Einst und Heute Ausstellungstexte

SCHLOSS SPIEZ
Angebot „Einst und Heute - Familie, Kindheit und Rollenbilder & Lebensmittel, Esskultur und
Hausarbeit“
Ausstellungstexte als Hintergrundinformation für die Lehrperson
Gruppen 1 und 3 – Familie und Rollenbilder
2. Stock: Raum „Franz Ludwig von Erlach“
Franz Ludwig von Erlach
Die Erlach gehören zu den führenden Familien der Stadt und Republik
Bern. 1516 erwerben sie Schloss Spiez, das bis 1875 in ihrem Besitz bleibt.
Während des Dreissigjährigen Krieges leitet Franz Ludwig von Erlach (1575
-1651) massgeblich die Politik Berns und vertritt seinen Stand auf über 140
Gesandtschaften im In- und Ausland. In erster Ehe mit Salome Steiger und
in zweiter Ehe mit Johanna von Graffenried verheiratet, wird er Vater von
37 Kindern.
Im zweiten Stock des Wohnteils zeugen der von Franz Ludwig 1614
erbaute Festsaal mit einzigartigen Stukkaturen sowie weitere Räume von
diesem bedeutenden Bauherrn, Staatsmann und Familienvater.
Die Familie von Erlach
Die Herren von Erlach sind erstmals im 13. Jahrhundert im Gefolge der Grafen von Neuenburg
belegt. Sie sind Vögte in Erlach, verfügen über Besitz im Seeland und stehen in engem Kontakt mit
hochadligen Familien.
Nach 1300 lassen sie sich in Bern nieder und übernehmen städtische Ämter. 1446 wird mit Ulrich
von Erlach erstmals ein Vertreter des Geschlechts zum Schultheissen gewählt.
Die von Erlach zeichnen sich nicht nur durch ihre Tätigkeit im und für den Staat Bern aus. Sie sind
auch regelmässig in Kriegsdiensten anzutreffen und besitzen zahlreiche Schlösser und Herrschaften.
1516 erwirbt Ludwig von Erlach Spiez, das bis 1875 der Familie gehört.
Franz Ludwig von Erlach
Der Spiezer Schlossherr Franz Ludwig von Erlach (1575-1651) ist einflussreicher Politiker und
Diplomat mit Kontakten weit über die Eidgenossenschaft hinaus. Er gehört zum Patriziat, das die
bernische Politik bestimmt, Verwaltungsaufgaben übernimmt und Schlossherrschaften besitzt.
In seinem Schatten steht eine vielköpfige Familie, die im Sommer in Spiez lebt. Hier kümmert sich
die Ehefrau in Abwesenheit ihres Mannes um Kinder und Schlossgut.
Im Kreise der Familie
Die sorgfältig gestaltete Tafel erlaubt eine ungewöhnliche
Momentaufnahme auf die Familie im Jahre 1629. Franz Ludwig von Erlach
stellt sich hier im Kreise seiner lebenden und verstorbenen Angehörigen
dar.Aus den Ehen mit Salome Steiger und Johanna von Graffenried
stammen 37 Kinder. Die idealisierte familiäre Einheit soll jedoch nicht
vergessen lassen, dass viele Kinder früh sterben und nur gerade sieben
ihren Vater überleben.
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Zeichen der Macht
Porträts zeigen Berner Patrizier nach 1600 oft mit ihren Attributen der
Herrschaftsausübung. Diese finden sich auch auf dem Porträt von Franz
Ludwig von Erlach.
Siegelbeutel und Petschaft verweisen auf das Schultheissenamt, goldene
Ketten verdeutlichten diplomatische Dienste, sind sie doch meist eine
Ehrengabe des französischen Königs, Halskrause und Perüsse gehören zur
Amtstracht der Ratsherren und der Degen steht für Macht und
Waffenfähigkeit.
Glauben, verwalten, ehren
Die Bibel ist fester Bestandteil eines Alltags, der von Krankheiten und Todesfällen geprägt ist. So
wird die Familien-Bibel der von Erlach über Generationen weitergegeben.
Von Franz Ludwig sind mehrere Hausbücher erhalten mit Einträgen zur Ökonomie, zu
Baumassnahmen, aber auch zum familiären Alltag. Die Ausgaben der Gesandtschaft nach
Graubünden von 1625 listet er in einem Heft detailliert auf.
Der prachtvoll gestaltete Brief würdigt Franz Ludwigs Wahl zum Berner Schultheissen von 1629.
