BFLK-Jahrestagung 2015 - Der Weg hat sich gelohnt - eine Tagungszusammenfassung – Die 40. Jahrestagung der BFLK fand vom 13. – 15. April 2015 in den VITOS Kliniken Rheingau im hessischen Eltville am Rhein statt. Nicht nur die BFLK veranstaltete ihre Tagung in ihrem Jubiläumsjahr, sondern auch die VITOS Kliniken feiern 200 Jahre Psychiatrie im Rheingau und 150 Jahre psychiatrische Versorgung am Standort Eichberg, dem Zentrum für Soziale Psychiatrie der Klinikgruppe. Das Motto der Tagung „Psychiatrische Pflege braucht… !“ und damit auch die inhaltliche Ausrichtung ist von Georg Oppermann, der seit November letzten Jahres den Bundesvorsitz der BFLK übernommen hat, gleich zum Anfang der Tagung aufgenommen worden. Er hat in einer überzeugenden Rede nicht nur ein Zukunftspapier vorgestellt sondern sehr deutlich dargestellt was die psychiatrische Pflege aktuell und zukünftig benötigt. „Psychiatrische Pflege braucht MENSCHEN!“ Sie benötigt Menschen, die einen pflegerischen Beruf ergreifen und die eine professionelle Beziehung zu psychiatrischen Patienten als ihre Aufgabe sehen. Wichtig ist die „Nähe zu Menschen, zu Patienten und Patientinnen und zu Kollegen und Kolleginnen“ so Oppermann. „Psychiatrische Pflege braucht eine starke INTERESSENSVERTRETUNG!“ Sehr deutlich gemeint hat Oppermann die BFLK. Sie ist der Managementverband für Psychiatrisch Pflegende. Sie ist an der Zusammenarbeit mit anderen Verbänden, Institutionen, Gruppen und der Politik interessiert. Das Engagement und die Vernetzungen aller BFLK-Mitglieder zeugen von dieser Haltung. „Psychiatrische Pflege braucht ORGANISATION!“ Seit Jahren ist die BFLK Mitglied im Deutschen Pflegerat und übernimmt hier die Rolle des Psychiatrie-Vertreters. Sie ist der Ansprechpartner bei psychiatrischen Fragestellungen und politischen Statements. Die BFLK unterstützt weiterhin alle Bemühungen, damit Pflegende sich in einer Pflegekammer organisieren können. „Psychiatrische Pflege und die BFLK brauchen AUSTAUSCH!“ „Austausch innerhalb des Verbandes und der Berufsgruppe, vom Anderen Lernen und ins fachliche Gespräch kommen, das ist mir ein sehr persönliches Anliegen“, so Oppermann. Am Schluss seiner Rede wurde Georg Oppermann nochmal kämpferisch und deutlich, als er sich mit dem neuen Entgeltsystem befasste. „Wenn es die Möglichkeit gibt, die aktuell geltenden Gesetze und Vorgaben noch zu verändern und zu beeinflussen, sollten alle Engagierten in der Psychiatrie daran mitwirken, es lohnt sich.“ Mit dieser Rede zeichnete der Vorsitzende der BFLK ein sehr differenziertes Bild was psychiatrische Pflege benötigt und für was er steht. Neben dem Applaus war auch zu spüren, dass viele Teilnehmer sehr genau hingehört haben. Die Rede war die passende Einstimmung auf die Tagung. An der hochkarätig besetzten Podiumsdiskussion nahmen Vertreter der wichtigsten Berufs- und Fachorganisationen in der Psychiatrie teil. Fr. Dr. M. Margitta BorrmannHassenbach für die BAG, Hr. H. Höhmann für die VKD, Hr. Prof. Dr. T. Pollmächer für die BDK, Fr. S. Ludowisy-Dehl für die BFLK und Hr. R. Belling als Geschäftsführer der Vitos GmbH. Sie alle stellten sich den Fragen von Gerrit Krause M.A., Landesvorsitzender der BFLK in Niedersachsen/ Bremen und auch den Fragen aus dem Publikum. Neben der vermuteten