Herausforderungen im Depotbankgeschäft

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B2B MÄRZ 2015
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Herausforderungen im Depotbankgeschäft
Wo drückt der
Schuh?
Zum einen hat im Nachgang der Krise ab 2009 der
regulatorische Druck massiv zugenommen. Zum andern ist auch das Geschäft selbst anspruchsvoller
geworden: Die Konkurrenz wächst und die an sich
schon geringen Margen erodieren weiter. Die Verwahrtätigkeit wird mit nicht-standardisierten und
alternativen Anlageklassen sowie hochentwickelten Anlagestrategien und -techniken zunehmend
komplexer und aufwändiger. Was die Kunden anbelangt, werden an Leistungsqualität, Transparenz und
Abwicklungsgeschwindigkeit stets höhere Anforderungen gestellt. Offenbar drückt der Schuh an allen
Ecken und Enden. Veränderungen finden statt. Es ist
vor diesem Hintergrund anzunehmen, dass das Depotbankgeschäft der Zukunft nur noch wenige Ähnlichkeiten mit der heutigen Ausgangslage aufweisen
dürfte. Was heisst das konkret? Reichen das Aufstocken mit juristischer Fachkompetenz und das Verbreitern des ursprünglichen Geschäftsfeldes (Stichwort: Asset Servicing) aus, um die Zukunft zu bestehen? Wie positionieren sich die Depotbanken im
Markt der Zukunft? Wie sehen das Geschäftsmodell
sowie die Anbieterstruktur und das Leistungsangebot von Morgen aus?
Ausgewählte Fachexperten – Depotbankvertreter, ServiceAnbieter, Rechtsspezialisten – nehmen Stellung und beantworten Fragen zur Zukunft des Depotbankgeschäfts rund
um Kollektivanlagen. Es sind dies: Dominik ­Oberholzer
­[Kellerhals Anwälte], Alfred H. Rüedi [FinOps], Paolo S
­ ismondi
[State Street Bank], Pascal Thorens [RBC] und Markus Wirth
[Zürcher Kantonalbank].
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Stellen Sie sich vor: Sie sind 25, haben
gerade Ihr Studium abgeschlossen und
sind nun auf der Suche nach einem
grossen Unternehmen, das Ihnen eine
Stelle anbietet. Warum sollten Sie sich
ausgerechnet um einen Job in einer
Depotbank bewerben?
Wirth: Die Depotbanktätigkeit ist an­
spruchsvoll. Der Kostendruck nimmt zu,
die regulatorischen und operationellen
Anforderungen steigen. Gerade wegen
dieser Herausforderungen ist die Tätig­
keit für eine Depotbank besonders span­
nend und reizvoll. Die erfolgreiche Füh­
rung einer Depotbank verlangt verschie­
denste Kompetenzen: Es gilt, die IT wei­
terzuentwickeln und Prozesse zu steuern.
Accounting-Spezialisten zeichnen sich für
die Fondsbuchhaltung verantwortlich
oder erstellen die Kostenrechnung. Ju­
risten vertiefen sich in den spezifischen
Fragen zu Legal, Tax und Compliance. Risk
Manager definieren Modelle und messen
die Risiken. Dies alles geschieht in einem
internationalen Kontext. Das sind gute Ar­
gumente, in das Fondsgeschäft einzustei­
gen, sich als Spezialist in einem Teilgebiet
zu vertiefen und sukzessive die Anforde­
rungen in einem sehr breiten und sich lau­
fend verändernden Fachgebiet kennenzu­
lernen und weiterzuentwickeln.
Thorens: Die Tätigkeit einer Depotbank
wird manchmal unterschätzt. Wurde sie in
der Vergangenheit häufig nur als Verwah­
rerin und Verwalterin von Vermögen gese­
hen, umfassen ihre Aufgaben heute sehr
viel mehr. Die Branche musste stets mit
Entwicklungen wie Globalisierung, ­neuen
Technologien, regulatorischen Verände­
rungen und einem immer komplexeren
Hintergrundwissen der Anleger Schritt
halten, um die von den Kunden gefor­
derten Produkte und Dienstleistungen
erbringen zu können. Ein Anbieter von
Asset Servicing-Diensten ist heute eigent­
lich ein Technologie- und Transaktions­
unternehmen. Das eröffnet Neueinstei­
gern eine Fülle von Möglichkeiten. Es gibt
innerhalb der Finanzindustrie nicht vie­
le Sektoren, die mit einer solchen Band­
breite an Kundensegmentierung, Kapital­
märkten, lokaler Marktinfrastruktur und
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regulatorischen Anforderungen konfron­
tiert sind.
Oberholzer: Vorstellbar ist, dass das De­
potbankgeschäft gerade für Berufsein­
steiger a priori nicht gerade zuoberst auf
der Hitliste steht, da es wenig mediale
Aufmerksamkeit erlangt. Zumindest rate
ich aber allen, welche vor einem Berufs­
einstieg stehen, dieses Geschäft zumin­
dest einmal näher zu prüfen: A la longue
ist ja gerade in den Anfangsjahren der Kar­
riere nicht die mediale Aufmerksamkeit
relevant, die ohnehin nicht den Berufs­
einsteigern, sondern dem Institut oder
dem Vorgesetzten zuteil wird, sondern
der Lerneffekt. Und dieser ist im Depot­
bankgeschäft gross. Die Verwahrung von
Wertpapieren und Finanzinstrumenten
ist einer der Pfeiler des Bankgeschäfts –
zumindest mit Ausnahme des Beratungs­
geschäfts der Investment Banken. Das gilt
auch für das Private Banking und das Re­
tail Banking. Eine Bank, die die Verwah­
rung und die damit zusammenhängenden
Abwicklungen nicht im Griff hat, kann den
Schirm zutun. Dabei wird die Verwahrung
aufgrund der Internationalisierung immer
anspruchsvoller und ruft nach immer qua­
lifizierteren und international versierten
Spezialisten.
Hatten die letzte grosse Krise 2008
und auch die beiden mittlerweile berühmt gewordenen damaligen Ereignisse Lehman Brothers und Madoff wirklich etwas mit den Depotbanken zu tun
gehabt? Was war damals tatsächlich
schief gelaufen?
Rüedi: Klar nein: Weder die Krise noch
die erwähnten Ereignisse – und das muss
hier klar gesagt werden – hatten etwas mit
den Depotbanken zu tun. Auch die n
­ euen
Regulierungen wie etwa AIFMD, UCITS V
und KAG hätten diese Vorfälle nicht ver­
hindern können. Der Untersuchungsbe­
richt der FINMA vom 2. März 2010 sieht
die Hauptprobleme in der ungenügen­
den Kundeninformation. Deshalb hat sie
statt einer KAG-Revision das Projekt «Ver­
triebsregeln» angekündigt. Wird es künftig
Aufgabe der Depotbank, Betrugsfälle wie
Madoff zu verhindern, so wäre die abso­
B2B MÄRZ 2015
«Eine Bank, die die Ver­
wahrung und die damit
zusammenhängenden
Abwicklungen nicht
im Griff hat, kann den
Schirm zutun.»