Franz Ludwig von Erlach als Schlossbesitzer
Die Ansichten des Malers Albrecht Kauw (1616–1681) zeigen die vier Schlösser im Besitze Franz
Ludwigs: Spiez, Schadau, Bümpliz und Oberhofen. Letzteres fällt 1642 als bernisches Lehen an den
Schlossherrn.
Franz Ludwig baut nicht nur Schloss Spiez um; 1625/30 erhält das Schloss Schadau neue
Treppentürme, eine Umfassungsmauer und ein herrschaftliches Haus und Garten. Ab 1632 erfährt
Schloss Bümpliz eine barocke Umgestaltung, und das Innere wird dekorativ ausgemalt.
Für die Wärme und gegen die Feuersbrunst
Der prächtige Renaissance-Turmofen sorgt nicht nur für Wärme, sondern ist mit seinen verzierten
Kacheln auch repräsentativer Schmuck. Um 1600 wohl von Franz Ludwig in Auftrag gegeben, zeigen
die Kranzkacheln Darstellungen der fünf Sinne sowie wahrscheinlich Judith mit dem Haupt von
Holofernes.
Aus Furcht vor Bränden halten alle Haushalte lederne Löscheimer bereit. Erlach Wappen und
Initialen kennzeichnen den Besitzer dieser Eimer von 1601: Franz Ludwig von Erlach.
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Gruppe 2 – Kindheit und Kleider
2. Stock: Festsaal
Der Festsaal von 1614
Franz Ludwig von Erlach lässt über dem gotischen Wohntrakt repräsentative Räume einbauen.
Kernstück ist der frühbarocke Prunksaal. Dessen reiche Stuckaturen schafft 1614 der Tessiner
Antonio Castelli.
Im Zentrum der Decke stehen die Wappen des Bauherrn und seiner beiden Ehefrauen. Im Fries
sind die Geschichten des Verlorenen Sohns sowie von Susanna und Daniel dargestellt. Antike
Götter schmücken den Erker, kluge und törichte Jungfrauen die Fensterleibungen.
Das Bildprogramm vereinigt Antike mit Altem sowie Neuem Testament und widerspiegelt und
glorifiziert die Bildung und das Selbstverständnis des Schlossbesitzers.
Frühbarock in Spiez
Das Hausbuch von Franz Ludwig von Erlach verrät, welche Saalausstattung der Auftraggeber
wünschte. Die Gipser sollten einen Bilderfries fertigen, der sich rund um den Saal zieht und viel
„lustig blummwärck“ anbringen.
Der frühbarocke Festsaal erscheint im Gegensatz zu den anderen Umbauten im
spätmittelalterlichen Stil geradezu revolutionär. Darin spiegelt sich Franz Ludwigs Kenntnis der
italienischen Kunst, seine weitreichenden Kontakte und der Wunsch nach Glorifizierung.
Feste feiern
Feste kontrastieren den sorgenreichen Alltag und gehören selbstverständlich zur adligen Kultur.
Anlässe gibt es genug: Geburten, Hochzeiten, die gelungene Schultheissenwahl.
Festlichkeiten stehen im Zeichen des Überflusses: Unmengen an Speisen und Wein werden
aufgetischt; Musik und Tanz sorgen für Unterhaltung. Der Spiezer Festsaal gibt Festivitäten
nicht nur einen prunkvollen Rahmen, sondern feiert auch den Gastgeber Franz Ludwig von
Erlach.
1614
Der Spiezer Festsaal wird 1614 mit Stuckaturen ausgeschmückt. Die Jahreszahl ist mehrfach
bezeugt: einerseits im Zentrum der Decke, andererseits in der Buchhaltung von Franz Ludwig
von Erlach.
Zu Beginn des 17. Jh. sind Stuckaturen im Gebiet der heutigen Schweiz eine neue
Dekorationsform. Der Spiezer Festsaal ist denn auch der erste profane Raum der Schweizer
Architektur, dessen Wirkung auf hellem Stuck beruht.
Wappenschmuck
Heraldischer Schmuck ist nicht blosse Zier; durch die Wappen ist der Auftraggeber präsent. Im
Zentrum der Decke lässt Franz Ludwig das Erlach Wappen und die beiden Wappen seiner
Ehefrauen Salome Steiger und Johanna von Graffenried anbringen.
Äusserst prunkvoll in Szene gesetzt sind die Wappenschilder über dem Kamin, links das ErlachWappen, rechts das Wappen der zweiten Ehefrau Johanna von Graffenried.
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Familiengalerie
Die Porträtkunst etabliert sich in Bern zu Beginn des 17. Jh. In dieser Zeit grenzt sich das
Patriziat zunehmend ab; Selbstdarstellung gewinnt an Bedeutung. Zusammen mit
Wappenscheiben bilden die Porträts die Familiengalerie.