Eingangsfrage: Was braucht psychiatrische Pflege? wurde die Akademisierung, der Fachkräftemangel, die Haltung in der psychiatrischen Pflege, die Vergütungsstrukturen und die Pflegekammer als Selbstverwaltungsorgan diskutiert. Mit der Aussage von Borrmann-Hassenbach „Haltung ist die Basis psychiatrischer Arbeit“, hat sie eine Kernbotschaft der Diskussionsrunde treffend formuliert. Alle Beiträge basierten auf hoher Fachlichkeit und Realitätskennung. Prof. Sabine Weißflog MScN, Pflegewissenschaftlerin und diplomierte Pflegewirtin von der Universität Frankfurt eröffnete den thematischen Block der Ambulanten Versorgung – das Psychiatrische Krankenhaus in Gegenwart und Zukunft – Bettenproblem oder Dienstleitungsherausforderung? Ihre Literaturanalyse nationaler und internationaler Modelle zum Hometreatment beschreibt unter anderem aktuelle Modelle, die eine intensive Nachsorge als zentralen Aspekt aufweisen. Als Ergebnisse lassen sich Senkung von Wiederaufnahmen, Senkung von Behandlungsabbrüchen, eine hohe Zufriedenheit und auch eine kostengünstige Alternative im Vergleich zu einer „klassischen“ Regelbehandlung festhalten. Erwähnenswert ist, dass einige Tagungsteilnehmer direkt in den vorgestellten Projekten arbeiten. Michael Theune, Vorsitzender der BAPP aus Weinsberg beschrieb Care Management am Beispiel von Home Treatment. Er stellte die Megatrends des Gesundheitsbereichs vor z.B. Ökonomisierung, Individualisierung der Gesellschaft, mündige Patienten und Paradigmenwechsel beim Verständnis von Krankheit. Eine zentrale Aussage seines Vortrages lautete „Ein Krankenhaus ist mehr als seine Bettenanzahl. Die Arbeit verlagert sich dorthin wo sie hingehört, nach Hause.“ Am Schluss seines runden und gut vorgetragenen Vortrags wurde das Publikum von Theune aktiv eingebunden, indem Sie durch Handzeichen Stellung beziehen sollten, ob Home Treatment eine Aufgabe von Pflegenden sei. Eine 100 % Zustimmung war das Ergebnis. Prof. Brigitte Anderl-Doliwa, Stiftungsprofessorin an der Katholischen Hochschule Mainz und Stellvertretende Vorsitzende des BFLK Landesverbandes Rheinland-Pfalz/ Saarland hat mit ihrem Beitrag Hometreatment – Rolle, Kompetenzen und Outcome psychiatrischer Pflege eine wissenschaftlich begründete Lanze für den entwicklungsbedürftigen ambulanten Bereich gebrochen. Sie hat in einer überzeugenden Darstellung aussagekräftige Fakten transparent und nachvollziehbar dargestellt. Zum Schluss gab es einen kleinen Seitenhieb für alle Verfechter von Reduzierung von Verweildauern und damit auch Reduzierung von Beziehungszeit. „Ambulante Versorgung benötigt Zeit,“ so Anderl-Doliwa. Prof. Michael Löhr, Pflegewissenschaftler und Lehrstuhlinhaber für Psychiatrische Pflege an der Fachhochschule der Diakonie in Bielefeld, BFLK-Mitglied und Sprecher des Netzwerk Entgelt. Mit seinem Vortrag eröffnete er am zweiten Tag den Themenblock Personalbemessung. Der Titel Personalbemessung in der Psychiatrie 2.0 ist Programm. Er lüftet in seinem Vortrag unter anderem ein bislang gehütetes Geheimnis und gab eine Antwort auf die Frage: Wieviel Prozent Psych-PV setzen die Kalkulationshäuser ein und welche Auswirkungen hat diese Zahl. Die Antwort mit der genauen Prozentzahl klingt allen Teilnehmern noch im Ohr und viele fühlten ihr Bauchgefühl