musste seine Heimat verlassen. Er sah seine
Eltern nie wieder. Das Verhältnis zu seinem Bruder war für viele
Jahre gestört. Seine Beziehung zu seinem Schwiegervater Laban
wurde so feindselig, dass er Jakob beim Abschied Morddrohungen
machte, falls er jemals zurückkehren sollte.
Sein unverfrorenes Lügen rächte sich an Jakobs Beziehung zu
seiner Familie. Als Pastor und Berater könnte ich Fälle über Fälle
aufzählen, wo unverfrorenes Lügen die Familie völlig auf den Kopf
gestellt hat. Ich denke da an einen Mann, der das Vertrauen zu seiner
Ehe­frau gänzlich verloren hatte, weil sie ihn ständig belog. Wenn das
Paar eine Familienangelegenheit besprach, stimmte sie ihm zu und
der Ehemann dachte, es sei eine einstimmige Entscheidung gewesen.
Aber wenn er nicht da war, tat sie das genaue Gegenteil von dem,
was sie beschlossen hatten. Wenn der Mann es bemerkte, fühlte er
140
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
sich betrogen und hintergangen. Sie hatte Lügen gesät und erntete
Bitterkeit, Groll und Misstrauen.
Tödliche Übertreibungen
Das Übertreiben ist eine etwas dezentere aber genauso tödliche Form
des Lügens. Es geschieht, wenn wir Tatsachen unverhältnismäßig
aufblähen. Manchmal übertreiben wir in Bezug auf das Verhalten
einer anderen Person. „Du willst nie das tun, was ich will!” „Du
kommst immer zu spät!” „Du bist immer zu müde!” „Du bist nie
recht­zeitig fertig!” „Du schreist ständig!” „Ich muss immer hinter
dir aufräumen!” „Du willst nie über Probleme sprechen!” „Du hast
für alles eine Ausrede!” „Ich kann mich nie auf dich verlassen!” „Du
sagst, du wirst dich ändern, aber es passiert einfach nichts!” „Dir ist
doch nie etwas recht!” „Du regst dich immer auf!” „Du wirst es nie
lernen!”
Manchmal übertreiben wir in Bezug auf unser eigenes Verhalten.
„So etwas tue ich nie!” „Mich bringt nichts und niemand aus der
Ruhe!” „Ich habe immer gute Laune!” „Ich helfe dir ständig!” „Ich
gebe immer nach!” „Es gibt Nichts, das noch weniger auf mich
zu­trifft, als das!”
Worte wie „immer”, „nie”, „nichts”, „völlig”, „absolut” und
„an­dauernd” dienen als Warnsignale für mögliche Übertreibungen.
Es trifft selten zu, dass jemand eine bestimmte Straftat „immer”
begeht oder eine bestimmte gute Tat „niemals” tut. Aber es ist
keine Übertreibung zu sagen, dass die Verhältnisse in der Fa­milie
unter solchen Übertreibungen leiden. Man übertreibt oft, weil man
verzweifelt ist, und die Aussage wird als Angriff oder Ab­wehr aufgefasst.
Keiner mag es, wenn er negativ abgestempelt wird, oder hören, wie
jemand mit seinen eigenen Tugenden prahlt. Übertreibungen führen
deshalb eher dazu, dass andere in Abwehrhaltung gehen oder dem
Sprecher gegenüber misstrauisch werden. Übertreibungen sollen zwar
die Aufmerksamkeit des Zu­hö­rers erregen, fördern aber meistens nur
Unglauben und Gleich­gültigkeit gegen das Gesagte. Der Gebrauch
starker Worte macht es offensichtlich, dass der Sprecher von der
Wahrheit abweicht. Der Hörer verliert das Vertrauen zum Sprecher
und in seine Worte und fühlt sich falsch und schlecht behandelt.
141
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Häufiges Übertreiben in der Familie, das nicht zurechtgestellt wird,
gefährdet die Beziehungen untereinander, weil es Misstrauen, Groll,
Abwehrhaltung, Rückzug, Gegenangriffe und Fehlersuche fördert.
Falsche Darstellung
Falsche Darstellung ist ein enger Verwandter der Übertreibung und
gehört auch zur Familie der Unwahrheiten. Vielleicht ist das sogar
die häufigste Form des Lügens, wenn Tatsachen über eine Person
oder ihr Benehmen umgestaltet werden. Die Wahrheit wird durch
Ergänzungen oder Auslassungen so verdreht und verzerrt oder die
Tatsachen werden aus einem falschen Blickwinkel dargestellt, sodass
das Ergebnis mit der Realität kaum mehr etwas zu tun hat.
In einem Comicstreifen von „Hägar, der Schreckliche” geht die­ser
zu seinem Arzt, um sich untersuchen zu lassen. Nach der Unter­
suchung sagt der Arzt: „Du bist fett und schwabbelig. Bei deinem
Alter staune ich, in welchem Zustand du dich befindest.” Als er
nach Hause kam und seine Frau ihn fragte, was der Arzt gesagt
hätte, antwortete Hägar hinterlistig: „Bei meinem Alter staunte er,
in welchem Zustand ich mich befinde.”
Hägar verdrehte die Aussage des Arztes, indem er sie aus dem
Zu­sammenhang riss. Er ließ den Teil aus, der eindeutig negativ war,
und zitierte den Rest wahrscheinlich in einem freudigen Ton, sodass
die negative Bewertung des Arztes positiv klang.
So wie Hägar stellen wir Tatsachen über uns selbst oft falsch
dar, um uns einzuschmeicheln, Sympathien zu gewinnen, unser
Gesicht zu wahren, Kritik zu vermeiden und uns selbst zu erhöhen
oder zu schützen. Zunächst scheint es vorteilhaft zu sein, unsere
Errungenschaften, Fähigkeiten und Erfahrungen oder unsere Miss­
erfolge, Schwächen und Niederlagen falsch darzustellen. Irgend­
wann kommt aber die Wahrheit heraus und die Beziehungen in
unserer Familie leiden darunter.
Genauso üblich und schädlich ist es, andere falsch darzustellen.
Hiob wurde von seinen so genannten Freunden falsch dargestellt.
Sie waren sich sicher, er hätte schwer wiegende, dunkle, geheime
Sünde in seinem Leben, für die er bestraft wurde. Folglich erhoben
sie falsche Anklage gegen ihn.
142
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
Auch Paulus wurde auf dieselbe Weise behandelt. Aus Neid und
Feindseligkeit versuchten Leute immer wieder, ihn und seine Heils­
botschaft in Verruf zu bringen. Sie verbreiteten Gerüchte über sein
Verhalten. Sie verdrehten, was er sagte und legten seine Motive für
seine guten Taten falsch aus. Während seiner gesamten Dienstzeit
wurde er immer wieder Opfer falscher Darstellung (vgl. 1.Kor. 4,913; 2.Kor. 1,13-24; 2.Kor. 12,11-19; 1.Thess. 2,1-11).
Stell dir zum Beispiel vor, wie einfach es wäre, die Worte des
Paulus in Epheser 4,28 zu verdrehen: „Wer gestohlen hat, der stehle
nicht mehr, sondern bemühe sich vielmehr, mit den Händen etwas
Gutes zu erarbeiten, damit er dem Bedürftigen etwas zu geben
habe.” Mit ganz kleinen Hinzufügungen und Auslassungen könnte
man diese Aussage völlig verdrehen: „Nur wer schon mal gestohlen
hat, der stehle nicht mehr, sondern bemühe sich vielmehr, mit den
Hän­den etwas Gutes zu erarbeiten.” Das würde bereits genügen, um
die Botschaft des Paulus zweideutig und zweifelhaft erscheinen zu
lassen und auf den Kopf zu stellen.
Wir alle haben wohl schon erleben müssen, dass man Tatsachen
über uns verdreht hat. Was wir gesagt hatten, wurde falsch zitiert
oder unter- oder übertrieben oder in einem anderen Ton, mit ande­
rer Betonung oder mit einer anderen Schattierung widergegeben.
Oft kommt dies innerhalb unserer Familie vor. Jesus warnte uns,
dass es Zeiten gibt, in denen wir in unserem eigenen Heim falsch
behandelt werden (Matt. 10,36). Hinzu kommt, dass wir die Worte
und Motive derer, die uns verletzt haben, auch verdrehen, sodass der
Streit im Haus eskaliert.
Schlechte Worte
Eine zweite breite Kategorie von gesprächs-blockierendem Reden
wird in Epheser 4,29 erwähnt. Paulus sagt: „Kein schlechtes Wort
soll aus eurem Mund kommen.” Schlechte Worte müssen genauso
aus unseren Unterhaltungen verbannt werden wie Unwahrheiten.
Das griechische Wort für „schlecht” wurde auf verschiedene
Weise gebraucht, Luther übersetzte es an dieser Stelle mit „faul“.
Faules Obst ist verdorbenes Obst – es stinkt, sieht abstoßend aus
und fühlt sich widerlich an und ist möglicherweise schädlich, wenn
143
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
man es isst. Eine wütende Seuche nannte man eine „faule“ Seuche.
Die griechische Übersetzung des Alten Testaments gebraucht dieses
Wort für die Krankheit, die Hiobs Fleisch verfaulen ließ (Hiob
33,21). Matthäus 13,48 gebraucht es, um schlechten oder „faulen“
Fisch mit gutem Fisch zu vergleichen, weil der „faule“ Fisch entweder
krank oder nicht nahrhaft war.
Wenn wir dies auf das „faule Geschwätz” (Lutherübersetzung)
in Epheser 4,29 übertragen, sehen wir, dass das Reden in dieser
Ka­te­gorie ein weites Spektrum abdeckt. Es umfasst alles Gesagte,
das ungesund, unproduktiv, verwerflich, verletzend, giftig und zer­
störerisch ist. Sprache, auf die eine dieser Beschreibungen zutrifft,
muss als gesprächs-blockierend erkannt und abgelegt werden.
Abschweifen
Zur Kategorie der unproduktiven Sprache zählt auch, was ich als
„Ab­schweifen” bezeichne. Dies kommt vor, wenn während einer
Un­
ter­
haltung kein einziges Thema ausdiskutiert wird. Es wird
ständig ein neues Thema angeschnitten, ohne das vorige ab­
zu­
schlie­ßen. Es werden ständig neue Gesprächsthemen auf den Tisch
ge­bracht, aber am Ende fühlt man sich völlig überfordert, weil keins
zum Abschluss gebracht wurde.
Ich erinnere mich an eine Dame, die sich über ihren Ehemann
beschwerte, der zu keiner Kommunikation bereit war. Ihrer Meinung
nach trug er allein die Schuld an allen Problemen in ihrer Ehe (und
es waren viele). „Ich bin unzufrieden, weil unsere Beziehung nicht
tief genug geht”, sagte sie. „Ich erwarte mehr vom Leben und von
der Ehe, als ich zur Zeit habe. Aber mein Mann hat kein Interesse
daran, über Probleme zu reden und unsere Ehe zu verbessern. Ich
bekomme ihn einfach nicht dazu, über wichtige Dinge zu sprechen.
Er will nichts anderes tun, als herumsitzen und fernsehen.”
Probleme sind selten so einseitig, wie sie es versuchte darzustellen,
und so bemühte ich mich, einigen ihrer Beschwerden auf den Grund
zu gehen, indem ich ihr gezielte Fragen stellte, sodass sie die pas­
senden Antworten geben würde. Nach einigen Sitzungen stellte ich
aber enttäuscht fest, dass wir nicht weiterkamen. Dann begriff ich,
was vor sich ging.
144
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
Wenn sie in unsere wöchentliche Beratungsstunde kam, begann
sie gewöhnlich damit: „Lassen Sie mich erzählen, was diese Woche
passiert ist. Wir müssen dringend ein paar Dinge besprechen.” Dann
begann sie mit einem Thema und ich versuchte, ihr zu helfen, Gottes
Sichtweise zu verstehen. Aber noch bevor wir eine biblische Lösung
gefunden hatten, ging sie zu einem neuen Thema über. Sie sprang
von einem Problem zum nächsten, ohne auch nur eins gründlich
durch­gesprochen zu haben. Es wurden viele Feuer entfacht, aber
keins ausgelöscht.
Ich fragte mich, ob ihr Mann vielleicht deshalb nicht mit ihr
re­den wollte, weil sie ständig vom Thema abwich. Deshalb erklärte
ich ihr, was ich während unserer Sitzungen festgestellt hatte, und wie
ich mich dabei gefühlt hatte. Zusätzlich bat ich um ihre Zu­stim­
mung, unsere Gespräche aufzeichnen zu dürfen, damit sie sie später
anhören konnte. Sie war damit einverstanden.
Diese Übung öffnete ihr die Augen. Nachdem sie die erste Kas­
sette angehört hatte, sagte sie: „Mir hat nicht gefallen, was ich
da gehört habe. Ich dachte immer, ich sei sehr rücksichtsvoll und
auf­geschlossen. Was ich zu hören bekam, war eine von sich selbst
überzeugte, engstirnige Person, die sich unhöflich und überheblich
benahm.” Durch diese Übung wurde ihr bewusst, wie sie durch ihr
Abschweifen vom Thema die Gesprächsleitungen blockiert hatte.
Wir legten einige Grundregeln für unsere Unterhaltungen fest,
von denen ich mir erhoffte, dass sie diese auf ihre Gespräche zu
Hause übertragen würde. Wir machten eine Liste der Dinge, die
wir besprechen wollten, legten die Reihenfolge fest, in der dies
ge­schehen sollte, und begannen sie eins nach dem anderen ab­zu­
arbeiten. Jedes Mal, wenn sie in ihre alte Gewohnheit verfiel und
vom Thema abwich, machte ich sie darauf aufmerksam und ließ
nicht zu, dass sie das Thema wechselte, solange wir das aktuelle noch
nicht ausgiebig genug behandelt hatten. Langsam, aber sicher ließ
ihre Neigung abzuschweifen nach und damit auch die Frustration
und Verwirrung, die damit einhergingen.
Mit der Zeit kam auch ihr Mann, der sich geweigert hatte, in
die Beratung zu gehen, gerne mit zu diesen Sitzungen. Er hatte
die Veränderung an seiner Frau und ihrem Kommunikationsstil
145
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
be­merkt. Sie schufen in ihm die Bereitschaft, an einer Verbesserung
ihrer Beziehung zu arbeiten.
Verbales Schmettern
Beim Tischtennis ist es eine beliebte Taktik, dem Gegner den Ball
entgegenzuschmettern. Der Gegner muss dann oft zurückweichen,
um den Ball zurückzuschlagen, der stark vom Tisch abprallt. Das
Schmettern der Bälle treibt die Spieler weiter auseinander. Eine andere
Strategie, bei der der Ball sanft über das Netz abgerollt wird und auf
das gegnerische Feld dribbelt, hat den gegenteiligen Effekt. Um den
Ball zurückzubefördern, muss man sich dem Geg­ner annähern.
Das Schmettern mag eine legitime Taktik für das Tischtennis-Spiel
sein. Aber wenn es um zwischenmenschliche Kommunikation geht,
ist das „Schmettern” eine Form von ungesunder, „fauler“ Sprache,
die abgelegt werden muss. Wenn du anderen Mitgliedern deiner
Fa­mi­lie grobe, schneidende Worte entgegenschleuderst, werden sie
sich gewiss von dir distanzieren, räumlich wie auch emotional. Die
Heilige Schrift fordert uns auf, die „Dribbel”-Technik zu erlernen.
Weiche, sanfte, respektvolle Worte auf andere zu träufeln, wird sie
dir näher bringen. In Bezug auf zwischenmenschliche Beziehungen
trifft es in der Tat zu: „Eine sanfte Antwort wendet den Grimm ab,
ein verletzendes Wort aber reizt zum Zorn.” (Spr. 15,1)
Entwerten
Eigene Aussagen zu entwerten, ist eine weitere Form von ungesunder
Kommunikation. Das passiert, wenn jemand etwas Angenehmes
sagt und es im nächsten Atemzug zurücknimmt (entwertet). Zum
Beispiel: „Das war ein gelungenes Essen. Warum kochst du nicht
öfter so gut?” „Ich freue mich, dass du in Englisch und Geschichte
Einser bekommen hast, aber warum hast du in den anderen Fächern
nur Zweier und Dreier?” „Ich schätze es wirklich, wie gut du den
Rasen diesmal gemäht hast. Ich wünschte nur, du würdest es öfter so
machen.” „Danke, dass du mich angerufen hast um zu sagen, dass du
später kommst. Ich begreife nur nicht, warum du das nicht immer
tust.” „Sicher bist du ehrlich und treu und arbeitest hart, aber du bist
so dumm und langweilig und uninteressant.”
146
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
Vor einiger Zeit nahm eine christliche Führungsperson, die als
hervorragender Bibellehrer bekannt ist, an einem unserer Kurse in
der Bildungseinrichtung für den christlichen Beratungsdienst teil.
Als der Kurs beendet war, schrieb dieser Mann einen Brief an den
Lehrer, in dem er sich für den Kurs bedankte, der sehr biblisch,
praktisch und mit guten Informationen gefüllt gewesen sei. Zum
Schluss erwähnte er, dass er zwar nichts Neues gelernt habe, der
Kurs aber eine gute Auffrischung bekannter Tatsachen geboten habe.
Es ist lobenswert, dass dieser Mann sich die Mühe machte, den
Brief zu schreiben, aber der letzte Teil wirft einige Fragen auf.
Wa­rum entwertete er seine Aussage? Fügte er den Teil, dass er nichts
gelernt hatte, deshalb ein, weil er verhindern wollte, dass der Leh­rer
stolz würde? Oder wollte er einfach nicht zugeben, dass er mög­li­
cherweise etwas von dem Lehrer gelernt hatte? Wollte er dem Lehrer
weismachen, dass er bereits alles wusste?
Entwertung wird dann eingesetzt, wenn man stolz ist und sich
selbst erhöht, indem man andere erniedrigt. Stolz hindert uns daran,
an­
deren unsere Wertschätzung für ihren Dienst auszudrücken,
ohne eine Art Ausschlussklausel hinzuzufügen. Aus Stolz versichern
wir anderen bei jeder guten Idee, die sie haben, dass wir sie schon
lange vor ihnen hatten – oder zumindest ohne ihre Hilfe darauf
gekommen sind. Stolz bewirkt in uns das Verlangen, die Vorschläge
anderer abzuwerten oder zu korrigieren.
Aus Stolz sagen wir oft Dinge wie: „Das ist eine gute Idee. Ich
hatte bereits vor drei Monaten denselben Gedanken.” „Du bist
auf dem richtigen Weg, aber ich habe einige Ideen, um es noch zu
verbessern …” „Was er sagte, war nicht schlecht, aber wenn du über
ihn wüsstest, was ich weiß, wärst du nicht mehr so beeindruckt.”
Die Heilige Schrift sagt, dass Stolz Unehre bringt und Be­ziehun­
gen zerstört (Spr. 11,2; 13,10). Der Stolz erniedrigt andere manch­mal
ganz offen und manchmal auf etwas dezentere Art, vielleicht in­dem
er etwa seine Wertschätzung zurückhält oder niemals „danke” sagt.
Oder er zeigt sich durch Entwertungssprache. Theoretisch kann man
einer Person, die diese Gewohnheit hat, nicht vorwerfen, dass sie sich
nie bedankt. Sie ist vielleicht sogar stolz darauf, dass sie über jemand
anderes etwas Positives gesagt hat, und ihr ist gar nicht bewusst, dass
147
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
sie im nächsten Atemzug diese Aussage wieder entwertet hat. Sie
versteht nicht, warum Leute denken, sie sei undankbar.
Schießpulver-Sprache
Sprüche 18,6 beschreibt eine sehr schwer wiegende Art von un­ge­
sun­der Sprache, die ich als „Schießpulver-Sprache” bezeichne: „Die
Reden des Toren stiften Streit, und er schimpft, bis er Schläge
kriegt.” Wenn manche Leute ihren Mund aufreißen, muss man all
seine Kraft zusammennehmen, um nicht auf sie loszugehen, sei es
verbal oder physisch. Ihre explosive Sprache fordert Schläge geradezu
heraus, sei es bildlich oder wörtlich.
Einmal machte ich einer Ratsuchenden ein Kompliment, weil sie
das persönliche Abfrage-Formular besonders sorgfältig ausgefüllt
hatte. Sie erwiderte: „Naja, hätte das nicht jeder so machen sol­
len?” PENG! Herr, sei mir gnädig! Äußerlich ignorierte ich ihre
provokative Antwort und las weiter in ihrem Formular. Ihre Ant­
worten ließen darauf schließen, dass sie ihre Bibel regelmäßig las
und oft betete. Ich machte eine Bemerkung und fügte hinzu: „Das
ist großartig!”, worauf sie erwiderte: „Naja, wird das nicht von jedem
Christen erwartet?” PENG! Noch ein feindseliger Blitz. Dann erfuhr
ich, dass sie viele Bibelstellen auswendig lernte. Ich lobte sie dafür,
und sie erwiderte scharf: „Naja, sollte nicht jeder Christ Bibelstellen
auswendig lernen?” Egal was ich sagte, sie wollte kämpfen, und selbst
Worte des Lobes brachten sie zum Explodieren.
Der Mund dieser Frau forderte Schläge heraus. Ich konnte ver­
stehen, warum sie keine Freunde hatte, warum sie sich einsam und
von anderen entfremdet fühlte und warum sie mit ihrer Familie
Probleme hatte. Ihre Schießpulver-Sprache forderte Streit heraus und
ließ ihn eskalieren und führte zu Niederlagen in ihrem Leben.
Bauchredner-Sprache
Wenn Eltern mit ihren Kindern zu mir in die Seelsorge kommen,
stelle ich den Kindern auch direkte Fragen. Obwohl ich sie ansehe
und auf eine Antwort warte, höre ich manchmal eine Stimme von
der anderen Seite des Raumes. Mama oder Papa antwortet an ihrer
Stelle. Oder ich richte eine Frage an den Ehemann und seine Frau
148
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
antwortet. Oder wenn er selbst antwortet, sagt seine Frau: „Er
meinte eigentlich…” Wenn er das gemeint hat, dann lass ihn mir
das erzählen!
Bauchredner-Sprache übernimmt das Reden für die andere Per­
son. Es ist, als wenn man beim Basketballspiel den Ball in Beschlag
nimmt. Ein dominanter Spieler denkt, er sei der Einzige, der punk­
ten kann, und gibt den Ball deshalb nicht weiter. Die anderen Spieler
sind gekränkt und geben vielleicht ganz auf. Sie denken: „Was nützt
es? Er will der Star sein. Lass ihn alleine spielen.” Dasselbe Ergebnis
erhält man in familiären Beziehungen, wenn man das Sprechen für
andere übernimmt.
Schlusswort-Sprache
Manche Leute vermitteln den Eindruck, dass, wenn sie etwas zu
einem Thema gesagt haben, dem nichts mehr hinzugefügt werden
kann; das endgültige Wort ist gesprochen worden. Sie sind wie
„Herr Schwätzer” in der Pilgerreise, der sich zu fast jedem Thema
ausführlich äußern konnte. Er war sehr beeindruckt von sich selbst
und erwartete dasselbe auch von anderen. Stattdessen sahen sie in
ihm einen langweiligen Schaumschläger und einen oberflächlichen
Wichtigtuer.
Eine Frau dachte, sie wüsste genau, was für ihren Mann und ihre
Tochter das Beste sei. Sie hielt sich für das Orakel der Familie. Sie
wusste, über welche Themen ihre Tochter ihre Schulaufsätze schrei­
ben sollte. Sie wusste, was ihre Tochter aus ihrem Leben machen
würde. Sie wusste, wie ihr Mann sein Geschäft führen sollte. Sie
wusste, was in der Gemeinde und in der Welt nicht richtig lief, und
was dagegen unternommen werden sollte.
Sie wusste auch, wes­halb ihr Mann und ihre Tochter nicht auf
sie hören wollten und keine gute Beziehung zu ihr hatten: Sie waren
weltlich und ungeistlich und ihnen fehlte die Gottesfurcht. In
Wahrheit waren sie es einfach satt, als Schwachköpfe behandelt zu
werden. Das Bedürfnis dieser Frau, immer das letzte Wort haben zu
müssen, hatte zwischen ihr und ihrer Familie eine gewaltige Barriere
aufgebaut.
149
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Übertrieben negative Sprache
Manche Menschen beschweren sich ständig und finden überall Fehler.
Selten loben sie andere oder erwähnen deren gute Eigenschaften. Sie
erkennen selten die guten Dinge, die in der Welt, in der Gemeinde
oder ihrer Familie passieren. Sie sind Experten auf dem Gebiet der
übertrieben negativen Sprache.
Ihr Mund verkündet nichts als Untergang und Verderben und
schafft dadurch eine depressive Atmosphäre in ihrer Familie. Das
Heim wird zu einem Ort, an dem die Stimmung getrübt wird und
nicht gehoben, wo Schwermut wohnt statt Fröhlichkeit – ein Ort,
den man meiden möchte.
Gedankenleser-Sprache
Eine weit verbreitete Form von ungesunder Sprache besteht darin,
über die Gedanken und Motive anderer zu spekulieren. Jane hört
Mark etwas sagen und verkündet: „Ich weiß, wie du das meinst, aber
du willst, dass ich etwas anderes denken soll. Ich sage dir, mir gefällt
das überhaupt nicht.”
Mark erwidert: „Was habe ich deiner Meinung nach gemeint?”
„Du meinst…”
„Nein, das meinte ich gar nicht. Ich wollte damit wirklich
sagen…”
„Du kannst mich nicht zum Narren halten. Ich lebe lange genug
mit dir zusammen und ich kenne dich zu gut. Du hast gemeint…
Komm schon, gib es zu.”
Diese Unterhaltung scheint vielleicht weit hergeholt. Aber was
ich hier beschreibe, könnte sich tatsächlich öfter bei dir zu Hause
abspielen. Vielleicht bist du das Opfer oder der Täter solchen
Verhaltens.
Viele Menschen halten es für eine harmlose Gewohnheit, die
Gedanken anderer zu lesen. Gewöhnlich sind sie es, die es tun!
Wenn sich aber das Blatt wendet und jemand mit Bestimmtheit
behauptet, ihre Gedanken zu kennen, dann sehen sie es anders.
150
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
Verbale Manipulation
Das persönliche Wachstum und gute innerfamiliäre Beziehungen
können auch dadurch behindert werden, dass jemand versucht,
andere mit Worten zu kontrollieren, zu manipulieren oder zu
bestrafen. Eine 29-jährige Dame kam in die Beratung, weil sie sehr
ernsthafte persönliche und familiäre Probleme hatte. Sie hatte bereits
öfter versucht, sich das Leben zu nehmen. Zu Beginn sprach sie nur
über ihre Eheprobleme. Es wurde aber zunehmend offensichtlich,
dass ihre Probleme weit reichender waren. Aus meinen über sie
gesammelten Informationen konnte ich schließlich ersehen, dass
ihre Mutter sie manipulierte und bestrafte, indem sie Dinge sagte
wie: „Du bringst mich noch ins Grab.” „Ich wünschte, du wärst
nie geboren. Ich wollte dich eigentlich gar nicht. Du taugst doch zu
nichts.”
Als sie ein kleines Mädchen war, dröhnten diese Worte in ihren
Ohren, wenn sie sich abends schlafen legte. Sie war so ängstlich,
verletzt und beschämt, dass sie nicht einschlafen konnte, weil sie
dachte, ihre Mutter könnte in der Nacht sterben und sie würde
Schuld daran sein. Sie lag wach und hörte auf das Atmen der Mutter.
Schließlich gelangte sie an einen Punkt, wo sie sich wünschte, ihre
Mutter würde sterben. Sie dachte, das würde ihre Qualen beenden.
„Ich lag in meinem Bett und stellte mir vor, wie meine Mutter in
einem Sarg lag.”
Stell dir vor, welche Auswirkung die manipulativen, strafenden
Worte dieser Frau auf das Kind hatten! Mit ihren widernatürlichen
Äußerungen wollte sie ihre Tochter dazu bringen, ihre Erwartungen
zu erfüllen, stattdessen aber verwundete sie das Mädchen (Spr. 15,4)
und zerstörte ihre Beziehung zueinander.
Zwickmühlen-Sprache
Sprache, die andere in eine Zwickmühle versetzt, ist ebenfalls eine
weit verbreitete Art der Gesprächsblocker. Un­sere Worte schaffen
eine Doppelbindung und senden eine wider­sprüchliche Botschaft, so
dass der andere immer Schuld ist, egal was er tut.
Ein Beispiel dafür habe ich in dem Comicstreifen „Blondie”
gesehen. Dagwood telefoniert mit Herb und sagt dabei zu Blondie:
151
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
„Herb will, dass ich mit ihm Billard spielen gehe.” Blondie erwidert:
„Wenn es dir nichts ausmacht, mich hier ganz alleine zu lassen,
und dein Gewissen dir erlaubt zu gehen, dann lasse ich dich auch
gehen.” Und so sagt Dagwood zu Herb: „Sie hat ‚ja‘ gesagt, aber es
klang eher wie ein nein.” Dagwood hörte Zwickmühlen-Sprache – er
erhielt zwei gegensätzliche Botschaften.
In einer unserer Bildungseinrichtungen für den Beratungsdienst
bemerkte ich etwa zehn Minuten vor Beginn des Unterrichts ein
Schild auf einem der bequemeren Stühle: „Dieser Platz ist reserviert
für die Einleitung zur Christlichen Lebensberatung heute Abend
von 6–9 Uhr. Alle Besetzer werden erschossen. Damit meine ich
dich. Also hau ab!” Weiter unten auf dem Schild war hinzugefügt:
„P.S. Ich liebe dich.”
Das ist Zwickmühlen-Sprache! Wir schlagen Leuten mit einem
Satz ins Gesicht und drehen uns dann um und knuddeln sie mit
dem nächsten. Das Ergebnis ist oft Verwirrung, Frustration und
Verbitterung.
Zuckerwatte-Sprache
Wenn man gelegentlich etwas Zuckerwatte isst, wird das der
Ge­sundheit wahrscheinlich nicht schaden. Wehe aber dem Men­
schen, der sie zu seinem Hauptnahrungsmittel macht! Zuckerwatte
kann den Körper einfach nicht stark machen. Ihr fehlen die Vita­
mine und Mineralien, die man braucht, um gesund zu bleiben.
Wenn jemand nur Zuckerwatte isst, wird er letztendlich verhungern.
Viele Familien sind schwach und gebrechlich, weil auf ihrem Kom­
munikationsmenü nichts anderes steht als Zuckerwatte-Spra­che. Die
Un­terhaltungen in so einer Familie sind meistens oberfläch­lich und
ohne Tiefe und Substanz. Gespräche ohne Tiefgang, alberne Späße
und Sticheleien machen den Großteil der Unterhaltungen aus. Weil
ernste Themen, schmerzhafte und komplizierte Angelegenheiten und
Grund­probleme selten besprochen werden, bleiben die Beziehun­gen
innerhalb der Familie sehr oberflächlich.
152
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
Übertriebene Schwergewicht-Sprache
Aber auch das Gegenteil muss vermieden werden. Manche Men­
schen sind sehr ernst und missbilligen Geplauder als furchtbare
Zeitverschwendung. Sie wollen bei jeder Unterhaltung über hoch
theologische Fragen, Probleme, schwer wiegende Themen und
Grund­probleme diskutieren. Für sie hat das Lachen, das Spaßen und
über Sport oder anderen amüsanten Zeitvertreib reden nur wenig
oder gar keinen Wert.
Natürlich müssen ernste Dinge angesprochen, Probleme geklärt
und biblische Wahrheiten analysiert und besprochen werden. Aber
solche Leute vergessen, dass Gott uns alle Dinge im Übermaß
ge­geben hat, damit wir sie genießen können (1.Tim. 6,17). Das
Leben besteht aus mehr als nur Zuckerwatte, aber auch aus mehr
als nur aus Problemen und Schwierigkeiten. Etwas leichtere Kost ist
legitim und sogar förderlich.
Das Leben mit einem „Schwergewicht-Redner” kann eine He­raus­
forderung sein. Andere Familienmitglieder sehen vielleicht die Not­
wendigkeit ein, über Probleme oder schwer wiegende theologische
Themen zu reden, aber sie werden müde, es ständig zu tun. Sie
wollen auch mal entspannen und den Rosenduft genießen. Sie
wollen lachen und ihren Gedanken erlauben, an die Dinge zu
denken, die liebenswert und wohllautend sind (Phil. 4,8). Sie
glauben, dass alles, was Gott geschaffen hat, gut ist, und sie es mit
Dankbarkeit annehmen und genießen dürfen (1.Tim. 4,4).
Wenn mir eine Situation unterkommt, wo „SchwergewichtSprache” die Beziehungen in der Familie belastet, schlage ich vor,
dass die Familie eine bestimmte Tageszeit festsetzt, um über ernstere
Themen zu sprechen. Ich sage ihnen, sie sollen die Diskussion
von Problemen oder anderen schwer wiegenden Fragen auf eine
be­stimmte Zeitspanne begrenzen. Sonst werden ihr ganzes Leben
und ihre Beziehungen problematisch.
Ich bitte sie auch, für diese „Schwergewicht-Gespräche” einen
bestimmten Ort festzulegen. Wenn sie im Auto, im Schlafzimmer,
im Esszimmer und in der Küche nur über Probleme reden, wird
das Leben bald keinen Spaß mehr machen. Jede Familie muss
153
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
lernen, das Gleichgewicht zwischen tiefgründigen und leichteren
Gesprächen zu halten.
Voreilige Worte
Eine schnelle Antwort ist meistens eine unkluge und stellt eine
andere Form von ungesunder Sprache dar. Die Bibel warnt uns vor
solchem Verhalten: „Siehst du einen Mann, der übereilte Worte
spricht, so kannst du für einen Toren mehr Hoffnung haben als für
ihn.” (Spr. 29,20) „Es ist dem Menschen ein Fallstrick, überstürzt zu
rufen: »Geweiht!«, und erst nach dem Gelübde zu überlegen.” (Spr.
20,25) „Darum, meine geliebten Brüder, sei jeder Mensch schnell
zum Hören, langsam zum Reden.” (Jakobus 1,19) „Darum sollst du
nicht viele Worte machen!” (Prediger 5,1b)
König Saul liefert ein gutes Beispiel für die zerstörerische Kraft
von Kurzschluss-Reaktionen. Einmal machte sein Sohn Jonathan
beim Essen eine Bemerkung über seinen Freund David, die Saul
nicht gefiel. „Da entbrannte Sauls Zorn gegen Jonathan, und er
sprach zu ihm: Du missratener, widerspenstiger Sohn! Meinst du, ich
wüsste nicht, dass du den Sohn Isais erwählt hast, zu deiner Schande
und zur Scham und Schande deiner Mutter? … Und Jonathan stand
vom Tisch auf in glühendem Zorn und aß an jenem zweiten Tag
des Neumonds keine Speise; denn es tat ihm weh um Davids willen,
weil sein Vater ihn beschimpft hatte.” (1.Samuel 20,30+34)
Aus dem Zusammenhang wird deutlich, dass die Beziehung
zwi­schen Saul und Jonathan angespannt war. Dafür gab es wahr­
scheinlich viele Gründe, aber man kann davon ausgehen, dass
einer davon Sauls Neigung zu ärgerlichen, voreiligen Worten war.
In Eile gesprochene Worte sind selten förderlich. Oft sind sie sehr
zerstörerisch wie die Worte Sauls.
Willst du deine Familie nach Gottes Plan gestalten? Nimm diese
Gesprächsblocker ernst. Oberflächlich betrachtet erscheinen sie
viel­leicht unschuldig und harmlos. Aber sie sind es nicht! Sie sind
tödlich. Wenn du deine Familie so gestalten willst, wie Gott sie sich
gedacht hat, dann rate ich dir dringend, mit seiner Hilfe alle Formen
154
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
von ungesunder Sprache in deiner Familie zu identifizieren und aus
euren Unterhaltungen zu verbannen.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine
Antworten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Analysiere die folgenden Verse und schreibe auf, was sie
über „Kommunikations-Viren” (Gesprächsblocker) sagen.
