Süddeutsche Zeitung MEINUNGSSEITE Mittwoch, 1. April 2015 Editorial Deutschland Seite 4 LEHRER Ein Rezept für Unfrieden von detlef esslinger U nter anderem ist ein Tarifabschluss dazu da, Frieden in die Betriebe zu bringen. In der Zeit der Warnstreiks (und erst recht, wenn es zu unbefristeten Streiks kommt) ist die Stimmung immer aufgewühlt; allzu lange sollte diese Phase also lieber nicht dauern. Die Länder haben sich am Wochenende mit den Gewerkschaften auf einen Tarifvertrag geeinigt, zu Frieden aber hat das nicht geführt. Im Gegenteil. Es ist ziemlich genau so gekommen, wie es in dem Fall vorherzusehen war: Viele derjenigen Lehrer, die Angestellte und keine Beamte sind, reagieren erbost und verbittert auf die Einigung. Wieder einmal ist ein Vorhaben der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gescheitert. Sie wollte die Gleichbehandlung aller Lehrer erwirken, indem angestellte Lehrer endlich in ganz Deutschland so bezahlt werden wie vergleichbare beamtete. Ist da also ein Studienrat, der nach A 13 bezahlt wird, so wollte die GEW auch seinem angestellten Kollegen künftig ein Gehalt auf der Grundlage von E 13 ver- schaffen. Gerade deshalb haben sich in den zurückliegenden Wochen so viele Lehrer an den Warnstreiks beteiligt. Im öffentlichen Dienst der Länder sind sie eine der wenigen Berufsgruppen, deren Streiks die Öffentlichkeit bemerkt. Wen stört es schon, wenn die EDV-Techniker im Statistischen Landesamt mal die Arbeit niederlegen? Angestellte Pädagogen reagieren erbittert auf den Tarifabschluss Die GEW ist mit ihrem Anliegen gescheitert; zum wiederholten Mal übrigens. Das Ergebnis der Tarifverhandlungen bedeutet aber darüber hinaus auch eine Spaltung der Lehrergewerkschaften. Denn der Beamtenbund, der ebenfalls angestellte Lehrer vertritt, nahm das Angebot der Länder an, sich mit einem monatlichen Zuschlag von 30 Euro für angestellte Lehrer der Gleichbehandlung wenigstens einen kleinen Schritt zu nähern – während die GEW darin nicht einmal ein Mini-Schrittchen sah und ihre Zustimmung verweigerte. Nun tobt die Richtungsdebatte zwi- DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de schen den Gewerkschaften: Ist der Beamtenbund nicht letztlich ein viel zu zahmer Verein? Oder fehlt der GEW jedes Gespür dafür, was möglich ist und was nicht? Für beide Thesen lassen sich Belege finden; doch jenseits dessen gibt es eine weitere interessante Frage: Wie sinnvoll ist es eigentlich, dass der Staat sich angestellte und beamtete Lehrer hält? Menschen vergleichen, und vor allem vergleichen sie, ob für gleiche Arbeit gleiches Geld bezahlt wird: für Frauen und Männer, in Ost und West, für Beamte und Angestellte. Kaum irgendwo sonst im öffentlichen Dienst aber ist die Tätigkeit zwischen Beamten und Angestellten so wenig unterscheidbar wie bei den Lehrern. Der einzig nennenswerte Unterschied ist deren Gehalt. Die angestellten Lehrer liegen netto mehrere Hundert Euro unter ihren Kollegen. Dies kann im Alltag nur die Konsequenz dauerhaften Unfriedens haben. Unabhängig von der Frage, welche Gewerkschaftsstrategie die geeignetere ist – dies ist eine Frage, die sich auch die Dienstherren, die Ministerpräsidenten und Kultusminister also, stellen müssen: Wollen sie das? A59802405 adm_wimmer
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