Mit dem Maler Bartholomäus Sarburgh aus Trier (~1590 _ ~1637) erlebt die Porträtmalerei in
Bern einen ersten Höhepunkt. Auch Franz Ludwig von Erlach lässt sich, seine Frau Johanna und
Kinder von Sarburgh porträtieren.
3.
4.
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9.
Bildlegenden aller Porträts im Festsaal
1. Franz Ludwig von Erlach, Rombolt von dem Holts, 1606
2. Salome Steiger, erste Ehefrau von Franz Ludwig, Rombolt von dem Holts, 1606
3. Franz Ludwig von Erlach, Bartholomäus Sarburgh (zugeschrieben), 1621
4. Johanna von Graffenried, zweite Ehefrau von Franz Ludwig, Bartholomäus Sarburgh
(zugeschrieben), 1621
5. Franz Ludwig von Erlach, anonym, 1629
6. Franz Ludwig von Erlach (1596-1650), ältester Sohn von Franz Ludwig, anonym,
7. Salome (1604-1636), Tochter von Franz Ludwig, Bartholomäus Sarburgh, 1623
8. Johanna (1616-1628) und Rosina (1617-1628), Töchter von Franz Ludwig, Bartholomäus
Sarburgh (zugeschrieben), 1621
9. Dorothea (1618-1628) und Amalia (1620-1628), Töchter von Franz
Ludwig, Bartholomäus Sarburgh (zugeschrieben), 1621
10. Gabriel von Erlach (1639-1673), jüngster Sohn von Franz Ludwig,
anonym, 1643
11. Julia Anna Rosina (geb. 1643) und Albrecht (1644-1723), Enkel von Franz
Ludwig, anonym 1645
12. Franz Ludwig von Erlach (1642-1662), Enkel von Franz Ludwig, anonym,
1659
10.
Spitze und Samt
Die Porträts führen uns die Mode der ersten Hälfte des 17. Jh. vor Augen. Schwarz setzt sich,
von der spanischen Mode her kommend, durch. Sowohl Männer wie Frauen tragen
Halskrausen. Frauen schnüren sich in Korsetts ein, Männer tragen Wams und Pluderhosen.
Als Schultheissengattinnen schmücken Salome und Johanna ihren Kopf mit einem Barett.
Besonders wertvoll und beliebt sind italienische Spitze sowie schwere Stoffe wie Samt.
Modische Details auf den Porträts
(3.) Franz Ludwig mit wattiertem Wams, nach seiner Form „Gansbauch“ genannt. Dazu
knielange Pluderhosen.
(2.) Salome Steiger mit Barett und Halskrause. Als verheiratete Frau bedeckt sie ihr Haar mit
einer Haube und einem feinen Schleier.
(4.) Johanna von Graffenried trägt feinste Spitze.
(9.) Spitzenbesetztes Häubchen und Halskrause selbst für Kleinkinder.
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(8.) Versteifte Oberteile gewöhnen bereits Mädchen ans Tragen von Korsetts.
(10.) Der vierjährige Gabriel prächtig eingekleidet: Spitzenkragen, florale Stickereien und
Goldborten auf Wams und Pluderhosen. Der Falken verweist auf seine adlige Abstammung.
Durch die Blume
Auffallend sind die vielen Blumen auf den Porträts. Als Attribute lassen sie verschiedenste
Deutungen zu. So kennzeichnen sich junge Mädchen mit Blumenkränzchen.
Pflanzen verfügen auch über Heil- und Zauberkräfte; Nelkensaft soll gegen die Pest helfen,
Rosmarin hält böse Geister fern. Blumen sind zudem religiöse Symbole: die gezackten Nelken
erinnern an die Leiden Christi, die Rose gilt ihrer Schönheit wegen als Zeichen Mariens.
Blumen auf den Porträts
(2.) Eingestecktes Sträusschen von Salome Steiger mit Rosmarin.
(8.) Blumenkränzchen schmücken junge Mädchen.
(8.) Rosina ist dem Namen gemäss vor einem Rosenbusch dargestellt und hält eine Rose in
beiden Händen.
Perlen, Gold und Edelsteine
Porträts verfügen über einen starken Repräsentationscharakter. Entsprechend reich
geschmückt lassen sich Franz Ludwig und seine Frauen darstellen. Selbst Kinder tragen auf den
Bildnissen reichlich Schmuck.