Be­stimme die erwähnten Gesprächsblocker und deren Aus­
wir­kungen auf die Beziehungen in der Familie.
a) Epheser 4,31
b) Sprüche 12,18
c) Sprüche 11,13
d) Sprüche 16,27
e) Sprüche 18,21
f) Sprüche 17,9
g) Sprüche 10,18
h) Sprüche 13,3
i) Sprüche 15,1
j) Sprüche 16,28
k) Sprüche 18,7
l) Sprüche 22,14
m) Sprüche 24,28+29
n) Sprüche 25,9+10
o) Sprüche 25,24
p) Sprüche 26,18+19
q) Sprüche 27,2
r) Sprüche 28,23+24
s) Sprüche 29,20
t) Matthäus 5,21-24
u) Matthäus 5,33-37
v) Jakobus 3,1-12
w) Jakobus 4,11
x) Jakobus 5,9
y) Jakobus 5,12
155
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
2. Führe anhand der folgenden Liste eine Bestandsaufnahme
über die Gesprächsblocker durch, die auf deine Familie
zu­treffen. Manche davon wurden in diesem Kapitel erwähnt,
andere nicht. Bewerte dich selbst und jeden Einzelnen
in deiner Familie. Benutze die folgende Bewertungsskala:
Tue ich nie = 4, tue ich selten = 3, tue ich manchmal = 2,
tue ich oft = 1, tue ich meistens = 0. Sei ehrlich bei deiner
Bewertung. Versuche, etwas daraus zu lernen.
a)Lügen
(1) unverfrorenes Lügen
43210
(2) Übertreibungen
43210
(3) Falsche Darstellung
43210
b) Abschweifen
43210
c) Verbales Schmettern
43210
d) Beleidigendes, spöttisches Reden
43210
e) Entwerten
43210
f) Schießpulver-Sprache
43210
g) Bauchredner-Sprache
43210
h) Schlusswort
43210
i) Übertrieben negative Sprache
43210
j) Gedankenleser-Sprache
43210
k) Übertönen (laut, gewaltsam, aufdringlich)
43210
l) Manipulierende, strafende Sprache
43210
m) Zwickmühlen-Sprache
43210
n) Übergehende Sprache (der Beitrag des anderen
wird übergangen)
43210
o) Emotionale, ungehaltene Sprache
(ärgerlich, dramatisch, überreagierend)
43210
p) Zusammenhangloses Reden
(kein Zusammenhang mit dem, worüber gerade
gesprochen wird, passt nicht zur Situation)
43210
q)Lappalien-Sprache
(aus einer Mücke einen Elefanten machen)
43210
r) Übertriebene Zuckerwatte-Sprache
43210
s) Übertriebene Schwergewicht-Sprache
43210
t) Aufgesetzte beschwichtigende Sprache
43210
156
Kapitel 8
Gesprächsblocker in der Familie
u) Kurzschluss-Reaktion
43210
v) Schuldzuweisen, Rechtfertigen
43210
w) unchristliches Reden (Dinge sagen, die der Bibel
widersprechen oder über die wir nicht reden sollen)4 3 2 1 0
x) Ausweichendes Reden (Themen nicht direkt
ansprechen, andere täuschen)
43210
y) Gotteslästerliche, vulgäre Sprache
43210
z) Sarkastische Sprache
(andere runterputzen, bissige Sprache)
43210
3. Stelle die „Kommunikations-Viren” fest, bei denen du oder
andere Familienmitglieder 0, 1 oder 2 Punkte erreicht haben.
Betet darüber und überlegt, wie ihr euch verbessern könnt.
4. Lies die folgenden Aussagen und überlege, welche der 26
Gesprächsblocker aus Übung 2 jeweils zutreffen. Unter „a”
findest du ein Beispiel.
a) Du machst mich krank. __c,d,f,k,l,o_______________
b) Ich hoffe, du bekommst, was du verdienst. _____________
c) Es ist mir egal, was du denkst. ______________________
d) Das wird dir noch Leid tun. ________________________
e) Du bist so ein Trottel, ein richtiger Einfaltspinsel. _________
f) Warum hältst du nicht einfach den Mund! ______________
g) Diesmal werde ich mich rächen. __________________
h) Sei doch still, ich werde dir schon sagen, was du tun sollst.
Ich will nichts mehr hören. ____________________
i) Warum in aller Welt hast du das bloß getan? __________
j) Wenn du eine echte Frau (oder ein echter Mann) wärst,
würdest du … _________________
k) Ich weiß, dass ich es versprochen habe, aber … __________
l) Jeder weiß doch, dass es nicht so ist, wie du es darstellst.
__________________
m) Nach dem, was du mir angetan hast, erwartest du noch, dass
ich dich liebe? ________________
n) Ich weiß, warum du das getan hast! ________________
157
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
o) Ich will nichts über deine Probleme hören. Ich habe selber
genug. ___________________
p) Dich interessiert nie, was ich denke. ________________
q) Keiner kann das so gut verstehen oder machen wie ich.
______________________
r) Du bist nie zufrieden. ___________________
s) Du bist doch derjenige, der immer Probleme macht. ______
t) Steig von deinem hohen Ross herab! _________________
u) Dann habe ich eben gelogen. Mach nicht so ein Drama
daraus. __________________
v) Ich weiß, ich hätte es nicht tun sollen, aber … __________
w) Warum kannst du nie etwas richtig machen? ___________
x) Du wirst es nicht glauben, was ich heute über Sally erfahren
habe. Sie … _____________________
y) Na gut, du bekommst deinen Willen. Ich gebe ja sowieso
immer nach. __________________
z) Du hättest wissen müssen, dass ich es nicht wirklich so meinte.
Jeder weiß, dass ich nur Spaß gemacht habe. Du nimmst
immer alles viel zu ernst. _____________________
5. Geh die Liste in Übung 4 noch einmal durch und kreise die
Aussagen ein, die du selbst so oder ähnlich auch schon mal
gemacht hast. Kreuze die Aussagen an, die du von anderen
Mitgliedern deiner Familie gehört hast. Sprecht darüber,
wie sich solche Äußerungen auf euch, eure Beziehungen und
andere auswirken. Betet und arbeitet daran, solche Aussagen
in euren Gesprächen zu vermeiden.
158
Kapitel 9
Um die Wahrheit zu sagen
„Stock und Stein bricht mein Bein, aber Worte bringen keine Pein.”
Dieses bekannte Sprichwort ist eine der größten Lügen, die der
Menschheit je untergeschoben wurden. Laut der Heiligen Schrift
können Worte Nachbarn zu Grunde richten (Spr. 11,9), Städte
niederreißen (Spr. 11,11), Menschen töten (Spr. 12,6), Leben zerstören
(Spr. 13,3), Ärger verursachen (Spr. 15,1) und zu Verzweiflung und
Depressionen führen (Spr. 15,4). „Und die Zunge ist ein Feuer, eine
Welt der Ungerechtigkeit. … sie befleckt den ganzen Leib und steckt
den Umkreis des Lebens in Brand und wird selbst von der Hölle in
Brand gesteckt. … die Zunge aber kann kein Mensch bezwingen,
das unbändige Übel voll tödlichen Giftes!” (Jakobus 3,6.8)
Die Menschheit hat keine Waffe entwickelt, die größere Zer­
störungskraft hat als die menschliche Zunge. Das ist aber nur die
halbe Wahrheit. Dieselbe Zunge kann eine überaus gute, aufbauende
Kraft im Leben deiner Familie entfalten. Worte können Menschen
aufbauen (Spr. 18,21), für eine ganze Stadt zum Segen werden (Spr.
11,11), Unbehagen vertreiben (Spr. 12,25), Freude und Zufriedenheit
bewirken (Spr. 12,14), trösten und ermutigen (1.Thess. 4,18), Wut
abschwächen und Streit verhindern (Spr. 15,1) und Gott Freude und
Wohlgefallen bereiten (Eph. 4,30; Mal. 3,16). „Eine heilsame Zunge
ist ein Baum des Lebens” (Spr. 15,4); „… die Zunge der Weisen aber
ist heilsam” (Spr. 12,18).
In Epheser 4,25 werden einige Tatsachen über die Wichtigkeit und
Kraft verbaler Kommunikation aufgeführt: „Darum … redet die
Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind untereinander
Glieder.” (1) Wir werden aufgefordert zu reden. Kommunikation ist
159
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
eine Pflicht. Unser Herr hat uns beauftragt, miteinander zu sprechen.
(2) Jeder von uns soll reden. Gott will von jedem Einzelnen, dass
wir effektiv kommunizieren. Es gibt keine Ausnahmen. Wer sich
weigert zu kommunizieren, ist ungehorsam. (3) Jeder soll mit seinem
Nächsten sprechen. Mit dem Nächsten meint Paulus in diesem
Abschnitt andere Christen. Im gröberen Zusammenhang ist in der
Bibel mit dem Nächsten meistens jemand gemeint, der uns nahe
ist, also jeder Mensch, mit dem wir in Berührung kommen (Lukas
10,29-37). Sich nahe stehende Personen (Ehemänner, Ehefrauen,
Eltern, Kinder) sollten miteinander reden. (4) Wir sollen miteinander
sprechen, weil wir zu einem Leib gehören, oder wie es die Schlachter
2000 ausdrückt: „Wir sind untereinander Glieder.” Als Mitchristen
sind wir eng miteinander verwandt, Teile des Leibes Christi (Eph.
4,16; 1.Kor. 12,13). Charles Hodge erklärt: „Es wäre unnatürlich,
absurd, frustrierend und könnte zu Verletzungen führen, wenn
Hand und Fuß nicht effektiv miteinander kommunizieren würden,
oder Auge und Ohr; es stellt also einen direkten Widerspruch gegen
unsere Einheit dar, wenn Christen nicht miteinander reden.” 4
Wenn der menschliche Körper als Einheit funktionieren soll, muss
jeder Körperteil wissen, was die anderen als nächstes tun werden.
Wenn beispielsweise mein Kopf aufstehen will, aber dem Rest mei­
nes Körpers seinen Wunsch nicht mitteilt, werde ich nicht weit
kommen. Das gleiche Ergebnis kommt bei Familien zu Stande, wo
nicht miteinander geredet wird. Wenn du deine Familie nach dem
Plan Gottes gestalten willst, erfordert das ein ausreichendes Maß an
guten Gesprächen zwischen Familienmitgliedern. Die Alternative
zu ungesunder, zerstörerischer Sprache ist nicht, still zu schweigen,
sondern zu reden, was gut und erbaulich ist (Eph. 4,25+29).
Ich bin nicht sicher, wie das Sprichwort „Stock und Stein bricht
mein Bein, aber Worte bringen keine Pein” jemals entstanden ist.
Aber ich habe das Gefühl, es müsse von jemandem erfunden worden
sein, der eine Entschuldigung für seine eigenen unverantwortlichen
Worte suchte. Es wurde jedenfalls weder von jemandem geprägt, der
Gottes Sicht für das Reden teilte, noch von jemandem, der selber
4
Charles Hodge, Commentary on the Epistle to the Ephesians (Grand Rapids, Mich.: Eerdmans, 1954),
Seite 268.
160
Kapitel 9
Um die Wahrheit zu sagen
leichtfertigem, ungesundem Gerede ausgesetzt gewesen war. Die
Wahr­heit ist, dass Stock und Stein nur dein Gebein, aber Worte
auch dein Herz brechen können.
Wer seine Familie nach dem Plan Gottes gestalten will, muss die
Ermahnung des Paulus: „Kein schlechtes Wort soll aus eurem Mund
kommen, sondern was gut ist zur Erbauung, wo es nötig ist, damit
es den Hörern Gnade bringe”, ernst nehmen (Eph. 4,29). Einfach
nur miteinander zu reden, ist nicht genug. Es muss Gutes gesprochen
werden, so dass andere gesegnet und nicht zu Grunde gerichtet wer­
den. Das Reden soll helfen und nicht verletzen, aufbauen und nicht
zerstören.
Gute Sprache ist ehrlich
Gute Sprache enthält die Wahrheit. Paulus sagt: „… redet die
Wahr­heit, jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind untereinander
Glieder.” (Eph. 4,25) Aufrichtigkeit anderen gegenüber beginnt
damit, dass man sich selbst gegenüber ehrlich ist. Die Bibel warnt
uns oft vor Selbstbetrug. Jakobus schreibt über die Gefahr der
Selbst­täuschung (Jak. 1,22). Jeremia sagt uns, dass unsere Herzen
be­trügerischer sind als alles andere (Jer. 17,9). Der Autor der Sprüche
versichert uns, dass wir uns oft selbst betrügen und nicht wahrneh­
men, wie sündig wir sind (Spr. 16,2). In vielen seiner Briefe schlägt
Paulus denselben Ton an. An die Korinther schreibt er: „Niemand
betrüge sich selbst!” (1.Kor. 3,18) Er ermahnt die Römer sehr, sich
nicht höher zu achten als angebracht wäre (Röm. 12,3).
Manchmal tut die Wahrheit weh
Es ist nicht immer leicht, sich die Wahrheit über sich selbst ein­
zu­gestehen. Manchmal ist es demütigend, sogar schmerzhaft und
be­ängstigend, uns so zu sehen, wie wir wirklich sind. In meiner
Beratungstätigkeit habe ich erlebt, wie Menschen die Wahrheit über
sich selbst heftig abstritten, obwohl es unwiderlegbare Beweise gab.
Leute, die zweifellos ausfällig, kritisch, streitsüchtig und gemein
waren, behaupteten steif und fest, dass nichts davon auf sie zutraf.
Etliche sahen ihre Schuld ein und entschuldigten sich später. Andere
schienen ernsthaft davon überzeugt, dass sie unschuldig waren.
161
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Weil es schmerzhaft sein kann, die Wahrheit zuzugeben, wird
es oft als sicherer angesehen, sie zu leugnen. Dies hindert uns aber
daran, unsere Beziehung zu Gott und unseren Mitmenschen so zu
vertiefen, wie er es sich für uns gedacht hat. Diese Beziehungen
können nur auf der Grundlage der Offenheit und Aufrichtigkeit auf­
gebaut werden. Und wir können Gott und anderen gegenüber nicht
ehrlich sein, wenn wir es nicht einmal uns selbst gegenüber sind.
Es stimmt, manchmal schmerzt die Wahrheit. Wenn wir aber
unehrlich sind und uns verstellen, verursachen wir noch mehr
Scha­den. Verschlagenheit und Falschheit schaden Menschen und
Be­ziehungen im Endeffekt stärker als die Wahrheit, wenn sie auf
an­gemessene Weise ausgesprochen wird. Die Wahrheit preiszugeben,
kann einem vorkommen wie eine notwendige Operation. Der
Schmerz ist real, aber das Ergebnis ist Gesundheit statt Tod.
Wandeln im Licht
Im ersten Johannesbrief finden wir einige Verse, die uns verstehen
helfen, warum Offenheit und Ehrlichkeit für gesunde Beziehungen
so unsagbar wichtig sind. „Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft
mit ihm haben, und doch in der Finsternis wandeln, so lügen wir und
tun nicht die Wahrheit; wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im
Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu
Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.” (1.Joh. 1,6+7)
Beachte sorgfältig die beiden Aussagen über wahre Gemeinschaft
in diesem Abschnitt.
Menschen, die in der Finsternis wandeln, können unmöglich
echte Gemeinschaft mit Gott oder mit ihren Mitmenschen haben.
„Wenn wir sagen, dass wir Gemeinschaft mit ihm haben, und doch
in der Finsternis wandeln, so lügen wir …” Was bedeutet es denn, in
Dunkelheit zu wandeln? A. W. Pink hat es gut erklärt:
Ist das nicht schlichte Unaufrichtigkeit, der Mangel an ab­soluter
Offenheit und transparenter Ehrlichkeit…? Ist es nicht so, dass
wir bestimmte Dinge in und über uns selbst lieber verstecken
oder verschleiern wollen? … Ich bin nicht bereit, alles, was ich
tue und bin, hervorzubringen und vollständig ins helle Licht
162
Kapitel 9
Um die Wahrheit zu sagen
der Wahrheit zu stellen. Ich wünschte, es könnte entschuldigt
oder erklärt oder irgendwie abgedeckt oder angemalt werden.
Ich bin nicht dafür, dass es dem grellen Sonnenlicht ausgesetzt
wird.5
Johannes sagt: „wenn wir aber im Licht wandeln, … so haben
wir Gemeinschaft…” Im Licht zu wandeln, ist die Voraussetzung
für wahre Gemeinschaft mit Gott und anderen. Was bedeutet es,
im Licht zu wandeln? Auch das hat A. W. Pink gut erklärt: „Licht
ist klar, transparent, durchlässig, offensichtlich und offen, immer
und überall… Der Eintritt des Lichts … verbreitet Realität um
sich herum. Wolken und Schatten sind unwirklich; sie schaffen
Unwahrheiten. Licht ist die nackte Wahrheit.” Aus dieser Definition
können wir schließen, dass das Wandeln im Licht bedeutet, dass wir
uns selbst und anderen gegenüber offen und ehrlich sein müssen.
Das heißt, dass wir unsere Fehler, Sünden, Gedanken und Gefühle
ehrlich zugeben sollten. Es bedeutet, ein Leben zu führen, das echt
und transparent ist.
Unser Inneres, einschließlich unserer Sünden und Schwächen zu
verstecken oder zu entschuldigen, hindert uns daran, Beziehungen
aufzubauen, die Tiefe haben. „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde
haben”, oder „Wenn wir sagen, dass wir nicht gesündigt haben”,
machen wir nicht nur „ihn zum Lügner” und betrügen uns selbst
(1.Joh. 1,8+10), sondern machen wahre Gemeinschaft zu einem
Ding der Unmöglichkeit. Wir müssen im Licht wandeln und unsere
Sünden offen zugeben (1.Joh. 1,9). Jesus weist darauf hin, dass
Menschen, die das Licht scheuen, es meiden, aber solche, die keine
Angst haben, deutlich gesehen und erkannt zu werden, ins Licht
treten (Joh. 3,20+21). Sie verstellen sich nicht.
Der bescheidene Paulus
Viele der Briefe des Apostels Paulus lassen erkennen, dass er sehr
schnell tiefe Beziehungen eingehen konnte, die von Dauer waren.
Zweifellos war ein Grund dafür, dass er „im Licht wandelte”. Er
beschreibt, wie er mit anderen umgeht, mit folgenden Worten: „Un­
5
A. W. Pink, An Exposition of 1 John (Grand Rapids, Mich.: Associated Publishers and Authors,
1971), Seite 16-17.
163
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
ser Mund hat sich euch gegenüber geöffnet … unser Herz ist weit
geworden”; „… indem wir die Wahrheit offenbar machen, empfehlen
wir uns jedem menschlichen Gewissen vor dem Angesicht Gottes.”
(2.Kor. 6,11; 4,2)
Paulus spielte weder in seinem Dienst noch in seinen zwischen­
menschlichen Beziehungen den großen Mann. Er verstellte sich
nicht. Er hatte von den Menschen nichts zu befürchten, weil er
ihnen gegenüber über sich selbst, seine Überzeugungen und seine
Botschaft auf­richtig war. Was andere sahen und hörten, war keine
Fassade und kein Werbeversuch, um irgendein Image aufzubauen.
Er sprach frei und offen. Er öffnete sein Herz weit und erlaubte
ihnen, den echten Paulus kennen zu lernen.
Paulus’ Gewohnheit, „im Licht zu wandeln”, ist in vielen seiner
Briefe erkennbar. Vor den Korinthern gab er seine persönlichen
Qua­len, Ängste und Sorgen über verschiedene Probleme zu und
riskierte dabei, dass sie diese Informationen gegen ihn verwendeten:
„Ich habe euch nämlich aus viel Bedrängnis und Herzensnot he­raus
geschrieben, unter vielen Tränen…” (2.Kor. 2,4). „Ich habe aber die
Brüder gesandt, damit unser Rühmen von euch in dieser Hinsicht
nicht zunichte wird … wenn die Mazedonier mit mir kom­men
und euch unvorbereitet finden, wir (um nicht zu sagen: ihr) mit
diesem zuversichtlichen Rühmen zuschanden werden.” (2.Kor.
9,3.4) „Denn ich fürchte, wenn ich komme, … dass mein Gott
mich nochmals demütigt bei euch…” (2.Kor. 12,21) „Ich habe mir
aber vorgenommen, nicht wieder in Betrübnis zu euch zu kommen.”
(2.Kor. 2,1) „Und ich war in Schwachheit und mit viel Furcht und
Zittern bei euch.” (1.Kor. 2,3)
Zu den Römern sprach er offen über seine persönlichen Kämpfe
und Versagen: „Denn was ich vollbringe, billige ich nicht; denn ich
tue nicht, was ich will, sondern was ich hasse, das übe ich aus. Denn
ich weiß, dass in mir … nichts Gutes wohnt; das Wollen ist zwar bei
mir vorhanden, aber das Vollbringen des Guten gelingt mir nicht. Denn ich tue nicht das Gute, das ich will, sondern das Böse, das
ich nicht will, das verübe ich.” (Röm. 7,15+18-19) Paulus stimmte
mit Johannes überein, dass wahre Gemeinschaft mit Gott und
Mitmenschen erfordert, dass wir über uns selbst und über die Dinge
164
Kapitel 9
Um die Wahrheit zu sagen
in unserem Leben wie Kämpfe und Versagen offen und ehrlich sein
müssen.
Schauspielern
Es fällt uns oft schwer, dem Beispiel von Jesus, Johannes und Paulus
zu folgen. Bei zwischenmenschlichen Beziehungen ist es viel leichter,
sich zu verstellen. Die meisten tun es, wenn sie um einen Partner
werben. Sie wollen auf den anderen einen guten Eindruck machen
und legen ihr bestes Benehmen an den Tag. Bei bestimmten Themen
hält man seine wahren Gedanken oder Gefühle zurück, weil man
den anderen mit seinen fragwürdigen Vorstellungen und seinem
anstößigen Verhalten nicht abstoßen will.
Nicht nur bei der Partnersuche und in der Freundschaft zeigt
man sich von der besten Seite. Es ist viel weiter verbreitet. Manche
Christen benehmen sich unter anderen Christen ganz anders
als unter Ungläubigen. Studenten oder Arbeitnehmer benehmen
sich vielleicht respektvoll, solange der Professor oder der Chef
gegen­
wär­
tig sind, sind aber respektlos, wenn sie nicht da sind.
Manche Menschen reden höflich mit anderen, aber hinter ihrem
Rücken lästern sie über diese. Ehepaare gehen miteinander in der
Öffentlichkeit vielleicht sehr liebevoll um, aber wenn sie alleine sind,
sind sie grob und rücksichtslos.
Ich bekomme oft zu hören: „Mein Ehepartner ist nicht mehr die
Person, die ich geheiratet habe. Bevor wir verheiratet waren, dachte,
fühlte, verhielt er/sie sich nicht so wie jetzt. Wenn ich gewusst hätte,
dass das passieren würde, hätte ich ihn/sie nie geheiratet.”
Wenn jemand so etwas sagt, habe ich zwei mögliche Antworten
parat:
1. „Natürlich hat sich dein Partner verändert, aber du doch auch.
Jeder Mensch verändert sich ständig. Wir erleben neue Din­
ge.
Wir werden älter. Wir sehen uns neuen Herausforderungen gegen­
über gestellt. Wir verändern uns entweder zum Guten oder zum
Schlechten.”
2. „Dein Partner hat sich wahrscheinlich gar nicht so sehr
verändert, wie du denkst. Vielleicht lernst du erst jetzt den wahren
Menschen kennen, den du geheiratet hast. Vorher hat er oder sie
165
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
wahrscheinlich vieles vor dir geheim gehalten, was dich jetzt ärgert
oder du hast damals nur auf die Dinge geachtet, die dir gefielen, und
die Probleme einfach nicht bemerkt.”
In der Ehe ist es schwieriger zu schauspielern, weil man viel mehr
Zeit miteinander verbringt. Und trotzdem spielen viele Menschen
weiterhin „So-als-ob” und „Verstecken”. Auch nach der Hochzeit
verheimlichen sie vor anderen Familien­mitgliedern viele persönliche
Informationen, die ihnen peinlich sind oder riskant erscheinen. Aus
verschiedenen Gründen weigern sie sich, offen und ehrlich mit­
einander zu sein.
In meinen Ehe- und Familienberatungsstunden frage ich manch­
mal (gewöhnlich dann, wenn keine anderen Familienmitglieder
anwesend sind): „Wie offen und ehrlich willst du mit dem Rest
deiner Familie sein? Teilst du dich ihnen zu 100, 90, 80, 70 Pro­zent
mit?” Wenn die Antwort darauf hindeutet, dass sie nicht genügend
offen und ehrlich sind, stelle ich zwei weitere Fragen: 1. „Was ist
der Grund dafür, dass du nicht offener und ehrlicher bist? Was hält
dich davor zurück?” 2. „Welche Informationen hältst du meistens
zurück? Bei welchen Dingen bist du zurückhaltend?” Ich tue das,
weil ich weiß, dass familiäre Beziehungen nicht aufblühen können,
solange Menschen notwendige Informationen zurückhalten. Einige
der Gründe für die Zurückhaltung sind in sich selbst strittig und
schädlich. Wenn jemand die Wahrheit zurückhält, um Macht zu
gewinnen, den anderen zu bestrafen, um jeden Preis den Frieden
wiederherzustellen oder sich selbst zu schützen, wird sich die Störung
in der Beziehung verstärken, bis er/sie bereit ist, sein Verhalten den
anderen Familienmitgliedern gegenüber zu ändern.
Verschiedene Gesprächs-Ebenen und -Stile
In jeder neuen Beziehung müssen die Parteien auf mehreren ver­
schiedenen Ebenen miteinander kommunizieren. Gute, har­mo­ni­sche
und enge Beziehungen können durch viele verschiedene Kom­mu­
nikationsstile gefördert werden. Jeder Stil ist wichtig und sollte von
jedem Mitglied der Familie in angemessenem Verhältnis angewandt
werden.
Ein Großteil der Unterhaltungen besteht aus Floskeln wie „Guten
166
Kapitel 9
Um die Wahrheit zu sagen
Morgen”, „Schön, dich zu sehen”, „Es ist ein schöner Tag, nicht
wahr?” oder „Hallo, wie geht’s?” Diese Sätze sind wichtig und dienen
als Aufhänger, um ein Gespräch zu beginnen. Sie sind eine sichere
Art, um die Stimmung zu prüfen und zu sehen, ob der andere an
einem tieferen Gespräch interessiert ist. Auf dieser ersten Ebene
laufen wir selten Gefahr, ignoriert oder abgelehnt zu werden.
Die zweite Ebene dient dazu, Fakten und Informationen aus­
zutauschen. Wenn ein Ehemann seiner Frau berichtet, was an dem
Tag bei der Arbeit passiert ist, und sie ihm erzählt, was sie zu Hause
gemacht hat, kommunizieren sie auf Ebene 2. Auf dieser Ebene
teilt man wenig über sich selbst mit, man übernimmt die Rolle
eines unbeteiligten Reporters. Obwohl es wichtig ist Tatsachen aus­
zutauschen, werden Beziehungen oberflächlich bleiben, wenn das
Gespräch nicht an Tiefe gewinnt.
Eine tiefere Gesprächsebene erreichen wir, wenn wir Einblick in
unsere Anschauungen, Einschätzungen und Beurteilungen gewähren
und den Gesprächspartner nach seiner Auffassung über bestimmte Dinge
oder Ereignisse fragen. Gespräche auf der dritten Ebene beginnen
meistens mit Ausdrücken wie: „Meiner Meinung nach…”, „Ich
denke…”, „Meiner Beurteilung zufolge…”, „Was denkst du über…”
oder „Sag mir deine ehrliche Einschätzung zu…”. Weil man bei
dieser Art von Austausch persönliche Dinge enthüllt, fördert er die
Entwicklung enger, zufrieden stellender Beziehungen.
Manche Menschen gehen auf solche Gespräche nur ungern ein,
weil sie sich selbst oder andere davor bewahren wollen, verletzt zu
werden oder weil sie vor jeder Art von Meinungsverschiedenheit
zurückschrecken. Solange sie ihre Meinung für sich behalten, kann
keiner sagen: „Das ist doch lächerlich! Ich verstehe überhaupt nicht,
wie in aller Welt du so denken kannst.” Solange sie keinen nach
seiner Meinung oder Einschätzung fragen, wird ihnen keiner einen
Rat geben, den sie nicht hören wollten. Solchen Leuten scheint es
viel besser zu sein, wenn sie ihre Meinungen und Vorstellungen für
sich behalten. So laufen sie nicht Gefahr, andere zu kränken oder
selbst zurückgewiesen zu werden.
Die vierte und tiefste Ebene aufrechter Kommunikation besteht
darin, unsere wahren Gefühle auf angemessene Art und Weise ein­
167
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
zugestehen und zum Ausdruck zu bringen. Die Bibel sagt uns an
keiner Stelle, dass wir unsere Gefühle missachten und so tun sollen,
als gäbe es sie nicht. Vielmehr warnt uns die Heilige Schrift vor
Heuchelei in Bezug auf unsere wahren Gefühle (Spr. 26,23-28).
Viele Schriftstellen ermuntern uns eindeutig, uns unsere Gefühle
einzugestehen und, wenn sie gottgefällig sind, sie zu genießen. Wenn
sie aber Gott nicht gefallen, sollen wir sie erkennen und bekämpfen.
Beispielsweise warnt uns die Bibel davor zu sündigen, indem wir
unsere Wut an anderen auslassen: „Ein Tor lässt all seinem Unmut
freien Lauf…” (Spr. 29,11), „Zürnt ihr, so sündigt nicht…” (Eph.
4,26), „Ein Narr lässt seinen Ärger sofort merken…” (Spr. 12,16).
Diese Ermahnungen können wir nur dann befolgen, wenn wir uns
unsere Gefühle eingestehen und sie auf angemessene Art und Weise
zum Ausdruck bringen. Beachte besonders, wie wir mit unserer Wut
umgehen sollen: „… aber ein Weiser hält ihn [seinen Ärger] zurück”
(Spr. 29,11). Wir werden angewiesen, unsere Wut zurückzuhalten,
nicht sie zu leugnen oder zu unterdrücken. „Zürnt ihr” (Eph. 4,26),
aber „sündigt nicht” (Eph. 4,26) „… der Kluge aber steckt die
Beleidigung ein.” (Spr. 12,16) Wir sollen zugeben, wenn wir uns
ärgern, aber auf eine erbauende Art, nicht auf eine unwürdige.
Das heißt, wir sollen unsere Gefühle zugeben – die guten wie die
schlechten, die angenehmen wie die unangenehmeren – und zwar uns
selbst, Gott und anderen gegenüber. Die Bibel liefert viele Beispiele
frommer Menschen, die das taten. Oft gestand der Psalmist vor sich
selbst, vor Gott und anderen ehrlich seine Angst und Verzweiflung
(Psalm 38 und 42) oder seine Freude und Glücksgefühle (Psalm 16
und 145) ein. An vielen Stellen erwähnt Paulus seine Gefühle (1.Kor.
2,3; 2.Kor. 2,1-4; 6,10; 7,4+6). Und es gibt viele Bibelstellen, wo
beschrieben wird, wie unser Herr Jesus sich fühlte. Er erlebte viele
verschiedene Gefühle, darunter Mitgefühl, Freude, Leid, Sorge und
Wut. Er verheimlichte seine Gedanken und Gefühle nicht, weil er
wie auch auf allen anderen Gebieten selbst die Wahrheit ist (Joh.
14,6).
Diese gesunden, reifen Persönlichkeiten waren sich ihrer Gefühle
bewusst und schämten sich nicht, diese Gott und anderen gegenüber
zuzugeben. Sie gebrauchten sie nicht als Waffen, um anderen Wun­
168
Kapitel 9
Um die Wahrheit zu sagen
den zuzufügen, sondern zum Guten. Und sie ermutigen uns, das­
selbe zu tun.
Wenn du selbst nicht weißt, was du denkst oder
fühlst
Manche Menschen äußern hierzu Bedenken. „Ich bin einfach
kein Denker. Wenn du einen Intellektuellen wolltest, hättest du
jemand anderes heiraten sollen.” „Ich kann meine Meinung nicht
äußern, weil ich bei vielen Themen selber nicht weiß, was ich
davon halte.” „Ich rede nicht über meine Gefühle, weil ich kein
emotionaler Mensch bin. Und selbst wenn ich Gefühle habe, weiß
ich nicht einmal, welche das sind. Wie soll ich darüber sprechen?”
„Ich bin kein gefühlsbetonter Mensch. Ich bin halt kein rührseliger,
sentimentaler Typ. Ich bin nicht so schnell zu begeistern, und ich bin
auch nicht depressiv oder ängstlich. Ich nehme die Dinge so, wie sie
kommen.” „Ich bin einfach kein emotionaler Mensch. Ich kann mich
nicht zu etwas machen, das ich nicht bin.”
Äußerungen wie diese können Ausweichmanöver oder Ausreden
von Menschen sein, die schweigen, um sich selbst zu schützen oder
andere zu kontrollieren. Eine Frau, deren Mann sich auf ähnliche
Weise entschuldigt hatte, sagte zu ihm: „Ich glaube dir nicht. Erzähl
mir nicht, dass du nicht emotional bist. Ich habe gesehen, wie leb­
haft du wirst, wenn du Sportsendungen im Fernsehen ansiehst! Ich
habe gehört, wie du dem Fernseher deine Meinung gesagt hast. Du
bist dir deiner Gedanken und Gefühle schon bewusst, wenn du
willst. Ich und die Kinder sind dir einfach nicht wichtig genug, um
mit uns zu reden.”
Genau aus diesem Grund sprechen viele Menschen nicht über
ihre Gedanken und Gefühle. Aber es gibt auch andere, denen es
ernst­haft schwer fällt, ihre Gedanken und Gefühle zu erkennen. Bei
man­chen ist dies situationsbedingt – es geschieht zu bestimmten
Zeiten, mit bestimmten Personen. In anderen Fällen ist diese
Un­fähig­keit durchgängig und gleichbleibend. Es gibt Menschen,
denen nie beigebracht wurde, richtig zu denken und zu fühlen,
oder ihnen wurde beigebracht, ihre Gedanken und Gefühle so sehr
zu unterdrücken, dass sie sie nicht mehr wahrnehmen können. Sie
169
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
besitzen einfach nicht die Fähigkeit zu beschreiben, was in ihnen
vorgeht.
Wenn sie gefragt werden, was sie denken oder fühlen, ist die
aufrichtigste Antwort, die sie geben können: „Ich bin nicht sicher.”
Es stimmt schon, dass man auch diese Fähigkeit erlernen kann,
aber solche Leute zu einer sofortigen Antwort zu drängen, wird nur
zu noch mehr Frust führen. Sie brauchen Zeit, um ihre Gedanken
zu ordnen, bevor sie sprechen. Wenn man ihre Bereitschaft sich
mitzuteilen (wie wenig das auch sein mag) ohne Verachtung
akzeptiert, und sie dazu ermutigt, kann man ihnen helfen, freier und
scharfsinniger zu werden.
Kommunikationsfähigkeiten erlernen
Für alle, die Probleme damit haben, ihre wahren inneren Gedanken
und Gefühle zu erkennen und auszudrücken, können die folgenden
Übungen hilfreich sein:
1. Nimm eine Bibelkonkordanz zur Hand und studiere die
Gefühle und Empfindungen Jesu und anderer Personen aus
der Bibel.
2. Beobachte, wie gottesfürchtige Menschen ihre Gedanken und
Gefühle erkennen und ausdrücken.
3. Lerne, verschiedene Gefühle akkurat zu beschreiben – wenn
man den Begriff für etwas nicht kennt, kann man es auch
nicht erkennen oder ausdrücken.
4. Erlaube dir selbst zu denken und zu fühlen – du darfst das,
weil Gott es dir erlaubt.
5. Gib zu, dass es schädlich ist, Gedanken und Gefühle zu leug­
nen, aber hilfreich, sie auf angemessene Art anzuerkennen,
auszudrücken und sich mit ihnen auseinanderzusetzen.
6. Beobachte deine Gedanken und Gefühle. Achte bewusst
da­rauf, was in dir vorgeht; frage dich immer wieder: „Was
den­ke oder fühle ich gerade?”
7. Sprich mit anderen über deine Gedanken und Empfindun­
gen. Sei bereit, ein Risiko einzugehen. Bemühe dich ganz
bewusst.
8. Mach es zu einem Gebetsanliegen, dich in dieser Sache zu
170
Kapitel 9
Um die Wahrheit zu sagen
ver­bessern. Gott versteht dich gut. Er hat dich mit diesen
Fähig­keiten geschaffen und will, dass du sie gebrauchst.