Dominik Oberholzer
lute Unabhängigkeit, gepaart mit dem
zwingenden Durchgriff bis zur Überprü­
fung der einzelnen Direktanlagen über
die gesamte Verwahrkette notwendig;
da stellt sich rasch einmal auch die Kos­
ten-Nutzen-Frage.
Oberholzer: Der Lehman-Konkurs und
der Madoff-Betrugsfall werden heute als
Sinnbilder für die Finanzkrise von 2008
verwendet, waren aber nicht deren Ursa­
che. Der Konkurs von Lehman Brothers
gründete auf einer erforderlichen Neu­
bewertung deren Aktiven. Der MadoffBetrugsfall liegt sicher näher beim Ver­
wahrgeschäft, war aber vor allem ein Un­
fall der Aufsichtsbehörde. Diese bemerk­
te trotz mehrerer Vor-Ort-Prüfungen und
Hinweisen nicht, dass die Bernard L. Ma­
doff Securities Services LLC mehr Funk­
tionen ausübte, als sie durfte und vorgab
auszuüben. Das erlaubte es ihr, in den Hol­
ding Statements Wertpapiere auszuwei­
sen, die sie tatsächlich nicht besass. Aber
alle vertrauten darauf, so wie wir unse­
ren Bankauszügen Glauben schenken. So­
mit ist auch der Madoff-Betrugsfall nicht
grundsätzlich ein Depotbankfehler, son­
dern wie erwähnt ein Unfall der Aufsichts­
behörden, was nach grösserer Gewalten­
trennung im Finanzgeschäft schreit.
In den letzten Jahren äusserte sich
die FINMA im Rahmen ihrer Mitteilun­
gen Nr. 21 und 40 zum Thema «Depotbankgeschäft in der Schweiz»: Was
gab Anlass dazu? Was wurde allenfalls
gerügt?
Oberholzer: In den Ohren mancher
Marktteilnehmer mag es durchaus als
harsche Kritik erklungen haben. Vielmehr
spezifizierte die FINMA damals die An­
forderungen an eine Depotbank, welche
halt bislang in den Gesetzen und Verord­
nungen fehlten und eigentlich nach wie
vor rudimentär ausfallen. Ich erachte die­
se FINMA-Mitteilungen vielmehr als Kor­
rektiv zur schweizerischen Eigenheit, dass
eine Depotbank gleichzeitig Vermögens­
verwalter von kollektiven Kapitalanlagen
sein kann. Dies ist in allen mir bekannten
ausländischen Rechtsordnungen ein NoGo, so auch in der AIFMD. Diese Kombi­
nation des Verwahr- und des Verwaltungs­
geschäfts, auch wenn sie von unterschied­
lichen Personen wahrgenommen werden,
macht die Bank für Verletzungen der Un­
abhängigkeit anfällig. Und mit den genann­
ten Mitteilungen versuchte die FINMA da­
gegen zu wirken.
Inzwischen wurde das KAG 2013 substanziell revidiert. Inwiefern ist davon auch
die Tätigkeit einer Depotbank betroffen?
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Oberholzer: Die Regelung der Depotbank
und deren Tätigkeit sind heute detaillier­
ter, insbesondere wenn man die KKV an­
schaut. Dadurch sind auch die Anforde­
rungen an die Depotbank gestiegen. Al­
lerdings sind die Aufgaben grundsätzlich
gleich geblieben, werden aber in der Ver­
ordnung nun detaillierter geregelt. Aller­
dings glaube ich, dass die FINMA-Mittei­
lungen 21 und 40 grössere Auswirkungen
auf die Organisation der Depotbank ha­
ben als die neuen Bestimmungen im KAG
und in der KKV.
Inwieweit hat sich das Depotbankgeschäft – nicht nur aufgrund dieser regulatorischen Veränderungen – in den
vergangenen Jahren, vor allem seit der
letzten Krise, gewandelt? Hat sich die
Depotbank in der Wertschöpfungskette neu positioniert?
Thorens: Die Rollen und Verantwortlich­
keiten von Depotbanken haben sich un­
ter anderem aufgrund der aufsichtsrecht­
lichen Bestimmungen geändert. In der
Schweiz wie in der gesamten EU über­
nehmen Depotbanken immer mehr Ver­
antwortung für ihre Kundenvermögen, da­
runter auch zusätzliche Aufsichtspflichten.
Depotbanken führen zusätzliche Berichts­
dienste ein, damit ihre Kunden ihren Ver­
pflichtungen leichter nachkommen und hö­
here Renditen erzielen können. Depotban­
ken sind entlang der Wertschöpfungskette
ihrer Kunden weiter nach oben gewandert.
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Ausgelagerte Aufgaben im M
­ iddle und
Back Office sind heute wesentlicher Be­
standteil des Service-Angebots einer De­
potbank und tragen zur Verringerung der
operationellen Risiken wie auch zu einer
besseren Steuerung der Effizienzziele bei.
Ein Thema, über das wir immer häufiger mit
Kunden sprechen und bei dem wir unsere
breite Markterfahrung und globalen Kennt­
nisse einbringen können, sind beispielswei­
se auch Vertriebsstrategien.
Rüedi: Die Depotbanken sind in den letz­
ten Jahren deutlich aus ihrem Schatten­
dasein herausgetreten. Durch die gestei­
gerte Haftung in den neuen Regulierun­
gen wurde die Funktion der Depotbank
bedeutungsvoller. Sie kann und muss heu­
te ihre Kontrollen und Forderungen ge­
genüber dem Asset Manager noch effek­
tiver durchsetzen und ihm auf Augenhö­
he begegnen. Gleichzeitig darf sie aber
nicht zum reinen «Polizisten» mutieren,
«Die Depotbankfunktion
kann nicht mehr neben­
bei betrieben werden,
sie ist ein eigenständiges
Geschäft geworden.»
Alfred H. Rüedi
sondern muss dem Asset Manager ein
Business Partner sein, der Zusatzleistun­
gen wie konsolidiertes Investment Re­
porting für klassische Anlageinstrumen­
te wie auch neue «non-bankable» Assets
anbietet. Eine Frage bleibt heute jedoch
unbeantwortet: Wie sieht eine gerechte
Verteilung der Gesamteinnahmen auf die
einzelnen Dienstleister der Wertschöp­
fungskette aus?
Oberholzer: Eine gute Frage, dies auch
vor dem Hintergrund, dass immer mehr
auch Dritte zum Einsatz kommen werden,
was das Geschäft letztlich nicht verbil­
ligt. Der Grund: Ich glaube, dass höhe­
re Anforderungen an die Unabhängig­
keit gestellt werden. Während vor der
­Krise gerade grosse Finanzinstitute für
ihre Produkte die verschiedenen Dienst­
leister ihrer Gruppe verwendeten, ziehen
sie heute für bestimmte Funktionen wie
etwa die Verwahrung oder die Adminis­tration Drittparteien bei. Dadurch wird
die Corporate Governance dieser Pro­
dukte gesteigert. Man sieht dies typi­
scherweise bei Exchange Traded Funds,
welche in vielen Ländern vertrieben wer­
den und somit den juristischen aber auch
kulturellen Anforderungen vieler Länder
genügen müssen. Schliesslich hat dies zur
Folge, dass diese Dienstleister anders
wahrgenommen werden.