Schmuck ist auch ein wichtiges Brautgeschenk. Franz Ludwig kauft für Salome unzählige Perlen,
Edelsteine, Ringe und Goldketten. Auf den Männerporträts fallen die mächtigen Goldketten
auf. Diese dürften Geschenke des französischen Königs sein.
Schmuck auf den Porträts
(3.) Franz Ludwig mit mächtiger Goldkette; wohl ein Geschenk des französischen Königs.
(2.) Salome mit Goldkettchen ums Barett, schwerer Goldkette und feinem Kettchen mit
Anhänger aus Gold, Perlen und Edelsteinen. Am Gürtel ein schmuckvolles Besteckset aus Silber.
(4.) Johanna trägt einen wertvollen Anhänger aus Gold, Perlen, emaillierten Blümchen und
einem herzförmigen Rubin.
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Gruppen 4 bis 6 – Lebensmittel, Esskultur und
Hausarbeit
1. Stock: Schlossküche
Die Schlossküche
Die Küche erzählt von Tafelfreuden, Ernährung und Umwelt in der Zeit vom 15. bis 17. Jahrhundert.
Einfache Gerichte und aufwändige Menus wurden hier zubereitet. Gleichzeitig galt die Küche als
Umschlagplatz von Produkten und war die Schaltzentrale des herrschaftlichen Haushalts.
Harte Arbeit und Genuss, Mangel und Überfluss treffen in der Küche aufeinander. Die Sorge um das
leibliche Wohl lag in der Hand von Schlossherrin und Gesinde.
Die Herkunft der Nahrungsmittel und ihre Bedeutung verbinden die Küche mit dem Garten, dem
Schlossgut, den Spiezer Bauern und Rebleuten sowie mit der weiten Welt.
«Min liebe Husfrouw»
Da die Schlossherren wegen ihrer politischen Ämter häufig abwesend waren, wachten ihre Ehefrauen
über die Geschicke des Schlosses.
Immer wieder spricht Franz Ludwig von Erlach in seinen Aufzeichnungen von «min liebe Husfrouw».
Im Testament von 1651 dankt er Johanna von Graffenried dafür, dass sie sich unverdrossen der
schweren, vielfältigen und mühsamen Aufgabe gestellt und einen für alle «nutzlichen und
erspriesslichen» Haushalt geführt habe.
Bei Tisch
In vornehmen Häusern waren Essbereich und Küche voneinander getrennt. Nur das Gesinde ass am
Küchentisch. Im Alltag galt bei Tisch wie auf dem Teller eine bescheidene Dankbarkeit. Das Tischgebet
gehörte zu jeder Mahlzeit.
Hoch zu und her ging es dafür bei Festmählern. Die Tischsitten waren eher roh, der Wein floss in
Strömen. So vielfältig die aufgetragenen Speisen waren, so einfach waren bis ins 18. Jahrhundert die
Gedecke. Vorgänger des Tellers war ein schlichtes Holzbrett. Die Gabel setzte sich erst ab dem 17.
Jahrhundert als Teil des persönlichen Essbestecks durch.
Kochkunst
Feuertisch und Rauchfang bilden den Anfang der Geschichte des heutigen Herds. Die einfache
Gerätschaft mit der hier hantiert wurde, steht in eindrücklichem Gegensatz zur Vielfalt an Speisen, die
man damit zubereiten konnte.
Um die Hitze variieren zu können, brannte für den grossen Kessel ein loderndes Feuer und gleich
daneben wurden kleinere Gluthaufen für Fischgrill und Bratspiess unterhalten. Kleinere Töpfe wurden
verschoben und gedreht um die perfekte Garung zu erreichen.
Mus, Eintöpfe, Suppen, Fisch und Fleisch ab Spiess und Grill bildeten die Grundlage der Menus. Weil
ein Ofen fehlte, mussten Gebäcke und Pasteten auswärts bestellt werden.
Wasser und Feuer
Wasser ist in einer Küche unerlässlich. Täglich musste es vom Brunnen geholt werden. Den gefüllten
Wasserkübel herbeizuschaffen, kostete die Knechte und Mägde einiges an Muskelkraft.
Aufwändig und kostspielig war die Besorgung von Holz für die Küche. Anders als bei der Beheizung
der Öfen, war die Wahl der Holzarten entscheidend. Brenneigenschaft und Glutfähigkeit beeinflussten
die Kochergebnisse.