9. Nimm die Hilfe anderer an. Bitte sie um Fürbitte, Geduld,
Vorschläge, Anleitungen und Rückmeldungen.
Ein Ziel der Kommunikation in der Familie sollte es sein, solche
Beziehungen aufzubauen, dass wir miteinander über alles, was für
unser persönliches Wachstum, unsere Beziehungen zueinander und
unsere Beziehung zu Gott wichtig ist, offen und ehrlich reden kön­
nen. Über alles, was zu diesem Wachstum beiträgt, muss gesprochen
werden.
Ein Wort der Klarstellung
Allerdings möchte ich klarstellen, dass ich nicht vorschlage, dass wir
absolut alles, was wir denken und fühlen, unserer Familie mitteilen
sollen. Du wirst bemerkt haben, dass ich meine Bemerkungen zu
Offenheit und Ehrlichkeit mit den Worten „angemessen”, „passend”
und „aufbauend” näher bestimmt habe. In vorigen Kapiteln habe
ich dazu gedrängt, bestimmte Arten der Kommunikation zu meiden.
In Kapitel 10 werden weitere Richtlinien erklärt. Das Thema dieses
Kapitels ist, dass wir über alles, was für unsere Beziehungen und
unser Wachstum in dem Herrn Jesus Christus wichtig ist, offen und
ehrlich sein müssen, selbst wenn es manchmal schmerzhaft ist oder
zu Spannungen führt. Wenn die Bibel uns sagt, dass wir die Sonne
über unserem Zorn nicht untergehen lassen sollen (Eph. 4,26),
bedeutet das, dass wir unsere Gefühle nicht ignorieren und so tun
sollen, als gäbe es sie nicht. Außerdem lehrt uns diese Stelle auch, dass
wir Probleme, die mit unseren Gefühlen zu tun haben, nicht unter
den Teppich kehren sollen. Irgendwie müssen diese Angelegenheiten
geklärt werden. Vielleicht müssen wir sie mit Gott allein klären,
indem wir Gott um Hilfe bitten, unsere Fehler zu bedecken (1.Petr.
4,8). Wenn es aber für die andere Person, unsere Beziehung, uns
selbst oder andere Leute nachteilig wäre, sie zu übersehen, müssen
wir uns offen, ehrlich und biblisch damit befassen. Sonst gestatten
wir (laut der Bibel) dem Teufel, in vielen Sphären Chaos und
Verwüstung anzurichten, auch in unserem eigenen Leben und in
unseren Beziehungen zu anderen (Eph. 4,27).
171
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Wahrheit oder Konsequenzen
Aus einer Mücke einen Elefanten machen, Nörgeln oder Pingeligkeit
bei unwichtigen Dingen stellen große Gefahren dar, die vermieden
werden müssen (Spr. 17,9). Aber sich zu weigern, bei wichtigen
An­gelegen­heiten ehrlich mit sich selbst und anderen zu sein, ist
ge­
nauso problematisch und kann großen Schaden in Familien
an­
richten. Ich bin Situationen begegnet, wo Leute jahrelang
Schwierig­keiten geleugnet, heruntergespielt, gerechtfertigt und ver­
teidigt haben. Sie vergruben ihre wahren Gefühle und sagten: „Was
er/sie tut, stört mich gar nicht. Es ist nicht wichtig.” „Das ist so eine
Kleinigkeit.” „Wir haben eigentlich ein sehr gutes Verhältnis; es ist
nur…” Schließlich gelangten sie an ihre Grenzen und versicherten,
dass sie es nicht länger hinnehmen könnten (oder würden). Aus
Frust, Schmerz oder Verzweiflung taten sie oft etwas Unbiblisches
oder Zerstörerisches. Sie wussten einfach nicht, was sie sonst tun
sollten, und beschlossen, es nicht länger hinzunehmen. Stattdessen
wollten sie ein Ultimatum setzen oder das Handtuch werfen.
Bis dahin hatten sie vielleicht gedacht, sie behielten die Wahrheit
für sich, um den Frieden in der Familie zu wahren. Stattdessen aber
erlaubten sie dem Teufel, in ihrem Heim Fuß zu fassen, weil sie
sich weigerten, die Probleme auf angemessene Art offen und ehrlich
anzugehen. (Mehr dazu in den Kapiteln 12–14.)
Sprüche 26 berichtet von einem Menschen, der die Unwahrheit
spricht, indem er leidenschaftlich seine Bewunderung und Wert­
schätzung bekundet, obwohl seine innere Einstellung völlig gegen­
sätzlich ist (Spr.26,23-28). Die Bibel bezeichnet seine Worte als
„Silberglasur über ein irdenes Gefäß gezogen…” (V.23). Zunächst
hört sich sein Reden gut und überzeugend an, aber bald nutzt sich
die dünne Silberschicht ab und seine wahre Haltung und Gefühle
kommen zum Vorschein.
Die Heilige Schrift macht deutlich, dass dieser Mann denkt,
wenn er die Wahrheit verschweigt, vermeidet er es, andere zu
verletzen und tut etwas sehr Gutes. Tatsächlich aber hat sein Ver­
halten schmerzhafte Folgen: 1. Er vernichtet und zerstört andere
(V.28); 2. er wird gefangen und in die Enge getrieben (V.27a);
3. was er anderen angetan hat, passiert ihm selbst (V.27b); 4.
172
Kapitel 9
Um die Wahrheit zu sagen
seine Unehrlichkeit wird bekannt (V.26b); 5. andere verlieren das
Vertrauen zu ihm (V.25); 6. was er getan hat, ist ein Ausdruck von
Hass und Bosheit (V.24,26,28).
Wie würdest du die folgenden Fragen beantworten?
1. Erzähle ich meiner Familie die Wahrheit oder hintergehe ich
sie – halte ich Tatsachen zurück, die wichtig wären, damit wir
alle wachsen können?
2. Bin ich so offen, ehrlich und durchschaubar, wie Gott es von
mir erwartet, oder halte ich die Anderen auf Abstand?
3. Lasse ich zu, dass die Anderen mich wirklich kennen lernen
kön­nen, oder verstelle ich mich?
Selbst wenn man die Wahrheit auf die richtige Art und Weise
vermittelt, kann sie weh tun, aber es gar nicht zu tun, wird am Ende
noch mehr schmerzen. Verpflichte dich jetzt und hier zu der Art
von Offenheit und Aufrichtigkeit, die Gott fordert, damit du deine
Familie nach seiner Vorstellung gestalten kannst.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant­
worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Denke über die Wahrheiten in diesem Kapitel nach und
be­antworte die folgenden Fragen:
a) Warum ist es manchmal so schwer, mit Gott und Mit­
menschen offen und ehrlich zu sein?
b) Was bedeutet die Aussage, dass die Wahrheit einer Operation
gleichen kann?
c) Was ist laut 1. Johannes eine Voraussetzung für wahre
Ge­meinschaft?
d) In welcher Hinsicht haben diejenigen, die im Licht wandeln,
von anderen nichts zu befürchten?
e) Was ist in diesem Kapitel mit „Schauspielern” gemeint?
f) Fallen dir Beispiele aus deinem eigenen Leben oder deinem
Umfeld ein, wo sich jemand verstellt hat?
g) Warum ist „Schauspielern” ein Hindernis für gute inner­
familiäre Beziehungen?
173
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
h) Was könnte der Grund dafür sein, dass jemand sagt: „Mein
Ehepartner ist nicht der, den ich geheiratet habe!”?
i) Beantworte folgende Fragen: Wie viel erzählst du anderen in
deiner Familie über dich selbst? Was sind deine Gründe dafür,
dass du bestimmte Dinge für dich behältst? Welche Dinge
sind es, die du nicht erzählst? Hast du triftige Gründe für
dein Schweigen? Wären deine Beziehungen besser, wenn du
offener wärst?
j) Welche unterschiedlichen Gesprächs-Ebenen wurden in
diesem Kapitel erwähnt?
k) Zu welchen Anteilen bestehen deine Unterhaltungen aus
Ebene 1? ____ Ebene 2? ____ Ebene 3? ____ Ebene 4? ____
l) Warum teilen manche Menschen ihre Gedanken und Gefühle
anderen nicht mit?
m) Welche Richtlinien zur Verbesserung von Kommu­ni­kations­
fähigkeiten wurden hier gegeben? Kannst du noch andere
hilfreiche Tipps hinzufügen?
n) Welche Warnung bezüglich Offenheit und Ehrlichkeit wurde
in diesem Kapitel ausgesprochen?
o) Inwiefern gibt man dem Teufel die Gelegenheit, der Familie
zu schaden, wenn man die Wahrheit verschweigt?
p) Was schmerzt mehr, als die Wahrheit zu sagen? Stimmst du
dem zu? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
q) Kennst du Beispiele dafür – aus der Bibel oder sonstige
–, welchen Schaden es verursachen kann, wenn man die
Wahrheit verschweigt?
2. Wähle einige der folgenden Bibelstellen aus (wenn du willst,
kannst du natürlich auch alle analysieren) und stelle fest,
was sie über die Bedeutung von Offenheit und Ehrlichkeit
sagen. Manche Stellen liefern gute Beispiele, denen wir fol­gen
können; andere zeigen schlechte Beispiele, die man ver­mei­
den sollte. Beschreibe, welche Folgen es hat, wenn man die
Wahrheit spricht oder verheimlicht; „a” und „b” geben dir je
ein Beispiel.
a) Psalm 51: David ist offen und ehrlich mit Gott und anderen
174
Kapitel 9
Um die Wahrheit zu sagen
über seine Sündhaftigkeit. Er gibt freimütig zu, dass er sündig
ist, dass Gott gerecht ist, wenn er ihn für schuldig erklärt,
dass er Gott nicht treu war, dass er gereinigt werden muss,
dass er seine Freude und Fröhlichkeit verloren hat, dass er ein
reines Herz braucht und dass er Mord begangen hat (er spricht
von Blutschuld, etc.). Das alles bekennt er sich selbst, Gott
und anderen, so dass wir es heute lesen können. Außerdem
waren die Psalmen das Gesangbuch des Volkes Gottes im
Alten Testament, also wurde dieser Psalm wahrscheinlich
von anderen gesungen, die David kannten. Er versteckte oder
verstellte sich nicht. Deshalb vergab Gott ihm, reinigte ihn
und gab ihm die Gelegenheit, andere zu unterweisen und zu
warnen.
b) 1.Mose 4,1-13: Kain sagte nicht die Wahrheit, als er gefragt
wurde, ob er wüsste, wo sein Bruder sei. Er versuchte, sich vor
Gott zu verstecken, aber Gott ließ sich nicht hereinlegen. Er
klagte Kain des Verbrechens an und sprach das Urteil über
ihn. Kains Ausweichmanöver brachte ihn in noch größere
Schwierigkeiten und vermehrte seine Schuld.
c) Hohelied 1,12-16
d) Hohelied 2,14
e) Hohelied 4,9-11
f) Hohelied 5,4-6+8
g) Hohelied 5,10-16
h) 1.Mose 12,10-20
i) 1.Mose 26,1-17
j) 1.Mose 27,1-44
k) 1.Mose 37,23-35
l) 2.Mose 32,1-4+19-25
m) Matthäus 26,69-75
n) Apostelgeschichte 5,1-11
o) 1.Samuel 12,1-5
p) Johannes 1,43-51
q) Psalm 42 + 43
r) Psalm 73
s) Psalm 77
175
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
t)
u)
v)
w)
x)
y)
z)
Römer 7,14-25
1.Thessalonicher 3,1-5
Markus 3,1-5
Johannes 11,31-38
Matthäus 26,36-41
Lukas 7,36-50
Apostelgeschichte 20,19.31
3. Wähle vier oder fünf der folgenden Bibelstellen (wenn du
willst, kannst du natürlich auch alle analysieren) und stelle
fest, was sie über Offenheit und Ehrlichkeit sagen.
a) Sprüche 12,19: „Wahrhaftige Lippen bestehen ewiglich, die
Lügenzunge nur einen Augenblick.” Auf lange Sicht zahlt
es sich aus, ehrlich zu sein. Beispielsweise werden andere
mehr und mehr Vertrauen zu und Respekt vor dir haben;
Beziehungen werden aufrecht erhalten. Unehrlich zu sein,
scheint manchmal kurzfristig Erfolg zu haben, aber früher
oder später (wahrscheinlich früher) wirst du entlarvt werden
und büßen müssen.
b) Sprüche 14,25
c) Sprüche 19,1
d) Sprüche 23,23
e) Sprüche 24,23-26
f) Sprüche 27,5+6
g) Sprüche 28,13
h) Psalm 32,2-5
i) Psalm 51,6
j) Psalm 62,8-9
k) 1.Johannes 1,7-10
l) 1.Johannes 3,18
m) Jakobus 5,16
n) 2.Korinther 4,1+2
o) 2.Korinther 6,11-13
p) 1.Thessalonicher 2,3-6
176
Kapitel 9
Um die Wahrheit zu sagen
4. Sprich mit deinem Ehepartner darüber, ob eure Familie offen
und ehrlich genug ist. Eure Antworten werden wahrscheinlich
einige Bereiche zum Vorschein bringen, in denen eure
Ge­spräche verbessert werden könnten. Die Fragen sollen euch
helfen, die Bewertung zu erstellen. Mar­
k iert die Aussage,
die die Qualität der Gespräche in eurer Familie am besten
beschreibt. Nehmt euch Zeit zum Beten und zum Überlegen,
wie ihr die gewünschten Verbesserungen herbeiführen könnt.
Die Kommunikation in unserer Familie ist:
Hervorragend, könnte nicht besser sein. ____
Gut, könnte aber etwas besser sein. ____
Mittelmäßig, muss verbessert werden. ____
Schlecht, muss erheblich verbessert werden. ____
a) Wünscht sich jemand von euch, offener und ehrlicher mit
dem anderen zu sein?
b) Mit den Kindern?
c) Die Kinder mit dir?
d) Gibt es jemanden in der Familie, der dich auf Abstand
hält? Wünschst du dir, bestimmte Familienmitglieder besser
kennen zu lernen?
e) Wie kannst du den Wunsch in ihnen wecken und ihnen
helfen, sich dir mehr zu öffnen?
177
Kapitel 10
Endlich redest du
Wenn Kommunikation den Namen „echtes Gespräch” verdienen
soll, muss man offen und ehrlich miteinander sein, aber das ist noch
nicht alles. Ein „echtes Gespräch” ist wie ein Diamant, es hat viele
Facetten, die alle wesentliche Bestandteile des Ganzen sind.
Warum sollen wir reden?
Mehrere Worte in Epheser 4,29 betonen, dass „echtes Gespräch”
dann stattfindet, wenn Leute die richtigen Motive für ihr Reden
haben. Wir müssen nicht nur darauf achten, was wir sagen, sondern
auch, warum wir es sagen.
Paulus weist uns an, nur das zu sagen, „was gut ist zur Erbau­
ung” (Schlachter 2000) oder „was nützlich zur Besserung ist”
(Luther). Die­sem Vers zufolge soll jedes Wort – nicht nur einige
oder die meisten – zur Erbauung dienen. Das griechische Wort für
„Er­bauung” wurde gebraucht, um die Arbeit eines Zimmermanns
oder eines Maurers zu beschreiben – das sind Leute, die den Wunsch
haben zu bauen, nicht zu zerstören.
1987 gaben wir einem gläubigen Mann den Auftrag, ein Haus für
uns zu bauen. Wir arbeiteten mit ihm alle Einzelheiten aus. Dann
sahen wir zu, wie er und seine Männer den Keller aushoben, das
Fundament legten, die Außenmauern aufbauten und alles andere
taten, was getan werden musste. Zum Glück für uns gebrauchten sie
kein minderwertiges Material und pfuschten nicht bei ihrer Arbeit.
Sie achteten darauf, nur das zu tun, was unser Haus „erbaute”.
Und als sie fertig waren, hatten wir nichts zu beanstanden – und
jetzt immer noch nicht. Wir können ehrlich sagen, wenn wir noch
178
Kapitel 10
Endlich redest du
einmal ein Haus bauen würden, würden wir sehr gerne denselben
Unternehmer beauftragen. Er hat sich als guter „Erbauer” von
Häusern erwiesen.
In ähnlicher Weise sind wir von Gott berufen, Erbauer von
Men­schen zu sein, besonders von Mitgliedern unserer Familie. Als
Men­schen-Erbauer müssen wir genauso sehr auf die Qualität von
Material und Arbeit achten – vielleicht sogar noch mehr. Um es mit
den Worten von Paulus auszudrücken: „Ich versichere euch: es gibt
nichts Wichtigeres bei diesem Bau-Projekt als die Worte, die ihr
gebraucht. Jedes gesprochene Wort wird jemanden aufbauen oder
vernichten. Achtet darauf, dass alles, was ihr sagt, von dem Wunsch
begleitet wird, andere aufzubauen. Wenn das nicht der Fall ist, dann
sagt lieber nichts.”
Um zu unterstreichen wie wichtig eine angemessene Motivation
für unser Reden ist, gebraucht Paulus einen zweiten Ausdruck, der
gewissermaßen den ersten wiederholt, den wir gerade untersucht
haben. Am Ende desselben Verses sagt er uns, wir sollen darauf
ach­ten, dass unser Reden „den Hörern Gnade bringe” (Eph. 4,29,
Schlachter 2000) oder dass es ihnen „wohl tut” (NEÜ). Es soll nicht
Sinn und Zweck unserer Unterhaltungen sein, unsere Intelligenz
und unser Wissen zur Schau zu stellen. Wir sollten auch nicht
reden, um unseren Frust abzulassen, uns zu rächen oder jemanden
he­run­terzuputzen. Gott fordert uns auf, in unseren Unterhaltungen
„nichts aus Parteisucht (Konkurrenzdenken oder Eigennutz) oder
eitlem Ruhm (aus dem Wunsch heraus, uns selbst zu erhöhen oder
für uns Werbung zu machen)” zu tun. Vielmehr „in der Demut
einer den anderen höher achtend als sich selbst”, nicht nur auf unsere
eigenen Interessen bedacht zu sein, sondern auch auf die Belange
anderer zu achten (Phil. 2,3-4).
Stell dir vor, welche gravierenden Auswirkungen es auf unsere
Familien haben würde, wenn jeder diese Anweisungen bei seinen
Gesprächen gewissenhaft befolgen würde. Stell dir vor, wie es in
unseren Familien aussähe, wenn alles wetteifernde, selbst-fördernde
Reden aus unseren Unterhaltungen gestrichen würde!
Nur das zu reden, was anderen zur Gnade dient, heißt aber nicht,
dass wir mit anderen nie über negative Dinge oder Gefühle sprechen
179
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
dürfen. Es bedeutet auch nicht, dass wir keine konstruktive Kritik
äußern dürfen. Wir sollen aber, wenn wir sprechen, davon überzeugt
sein, dass das Gesagte – sei es Trauriges oder Erfreuliches – dem
anderen zum Guten dient. Alles Schlechte, das ausgesprochen wird,
muss einem guten, erbaulichen Zweck dienen.
Die Anweisungen des Paulus in Bezug auf angemessen motivier­tes
Reden bedeuten nicht, dass sich unsere Gespräche immer um schwer­
wiegende Themen drehen oder mit Zitaten aus der Bibel ge­spickt
sein sollen. Selbst einfaches Plaudern kann dazu dienen, andere
aufzubauen. Es kann Mauern niederreißen, Menschen ein­
ander
näher bringen und die Laune heben. Es kann auch dazu bei­tragen,
dass Leute sich wohlfühlen und offener dafür werden, auch über
bedeutendere Themen zu reden.
Unsere Gespräche anhand der Anweisungen zu gestalten, die
Paulus in Philipper 4,8 macht, wäre eine hervorragende Art, andere
aufzubauen. Wenn wir Paulus’ Anweisungen folgend nur an solche
Dinge denken (und über solche reden), die wahr, ehrbar, gerecht,
rein, angenehm, bewundernswert, großartig und lobenswert sind,
werden wir Worte sprechen, die den Hörern Gnade erweisen.
Viel zu oft sind Gespräche in der Familie mehr von der
„pessi­mistischen” Sorte, gefüllt mit Beschwerden, Vorwürfen, Kri­
tik, unerfreulichen Nachrichten, Enttäuschungen, Versagen und
Pro­
ble­­
men. Selbstverständlich beinhaltet offene und ehrliche
Kom­­
munikation auch solche Gespräche. Trotzdem müssen zwei
Warnungen in Bezug auf negative Unterhaltungen ausgesprochen
werden. Ers­tens müssen wir uns sicher sein, dass es einem guten
Zweck dient. Und zweitens sollten wir uns darum bemühen, dass der
Großteil unserer Unterhaltungen einen guten, erfreulichen Inhalt
hat.
Das griechische Wort, das als „Gnade bringen” oder „wohl tun”
übersetzt wird, kann bedeuten, andere zu bevorzugen oder ihnen
zu helfen. Wenn man es so deutet, findet ein „echtes Gespräch”
dann statt, wenn wir anderen Mitgliedern unserer Familie aufrichtig
mitteilen, dass wir sie schätzen. Weitere Beispiele für diese Art
von Gesprächen wären biblische Erkenntnisse, Ermutigung, Trost,
Anleitungen und Berichtigungen auszusprechen.
180
Kapitel 10
Endlich redest du
Übrigens, um bei der biblischen Betonung des Guten (Phil.
4,8; Eph. 4,29) zu bleiben: Interessanterweise behaupten Unter­
haltungsforscher, dass unser positives und negatives Reden im
Ver­hältnis von 7:1 stehen muss, wenn andere sich von uns nicht
ab­
gestoßen fühlen sollen. Deine eigene Erfahrung wird diese
Be­obachtung belegen. Wer hat dir am meisten geholfen? Bei wem
bist du eher bereit, zuzuhören und Hilfe anzunehmen? Ist es
eine Person, die hauptsächlich Negatives redet oder jemand, der
realitätsnah positiv ist? Ist es die Person, deren Worte Selbstsucht
wider­spiegeln, oder jemand, der an deinem Wohlergehen aufrichtig
interessiert ist? Das ist bestimmt die Person, die dir am meisten
Hilfe bietet. Selbst wenn der Andere die Wahrheit spricht, wirst du
dich doch nicht zu ihm hingezogen fühlen, denn sein vorwiegend
negatives Reden wird dich nicht aufrichten.
Wie sollen wir reden?
Worte voller Bitterkeit, Wut, sündigem Zorn, Geschrei und Bosheit
werden zu einem Kurzschluss für effektive Kommunikation führen
(Eph. 4,31). Aber freundliche, angenehme, liebenswürdige und
einfühlsame Worte begünstigen „echte Gespräche” (Eph. 4,32). „Wer
ein weises Herz hat, wird verständig genannt, und liebliche Rede
fördert die Belehrung.” (Spr. 16,21) „Freundliche Worte sind wie
Honigseim, süß für die Seele (leicht bekömmlich) und heilsam für
das Gebein (erholsam, stärkend, positiv).” (Spr. 16,24) „Euer Wort sei
allezeit in Gnade (liebenswürdig), mit Salz gewürzt (ansprechend),
damit ihr wisst, wie (nicht nur was) ihr jedem Einzelnen antworten
sollt.” (Kol. 4,6)
Angenommen, ich befinde mich im oberen Stockwerk in meinem
Haus und rufe einem meiner Kinder zu: „Könntest du bitte
nach oben kommen?” Auf dem Papier sieht das vielleicht wie
eine einfache Bitte aus, die nur eines bedeuten kann. Im wahren
Leben kann es aber verschiedene Bedeutungen haben, was von
mehreren Faktoren abhängt. Dazu gehören Sprechgeschwindigkeit
und Tonfall, Betonung, Intensität und Lautstärke meiner Stimme.
Wenn ich es mit einer ärgerlichen, fordernden Stimme sage, bedeutet
es eine Sache. Ein bittender Unterton würde eine andere Bedeutung
181
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
vermitteln. Eine fröhliche und liebenswürdige Stimme würde eine
noch andere Botschaft aussenden.
Es ist vorgekommen, dass ich zu jemandem in meiner Familie
etwas gesagt habe und eine schlechtere Reaktion erhielt als erwartet;
darauf habe ich entweder gedacht oder gesagt: „Ich verstehe nicht,
warum du so aufgebracht bist. Ich habe doch nur gesagt…” Manch­
mal war die negative Erwiderung auf die schlechte Laune der an­­
ge­sprochenen Person oder auf widrige Umstände zurückzuführen.
Aber oft war die gereizte Antwort eine Reflexion meiner eigenen
un­christlichen Redensart.
Den meisten von uns ist sehr bewusst, dass unsere Reaktion stark
davon beeinflusst wird, wie andere uns ansprechen. Aber was wir bei
anderen leicht feststellen können, fällt uns manchmal schwer, über
uns selbst zuzugeben – dass die Reaktion anderer nämlich genauso
davon abhängt, wie wir sie ansprechen (Spr. 15,2; 18,6-7). Wenn wir
„sanfte Antwort[en]”, „liebliches Reden” und „freundliche Worte”
gebrauchen, streuen wir Samen, der gleichermaßen ansprechende
Frucht tragen wird (Spr. 15,1; 16,21.23.24).
Wann sollen wir reden?
Leute, die gut kommunizieren können, fragen sich ständig: „Ist dies
der richtige Zeitpunkt, um zu sagen, was ich denke?” Den passenden
Augenblick zu wählen, kann entscheidend sein. Heilsame Worte
spricht man da, „wo es nötig ist” (Eph. 4,29). „Es freut einen Mann,
wenn sein Mund eine richtige Antwort geben kann, und wie gut ist
ein Wort, das zur rechten Zeit gesprochen wird!” (Spr. 15,23)
In Sprüche 27,14 finden wir eine der interessantesten Aussagen
darüber, wie wichtig es ist, den passenden Zeitpunkt für unser Reden
zu wählen: „Wenn einer seinen Nächsten am frühen Morgen mit
lauter Stimme segnet, so wird ihm das als ein Fluch angerechnet.”
Wir segnen andere, wenn wir ihnen sagen, wie sehr wir sie schätzen,
oder wenn wir sie loben oder ihnen einen Bibelvers oder andere gute
Informationen geben. Es „mit lauter Stimme” zu tun, deutet auf
Überschwänglichkeit und Begeisterung hin. Instinktiv denken wir,
dass jede Beziehung von solch einer Gewohnheit profitieren würde.
182
Kapitel 10
Endlich redest du
Aber Gott sagt tatsächlich: „Nein, es gibt Zeiten, wo man sich
Schwie­rig­keiten einhandelt, wenn man andere segnet.”
Wie kann man jemanden ärgern, wenn man ihn segnet? Die Ant­
wort: Wenn man es früh am Morgen tut. Du bist vielleicht schon
hellwach, aber der andere schläft noch und will nicht geweckt wer­
den. Vielleicht kommst du morgens schnell in Schwung, aber die
andere Person kommt erst spät am Vormittag in die Gänge, und um
ehrlich zu sein, ärgert deine Begeisterung sie mehr, als dass sie sie
ermutigt. Du kannst darauf bestehen, dass sie genauso sein soll wie
du, und dich weiterhin so verhalten, als wäre sie es. Oder du passt
deine Art, wie du sie ansprichst, an die verschiedenen Tageszeiten an
und gehst auf ihre Persönlichkeit ein.
Es gibt Zeiten, wenn bestimmte Dinge gesagt werden müssen,
und Zeiten, wo dieselben Dinge besser nicht angesprochen werden
sollten. Es kann vorkommen, dass Inhalt, Motiv und Art meiner
Rede angebracht sind und sie doch nicht gut ist, weil der Zeitpunkt
unpassend ist. Ich habe gemerkt, dass meine Frau manchmal
bestimmte Äußerungen oder Vorschläge begrüßt, aber ein anderes
Mal ist sie darüber nicht sehr begeistert. Wenn sie z.B. gerade zu
Hause ist und etwas dagegen unternehmen kann, dass sie einen
Fleck auf ihrer Bluse hat, begrüßt sie es, darauf hingewiesen zu
werden. Wenn sie aber nichts dagegen tun kann, dann nicht.
Ein traurigeres Beispiel ist das einer Freundin, die zu einem
Zeit­punkt, zu dem sie normalerweise in der Kirche war, körperlich
attackiert und misshandelt wurde. Durch diesen Vorfall bekam sie
Alpträume und hatte heftig gegen Angst und Wut zu kämpfen.
Sobald sie ihr Haus verließ, wurde sie von dem Gedanken geplagt,
dass sie sich in Gefahr befand und völlig wehrlos war. Würde
derselbe Angreifer ihr im Dunkeln auflauern? Würde er vielleicht in
ihrem Auto auf sie warten? Würde er sie von der Straße drängen und
erneut über sie herfallen?
In dem Versuch, ihre Schwierigkeiten zu überwinden, sprach
sie sich bei einem ihrer Pastoren aus. Sie erwartete Ermutigung
und biblische Weisung, wie sie mit ihren Ängsten und ihrer Wut
umgehen sollte. Stattdessen erinnerte der Pastor – der wusste, dass
der Überfall während der Gebetsstunde stattgefunden hatte – sie
183
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
daran, dass das nie passiert wäre, wenn sie dort gewesen wäre, wo sie
hätte sein sollen.
Das nenne ich ungesunde Kommunikation zum falschen Zeit­
punkt! Was der Pastor sagte, mag ja stimmen, aber seine Worte
waren gewiss nicht da, „wo es nötig ist”. Diese junge Frau brauchte
in dem Moment keine Zurechtweisung oder Ermahnung. Sie
brauch­te Ermutigung, Unterstützung und Trost.
Ich machte vor vielen Jahren eine Erfahrung mit einem meiner
Söhne, durch die ich viel darüber gelernt habe, wie wichtig es ist, den
richtigen Zeitpunkt zum Reden zu wählen. Ich musste in die Nähe
von New York City, um dort eine Rede zu halten, und nahm Nathan,
der gerade seinen Führerschein gemacht hatte, zur Gesellschaft mit
auf die Reise. Ich fragte ihn, ob er das Steuer übernehmen wollte,
und natürlich sagte er ja. Wir verließen Philadelphia und fuhren
auf der New-Jersey-Mautstraße in Richtung Nord-Osten. Als wir
uns New York City näherten, war der Verkehr grauenhaft. Autos
zischten von einer Spur auf die andere. Ein kleiner Fehler konnte
zu einem schweren Unfall führen. Gerade vor uns liefen unsere und
eine benachbarte Spur, auf der ein großer Lastwagen unterwegs war,
zusammen. Ein paar Sekunden später sah ich über meine rechte
Schulter und bemerkte, wie ein Sattelschlepper um unsere Spur
kämpfte. Der LKW-Fahrer hupte, um uns zu sagen, dass die Lücke
ihm gehöre. Mein Sohn erschrak durch das Hupen und bremste.
„Nathan, nicht!”, sagte ich schnell. Sofort nahm er den Fuß von
der Bremse und beschleunigte, um dem LKW hinter uns Platz zu
machen.
Wütend zog der Lkw-Fahrer neben uns vor, öffnete sein Fenster
und schrie uns an. Es kam uns sehr lange vor, bis er endlich begann,
uns zu überholen. Ich warnte meinen Sohn: „Pass auf, es kann
sein, dass er uns den Weg abschneidet und sich vor uns in die Spur
drängt.” Und genau das tat er auch. Als sein LKW etwa zur Hälfte an
uns vorbei war, wechselte er in unsere Spur. Wir mussten entweder
ausweichen oder würden zerdrückt werden. Zum Glück für uns war
die andere Spur frei und wir konnten dorthin ausweichen.
Da wir jetzt außer Gefahr waren, beschloss ich, „das Eisen zu
schmieden, solange es heiß war”, und meinem Sohn einige dringend
184
Kapitel 10
Endlich redest du
notwendige Anweisungen zu geben, wie man sich im Straßenverkehr
verhält. „Nathan”, sagte ich, „wenn du in so einem Verkehr unter­
wegs bist, dann solltest du…” Aber während ich sprach, sah ich an
seinem Gesichtsausdruck, dass er nicht in der Lage war, meine Rat­
schläge aufzunehmen. Was ich meinem Sohn sagen wollte, ent­sprach
der Wahrheit, ich hatte die richtige Motivation, und ich denke, ich
war auch darauf eingestellt, es in angemessener Weise vorzubrin­gen.
Aber wenn ich meine kleine Unterweisung fortgeführt hätte, hätte
ich damit eine Situation geschaffen wie in Sprüche 25,20: „Wie einer,
der an einem kalten Tag das Gewand auszieht…, so ist, wer einem
missmutigen Herzen Lieder singt.” Mein Sohn war traurig. Er hatte
gerade eine entsetzliche Erfahrung gemacht. Es war ihm peinlich.
Er wollte doch seinem Vater zeigen, dass er ein guter Autofahrer war
und man ihm den Familienwagen anvertrauen konnte, und dann
passierte das.
Als ich seine erste Reaktion sah und mich in seine Lage versetzte,
wurde mir klar, dass dies nicht der Zeitpunkt für eine Lektion war.
Ich ließ das Thema fallen, legte es in Gottes Hände und wartete
auf eine passendere Gelegenheit. Die passendere Gelegenheit ergab
sich später am Abend, als wir nach Hause fuhren. Mein Sohn, der
wieder am Steuer saß, sah mich an und fragte: „Okay, Papa, was
habe ich falsch gemacht? Was hätte ich anders machen sollen?” Der
„Moment” zum Sprechen war gekommen. Jetzt konnte ich darüber
reden, ohne unser Verhältnis zu belasten, und er konnte davon
profitieren.
Die biblische Wahrheit, die wir „die goldene Regel” nennen
(Matth. 7,12), lässt sich auf jeden Fall auch auf unsere Kommuni­ka­
tion anwenden. Das Mindeste, das diese Anweisung unseres Herrn
uns lehrt, ist, dass wir uns in die Lage des Zuhörers versetzen sollen.
Bevor du deinen Mund öffnest, solltest du überlegen, wie du dich
fühlen würdest oder reagieren würdest, wenn jemand dasselbe zu
dir sagen würde. Frage dich: Wie hilfreich ist es für mich, wenn
jemand mich auf meine Fehler aufmerksam macht, nachdem ich
gerade eine beängstigende Situation erlebt habe? Wie fühle ich mich,
wenn jemand versucht, mit mir schwierige oder umstrittene Themen
zu diskutieren, wenn ich emotional und physisch erschöpft bin?
185
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Was geht in mir vor, wenn jemand versucht, mich zu überzeugen
oder zu korrigieren, wenn ich aufs Äußerste verärgert oder frustriert
bin? Was erwidere ich, wenn jemand einen Scherz macht, obwohl
ich das Gesagte todernst gemeint habe? Wie reagiere ich, wenn
ich mein Allerbestes getan habe, aber sofort auf meine Fehler und
Unzulänglichkeiten aufmerksam gemacht werde?
„Die goldene Regel” zu befolgen, geht aber noch weiter. Wir soll­
ten versuchen, uns in die Lage des anderen hineinzuversetzen, an
den wir unsere Worte richten. Es genügt nicht, uns vorzustellen, wie
wir reagieren würden – das ist ein Anfang, aber auch nur das. Wenn
deine Worte die andere Person stören und dein Schweigen nicht
unbiblisch wäre, dann „kein Wort darüber” – behalte sie für dich.
Es ist nicht der passende Moment. Um effektiv zu kommunizieren,
musst du versuchen, dein Gegenüber zu verstehen und deine Sprache
an seine oder ihre Persönlichkeit anzupassen. Das würdest du von
anderen erwarten und du solltest es für andere tun.
Rechtzeitig gesprochene Worte sind erfreulich und aufbauend (Spr.
15,2+23); Worte, im falschen Moment gesprochen – zerstörerisch
und schädlich (Spr. 18,21). Wenn du deine Familie nach dem Plan
Gottes gestalten willst, musst du dich fragen: „Ist dies der richtige
(beste) Moment um vorzubringen, was ich sagen möchte?” Dies ist
eine vertraute Frage für Menschen, deren Gewohnheit es ist, „echte
Gespräche” zu führen.
Wo sollten wir reden?
