2.2014 M 9,80 1 Österreich: G 10.80 I Schweiz: sfr 19,60 I GeNelux: Gl 1.25 I Icalien/Sponien/Portugo.1 (cont.)/Slowenlen: e 12,75 inspiration arch i te Weltstars des Designs | Internationale Architektur Poetische Accessoires | Shenzhen Terminal 3 Le Corbusier Architekturfarben Revolution Tower orchitektur i r 048 iondesign £201 - t l ifi de/".iqn.eiu Die Renaissance eines Hauses im Handwerkerviertel Passau, am Zusammenfluss von Donau, Inn und Hz gelegen, ist die Stadt der drei Flüsse, aber auch die Stadt mit dem barocken Stephansdom und der größten Domorgel der Welt. So idyllisch die Landschaft ringsum, so schwierig ist manchmal der Kampf gegen Naturgewalten und Hochwasser. Im historischen Handwerkerviertel am Inn beginnt in der Lederergasse mit dem Haus Nummer zwei ein Ensemble von Handwerkerhäusern, die die Wasserkraft des Inns nutzten. In Reihe gestellt bilden sie heute das städtebauliche Gegenüber zur sonnigen Innpromenade mit dem Dom im Rücken. Das hier beschriebene Haus Nr. 2 ist eines der wenigen frei stehenden Häuser der Altstadt. Es liegt direkt am Vorplatz der Kirche St. Gertraud im Sanierungsgebiet „Passau-Innstadt". à IfeL. .J t t l MU * \ • • > i ERSTE ERWÄHNUNGEN DES OBJEKTES AUF STICHEN SIND UM 1800 ZU FINDEN RESTE DER HISTORISCHEN STADTMAUER UM DIE URSIEDLUNG „BIOTRUM" FINDEN SICH IM INNEREN DES GEBÄUDES. DIE UNTERSCHIEDLICH VERSETZTEN RAUMHÖHEN LASSEN DIE VERMUTUNG AUFKOMMEN, DASS IM LAUFE DER JAHRHUNDERTE ZWEI AUTARKE HAUSER ZUSAMMENGEWACHSEN SIND, ABER DAS 1ST NICHT MEHR VOLLSTÄNDIG NACHWEISBAR, • orchiickiur d 11 itodis® » n n n 050 i n s p i r a t i o n d e s i g f n ! I 2.2014 I www.inspiration-design.eu 3 Das Haus musste kernsaniert werden, der historische Baubestand sollte weitgehend erhalten bleiben. Zum Beispiel die alten Holzböden, die zwar sanierungsbedürltig waren, aber unter den entfernten PVC- und Teppichbodenbelägen im guten Zustand zum Vorschein kamen. Auch Fenster unterschiedlichsten Alters, Kastenfenster, Passauer Fenster, 60er-Jahre-Holzfenster verteilt über das ganze Objekt. Der Dachstuhl hing stark durch, dazu gehörten zwei ungedämmte Räume mit Raumhöhen von 1,70 Meter. Bäder gab es nicht, in den Küchen standen Einzelraumduschen, Toiletten lagen zum Teil außerhalb der Wohnungen im Flurbereich. Die bestehenden Wohnungen im Erdgeschoss werden durch schmale Durchgänge miteinander verbunden: Die alten Strukturen sollten so spürbar bleiben und um den Kern des Treppenhauses so fließende Raumsequenzen entstehen. Man durchschreitet Raum für Raum und spürt den Charme des Alten, und doch verbindet sich Alt und Neu zu einer neuen Einheit. Die alte Raumaufteilung präsentiert sich in einer kernsanierten Nutzung zwar neu und ist doch historisch geblieben. Zwei zugemauerte Fenster, eines zum Kirchenplatz hin und ein weiteres zum im Westen vorgelagerten Altan, einem abgestützten Austritt eines Balkons ähnlich, werden frei gelegt und geben den Räumen authentische und imposante Ausblicke. Die Fenster zum Inn hin werden auf die historische Größe erweitert, was sie mit den Gesamtproportionen der Fassade in Einklang bringt. Die sogenannten Kastenfenster, die fest im Bestand des Hauses verankert sind, wurden in Eigenleistung aufgearbeitet und an drei Fassadenseiten um eine weitere Schicht, nach außen aufschlagende Passauer Fenster, erweitert, die