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Der Segen des Landes
Zahlreiche Stilleben des Berner Malers Albrecht Kauw (1616-1681) geben Auskunft über die Fülle und
Vielfalt der im 17. Jahrhundert bekannten Nahrungsmittel. Die prächtigen Auslagen illustrieren den
«Segen des Landes»; sie zeigen aber vor allem das Besondere. Obwohl Getreide oder Produkte
landwirtschaftlicher Nutztiere die damaligen Speisezettel dominieren, schafften sie es kaum auf die
Gemälde.
Das Bild üppig arrangierter Vorratskammern war ein Statussymbol. Jagd und Fischerei gehörten zu
den Hoheitsrechten der Freiherren, die Möglichkeit Gemüse und Fruchtgärten mit erlesenen Sorten
anzulegen, war Ausdruck für gehobenen Lebensstil.
Unser täglich Brot...
Zu Mus, Brei, Suppe und Brot verarbeitet, bildeten die verschiedenen Getreidesorten den
Hauptbestandteil der Alltagskost. Wegen des hohen Holzbedarfs wurde in bäuerlichen Ofenhäusern
allerdings nur im Abstand von zwei bis drei Wochen gebacken.
Fertiges Brot und Backwaren beim Bäcker zu kaufen, war die Ausnahme. Meist brachte man Mehl
oder die geformten Laibe in die Backstube und liess fertigstellen, was man selbst zu liefern
vermochte.
Vielseitiger Anbau
Zwei einsame Ähren hat Albrecht Kauw in sein Bild mit aufgenommen. Gemessen am Anteil, den das
Getreide in der Ernährung spielte, sind sie als Referenz bescheiden. In Spiez wurden Dinkel, Roggen,
Emmer, Hafer und Gerste angepflanzt. Wenig Pflanzerfolg erzielte man mit Weizen, für den das Klima
nicht ideal war.
Suppe, Mus und Brei
Neben der Weiterverarbeitung zu Brot, spielte das Getreide zu Suppe, Mus und Brei verarbeitet die
Hauptrolle in Alltagsgerichten. Für Selbstversorger war dies die günstigste Variante. Zerstossen wurde
das Korn in grossen Mörsern. Die Mühle war im Besitz der Freiherren. Das Mahlen von Korn war
kostenpflichtig.
Streng reguliertes Brot
Bis 1771 war der Preis für einen Brotlaib gleicher Sorte immer derselbe. Sein Gewicht konnte
allerdings schwanken. In guten Zeiten konnte ein Brotlmehr als achtmal so schwer sein wie bei
Missernten. Liess man eigenes Mehl verarbeiten, war das Verhältnis von Mehl- zu Brotgewicht streng
festgeschrieben.
Weiss, salzig und süss auf Bestellung
In reicheren Haushalten kam eine Vielfalt von Gebäcken auf den Tisch. Je weisser das Brot um so
vornehmer war es. Zöpfe, Bretzeln und Wasteln gehören zu den frühesten Spezialgebäcken. Bestellt
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wurden auch gern alle möglichen Sorten von Pasteten und «Küchlenen». Ab Ende des 16.
Jahrhunderts hält schliesslich die Zuckerbäckerei Einzug.
Wein als Grundnahrungsmittel
Der alte Spruch «Venedig ist auf Wasser, Bern aber auf Wein gebaut», hallt in Spiez kräftig nach. Die
Weinerträge trugen wesentlich zum Wohlstand der Freiherren bei.
Der Wein gehörte zu den Grundnahrungsmitteln. Er wurde als nährend, stärkend, ja gar heilend
gelobt. Entsprechend hoch war der Konsum. Verkauf und Ausschank waren streng geregelt. Neben
Getreide gehörte der Wein zu den wichtigsten Zins- und Zahlungsmitteln.
Vielschichtige Bedeutung
Dem Rebbau kommt in Spiez eine vielschichtige Bedeutung zu. Er sicherte die Selbstversorgung mit
Wein und bildete für Schlossherren und Bevölkerung eine wichtige Einnahmequelle. Bis ins 18.
Jahrhundert wurden über 5% der fruchtbaren Fläche der Herrschaft als Rebland genutzt und lieferten
bis zu 400'000 Liter Wein.
Keine Mahlzeit ohne Wein
Wein gehörte zur Grundversorgung der Menschen. Arme und Kranke, Soldaten und sogar Gefangene
erhielten ihre tägliche Ration. Pfarrer und Lehrmeister nahmen einen Teil ihres Lohns als Wein in
Empfang. Neben Eigenkonsum und lokalem Ausschank fand der Spiezer Wein seinen Weg in die Täler
und bis nach Bern.