Welche zentralen Funktionen zählen
heute zum Depotbankgeschäft?
Sismondi: Die Aufbewahrung des Fonds­
vermögens gemäss KAG ist weit zu verste­
hen und umfasst neben der Verwahrung
im engen Sinn auch die Eigentumsprüfung
für sonstige Vermögenswerte; dies erfolgt
analog den Bestimmungen in der AIFMD.
Zudem stellt die KKV fest, dass die De­
potbank für die Konto- und Depotführung
verantwortlich ist; sie muss sie aber nicht
selbst führen. Beispiele für derartige Ver­
mögenswerte, die nicht von der Depot­
bank verwahrt werden können, sind un­
ter anderem Immobilien, Finanzkontrakte,
Festgelder, Beteiligungen an Privatunter­
nehmen, Anteile an Personengesellschaf­
ten, Kunstgegenstände und Rohstoffe. Für
diese Vermögenswerte werden Depot­
B2B MÄRZ 2015
banken eine fortlaufende Überwachung
entwickeln müssen.
Wirth: Die Hauptaufgaben – Verwahrung
des Fondsvermögens, die Ausgabe- und
Rücknahme von Anteilen und die Sicher­
stellung, dass der Fondsvertrag eingehal­
ten wird – haben sich während der letz­
ten Jahre nicht geändert. Im Rahmen der
Revisionen von Gesetzen und Verordnun­
gen wurden die einzelnen Aufgaben hin­
gegen anspruchsvoller. Das Haftungsrisi­
ko stieg deutlich: Bei der Verwahrung des
Fondsvermögens haftet die Depotbank
für eine sorgfältige Überwachung der Un­
terverwahrstelle. Sie hat nachzuweisen,
dass sie diesen Sorgfaltspflichten nachge­
kommen ist. Prozesse sind zu überprüfen.
Mit der Einschränkung von Investoren­
gruppen bezüglich einzelner Fonds resp.
Anteilsklassen braucht es zudem eine ef­
fiziente Anlegerkreiskontrolle.
Thorens: Neben den bereits erwähnten
zentralen Service-Angeboten erbringen
Depotbanken auch Dienstleistungen im
Bereich der Devisengeschäfte und der
Fondsverwaltung, einschliesslich der Be­
wertung derivativer Finanzinstrumente,
Wertpapierleihen oder der Absicherung
von Anteilsklassen.
Rüedi: Anzumerken bleibt, dass sich die
Aufgaben der Depotbank mit der KAGRevision geringfügig verändert haben. Die
Verwahrungs- und Kontrollaufgaben sind
im Wesentlichen unverändert. Gesetzlich
ist nur die Anforderung an die Auswahl
und Überwachung der Drittparteien für
die Aufbewahrung der Vermögen gestie­
gen. Die spürbaren Veränderungen im Ta­
gesgeschäft ergeben sich aus den detail­
lierteren Bestimmungen betreffend Auf­
gabenerfüllung, der gesteigerten Kom­
plexität der Märkte und Produkte, den
erhöhten Transparenz- und Reporting-An­
forderungen sowie Absicherungen infol­
ge grösserer Haftung.
Oberholzer: Sicher ist man sich heute
einig, dass Depotbanken mit den vielen
vorangehend genannten und auch kom­
plexen Aufgaben per se zentrale Funk­
tionen wahrnehmen. Dies gilt nicht nur
für das Fondsgeschäft, sondern auch für
das Banking allgemein. Im Fondsgeschäft
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gilt dies aber gesteigert, da der Depot­
bank auch Kontrollfunktionen zukommen.
Hinzu kommen noch diverse so genann­
te Asset Servicing-Dienstleistungen, wel­
che mit der Verwahrung zusammenhän­
gen und einen einwandfreien Service der
Depotbank unverzichtbar machen. Davon
aber später.
Welcher Art ist denn die rechtliche
Beziehung zwischen Fondsleitung und
Depotbank im Rahmen des Kollektivanlagevertrages?
Wirth: Die geforderte Unabhängigkeit von
Fondsleitung und Depotbank und die ge­
genseitigen Kontrollpflichten sind einerseits
eine der offensichtlichen Stärken eines An­
lagefonds. Anderseits gibt es für eine Bank
gute Argumente, das Asset Management
innerhalb der Bank zu führen oder andere
Funktionen in kosteneffizienten bankinter­
nen Kompetenzzentren auszuüben. Es gibt
Modelle, bei denen die Fondsleitung Teile
der Administration und des Accountings an
die depotführende Bank oder einen Dritten
überträgt. Die Möglichkeiten der Delega­
tion haben im gesetzlichen Rahmen zu er­
folgen; eine organisatorisch ausreichende
Trennung von Fondsleitungs- und Depot­
bankaufgaben ist sicherzustellen. Dies ist
bei einer Bank zum Beispiel beim Insourcing
des Asset Managements kein Problem, zu­
mal bereits für die bestehenden Asset Ma­
nagement-Tätigkeiten unabhängige Kontroll­
prozesse etabliert sind. Eine durchdachte
Organisation sichert eine einwandfreie Auf­
gabenerledigung.
Oberholzer: Juristisch betrachtet ist der
Depotbankvertrag zwischen der Fondslei­
tung und der Depotbank einerseits und
der Kollektivanlagevertrag oder Fonds­
vertrag zwischen Fondsleitung, Depot­
bank und Anleger anderseits zu unter­
scheiden. Während der Fondsvertrag ein
standardisiertes Dokument ist und vor al­
lem die Pflichten der Fondsleitung und
der Depotbank gegenüber den Anlegern
beinhaltet, regelt der Depotbankvertrag
die technische Zusammenarbeit zwischen
Fondsleitung und Depotbank. Juristisch
gesehen ist der Depotbankvertrag sicher
anspruchsvoller und spannender.
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Immer wieder wird sie angesprochen,
die so genannte Depotbank-Kontrollfunktion in Zusammenhang mit Kollektivanlageverträgen. Was muss man sich
darunter vorstellen? Handelt es sich
hierbei um eine Erweiterung des Monitoring-Instruments des Regulators
oder externen Wirtschaftsprüfers?
Wirth: Der Fondsvertrag regelt den Anla­
gefonds umfassend, wird von der Fonds­
leitung und der Depotbank unterzeich­
net und von der Aufsicht bewilligt. Bei
der täglichen Arbeit nehmen die Fonds­
leitung und die Depotbank klar formulier­
te Aufgaben war. Beiden Parteien fallen
Kontrollaufgaben zu. Gemäss KAG hat die
Depotbank die Aufgabe, die Fondsleitung
zu überwachen: «Die Depotbank sorgt da­
für, dass die Fondsleitung […] das Gesetz
und das Fondsreglement beachten. …».
Diese Kontrolle hat permanent zu erfol­
gen, anders als eine periodische Prüfung,
wie sie durch eine Prüfgesellschaft vorge­
nommen wird.