„Wie goldene Äpfel in silbernen Schalen, so ist ein Wort, gesprochen
zur rechten Zeit.” (Spr. 25,11) Gott möchte uns zeigen, dass es
uns genauso wichtig (wenn nicht noch wichtiger) sein sollte,
unsere Worte in der passenden Umgebung zu sprechen, wie unsere
wertvollsten Besitztümer am richtigen Ort unterzubringen. Wenn
wir unsere Äußerungen in der richtigen Umgebung machen, ver­
viel­facht sich ihre positive Auswirkung. Das Gegenteil trifft aber
leider auch zu. Ich habe gehört, wie Leute über (oder zu) Mitgliedern
ihrer Familie Dinge in der Öffentlichkeit sagten, die unter vier
Augen hätten besprochen werden sollen, falls überhaupt. Ich habe
mit Ehemännern, Ehefrauen, Eltern und Kindern gelitten, wenn
186
Kapitel 10
Endlich redest du
ihre Fehler unnötigerweise und auf völlig unbiblische Art in der
Gegenwart von anderen ausposaunt wurden.
Es gibt zahlreiche Beispiele für solches Verhalten. Man hört
oft, wie ein Mann, der sich zu Hause nicht traut, seiner Frau zu
einem bestimmten Thema die Meinung zu sagen, sie vor anderen
attackiert. Man hört, wie Eltern ihre Kinder für ihr Fehlverhalten
er­mahnen, obwohl das in einer privateren Atmosphäre viel effektiver
geschehen könnte.
Einige meiner Erkenntnisse über das Reden in passender Um­ge­
bung entstammen meinen eigenen Fehlern. Es ist vorgekommen,
dass ich in Gegenwart meiner Kinder etwas über meine Frau sagte,
was weder für die Kinder noch für meine Frau sehr förderlich war.
In meiner Selbstsucht wollte ich sie dazu bekommen, etwas zu tun,
und machte dummerweise eine Bemerkung, die sie viel eher hätte
akzeptieren können, hätte ich sie unter vier Augen gemacht. Leider
muss ich zugeben, dass ich manchmal auch über eines meiner
Kinder in der Öffentlichkeit schlecht gesprochen habe. Viel zu oft
musste ich bei Gott und bei meiner Familie für meine Äußerungen
in falscher Umgebung um Verzeihung bitten.
Ich habe auch viel über diesen Aspekt „echte Ge­spräche” gelernt,
indem ich selbst Opfer von falsch platzierten Aussagen wur­
de.
Es wurden Dinge vor einer Gruppe gesagt, die für andere wahr­
scheinlich schädlich waren. Mir wurden Sachen in Gegenwart
ande­rer gesagt, die ich besser aufgefasst hätte, wenn das vertraulich
geschehen wäre.
„Das Herz des Gerechten überlegt, was es antworten soll.” (Spr.
15,28) Menschen, die wollen, dass ihre Worte „wie goldene Äpfel
in silbernen Schalen” sind, werden sich Gedanken über das Was
(Inhalt), das Warum (Motivation), das Wie (Art und Weise) und das
Wann (Zeitpunkt) ihrer Äußerungen machen. Sie berücksichtigen
auch das Wo (Umgebung) ihrer Kommunikation, weil sie verstehen,
wie wichtig es ist, in welcher Umgebung etwas gesagt wird.
Worte sind stark. Sie machen Eindruck. Im Jahr 1951 wurde mein
ganzes Leben verändert, weil ich bestimmte Worte hörte. Ich kannte
Gott nicht und kümmerte mich nicht um ihn. Aber ein Freund lud
mich in einen Gemeindegottesdienst ein und ich hörte zum ersten
187
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Mal in meinem Leben das Evangelium. Als ich von Jesus hörte und
was er für uns Sünder getan hatte, wurde ich von meinen Sünden
überführt, bevor der Abend zu Ende war. Während ich dem Redner
zuhörte, begann ich mich nach einer Beziehung zu Gott zu sehnen.
Als dann die Gelegenheit kam, ging ich auf die Heilsbotschaft ein
und nahm Jesus Christus als meinen Herrn und Heiland an. Seitdem
ist mein Leben total verändert worden. Durch Jesus Christus wurde
ich ein neues Geschöpf mit einer neuen Bestimmung, neuen
Wünschen und einem neuen Lebensziel.
Was gebrauchte Gott, um mich zu einer Hinkehr zu ihm zu
be­wegen? Er gebrauchte Worte! Während ich sie hörte, wirkte Gott
mächtig in mir und veränderte mein Leben für immer. „Demnach
kommt der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber
durch Gottes Wort.” (Römer 10,17) Wenn du ein Christ bist, hast
du dieselbe Erfahrung gemacht. Du hast Worte über Jesus Christus
gehört, über Gott, über das Evangelium und dein ganzes Leben hat
sich verändert. So stark können Worte sein! Unterschätze deshalb
niemals, wie wichtig Worte für die Beziehungen in deiner Familie
sind. Obwohl die Macht deiner Worte niemals mit der Macht des
Wortes Gottes gleichgesetzt werden kann, können und werden deine
Worte einen großen Einfluss auf deine Familie haben. Deine Worte
sind wichtig für Gott und für andere.
Zu Gottes Plan, deine Familie zu stärken, so dass sie seiner Vor­
stellung entspricht, gehört das Praktizieren von „echten Gesprächen”,
wie es in diesem Kapitel beschrieben wurde. Man kann „echte
Gespräche” üben, indem man fünf wichtige Fragen als Richtlinien
für alle Gespräche gebraucht:
• Bin ich in angebrachter Weise und genügend offen und ehr­
lich?
• Sind meine Beweggründe für das, was ich sagen will,
an­gemessen? Wird es sich positiv auswirken?
• Bin ich bereit, es in der bestmöglichen Art und Weise vor­
zubringen?
• Wann ist der beste Zeitpunkt? Ist dies der beste Zeitpunkt?
Ist das, was ich sagen will, auf die Bedürfnisse des (der)
an­deren abgestimmt?
188
Kapitel 10
Endlich redest du
• Wo sollte ich es sagen? Ist dies der beste Ort dafür?
Diese fünf Fragen betonen wichtige, von Gott vorgegebene Prin­
zi­pien für unser Reden. Lege diese Prinzipien als Richtlinien für alle
deine Gespräche fest. Bitte Gott um Hilfe, sie in allen Beziehun­gen
in deiner Familie anzuwenden. Prüfe dich immer wieder an­hand
dieser Fragen, bis sie sich in deinem Reden automatisch wider­
spiegeln.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine
Antworten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Denke über den Inhalt dieses Kapitels nach und beantworte
folgende Fragen:
a) Wie ist die Aussage gemeint, dass „echte Gespräche” einem
Diamanten gleichen?
b) Welche Worte in Epheser 4,29 betonen, wie wichtig es ist,
dass man aus den richtigen Beweggründen heraus spricht?
Was sollte uns motivieren zu sprechen?
c) Wie können wir Philipper 2,3-4 auf unsere Art der Kom­mu­
ni­kation anwenden?
d) Wie ist die Aussage gemeint, dass jede negative Äußerung
einen positiven Zweck erfüllen soll?
e) Wie kann einfaches Plaudern dazu beitragen, die Familie
aufzubauen?
f) Wie kann man Philipper 4,8 auf die Kommunikation in der
Familie beziehen?
g) Was sollte bei den Unterhaltungen in der Familie im Verhält­
nis 7:1 stehen?
h) Was sagte dieses Kapitel über das „Säen und Ernten” in Bezug
auf Kommunikation?
i) Welches Kommunikationsprinzip wird in Sprüche 27,14
verdeutlicht?
j) Welches Kommunikationsprinzip wird in Sprüche 25,20
verdeutlicht?
189
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
k) Diskutiert, inwieweit sich „die goldene Regel” auf die
Kommunikation in der Familie bezieht.
l) Welches Kommunikationsprinzip wird in Sprüche 25,11
verdeutlicht?
m)Welche fünf Fragen können uns helfen, „echte Gespräche”
führen zu lernen?
n) Welche anderen Merkmale für gute Sprache würdest du
denen aus den Kapiteln 9 und 10 noch hinzufügen?
2. Beachte, was die folgenden Verse über die Merkmale für
gute Sprache und „echte Gespräche” sagen. Stelle für jeden
Ab­schnitt fest, zu welcher der in diesem Kapitel erwähnten
Kategorien er passt (oder erfinde eine neue, falls nötig!).
a) Epheser 4,25
b) Epheser 4,32
c) Psalm 141,3
d) Jesaja 50,4
e) Prediger 12,10
f) Sprüche 12,25
g) Sprüche 15,30
h) Sprüche 16,21
i) Sprüche 22,11
j) Sprüche 25,15
k) Sprüche 31,26
l) Sprüche 31,28
3. Analysiere die folgenden Bibelstellen und stelle fest, in welcher
Hinsicht dort „echte Gespräche” praktiziert werden oder auch
nicht.
a) Ruth 2,1-3,18
b) 1.Samuel 20,27-34
c) 1.Samuel 24,8-15
d) 1.Samuel 25,2-35
e) Daniel 1,8-16
f) Johannes 11,17-44
g) Johannes 21,1-23
190
Kapitel 10
Endlich redest du
4. Geh die folgende Checkliste für „echte Gespräche” durch.
Be­werte dich selbst und andere Mitglieder deiner Familie in
Bezug auf jeden Punkt. Die Bewertungsskala ist: Tue ich fast
immer (=4), tue ich oft (=3), tue ich manchmal (=2), tue ich
selten (=1), tue ich nie (=0).
Mein Reden (oder das Reden eines anderen) ist gekennzeichnet
von:
a) Ehrlichkeit
43210
b) Genauigkeit
43210
c)
Offenheit4 3 2 1 0
d) Motivation, andere aufzubauen
43210
e) Anstand und Liebenswürdigkeit
43210
f) Einem respektvollen Ton
43210
g) Ermutigung
43210
h) Einem positiven Ton und einer positiven Art
43210
i)
Sanftheit4 3 2 1 0
j) Wärme und Zärtlichkeit
43210
k) Einem angenehmen Ton
43210
l) Wahl des richtigen Zeitpunkts
43210
m) Empfindsamkeit für die Bedürfnisse anderer
43210
n) Freundlichkeit
43210
o) Hoffnung und Trost
43210
p) Einer dienenden Haltung
43210
q) Sensibilität für die Interessen anderer
43210
r) Empfindsamkeit für die Stimmung anderer
43210
s) Wahl der passenden Umgebung
43210
5. Schreibe die Eigenschaften auf, bei denen du (oder andere
Familienmitglieder) nur 0, 1 oder 2 Punkte erreicht hast. Bete
dafür und stell einen Plan auf, wie du dich verbessern kannst.
191
Kapitel 11
Die Ohren auf Empfang
Vor einigen Jahren ließen wir in unseren Autos CB-Funkgeräte
ein­bauen. Wir waren oft stundenlang unterwegs und dachten, sie
könnten nützlich sein, falls wir eine Panne hätten und Hilfe rufen
müssten. Es stellte sich heraus, dass sie auch einen hohen Unter­
haltungswert hatten, denn wir konnten die Gespräche anderer
CB-Funker mithören. Oft stellten wir das Funkgerät an und hörten
Dinge wie: „Ist da jemand QRV (empfangsbereit)? Hier ist die
Station Big Daddy und geht auf allgemeinen Empfang.” Manchmal
antwortete ein anderer CB-Funker und es entwickelte sich ein
Gespräch. Es kam vor, dass keiner antwortete; entweder war keiner
„QRV” oder es ging allen anderen so wie uns und sie kannten sich
einfach mit der CB-Fachsprache nicht aus.
In der Welt der Funker ist Kommunikation wie eine Straße, auf
der Botschaften gesendet und empfangen werden. Bei der Kom­mu­
nikation in der Familie ist das nicht anders. Der Hörer ist genauso
wichtig wie der Sprecher.
Man kann gar nicht überbetonen, wie wichtig es ist, aufmerksam
zuzuhören. Gott selbst ist uns ein Beispiel. Die Bibel sagt über Gott,
den Vater: „Denn die Augen des Herrn sehen auf die Gerechten,
und seine Ohren hören auf ihr Flehen…”; „Da besprachen sich die
miteinander, welche den Herrn fürchteten, und der Herr achtete
darauf und hörte es…”; „Siehe, die Hand des Herrn ist nicht zu kurz
zum Retten und sein Ohr nicht zu schwer zum Hören” (1.Petr. 3,12;
Mal. 3,16; Jes. 59,1).
Auch unser Herr Jesus Christus ist ein guter Zuhörer. Er hört
alles, was Gott, der Vater, zu ihm spricht: „… weil ich euch alles
192
Kapitel 11
Die Ohren auf Empfang
verkündet habe, was ich von meinem Vater gehört habe” (Joh.
15,15). Außerdem finden wir überall im Evangelium, dass Jesus
immer aufmerksam zuhörte, wenn jemand sprach – ganz gleich, ob
sie alt oder jung, reich oder arm, gebildet oder unwissend, männlich
oder weiblich waren. In der CB-Sprache war Jesus immer „QRV”.
Die Bibel beschreibt den Heiligen Geist in ähnlicher Weise. Jesus
erzählte seinen Jüngern: „der Beistand aber, der Heilige Geist, den
der Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren
und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe”; „Wenn aber
jener kommt, der Geist der Wahrheit, so wird er euch in die ganze
Wahrheit leiten; denn er wird nicht aus sich selbst reden, sondern
was er hören wird, das wird er reden, und was zukünftig ist, wird
er euch verkündigen” (Joh. 14,26; 16,13). Beachte, wie Jesus betont,
dass der Heilige Geist ein hervorragender Zuhörer ist. Der Heilige
Geist hörte jedes Wort, das Jesus zu den Jüngern sagte und „… wird
euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt
habe…”
Die Tatsache, dass der Drei-Einige Gott ein guter Zuhörer ist,
sollte uns motivieren, in diesem Bereich an uns selbst zu arbeiten
und uns zu verbessern. Die drei einzelnen Personen, die die
Dreieinigkeit bilden, hören sich gegenseitig aufmerksam zu und
erstaunlicherweise auch uns! Hast du je darüber nachgedacht, wie
verblüffend es ist, dass Gott uns zuhört? Diese Tatsache sollte uns in
absolutes Er­staunen versetzen, wenn man bedenkt, wer Gott ist und
wer wir sind. Es ist außerdem auch deshalb erstaunlich, weil Gott
bereits weiß, was wir sagen werden, bevor wir es aussprechen. „Ja, es
ist kein Wort auf meiner Zunge, das du, Herr, nicht völlig wüsstest.”
(Psalm 139,4) Gott muss uns nicht zuhören, um Informationen zu
erhalten oder um uns verstehen zu können. Er weiß schon alles. Aber
er hört trotzdem geduldig zu. Welche Herausforderung und welch
ein Beispiel für uns!
Paulus ermahnt uns, Gottes Nachahmer zu werden (Eph. 5,1).
Wenn das Zuhören schon für Gott so einen hohen Stellenwert hat,
sollte es für uns als seine Kinder erst recht wichtig sein.
193
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Zuhören mit dem ganzen Sein
Was macht einen guten Zuhörer aus? Sprüche 2,2 ermutigt uns,
beim Zuhören sowohl unsere Ohren als auch unsere Herzen zu
ge­brauchen. Das Ohr steht dabei für den äußeren Menschen und das
Herz für den inneren. Um gut zuhören zu können, muss man sich
laut der Aussage Gottes mit seinem ganzen Wesen zur Verfügung
stellen.
Zuhören mit dem äußeren Menschen
An mehreren Stellen in den Sprüchen weist Gott uns an, unsere
Ohren zu neigen und zuzuhören (Spr. 5,1; 22,17). Es klingt fast, als
würde Gott sagen: „Wenn du jemandem zuhörst, dann lehne dich
vor, halte deine Hände hinter die Ohren und biege sie zum Spre­cher.”
Es ist vielleicht ein bisschen übertrieben zu behaupten, dass Gott
wörtlich meint, wir sollten unsere Hände hinter die Ohren halten.
Aber wir sollten unseren Gesprächspartnern auf jeden Fall unsere
volle Aufmerksamkeit schenken.
Um uns die physischen Merkmale guten Zuhörens besser merken
zu können, können wir die Abkürzung „ZONAK” zu Hilfe nehmen.
„Z” erinnert uns daran, wie wichtig es ist, sich dem Gesprächs­
partner „zuzuwenden”. Dreh der Person, die dir etwas sagen möchte,
nicht die Seite oder gar den Rücken zu. Wenn du dich der Person
zuwendest, sagst du damit: „Es ist mir wirklich wichtig, was du mir
erzählst.”
Der Buchstabe „O” steht für „Offenheit”. Eine abwehrende
Haltung sagt: „Ich lasse dich nicht an mich heran. Ich will dich auf
Abstand halten.” Bei einer offenen Körperhaltung sind die Arme,
Hände und Schultern des Zuhörers entspannt; das bedeutet: „Ich bin
bereit, dir zuzuhören. Ich schenke dir meine volle Aufmerksamkeit.”
„N” erinnert uns daran, dass ein guter Zuhörer sich leicht zum
Sprecher „neigt”. Dadurch sagt er: „Ich will sichergehen, dass mir
nichts von dem entgeht, was du sagst.”
Der Buchstabe „A” steht für „Augenkontakt”. Ein guter Zuhörer
sieht sein Gegenüber direkt an und vermeidet es, den Eindruck zu
erwecken, er sei in Eile oder gedanklich abwesend.
194
Kapitel 11
Die Ohren auf Empfang
„K” erinnert uns daran, dass unsere „Körperhaltung” entspannt
wirken sollte. Dies teilt dem Sprecher mit, dass der Zuhörer nicht
nervös, angespannt oder ungeduldig ist und hilft im Gegenzug dem
Sprecher, sich wohler zu fühlen.
Z= Zuwenden
O= Offenheit
N= Neigen
A= Augenkontakt
K= Körperhaltung
Zuhören mit dem inneren Menschen
„Voll da zu sein” im physischen Sinne ist eine Grundvoraussetzung
für gutes Zuhören. Aber es ist genauso wichtig, mit seinen Gefühlen,
Gedanken und auch seelisch – mit dem inneren Menschen – „voll
da zu sein”.
Zuhören mit dem Verstand
Wie wir später noch genauer untersuchen werden, unterscheidet die
Bibel zwischen „hören” und „zuhören”. Laut der Heiligen Schrift
kann man etwas hören, ohne es wirklich wahrzunehmen. Das
pas­siert, wenn man nur mit dem äußeren Menschen zuhört, und
nicht mit dem inneren. Um andere Menschen wirklich kennen und
verstehen zu lernen, muss man mit dem Verstand und dem Körper
zuhören (vgl. Spr. 18,15).
Zuhören mit den Gefühlen
Ein guter Zuhörer befolgt die Ermahnung aus dem Römerbrief.
Er stellt sich so sehr auf den anderen ein, dass er sich mit den
Glücklichen freuen und mit den Trauernden weinen kann. Er
bemüht sich zu fühlen oder wenigstens zu verstehen, was der andere
fühlt. Wir haben keine gute Grundlage, um darauf zu reagieren,
was andere sagen, solange wir nicht wenigstens einen Bruchteil ihrer
Gefühle nachvollziehen können. Wenn wir anderen antworten,
ohne uns die Zeit zu nehmen und die Mühe zu machen, uns in
195
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
sie hineinzuversetzen, werden unsere Beziehungen und Gespräche
oberflächlich bleiben. Sie werden denken, dass wir sie nicht ver­stehen
und dass sie uns gleichgültig sind.
Ich habe schon oft darüber gestaunt, welchen starken Eindruck
der Apostel Paulus auf andere machte. Das Neue Testament ist voll
von Beispielen von Menschen, deren Leben durch die Beziehung zu
ihm radikal verändert wurden. Wenn ich lese, wie Paulus andere
beeinflusste, frage ich mich, was ihn wohl so erfolgreich mach­te.
Eigentlich weiß ich ja, dass Gott, der Heilige Geist, ihn in son­
der­
barer Weise gebrauchen wollte. Paulus konnte pflanzen und
Apollos gießen, aber Gott musste das Wachstum schenken (1.Kor.
3,6). Andererseits denke ich aber, dass die Menschen sich deshalb
zu Paulus und seinem Dienst hingezogen fühlten, weil er als ganze
Person auf sie einging, mit seinem äußeren und inneren Menschen.
Der Bericht des Lukas über den Dienst des Paulus in Ephesus
ist eine von vielen Bibelstellen, die ihn als jemanden darstellen, der
sich bis ins tiefste Innere mit den Menschen identifizierte. Während
seines ausgedehnten Aufenthalts dort war er ständig von gläubigen
Menschen umgeben, er lebte mit ihnen, erlebte, was sie erlebten, litt
mit ihnen und für sie (Apg. 20,18-19). Er diente dem Herrn und
ihnen in tiefster Demut und großer Hingabe. Er hörte so aufmerksam
zu, wenn sie etwas sagten oder durch ihr Verhalten andeuteten, dass
ihre Lasten und Probleme ihn oft zu Tränen rührten. Ihm konnte
keiner vorwerfen, distanziert, gleichgültig oder unsensibel zu sein
oder abgedroschen zu klingen. Keiner konnte sagen: „Ach Paulus, du
verstehst mich einfach nicht!” (vgl. Apg. 20,18+31).
Das Vorbild für Paulus war der Herr Jesus. Drei Tage nach dem
Tod des Lazarus reiste Jesus nach Bethanien, wo Lazarus gelebt hatte
(Joh. 11,1-44). Als er sich der Stadt näherte, kam ihm Maria, die
Schwester des Lazarus entgegen und fiel ihm zu Füßen. Sie weinte
bitterlich und rief aus: „Herr, wenn du hier gewesen wärst, mein
Bruder wäre nicht gestorben!” (V.32) In diesem Moment wusste
Jesus bereits, dass er Lazarus von den Toten auferwecken würde. Er
hätte sagen können: „Maria, steh auf. Hör auf zu weinen. Trauere
nicht darüber, was passiert ist, denn ich werde deinen Bruder wieder
auferwecken.” Stattdessen hörte Jesus Maria mit seinem ganzen Sein
196
Kapitel 11
Die Ohren auf Empfang
zu – mit seinem Körper, seinem Verstand und mit seinen Gefühlen –
und weinte (Joh. 11,35). Dann, nachdem er sich die Zeit genommen
hatte sich mit Maria zu identifizieren, machte er sich auf den Weg,
um Lazarus von den Toten aufzuerwecken.
Jesus wollte Maria helfen, deshalb ignorierte er ihre Gefühle nicht
und spielte sie nicht herunter. Da er vorhatte, Lazarus wieder ins
Leben zurückzurufen, wusste er, dass es für Marias Tränen keinen
wirklichen Grund gab, aber er ließ sie weinen und weinte sogar mit
ihr. Welch ein Beispiel für echtes Zuhören!
In Familien wird dieses Prinzip des guten Zuhörens oft miss­
achtet. Wenn wir jemandem aus unserer Familie zuhören, sagt
uns manchmal unser Verstand, dass es keinen guten Grund dafür
gibt, was der andere denkt oder fühlt. Wenn ein Kind zum Bei­
spiel eine unbegründete Angst äußert, neigen die Eltern oft dazu,
sofort zu erklären, warum es keine Angst zu haben braucht. Wenn
eine Ehefrau in einer bestimmten Situation ängstlich oder auf­ge­regt
ist, reagieren viele Ehemänner mit einer – ihrer Meinung nach –
logischen Erklärung, warum ihre Bedenken albern sind. Wenn ein
Mitglied der Familie über eine Chance oder eine Aktivität begeistert
ist, die man für unwichtig hält, kann es sehr schnell passieren, dass
man ihre Vorfreude zerstört.
Selbstverständlich gibt es Zeiten, wo es durchaus angebracht
ist, logische Argumente, Erklärungen oder Zurechtweisungen
vor­
zubringen oder aufzuzeigen, warum bestimmte Gefühle oder
Re­aktio­nen unbegründet sind. Im Allgemeinen aber wird es uns
leich­ter fallen, weise zu antworten, und die andere Person wird es viel
besser aufnehmen, nachdem wir uns die Zeit genommen haben, mit
unserem inneren und äußeren Menschen zuzuhören.
Aufmerksames Zuhören erfordert Disziplin und
Selbstbeherrschung
Die Fähigkeit, gut zuhören zu können, ist uns nicht angeboren. An
vielen Stellen befiehlt uns die Bibel: „… so dass du der Weisheit
dein Ohr leihst und dein Herz der Einsicht zuwendest” (Spr. 2,2);
„Neige dein Ohr und höre auf die Worte der Weisen, und dein
Herz achte auf meine Erkenntnis!” (Spr. 22,17); „Gehorche dem
197
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Rat” (Spr. 19,20); „Darum … sei jeder Mensch schnell zum Hören,
langsam zum Reden, langsam zum Zorn” (Jakobus 1,19). Die
Tatsache, dass wir aufgefordert werden zuzuhören, deutet an, dass
es manchmal Disziplin erfordert. Manchmal sind wir so erschöpft
oder geistesabwesend, dass uns einfach nicht danach ist, jemandem
zuzuhören. Dann müssen wir uns in Selbstbeherrschung üben,
unsere Gedanken zügeln und uns zwingen zuzuhören.
Ich bin in Pflegeheimen gewesen, wo Bewohner im Gemein­
schaftsraum vor dem Fernseher saßen und die Lautstärke auf die
höchste Stufe gestellt war. Aber wenn ich sie gefragt hätte, welche
Sendung sie gerade anschauten, hätten sie es mir nicht sagen
können, weil sie ihren Gedanken freien Lauf gelassen hatten. Solche
Unaufmerksamkeit kommt nicht nur in Pflegeheimen vor. Du hast
vielleicht auch schon mal deine Gedanken spazieren gehen lassen,
während jemand aus deiner Familie dir etwas erzählte, vielleicht weil
für dich das Thema nicht interessant war.
Manchmal wollen wir nicht zuhören, weil jemand etwas sagt,
womit wir absolut nicht einverstanden sind. Dann ist die Ver­
suchung abzuschalten besonders stark. Ein Ehemann muss vielleicht
Selbstbeherrschung aufbringen, wenn seine Frau mit ihm über seine
Gefühllosigkeit oder Verschwendungssucht sprechen will. Eine Ehe­
frau braucht vielleicht dann Selbstdisziplin, wenn ihr Mann mit
ihr über Sexualität oder über ihre Eltern reden will. Aufmerksames
Zuhören kann auch bei explosiven Konflikten zwischen Eltern und
Kindern eine Herausforderung sein.
Es ist schwer, aufmerksam zuzuhören – und leicht, etwas
Zer­
störerisches zu sagen oder zu tun – wenn man sich von
seinen Gefühlen übermannen lässt. Deshalb ergänzt Jakobus seine
Er­
mahnung über das Zuhören mit den Worten „langsam zum
Zorn” (Jakobus 1,19). Jakobus wusste, dass man nicht mehr wirk­
lich zuhören kann, wenn man erst die Fassung verloren hat. Die
losgelösten Gefühle behindern wie eine Wolke den Empfang und die
richtige Deutung der gesprochenen Worte.
Wenn dich jemand korrigiert, ermahnt oder kritisiert, schreit
wahr­scheinlich alles in dir nach einer schnellen und energischen
Antwort. „Es ist ja kein Wunder, dass ich zu spät komme. Du
198
Kapitel 11
Die Ohren auf Empfang
hilfst ja nie mit den Kindern. Du rührst keinen Finger, um mit
dem Abwasch oder dem Hausputz zu helfen.” „Du denkst, ich bin
rücksichtslos? Du magst es nicht, wenn ich gereizt bin? Vielleicht
wäre ich rücksichtsvoller und würde mich weniger ärgern, wenn
du…” „Ich weiß, ich sollte nicht so launisch sein, aber vielleicht wäre
ich das auch nicht, wenn du…”
Wenn du dich falsch verstanden fühlst, würdest du den Sprecher
am liebsten unterbrechen und sagen: „Das hast du ganz falsch
verstanden. In Wirklichkeit ist das so…” Du würdest diese Person
am liebsten sofort attackieren und sie auf ihre eigenen Fehler
aufmerksam machen. In solchen Momenten erfordert es Disziplin
und Selbstbeherrschung, mit dem inneren und dem äußeren
Menschen zuzuhören und „schnell zum Hören, langsam zum
Reden, langsam zum Zorn” zu sein (Jakobus 1,19).
Aufmerksames Zuhören erfordert Demut
Während einer der ersten Beratungsstunden mit der Familie von
Sam und Sue hatte ich den Eindruck, dass Sam das Gespräch zu
80% alleine bestritt. Jedes Mal, wenn ich eine Frage an ein anderes
Mitglied der Familie stellte, unterbrach Sam sie (und mich) und
fügte Einzelheiten hinzu oder sprach ihre Gedanken an ihrer Stelle
zu Ende aus. Er beherrschte das Gespräch während der ganzen
Sitzung und versuchte sogar, die Themen zu bestimmen.
Als sich unsere Sitzung dem Ende näherte, fragte ich die ganze
Familie: „Ist diese Unterhaltung so gelaufen wie die meisten bei
euch zu Hause?” Alle stimmten dem zu. Ich verriet ihnen nicht,
warum ich diese Frage gestellt hatte, aber ich hatte die ganze
Sitzung aufgenommen und schlug ihnen vor, die Kassette zu Hause
anzuhören und ihren Kommunikationsstil zu untersuchen. „Achtet
beim Zuhören darauf, was gesagt wird, wie es gesagt wird, wer am
meisten redet, und auf alles, was euch in Bezug auf eure Unterhaltung
in der Familie wichtig erscheint. Nächste Woche könnt ihr dann
wiederkommen und mir berichten, was ihr herausgefunden habt.”
Als sie zum nächsten Termin erschienen, fragte ich sie, was sie
festgestellt hatten. Typischerweise antwortete Sam als erster. „Ich
habe gemerkt, dass ich mehr gesprochen hatte als alle ande­
ren.
199
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Außerdem ist mir aufgefallen, dass ich andere unterbrach und Din­
ge hinzufügte, wenn sie etwas gesagt hatten.” Sue fügte hinzu: „Wir
unterhalten uns viel, aber ich habe selten Gelegenheit, über Dinge
zu reden, die mir am Herzen liegen. Wir reden meistens darüber,
was Sam interessiert. Ich bin ein guter Zuhörer; ich höre gerne zu,
wenn Sam etwas zu sagen hat. Ich wünsche mir nur, das er auch mal
zuhören würde, wenn ich über etwas reden will, dass mir wichtig ist.
Ich habe es aufgegeben, über viele bestimmte Dinge mir ihm reden
zu wollen. Entweder unterbricht er mich und lässt sich darüber aus,
was ich tun sollte, oder er gibt mir das Gefühl, dass ich nur seine
Zeit verschwende und ihn von anderen wichtigeren Dingen abhalte.”
Mit seiner Gewohnheit, dass er nie aufmerksam zuhörte, ver­stieß
Sam gegen viele biblische Anweisungen und erwies sich als großes
Hindernis für gute Verhältnisse in der Familie. Er bewies damit
nicht nur, wie unsensibel er war, sondern enthüllte auch eine Form
von Selbstsucht und Stolz.
Der Stolz sagt: „Zieh alle Aufmerksamkeit auf dich. Bestimme
die Gesprächsthemen. Worüber du reden willst, ist viel wichtiger
als das, worüber andere Familienmitglieder sprechen wollen. Deine
Probleme und Sorgen sind viel wichtiger als ihre. Nutze jede
Gelegenheit, um zu erwähnen, wen du kennst, was du weißt, was du
erreicht hast. Jeder wird gerne einen Bericht darüber hören, was du
erlebt und erreicht hast.”
Die Demut hingegen ist das genaue Gegenteil von dieser Art
von Denken und Benehmen. Wenn du ein kluger und demütiger
Mensch sein willst, wie er in der Bibel beschrieben wird, dann: (1)
hörst du gerne auf den Rat anderer und bist dankbar dafür (Spr.
12,15); (2) hörst du respektvoll zu, was andere zu sagen haben, bevor
du deine eigene Meinung zum Thema abgibst (Spr. 18,2); (3) hörst
du erst aufmerksam zu, bevor du Schlüsse ziehst oder einen Rat
gibst (Spr. 18,13); (4) erkennst du, dass deine Sichtweise einseitig
sein könnte, weil du vielleicht nicht genügend Informationen hattest
oder selbstsüchtige Interessen überwiegen könnten (Spr. 18,17);
(5) prüfst du sorgfältig die Meinungen und Sichtweisen anderer
(Spr. 26,12+16); (6) bist „schnell zum Hören, langsam zum Reden,
langsam zum Zorn” (Jakobus 1,19).
200
Kapitel 11
Die Ohren auf Empfang
Das Zuhören ist eine Art anderen Menschen zu dienen. Es ist eine
Möglichkeit zu zeigen, dass man den anderen höher achtet als sich
selbst (Phil. 2,3). Zum Reden braucht man nicht demütig zu sein,
aber es gehört eine große Menge Demut dazu, wirklich zuzuhören.
Wenn wir sprechen, stehen wir auf der Bühne, sind der Star der
Show. Wenn wir zuhören, übernehmen wir eine Nebenrolle.
Um wirklich zuhören zu können, benötigen wir die Gesinnung
und Körperhaltung eines Dieners. Das erfordert von uns, dass wir
uns mit unserem ganzen inneren und äußeren Menschen jemand
anderem zur Verfügung stellen und sagen: „Deine Interessen,
Sorgen, Probleme, Erfolge und Versagen sind wichtiger als meine.
Ich werde mir alles anhören, was du zu sagen hast, solange es nicht
gegen die Bibel verstößt. Ich erlaube dir, dich ganz auszusprechen.
Ich gebe dir den Vorrang. Wir können uns damit befassen, was dir
am wichtigsten ist, anstatt mit dem, was mir wichtig ist.”
Eine besondere Art des Zuhörens
Als Jesus das Gleichnis über die vier verschiedenen Arten von Erd­
boden erzählte, gab er uns ein wichtiges Beispiel für aufmerksames
Zuhören. Er sprach von Menschen, die „hören und doch nicht
hören“ (Matt. 13,13). Oberflächlich betrachtet könnte man das für
doppel­deutiges Reden halten, aber Jesus lässt keinen Zweifel zu, was
er mit dem Satz meint. Er ergänzt die erklärenden Worte: „weil sie …
nicht verstehen.” Der Aussage Jesu zufolge bedeutet wahres Zuhören,
dass man das Gesagte so versteht, wie der Sprecher es verstanden
haben wollte. Solange das nicht der Fall ist, würde Jesus sagen, hast
du deinem Gegenüber nicht richtig zugehört.
Wenn in meinen Beratungsstunden ein Familienmitglied einem
anderen vorwirft, etwas Verletzendes oder Beleidigendes gesagt zu
haben, sagt der Beschuldigte oft: „Das habe ich nicht gesagt. Du
hast mich falsch verstanden. In Wirklichkeit habe ich gesagt…” Es
kann vorkommen, dass jemand wochenlang – oder sogar monateoder jahrelang – wegen einer Aussage beleidigt ist, die nie wirklich
gemacht wurde. Es war lediglich etwas falsch aufgefasst worden.
Darauf zu achten, dass man den anderen richtig verstanden
hat, ist eine Sache – ein erster wichtiger Schritt. Aber Menschen
201
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
gebrauchen dieselben Worte manchmal auf verschiedene Weise.
Es wird behauptet, dass die 500 am meisten gebrauchten Worte
der englischen Sprache 28.000 verschiedene Bedeutungen haben.
Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber ich weiß, dass zwei Menschen
genau dieselben Worte gebrauchen können und damit etwas völlig
Unterschiedliches meinen.
Denk nur einmal an die Worte „Ich liebe dich” und welche
unter­schiedlichen Bedeutungen sie haben können. Das Wort „rich­
tig” hat viele Definitionen. Was man darunter versteht, „treu”,
„liebens­würdig”, „freundlich”, „pünktlich” oder „rücksichtsvoll” zu
sein, kann stark variieren. Was bei einem eine „Diskussion” ist, ist
beim nächsten vielleicht schon ein „Streit”. „Sparsamkeit”, „Unter­
ordnung”, „Respekt” und „angemessenes Benehmen” sind ein paar
andere Worte, die unterschiedlich ausgelegt werden.