Leidenschaftlich gepflegt
In den Aufzeichnungen von Franz Ludwig von Erlach wird deutlich, wie intensiv sich die Schlossherren
mit der Bebauung ihres Gutes auseinandersetzten. Über den Wein führte er ebenso leidenschaftlich
wie akribisch Buch. Selbst Rhagor fand in seinem Pflantz-Gart für den herrschaftlichen Rebbau in
Spiez lobende Worte.
Recht auf Handel
Bis hin zur Qualitätskontrolle war rund um den Rebbau alles streng geregelt. Den Herrschaftsleuten
von Spiez war es im Gebiet der Freiherrschaft erlaubt, Wein auszuschenken und zu verkaufen. Dieses
Recht war nicht unbestritten. Anspruch und Stolz darauf kommen auf ihrer Wappenscheibe, die sich
im Festsaal des Schlosses findet, spielerisch zum Ausdruck.
Obst und Gemüse
Die klimatischen Verhältnisse von Spiez waren einem vielfältigen Gemüse- und Obstanbau förderlich.
Hülsenfrüchte, Kohl- und Wurzelgemüse dominierten den Speisezettel, der saisonal mit Obst
bereichert wurde.
Auch die Schlossherren befassten sich mit den Möglichkeiten des Anbaus. In der Schlossbibliothek
finden sich diverse Garten- und Pflanzenbücher, die wohl als Grundlage für Weisungen an die Bauern
und für den eigenen Garten dienten.
Pflantz-Gart, das Gartenbuch der Patrizier
1639 verteilt Daniel Rhagor jedem seiner Berner Ratskollegen ein Exemplar seines soeben
erschienenen Buches «Pflantz-Gart». 1676 erscheint bereits die 5. Auflage. Die praxisbezogene und
auf Experimenten basierende Anleitung zum Anbau von Obst, Gemüse und Wein ist für seine Zeit
einzigartig. Selbst die Kartoffel und der Spargel kommen bereits darin vor.
Der Stolz der vornehmen Dame
Zum Zielpublikum des Buches vermerkt Rhagor unter anderem: Ich denke an die vornehmen Damen,
die besonders beim Anbau und der Pflege der schwer zu ziehenden Delikatesspflanzen selbst Hand
anlegen, da diese Aufgabe hierzulande nicht, wie andernorts üblich, von spezialisierten Gärtnern
übernommen wird.
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Mehr als Kraut und Rüben
Zwischen dem Pflantz-Gart und Albrecht Kauws Stilleben bestehen zahlreiche Parallelen. Fast alle auf
den ersten Blick exotisch anmutenden Erzeugnisse wie Artischocken, Melonen, Zitronen,
Pomeranzen, Feigen, Granatäpfel und Kastanien sind im Buch mit der für hiesige Breitengrade
passenden Pflanzanleitung enthalten.
Die Vorbotin eines Wandels
In der allgemeinen Vielfalt und Farbenpracht wirkt sie fast ein wenig unscheinbar: die Kartoffel. Ihr
Auftauchen erstaunt, da sie zu dieser Zeit vor allem als Zierpflanze gezogen wird. Erst ein Jahrhundert
später wird sie zum Hauptnahrungsmittel und drängt in Spiez zunächst den Getreide-, später gar den
Rebbau zurück.
Geflügel, Fisch und Fleisch
Vom Pfau über die Taube bis zum gemeinen Spatz landete fastalles, was Federn trug, im Kochtopf.
546 Stück Geflügel finden sich auf der Liste zum Hochzeitsmahl von Franz Ludwig von Erlach und
Salome von Steiger.
Geflügel, Fisch und Fleisch bilden jenen Menupunkt, in dem sich die Unterschiede von Fest- und
Alltag, von arm und reich am stärksten zeigten. Menge, Zubereitung und Art hatten viel mit Status,
manchmal auch mit Symbolik zu tun.
Lebensmittelhierarchien
Die Bilder von Albrecht Kauw illustrieren das Standesbewusstsein seiner Auftraggeber über erlesene
Nahrungsmittel. Dass der Maler hier die Innereien und die Keule eines Schweins zeigt, ist äusserst
selten. Und dennoch ist es treffend, denn von allen Nutztierprodukten war das Schweinefleisch das
teuerste.
Geadeltes Federvieh
Auch Geflügel war im Vergleich zu andern Fleischsorten teuer. Erlesenes Federvieh wie zum Beispiel
ein Truthahn kostete so viel wie ein ganzes Schaf. Nicht ganz so kostspielig aber in gehobenen Kreisen
nicht minder beliebt, waren Kapaune. Dabei handelt es sich um kastrierte Hähne, deren Fleisch fett
und schmackhaft ist.