Thorens: Nach Schweizer Recht ist die De­
potbank für eine Einhaltung der gesetz­
lichen Anforderungen verantwortlich. So
überprüft sie die korrekte Berechnung
des Nettoinventarwerts, die Einhaltung
der Anlagerestriktionen und die korrek­
ten Ausschüttungen von Dividenden an die
Investoren. Wir sehen uns dabei aber nicht
als verlängerter Arm der Revision oder
Aufsicht, sondern als Partner der Fonds­
leitungen. Wir helfen den Fondsleitungen,
schnell zu korrigieren oder vor allem Feh­
ler zu vermeiden. Dies spart Kosten, stärkt
den Handlungsspielraum und folglich die
Reputation der Fondsleitung.
Rüedi: Wir sehen «Depotbankkontrolle»
durchaus als verlängerter Arm von Auf­
sicht und Revision. Die Prüfung des NAV,
die Erfolgsverwendung sowie die Einhal­
tung der gesetzlich regulatorischen Vor­
gaben und der Auflagen im Fondspros­
pekt sind an die Depotbank delegiert. Die
Aufsicht respektive der Wirtschaftsprü­
fer kontrolliert heute, ob die Depotbank
ihre Prüfaufgabe vollständig und inhaltlich
korrekt wahrgenommen hat. Der Vorteil
dieser Verteilung besteht darin, dass die
Überwachung laufend und nicht erst nach
B2B MÄRZ 2015
«Als global agierende
Bank sehen wir die
neuen Regulierungen
nicht nur als ­Aufwand,
sondern auch als
­Chance zur Erhöhung
der Wertschöpfung
­unserer Dienstleistungen
an Institutionelle.»
Paolo Sismondi
Abschluss einer Periode erfolgt. Dies bie­
tet eine grössere Chance zur allfälligen
Schadensminderung.
Depotbanken sind zusätzlich zur Verwahrung von Vermögenswerten auch
für andere Bereiche verantwortlich und
bieten weitere Dienste an. Wo­rin besteht dieses Angebot und wo liegen Anforderungen und wesentliche Risiken?
Thorens: Das Depotbankgeschäft ist ein Be­
ziehungsgeschäft. Kunden suchen prakti­
sche Antworten auf ihre aktuellen und zu­
künftigen Herausforderungen. Dabei pfle­
gen wir einen pragmatischen Ansatz. Das
heisst, wir helfen unseren Kunden die ad­
ministrative Belastung in ihren Middle und
Back Offices zu verringern und ihre Portfo­
lios durch zusätzliche wertschöpfende Leis­
tungen wie Devisengeschäfte und Wertpa­
pierleihe zu optimieren. Kunden, die ihre
Fonds auch in anderen Ländern vertrei­
ben wollen, können wir bei der Organisa­
tion eines ausländischen Domizils und bei
der Ausarbeitung ihrer Vertriebsstrate­gien behilflich sein. Was die Risiken angeht,
so stellt die Cyber-Sicherheit heute einen
der wichtigsten Schwerpunkte in der ge­
samten Finanzindustrie dar. Gerade Depot­
banken verfügen über viele sensible Daten,
der Schutz der personenbezogenen und ge­
schäftlichen Daten unserer Kunden gehört
zu unseren höchsten Prioritäten. RBC setzt
eine Reihe unterschiedlichster Technolo­
gien ein und hat verschiedene Massnahmen
ergriffen, um die Sicherheit, Vertraulichkeit
und Integrität der Daten seiner Kunden zu
gewährleisten.
Rüedi: Neben der Verwahrtätigkeit be­
sorgt die Depotbank die Ausgabe- und
Rücknahme der Anteile, führt das Anteils­
register, ist für den Zahlungsverkehr zu­
ständig, wählt und überwacht eingesetz­
te Dritt- und Sammelverwahrer. Überdies
prüft sie die Einhaltung des Gesetzes und
des Fondsreglements, also NAV und Aus­
gabe- bzw. Rücknahmepreise sowie die
Konformität der Anlageentscheide mit
dem Gesetz und dem Fondsreglement.
Die entscheidenden Risiken liegen meist
in der Depotbankkontrolle: Beschaffung
der benötigten Daten, Bewertung der
komplexen Vermögen, Aufsetzen und
Pflegen der Prüfregeln und der Durch­
setzung von Korrekturmassnahmen bei
Verstössen. Aufgrund dieser Komplexität
ist der Einsatz von ausgewiesenen Fach­
spezialisten unumgänglich.
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Depotbanken müssen auch Schritt halten können mit den Veränderungen
und Innovationen auf den Gebieten
der im Fondsmanagement eingesetzten Anlageklassen und -strategien. Die
Produkte werden komplexer, die Verwahrung aufwändiger. Dritt- und Sammelverwahrer dürften eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Welche
Anforderungen werden an sie gestellt?
Oberholzer: Die Anforderungen an Drittund Sammelverwahrer steigen mit der
gestiegenen Haftung und mit der gestie­
genen Beanspruchung solcher. Wird in
südostasiatische Wertpapiere investiert,
muss man die beigezogenen Dritt- und
Sammelverwahrer kennen. Ich glaube,
dass dies die Ausgangslage des Verwahr­
netzes ist: Man muss primär die Verwahr­
stellen kennen. Gestützt darauf kann man
erste Due Diligence-Prüfungen machen,
indem man deren Reputation abklärt, de­
ren Bewilligungsstatus etc. und dann un­
ter Umständen auch eine Vor-Ort-Prüfung
durchführt, in deren Rahmen man mit den
für die Verwahrung zuständigen Personen
spricht. Auf jeden Fall wird das Verhält­
nis zwischen Verwahrstelle und Unterver­
wahrstelle sicher immer enger.
Welche Fragen im Risk Management stellen sich insbesondere bei der Verwahrung und Lagerung von physischen Anlagen wie Kupfer oder Alu, um nur wenige
Beispiele zu nennen? Das ist doch wohl
12
«Nur Depotbanken, die
aus Sicht der ­Kunden
­einen Mehrwert ge­
nerieren, werden erfolg­
reich sein und Markt­
anteile gewinnen.»
Pascal Thorens
kaum vergleichbar mit der Aufbewahrung
von traditionellen Wertpapieren.
Sismondi: In den letzten Jahren beobach­
ten wir einen Trend zu innovativen Produk­
ten wie zum Beispiel Asset Pooling-Lösun­
gen, ETFs, Rohstofffonds etc. All diese Pro­
dukte stellen eine zusätzliche Komplexität
bei der Fondsbuchhaltung, beim Reporting
und bei den Investment Compliance-Auf­
gaben dar. Hinzu kommt auch die Schwie­
rigkeit bei der Lagerung und Verwahrung
von Sachwerten. Hier kann State Street Zü­
rich auf die Expertise und das Netzwerk
der globalen State Street-Organisation im
Bereich Netzwerk-Management zurückgrei­
fen. State Street hat in den letzten Jahren
Exzellenz-Zentren gegründet, welche sich
auf diese neuen Produkte auch in den Be­
reichen Bewertung, Risikomanagement und
Überwachung spezialisiert haben.