kleine dunkel abgesetzte Lüftungsflügel aufnehmen. Alte Holzdielenböden werden restauriert und wenn nötig ergänzt. Die umfassenden und zum Teil stark fliehenden Außenwände sind innen wie außen reinweiß, alle Innenwände, zum Kern des Treppenhauses mattschwarz, treten zurück, lassen die raumbegrenzenden Außenmauern spüren. Indirektes Licht zeigt die lebendigen Putzstrukturen, so bleibt das Alter des Hauses ablesbar. Im Obergeschoss werden durch einen schmalen Durchgang die beiden kleinen Wohnungen zu einer größeren zusammengefasst. Nicht nur wechselnde Atmosphären und warme Farben, auch sichtbare Kupferrohr-Installationen der Heizung, aufgearbeitete Türen aus altem Bestand sowie weiße Türstöcke, die in den ruhigen dunklen Flächen hervorgehoben werden, verleihen dem Wohnen an jedem Ort im Haus einen eigenen Charakter. Auch Holzöfen und unbehandelte Holzdielenböden sorgen für das entsprechende Ambiente. Ein kleiner Balkon nach Westen öffnet den Wohnraum zum Inn hin und bleibt zugleich in der Proportion und Ausbildung untergeordnet. Die klare Form des hoch ansteigenden Hauses wird nicht verfälscht, trotzdem gewinnt die Lebens- und Wohnqualität dazu. Der alte Dachstuhl musste wegen mangelnder Tragfähigkeit komplett abgetragen werden. Ein neuer Dachstuhl wurde aufgesetzt: er besteht aus in Reihe gesetzten Dreiecksrahmen, die ihre gesamte Last auf die Außenwände stützen und einen freien Dachraum bilden. Die alten Walmgiebel wurden wiederhergestellt, und der gesamte Rahmen mit Holzfasern in einer Stärke von 30 cm gedämmt. Die Walmgiebel bilden im Inneren jetzt einen langen freien Raum. Das Dach, wie ein umgestülpter Schiffsrumpf, bietet Luft, klare Strukturen, einen Ausblick auf die Dominsel und die Geborgenheit und Wärme, die man sich von Dachwohnungen wünscht. Die Dacheindeckung erfolgte mit dunklen Biberschwanzziegeln DIE ARCHITEKTEN REGINA SCHIENEIS UND STEFAN HIENDL KAUFTEN DAS OBJEKT 1950, NACHDEM DIE EIGENTÜMERIN, DIE ETWA 50 JAHRE LANG DAS ERSTE OBERGESCHOSS DES HAUSES BEWOHNT HATTE, IN EIN STADTISCHES ALTERSSTIFT UMGESIEDELT WAR DAS HAUS WAR IN EINEM VERFALLENEN ZUSTAND, ES WURDE IN DEN LETZTEN JAHREN NUR MÄSSIGWENN ÜBERHAUPT RENOVIERT DIE INSGESAMT SECFIS WEITEREN KLEINEN WOHNEINHEITEN WAREN AN STUDENTEN VERMIETET DIE ES SICH AUCH IN DEM KLEINEN GARTEN, DER ZUM INN HIN GELEGEN 1ST, GEMÜTLICH MACHEN KONNTEN orchitGktur Liebe zum Detail, original restaurierte Dielenböden und Fenster, teilweise abgesetzte Stuckdecken, liebevoll restaurierte Solitäre: All dies vermittelt ein Gefühl der Geborgenheit, man kann förmlich die Wände reden hören«. im Gradschnitt, die sich in das Giebelensemble der Häuser zum Inn mit gleicher dunkler Farbge-j bung zurücktretend einreihen. Der Dachüberstand wurde rückgebaut, die un- I schöne Gefällerinne unsichtbar hinter die Trauf-1 wand gelegt und das Thema Wasserführung von! vertikal zu horizontal mit einem weich geformte* Rinnenkessel neu interpretiert. t Das Objekt erscheint nun als weiße nach oben gerichtete Skulptur, die Fläche spielt mit Schatterl und Licht, die wiederhergestellten Flächen um d| bündig sitzenden Fenster, das feine Detail der Vordächer über den Fenstern geben zusätzliche I Tiefe, ohne den ruhigen Gesamteindruck zu bre-l chen. Die Fassade ist als Ganzes instandgesetzt, [ der alte lose Putz abgetragen, zum Teil ergänzt und mit