Frisch aus dem See
Fische, See- und Flusskrebse waren wichtige Eiweisslieferanten. In Spiez rasch und in grosser
Artenvielfalt zur Hand, mussten die Spiezer hier die Hoheitsrechte des Freiherrn beachten.
Fischgerichte gehörten insbesondere zur Fastenzeit, deren Regeln auch nach der Reformation noch
lange hoch gehalten wurden.
Weidmannsheil
Jagdbeute und Wildvögel in der Vorratskammer und auf dem Teller patrizischer Landsitze und
Landvogteien sind Ausdruck eines privilegierten Lebensstils. Bevorzugung und zur Schaustellung hin
oder her, deckte aber die Jagdbeute auch auf dem Land lediglich 5 bis 8% des herrschaftlichen
Fleischkonsums.
Milchwirtschaft
Milch war aufgrund ihrer kurzen Haltbarkeit vor allem für den direkten Verzehr bestimmt. Die Erträge
waren im Vergleich zu heute tief, der Preis hoch. Milch wurde möglichst rasch verarbeitet und an
nicht bäuerliche Haushalte verkauft.
Um die Haltbarkeit zu verlängern, salzte man die Butter kräftig ein. Vor der Verwendung wurde das
Salz ausgewaschen. Unter den Käsesorten setzte sich ab dem 16. Jahrhundert der gut lagerbare
Hartkäse durch.
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Gut gewürzt
Heimische Kräuter, vor allem aber auch exotische Gewürze, spielten in der gehobenen Küche eine
zentrale Rolle. Vielfalt, Art und Menge ihres Einsatzes erstaunen aus heutiger Sicht.
Mit Kräutern und Gewürzen wurden die Gerichte nicht nur verfeinert. Oft war das Ziel auch die
Veränderung oder Übertünchung des Eigengeschmacks der Produkte, die Färbung von Speisen oder
die Hoffnung auf medizinische Effekte. Salz, Zucker und Pfeffer waren zudem für die Konservierung
der Lebensmittel wichtig.
Gewürze gehörten zum Savoir-Vivre. Gekauft wurden sie in der Apotheke, später beim Krämer. In
grosser Menge eingesetzt, waren sie auch ein Statussymbol.
Vorratshaltung
Mangel begleitete die Haushalte in Zeiten von Missernten und in den langen Wintermonaten. Das
Haltbarmachen von Lebensmitteln war auch im Schloss überlebenswichtig. Trocknen, Räuchern,
Einkochen und das Einlegen in Essig boten sich an.
Methoden wie das Einsalzen oder die Konservierung mit Gewürzen wie Pfeffer oder Zucker waren
lange eine Kostenfrage. Eine Frühform des Bouillonwürfels entstand durch das Einkochen stark
gesalzener Suppen.
Aus fernen Ländern
Pfeffer und Langpfeffer, Zimt, Macis, Ingwer, Muskatnuss, Nelken, Kardamom, Gelbwurz... Die Liste
an exotischen Gewürzen, die in der Schlossküche zum Einsatz kamen, lässt sich fast beliebig
verlängern. Ihre Präsenz verweist auf die weiträumigen Handelsbeziehungen, die das alte Bern
pflegte.
Durch ihre ausgedehnten Reisen und die politische Stellung der Schlossherren fanden die Gewürze
ihren Weg auch ins ländliche Spiez.
Blühender Fernhandel
Das Zeitalter der Entdeckungen beschleunigte den Einzug exotischer Gewürze in der hiesigen Küche.
Venedig etablierte sich als Drehscheibe für den Handel mit den kostbaren Zutaten. Auf der
Handelsszene von Albrecht Kauw findet sich rechts im Bild ein Berner Standesläufer, der wohl gerade
eine Bestellung überbringt.
Beeindruckende Vielfalt
Zählt man die Gewürze, die in den Kochanweisungen des 14. bis 17. Jahrhunderts aufgelistet werden,
kommt man bis auf beeindruckende zwanzig. Von dieser Vielfalt und den angewendeten
Kombinationen hat man heutzutage kaum noch eine Vorstellung. Einzig in der orientalischen und
indischen Küche sind sie noch erhalten.
Das Gewürz der Armen
Bis ins 15. Jahrhundert noch eins der kostbarsten und teuersten Gewürze, wird der Pfeffer schon früh
zur Massenware. Sein Anteil an den eingeführten Gewürzen wuchs auf 75 Prozent und sein Preis sank
beträchtlich. Bald als «Gewürz der Armen» betitelt, verschwand der Pfeffer weitgehend aus den
Rezepten für die gehobene Tafel.