Oberholzer: Es sind einerseits die Anla­
gestrategien und -techniken, welche das
Verwahrgeschäft verkomplizieren, an­
derseits aber auch die immer komple­
xeren Finanzinstrumente. Wenn vor 30
Jahren vornehmlich in Schweizer Aktien
und Eidgenossen investiert wurde, so wer­
den heute Anlagen in gehebelte struktu­
rierte Produkte ausländischer Emitten­
ten auf ausländische Basiswerte getätigt
und gleichzeitig mittels Effektenleihe aus­
geliehen oder mittels Pensionsgeschäft
verkauft. Dass dies anspruchsvoller ist,
liegt auf der Hand und entsprechend stei­
gen die Anforderungen an die technische
Unterstützung und die damit zusammen­
hängenden Risiken. Grundsätzlich heisst
dies aber, dass im Verwahrgeschäft
sehr qualifiziertes Personal erforderlich ist.
Im Rahmen der zusätzlichen ­Dienste begegnet man oft dem Begriff des ­Asset
Servicing. Was muss man sich da­runter
konkret vorstellen?
Thorens: Von Asset Servicing sprechen
wir, wenn institutionelle Anleger bei der
Veranlagung, Konzentration und Verwal­
tung ihrer Portfolios unterstützt werden.
Dabei stellen sich komplexe Fragen rund
um die Verwaltung eines Fonds und da­
nach, wie man ihn bei der Optimierung
seines potenziellen Werts unterstützen
kann. So benötigen etwa Vermögensver­
walter aufgrund neuer Regulierungsbe­
stimmungen und des wachsenden Kennt­
nisstands der Endanleger zunehmend
mehr Management-Ressourcen für eine
strengere Compliance-Berichterstattung
und Accountability. Gefragt sind spezia­
lisierte Anbieter von Asset Servicing, die
bei der Erfüllung dieser Pflichten behilf­
lich sind und die Kunden entlasten. Zu­
dem geht das Aufgabenspektrum weit
über die Aufgaben einer traditionellen
Transferstelle hinaus und reicht in den
Bereich des Fondsvertriebs hinein.
Sismondi: Unsere hierzulande ausschliess­
lich institutionelle Kundschaft verlangt
heutzutage mehr als nur Custody-Dienste.
Um den Kundenwünschen zu entsprechen,
müssen auch Fondsadministration und Be­
B2B MÄRZ 2015
forum
richterstattung, Depotbankfunktionen, Ri­
sikoanalysen und Performance-Messun­
gen angeboten werden, dies besonders
bei Wertschriften, die komplexerer Natur
sind. Bei State Street bekommt man die­
se Dienstleistungen aus einer Hand; als An­
sprechpartner für Kunden dient die loka­
le Organisation in der Schweiz, welche un­
terstützt wird durch Kompetenzzentren an
anderen Standorten.
Wirth: Die Aufgaben eines Custodians –
unabhängig davon, ob es sich beim Inves­
tor um einen Anlagefonds, einen institu­
tionellen oder privaten Investor handelt
– sind heute sehr umfassend. Ein erfolg­
reicher Custodian differenziert sich gegen­
über seinen Mitbewerbern über ein inno­
vatives Asset Servicing-Angebot und lie­
fert seinerseits konkrete Performance-Bei­
träge: So unterstützt er den Investor bei
der globalen Rückforderung von Quellen­
steuern, bei der Führung kosteneffizien­
ter Prozesse über zur Verfügung gestellte
IT-Schnittstellen oder über massgeschnei­
derte Reportings. Oder er ermöglicht der
Fondsleitung webbasiert die Stimmrechte
weltweit wahrzunehmen.
Inwieweit hat sich der Markt für die Anbieter von Asset Servicing in den letzten Jahren verändert?
Thorens: Das betriebliche Umfeld für
den Finanzdienstleistungssektor dürfte
anspruchsvoll bleiben. Im Depotbankge­
schäft werden jene die Nase vorn haben,
die investitionsfreudig sind, klare und re­
alistische Strategien verfolgen und vor al­
lem global aufgestellt sind. Die Anbieter
von Asset Servicing benötigen Technolo­
gie und Infrastruktur, um eine wachsen­
de Zahl an Märkten zu bedienen, in de­
nen Kunden ihre Fonds vertreiben wollen.
Möglicherweise werden wir in den kom­
menden Jahren eine weitere Marktkonso­
lidierung erleben, weil die Branche stän­
dige Konzentration und laufendes Enga­
gement in der Bereitstellung von immer
wieder neuen Lösungen erfordert.
Wie verhält es sich beim Depotbankgeschäft in Bezug auf Haftungsfragen
in der Schweiz? Wo liegen die Unter-
B2B MÄRZ 2015
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schiede zwischen KAG-Bestimmungen
und den beiden EU-Direktiven AIFMD
sowie der kurz vor der Umsetzung stehenden UCITS V?
Sismondi: Bei UCITS V haftet die Depot­
bank für jeglichen Verlust von in Verwah­
rung gehaltenen Vermögenswerten. Dies
ist nur dann nicht der Fall, wenn sie nach­
weisen kann, dass der Verlust auf äusse­
re Ereignisse zurückzuführen ist, die nach
vernünftigem Ermessen nicht kontrolliert
werden resp. entsprechend hätten ver­
mieden werden können. Zum Begriff der
so genannten umgekehrten Beweislast:
Heute muss die Depotbank nachweisen,
dass der Verlust als Folge des vorhin ge­
nannten Ereignisses entstanden ist. Die
Depotbank muss ohne übermässige Ver­
zögerung ein Finanzinstrument gleicher
Art oder einen entsprechenden Betrag
erstatten. Damit haftet sie für sämtliche
Verluste des Fonds oder der Investoren,
die diese infolge einer von der Depotbank
fahrlässig oder vorsätzlich verursachten
Nichterfüllung ihrer Pflichten erleiden.
Ein vertraglicher Haftungsausschluss ist
nicht möglich. Die erhöhte Haftung der
Depotbank für die Unterverwahrung hat
zur Konsequenz, dass die Risikokosten
steigen, womit sich auch der Markt mit
seiner Anbieterstruktur wesentlich ver­
ändern dürfte.
Oberholzer: Die Haftung im KAG geht
weniger weit als in UCITS V und AIFMD;
letztere sehen ja faktisch eine Kausalhaf­
tung vor. Das ist vor allem bei Emerging
Markets-Anlagen heikel; im Vergleich zu
den entwickelten Ländern ist die Ver­
wahrung mit grösseren Risiken verbun­
den. Fraglich bleibt, inwieweit diese ge­
steigerte Haftung die Custody-Kosten in
die Höhe treibt und inwieweit Schweizer
Banken noch als Custodian von NichtSchweizer-Fonds agieren können bzw. wie
sie dieses neue Haftungsumfeld in ihren
Depotbankverträgen abbilden.