In Johannes 2 wurden die Worte Jesu über die „Zerstörung des
Tempels” völlig falsch verstanden (Joh. 2,19-21). Mit dem „Tempel”
meinte er seinen physischen Leib, aber die Leute dachten, er sprä­che
von dem Tempelgebäude in Jerusalem. Drei Jahre später machten sie
Jesus aus ihrer Auslegung dieser Worte einen Vorwurf, als er vor dem
Hohen Rat stand (Matt. 26,59-61).
Die Begegnung Jesu mit Nikodemus gibt uns ein anderes Bei­
spiel (Joh. 3,1-12). In diesem Fall dachte Jesus an eine geistige
Wie­dergeburt, als er Nikodemus erklärte, wie wichtig es sei, von
neuem geboren zu werden, aber Nikodemus war auf einer anderen
Wellenlänge. Er dachte an eine physische Wiedergeburt und konnte
sich nicht vorstellen, wie ein erwachsener Mann „wieder geboren
werden” könnte. Er hatte zwar deutlich gehört, was Jesus gesagt
hatte, aber er war völlig verwirrt und musste Jesus bitten, ihm zu
erklären, wie er das gemeint hatte.
Am Anfang unserer Ehe hatten meine Frau und ich ähnliche
Miss­
verständnisse. Wir gebrauchten manchmal dieselben Worte
mit verschiedener Bedeutung, sodass ich manchmal davon ausging,
dass wir uns in einer Sache einig waren, wobei das gar nicht der Fall
war. Ich ging also davon aus, dass wir uns einig waren und handelte
entsprechend, wobei ich mit der vollen Unterstützung meiner Frau
rechnete. Ich stellte erst später fest, dass unsere Absprache nicht so
202
Kapitel 11
Die Ohren auf Empfang
eindeutig gewesen war, wie ich gedacht hatte, weil ich eines meinte
und meine Frau meinte etwas ganz Anderes.
Wenn man Worte oder Ausdrücke unterschiedlich versteht, kann
das auch auf andere Weise problematisch sein. Zwei Menschen den­
ken, dass sie über ein bestimmtes Thema verschiedener Meinung
sind, wenn sie in Wirklichkeit dasselbe meinen. Frank gebraucht ein
Wort oder einen Ausdruck und meint damit etwas ganz Bestimmtes.
Dave fasst es anders oder extremer auf als Frank es gemeint hat, und
reagiert ablehnend. Weil Frank nicht bewusst ist, dass Dave ihn
falsch verstanden hat, versteht er nicht, warum dieser sich aufregt.
Er denkt, Dave ist einfach unvernünftig, und hat deshalb mit Frust
und Wut zu kämpfen.
Der zweite Schritt auf dem Weg zum besseren Verständnis des
anderen besteht darin, nach einer Bestätigung zu suchen, ob man
das Gesagte richtig verstanden hat. Schritte drei und vier sind,
herauszufinden, was der andere fühlt (3), und was er mit seinen
Worten bezwecken will (4). Je nach Stimmungslage und Absicht des
Sprechers können dieselben Worte verschiedene Dinge bedeuten.
Ich habe gehört, wie mein Sohn seine kleine Tochter manchmal
„eine dumme Gans” nennt. Für sich allein gestellt, könnte das wie
eine Herabsetzung klingen. Wenn man aber hört, wie mein Sohn
diese Worte gebraucht, weiß man, dass er dadurch seine Liebe und
Bewunderung für seine Tochter ausdrückt. Der Ton und die Wärme
in seiner Stimme zeigen eindeutig, wie sehr er sich an ihr freut.
Gute Zuhörer haben gelernt zu fragen: „Was empfindet der
Sprecher gerade und was will er durch sein Sprechen bezwecken?” Ich
sage z.B.: „Ich gehe.” Können diese Worte missverstanden wer­den?
Auf jeden Fall. Obwohl die Worte eigentlich leicht verständlich sind,
ist es für deren korrektes Verständnis wichtig zu berücksichtigen,
in welcher Stimmung ich mich befinde und zu welchem Zweck ich
diese Aussage mache. Von diesen Dingen hängt es ab, welche von
mehreren möglichen Bedeutungen die richtige ist.
Ich könnte einfach meine Familie darüber unterrichten, wo ich
mich befinde, falls ich gebraucht würde. Ich könnte diese Worte
auch mit einem einladenden, motivierenden Unterton sagen, weil
ich hoffe, dass meine Frau und meine Kinder mitkommen. Aber ich
203
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
könnte sie genauso gut zum Schutz, als Strafe oder aus Rache sagen,
weil ich vielleicht auf jemanden wütend bin, oder ich will Abstand
zu jemandem gewinnen, weil ich Angst davor habe, was er oder ich
tun könnte. Oder ich will jemandem sagen, dass ich so verletzt bin,
dass ich es in seiner Nähe nicht länger aushalte.
Zum guten Zuhören gehört eben, dass man sich bemüht, die
Ge­fühle und Absichten des Sprechers zu erkennen. Aber hier liegt
das Problem: Weil du und ich nicht allwissend sind (Joh. 2,24+25),
sollten wir über die Absichten einer anderen Person keine voreiligen
Schlüsse ziehen.
„Einem Toren ist es nicht ums Lernen zu tun, sondern darum, zu
enthüllen, was er weiß.” (Spr. 18,2) „Wer antwortet, bevor er gehört
hat, dem ist es Torheit und Schande.” (Spr. 18,13) „Das Herz des
Verständigen erwirbt Erkenntnis, und nach Erkenntnis trachtet
das Ohr der Weisen.” (Spr. 18,15) „Gehorche dem Rat…, damit du
künftig weise bist!” (Spr. 19,20) „Darum, meine geliebten Brüder,
sei jeder Mensch schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam
zum Zorn.” (Jakobus 1,19) „Die Liebe ist langmütig und gütig, die
Liebe beneidet nicht, die Liebe prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf; sie ist nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht
erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu; … sie erträgt alles, sie glaubt
alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.” (1.Kor. 13,4.5.7)
Menschen, die gute Zuhörer werden wollen, müssen die Prinzi­
pien dieser Bibelstellen auf ihr Zuhören anwenden. Christen müs­
sen bereit sein, sich durch die Gnade Gottes in Selbstbeherrschung
zu üben und durch harte Arbeit an sich selbst biblische Muster des
Zuhörens zu entwickeln, die sie befähigen werden zu hören und zu
verstehen.
Leider ist es schwer, Menschen zu finden, die sich tatsächlich die
Mühe machen, sich ihre schlechten Gewohnheiten abzugewöhnen.
Gutes Zuhören wird in die Kategorie „gut, aber nicht wirklich
notwendig” verdrängt. Durch mein Bibelstudium und meine
Be­
ratungs­
tätigkeit bin ich aber zu einer anderen Überzeugung
gelangt. Für den Christen, der eine starke Familie zur Ehre Gottes
gestalten will, ist das Studium guten Zuhörens ein Kernfach in
Gottes Schule des lebenslangen Lernens.
204
Kapitel 11
Die Ohren auf Empfang
Die klaren Anweisungen Gottes in der Bibel über das Zuhören
dürfen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Jesus
sagte: „Wer meine Gebote festhält und sie befolgt, der ist es, der
mich liebt…”; „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort
befolgen…” (Joh. 14,21.23) Weil gutes Zuhören ein Gebot Christi
ist, ist es auch eine Möglichkeit, dadurch unsere Liebe für ihn
auszudrücken. Die Liebe Christi für uns und unsere Liebe für ihn
bewegen uns dazu, unsere Fähigkeiten beim Zuhören zu verbessern.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine
Antworten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Beschreibe deine Reaktion auf den Inhalt dieses Kapitels.
a) Wie lauteten die wichtigsten Punkte über das Zuhören?
b) Gab es etwas, das für deine Beziehung zu deiner Familie oder
anderen eine besondere Herausforderung darstellt? Warum?
c) Gab es etwas, womit du nicht einverstanden warst?
2. Was ist mit dem Ausdruck gemeint „zuhören mit dem ganzen
Sein”?
3. Welches Prinzip über das Zuhören wurde durch das Beispiel
von Jesus und Maria in Johannes 11 verdeutlicht?
4. Wann und warum erfordert gutes Zuhören Selbstbeherr­
schung?
5. Warum ist Demut erforderlich, um gut zuhören zu können?
6. Was ist mit der Aussage gemeint: „Um wirklich zuhören zu
können, benötigen wir die Gesinnung eines Dieners”? Wie
kann man anderen Menschen dienen, indem man ihnen
zu­hört?
205
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
7. Wie zeigen sich Stolz und Demut in der Art, wie du anderen
zuhörst?
8. Was wollte Jesus damit andeuten, als er von Menschen sprach,
die hören und doch nicht hören?
9. Wie dieses Kapitel zeigt, ist ein wichtiger Aspekt guten
Zu­hörens die Fähigkeit, den anderen zu verstehen. Was sind
die vier Schritte, um den Sprecher besser verstehen zu lernen?
10. Welche Wahrheit über das Zuhören wird dadurch verdeutlicht,
wie Jesus das Wort „Tempel” gebrauchte?
11.Welche zwei Arten von Familienproblemen können daraus
entstehen, dass man davon ausgeht, dass bestimmte Worte
oder Ausdrücke für alle dasselbe bedeuten?
12.Was bedeutet es, darauf zu achten, was jemand mit seiner
Aussage beabsichtigt?
13.Weshalb muss man vorsichtig sein, wenn man versucht, die
Gefühle und Absichten eines Sprechers zu erkennen?
14. Welche Gefahr besteht, wenn man die Gefühle und Absichten
eines anderen falsch deutet?
15.Prüfe anhand der folgenden Liste deine Fähigkeiten als
Zu­hörer. Benutze diese Bewertungsskala: Tue ich meistens
(=4), tue ich oft (=3), tue ich manchmal (=2), tue ich selten
(=1), tue ich nie (=0). Sei ehrlich bei deiner Selbst-Beurteilung.
Wenn ich mich mit jemandem aus meiner Familie unterhalte,
(1) wende ich mich dem Sprecher zu.
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(2) drücke ich mit meinem Armen und Händen
Offenheit aus.
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(3) drücke ich durch meine Körperhaltung
Interesse aus.
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206
Kapitel 11
Die Ohren auf Empfang
(4) sehe ich den Sprecher direkt an.
(5) bin ich entspannt, nicht nervös.
(6) höre ich mit meinem Verstand zu.
(7) höre ich mit meinen Gefühlen zu.
(8) passe ich meine Antwort an die Stimmung des
anderen an.
(9) zwinge ich mich zum Zuhören, selbst wenn
ich müde bin.
(10) zwinge ich mich zum Zuhören, auch wenn ich
an dem Thema nicht sonderlich interessiert bin.
(11) zwinge ich mich zum Zuhören, auch wenn ich
mit dem Gesagten nicht einverstanden bin. (12) behalte ich beim Zuhören die Kontrolle über
meine Gefühle.
(13) zwinge ich mich zum Zuhören, selbst wenn ich
ermahnt oder zurechtgewiesen werde. (14) bin ich geduldig, langsam zum Zorn.
(15) habe ich meine Reaktion in der Gewalt.
(16) beherrsche ich nicht das Gespräch.
(17) gestatte ich dem anderen, über seine Interessen
und Sorgen zu reden.
(18) bin ich dankbar für Ratschläge und höre auf sie.
(19) erlaube ich anderen, ihre Meinung zu äußern,
ohne sie zu unterbrechen.
(20) ziehe ich keine voreiligen Schlüsse und gebe
keinen Rat, solange ich nicht aufmerksam
zugehört habe.
(21) bin ich mir bewusst, dass meine Sichtweise
voreingenommen sein könnte.
(22) begrüße und bitte ich um die Beiträge anderer.
(23) höre ich gerne zu.
(24) möchte ich anderen durch mein Zuhören dienen.
(25) ist mir bewusst, dass ich die Worte, die der
andere spricht, nicht unbedingt immer
korrekt verstehe.
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Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
(26) ist mir klar, dass wir mit denselben Worten oder
Ausdrücken nicht unbedingt dasselbe meinen.
(27) versuche ich, die Worte des anderen so zu
verstehen, wie er sie meint. (28) ist mir bewusst, dass meine Stimmung
beeinflussen könnte, wie ich die Aussage
des anderen deute.
(29) ist mir bewusst, dass meine Einschätzung der
Stimmungslage des Sprechers beeinflussen
könnte, wie ich seine Aussage deute.
(30) ist mir bewusst, dass meine Einschätzung der
Stimmungslage des Sprechers falsch sein könnte.
(31) weigere ich mich, dem anderen böse Absichten zu
unterstellen.
(32) lasse ich andere ausreden und ziehe keine
voreiligen Schlüsse.
(33) bestehe ich nicht darauf, dass ich weiß, was der
andere sagen will.
(34) bin ich mir bewusst, dass der andere viel besser
weiß, was er meint, als ich. (35) nutze ich die Zeit, während der andere spricht,
nicht dazu, um meine Antwort vorzubereiten.
(36) unterbreche ich den anderen nicht.
(37) kann ich das, was der andere gesagt hat, korrekt
zusammenfassen und wiedergeben. (38) lasse ich den anderen seine Geschichte
zu Ende erzählen.
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16.Beachte die Dinge, bei denen du 0, 1 oder 2 Punkte erreicht
hast. Denke darüber nach, sprich und bete darüber. Überlege
dir, wie du dich verbessern kannst.
208
Teil 3
Beziehungen pflegen,
wie es Gott gefällt
209
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
Warum schrieb Paulus an die Christen in Rom: „Ist es möglich, so­viel
an euch liegt, so haltet mit allen Menschen Frieden”? (Röm. 12,18)
Weil er wusste, dass sie zwischenmenschliche Probleme hatten.
Andere Bibelstellen sprechen denselben Gedanken an. „So lasst
uns nun nach dem streben, was zum Frieden und zur gegenseitigen
Erbauung dient” (Röm. 14,19). „Nehmt den Schwachen im Glauben
an, ohne über Gewissensfragen zu streiten” (Röm. 14,1). Paulus woll­
te damit sagen: „Brüder, ich weiß, dass ihr Aus­einander­setzun­gen
und Mei­nungs­ver­schiedenheiten habt. Aber lasst nicht zu, dass diese
Dif­fe­ren­zen einen Keil zwischen euch treiben.”
Dieses Thema greift Paulus in seinem ersten Brief an die Korin­ther
erneut auf. Nach einer kurzen Einleitung ist das erste Problem, das
Paulus anspricht, Streitigkeiten und Spaltungen: „Ich ermahne euch
aber, ihr Brüder, kraft des Namens unseres Herrn Jesus Christus,
dass ihr alle einmütig seid in eurem Reden und keine Spaltungen
unter euch zulasst, sondern vollkommen zusammengefügt seid
in derselben Gesinnung und in derselben Überzeugung.” (1.Kor.
1,10) Den Grund für diese Aufforderung erklärt er im nächsten
Vers: „Mir ist nämlich, meine Brüder, durch die Leute der Chloe
bekannt geworden, dass Streitigkeiten unter euch sind.” (1.Kor.
1,11) Die Beziehungen zwischen manchen Gemeindemitgliedern
waren angespannt. Sie schadeten dadurch ihrem Zeugnis in der
Welt. Diese Leute brauchten dringend Hilfe, um zu lernen, wie man
Konflikte löst.
Auch andere Briefe im Neuen Testament enthalten ähnliche Auf­
forderungen und zeigen, wie überaus wichtig es ist, Kon­flikte lö­sen
210
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
zu können. An die Galater schreibt Paulus: „Wenn ihr einander aber
beißt und fresst, so habt Acht, dass ihr nicht voneinander aufgezehrt
werdet!” (Gal. 5,15) An die Gläubigen, die unter den Nationen ver­
streut waren, schrieb Jakobus: „Die Frucht der Gerechtigkeit aber
wird in Frieden denen gesät, die Frieden stiften. Woher kommen
die Kämpfe und die Streitigkeiten unter euch? Kommen sie nicht
von den Lüsten, die in euren Gliedern streiten? Ihr seid begehrlich
und habt es nicht, ihr mordet und neidet und könnt es doch nicht
erlangen; ihr streitet und kämpft.” (Jakob 3,18-4,2) Jakobus schrieb
dies nicht einfach nur, um eine Weisheit weiterzugeben. Wir können
mit Sicherheit davon ausgehen, dass es zwischen den Menschen, an die
er schrieb, tatsächlich Streitigkeiten gab.
Leider ist die Situation heute nicht viel anders. Wir erleben immer
noch, wie Christen sich gegenseitig beißen und fressen – zu Hause
wie in der Gemeinde –, weil sie ständig streiten und kämpfen. In
vielen Familien, selbst bei Gläubigen, ist Unfriede der normale
Zustand.
Wie ist es bei dir und deiner Familie? Kämpfst du manchmal
gegen andere Familienmitglieder? Hast du schon einmal mit deinem
Vorgesetzten, deinen Kollegen, deinen Nachbarn oder Mitgliedern
deiner Gemeinde Streit gehabt? Ich bin sicher, es gibt keinen einzigen
Menschen, der dieses Buch liest, der noch nie mit jemandem
gestritten hat. Manche streiten mehr als andere. Aber wenn wir
ehrlich sind, werden wir alle zugeben müssen, dass wir schon mit
anderen Menschen Streit gehabt haben, auch in der eigenen Familie.
Meinungsverschiedenheiten sind unvermeidbar
Es kommt vor, dass Menschen zu mir sagen: „Wir sind nie derselben
Meinung. Wir können uns einfach nicht einigen. Das beweist doch,
dass unsere Ehe nicht von Gott gewollt war.” Ich antworte da­rauf,
dass Adam und Eva von Gott füreinander maßgeschneidert worden
waren – sie passten perfekt zusammen. Und doch wurden sie von­
einander enttäuscht. Adam beschuldigte Eva dafür, dass er von der
verbotenen Frucht gegessen hatte. Eva beschuldigte die Schlange. Sie
beschuldigten sogar Gott.
Rebekka und Isaak wurden auch auf besondere Weise von Gott
211
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
zusammengebracht. Gott führte den Diener Abrahams zu Rebekka,
als dieser eine Ehefrau für Isaak suchte (1.Mose 24). Aber wir lesen
im ersten Buch Mose, dass auch sie Auseinandersetzungen hatten.
Das bedeutete nicht, dass Gott einen Fehler gemacht hatte. Sie
mussten einfach lernen, sich zu vertragen.
Entgegen der landläufigen Meinung hängt der Unterschied
zwi­
schen einem glücklichen und einem unglücklichen Zuhause
nicht davon ab, ob man immer einer Meinung ist oder nicht. Der
einzige Unterschied ist, dass man sich in der einen Familie mit
den Konflikten auseinandersetzt und sie löst, während die andere
Familie dazu nicht in der Lage ist. Ein Lebensberater erklärt:
Lasst uns deshalb die dumme Vorstellung aufgeben, dass es
genauso ein Zufall ist, dass ein Mann eine Perle von Frau
findet, wie im Lotto zu gewinnen. Außerdem könnte es sich als
schwierig herausstellen, mit einer Perle zusammenzuleben, wenn
man sich selbst nicht zu derselben Kategorie zählt. Worauf es
wirklich ankommt, ist, dass man sich sein eheliches Glück
gemeinsam erarbeitet. Es ist ein Ziel, nach dem man streben
muss, nicht ein Privileg, das man gleich zu Beginn erhält …
So genannte „emotionale Unverträglichkeit“ ist ein Märchen,
das von Richtern erdacht wurde, denen die Argumente für die
Rechtfertigung von Scheidungen ausgegangen sind. Ebenso ist
sie eine gebräuchliche Ausrede, um die eigenen Schwächen zu
entschuldigen. Ich glaube einfach nicht an sie. Es gibt keine
„emotionale Unverträglichkeit“. Es gibt aber Missverständnisse
und Fehler, die man korrigieren kann, wenn der Wille dazu
vorhanden ist.6
Hier erklärt Paul Tournier auf realistische und biblische Weise
mehrere Wahrheiten über eheliches und familiäres Glück. Es ist
normal, dass die Mitglieder einer Familie zu einem gewissen Grad
Probleme damit haben einander zu verstehen. Das ist nicht anders
zu erwarten. Familiäres Glück stellt sich nicht von alleine ein, aber
durch harte Arbeit kann es erlangt werden.
6
Paul Tournier, To Understand Each Other (Atlanta, Ga.: John Knox Press 1974, S. 12-13)
212
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
„Wir haben uns noch nie gestritten”
Manche Menschen erheben Einwände und behaupten: „Wir haben
noch nie einen Streit in unserer Ehe oder Familie gehabt.” Solch eine
Behauptung unterstellt eine von zwei Möglichkeiten:
1. Sie haben Meinungsverschiedenheiten, sind aber zu ängstlich,
um diese zu äußern. Ich erinnere mich noch sehr gut an so einen
Fall. Ein älteres Paar kam zu mir in die Seelsorge, weil die Ehefrau
in tiefe Depressionen versunken war. Sie sah keinen Sinn mehr im
Leben. Sie saß oft einfach nur da und weinte.
Ich wollte mehr über ihre Beziehung zueinander herausfinden.
Deshalb bat ich sie, mir etwas über ihre Ehe zu erzählen. Sie sah zu
ihrem Mann hinüber und erwiderte: „Mein Mann und ich haben
uns noch nie gestritten.” Ihr Mann nickte zustimmend.
„Sie wollen behaupten, sie sind seit fünfundvierzig Jahren ver­
heiratet und haben noch nie Meinungsverschiedenheiten mit ihrem
Mann gehabt? Sie waren sich immer absolut einig?”
„Oh, ich hatte schon manchmal eine andere Meinung, aber wir
haben nie gestritten.”
„Wie erklären Sie sich das?”
Sie sah wieder schüchtern zu ihrem Mann hinüber und antwortete
dann kleinlaut: „Wir streiten uns nicht, weil ich meine Meinung für
mich behalte. Am Anfang unserer Ehe sagte er immer, wenn ich
anderer Meinung war als er: „Lass uns nicht streiten! Ich mag kei­nen
Streit.” Daraus lernte ich, dass wir uns viel besser vertragen, wenn
ich meine Meinung für mich behalte.”
Diese Frau behauptete zwar, dass sie mit ihrem Mann noch
nie einen Streit gehabt hatte, aber in Wirklichkeit hatten sie noch
nie äußerlich gestritten. Sie unterdrückte ihre Gedanken, um den
Frieden in der Familie zu wahren. Seit fünfundvierzig Jahren lebte
sie in stiller Unruhe. Obwohl sie intelligent genug war, um eigene
Entscheidungen zu treffen und zu eigenen Ergebnissen zu gelangen,
fühlte sie sich nie frei, ihrem Mann ihre Gedanken mitzuteilen. Dass
sie sich immer einig waren, war eher eine Wunschvorstellung als eine
Tatsache.
2. Die andere Möglichkeit, bei der Leute behaupten, dass sie nie
streiten, ist erfreulich. Das Paar hat Meinungsverschiedenheiten,
213
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
löst sie aber, bevor daraus ein Streit entsteht. Eine Meinungs­ver­
schiedenheit ist genau das – man hat eben verschiedene Mei­nun­
gen zu einem Thema. Aber wenn man sich über eine Meinungs­
verschiedenheit streitet, werden unsere Gefühle und Beziehungen
stark beeinträchtigt. Manche Menschen lernen, Streit zu vermeiden,
indem sie Meinungsverschiedenheiten auf eine biblische Art be­­geg­
nen. Diese Leute sind keine Kopien voneinander, sondern gehen mit
Meinungsverschiedenheiten so um, dass daraus kein Streit entsteht.
Die Qual der Uneinigkeit
Sowohl die Bibel als auch historische Berichte und persönliche
Er­
fah­
rungen zeigen, dass Unstimmigkeiten in zwischenmensch­
lichen Beziehungen unvermeidbar sind. Dein persönliches Glück
hängt davon ab, wie du mit Meinungsverschiedenheiten umgehst.
Die Heilige Schrift sagt: „Siehe, wie fein und wie lieblich ist’s, wenn
Brüder in Eintracht beisammen sind!” (Ps. 133,1) Das Gegenteil ist
genauso wahr. Die meisten Menschen sind sich wohl einig, dass es
kein größeres Leid gibt als ungelöste Konflikte in der Familie.
Eine gute Bekannte überstand eine schwierige Zeit intensiver
Schmerzen und Unsicherheiten mit Bravour. Sie blieb emotio­nal
stabil, als sie ihr Leben beinahe verlor, als die Gefahr bestand, dass
sie ihre Unabhängigkeit verlieren könnte, als Familienangehörige
star­ben und bestimmte Mitglieder ihrer Familie mit erheblichen
Proble­men zu kämpfen hatten. Als sich aber eine Meinungs­ver­schie­
den­heit zwischen ihr und ihrem Mann ergab, die sie anscheinend
nicht ausräumen konnten, versank sie in tiefe Depressionen. Diese
Uneinigkeit wirkte sich auf ihr persönliches Glück stärker aus als
alles andere.
Deine Art, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen be­
ein­
flusst auch deine Arbeitsleistung. Viele begabte, gebildete Men­schen
mü­hen sich in ihrem Berufsleben umsonst ab, weil sie zu anderen
Men­schen keine Beziehung aufbauen können. Eine Bekannte von
mir hatte innerhalb von neunzehn Jahren neunzehn verschiedene
Arbeits­stellen. Jedes Mal, wenn sie eine neue Stelle antrat, dachte
sie, sie könnte endlich glücklich sein, aber schon bald hatte sie mit
ihrem Chef oder einem Kollegen eine Meinungs­
ver­
schieden­
heit.
214
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
Es dauerte nicht lange, bis sie unzufrieden wurde und nach einer
neuen Arbeitsstelle suchte. Als sie vierzig Jahre alt war, bekam sie
schwere Depressionen, weil sie ihr Leben betrachtete und merkte,
dass sie nicht viel erreicht hatte. Sie hatte zwar viel Potenzial, aber
ihr Unvermögen, mit Konflikten umzugehen, schränkte sie in ihrer
Karriere stark ein.
Auch im christlichen Dienst ist es wichtig, mit Konflikten
richtig umgehen zu können. Als ich Bob und Mary kennen lernte,
war Bob seit zwanzig Jahren Pastor gewesen. In dieser Zeit hatte
er sechs verschiedene Gemeinden geleitet und Mary hatte fünf
„Nervenzusammenbrüche” erlitten. Sie kamen in meine Beratung,
weil Mary kurz vor einem weiteren Nervenzusammenbruch stand.
Nachdem ich einiges über sie in Erfahrung gebracht hatte, stell­
te sich heraus, dass ihre Nervenzusammenbrüche immer dann
auftraten, wenn sich in der Gemeinde ernsthafte Probleme an­bahn­
ten. Meistens handelte es sich darum, dass der Pastor oder seine
Frau oder eines der Kinder irgendetwas getan hatten, womit
eine Gruppe von Gemeindemitgliedern unzufrieden waren. Mary
konnte mit diesen Schwierigkeiten nicht umgehen. Während sie
da­rüber grübelte, fühlte sie sich innerlich verletzt, verunsichert, ein­
geschüchtert und entmutigt. Äußerlich aber tat sie so, als sei alles
in bester Ordnung, und versuchte, den Leuten, die sich so un­ver­
nünftig und undankbar benahmen, einfach aus dem Weg zu gehen.
Mit der Zeit wurde der innere Druck so stark, dass sie schließlich
durchdrehte.
Bob reagierte ganz anders auf solche Probleme. Mary war ein
„In-sich-hinein-Fresser”, ein „Unterdrücker”. Bob dagegen war ein
„Zur-Rede-Steller”. Wenn sich Streit anbahnte, nahm er eine klare
Haltung ein und erklärte immer wieder vorsichtig, aber bestimmt,
warum seine Meinung richtig und die der anderen falsch war.
Schließlich hatten die Leute drei Möglichkeiten: Entweder sie gaben
auf, oder sie bildeten einen Gegenpol zu Bob oder sie verließen die
Gemeinde. Wenn sich zu viele Leute für eine der letzten beiden
Möglichkeiten entschieden, verließen die Smiths schließlich selbst
die Gemeinde und suchten sich eine andere.
Bob und Mary zerstörten ihr persönliches Glück durch ihre sün­dige
215
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Art, mit Meinungsverschiedenheiten umzugehen. Und nicht nur das,
sie konnten dadurch auch Christus nicht mehr effektiv die­nen. Sie
waren beide sehr begabt und hätten sehr viel dazu beitragen können,
andere Christen zu erbauen. Leider konnten sie keinen gro­ßen Beitrag
leisten, weil sie mit Konflikten nicht richtig umgehen konnten.
Der Segen des Friedens
Die Bibel sagt: „Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird in Frieden
denen gesät, die Frieden stiften.” (Jak. 3,18) Willst du in deiner
Familie die Frucht der Gerechtigkeit säen und ernten? Jakobus
sagt, dass man das nicht erwarten kann, wenn in einem Haus stän­
dig gestritten und gekämpft wird. Es geschieht in Familien, wo
Friedensstifter fortwährend Frieden säen. Sie werden die Frucht der
Gerechtigkeit ernten.
Psalm 133 betont denselben Gedanken. Er vergleicht die Einigkeit
in der Familie mit dem Salböl, das auf Aaron ausgegossen wurde, als
er zum Priesterdienst geweiht wurde (2.Mose 29,7; 30,25). Damit
war er offiziell für den Dienst des Herrn geweiht. Der Psalmist
sagt, dass, wenn wir die Einigkeit bewahren (durch das Verhindern
und Lösen von Konflikten), wir genauso wie Aaron für den Dienst
des Herrn abgesondert sind. In einer friedlichen und einträchtigen
Atmosphäre kann Gott uns in besonderer Weise segnen und ge­brau­
chen.
Ein anderer Ausdruck in diesem Psalm weitet diesen Gedanken
noch weiter aus. Der Frieden und die Einheit zwischen Brüdern wird
verglichen mit dem „Tau des Hermon, der herabfließt auf die Berge
Zions” (Psalm 133,3). Zwischen den Regenzeiten im Frühjahr und
im Spätsommer regnete es in Palästina wenig. Wenn die Früchte
wachsen sollten, benötigten sie zusätzliches Wasser. Glücklicher­
weise bildete sich in manchen Gegenden in Palästina ein starker
Tau, wenn kein extremes Wetter herrschte. Nirgends war dieser Tau
stärker ausgeprägt als auf dem Berg Hermon. Folglich brachten die
Felder in dieser Gegend meistens eine reiche Ernte.
Genauso segnet Gott die Menschen (einzelne Personen, ganze
Familien und Gemeinden) reichlich, die in Einigkeit zusammen­
leben. Um diese Menschen herum kann Trockenheit herrschen und
216
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
böse Mächte können sich gegen das Werk des Herrn stellen, aber
in ihren Beziehungen zu Hause und außerhalb segnet Gott sie mit
der Frucht der Gerechtigkeit.
Die drei Phasen der Ehe
Jemand hat einmal behauptet, dass die meisten amerikanischen Ehen
drei Phasen durchlaufen. Phase 1 ist Rausch bzw. Verzauberung.
Das ist die Zeit des Werbens und die erste Zeit der Ehe, wenn die
Romantik noch vorherrscht. Alles ist wunderbar und der Partner
kann nichts falsch machen. Das Paar glaubt, dass die kleinen Fehler
oder Unterschiede ihre Beziehung nicht beeinträchtigen können.
Phase 2 ist Realität bzw. Auseinandersetzung, wo Paare feststellen
müssen, dass sie nicht immer derselben Meinung sind. Langsam
stellen sie fest, dass sie nicht sich selbst geheiratet haben. Sie merken,
dass der andere echte Fehler hat und dass sie zu manchen Themen
sehr unterschiedliche Sichtweisen vertreten. Langsam (oder bei man­
chen auch schneller) kommt es zu Streitigkeiten zwischen ihnen.
Aus dieser Phase der Realität bzw. Auseinandersetzung bewegen
sich die Paare schließlich weiter in eine von drei Richtungen.
Manche Paare stellen fest, dass sie ihre Unterschiede nicht über­
winden können und bewegen sich in Richtung Scheidung. Andere
bewegen sich in einen unglücklichen Dauerzustand, wo sie nur
noch nebeneinander her leben. Die dritte Gruppe lernt, mit ihren
Meinungsverschiedenheiten umzugehen und Konflikte zu ver­hin­
dern oder zu lösen. Folglich entwickeln sie eine reifende Beziehung.
Für sie stellen Meinungsverschiedenheiten in der Ehe oder Familie
eine Gelegenheit dar, um biblische Prinzipien anzuwenden und zu
üben. Sie ernten die Früchte der Gerechtigkeit, weil sie die wichtige
Fähigkeit erlernt haben, Konflikte zu lösen.
Aber die Frage ist: Wie wird man ein Friedensstifter anstatt eines
Kriegstreibers? Was gehört dazu, Streitigkeiten auf biblische Art zu
vermeiden und zu beheben? Ein wichtiger Teil davon ist einzusehen,
dass Meinungsverschiedenheiten unvermeidbar sind und oft zu
Konflikten führen. Eine klare Antwort auf die Frage zu haben:
„Woher kommen die Kämpfe und die Streitigkeiten unter euch?”
(Jak. 4,1), ist ein erster Schritt.
217
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Ursachen für Auseinandersetzungen
Die Mitglieder einer Familie unterscheiden sich in ihrer Per­
sön­
lichkeit, ihren Sichtweisen, Werten, Gaben und Fähigkeiten,
In­
te­
ressen, Vorlieben, Abneigungen, ihrem Bildungsgrad, ihrer
In­tel­li­genz und Erziehung. Diese Unterschiede begünstigen oft Mei­
nungs­verschiedenheiten und Missverständnisse, die zu Strei­tig­keiten
führen können. Das Anderssein kann deshalb oft zu Aus­ein­ander­
setzungen in der Familie beitragen.
Weil Gott uns verschiedene Gaben und Talente geschenkt hat
(Röm. 12,4-6), haben wir vielleicht ein stärkeres Interesse an
be­
stimmten Dingen als andere Familienmitglieder. Wir meinen,
dass sich jeder für diese bestimmte Sache so stark engagieren sollte,
wie wir es tun. Wenn das nicht geschieht, werden wir vielleicht
aufdringlich und geben ihnen das Gefühl, dass mit ihnen etwas
nicht stimmt, weil sie nicht so begeistert sind wie wir.
Auch unterschiedliche Arten der Entscheidungsfindung können
zu Spannungen in der Familie führen. Manche Menschen treffen
ihre Entscheidungen sehr schnell, andere brauchen länger. Manche
können eine Situation schnell einschätzen und eine schnelle Ent­
scheidung treffen, um keine Zeit zu verlieren. Andere analysieren
und analysieren wieder, warten und sammeln neue Fakten, bevor
sie eine Entscheidung treffen, um nichts zu überstürzen. Die erste
Gruppe könnte die Geduld mit der zweiten verlieren, während die
zweite sich von der ersten gehetzt fühlen könnte, und so können
Spannungen zu Auseinandersetzungen führen.
Ein 65-jähriges Paar lebte seit Jahren in ständigem Streit. Es war
offensichtlich, dass sie in vielen Dingen sehr unterschiedlich waren,
vor allem aber in dem Tempo, mit der sie ihr Leben lebten. Die Frau
war mit fünfundsechzig noch sehr aktiv. Sie war immer in Eile,
arbeitete in Vollzeit als Krankenschwester und verschwendete keinen
Gedanken daran, in Rente zu gehen. Ihr Mann hingegen war das
genaue Gegenteil und schon immer so gewesen. Er war langsam –
sehr, sehr langsam. Wenn er sich bewegte, kam er kaum voran. Es
schien, das Einzige, das er schnell tun konnte, war, müde zu werden.
Er hatte seine Vollzeit-Arbeitsstelle schon vor langer Zeit aufgegeben.
Wenn seine Frau morgens das Haus verließ, bat sie ihn, be­stimm­te
218
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
Dinge im Haus zu erledigen, worauf er mit einem „Aha” ant­wortete.
Wenn sie wiederkam, stellte sie fest, dass vieles unerledigt geblieben
war. Jedes Mal, wenn das passierte, regte sie sich stärker auf. Er
versprach, sich zu bessern, tat es aber nie zu ihrer Zufriedenheit.
Schließlich steigerte sich ihre Wut dermaßen, dass sie tatsächlich
das Schlachtermesser ergriff und ihn durch das Haus jagte!