bestätigt. Alle Nicht-Tagungsteilnehmer müssen auf die in den nächsten Wochen geplante Veröffentlichung warten. Am Schluss lässt Löhr die Teilnehmer mit dieser Zahl nicht alleine sondern gibt in seinem Ausblick mögliche Ansatzpunkte des Umgangs. Wieder einmal ein hervorragender Vortrag, aktuell wie nie. Dirk Hunstein, Pflegewissenschaftler und Geschäftsführer der ePA-CC GmbH beantwortet in seinem Vortrag die Frage ePA-CC ein Instrument der Personalbemessung auch für die Psychiatrie? Das Instrument, welches sich bereits für die somatischen Bereiche bewährt hat, verbindet den Bereich Assessment, Feststellung des Schweregrades der Pflegebedürftigkeit und des Selbstpflegeindexes bis hin zur Darstellung der Kostenintensität Patient-Station-Mitarbeiter. Ein praktikables Messverfahren zur Feststellung der Komplexität von Pflegesituationen. Die Antwort von Hunstein lautet, "auch die psychiatrische Pflege kann zukünftig von diesem Instrument profitieren." M.A. Sabrina Anlauf, Assistentin der Pflegedirektion der Alexianer St. Hedwig Kliniken in Berlin stellte die Inhalte ihrer Masterarbeit mit dem Titel Möglichkeiten und Grenzen der Abbildung von pflegerischen Leistungen im PEPP vor. Sie beschrieb nachvollziehbar die Möglichkeit der erlösrelevanten Abbildbarkeit von pflegerelevanten Nebendiagnosen und OPS-Zusatzcodes. "Das Potenzial in diesem Bereich wird noch nicht ausreichend von den Kliniken ausgeschöpft," so Anlauf. M.A. Gerrit Krause, Diplomierter Pflegepädagoge und Referent für Personalmanagement und Organisationsentwicklung der Alexianer in Münster brachte mit seinem Vortrag Entmystifizierung der Produktivität psychiatrischer Pflege Transparenz in den Dschungel von Kennzahlen, Berechnungsformeln, In- und Outputrechnungen. Eine seiner Hypothesen lautete "Psychiatrische Pflege ist immer produktiv, manchmal auch kreativ und hin und wieder konstruktiv, aber bedauerlicherweise nicht immer messbar." Eine Möglichkeit des Umganges ist das Arbeiten mit Skill-Mix-Punkten. Krause war deutlich in seinen Aussagen und Folgerungen, ein rundum gelungener Vortrag. Die aufgekrämpelten Ärmel des Referenten unterstrichen diesen Eindruck. M.Sc. Peter Ullmann, Pflegeexperte und Präsident des Deutschen Netzwerk ANP & APN sowie Mag. Günter Gantschnig, Pflegeexperte und Präsident der Akademischen Fachgesellschaft Mental Health Care im Deutschen Netzwerkes APN & ANP aus Goch beschrieben den von Ihnen erhobenen Skill und Grade Mix in der Psychiatrie. Die Sensibilisierung dieser Thematik und die für die Schweiz erhobenen Zahlen würden auch in Deutschland eine Diskussion auslösen, "denn Skill und Grade Mix verändern auch die Organisationskultur," so Ullmann. Etwas zum Schmunzeln aus der Studie: "Je höher die Qualifikation desto weniger Stellenbeschreibungen gibt es," Gantschnig. Der Nachmittag war geprägt von sehr intensiv arbeitenden Workshop-Teilnehmern. Nach der BFLK Mitgliederversammlung fanden sich alle zum Festabend auf dem Klinikgelände ein, der humorvolle, einfühlsame, nachdenkliche, kommunikative und musikalische Facetten bereithielt. An diesem Abend wurde auch Heinz Lepper aus seinem Amt als langjähriger Vorsitzender der BFLK verabschiedet. Er war über 16 Jahre Vorsitzender und hat die BFLK geprägt wie kaum ein Anderer. Die