Wie bekommen die Depotbanken künftig ihre Haftungsrisiken in den Griff? Ist
anzunehmen, dass mit steigenden Anforderungen an das Geschäft und entsprechend höheren Haftungsrisiken
14
B2B MÄRZ 2015
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auch die Geschäftsmodelle gewisse Anpassungen erfahren werden?
Rüedi: Durch die höheren Haftungsrisiken
sind unter anderem die Anforderungen an
die Prozesse, deren Einhaltung sowie an
die Qualifikation der eingesetzten Mitar­
beiter gestiegen. Nur mit professionellen
und revisionssicheren Prozessen lassen
sich die Risiken ausreichend kontrollie­
ren. Eine jederzeit aktuelle Prozessdoku­
mentation, das lückenlose und revisions­
fähige Tätigkeitslog sowie die revisions­
sichere Dokumentation der Arbeitsresul­
tate sind heute eine Grundvoraussetzung.
Dies alles kann nur mit einer adäquaten
IT-Unterstützung gewährleistet werden,
was die Kosten entsprechend noch ein­
mal weiter in die Höhe treibt. Demzufol­
ge kann ein Outsourcing an spezialisier­
te Anbieter, welche für verschiedenste
Teilaufgaben auch über entsprechend
dedizierte IT-Lösungen verfügen, durch
Nutzung von Skaleneffekten eine kosten­
günstigere und damit interessante Option
sein.
Wirth: Dass ein Fehler viel teurer sein
kann als das, was sich mit einer einzigen
Transaktion – auch im besten Fall – er­
wirtschaften lässt, gilt im Wertschriften­
geschäft ganz besonders. Die Herausfor­
derung besteht darin, die Entwicklung der
Märkte und der regulatorischen Vorga­
ben laufend und konsequent zu beobach­
ten. Die Risikosituation ist regelmässig zu
überprüfen und das Risiko selbst über ge­
eignete vertragliche Regelungen zu kont­
rollieren. Deshalb ist der Entscheid einer
Bank, wie umfangreich sie ihr Service-An­
gebot gestaltet, aber auch welche Aufga­
ben sie selbst wahrnimmt und welche sie
von einem Dritten erstellen lässt, zentral.
Es kann auch angemessen sein, als Custo­
dian aus Risikoüberlegungen ganz auf An­
gebote zu verzichten. Wie bereits ausge­
führt, ist das Custody-Geschäft zudem
stark von einer leistungsfähigen IT abhän­
gig. Wachsende Volumen zahlen diese In­
vestitionen wieder zurück.
Oberholzer: Betreffend Schlagworte wie
Konsolidierung und Gebührenanpassun­
gen folgendes: Meines Erachtens hat man
da noch keine grossen Bewegungen gese­
B2B MÄRZ 2015
«Als Vertreter eines
­Custodians resp. einer
Depotbank haben wir
den ständigen Auftrag
zu belegen, dass die
Depotbanktätigkeit nicht
ein notwendiges Übel
ist, sondern einen wich­
tigen Beitrag zur Wert­
schöpfung liefert.»
Markus Wirth
hen. Diese dürften vielleicht erst mit dem
ersten Haftungsfall kommen. Aber das ist
ja die Krux der ganzen Sache. Die Anfor­
derungen an das Depotbankgeschäft wur­
den nach oben geschraubt, ohne dass es
wirkliche Depotbankskandale gegeben
hat. Eine Begründung für die gesteiger­
ten Anforderungen sind uns das Parla­
ment und die Aufsichtsbehörden schul­
dig geblieben.
Welche Veränderungen zeichnen sich
insbesondere im Risikomanagement ab?
Sismondi: Eine wesentliche Veränderung
im Risikomanagement betrifft die Trennung
zwischen den Aufgaben der so genann­
ten ersten und zweiten Verteidigungslinie.
Die Funktion der ersten Verteidigungs­linie
haben die operativen Geschäftseinheiten
wahrzunehmen. Die Kontrollen der zwei­
ten Verteidigungs­linie sind durch das Risk
Management und die Compliance sicher­
zustellen. Die dritte L
­ inie bleibt weiter­
hin die interne Revision und die vierte Li­
nie wird von der externen Revision und
vom Regulator wahrgenommen. Bei State
Street Zürich hat per Januar 2015 die De­
potbank alle Aufgaben der ersten Vertei­
digungslinie wie KYC, AML, Leitung Deal
Team, Suspicious Transaction Monitoring
und das Management von Interessenkon­
flikten von der Compliance übernommen.
Der grosse Vorteil ist, dass damit die Kon­
trollen sehr nahe am operativen Geschäft
stattfinden und dadurch die Risiken bes­
ser überwacht und am Ort der Entstehung
reduziert werden können.
Rüedi: In der Vergangenheit waren die
einzelnen Aufgaben der Depotbank weit­
gehend in den entsprechenden Back-Of­
fice-Einheiten der Gesamtbank integriert.
Somit waren sie automatisch in das inter­
ne Kontrollsystem – kurz: IKS – der Ge­
samtbank eingebunden. Ein IKS respek­
tive Risikomanagement auf Stufe Depot­
bank existierte nicht. Aufgrund der er­
höhten Haftung haben die Depotbanken
mit dem Aufbau dedizierter Einheiten mit
entsprechendem Fachwissen reagiert.
Diese Fachspezialisten führen einerseits
die Depotbankkontrolle durch und über­
wachen anderseits die Arbeitsresultate
diverser Fachabteilungen. Entsprechend
wurden auch dedizierte IKS für die De­
potbankfunktion aufgebaut.
Auf den einzelnen Fonds bezogen,
welcher die Risiken in Zusammen-
15
forum
hang mit seiner Depotbank effektiv
zu tragen hat: Wie können Fonds die
in ­Zusammenhang mit der Depotbank
­bestehenden Gegenparteirisiken vermeiden?
Wirth: Wie bei allen Depots sind die
Wertschriften eindeutig dem Depotinha­
ber, also dem Anlagefonds, zugeteilt und
fallen nicht in die Konkursmasse der Bank.
Das von der Depotbank gewählte Unter­
verwahrnetz sollte durch den Fonds, so­
lange die Auswahl und Überwachung
durch die Depotbank entlang der gefor­
derten Kriterien entspricht, möglichst
nicht in Frage gestellt werden. Anders
verhält es sich bei den bankbilanzwirksa­
men Cash-Konti oder auch bei Festgeld­
anlagen bei der Depotbank. Diese werden
bei einem zu hohen Exposure bei der De­
potbank von einer Drittbank geführt. Die
Frage nach der Platzierung von Geldern
bei einer Drittbank kann sich aktuell bei
der Anwendung von Negativzinsen eben­
falls stellen. Dabei können Risikoüberle­
gungen der Fondsleitung auch die Inkauf­
nahme von Negativzinsen bedeuten.
Wettbewerb, Skalenökonomie und
Haftungsrisiken: Wird die Konsolidierung im Markt weiter voranschreiten?
Haben Nischenanbieter überhaupt
noch Chancen?