Pünktlichkeit ist ein anderer Bereich, in dem sich Menschen
unterscheiden. Für manche ist es sehr wichtig, pünktlich zu
erscheinen. Termine müssen eingehalten werden, koste es, was es
wolle. Für andere ist Pünktlichkeit nicht so wichtig. Solange sie in
etwa um die abgesprochene Uhrzeit erscheinen oder wenigstens,
bevor die Veranstaltung beendet ist, ist für sie alles in Ordnung.
Flexibilität und die Berücksichtigung verschiedener anderer Be­dürf­
nis­se ist für sie wichtiger als pünktlich zu sein.
Sogar eine Sache wie die Essenszubereitung kann zu Un­stim­
mig­keiten in der Familie führen. Ein Arzt und seine Frau erlebten
schwer wiegende Probleme in ihrer Ehe. Sie hatten zwar wegen
vielen verschiedenen Dingen Streit, aber eine der stärksten Aus­
einandersetzungen hatte damit zu tun, wie das Essen vorbereitet
werden sollte. Wegen seiner hohen Cholesterinwerte dachte er, sie
sollte alles mit Wasser kochen. Sie war aber der Meinung, dass sie nur
die richtigen Ölsorten wählen musste. Außerdem sah sie die Küche
als ihr Reich an und es gefiel ihr nicht, dass er ihr vorschreiben
wollte, was sie in ihrem Kompetenzbereich tun und lassen sollte.
Unterschiede in Alter, Erziehung, Prioritäten, Werten und Er­­
fah­
rung sind die Gründe für unterschiedliche Sichtweisen von
El­tern und Kindern. Im Umgang mit ihren Kindern müssen El­­
tern diese Alters- und Erfahrungsunterschiede berücksichtigen. Sie
müssen an die Worte des Paulus denken: „Als ich ein Un­mündi­
ger war, redete ich wie ein Unmündiger, dachte wie ein Un­mün­
diger und urteilte wie ein Unmündiger; als ich aber ein Mann
wurde, tat ich weg, was zum Unmündigsein gehört.” (1.Kor. 13,11)
Eltern dürfen nicht vergessen, dass es die Sichtweise der Kinder und
die Sichtweise der Eltern gibt.
Es gibt unzählige Bereiche, in denen sich die Angehörigen einer
Familie unterscheiden können. Ich habe gerade einige Beispiele
219
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
aus­führlicher dargestellt. In der folgenden Liste habe ich einige der
häufigsten Gründe zusammengestellt, warum es in Familien zu
Meinungsverschiedenheiten kommen kann:
1. Verständnis von Ehe- und Familienverhältnissen
2. Die Rollen und Verantwortungsbereiche von Ehemann und
Ehefrau
3. Berufliche Ziele
4. Grenzen zwischen Familienmitgliedern (Teilen, Privatsphäre,
Freiheit, Individualität, Beisammensein, etc.) und zu Per­
sonen außerhalb der Familie
5.Finanzen
6. Vorlieben für Freizeitaktivitäten
7. Gottesdienstbesuche und Engagement in der Gemeinde,
geist­liche Überzeugungen
8. Erwartungen bezüglich der Anzahl der Kinder, zeitliche
Abstände zwischen den Kindern, Verhältnis zu den Kindern,
Gründe für den Kinderwunsch, Erziehungsfragen, ob die
Kinder wichtiger sind als der Ehepartner
9. Wie sehr man seine Gefühle zeigt und auf welche Art
10. Gesellschaftliche Beziehungen, Freundschaften
11.Sexualleben
12.Was zu anständigem Benehmen, guten Sitten, Etikette gehört
13.Weltanschauung
14. Beziehung zu Eltern und Schwiegereltern
15. Werte und Ziele
16. Wie man größere und manchmal auch kleinere Entscheidun­
gen trifft
17. Hausarbeit; was man unter einem sauberen Haus versteht und
wer dafür verantwortlich ist
18. Wie viel Zeit man miteinander verbringt
19.Familienandachten, Gebet, Bibelstudium (Ja? Was? Wie?
Wann? Wie viel?)
20.Unterkunft: Kaufen oder mieten; Wartung und Möblierung
Selbst in den besten Familien kommt es vor, dass man mal
220
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
verschiedener Meinung ist. Das ist eine Tatsache. Stell dich darauf ein
und lass dich dadurch nicht ins Schleudern bringen. Sei dir darüber
im Klaren, dass nicht alles schwarz oder weiß ist; manche Dinge
sind nur verschieden. Sei aber auf der Hut, denn Verschiedenheiten,
mit denen nicht angemessen umgegangen wird, können einen
harmonischen Haushalt sehr schnell in eine Kriegszone verwandeln.
Den Konflikt an der Wurzel packen
Was ist denn der Grund dafür, dass Meinungsverschiedenheiten so
leicht zu Konflikten führen können? Die Bibel sagt, dass wir deshalb
streiten, weil in uns verschiedene Wünsche miteinander kämpfen;
weil wir etwas haben wollen, das wir nicht bekommen können
(Jakobus 4,1-3). Anders ausgedrückt: Verschiedenheiten führen oft
zu Konflikten, weil wir selbstsüchtig sind. Wir wollen, dass unsere
Familie die Dinge genauso sieht wie wir, glaubt, was wir glauben,
sich so benimmt, wie wir es haben wollen, und tut, was wir von
ihr verlangen. Und wenn sie nicht mitmacht, sind wir frustriert.
Unser Egoismus führt dann zu einer sündhaften Reaktion. Wir
versuchen, die anderen durch Nörgeln, Schreien oder unentwegtes
Argumentieren zur Zustimmung zu zwingen. Vielleicht rasten wir
aus und strafen sie mit Worten oder sogar mit Schlägen. Vielleicht
setzen wir auch etwas mildere Methoden ein, um sie umzustimmen
oder sie zu bestrafen, weil sie uns nicht zustimmen. Wir schmollen,
ziehen uns zurück, weinen, senden böse Blicke, schweigen, trotzen
oder werden verschwenderisch. Weil unsere Wünsche nicht erfüllt
werden, versuchen wir, die Situation in den Griff zu bekommen und
fangen an zu streiten.
Denk an deine eigenen Erfahrungen. Vielleicht wünschst du dir
mehr emotionale Unterstützung, Respekt, Lob, Bestätigung oder
Zuneigung von deinen Familienangehörigen. Vielleicht hättest
du gerne mehr Hilfe im Haushalt und hast das Gefühl, dass du
ausgenutzt wirst. Oder du hast Wünsche im geistlichen Bereich,
zum Beispiel, dass jemand dein Bibelverständnis teilt oder derselben
Ansicht ist, was richtig und was falsch ist, oder dass jemand seinen
Wandel mit dem Herrn verbessert. Wie reagierst du, wenn du deinen
Willen nicht bekommst? Und warum reagierst du so?
221
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Jakobus entlarvt alle fromme Heuchelei und geht unseren
zwischenmenschlichen Konflikten auf den Grund. Er erklärt sehr
direkt und einleuchtend, dass das brennende Verlangen, die eigenen
Wünsche zu erfüllen, das eigentliche Problem darstellt und zu
Konflik­
ten in der Familie führt. Jakobus sagt eigentlich: „Ihr
streitet und kämpft, weil ihr selbstsüchtig seid. Ihr lasst euch
von falschen Motiven leiten. Euch geht es nicht wirklich darum,
Gott zu ehren oder für andere das Beste zu tun. Euch geht es
hauptsächlich um euch selbst, euren Ruf, euer eigenes Vergnügen.
Um euren Willen durchzusetzen, versucht ihr sogar, Gott und eure
Familienangehörigen zu manipulieren.” (vgl. Jak. 4,1-3)
Konflikte um der Gerechtigkeit willen
Manchmal entstehen Spannungen aus einem gänzlich anderen
Grund. Die Bibel sagt, dass wir manchmal auf Widerstand stoßen
werden, weil wir für die Gerechtigkeit einstehen. „Glückselig sind,
die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden… Glückselig seid
ihr, wenn sie euch schmähen und verfolgen und lügnerisch jegliches
böse Wort gegen euch reden um meinetwillen!” (Matt. 5,10-11)
Christen müssen mit Widerstand in der Gesellschaft rechnen.
Aber Jesus warnt uns auch vor ähnlichen Schwierigkeiten innerhalb
der Familie. „Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien
mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die
Schwie­ger­tochter mit ihrer Schwiegermutter; und die Feinde des
Menschen werden seine eigenen Hausgenossen sein.” (Matt. 10,3536) Gelegentlich wird es in der Familie zu Disharmonien kommen,
weil einer (der Ehemann, die Ehefrau, ein Elternteil oder ein Kind)
für die Gerechtigkeit einsteht und ein anderer dieser Gerechtigkeit
gegenüber feindselig gesinnt ist.
Abels Gerechtigkeit zog den Zorn Kains auf sich (1.Mose 4). Aus
demselben Grund bekam Joseph den Hass seiner Brüder zu spüren
(1.Mose 37). Es kann also auch in der Familie eines Gläubigen
vorkommen, dass sich jemand über seine Überzeugungen ärgert.
Vielleicht bist du es sogar, der durch die christlichen Über­zeugungen
oder das biblische Handeln eines Familienmitglieds gelegentlich aus
der Fassung gebracht wird. Leider sind wir diesseits des Himmels
222
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
alle anfällig dafür, uns dem Willen Gottes zu widersetzen und uns
über andere zu ärgern, die versuchen, ihm gehorsam zu sein.
Zum Beispiel: Meine Frau hat den Wunsch, nach dem Gottes­
dienst einer bedürftigen Person zu helfen. Carol merkt, dass diese
Person tiefen Schmerz empfindet und sie will ihr die Last tragen
helfen und ihr Ermutigung zusprechen. Sie sieht es als eine Tat
der Gerechtigkeit und sie hat Recht! Sie bittet mich um meine
Zustimmung, die ich ihr äußerlich auch gebe, aber nicht innerlich.
Ich denke nicht an den Auftrag Jesu oder die Bedürfnisse dieser
Person. Ich denke nur daran, dass ich endlich nach Hause will. Ich
habe Hunger. Ich hatte eine anstrengende Woche. Ich will meine
bequemen Sachen anziehen und mich entspannen.
Als sie endlich (fünfzehn Minuten später) zum Auto kommt,
lasse ich sie so oder anders merken, dass ich damit nicht einver­stan­
den bin, was sie getan hat. Was geschieht hier? Wir haben einen
Konflikt, weil Carol jemandem im Namen Jesu helfen wollte, und
ich bin verärgert über sie, weil sie das Richtige getan hat.
Ja, es kann zu Uneinigkeit in der Familie kommen, weil einer
das Richtige tun will, und der andere ist, zumindest zeitweilig,
dagegen. Ich wünschte, ich könnte behaupten, dass ich jedes Mal
für Christus Stellung nahm, wenn ich einen Streit mit je­
man­
dem aus meiner Familie hatte. Aber oft war der Grund für unse­
ren Zusammenstoß meine egoistische Reaktion auf Meinungs­
verschiedenheiten oder auf die Rechtschaffenheit des anderen.
Allzu oft habe ich mich dessen schuldig gemacht, was Jakobus
ver­urteilt. Ich wollte etwas und bekam es nicht. Oh, ich könnte
alle geistlichen Gründe der Welt anführen, warum meine Wünsche
angebracht waren und so meine Verärgerung rechtfertigen. Aber
die Wahrheit ist, dass ich mehr für meine Selbstsucht litt als für die
Glaubensgerechtigkeit.
Und was auf mich zutrifft, ist auch bei anderen oft der Fall.
Durch die Art meines Dienstes bin ich ständig damit be­schäftigt,
Leuten zu helfen, die Probleme in ihrer Familie haben. Manche
von ihnen leiden tatsächlich wegen ihrer Glaubensgerechtigkeit.
Sie brauchen Ermutigung, Unterstützung, Bestätigung, Gebet,
An­nahme und Mitgefühl. In anderen Fällen stelle ich fest, dass der
223
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Unfriede durch Selbstsucht verursacht wird, durch unvernünftige
Erwartungen, eine do­
mi­
nierende Haltung, durch den Wunsch,
andere zu kontrollieren, durch Eifersucht, Übereifer, Gefühllosigkeit,
unbiblische Motive, Vergnügungssucht, Selbst-Vergötterung und
einem von Gefühlen geleiteten Lebenswandel.
Solche Leute brauchen keine Ermutigung, um ihre Einstellung
beizubehalten. Sie müssen sanft zur Buße und zum Bekenntnis ihrer
Sünden gerufen werden. Sie müssen darauf hingewiesen werden,
dass sie Jesus Christus um Vergebung ihrer Sünden und um Kraft
für einen Richtungswechsel für ihr Leben bitten müssen. Durch
die Kraft des innewohnenden Heiligen Geistes müssen sündhafte
Überzeugungen und Handlungen abgelegt und biblische (Christus
ähnliche) Überzeugungen und Handlungen antrainiert werden.
Streit in der Familie vermeiden
Wie vermeidet und löst man Konflikte in der Familie? Zunächst
muss man sich dessen bewusst sein, dass jede Meinungs­verschie­den­
heit zwischen zwei Menschen sehr schnell zum Streit führen kann.
Je enger die Beziehung, desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass
es zu Auseinandersetzungen und Unstimmigkeiten kommt. Damit
das in deiner Familie nicht passiert, solltet ihr feststellen, in welchen
Dingen ihr euch ähnelt und in welchen ihr euch unterscheidet.
Kehrt eure Verschiedenheiten nicht unter den Teppich. Legt sie offen
und sprecht ausführlich darüber.
Versucht dann, den Grund herauszufinden, warum diese Ver­
schiedenheiten so leicht in Streit ausarten. Seid ehrlich vor Gott.
Fragt jeder sich selbst: Stören mich diese Unterschiede und Mei­
nungs­
verschiedenheiten deshalb so sehr, weil ich egoistisch bin?
Ist es, weil ich meinen eigenen Willen durchsetzen will und die
an­dere Person sich nicht fügen will? Bin ich neidisch? Habe ich
un­christliche Motive?
Untersuche anhand der Bibel, was sich in deinem Leben und
deinen Beziehungen tut. Wenn du feststellst, dass deine innere
Haltung, deine Gedanken, Gefühle und Handlungen unbiblisch
sind, dann steh dazu. Versuche nicht, die Schuld auf jemand
an­deren zu schieben oder dich zu rechtfertigen, sondern bekenne
224
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
dei­ne Sünden und bitte den Herrn um Vergebung. Sieh auf ihn
und vertraue ihm, dass er euch helfen wird, eure Differenzen und
Meinungsverschiedenheiten auf christliche, konstruktive Art zu
lösen. Durch die Macht Gottes kann Disharmonie in der Familie in
Harmonie verwandelt werden.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine
Antworten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1.Beschreibe, wie du normalerweise auf Meinungs­
ver­
schiedenheiten und Konflikte reagierst. Untersuche die
jeweilige innere Haltung, die zu diesen Reaktionen führt.
2. Was sagt die Bibel dazu, wie einfach oder schwierig es
ist, mit anderen auszukommen? Belege deine Antwort mit
Bibelstellen.
3. Bist du mit der Aussage von Paul Tournier über emotionale
Unverträglichkeit einverstanden? Warum bzw. warum nicht?
Begründe deine Antwort anhand der Bibel.
4. Stimmst du der Aussage zu, dass Meinungsverschiedenheiten
unvermeidbar sind? Warum sind sie unumgänglich?
5. Was könnte tatsächlich vor sich gehen, wenn Menschen,
die zusammen leben, behaupten, noch nie eine Meinungs­
verschiedenheit oder einen Konflikt gehabt zu haben?
6. In diesem Kapitel wurden verschiedene Gründe genannt,
warum es wichtig ist, Konflikte zu lösen. Welche sind es? Finde
passende Bibelstellen. Füge deine eigenen Begründungen hin­
zu. Nenne Beispiele aus der Bibel, Geschichte, Literatur und
deinem eigenen Leben für die lähmenden Auswirkungen
ungelöster Konflikte.
225
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
7. Beschreibe einige Meinungsverschiedenheiten und Konflikte,
die du mit jemandem aus deiner Familie gehabt hast. Stelle
mit Hilfe der Informationen aus diesem Kapitel fest, was die
jeweilige Ursache für die Meinungsverschiedenheit war und
warum daraus ein Streit wurde.
8. Fülle den Persönlichkeitstest aus (siehe unten). Bewerte jeden
Einzelnen aus deiner Familie. Wem von ihnen ähnelst du am
meisten? Von wem unterscheidest du dich am stärksten? Mit
wem verträgst du dich am besten? Mit wem am schlechtesten?
Wie haben die Ähnlichkeiten und Verschiedenheiten die
Beziehungen innerhalb deiner Familie beeinflusst?
9. Führe die Konflikt-Analyse durch (unter dem Persönlich­
keitstest). Mit wem aus deiner Familie streitest du am ehesten?
Weißt du, warum das so ist? Wie haben diese Streitigkeiten
die Beziehungen zu diesen Personen beeinflusst? Wie haben
sich diese Konflikte auf die ganze Familie ausgewirkt?
Persönlichkeitstest
Bewerte dich selbst und alle anderen Mitglieder deiner Familie. Gib
jedem 0-4 Punkte für jede Eigenschaft, wobei 4 die höchste und
0 die niedrigste Punktzahl ist. Wenn du z.B. sehr geduldig bist,
gib dir eine 4 für „geduldig”. Wenn du überhaupt keine Geduld
hast, gib dir eine 0. Wenn du irgendwo dazwischen liegst, bewerte
dich mit 1, 2 oder 3 (K. = Kind). Kreise die Eigenschaften ein, bei
denen ihr mehr als 1 Punkt auseinanderliegt. Sprecht darüber, wie
sich die Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf eure Beziehungen
auswirken.
Eigenschaften
Punkte: Du / Partner / K.1 / K.2 / K.3 / K.4
geduldig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
entgegenkommend
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
stur
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
schnell gereizt ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
226
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
nachtragend
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
versöhnlich
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
dominant
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
egozentrisch
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
sanftmütig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
aufdringlich
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
kann gut zuhören
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
vernünftig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
rücksichtsvoll, aufmerksam
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
Einzelgänger ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
depressiv
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
offen
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
ausdrucksstark
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
praktisch
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
tüchtig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
ordentlich, organisiert
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
ausgefallen
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
zuverlässig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
liebevoll
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
sportlich
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
ehrgeizig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
angenehme Stimme
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
musikalisch
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
kleidet sich geschmackvoll
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
vergesslich
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
faul
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
kontaktfreudig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
impulsiv
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
künstlerisch begabt
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
ruhig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
konventionell
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
Naturliebhaber
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
verschwenderisch
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
Initiator
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
sicher, zuversichtlich
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
großzügig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
aggressiv
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
pünktlich ___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
227
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
anpassungsfähig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
unternehmungslustig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
entschlussfreudig
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
sentimental
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
schiebt auf die lange Bank
___ / ___ / ___ / ___ / ___ / ___
Konflikt-Analyse
Trage in die Liste ein, wie sehr du mit den einzelnen Mitgliedern
deiner Familie bei den aufgeführten Themen übereinstimmst.
Be­nutze die folgende Bewertungsskala:
1 = sind uns immer einig
2 = sind uns oft einig
3 = sind uns manchmal einig
4 = sind uns oft nicht einig
5 = sind uns meistens nicht einig
6 = sind uns immer nicht einig
7 = trifft nicht zu
Nachdem du den Fragebogen ausgefüllt hast, kreise die Themen ein,
die am ehesten zu einem Streit führen.
Du & Partner / & K.1 / & K.2 / & K.3 / & K.4
Verwendung von Geld _____ / _____ / _____ / _____ / _____
Erholung
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Geistliche Dinge
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Freunde _____ / _____ / _____ / _____ / _____
Ausdruck von Zuneigung
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Angemessenes Verhalten
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Weltanschauung; Ziele
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Zeit miteinander
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Entscheidungsfindung
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Freizeitaktivitäten
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Berufliche Entscheidungen _____ / _____ / _____ / _____ / _____
Gem. Beten und Bibellesen _____ / _____ / _____ / _____ / _____
Bestimmung des Wohnortes _____ / _____ / _____ / _____ / _____
Wahl der Unterkunft
228
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Kapitel 12
Warum in Familien gestritten wird
Wie man mit Großeltern, Eltern und Schwiegereltern umgeht
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Gebrauch von Alkohol und Drogen
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Wie man mit Meinungsverschiedenheiten umgeht
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Sexualleben
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Familienfragen: Erziehung, Spaß, etc.
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Engagement in der Gemeinde
und Gottesdienstbesuche _____ / _____ / _____ / _____ / _____
Erwartungen an Ehe und Familie _____ / _____ / _____ / _____ / _____
Schulische und berufliche Angelegenheiten
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Häusliche und familiäre Pflichten
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
Rolle und Verantwortungsbereiche
von Ehemann und Ehefrau _____ / _____ / _____ / _____ / _____
Wie zufrieden bist du mit deinem derzeitigen Verhältnis zu den
einzelnen Personen? (Skala von 0 – 10; 0 = überhaupt nicht; 10 =
sehr).
_____ / _____ / _____ / _____ / _____
229
Kapitel 13
Jede Familie braucht einen Friedensstifter
Selbst in der eigenen Familie kann es durchaus sehr schwierig sein,
miteinander auszukommen. Es kommt so leicht zu Konflikten und
Spaltungen, aber sie zu lösen, kann sich als sehr schwierig heraus­
stellen. Aber die Bibel bietet uns die Hilfe eines einzigartigen, speziell
dafür bestimmten Friedensstifters mit einem makellosen Zeugnis
und unbegrenzten Fähigkeiten, um einen tiefen und dauernden
Frieden zu schaffen. Ich beziehe mich natürlich auf Jesus Christus,
den Gott gesandt hat, um uns den Frieden zu bringen, Mauern
niederzureißen und Feindseligkeiten zu beseitigen (Eph. 2,13-22). Es
hat nie einen Friedensstifter gegeben, den man mit Jesus vergleichen
könnte. Er kann bewirken, was kein anderer Friedensstifter je zu
Stande bringen kann.
Um gute Verhältnisse in der Familie zu schaffen, muss man
Mei­
nungs­
verschiedenheiten und Konflikte lösen. Jesus Christus
ist ein Fachmann auf diesem Gebiet. Deshalb behaupte ich, dass
der wichtigste Faktor zur Vermeidung und Lösung von familiären
Konflikten die eigene Beziehung zu Jesus Christus ist. Das Mittel
zur Lösung von Konflikten ist nicht eine bestimmte Methode oder
eine kleine Schritt-für-Schritt-Anleitung. Methoden haben ihre
Be­rechtigung, aber sie können den Frieden in der Familie nicht
auto­matisch herstellen. Deine Beziehung zu Jesus Christus ist viel
wich­tiger – und praktischer – als jede Methode.
Dies ist zwar eine gewagte Behauptung, sie kann aber leicht durch
Bibelstellen belegt und durch persönliche Erfahrungen unter­mauert
werden. Der Apostel Johannes macht dazu eine Bemerkung in
1.Joh. 1,3+7: „Was wir gesehen und gehört haben, das verkündigen
230
Kapitel 13
Jede Familie braucht einen Friedensstifter
wir euch, damit auch ihr Gemeinschaft mit uns habt; und unsere
Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Chris­
tus. … Wenn wir aber im Licht wandeln, wie er im Licht ist, so
haben wir Gemeinschaft miteinander, und das Blut Jesu Christi,
seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.” Was stellt Johannes hier
in den Mittelpunkt der wahren Gemeinschaft zwischen Gläubigen?
Unsere Einheit und Gemeinschaft dreht sich nicht darum, dass wir
immer derselben Meinung sind, die gleiche Erziehung oder ethnische
Ab­stammung, Lebensstandard, Stellung in der Gesellschaft oder
irgendwelche anderen Gemeinsamkeiten haben, die Menschen
normalerweise zusammenbringen. Es ist viel­mehr – so sagt Johan­
nes – Christus, der die Grundlage für wahre Gemeinschaft mit
Gott und miteinander bildet.
Wir als Gläubige bilden jeweils eine Einheit mit Christus und
das ist die Grundlage für unsere Einheit miteinander. Wenn wir
mit ihm als dem Haupt verbunden sind, sind wir als Glieder
seines Leibes auch miteinander verbunden. Durch das reinigende
Blut Christi haben wir Frieden mit Gott und Harmonie unter­
einander. Andere Dinge, die uns entzweien könnten, verblassen zu
Nebensächlichkeiten im Vergleich zu unserer Gemeinsamkeit: der
Einheit mit und die Hingabe an Christus.
In Philipper 4,2 schreibt Paulus an zwei Frauen, die stark zer­
stritten waren. Es ist anzunehmen, dass Euodia und Syntyche einen
Groll gegeneinander hegten, verbittert waren und einander mieden.
Ihre Situation war so verfahren, dass ihr Streit allgemein bekannt
war. Es bestand die Gefahr, dass die Gemeinde in zwei Lager
ge­spalten würde.
Von ihrem Stand her gesehen waren diese beiden Frauen durch
Christus mit Gott und miteinander verbunden (Phil. 4,3), aber in
der Praxis erlebten sie etwas ganz anderes. Die Nachricht über dieses
Problem hatte Paulus erreicht, der sich hunderte von Kilometern
entfernt in Rom aufhielt. Die Lage war so ernst, dass Paulus sich
gezwungen fühlte einzugreifen. Wie wollte er diese Situation
angehen? Die Antwort ist einfach, aber tief greifend.
Zunächst bat er einen reifen Christen, sich einzuschalten und
den Streit zu schlichten. Er ließ durchblicken, dass das Verhältnis
231
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
zwischen Euodia und Syntyche so angespannt war, dass die Hilfe
eines erfahrenen Seelsorgers gefragt war. Dann appellierte Paulus
an beide Beteiligten, selbst die Verantwortung für die Lösung des
Konfliktes zu übernehmen. Er sagte faktisch: „Ihr beide habt ein
Problem und ich fordere euch auf, etwas dagegen zu unternehmen.
Ich will nicht, dass ihr beide wartet, bis die andere den Streit be­endet.
Wenn ihr bereit seid, meinen von Gott gegebenen Anweisungen
zu folgen, gibt es absolut keinen Grund, warum euer Streit nicht
behoben werden könnte. Ihr könnt wieder in Frieden leben.”
Paulus half diesen Frauen hauptsächlich dadurch, dass er sie mit
Nachdruck an bestimmte grundlegende Tatsachen erinnerte. John
Gwyn-Thomas beschreibt das Vorgehen des Paulus wie folgt:
Er wollte nicht, dass sie ihren Streit oberflächlich beilegten,
denn die Feindseligkeit würde unter der Oberfläche weiter
bestehen. Er wollte das Übel an der Wurzel packen, so dass sie
den Tatsachen ins Gesicht sehen mussten, die sie entzweiten,
und im Herrn wiedervereinigt werden konnten. Also erinnerte
er sie daran, dass ihre Gemeinsamkeiten viel größer waren
als ihre Differenzen, dass sie nämlich beide durch Jesus
Christus erlöst waren; dass sie beide denselben himmlischen
Vater und den innewohnenden Heiligen Geist hatten; dass
sie beide die Ewigkeit in der Gegenwart Gottes verbringen
würden. Er forderte sie auf, sich unter diesen vereinigenden
Gesichtspunkten mit Herz und Verstand zu betrachten, damit
sie die Belanglosigkeit natürlicher Unterschiede im Licht dieser
großartigen Einheit im Geist erkennen konnten… Er beruft
sich auf ihre vorherige Einheit im Dienst für Jesus Christus:
„Sie haben beide Seite an Seite mit mir für das Evangelium
gekämpft.”
Der Apostel richtet einen weiteren Appell an diese Frauen, der
nicht ganz so direkt ist. Er will, dass sie sich von einem anderen
Blickwinkel aus betrachten. Wie können sie miteinander strei­
ten, wenn doch beider Namen im Buch des Lebens eingetra­
gen sind? Und wieder erinnert er sie an eine wichtige biblische
Wahrheit, die auf jeden Christen zutrifft, dass es nämlich nicht
darauf ankommt, wie unbedeutend oder unwichtig wir in den
232
Kapitel 13
Jede Familie braucht einen Friedensstifter
Augen der Welt oder auch der Gemeinde zu sein scheinen
– unser Name steht im Buch des Lebens… Letztendlich ist
das Einzige, was wirklich zählt, dass unser Name im Buch
des Lebens geschrieben steht… Als Bürger des himmlischen
Königreiches sollen wir unser Leben auf dieser Erde nach
Gottes Willen gestalten, uns wie Bürger dieses Königreiches
verhalten. Es soll in unserem Leben nicht darum gehen, ständig
um irgendwelche Posten zu kämpfen…. Wenn wir dieses Leben
im Licht der Ewigkeit leben, werden die belanglosen Dinge in
die richtige Perspektive gerückt.17
Verstehst du, was Paulus hier in den Mittelpunkt der Konflikt­
lösung stellt? Er sagt nicht: „Die Sache zwischen euch beiden ist
so schlimm, dass eure Beziehung nicht mehr zu reparieren geht.
Eure Persönlichkeiten, Interessen und Überzeugungen machen es
unmöglich, dass ihr euch vertragen könnt. Ich glaube, es wäre das
Beste, wenn eine von euch die Gemeinde verlassen und sich eine
neue suchen würde.” Die Worte des Paulus machen deutlich, dass
er fest daran glaubte, dass Euodia und Syntyche ihren Streit bei­
legen konnten. Paulus half ihnen auch nicht, indem er ihnen eine
niedliche kleine Anleitung zur Konfliktlösung vorlegte. Obwohl ich
glaube, dass er bestimmt nichts gegen die Anwendung biblischer
Methoden hatte, waren sie ihm hier doch nicht wichtig. Er wusste,
dass Auseinandersetzungen zwischen Christen hauptsächlich des­
halb entstehen und ungelöst bleiben, weil sie dazu neigen, sich mehr
auf die kleinen Dinge zu konzentrieren, die sie trennen, als auf die
wichtigeren Dinge, die sie vereinen. Deshalb lenkt Paulus die Auf­
merksamkeit dieser verfeindeten Frauen zurück auf das zentrale,
wesentliche Thema: Ihre Gemeinsamkeiten durch ihre Einheit mit
Christus.
Euodia und Syntyche hatten wahrscheinlich unterschiedliche
Charak­tere, Interessen, Hintergründe und unterschiedliche Sicht­
weisen bezüglich vieler Dinge. Aber beide waren Eins mit Jesus
Chris­tus. Diese Einheit machte es praktisch möglich, dass Frieden
und Harmonie wiederhergestellt werden konnten.
Ähnliche Situationen wie bei Euodia und Syntyche kommen oft in
7
John Gwyn-Thomas, Rejoice Always (Edinburgh: Banner of Truth, 1989, S. 13-15)
233
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Familien vor. Ich höre von zerstrittenen Familien oft Aussagen wie:
„Wir haben keine Gemeinsamkeiten. Wir passen überhaupt nicht
zusammen. Wir haben unterschiedliche Interessen, Wünsche und
Erwartungen. Selbst unsere Vorlieben und Abneigungen machen
uns inkompatibel. Wir kommen einfach nicht miteinander klar.”
Und doch habe ich gesehen, wie diese Mauern eingestürzt sind,
wenn diese Leute bereit waren, ihren Blick von den Dingen ab­zu­
wen­den, die sie trennten und ärgerten, und stattdessen auf ihre
Beziehung zu Jesus Christus zu richten. Wenn es um die Lösung von
Konflikten geht, ist nichts wichtiger und nichts hilfreicher als eine
lebendige Beziehung zu Jesus. Beachte, dass ich sagte, eine lebendige
Beziehung zu ihm. Es gibt viele Christen, die zwar eine Beziehung
zu Christus haben, die aber nicht eng und lebendig ist.
Vor einiger Zeit sprach ich mit einer Frau, die mit ihrem Mann
und mit ihren Kollegen ernsthafte Schwierigkeiten hatte. Ihre Art
zu reden und ihr Verhalten ließen darauf schließen, dass sie sehr
egoistisch, anstrengend und kritisch war und man mit ihr nur
schwer auskommen konnte, aber sie fühlte sich für all die Schwierig­
kei­ten überhaupt nicht verantwortlich. Sie sagte, sie sei ein Christ,
also fragte ich, was das für sie bedeute. Sie gab mir die allgemein
übliche Antwort und ich fragte weiter: „Na gut, dann erklären Sie
mir bitte, wie Jesus Christus ihr tägliches Leben beeinflusst. Wie
hat Jesus heute ihre Beziehung zu ihrem Mann beeinflusst? Wie hat
Christus sich gestern auf ihre Arbeit ausgewirkt?”
Sie antwortete: „Ich lüge und betrüge bei der Arbeit nicht, wie
manche andere.” „Das ist gut”, sagte ich, „aber es gibt bestimmt viele
Nicht-Christen, die bei der Arbeit auch nicht lügen oder betrügen.”
Sie zählte weitere Dinge auf, die ihr gutes Benehmen zeigten, wie:
„Ich fluche nicht.” Wieder bestätigte ich, dass es wünschenswert
ist, dass Christen nicht fluchen, wies aber auch darauf hin, dass es
viele Nicht-Christen gibt, die das auch nicht tun. Ich wiederholte
meine Frage: „Ich möchte Sie noch einmal fragen: Wie wirkt sich
Ihr Glaube im täglichen Leben aus?” Schließlich gab sie zu: „Ich
bin nicht wirklich sicher, ob er sich in meinem Leben praktisch
auswirkt.”
Diese Frau war in einem christlichen Elternhaus aufgewachsen,
234
Kapitel 13
Jede Familie braucht einen Friedensstifter
war immer zur Kirche gegangen, hatte Jesus in ihr Herz auf­ge­
nom­men, als sie noch ein Kind war, und hatte einen äußerlichen
Lebensstil übernommen, den ihre Gemeinde vorgab. Sie sang im
Chor, las gelegentlich ihre Bibel und betete, besuchte eine Bibel­
schule und heiratete einen jungen Mann, den sie an dieser Schule
kennen gelernt hatte. Es gab viele äußere Zeichen für ihren christ­li­
chen Glauben. Aber ihre Beziehung zu Christus war sehr ober­f läch­
lich. Er war für sie überhaupt nicht persönlich oder real.
Hatte dieses oberflächliche Verhältnis zu Jesus Christus etwas mit
ihren zwischenmenschlichen Problemen zu tun? Um diese Frage zu
beantworten, möchte ich noch einmal betonen: Wenn es um die
Lösung von Konflikten geht, ist nichts wichtiger und nichts hilf­
reicher als eine lebendige Beziehung zu Jesus Christus. Wenn jeder
eine wachsende, lebendige Beziehung zu Christus hat, besteht aus
mehreren Gründen ein unglaubliches Potenzial für Harmonie in
deiner Familie.
Einheit durch gleiche Richtlinien
Für Menschen, die bei Entscheidungen denselben Richtlinien fol­
gen, ist eine solide Einheit möglich. Wenn Christen mit Ehe- oder
Familienproblemen zu mir kommen, sage ich oft zu ihnen: „Sagen
Sie mir, was es bedeutet, ein Christ zu sein.” Viele antworten: „Ein
Christ ist jemand, der an den Herrn Jesus Christus glaubt.”
„Sie haben absolut Recht”, sage ich dann. „Wenn Sie mit dem
Mund Jesus als Ihren Herrn bekennen, und in Ihrem Herzen
glauben, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, werden Sie
gerettet werden, schreibt Paulus in Römer 10,9. Was meint denn die
Bibel Ihrer Meinung nach damit, Jesus als Herrn zu bekennen?”
Nachdem sie einige Versuche gemacht haben, es zu erklären, gehe
ich meistens an die Tafel in meinem Büro und sage: „Wir wollen
Herr einmal etwas anders buchstabieren.” Dann schreibe ich in
großen Buchstaben Chef! „Wenn Sie Jesus als Ihren Herrn bekennen,
bedeutet das für Sie persönlich, dass er Ihr Chef ist.” Dann wende
ich mich an jedes einzelne Familienmitglied und frage: „Hast du
Jesus als deinen Chef angenommen?”
Wenn sie alle bestätigt haben, dass Jesus der Chef über ihr Leben
235
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
ist, sage ich ernsthaft und begeistert zu ihnen: „Was ihr gerade
bekannt habt, ist eine großartige Nachricht in Bezug darauf, wie ihr
eure Probleme lösen könnt, die euch in die Seelsorge geführt haben.