einem glatten Modelierputz überzogen. Die Fassade nach Westen, mit Altan und Balkon,] spielt mit den unterschiedlichen Öffnungen aus I allen Zeiten: dem neuen Eingang mit schmaler I Fassung, dem historischen Granitfries, flächenbü» digen, nach außen öffnenden neuen Holzfensterra Passauer Fenstern, Kastenfenstern, die zurückspringen, dazu kommt ein vorgelegter Steg mit Blick zum Inn. Die Fassade zum Inn ist jetzt wieder in ihrer ursprünglichen Proportion erlebbar, der eingeschosj ge Schuppenanbau im Garten wurde abgebro-J chen, ersetzt durch eine Terrasse mit zwei Ebe- I nen, die den Übergang zum Garten bildet. Der I Abgang in den Garten ist begehbar: ein weicher I hölzerner Weg ohne Stufen nach unten. Die Räume unter dem Steg werden als Holzlege neul genutzt, der Blick ist fokussiert durch die liegen^ Holzverkleidung, schwarz gestrichen, Richtung Inn. Von dort aus wurde das kleine Atelier erschlossen, das dem Lunihochwasser komplett zum Opfer gefallen war und jetzt neu mit hoch- 052 ^^w^ ™e*^ &vsw^ i n s p i r o t i>nd o n d e s i g f n ! I 2.2014 I www.inspirotion-design.eu 4 \ design 2.2014 www.inspirotion-desigryéu EINIGE BADER WURDEN DIREKT IN DIE DACHSCHRÄGE EINGEBAUT, SEHR HOCHWERTIG AUSGESTATTET MIT FREI STEHENDEN EDELSTAHLARMATUREN. WANNE UND DUSCHE MIT GROSSER KOPFBRAUSE. DIE EINBAUSCHRÄNKE WURDEN MASSGEFERTrGT. EIN SPIEL MIT DEN FARBEN: IM GANZEN HAUS WURDE FARBE SO EINGESETZT, UM RÄUME OPTISCH ZU VERÄNDERN, WOBEI IM WESENTLICHEN DARAUF GEACHTET A" IRDE, NATURFARBEN SOWIE TEILWEISE HISTORISCH VERBRIEFTE FARBEN, DIE MAN IM OBJEKT VORLAND. EINZUSETZEN orchitekiur H inspiration-design, eu m. Jim orchitektur • wassertauglichem aktiviertem Betonboden ausgegossen und geschliffen wurde. Er wirkt wie ein heller Steinboden, monolithisch und ruhig, erwärmt durch die Fußbodenheizung und zusätzliche Wandheizungen. Der historische Deckenbogen wurde frei gelegt, man spürt förmlich das Gewölbe. In beiden Räumen wurden die Wände weiß gekalkt, mit Kalk, der das Wasser aus dem Fels und dem Granit durchlässt und die Wände atmen lässt, um der Fäulnis vorzubeugen. Das Haus in der Lederergasse Nummer zwei steckt nun im neuen weißen Gewände der Anbauten und Umbauten und ist von den vielen Bausünden aus vergangenen Zeiten befreit. Es ist inmitten des En- 058 sembles der Häuser der Altstadt zum Juwel geworden: Es steht im Dialog mit dem gegenüberliegenden ebenfalls neu restaurierten Dom, klar und ohne Kompromisse, um das historische Haus mit neuem Leben zu erfüllen. Respektvoll wurde das Alte um das Neue ergänzt: Eine starke Inszenierung in der Passauer Altstadt mit Sicht auf den Inn. Schade, dass es nicht öfters städtische Verantwortliche gibt, die Dorf- und Altstadtkerne bewahren wollen und bereit sind, für deren Erhaltung Gelder zu bewilligen oder sich dafür einzusetzen! Text I Jürgen Brandenburger Fotograf I Eckhart Matthäus ARCHITEKTEN HIENDL„SCHINEIS, WWW HIENDLSCHINEIS. COM FORDERUNGEN BAYERISCHES LANDESAMT FUR DENKMALPFLEGE, DEUTSCHE STIFTUNG DENKMALSCHUTZ, REGIERUNG VON NIEDERBAYERN, STADT PASSAU BAUWERK: FLACHEN GESAMT RUND 350 Mz, KUBATUR RUND 1000 M3 BETREUT VOR ORT VON: DR. KUPFERSCHMIDT LANDESAMT FUR DENKMALPFLEGE, FRAU WENZEL, UNTERE DENKMALBEHORDE, PASSAU inspirationdesigfn! I 2.2014 I www.inspiration-design.eu
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