Rüedi: Wir sehen eine weitergehende
Konsolidierung bei den Depotbanken; län­
16
gerfristig werden nur die grossen, inter­
nationalen Player überleben, obwohl da­
neben auch die ganz spezialisierten Ni­
schenanbieter eine grosse Chance haben
dürften. Letztere müssen ihr Geschäfts­
modell klar definieren und sich dabei auf
ihre Kernkompetenzen fokussieren. Kon­
sequenterweise ist die gezielte Delega­
tion von Aufgaben ausserhalb der Kern­
kompetenz eine Notwendigkeit. Beispiels­
weise kann eine Depotbank einerseits die
Aufbewahrung von Wertpapieren an eine
Grossbank übertragen, die Kontrollaufga­
ben anderseits einem spezialisierten An­
bieter wie etwa der FinOps AG delegie­
ren. So kann sich der lokale Nischenanbie­
ter beispielsweise auf die Überwachung
der Aufbewahrung von Rohstoffen in ei­
nem bestimmten Land und direkten Im­
mobilienanlagen konzentrieren.
Oberholzer: Die Anforderungen werden
aufgrund der Internationalisierung sicher
steigen. Dies ruft nach Verwahrstellennet­
zen, so dass Alleinanbieter und Kleininsti­
tute einen schwierigen Stand haben wer­
den. Nischenanbieter dürften eine Chan­
ce haben, wenn sie wirklich eine zukunfts­
tragende Nische gefunden haben, die kein
internationales Verwahrnetz benötigt. Der­
art viele solcher Nischen dürfte es aber
meines Erachtens nicht geben.
Wie können Depotbanken erfolgreich
bleiben und wachsen?
Wirth: Die Investoren sind heute sehr gut
informiert oder lassen sich von unabhän­
giger Seite beraten. Der Regulator hat den
Gestaltungsspielraum reduziert, die Risi­
ken stärker auf die Provider überwälzt und
auch dafür gesorgt, dass Abhängigkeiten
verringert werden. Wachstum und Profita­
bilität erreicht man in diesem Umfeld nur
über Anlageprodukte, die für den Anle­
ger in allen Aspekten – also bezüglich An­
lagestrategie, Performance und Kosten –
Erfolg versprechen. Dazu gehören attrak­
tive und transparente Service- und Preis­
modelle. Kosteneffizienz erreicht man über
einfache, weitgehend systemunterstützte
Prozesse und allenfalls über ein Outsour­
cing ausgewählter Aufgaben. Hohe Volu­
men und die Führung eines gestrafften An­
gebotes senken die Stückkosten ebenfalls.
Da die Banken immer noch um Marktan­
teile im Depotgeschäft buhlen, bleibt die
Durchsetzung einer höheren Entschädi­
gung eine Herausforderung. Als Vertreter
eines Custodians resp. einer Depotbank
haben wir den ständigen Auftrag, zu bele­
gen, dass die Depotbanktätigkeit nicht ein
notwendiges Übel ist, sondern einen wich­
tigen Beitrag zur Wertschöpfung liefert.
Rüedi: Marktanteile lassen sich unseres
Erachtens mit einem professionellen und
umfassenden Dienstleistungsangebot ge­
winnen. Dieses muss neben den zwingen­
den Aufgaben auch wertschöpfende Tä­
tigkeiten beinhalten. Um mit diesem Ge­
schäft einen Gewinn zu erzielen, muss
das Betriebsmodell weiter industriali­
siert werden. Hier kommt der Aufgaben­
delegation an spezialisierte Geschäfts­
partner eine entscheidende Bedeutung
zu. Sourcing-Fragen dürften in den Vor­
dergrund rücken.
Thorens: Eine Depotbank ist heute ein
Transaktions- und Technologieunterneh­
men, was bedeutet, dass wir laufend inves­
tieren und uns an regulatorische, markt-und
kundenspezifische Anforderungen anpas­
sen müssen. Wir möchten die Wahrneh­
mung regulatorischer Vorschriften bei un­
seren Kunden dahingehend ändern, dass sie
sich zu fragen beginnen, ob ihnen diese Ver­
änderungen nicht auch Chancen bringen.
Aufgrund der zunehmenden Berichts- und
B2B MÄRZ 2015
forum
Aufsichtspflichten verarbeiten Depotban­
ken heute etwa viel grössere Datenmengen
für ihre Kunden – ein Umstand, der ihnen bei
der Konzeption ihrer Strategien vielleicht
zugute kommt. Tatsächlich ist ein spürba­
rer Wandel in den Kundenerwartungen ge­
genüber Diensten eingetreten, die über das
Kerngeschäft der Depotbank hinausgehen.
Wachstum hat auch mit unternehmerischem Wagemut und vielfach dem Eingehen von deutlich höheren Risiken zu
tun: Damit halten auch GovernanceThemen vermehrt Einzug ins Depotbankgeschäft: Welche Fragen dürften
in absehbarer Zeit in Bezug auf Unabhängigkeiten und mögliche Interessenkonflikte insbesondere auch auf
Schweizer Anbieter zukommen?
Sismondi: Eine häufig übersehene Quel­
le möglicher Konflikte ist das Verhältnis
zwischen Fondsleitung und Depotbank.
Das Kollektivanlagengesetz KAG sieht
hier die gegenseitige Unabhängigkeit der
beiden beteiligten Fondsdienstleister vor.
Seit dem 1. Januar 2015 ist die überarbei­
tete Verordnung der F
­ INMA über die
kollektiven Kapitalanlagen – kurz: KKV-­
FINMA – in Kraft, in der diese Anforderun­
gen weiter ausgeführt werden. Insbeson­
dere grosse Vorsorgeeinrichtungen set­
zen bereits heute auf Modelle, bei de­
nen die Fondsleitung nicht nur formal,
sondern effektiv unabhängig von der De­
potbank ist. Bei solchen Lösungen kon­
trollieren sich Fondsleitung und Depot­
bank wie vom Gesetz vorgesehen im In­
teresse der Anleger gegenseitig. Bei ­State
Street Zürich hat man sich deshalb zu ei­
ner Abtrennung von der konzerninter­
nen Fondsleitung entschieden, um sich
ganz auf die Depotbankaufgaben mit ver­
schiedenen Drittfondsleitungen zu fokussieren.
Welche Themen und Trends in Bezug auf
das Custody-Geschäft werden in absehbarer Zukunft aus EU-Brüssel kommen?
Thorens: Die EU wird sich weiterhin an
ihre G20-Zusagen halten, was die Verbes­
serung der Funktionsweise von Finanz­
märkten betrifft. Dazu sind Massnahmen
für einen stärkeren Anlegerschutz, ver­
mehrte Transparenz und Vorkehrungen
gegen zukünftige systemische Risiken zu
treffen. Seit diesem Beschluss aus dem
Jahr 2009 hat sich die Art und Weise,
wie die Industrie agiert, grundlegend ge­
ändert. Wahrscheinlich ist auch weiterhin
mit Massnahmen im Bereich des Risiko­
managements zu rechnen.