Wenn ihr alle denselben Chef habt und tun wollt, was er von euch
erwartet, können wir damit rechnen, dass wir die Situation klären
können. Er wird ja keine widersprüchlichen Aufträge erteilen, indem
er einem etwas aufträgt, was in direktem Widerspruch zu dem Auf­
trag eines anderen steht. Da ihr im Moment Auseinandersetzungen
habt, können wir davon ausgehen, dass mindestens einer von euch
die Anweisungen eures Chefs missachtet. Wenn ihr eure Konflikte
lösen wollt, müsst ihr nicht auf eure eigenen Wünsche achten,
sondern darauf, was Christus sich für eure Beziehung wünscht. Also,
was denkt ihr, was erwartet Christus wohl von euch, das ihr gegen
eure Schwierigkeiten unternehmen sollt?”
Ein armer, ungebildeter Mann bekehrte sich, als er in einer Mis­
sionsstation einer großen Stadt das Evangelium hörte. Danach nahm
er regelmäßig an den Bibelstunden dort teil. Eines Abends trugen
alle anderen einen Pullover mit einer Aufschrift vorne. Nach der
Veranstaltung ging er nach Hause und sagte zu seiner Frau: „Ich
hätte wirklich gerne einen Pullover mit Worten darauf.” Seine Frau
erklärte sich bereit, ihm einen zu stricken, aber sie konnte auch
nicht lesen. Schließlich beschloss sie, die Worte zu übernehmen,
die am Fenster des gegenüberliegenden Restaurants standen. Als
der Pullover fertig war, zog der Mann ihn an und ging stolz zur
Bibelstunde.
Bei der Versammlung äußerten sich alle positiv über die Aussage
auf dem Pullover. Die Worte beschrieben perfekt, was passiert, wenn
ein Mensch ein Christ wird. Auf dem Pullover stand: „UNTER
NEUER LEITUNG.”
Das ist ein Christ – jemand, der einen neuen Vorgesetzten hat.
Ein Christ ist jemand, der Christus nicht nur als Herrn des Uni­
versums, sondern als Herrn seines Lebens bekennt, und der sich
den Anweisungen dieser Leitung im täglichen Leben beugt. Wenn
jeder einzelne in der Familie Jesus als seinen Chef anerkannt hat,
wird sein Wille, der in der Heiligen Schrift offenbart wurde, zur
gemeinsamen Richtschnur, nach der alle Entscheidungen getroffen
236
Kapitel 13
Jede Familie braucht einen Friedensstifter
und alle Meinungsverschiedenheiten geklärt werden. In solchen
Familien sind sich die Mitglieder vielleicht nicht immer einig, was
bestimmte Bibelstellen bedeuten oder wie sie sich auf sie beziehen.
Aber sie sind sich einig, dass die Bibel – nicht ihre eigenen Wünsche
und Meinungen – die höchste Autorität ist. Wenn es also zu
Meinungsverschiedenheiten darüber kommt, was die Bibel meint,
werden sie sich dem Chef unterordnen und erwarten, dass er ihnen
hilft, seinen Willen zu erkennen. In solchen Familien ist Christus
der Friedensstifter, dessen Richtlinien eine solide Grundlage bilden,
um Streit in der Familie zu vermeiden und zu schlichten.
Einheit durch gleichen Lebensinhalt
In Familien, wo die Herrschaft und Gegenwart Christi Realität
sind, ist er der Friedensstifter, der den gemeinsamen Lebens­inhalt
dar­stellt. Die Gegenwart der Liebe Christi wird zu einer trei­ben­
den Macht, die die Menschen über ihre eigenen Interessen hinaus
wach­sen lässt, um für ihn und seine Ziele zu leben (2.Kor. 5,14+15).
Wenn die Liebe Chris­ti – die er in seinem Leben und Sterben, in
seiner Auf­erstehung und Herrschaft bewiesen hat – eine geschätzte,
bindende Realität in unserem Leben wird, verlieren viele Meinungs­
verschiedenheiten an Bedeutung. Wir sind zu sehr mit einer viel
größeren und wichtigeren Sache beschäftigt, als dass wir uns über
unseren eigenen kleinen Sorgen streiten könnten. Unsere Herzen
sind gebrochen und von der Liebe Christi erfüllt. Wir reagieren
darauf mit den Worten Johannes‘ des Täufers: „Er muss wachsen, ich
aber muss abnehmen.” (Joh. 3,30)
Wenn Christus für uns real ist, sehen wir ihn als unseren größten
Besitz, wie Paulus in Philipper 3,8: „ich achte alles für Schaden
gegenüber der alles übertreffenden Erkenntnis Christi Jesu, meines
Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe; und ich achte
es für Dreck, damit ich Christus gewinne.” Wenn wir wirklich
eins sind mit Jesus, ist es unser Herzenswunsch zu sehen, wie er
verherrlicht wird. Ruhm für uns selbst zu ernten oder unseren
Willen durchzusetzen, verliert seinen Reiz. Es wird unser größtes
Anliegen, als erstes nach dem Reich Gottes und seiner Gerechtigkeit
zu trachten. Es ist erstaunlich, wie schnell sich unsere Perspektive im
237
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Hinblick darauf ändert, wie wichtig bzw. unwichtig einige unserer
Verschiedenheiten wirklich sind, wenn wir erkennen, dass wir als
Gläubige an einer viel größeren Sache teilhaben dürfen. Christus
bringt uns näher zusammen, wenn wir uns für Dinge einsetzen,
die wichtiger sind, als die Nebensächlichkeiten, über die wir unter­
schiedlicher Meinung sind.
Einheit durch gleiche Befähigung
Christus wirkt als Friedensstifter, den jede Familie braucht, indem er
das Leben jedes Einzelnen mit Zufriedenheit, Kraft und Sicherheit
erfüllt. Manche Probleme in der Familie stammen daher, dass wir
von unseren Beziehungen untereinander etwas erwarten, was uns nur
Gott geben kann. Wir erwarten von anderen in unserer Familie, dass
sie für unsere Sicherheit, Erfüllung, Bestätigung und Zufriedenheit
sorgen. Genau dasselbe warf Gott den religiösen Menschen zur Zeit
Jeremias vor. „Denn mein Volk hat eine zweifache Sünde begangen:
Mich, die Quelle des lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um
sich Zisternen zu graben, löchrige Zisternen, die kein Wasser halten!”
(Jer. 2,13) Wenn wir von Familienangehörigen erwarten, für unsere
Zufriedenheit und Sicherheit zu sorgen, verlassen wir die Quelle des
lebendigen Wassers und graben löchrige Zisternen, die kein Wasser
halten.
Paulus meint genau das, wenn er die Kolosser in Kapitel 2 Vers
10 daran erinnert, dass wir in Christus zur Fülle gebracht worden
sind. Objektiv betrachtet stehen wir vor Gott und haben alles,
was wir brauchen, weil wir mit Christus vereint sind. Gott hat uns
gerecht gesprochen und sieht uns als fehlerlos an. Die vollkommene
Gerechtigkeit Christi ist uns angerechnet worden. Weil wir mit ihm
vereint sind, benötigen wir keine andere Gerechtigkeit, um vor Gott
bestehen zu können.
Unsere Vollkommenheit in Christus geht aber noch weiter als
dieser objektive Aspekt. Christus ist gekommen, um uns auch auf
subjektive Art vollkommen zu machen. Er will unseren Zustand und
unsere Stellung verbessern. „Ich bin gekommen,” sagte Jesus, „damit
sie das Leben haben und es im Überfluss haben.” (Joh. 10,10)
„Wenn jemand dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich
238
Kapitel 13
Jede Familie braucht einen Friedensstifter
glaubt, wie die Schrift gesagt hat, aus seinem Leib werden Ströme
lebendigen Wassers fließen.” (Joh. 7,37-38) Wenn wir in einer
engen, lebendigen Beziehung zu Christus stehen, erfahren wir eine
subjektive Vollkommenheit. Gott schenkt uns eine innere Kraft,
sodass wir mit Paulus sagen können: „ich habe nämlich gelernt, mit
der Lage zufrieden zu sein, in der ich mich befinde.” (Phil. 4,11)
Zu Hause wird man schnell streitsüchtig und emotional, wenn
man sich bedroht fühlt. Der Hintergrund für sündige Reaktionen
ist ein Gefühl der Leere und Unsicherheit, das man zu überwinden
versucht, indem man Bestätigung bei anderen Menschen sucht.
Man legt Meinungsverschiedenheiten als Missbilligung aus. In dem
Versuch, selbsterdachte Mängel zu beheben, überreagiert man auf
Meinungsverschiedenheiten und versucht, andere von der eigenen
Sichtweise zu überzeugen, um sich wieder sicher zu fühlen. Wenn
die anderen einem dann zustimmen, fühlt man sich gut, weil man
sein Selbstwertgefühl von der Bestätigung durch andere Menschen
abhängig macht.
Solche Menschen haben vergessen, dass sie in Christus bereits
vollkommen (ausreichend, zulänglich) sind. Wer ein enges Ver­
hält­nis zu Christus hat, braucht andere nicht zu dominieren. Er
braucht anderen seine eigene Meinung nicht aufzuzwingen, um sein
Selbstwertgefühl zu steigern. Er ist durch Christus vervollständigt,
erfüllt und vollkommen, selbst wenn keiner in der Familie seine
Sichtweise teilt.
Unser Wert und unsere Zufriedenheit hängen nicht von den
Men­schen um uns herum ab. Sie werden uns genauso beigemessen
wie unsere Gerechtigkeit. Wir erhalten unseren Wert durch unsere
Be­
ziehung zu Christus als Geschenk. Weil wir mit ihm vereint
sind, wurde uns auch der Heilige Geist geschenkt, der in uns
wohnt und uns Jesus Christus ähnlicher macht und uns die Kraft
gibt, den Auftrag Gottes für unser Leben zu erfüllen, ungeachtet
der Meinung, die andere von uns haben mögen. Die Bestätigung,
Zustimmung und Wertschätzung durch die Familie ist schön, sogar
wünschenswert. Aber sie ist keine Notwendigkeit, weil wir in Jesus
Christus alles haben, was wir zum Leben brauchen.
239
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Eine Familie, die einen Friedensstifter brauchte
Was sich in der Familie von Ken und Dorothy Martin abspielte,
ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Christus als Friedensstifter
auftritt. Ken und Dorothy waren etwa achtundzwanzig Jahre alt,
als sie mit dem brennenden Wunsch in die Mission gingen, um in
einer primitiven Gesellschaft für Christus zu wirken. Als sie dort
ankamen, bemühten sie sich sehr, die Sprache zu lernen und sich
der Kultur anzupassen. Schließlich wurden sie einem erfahrenen
Missionars-Ehepaar zugewiesen, um missionarische Pionierarbeit zu
leisten. Ken und Dorothy bezogen ihren Posten mit großer Freude –
sie taten das, wonach ihre Herzen sich sehnten.
Es kam vor, dass einer sich über den anderen oder über die Kin­der
ärgerte. Ken tat oder sagte etwas, das Dorothy nicht gefiel, Doro­thy
verärgerte Ken oder die Kinder waren ungezogen. Das führte zu
einer Diskussion, woraus ein Streit entstand. Ken wurde ausfällig
und Dorothy oder die Kinder fühlten sich sehr verletzt und zogen
sich schweigend zurück. Ken zwang Dorothy, seine Sichtweise zu
übernehmen, und seine Kinder, ihm zu gehorchen.
Dorothy brach in Tränen aus und gab friedenshalber nach,
ob­wohl sie oft nicht wirklich einverstanden war. Dann wurde das
Thema unter den Teppich gekehrt – sie „küssten und versöhnten
sich”, beteten und beschlossen, sich nie wieder so zu verhalten. Aber
es kam zwangsläufig etwas Anderes auf und sie verfielen wieder in
das gleiche Verhaltensmuster.
Die Häufigkeit und Intensität dieser Konflikte nahm zu. Dem
anderen Missionars-Ehepaar und schließlich auch dem Missionsleiter
wurde klar, dass die Martins ernsthafte Familienprobleme hatten.
Versuche, ihnen auf dem Missionsfeld zu helfen, scheiterten. Sie
wurden zurück nach Amerika geschickt, um Seelsorge in Anspruch
zu nehmen.
Ken und Dorothy kannten die Bibel gut und nahmen ihren christ­
lichen Glauben ernst. Ihnen war klar, was sie tun und lassen sollten.
Aber ihnen fehlte einfach die Kraft, um das Richtige zu tun. Beide
waren entmutigt, verwirrt, verärgert und beschämt. Sie brauchten
Jesus Christus dringend als Friedensstifter, um die Harmonie in
ihrer Familie wiederherzustellen.
240
Kapitel 13
Jede Familie braucht einen Friedensstifter
Während unserer Beratungsstunden untersuchten wir viele Be­rei­che
ihres Lebens und ihrer Beziehung. Wir stellten fest, wo die Kon­f likte
lagen und versuchten zu verstehen, wie sie sich ent­wickelt hatten.
Mir wurde deutlich, dass Ken und Dorothy Jesus Christus aus dem
Mittelpunkt ihres Lebens und ihrer Beziehung verdrängt hatten. Ich
war davon überzeugt, dass ihre Probleme nicht nur ein Beweis dafür
waren, dass ihre Beziehung zueinander zerbrochen war, sondern auch
dafür, dass ihr Verhältnis zu Christus beeinträchtigt war. Sie waren so
sehr mit ihren Problemen und Aufgaben beschäftigt, dass Christus aus
dem Zentrum gedrängt worden war.
Ich wusste, dass sie diese Schwierigkeiten nicht selbstständig
würden überwinden können. Sie hatten es schon oft versucht und
dabei versagt. Sie brauchten Hilfe, um eine tiefere Beziehung zu Jesus
aufzubauen, der ihnen Richtlinien, Lebensinhalt, Zufriedenheit und
Befähigung schenken würde, die sie vereinen könnten. Im Verlauf
unserer Sitzungen gab ich ihnen verschiedene Aufgaben, die ihnen
helfen sollten, eine lebendigere Beziehung zu Christus aufzubauen.
Nach Aussage von Dorothy und Ken war die hilfreichste Aufgabe,
dass sie Bibelstellen über ihre Einheit mit Christus studieren sollten.
Ich gab ihnen eine Liste mit solchen Bibelstellen und bat sie zu
be­achten, was diese für ihre Beziehung zu Gott und zu Mitgliedern
ihrer Familie bedeuteten. Die meisten Verse kannten sie sehr gut,
aber als sie sie erst aus dem Blickwinkel betrachteten, den ich ihnen
vorgeschlagen hatte, gewannen sie an Bedeutsamkeit für sie.
Ken äußerte sich über einige Abschnitte in Römer 5 und 6 in
Bezug auf seine Beziehung zu Gott so:
Diese Verse sagen aus, dass ich mir über Gottes Zorn und
Gericht keine Sorgen mehr zu machen brauche. Gott lastet
mir meine Vergehen aus der Vergangenheit nicht länger
an. Er vergibt mir voll und ganz und nimmt mich in Jesus
Christus an. Ich muss für meine Sünden nicht selber büßen;
Gott bestraft mich nicht für meine Fehler. Er schimpft nicht
mit mir und hält mich nicht auf Abstand. Meine Stellung
vor Gott gründet sich immer auf seine Gnade, die ich durch
Christus erfahren habe, nicht auf meine eigenen guten Werke
oder meine völlige Übereinstimmung mit ihm. Das Recht, vor
241
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Gott zu treten, habe ich nur durch meine Einheit mit Christus,
nicht durch meinen eigenen Verdienst. In Christus habe ich
die selige Hoffnung auf die vollkommene, ewige Errettung
und ich kann und sollte der Freude, die aus dieser Zuversicht
erwächst, in meinem Leben Raum geben. Meine Zukunft ist
herrlich. Durch Christus habe ich einen Grund, mich über
Schwierigkeiten zu freuen. Der Gott, der mich voll und ganz
akzeptiert hat, wird jede Versuchung, die auf mich zukommt,
dazu nutzen, um in meinem Leben etwas Gutes zu bewirken.
Ken bezog dieselben Bibelstellen weiterhin auch auf seine
Be­ziehung zu seiner Familie:
Ich sollte mich nicht mit früheren Vergehen und Fehlern meiner
Familie aufhalten. Ich sollte ihnen voll und ganz vergeben, weil
sie in Christus sind, und weil Gott mir und ihnen vergeben
hat. Ich sollte meine Frau und Kinder nicht so behandeln, wie
es mir gerecht erscheint, sondern ihnen vielmehr meine Liebe
und Aufmerksamkeit und mein Verständnis entgegenbringen.
Da Dorothy und ich dieselbe Zuversicht und Freude teilen,
sollte sich das in unserer Beziehung auswirken; denn wir freuen
uns über dieselbe Errettung. Ich sollte auf Prüfungen, denen
ich durch meine Familie begegne, mit Freude und Hoffnung
reagieren, weil Gott sie nutzen wird, um mich seinem Sohn
ähnlicher zu machen.
Meine Hoffnung auf die Herrlichkeit ist gewiss. Nichts, was
meine Familie tut, kann sie mir nehmen. Durch Christus
muss und kann ich ein fröhlicherer Mensch sein. Meine
Freu­de hängt nicht davon ab, ob meine Familie reibungslos
funktioniert oder immer mit meiner Meinung einverstanden
ist. Dies ist ein Lebensprinzip, das ich in den letzten Jahren
vergessen hatte anzuwenden. Und das war ohne Zweifel der
Grund für unsere Eheprobleme. In den vergangenen Wochen
habe ich mich dessen mehrfach schuldig gemacht. Ich brauche
die Gnade Gottes, um wieder von vorne beginnen zu können,
um für sündige, egoistische Wünsche und Ansprüche zu
242
Kapitel 13
Jede Familie braucht einen Friedensstifter
sterben und durch die Auferstehungskraft Christi ein neues
Leben zu führen.
Im weiteren Verlauf unserer Sitzungen ließen der Frust und die
Wut der Martins immer mehr nach. Ihre innere Haltung und ihr
Benehmen Gott und einander gegenüber veränderte sich gewaltig.
Dinge, über die sie sich früher geärgert hatten, schienen nicht mehr
so wichtig zu sein. Sie entwickelten neuen Respekt füreinander.
Die Kommunikationsleitungen öffneten sich wieder, Mauern fielen
ein und alte Konflikte wurden aufgearbeitet und gelöst. Einige
Monate, nachdem sie die Seelsorge abgeschlossen hatten, und da ihre
Beziehung sich offensichtlich weiter verbesserte, erlaubte ihnen die
Missionsgesellschaft, auf das Missionsfeld zurückzukehren.
Was war der Hauptfaktor, der diesen Leuten half, ihre lang­jähri­
gen, bitteren Konflikte zu lösen? Diese Frage stellte ich Ken und
Dorothy zum Abschluss unserer Beratungsstunden. Ihre Antwort
war: Jesus Christus wieder in das Zentrum ihres Lebens zu stellen
und ihre Beziehung zu ihm neu aufleben zu lassen. Während der
Sitzungen rief Christus sie zurück zu sich. Jetzt konzentrierten
sie sich wieder darauf, ihn kennen zu lernen und ihn bekannt zu
machen. Dadurch konnte Christus die Mauer der Feindseligkeit
niederreißen, die sich zwischen sie geschoben hatte.
Was ich hier schreibe, klingt für manche vielleicht allzu einfach.
Vielleicht scheint es zu oberflächlich, zu abstrakt, zu geheimnisvoll.
Ich versichere dir, das ist es nicht. Hunderte von Menschen wie Ken
und Dorothy sind ein Beweis dafür, dass dies durchaus machbar
ist. Wenn du Konflikte in deiner Familie lösen willst, lass nicht zu,
dass du durch den Streit von Christus abgelenkt wirst. Konzentriere
dich vielmehr darauf, den Herrn besser kennen zu lernen, ihm zu
dienen und zu gefallen. Suche bei ihm Sicherheit und sei dir dessen
bewusst, dass du in Jesus Christus vollkommen und ausreichend
bist. Erkenne seine Autorität an. Denke über seine große Liebe für
dich nach und akzeptiere die Tatsache, dass deine Vollkommenheit
in ihm begründet ist (vgl. Kol. 2,10). Es gibt absolut nichts, das
praktischer wäre!
243
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine
Antworten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Beschreibe deine Reaktion auf den Inhalt dieses Kapitels.
a) Warst du mit den Ausführungen einverstanden?
b) Gab es etwas, das auf dich besonders ermutigend oder ent­
mutigend wirkte?
c) Erkläre, wie du den Inhalt auf dein eigenes Leben anwenden
kannst, oder dazu, anderen zu helfen.
2. In diesem Kapitel wurde darauf hingewiesen, dass die Ein­
heit, die Christen untereinander haben, die Grundlage für
unsere Einheit miteinander bildet. Stimmst du dem zu, dass
diese Einheit eine feste Grundlage zur Konfliktlösung bie­
tet? Warum bzw. warum nicht? Belege deine Antwort mit
Bibelstellen.
3. Wenn unsere Einheit mit Christus eine feste Grundlage für
Frieden in der Familie schafft, warum führen Meinungs­
verschiedenheiten zu Streit und warum eskaliert der Streit?
4. Ich habe in diesem Kapitel erwähnt, dass manche Konflikte
deswegen entstehen und ungelöst bleiben, weil Menschen sich
unsicher, machtlos und unzulänglich fühlen. Erkläre, wie
solche Selbsteinschätzungen und Empfindungen Konflikte
fördern und deren Lösung behindern.
5. Welchen Rat gibt Paulus in Philipper 4,2-3 zur Lösung von
Konflikten?
6. In diesem Kapitel wurden drei Möglichkeiten genannt, wie
Christus als Friedensstifter in Familien auftritt. Welche sind
es?
244
Kapitel 13
Jede Familie braucht einen Friedensstifter
7. Was bedeutet es laut Aussage dieses Kapitels, Jesus als Herrn
zu bekennen?
8. Fallen dir Beispiele ein, wo Menschen mit starken Meinungs­
verschiedenheiten durch eine größere Sache zusammen­
ge­
bracht wurden?
9. Wie beziehen sich die folgenden Verse auf die Lösung von
Konflikten?
a) Kolosser 2,10
b) Philipper 4,10-13
c) Jeremia 2,13
d) Psalm 27,1
10.Analysiere die folgenden Bibelstellen und beachte die Worte,
die auf die Möglichkeit hinweisen, eine persönliche (im
Ge­
gen­
satz zu einer gleichgültigen) Beziehung zu Gott zu
haben.
a) Psalm 27,1-10
b) Philipper 3,8-10
c) Epheser 3,16-19
d) 1. Johannes 1,3
e) Johannes 15,1-16
f) Römer 8,15
g) Epheser 2,13-22
h) Hebräer 2,11
i) Hebräer 13,5+6
j) Jesaja 41,10
k) Psaln 23,1-6
l) Matthäus 5,8
m) 2.Timotheus 4,17
n) Johannes 17,3
o) 2. Timotheus 1,12
11. Was bedeutet es, eine „persönliche Beziehung zu Christus” zu
haben? Welche Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten bestehen
245
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
zwischen einer persönlichen Beziehung zu einem anderen
Menschen und zu Gott? Analysiere die folgenden Verse und
beachte, was sie über wahre Freundschaft aussagen, d.h., was
sie über enge persönliche Beziehungen aussagen.
a) Psalm 35,13+14
b) Sprüche 17,17
c) Sprüche 18,24
d) Sprüche 22,24+25
e) Sprüche 27,6
f) Sprüche 27,9
g) Sprüche 27,10
h) Sprüche 27,17
i) Prediger 4,9-12
j) 1. Mose 5,22
k) Johannes 15,13+15
l) Hiob 42,10
m) Hohelied 2,16
n) Jakobus 2,23
o) Matthäus 11,28-30
p) Hebräer 2,10+11
12. Welche Einschränkung bzw. Befähigung ergibt sich durch die
Tatsache, dass wir noch nicht im Himmel sind, für unsere
Beziehung zu Gott? Was können wir von unserem Verstand
und von der Bibel her für unsere Beziehung zu Gott in dieser
Welt erwarten? Wird unsere Beziehung zu Gott im Himmel
anders sein als jetzt? Inwiefern? Warum ist es wichtig, das zu
wissen? Erkläre die Bedeutung der folgenden Verse:
a) Psalm 16,11
b) Psalm 17,15
c) Psalm 63,1-8
d) 1. Korinther 13,12
e) 2. Korinther 5,7+8
f) Epheser 1,13+14
g) Philipper 1,21-23
h) Philipper 3,10
246
Kapitel 13
Jede Familie braucht einen Friedensstifter
13.Wie kann man eine enge persönliche Beziehung zu Christus
entwickeln? Wodurch wird sie behindert? Denke darüber
nach, wie sich eine enge persönliche Beziehung zu einer
anderen Person entwickelt. Wodurch wird sie gefördert? Was
hemmt ihre Entwicklung? Denke besonders an Bibelstellen,
die einen Hinweis darauf geben, wie man Christus besser
kennen lernen kann. Hier sind einige Beispiele:
a) Johannes 5,39
b) Johannes 14,21+23
c) Johannes 15,1-16
d) Matthäus 5,8
e) Römer 8,15+16
f) 2. Korinther 4,6
g) 2. Korinther 6,16
h) Epheser 3,16-19
i) Kolosser 3,16
j) 1. Johannes 1,6
k) Offenbarung 3,20
l) Josua 1,8+9
m) Psalm 27,1-14
n) Psalm 46,11
o) Psalm 63,1+2
p) Jesaja 55,6+7
q) Jesaja 57,15
14. Bewerte auf einer Skala von 0–4, wie eng und lebendig deine
eigene Beziehung zu Christus ist:
4___= fast immer lebendig und persönlich;
3___= oft eng, real und persönlich;
2___= ab und zu eng und persönlich;
1___= selten eng und persönlich;
0___= ich habe noch nie eine enge und persönliche Be­ziehung
zu Gott gehabt.
247
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
15. Vervollständige diese Sätze:
a) Meine persönliche Beziehung zu Christus wird behindert
durch…
b) Um eine enge persönliche Beziehung zu Gott zu entwickeln
und zu pflegen, muss bzw. werde ich …
248
Kapitel 14
Harmonie statt Disharmonie
Ein kleines Mädchen kam nach dem Spielen mit ihren Freunden
nach Hause; sie ließ den Kopf hängen und runzelte die Stirn. „Leute,
Leute, Leute”, murmelte sie. „Was ist los, Liebling?”, fragte ihre
Mutter. Aber das kleine Mädchen ignorierte sie, ging in ihr Zimmer
und schloss die Tür. Als ihr Vater an die Tür klopfte und fragte:
„Darf ich reinkommen?”, antwortete das kleine Mädchen: „Geh
weg! Ich will dich nicht sehen – du bist auch ein ‚Leute‘.” Sie musste
in ihrem zarten Alter schon lernen, dass der Umgang mit anderen
Menschen nicht immer angenehm oder einfach ist.
Zwischenmenschliche Beziehungen können ein sehr erfüllender
Teil des Lebens sein. Die Bibel bestätigt: „Siehe, wie fein und wie
lieblich ist’s, wenn Brüder in Eintracht beisammen sind.” (Psalm
133,1) Leider wissen wir alle aus eigener Erfahrung, dass diese
Münze eine Kehrseite hat. Probleme in Beziehungen sind wahr­
scheinlich der Hauptgrund für das Vergießen von Tränen. Man trifft
selten Leute, deren größte Herausforderung nicht ihr Verhältnis zu
ihren Mitmenschen ist.
Es gibt wohl kaum etwas Unangenehmeres als Streit und Feind­
seligkeit in der Familie. Der Prophet Maleachi beschreibt Menschen,
die wegen ihrer Eheprobleme weinen und jammern (Mal. 2,13-16).
Auch in dem Buch der Sprüche werden wir auf den Schmerz und
die Trauer aufmerksam gemacht, die auf problematische Familien­
beziehungen zurückzuführen sind. Manchmal sind es die Kinder,
die ihren Eltern unerträgliche Sorgen machen. Manchmal sind es
die Eltern, die für das Elend ihrer Kinder verantwortlich sind. Und
Eheleute können ihren Partner so unglücklich machen, dass er in die
249
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Wildnis davonlaufen möchte (Spr. 10,1; 17,21+25; 19,26; 20,7+20;
21,9+19).
Nichts kann unseren Wandel mit Gott und unseren Dienst so
stark beeinflussen wie unser Verhältnis zu Familienangehörigen.
In seinem zeitlosen Abschnitt über gottgefällige Ehen betont
Petrus, wie wichtig es für Gott ist, dass wir seine Anweisungen
befolgen. Petrus sagt zu den Ehefrauen sinngemäß: „Wenn ihr
solche Ehefrauen sein werdet, wie ich sie beschrieben habe, werdet
ihr nicht nur einen starken Einfluss auf eure Ehemänner haben; es
wird auch in den Augen Gottes wertvoll sein.” (1.Petr. 3,1+4) Und
zu Ehemännern: „Ehemänner zu sein, wie ich sie beschrieben habe,
ist nicht nur wichtig für eure Ehen; es ist auch für Gott wichtig.
Wenn ihr eure Ehefrauen nicht so behandelt, wie Gott es von euch
erwartet, schränkt ihr dadurch die Macht eurer Gebete ein.” (V. 7)
Denselben Zusammenhang unterstreicht auch Paulus in Kolos­
ser 3. Zu Beginn des Kapitels gibt er allgemeine Anweisungen,
wie Christen leben sollen. Vers 17 schließt diesen Abschnitt mit
einer allgemeinen Ermahnung ab: „Alles was ihr tut”, schreibt Pau­
lus sinngemäß, „sollt ihr unter der Autorität Christi tun, als seine
Stellvertreter, mit seiner Zustimmung und zu seiner Ehre.” Ab Vers
18 beschreibt Paulus im Einzelnen, was es bedeutet, ein sol­ches
Leben zu führen. Bezeichnenderweise eröffnet er diesen Ab­schnitt
mit einer Beschreibung, wie Christus sich den zwischen­mensch­
lichen Umgang in den Familien wünscht. Der Kern seiner Aus­sage
ist: „Wenn ihr alles im Namen Christi tun wollt, umfasst das auch
die Art, wie ihr als Ehemänner und Ehefrauen, Eltern und Kinder
miteinander umgeht. Ihr werdet gute Vertreter Christi sein, wenn
eure Familie so funktioniert, wie Gott es gewollt hat.” Des­halb
ist es nicht uns selbst überlassen, ob wir lernen wollen, die un­ver­
meid­
lichen Meinungsverschiedenheiten richtig zu hand­
haben. Es
besteht vielmehr eine zwingende Notwendigkeit darin, wenn wir
unsere Familien so gestalten wollen, wie Gott sie sich gedacht hat.
Erfreulicherweise hat Gott uns praktische Richtlinien gegeben,
wie wir in unserer Familie Disharmonie in Harmonie verwandeln
können.
250
Kapitel 14
Harmonie statt Disharmonie
Biblische Richtlinien für Harmonie in der Familie
Meiner Einschätzung nach ist Epheser 4,1-3 eine der wichtigsten
Bibelstellen zum Thema Konfliktlösung. Wenn ich sie im Hinblick
auf Familienkonflikte betrachte, die ich selbst erfahren und
be­obachtet habe, staune ich immer wieder darüber, wie tiefgründig,
umfassend und praktikabel diese Worte sind. Paulus schreibt hier:
”So ermahne ich euch nun, ich, der Gebundene im Herrn, dass ihr
der Berufung würdig wandelt, zu der ihr berufen worden seid, indem
ihr mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut einander in Liebe
ertragt und eifrig bemüht seid, die Einheit des Geistes zu bewahren
durch das Band des Friedens.” (Eph. 4,1-3)
R.T. Archibald stellte fest: „Friedensstifter… tragen eine Atmo­
sphäre mit sich herum, in der Streitigkeiten eines natürlichen Todes
sterben.”8 In Gegenwart bestimmter Leute kommt es unweigerlich
zu Streit. In Gegenwart anderer werden Spannungen abgeschwächt.
Welche Eigenschaften charakterisieren solche Menschen, in deren
Gegenwart Konflikte einen natürlichen Tod erleiden? Sie weisen
fünf Eigenschaften auf, die Paulus in Epheser 4,1-3 erwähnt. Es sind
1. Fleiß, 2. Demut, 3. Sanftmut, 4. Geduld und 5. Langmut.
Eigenschaften eines Friedensstifters
Fleiß
Als Mary und Dirk in die Seelsorge kamen, hatte Dirk völlig gegen­
sätzliche Haltungen zu zwei Bereichen seines Lebens. Er war ein
sehr erfolgreicher Arzt mit einer großen Familienpraxis. Um das zu
erreichen, hatte er viele Jahre studiert und lange als Praktikant und
Assistenzarzt gearbeitet. Schließlich waren Dirk und Mary in eine
Gegend gezogen, wo Ärzte gebraucht wurden, und er hatte seine
eigene Familienpraxis eröffnet.
In seinem Beruf scheute Dirk keine Mühe. Er arbeitete lange und
hart und erwarb bald einen guten Ruf. Durch seine Fachkompetenz
und seine Bereitschaft, alles zu tun, um seinen Patienten zu helfen,
wuchs seine Arztpraxis. Das bedeutete natürlich Arbeit für ihn, aber
8
Derek Kidner, The Proverbs (Downers Grove, Ill.: InterVarsity Press, 1972, S. 115)
251
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Dirk machte das nichts aus. Er schien dadurch sogar aufzublühen.
Sechzig bis siebzig Stunden in der Woche zu arbeiten, war kein
Problem. Eine große Praxis aufzubauen, war jede Mühe wert.
Leider war seine Haltung zu seinem Ehe- und Familienleben eine
ganz andere. Zu Hause erwartete er, wie ein König behandelt zu
werden. Seine Frau hatte ihm auf Abruf zur Verfügung zu stehen und
ihre Termine um seine Bedürfnisse herum zu planen. Dirk durfte mit
häuslichen Angelegenheiten nicht behelligt werden. Er machte sich
kaum Mühe, ihre Beziehung durch gemeinsame Aktivitäten oder
erbauliche Unterhaltungen zu vertiefen. Wenn Mary versuchte, mit
ihm über wichtige Familienangelegenheiten zu reden, beschuldigte
Dirk sie, unvernünftig zu sein, und zog sich in eisernes Schweigen
zurück. Aber in seinen Augen war er der ideale Ehemann.
Nach fünfzehn Jahren beschloss Dirk, dass er nicht länger mit
Mary verheiratet sein wollte. „Nein”, sagte er, „ich habe mich nicht
in jemand anderen verliebt. Ich will einfach nicht mehr mit Mary
verheiratet sein. Sie erwartet zu viel und sie wird sich nie ändern. Ich
will diesen Druck loswerden. Mir wird es ohne sie viel besser gehen
und unserem Sohn auch.” In der Beratung sagte Dirk: „Die Ehe ist
ganz anders als ich erwartet hatte. Wir haben zu viele Probleme.
Mary und ich sind einfach zu verschieden. Wenn ich gewusst hätte,
dass die Ehe so aussehen würde, hätte ich nie geheiratet.” Als ich
ihn darauf aufmerksam machte, dass an einer Ehe gearbeitet werden
muss, erwiderte Dirk: „Wenn man hart daran arbeiten muss, ist sie
es nicht wert.”
So wie Dirk gibt es viele Menschen, die für ihren gewählten Beruf
alles daransetzen, um voranzukommen, sich aber weigern, zu Hause
dieselbe Mühe zu investieren. Wenn es um ihr Familienleben geht,
sind sie faul und erwarten, dass sich gute innerfamiliäre Beziehungen
von alleine entwickeln. Sie haben die märchenhafte Vorstellung,
dass eine gottgefällige Familie durch Magie oder Zufall entsteht
und keine Anstrengung erfordert. Dadurch entsteht ein Irrgarten
ungelöster Konflikte, der die Familie schließlich auseinander reißt.
Nach Aussage von Paulus erfordert es Fleiß und Engagement, um
den Frieden in der Familie und außerhalb zu erhalten (Eph. 4,3). Du
darfst keine Mühen scheuen und musst dein Äußerstes geben.
252
Kapitel 14
Harmonie statt Disharmonie
Demut
Die Worte „mit aller Demut” in Epheser 4,2 deuten auf eine zweite
Eigenschaft eines Friedensstifters hin. An vielen Stellen der Bibel
wird Gottes Haltung zur Demut und deren Gegenteil – Stolz – her­
vor­gehoben. Jesaja sagt uns, dass Gott auf besondere Weise bei denen
wohnt, die einen zerschlagenen und demütigen Geist ha­ben (Jes.