Mitglieder schenkten ihm stehenden Applaus. Uwe Braamt, Supervisor, Gestalttherapeut, Pflegedirektor der LWL Klinik Herten und Vorstandsmitglied des BFLK Landesverbandes NRW stellte unter dem Tagesmotto Praktische Psychiatrische Pflege den Veränderungsprozess im Bereich Zwangsbehandlungen in der Hertener Klinik vor. Braamt verstand es dieses durchaus heikle Thema sachlich und auch ehrlich vorzutragen. Nicht jede beschriebene Interventionsform hat sich bis heute erhalten. Der sehr gut aufgebaute Erfahrungsbericht stand unter einer zentralen Klammer, "nicht eine Berufsgruppe ist entscheidend, Verringerung von Zwangsmaßnahmen muss von vielen getragen werden," so Braamt. M.A. Tina Nitsche, Soziologin und Kriminologin aus der Klinik Nette Gut für Forensische Psychiatrie an der Rhein-Mosel-Fachklinik Andernach befasste sich in ihrem Vortrag mit der Legitimation von Zwangsbehandlungen im Maßregelvollzug. Was halten Mitarbeiter für Zwangsmaßnahmen? Welche Fürsorgeprinzipien legen sie zugrunde? Nitsche stellt die Ergebnisse ihrer qualitativen Studie vor und beantwortet nachvollziehbar die aufgestellten Fragen. Der Vortrag war geprägt von einem wissenschaftlichen Vorgehen, der treffenden Wortwahl und dem Engagement der Referentin. Georg Schnieders ist diplomierter Pflegewirt, Pflegedirektor der Privat-Nerven-Klinik Dr. med. Fontheim in Liebenburg und stellvertretender Landesvorsitzender der BFLK in Niedersachsen/ Bremen. Der Vortrag Erfolgreiches Gestalten - Über konzeptgeleitetes Bauen zu einem gewaltfreien Milieu ließ in eindrucksvoller Weise Bilder und Fotos der baulichen Maßnahmen und der Inneneinrichtung für sich sprechen. Schnieders beachtete acht Kriterien - Vertrautheit, Reiz, Funktionalität, Sicherheit, Beziehung, Intimsphäre, Identität, Körperempfinden - bei der Planung und dem Umbau einer Station mit der Prämisse eines gewaltfreien Milieus. Das Ergebnis gibt ihm Recht, weniger Fixierungen, ruhiges Ambiente und Reduzierung von Ausfallzeiten im Pflegedienst. So kann es gehen. Dr. Uwe Schirmer, Diplomierter Pflegepädagoge, Leitung der Akademie SüdwestBildungseinrichtung der ZfP Südwürttemberg in Bad Schussenried schloss mit seinem Vortrag Einfühlsame Gesprächsführung den Themenblock Praktische Psychiatrische Pflege und auch die BFLK Jahrestagung ab. Sein Vortrag war zweigeteilt. Erstens die Auseinandersetzung mit Bedeutung von Beziehung, Empathie und Annahme und zweitens die Vorstellung seiner Studie „Einfühlsame Gesprächsführung“. Er stellte die Hypothese auf, dass in der Literatur im Zusammenhang mit dem Thema Beziehung die Facette Einfühlungsvermögen höchstens in einem Zweizeiler erwähnt wird. Seine sehr differenzierte Darstellung und das beleuchten jeder Facette weisen ihn als absoluten Fachmann auf diesem Gebiet aus. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die 40. Jahrestagung der BFLK sich aufgrund der hochkarätigen Vorträge und den vielen Möglichkeiten sich mit anderen Teilnehmern auszutauschen mehr als gelohnt hat. 140 Teilnehmer ist bislang Rekord. Ich persönlich freue mich, dass viel "Noch"-Nicht-BFLK-Mitglieder teilgenommen haben. Ich kann jedem nur empfehlen zur nächsten Jahrestagung 2016 nach Göttingen zu kommen. Ihr Rainer Kleßmann
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