Sismondi: Die EU hat mit den beiden Richt­
linien AIFMD und UCITS V die Pflichten
forum
facts
FinOps
FinOps ist ein unabhängiger und dy­
namischer ­Dienstleistungsanbieter für
die Finanzdienstleistungs­-Industrie
und übernimmt umfassende Admi­
nistrations- und Buchhaltungsaufga­
ben, Depotbankkontrollen, Invest­
ment Compliance und konsolidierte
Reportings. Professionelle Dienstleis­
tungen im Bereich Depotbankkont­
rolle umfassen das Aufsetzen der
Prüfregeln bis hin zur Plausibilisie­
rung des Nettoinventarwertes. Ba­
sierend auf den Daten der Depot­
bank wird ein synthetischer Netto­
inventarwert berechnet und mit
demjenigen der Fondsleitung abgeglichen.
Kellerhals Anwälte
Mit seinem Team betreut Dominik
Oberholzer, Partner der Kanzlei Kel­
lerhals Anwälte – einer Schweizer
Wirtschaftskanzlei mit Niederlassun­
gen in Zürich, Bern und Basel – den
Bereich Banking & Finance, und zwar
mit einem Schwerpunkt auf kollek­
tiven Kapitalanlagen und allen ver­
wandten Gebieten einschliesslich
der Prozessführung im Bereich Ban­
king & Finance. Dominik Oberholzer
wird von allen grossen internationa­
len Rankings für den Bereich Invest­
ment Funds empfohlen, so denn auch
von Chambers and Partners. Er publi­
ziert und referiert regelmässig in die­
sen Fachbereichen.
State Street
State Street ist einer der weltweit füh­
renden Spezialisten bei Dienstleistun­
gen für institutionelle Investoren (In­
vestment-Dienstleistungen, Invest­
ment Management, Investment Re­
search sowie Dienstleistungen für den
Wertpapier- und Devisenhandel). Mit
28 Bio. CHF unter Verwahrung und
Administration und 2.4 Bio CHF unter
Verwaltung per Ende Dezember 2014
ist State Street in mehr als 100 Märk­
ten weltweit tätig, unter anderem in
den USA, Kanada, Europa, im Nahen
Osten und in Asien. In der Schweiz ist
das Unternehmen seit 1998 vertreten,
dies mit zurzeit rund 100 Mitarbeitenden.
Zürcher Kantonalbank
Custody- und Depotbankservices sind
Kerngeschäft der Zürcher Kantonal­
bank. Das Unternehmen investiert
laufend in Verbesserungen und neue
Marktanforderungen. Dank einem um­
fassenden Angebot der Zürcher Kanto­
nalbank in Handel, Asset Management,
Custody und bei Fondsdienstleistungen
können Services selektiv und aufeinan­
der abgestimmt bezogen werden. Bei
der Zürcher Kantonalbank – einer der
sichersten Banken weltweit – erhalten
Kunden eine Betreuung aus einer Hand.
Experten kümmern sich um die sichere
Verwahrung und kompetente Adminis­
tration von liquiden Mitteln, Wertpapie­
ren und anderen Finanzinstrumenten.
18
Spezialisten für das Depotbankgeschäft
RBC
RBC Investor & Treasury Services
(RBC) ist ein weltweit führender Spe­
zialanbieter von Asset Servicing-, De­
potbank-, Zahlungsverkehr- und Trea­
sury-Dienstleistungen für die Finanz­
dienstleistungsindustrie. RBC betreut
Kunden an 18 Standorten in Nordame­
rika, Europa, Asien und Australien. Die
Geschäftsausrichtung und das ange­
botene Dienstleistungspaket kon­
zentrieren sich darauf, auf globaler
Ebene die Vermögenswerte seitens
der Kundschaft zu schützen, stets Li­
quidität sicherzustellen sowie mög­
liche Risiken in verschiedenen Län­
dern und Jurisdiktionen zu kontrollieren.
B2B MÄRZ 2015
forum
Dr. Dominik
Oberholzer
LL.M., ­Partner
Kellerhals
­Anwälte, Zürich.
Alfred H. Rüedi
Partner, Sales
& Consulting,
­FinOps AG,
­Zürich.
Paolo Sismondi
Leiter Depot­
bank, ­State
Street Bank
GmbH, Mün­
chen, Zweig­
niederlassung
Zürich.
B2B MÄRZ 2015
für die Depotbanken bereits erheblich ver­
schärft. Insbesondere die Umsetzung der
UCITS V-Richtlinie wird die Depotbanken
in den kommenden Jahren wesentlich be­
schäftigen. Zusätzlich zu den regulatori­
schen Vorschriften hat auch die Internatio­
nal Organization of Securities Commission
IOSCO im Oktober 2014 ihr Konsultations­
papier im Zusammenhang mit den Prinzi­
pien bezüglich Verwahrung von kollektiven
Kapitalanlagen zur Vernehmlassung publi­
ziert. Auch wird die MiFID II-Richtlinie mit
ihren Zusatzverordnungen indirekt Einfluss
auf die Depotbankenfunktion ausüben. Ne­
ben den organisatorischen Vorgaben so­
wie erhöhten Transparenzvorschriften bie­
ten Regulierungen mitunter auch Möglich­
keiten für neue Marktfelder; zu denken
ist etwa an Reporting- und Besicherungs­
dienstleistungen. Und was in der EU ange­
dacht resp. durchgesetzt wird, dürfte rasch
auch in der Schweiz Fuss fassen. Als Zweig­
niederlassung profitiert State Street in Zü­
rich vom Mutterhaus insofern, als dieses in
die Vernehmlassungsprozesse neuer regu­
latorischer Initiativen in der EU eingebun­
den ist. Statt nur nahe dran, sind wir mitten
drin: So können wir regulatorische Bestim­
mungen und gestiegene Anforderungen,
welche voraussichtlich auch in der Schweiz
Anwendung finden werden, schneller auf­
nehmen sowie kompetenter und zeitnaher
umsetzen.
Viel und heftig wurde in den letzten Jahren im Nachgang zur Krise reguliert:
Konnten die eigentlichen Schwachstellen in unserem Fund und Asset Management-Geschäft damit tatsächlich auch
konsequent angegangen werden, ­sodass
im Sinne des Anlegerschutzes Besserung zu erwarten ist?
Rüedi: Die regulatorischen Initiativen der
EU erfolgen in der Regel unter dem Deck­
mantel des Anlegerschutzes. Die Schweiz
vollzieht gewöhnlich nach, was vom Aus­
land her an sie herangetragen wird; dies
im Bestreben, sich Marktzugang zu si­
chern. Dabei setzt sie nicht selten noch
einen drauf – sie nennt das Swiss Finish.
Zur gestellten Frage folgendes: Möchte
ein vermögender Privatkunde sein Vermö­
gen in 30 unterschiedliche Wertschriften­
positionen diversifiziert anlegen, so erhält
er 30 detaillierte Produktprospekte samt
KIIDs und dergleichen. Zur Dokumenta­
tionsflut, mit welcher er konfrontiert wird,
muss er sich auch noch auf Herz und Nie­
ren prüfen lassen. Ist es das, was wir heu­
te unter Anlegerschutz verstehen?
Pascal Thorens
CEO RBC,
­Zürich.
Markus Wirth
Leiter Custody,
Zürcher
Kantonalbank,
Zürich.
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