57,15). Zwei Verse im Neuen Testament betonen: „Gott wider­steht
den Hochmütigen; den Demütigen aber gibt er Gnade.” (1.Petr. 5,5;
Jak. 4,6) Bei mehreren Gelegenheiten verkündete Jesus Christus:
„Denn jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden; wer aber
sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.” (Lukas 18,14; 14,11;
Matt. 23,12)
Die Sprüche enthalten zahlreiche Warnungen für stolze Men­
schen und Versprechen für demütige Menschen:
„Alle stolzen Herzen sind dem Herrn ein Gräuel, die Hand
darauf – sie bleiben nicht ungestraft!“ (Spr. 16,5)
„Die Furcht des Herrn ist die Schule der Weisheit, und der
Ehre geht Demut voraus.“ (Spr. 15,33)
„Der Hochmut des Menschen erniedrigt ihn, aber ein
Demütiger erlangt Ehre.“ (Spr. 29,23)
Wenn man diese Bibelstellen liest, bleibt kein Zweifel, dass der
Stolz unser Verhältnis zu Gott beeinträchtigt. Stolz wirkt sich
auch auf unsere Beziehungen zu anderen Menschen störend aus.
In den Sprüchen lesen wir: „Auf Übermut folgt Schande, bei den
Demütigen aber ist Weisheit.” (Spr. 11,2) Stolze Menschen neigen
dazu, Familienangehörige respektlos zu behandeln. Weil sie andere
ständig runterputzen, passiert es leicht, dass man eine feindselige
Haltung gegen sie einnimmt.
Ein stolzer Mensch sucht den eigenen Ruhm, weil er denkt, dass
er mit Weisheit erfüllt ist und ihn alle nach seiner Meinung fragen
und diese sehr schätzen sollten. Den Sprüchen zufolge erlebt er
stattdessen Schande. Es ist schwer, jemanden zu respektieren, der
253
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
eine sehr hohe Meinung von sich selbst hat. Wir neigen eher dazu,
solchen Menschen zu widersprechen. „Durch Übermut entsteht nur
Streit.” (Spr. 13,10) Wenn du also einen Konflikt mit jemandem
in deiner Familie hast, prüfe, ob nicht Stolz eure Beziehung be­ein­
trächtigt.
Die Demütigen nehmen die Warnung Christi ernst, andere nicht
zu verurteilen (Matt. 7,1-5). Die Stolzen aber beschuldigen andere
schnell und gehen bei jedem Streit davon aus, dass der andere
völlig oder wenigstens teilweise falsch liegt. Der demütige Mensch
erkennt den Balken in seinem eigenen Auge, so dass die Fehler
anderer im Gegensatz dazu wie kleine Splitter wirken. Wenn es
zu Auseinandersetzungen kommt, prüft er sich selbst: „Ich weiß,
wie sündig ich bin. Ich sollte mich lieber zunächst selber prüfen.
Nehme ich eine falsche Haltung ein? Habe ich ungesunde Worte
gesprochen? Habe ich mich unchristlich verhalten? Habe ich etwas
falsch gemacht?”
Demut befähigt uns, die volle Verantwortung für unser Fehl­
verhalten zu übernehmen, ohne die Schuld auf andere zu schieben,
sie wegzuargumentieren oder zu verschleiern. Der verlorene Sohn
legte diese Demut an den Tag, als er zu seinem Vater zurückkehrte
und sagte: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor
dir, und ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen!” (Lukas
15,21) Er sagte zu seinem Vater nicht: „Es tut mir Leid, was ich tat,
als du mir zu herrisch und gebieterisch wurdest. Ich hätte dich nicht
so behandeln sollen, als du versuchtest, mich davon abzuhalten zu
tun, was ich wollte.” Er versuchte nicht, sich zu rechtfertigen oder
zu begründen, was er getan hatte. Er übernahm in Demut die volle
Verantwortung für seine Haltung und seine Taten.
Wenn es in der Familie zu Disharmonie kommt, können wir oft
einen Fehler darin finden, was der andere gesagt oder getan hat.
Vielleicht haben wir die Behandlung auch gar nicht verdient, die uns
zuteil wurde. In so einem Fall sagt der Stolz: „Ich habe das Recht zu
denken, zu tun und zu sagen, was ich will, weil der andere den Streit
angefangen hat.” Die Demut aber bewegt uns dazu, etwas anderes
zu sagen, nämlich: „Ein Unrecht hebt das andere nicht auf. Zwei
Mal Unrecht ist und bleibt zwei Mal Unrecht. Ich kann sündiges
254
Kapitel 14
Harmonie statt Disharmonie
Verhalten nicht entschuldigen oder jemand anderem zuschreiben.
Ich bin für mein Benehmen selbst verantwortlich, ganz gleich, was
andere mir antun.”
Unsere Demut wird sichtbar, wenn wir andere um Vergebung
bit­ten, nachdem wir sie falsch behandelt haben. Wenn ich Paare
be­rate, höre ich oft den Vorwurf: „Er (oder sie) bittet niemals um
Vergebung.” Ein Ehemann sagte, er hatte diese Worte in zwanzig
Jahren kein einziges Mal von seiner Ehefrau gehört. „Stimmt
das?”, fragte ich sie. Sie antwortete: „Man muss doch nur dann um
Vergebung bitten, wenn man etwas falsch gemacht hat.”
Stell dir das vor! Diese Frau konnte sich in zwanzig Jahren Ehe
an kein einziges Vergehen ihrerseits erinnern! Bei so einer selbst­
gerechten Einstellung ist es nicht schwer zu verstehen, warum der
Streit des Ehepaares eskaliert war.
Mike kam in die Seelsorge, nachdem seine Frau mit einem an­de­
ren Mann durchgebrannt war. Andere Leute hatten zu Mike gesagt:
„Vergiss sie! Du bist ohne sie besser dran.” Aus irgendeinem Grund
war Mike dazu noch nicht bereit. Er wollte sicher sein, dass er alles
in seiner Macht Stehende getan hatte, um die Beziehung zu retten,
und beschloss deshalb, Hilfe anzunehmen. Nachdem er sein Herz
aus­ge­schüttet hatte und wir gemeinsam gebetet hatten, fragte er
mich: „Was sollte ich deiner Meinung nach tun?” Ich sagte: „Mike,
meine Meinung ist völlig unwichtig. Wenn du willst, kann ich dir
sagen, was Gott meiner Meinung nach von dir erwartet. Willst du
das?”
Er war einverstanden. Ich hatte das Gefühl, dass er emotional
bereit war, eine direkte Unterweisung anzunehmen, deshalb las
ich ihm Matthäus 7,2-5 vor. „Mike”, sagte ich, „wenn andere uns
verletzen, konzentrieren wir uns meistens auf ihr Vergehen und
unseren Schmerz. Das scheint einfach die richtige Reaktion zu sein.
Aber Christus lehrt uns in diesem Abschnitt etwas Anderes. Er
sagt, wir sollen erst uns selbst überprüfen, was wir vielleicht falsch
gemacht haben. Ich weiß, dass das zunächst unfair zu sein scheint,
weil du deine Ehefrau nicht verlassen hast; du bist nicht mit einer
anderen Frau weggelaufen; und trotzdem erwartet es unser weiser
und liebender Herr von uns. Er sagt nicht, dass die Sünde deiner
255
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Ehefrau unbeachtet bleiben soll, sondern er sagt, du sollst zunächst
auf deine eigenen Fehler sehen, bevor du an ihre denkst. Denkst du
auch, dass Christus uns das hier sagen will?” Mike stimmte mir zu
und ich fragte ihn: „Bist du bereit, die schwierige und schmerzliche
Aufgabe anzugehen und zu prüfen, wo du als Ehemann und Vater
vielleicht versagt hast?”
„Ich will alles tun, was Christus von mir verlangt. Ich weiß, dass
ich sie und meine Kinder und Gott in vielen Bereichen enttäuscht
habe. In den vergangenen Jahren war mir meine Zahnarztpraxis oft
wichtiger als meine Familie. Ich war egoistisch und rücksichtslos.
Judy versuchte, mit mir über ihre Sorgen zu reden, aber ich sagte
ihr, sie sollte zufrieden sein, weil ich immer noch ein besserer
Ehemann und Vater war als viele andere. Ich bin schon viele Jahre
Christ, aber ich habe mein geistliches Leben verkommen lassen.
Zwischendurch machte ich kleine Änderungen, aber das hielt nicht
lange, und ich fiel wieder in meine eingefahrenen Verhaltensweisen
zurück.”
Ich ließ Mike Zeit, seine eigenen „Balken” zu untersuchen und
ermutigte ihn, seine Sünden vor Gott zu bekennen und die Ver­
gebung in Christus anzunehmen. Dann sagte ich ihm, dass ich ihn
bitten würde, etwas zu tun, was ihm sehr schwer fallen würde, was
eine große Menge an Demut erfordern würde. „Ich möchte, dass
du deine Frau anrufst und ihr gegenüber zugibst, inwieweit du sie
enttäuscht hast. Ich möchte, dass du sie um Verzeihung bittest und
ihr sagst, dass du dich mit Gottes Hilfe ändern wirst. Du sollst sie
nicht anpredigen oder ihr sagen, was für eine schlimme, verdorbene
Sünderin sie ist. Konzentriere dich vielmehr darauf, den „Balken”
aus deinem eigenen Auge zu entfernen.
Ich weiß nicht, wie sie reagieren wird. Sie wird sich vielleicht
weigern, dir zu vergeben und dir aus allem Vorwürfe machen, was
du sagst. Sie wird vielleicht leugnen, überhaupt etwas falsch gemacht
zu haben. Aber ich glaube trotzdem, dass Gott das von dir erwartet.
Wirst du es tun?”
Mike versprach, es zu tun, und als er ging, war er fest entschlossen,
sich zu bessern. Er kontaktierte seine Frau, bekannte seine Sünden
und bat sie um Vergebung. Judy staunte. Zuvor hatte er sich immer
256
Kapitel 14
Harmonie statt Disharmonie
verteidigt und ihr die Schuld für alle Probleme in ihrer Ehe gegeben.
Jetzt übernahm er die volle Verantwortung für seine Fehler.
Gott gebrauchte Mikes Demut, um Judy zu entwaffnen und
die Mauer des Widerstandes einzureißen, die sie errichtet hatte. Er
tat Buße, dann tat sie Buße und kehrte zu ihrer Familie zu­rück.
Gemeinsam kamen sie in die Seelsorge, um ihre Probleme auf­zu­
arbeiten. Und gemeinsam arbeiteten sie daran, bis sie neue Wege für
ihren Umgang miteinander fanden. Für Mike und Judy begannen
sich die Dinge zu ändern, als er bereit war, sich zu demütigen und
seine Sorgfaltspflicht in ihrer Ehe zu erfüllen.
Sanftmut
Der dritte Faktor im biblischen Friedensprogramm ist die oft ver­
nachlässigte und missverstandene Eigenschaft der Sanftmut (Eph.
4,2+3). In biblischen Zeiten wurde das griechische Wort, das hier als
„Sanftmut” übersetzt wird, manchmal gebraucht, um zahme Tiere
zu beschreiben. Bedenke, was das für die zwischenmenschlichen
Beziehungen bedeutet. Ein Mensch, der keine Sanftmut besitzt,
ist wie ein wildes Tier. Auf Beziehungen innerhalb der Familie
über­tragen ist der Standpunkt des Paulus über Sanftmut un­miss­
ver­ständlich. Wenn verschiedene Parteien in der Familie sich gegen­
seitig beißen, zerreißen und verschlingen, zerbricht die Familie.
Solch unzivilisiertes Verhalten führt zu Sorgen, Abwehrhaltung
und Eng­stirnigkeit, wenn einzelne Familienmitglieder versuchen,
sich vor Verletzungen zu schützen. In so einer Atmosphäre ist es sehr
schwierig Konflikte zu lösen.
Sich wie ein sanftes, zahmes Tier zu verhalten, bewirkt das genaue
Gegenteil. Wenn Menschen wissen, dass wir sie nicht verletzen
werden, geben sie ihre Abwehrhaltung auf. In einer freundlichen
Atmosphäre ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass unsere Familie
darauf hören wird, was wir sagen. Die Wahrscheinlichkeit schwin­
det, dass Meinungsverschiedenheiten in Gefühlsausbrüche aus­arten,
in denen jeder nur darum bemüht ist, sein Gesicht zu wahren.
Macht­­kämpfe werden abgeschwächt und vernünftige Diskussionen
kön­nen geführt werden, wenn man sich gegenseitig Respekt und
Mit­gefühl entgegenbringt.
257
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Paulus fordert uns auf, unserem Erlöser ähnlicher zu werden, der
selbst die Sanftmut in Person war (2.Kor. 10,1). Jesus war „sanft­
mütig und von Herzen demütig” (Matt. 11,29). Er hatte nicht die
Angewohnheit, mit anderen zu streiten, sie anzuschreien und an­zu­
brüllen und sie zu blamieren. Er ignorierte ihre Schwächen und
Schmerzen nicht, indem er seine höhere Intelligenz und Sprach­
gewandtheit ausnutzte und sie durch Argumente zur Unterordnung
zwang. Nein, er nahm Rücksicht auf ihren Zustand und ihre
Ge­fühle. Mit erstaunlicher Freundlichkeit und Sorgfalt sprach er
ihnen Kraft und Mut zu (Matt. 12,18-21).
Dieser Geist, den Jesus auf so wunderbare Art verkörperte, hatte
eine erstaunliche Kraft, den Frieden zu erhalten. Ohne Sanftmut
werden Meinungsverschiedenheiten zu ernsthaften Konflikten, die
nur sehr schwer, falls überhaupt, gelöst werden können. Die Sanft­
mut hat aber eine starke spannungsmildernde Kraft, die Menschen
näher zusammenbringt.
Geduld
„Wenn ich meine Geduld bewerte, erreiche ich nur null Punkte”,
hörte ich vor kurzem einen Gemeindeleiter auf der Kanzel zugeben.
Ich be­grüßte die Aufrichtigkeit dieses Mannes, aber sein un­ge­zwun­
genes Lachen, das darauf folgte, ließ mich annehmen, dass er diesen
Mangel nicht sehr ernst nahm. Der Bibel zufolge ist die Geduld aber
ein unerlässlicher christlicher Charakterzug. Der Apostel Paulus hält
die Geduld für eine Grundvoraussetzung für die Einheit und den
Frieden mit anderen (Eph. 4,2+3).
Ein geduldiger Mensch wird nicht schnell ärgerlich oder ungehal­
ten und reagiert bei Meinungsverschieden­heiten nicht so schnell
über. Seine ruhige Art wendet möglichen Streit ab (Spr. 15,18). Eine
geduldige Person mildert Fehlverhalten mit Gelassenheit ab (Pred.
10,4). Sie lässt sich ihre Verärgerung nicht sofort anmerken, wenn
sie angegriffen wird (Spr. 12,16; 19,11). Sie vergilt nicht Böses mit
Bösem. In ihrer Verantwortung demjenigen gegenüber, der ge­recht
richtet, bemüht sie sich vielmehr so zu reagieren, wie es Gott gefallen
und anderen helfen würde (1.Petr. 2,21-23; Spr. 15,1+28).
Differenzen beizulegen geschieht nicht immer sofort; es braucht
258
Kapitel 14
Harmonie statt Disharmonie
oft Zeit und kann unangenehm sein. Es gefällt uns nicht, wenn sich
uns jemand widersetzt. Wir wollen sofort eine Übereinstimmung,
und wenn das nicht geschieht, werden wir ungeduldig und weigern
uns, das Thema weiter zu diskutieren. Wir vergessen, dass das
Herstellen der Harmonie ein Vorgang ist, nicht ein augenblickliches
Ereignis.
Ungeduld führt dazu, dass Menschen zu kontraproduktiven Stra­
tegien greifen, um strittige Themen zu vermeiden. Stures Schweigen,
Tränen, Drohungen, Themenvermeidung, Schuldzuweisungen,
Ge­schäftigkeit, vorgetäuschte Nachgiebigkeit und Abwesenheit von
zu Hause sind alles zerstörerische Strategien, die einer Lösung von
familiären Konflikten im Weg stehen. Geduld andererseits macht
uns willig, die harte, manchmal unangenehme Aufgabe an­
zu­
gehen und die gegensätzlichen Sichtweisen durchzu­diskutieren und
darüber zu beten, bis wir uns einigen können.
„So wartet nun geduldig”, sagt Jakobus, „bis zur Wiederkunft
des Herrn! Siehe, der Landmann wartet auf die köstliche Frucht der
Erde und geduldet sich ihretwegen, bis sie den Früh- und Spätregen
empfangen hat. So wartet auch ihr geduldig…” (Jak. 5,7-8). Wenn
der Bauer den Samen gesät hat, erwartet er die Ernte nicht in der
nächsten Woche. Nachdem er den Samen in die Erde gebracht
hat, düngt, wässert und pflegt er ihn – und wartet. Er weiß, dass
die Pflanze nicht schneller wachsen wird, wenn er in der Erde
herumstochert. Also tut er alles, was in seiner Macht steht, und
wartet dann geduldig ab.
Die Aussage des Jakobus über Geduld hat eine gewaltige Be­deu­
tung für die Lösung von Konflikten. Die Mitglieder unserer Fa­mi­
lie brauchen Zeit, um über unsere Vorstellungen nachzudenken,
ohne dass wir unnötigen Druck auf sie ausüben. Veränderungen im
Denken und Handeln passieren nicht immer sofort. Wir müssen
uns damit abfinden, dass manche Veränderungen nur langsam
geschehen. Die Verhältnisse in der Familie werden beeinträchtigt
und Konflikte werden verstärkt, wenn wir nicht einsehen wollen,
dass manche Veränderungen Zeit brauchen. Wenn Ehemänner
und Ehefrauen auf eine sofortige Veränderung des Charakters oder
des Verhaltens ihres Partners bestehen und Ablehnung und Über­
259
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
legen­heit ausstrahlen, begünstigen sie weitere Disharmonie in ihrer
Beziehung. Eltern, die ihren Kindern keinen Raum geben, um
all­mäh­lich reifer zu werden, leisten in ihrer Familie einem kämp­fe­
rischen Geist Vorschub.
Langmut
Nahe verwandt mit der Geduld ist die Charaktereigenschaft, die als
Langmut bezeichnet wird. Einerseits ist es eine Facette der Geduld
– man kann das eine ohne das andere nicht haben. Trotzdem hebt
Paulus die Langmut in Epheser 4,1-3 besonders hervor. Dadurch
betont er die Schlüsselrolle, die diese Facette der Geduld für die
Erhaltung der Einheit spielt.
In Bezug auf die Notwendigkeit dieser Eigenschaft schreibt Jerry
Bridges:
Menschen benehmen sich oft so, dass ihr Verhalten nicht direkt
gegen uns gerichtet ist, uns aber trotzdem berührt und verärgert
oder enttäuscht. Vielleicht ist es der Autofahrer vor uns, der zu
langsam fährt, oder ein Freund, der zu einer Verabredung zu
spät erscheint, oder ein rücksichtsloser Nachbar. Meistens aber
ist es das unbewusste Verhalten von jemandem aus unserer
eigenen Familie, dessen lästige Gewohnheiten uns stärker
berühren, weil er uns näher steht. Die Geduld, über solche
Umstände hinwegzusehen, wird von uns am meisten in unserer
eigenen Familie gefordert…9
Viele Streitigkeiten ergeben sich deshalb, weil Familienangehörige
nicht zulassen, dass andere einen Fehler machen oder einfach nur
anders sind, ohne Druck auf sie auszuüben. Intolerante Menschen
weisen auf jeden Patzer hin, den ein anderer macht. Sie unter­
scheiden nicht zwischen wichtigen Angelegenheiten und Kleinig­
keiten. Irgendwie denken sie, wenn sie andere nicht umgehend auf
jeden Schnitzer hinweisen, dann vernachlässigen sie ihre Pflicht
(Spr. 19,11; 17,9).
Wir täten gut daran, Gott nachzuahmen, wie er mit den Mit­
gliedern seiner Familie umgeht. Beachte, wie langmütig Jesus Chris­
9
Jerry Bridges, The Practice of Godliness (Colorada Springs: NavPress, 1983, S. 209)
260
Kapitel 14
Harmonie statt Disharmonie
tus mit seinen Jüngern war. Als Gott in Menschengestalt waren ihm
alle ihre sündigen Gedanken, Worte und Taten voll bewusst. Er
hätte sie ständig für alle ihre Fehler und Sünden ermahnen können.
Aber er tat es nicht. Er wählte sorgfältig, worauf er sie aufmerksam
machte und wann, wo und wie er die Dinge ansprach, die ihm am
wichtigsten waren.
Während ich dieses Kapitel schreibe, bin ich seit fast vierzig Jah­
ren Christ. In dieser Zeit habe ich gelernt, sehr dankbar dafür zu
sein, dass Gott so langmütig mit mir gewesen ist. Wenn ich mein
Leben betrachte, sehe ich, dass ich durch Gottes Gnade in einigen
Bereichen etwas gewachsen bin. Aber zu meinem Leidwesen muss
ich zugeben, dass ich noch eine weite Strecke vor mir habe. Ich
unterscheide mich in so vielen Hinsichten von meinem Herrn Jesus!
Aber Gott hat mich nie aufgegeben. Er liebt mich immer noch und
ist immer geduldig mit mir gewesen. Er entschuldigt und billigt
meine verbleibenden Sünden nicht, aber er macht mich auch nicht
ständig runter deswegen. Mit großer Langmut akzeptiert er mich
in Jesus Christus auch weiterhin und arbeitet an mir, damit ich
schließlich völlig in das Ebenbild seines Sohnes verwandelt werde
(Phil. 1,6; Röm. 8,29; 1.Joh. 3,2).
Es ermutigt mich zu wissen, dass Gott mich mit all meinen Feh­
lern gnädig annimmt. Und weißt du was? Diese Langmut Gottes
führt nicht dazu, dass ich mit meiner Sünde sorglos umgehe. Im
Gegenteil, Gottes langmütige Liebe fördert meine Hingabe zu ihm,
sodass ich meine Sünde hasse und ihm umso mehr gefallen will
(1.Joh. 4,19; 2.Kor. 5,14).
So wird das auch in unseren Familien sein. Wenn wir anderen
dieselbe Langmut entgegenbringen, die Gott uns erweist, erfüllen
wir sein Gebot, um Disharmonie in Harmonie zu verwandeln. Die
Mauern, die uns als Familie trennen, werden einstürzen, und das,
was uns verbindet, wird stärker werden. Nimm dir das Rezept zu
Herzen, das Paulus uns gibt, um Frieden zu stiften. Bemühe dich,
dir mit Hilfe des Heiligen Geistes (vgl. Gal. 5,22+23; 2.Kor. 3,18)
die fünf Eigenschaften anzueignen, die in Epheser 4,1-3 beschrieben
werden. Wenn sie dein Leben bestimmen, wirst du zu dem
261
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
Friedensstifter, in dessen Gegenwart Streitigkeiten einen natürlichen
Tod erleiden und in dessen Familie sich Harmonie ausbreitet.
Übungsaufgaben
Bearbeite jede Aufgabe selbstständig und besprich dann deine Ant­
worten mit deinem Partner oder deiner Studiengruppe.
1. Inwiefern weist Epheser 4,1-3 darauf hin, dass es wichtig ist,
Konflikte zu lösen?
2. Was bedeutet der Ausdruck „[seid] eifrig bemüht, die Einheit
des Geistes zu bewahren” in Bezug auf Konfliktlösung?
3. Warum ist eine demütige Haltung so wichtig für die Lösung
von Konflikten? Wie zeigt sich wahre Demut im Umgang mit
Familienmitgliedern? Was veranlasst die Demut, uns zu tun,
das die Schlichtung des Streits begünstigen wird?
4. Wie hilft Sanftmut bei der Konfliktlösung in unserer Familie?
5. Wie wird Sanftmut sichtbar, wenn Meinungsverschiedenheiten
auftreten?
6. Welche Bibelstellen belegen die Sanftmut Christi? Welche
Hin­weise geben sie darauf, wie sich unser Umgang mit an­de­
ren auf die Lösung von Konflikten auswirkt?
7. Wie kann Geduld zur Konfliktlösung beitragen?
8. Wie wird Geduld sichtbar, wenn Meinungsverschiedenheiten
auftreten?
9. In welchem Zusammenhang steht Langmut zur Konflikt­
lösung?
262
Kapitel 14
Harmonie statt Disharmonie
10. Was bedeutet Langmut und wie zeigt sie sich im Umgang mit
anderen?
11. Erinnere dich an Menschen aus der Bibel oder der Gegenwart,
die gute Friedensstifter waren bzw. sind und dabei fest zu
ihren Überzeugungen standen bzw. stehen. Wie zeigen sich
die Eigenschaften aus Epheser 4,1-3 in ihrem Leben?
12. Denke an ein christliches Ehepaar oder eine christliche Familie
aus deinem Bekanntenkreis, die ein großartiges Verhältnis
zueinander zu haben scheinen. Welche Eigenschaften charak­
te­ri­sieren ihr Leben? Was sind die Gründe für ihre guten
Beziehungen?
13.Wie schätzt du Harmonie und Einheit in deiner Familie ein?
Ist deine Familie ein Beispiel für die Einheit des Geistes durch
das Band des Friedens? Wie ist der Friedensquotient in deiner
Familie?
Ausgezeichnet ___ Gut ___ Mittelmäßig ___ Schlecht ___
Begründe deine Einschätzung.
14.Beurteile deine Fähigkeit, Konflikte anhand der in diesem
Kapitel empfohlenen Kriterien zu lösen. Benutze die folgende
Bewertungsskala:
4 = gewöhnlich, 3 = oft, 2 = manchmal, 1 =selten, 0 =nie
1. Ich gebe mir die größte Mühe,
Meinungsverschiedenheiten zu klären.
43210
2. Ich übernehme die volle Verantwortung
für mein Fehlverhalten.
43210
3. Ich versuche, meine Schuld nicht auf andere zu
schieben, wenn ich gesündigt habe.
43210
4. Ich bitte um Vergebung, wenn ich mich einem
Familienmitglied gegenüber falsch verhalten habe.
43210
263
Familie – der Ort, an dem du verstanden wirst
5. Ich gebe meine Fehlbarkeit und
Unzulänglichkeit zu.
43210
6. Mir ist bewusst, dass ich manchmal etwas falsch
verstehen oder deuten könnte. 43210
7. Ich höre sorgfältig und respektvoll zu,
wenn jemand aus meiner Familie spricht. 43210
8. Ich ziehe keine voreiligen Schlüsse und
verurteile keinen, solange ich nicht sicher bin,
dass ich alles richtig verstanden habe.
43210
9. Ich höre zu, auch wenn ich nicht hören will,
was der andere sagt.
43210
10. Ich versuche, die Sichtweise des anderen zu
verstehen, bevor ich antworte. 43210
11. Ich nehme Rücksicht auf die Gefühle anderer.
43210
12. Ich antworte auf eine sanftmütige Art und Weise. 43210
13. Ich sorge dafür, dass sich andere in meiner
Gegenwart wohl fühlen.
43210
14. Ich versuche zu vermeiden, dass sich andere
wegen mir dumm vorkommen. 43210
15. Ich übe Langmut, wenn mich jemand provoziert
oder falsch behandelt.
43210
16. Ich halte durch, wenn sich unangenehme,
schmerzliche Situationen ergeben. 43210
17. Ich stelle mich Meinungsverschiedenheiten und
versuche, sie zu klären, anstatt davor wegzulaufen.
43210
18. Ich lasse anderen Zeit sich zu ändern.
43210
19. Ich akzeptiere Verschiedenheiten. 43210
20. Ich unterscheide zwischen wichtigen und
unwichtigen Dingen.
43210
21. Ich erlaube anderen, Fehler zu machen, ohne sie
dafür zu bestrafen.
43210
22. Ich respektiere die Mitglieder meiner Familie,
auch wenn ich mit ihnen nicht einverstanden bin
oder sie gesündigt haben.
43210
Anzahl von 2-en: ____ (Ich muss mich etwas verbessern.)
Anzahl von 1-en: ____ (Ich muss mich stark verbessern.)
Anzahl von 0-en: ____ (Ich muss mich sehr stark verbessern.)
Um der Aufforderung in Epheser 4,1-3 nachzukommen, musst du
dich in den Bereichen verbessern, wo du nur 2, 1 oder 0 Punkte
erreicht hast. Wenn die Anzahl deiner 0-en und 1-en sehr hoch ist,
264
Kapitel 14
Harmonie statt Disharmonie
bestehen in deiner Familie viele ungeklärte Konflikte und die Einheit
des Geistes durch das Band des Friedens ist nicht vorhanden. Wenn
du ein Christ bist, kannst du dich verbessern. Lies die Kapitel 12-14
noch einmal und lege eine biblische Strategie fest, um zu lernen, mit
Meinungsverschiedenheiten richtig umzugehen und Konflikte zu
lösen. Vervollständige den folgenden Satz:
Um mich als Friedensstifter und in der Konfliktlösung zu verbessern,
werde ich …
15.Analysiere die folgenden Bibelstellen und beachte, was sie
über Friedensstifter und Konfliktlösung zu sagen haben.
Übertrage sie auf deine eigene Familie.
a) 1. Mose 13,8+9
b) 1. Mose 26,17-31
c) Esther 10,3
d) 2. Samuel 10,1-14
e) Psalm 34,14
f) Psalm 133,1
g) Sprüche 10,12
h) Sprüche 13,10
i) Sprüche 15,1
j) Sprüche 15,4
k) Sprüche 15,18
l) Sprüche 17,14
m)Sprüche 20,3
n) Prediger 10,4
o) Römer 12,14-21
p) Römer 14,19
q) Galater 5,13-23
r) Philipper 2,1-9
s) Jakobus 3,14-4,2
265
Über den Autor
Wayne A. Mack (B.A., Wheaton College; M.Div., Philadelphia
Theological Seminary; D.Min., Westminster Theological Seminary)
ist außerplanmäßiger Professor für biblische Seelsorge am Master’s
College und Direktor von Strengthening Ministries International. Er
hat mehr als vier Jahrzehnte Erfahrung in verschiedenen Bereichen
der Seelsorge und Familienberatung und hat an der Gründung von
drei Beratungszentren mitgewirkt.
Dr. Mack hat an zahlreichen Schulungseinrichtungen für Pas­to­
ren unterrichtet, darunter auch Westminster. Er ist Vorstandsmitglied
der National Association of Nouthetic Counselors und hat auf mehre­
ren Kontinenten Konferenzen über Seelsorge und das Leben als
Christ durchgeführt.
Liebevoll leben
Frucht bringen für die Ewigkeit
Wayne A. Mack
ISBN 978-3-932308-86-4
Best.-Nr.: 308 86
Gb. 336 S.
Wie kann ich durch mein Leben den bestmöglichen Einfluss auf meine Umgebung ausüben? Diese Frage zu beantworten ist das Ziel dieses
Buches, welches den „weit vortrefflicheren Weg“, den Weg der Liebe, der
uns in 1.Kor. 13 geschildert wird, Stück für Stück erklärt. Das Buch ist
vollgespickt mit lebensnahen Geschichten und klaren, praktischen Anwendungen. Es ist nicht nur eine der gründlichsten und praktischsten
Auslegungen des „Hohelieds der Liebe“, sondern eine enorme Herausforderung.
„Die Zeit, die Sie damit verbringen, dieses Buch zu studieren, ist bestens
investiert: Sie werden tragfähige und konkrete Antworten auf die Frage
erhalten, wie Sie in der Liebe gemäß 1. Korinther 13 wachsen können.
Sie werden sich nicht ein einziges Mal fragen müssen, wie Sie das, was
Sie gelesen haben, anwenden können. Wayne ist ein sehr guter Seelsorger. Er weiß, dass er sein Ziel erst dann erreicht hat, wenn Hörer zu
Tätern des Wortes geworden sind. Sie werden ermutigt werden, konkrete
und nachvollziehbare Schritte zu gehen – hin zu dem Ziel, die größtmögliche „Liebeswirkung“ im Sinne von 1. Korinther 13 auf das Leben der
Menschen zu haben, die Gott Ihnen anvertraut hat.“
(Aus dem Vorwort von Pastor Steve Viars)
Raus aus dem Dunkel!
Vom Umgang mit der Niedergeschlagenheit durch Depression
und Einsamkeit
Wayne A. Mack
ISBN 978-3-932308-94-9
Best.-Nr.: 308 94
Pb. 176 S.
Fast jeder Mensch gerät im Laufe des Lebens in Zeiten der andauernden
Niedergeschlagenheit. Wie soll man mit solchen Zeiten umgehen – und
wie überwindet man die Traurigkeit richtig? Was sagt uns Gott in seinem
Wort dazu?
Das vorliegende Buch...
• definiert und beschreibt Depression,
• beschreibt ihre Dynamik und die Entwicklung,
• zeigt eine biblische Problemlösung auf und
• schildert Fallbeispiele und Lösungen für durch Einsamkeit verursachte
Depressionen.
Ideale Handreichung sowohl für Helfer als auch für Hilfesuchende.
Gemeindeglied – sein oder nicht sein?
Von der Pflicht und Freude einer verbindlichen Gemeindezugehörigkeit
Wayne A. Mack
ISBN 978-3-932308-93-2
Best.-Nr.: 308 93
Tb. 80 S.
Bekennende Christen des einundzwanzigsten Jahrhunderts stellen sich
die erstaunlichsten Fragen über die Gemeinde und kommen zu ganz unterschiedlichen Antworten.
• Soll ich einer Gemeinde beitreten oder nicht?
• Ist Gemeindemitgliedschaft ein erforderlicher oder freiwilliger Bestandteil für einen Christen?
•Ist die Gemeindemitgliedschaft die Hauptmöglichkeit im Bezug auf
Dienst und geistliches Wachstum oder nur eine von vielen?
• Ist Gemeindemitgliedschaft wichtig oder unwichtig?
• Ist es eine Frage des Gehorsams dem Herrn gegenüber oder eine individuelle Frage für einen Christen?
Dieses Buch zeigt anhand der Bibel Gottes Sichtweise zu diesem Thema.
Darüber hinaus vermittelt der Autor wichtige Grundlagen bezüglich der
Bedeutung der Gemeinde im Leben eines Gläubigen. Dieses Buch ist daher auch für alle diejenigen sehr hilfreich, für die Gemeindemitgliedschaft
gar keine Frage ist!
Lieblinge auf Lebenszeit
Aus der Ehe das Beste machen
Wayne A. Mack
ISBN 978-3-932308-85-7
Best.-Nr.: 308 85
Gb. 320 S.
Ein Buch für Eheleute. Sowohl für solche, die schon jahrzehntelang verheiratet sind (und dringend neue Impulse zur Pflege ihrer Ehebeziehung
brauchen) als auch für die frisch verheirateten, die gerade dabei sind,
eine solide Grundlage für eine fruchtbare, lebenslange Ehe zu legen.
Ein Buch, das nicht nur dringend notwendig, sondern auch biblisch fundiert, klar und sehr praktisch ist.
Demut – die vergessene Tugend Wayne A. Mack
ISBN 978-3-932308-92-5
Best.-Nr.: 308 92
Pb. 160 S.
Dieses äußerst wichtige Buch behandelt ein Hauptübel, an dem wir alle
leiden, über das wir aber wenig sprechen und das in der Verkündigung
eher selten thematisiert wird. „Der Stolz ist das Kleid der Seele – als
erstes angelegt, als letztes abgelegt!“
Der erfahrene Seelsorger und Autor definiert Stolz und Demut auf der
Grundlage der Bibel und zitiert zu diesem Thema sehr hilfreiche Auszüge und Zitate aus Predigten vor allem von C.H. Spurgeon, aber auch
aus Werken von Jonathan Edwards, John Newton, John Bunyan, C.S.
Lewis und anderen Autoren.
Das Hauptziel des Buches ist, dem Leser praktische Hilfen zu zeigen,
wie man den Stolz ablegen und in der Demut wachsen kann. Dazu gibt
es nach jedem Kapitel Übungsaufgaben und Fragen, die das eigene
Leben im Licht Gottes bewerten helfen.