Symbolkraft
Ihre Bedeutung in der Gesundheitslehre und als Statussymbol förderte die Nachfrage nach Gewürzen.
Ihre Symbolkraft wurde durch Vorstellungen über ihre Herkunft noch erhöht. Bezeichnungen wie
«Paradieskorn» oder die Überlieferung von Mythen wie jener, dass man Zimt nur im Nest des
Feuervogels Phönix findet, erinnern daran.
Überfluss und Mangel
Das Einteilen der Nahrungsmittel und eine gekonnte Vorratshaltung entschieden nicht allein in den
einzelnen Haushalten sondern auch in der gesamten Freiherrschaft über Gedeih und Verderb der
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Bevölkerung. Die begrenzten Konservierungsmöglichkeiten führten vor allem im Winter zu starken
Einschränkungen und Eintönigkeit im Speiszettel.
Weisses Gold
Dem universellen Bedarf von Salz stehen seit jeher wenige Produktionsstätten gegenüber. Kostbar,
teuer und über das Salzregal streng geregelt, spricht man deshalb vom «weissen Gold». Für die
Viehzucht, aber vor allem für die Konservierung von tierischen Produkten war Salz von enormer
Bedeutung.
Trocknen, Dörren, Räuchern
Der Entzug von Feuchtigkeit gehört zu den zentralen Prinzipien der Haltbarmachung. Eine Alternative
zum feuchtigkeitsbindenden Einsalzen bot das Trocknen, Dörren und Räuchern von Nahrungsmitteln.
Obst, Hülsenfrüchte, aber auch Fisch und Fleisch konnten so über längere Zeit haltbar gemacht
werden.
Eingemachtes
Vor allem Früchte und Gemüse wurden bereits im Mittelalter gern in Honig oder Essig eingelegt,
wobei der Essig in der Ernährung und Medizin generell ein hohes Ansehen genoss. Zahlreiche Rezepte
bieten vielfältige Anleitungen zum Einkochen von Speisen. Auf die Zugabe von Zucker konnten nur
wohlhabende Haushalte setzen.
Netzwerke und Kreisläufe
Über die Herrschaftsrechte war der Schlosshaushalt eng mit den Bauern verbunden. Während diese
sich selbst versorgten, delegierten die Schlossherren die Bewirtschaftung ihrer Güter. Abgaben,
Zinsen und auch Lohn bestanden zu einem grossen Teil aus Naturalien. In diesem Kreislauf spielten
Wein und Getreide die Hauptrolle.
Für eine reich gedeckte Tafel nutzte die Freiherrin ihre Beziehungen zum örtlichen und städtischen
Handel. Brot, Pasteten und Gebäck, Butter und Käse sowie rohe Fleischprodukte bezog man
bevorzugt direkt von den Untertanen. Auserlesenes fand aus dem Schlossgarten sowie aus nahen und
fernen Märkten seinen Weg in die Küche.
Körper und Geist
Bis ins 19. Jahrhundert sah man in Speis und Trank weit mehr als ein Mittel der Energiezufuhr.
Beeinflusst von der antiken Lehre der vier Säfte und Elemente wurden Nahrungsmittel als «warm»
oder «kalt», «trocken» oder «feucht» eingeteilt. In der Küche galt es, die Lebensmittel so zu
kombinieren, dass sich diese Eigenschaften ausgleichen und ergänzen. Die Körpersäfte und damit
Körper und Geist sollten so in Einklang gebracht werden.
Bei der Zubereitung von Speisen kam der Gedanke an die Gesundheit oft vor der Suche nach
köstlichem Geschmack. Der Unterschied zwischen Arznei- und Kochbüchern war fliessend.
Insbesondere Gewürze kaufte man beim Apotheker.
Leben und Tod
Bedingt durch die Lebensumstände waren Krankheit und Tod ständige Begleiter der damaligen
Gesellschaft. Der Totentanz von Niklaus Manuel illustriert das Bewusstsein, dass der Tod keine
Standesgrenzen kennt. Die Stammbäume der Schlossherren zeigen, dass dieses Bewusstsein von
ebenso direkten wie schmerzlichen Erfahrungen geprägt wurde. Zehn Kinder verlor Franz Ludwig von
Erlach im Jahr 1628 an die Pest.
Schriften wie das «Regimen pestilentiale» des Bubenbergvertrauten Elogius Kyburger und das
Arzneibuch der Sarah Stürler, Schwiegermutter von Hans Rudolf von Erlach (1577-1628), erhalten vor
diesem Hintergrund eine sehr persönliche Bedeutung.
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