150430_Der Standard_Zwei Frauen gegen hundertzwölf Männer

30.04.2015
Der Standard
Erscheinungsland: Österreich | Auflage: 85.875 | Reichweite: 410.000 (5,7%) | Artikelumfang: 53.829 mm²
Seite: R4
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Thema: Frauen der Wiener Ringstraße
Autor: Oona Kroisleitner
Zwei Frauen gegen hundertzwölf Männer am Ring
Die Wiener Ringstraße ist
auch eine Straße der
Frauen. Die weibliche
Perspektive kommt aber
oft zu kurz. So wirkten
Frauen an ihrem Bau mit
oder nutzen sie als Ort des
Protests. Abgebildet
werden sie jedoch kaum.
Oona Kroisleitner
Wien -Elise Richter gehörte zu den
intellektuellen Pionierinnen ihrer
Zeit. Als Tochter einer bürgerlichen Arztfamilie erhält sie in ihrer
Jugend zunächst Privatunterricht.
Im Jahr 1897 maturiert sie und inskribiert als eine der ersten Frauen an der Universität Wien. Richter studiert klassische Philologie,
Indogermanistik und Romanistik.
Nach ihrem Studium ist sie ab
1907 die erste weibliche Dozentin
in der Geschichte der Universität.
Knapp ein Jahrhundert später ist
sie kurz davor, wieder eine erste
Frau" zu werden.
Mit der 2008 begonnenen Diskussion um die Umbenennung des
früheren
Dr.-Karl-Lueger-Ring,
des Standorts der größten Universität im deutschsprachigen Raum,
tritt sie wieder auf die Bildfläche.
Der Ringabschnitt wurde wegen
Wenig Beachtung für Frauen
Die Geschichte der Frauen auf
der Wiener Ringstraße wurde so
gut wie gar nicht aufgearbeitet",
sagt Petra Unger, Initiatorin der
Frauenspaziergänge. Die Universität Wien feiert heuer 650 Jahre,
das ist für Frauen überhaupt kein
Jubiläum." Frauen durften an der
Universität erst 532 Jahre später
studieren. Wir müssen also noch
einige Jahre warten", sagt Unger.
Der Referentin in feministischer Theorie geht es bei ihren
Spaziergängen darum zu fragen,
wer wen repräsentiert und was
dort präsentiert wird.
So haben etwa böhmische Migrantinnen am Bau des Parlaments
mitgearbeitet. Frauen, die die
Straße mit ihrer Arbeitskraft gebaut haben", sagt Unger. Es gibt
im Parlament nur ein Foto, auf
dem man eine Frau mit Ziegelsteinen im Korb sieht." Zwar wirkten
Frauen an den Bauarbeiten der
aus", sagt Unger. Zuckerkandl,
Jahrgang 1864, wird heute vor
allem über die prominenten Männer, die in ihrem Salon zu Gast waren, definiert. Zuckerkandl pflegte Kontakte mit der künstlerischen
und politischen Szene. In ihrem
Salon, der sich über dem heutigen
Cafe Landtmann befand, wurde
etwa erstmals das Stück Jedermann von Hugo von Hofmannsthal öffentlich gelesen. 1938 muss
Zuckerkandl aus Österreich fliehen. In Frankreich arbeitet sie als
Journalistin und setzt sich für den
Frieden ein.
Veranstaltungsinfo: Frauen der Wiener
Ringstraße, Caf. Landtmann, 1010 Wien,
Oppolzergasse 6, 7. Mai, 18.00 Uhr
waren, dies zu tun", sagt Unger.
Im öffentlichen Stadtbild fin-
zwei Statuen am gesamten Ring
bilden reale Frauen aus der Ge-
- in Stein gemeißelt. Lediglich
schichte ab: Kaiserin Elisabeth im
Volksgarten und Kaiserin Maria
Theresia zwischen Natur- und
Kunsthistorischem Museum In
men bereit gewesen sein: Mittlerweile heißt der Abschnitt schlicht
Universitätsring.
Pünktlich zum 150. Jubiläum
der Ringstraße möchte der Frauenklub Soroptimist International
auf Frauen und deren Schicksale
ihren Kreis reihen sich 112 Denkmäler von Männern sowie symbolische Statuen wie jene der Pallas
Athene vor dem Parlament.
auf der Ringstraße aufmerksam
machen. Wir konnten das nicht
te Frauendemonstration über die
Ringstraße. Die Medien sprechen
von bis zu 20.000 Frauen, die
gleichen Lohn für gleiche Arbeit"
einfach vorbeiziehen lassen, ohne
auf die Frauen hinzuweisen", sagt
Veronika Holzer, Vorsitzende des
Klubs. Die Ringstraße sei ein wesentlicher Ort der Geschichte und
auch der Gegenwart für Frauen".
lizierte in einer der ersten Frauenzeitschriften ohne Modetipps und
Kochrezepte. In Die Dokumente
der Frau sprach sich Zuckerkandl
deutlich für die Frauenbewegung
die auch technisch in der Lage
Eine Ehrung Richters wurde dabei
von der Hochschülerschaft und
einzelnen Parteien vorgeschlagen,
nannt wird. Dieser dürfte aber
noch nicht für einen Frauenna-
Eine Sympathisantin der Frauenbewegung war auch die Salonire Berta Zuckerkandl. Sie pub-
ausschließlich Männern überlassen; obwohl es zu der Zeit Malerinnen und Bildhauerinnen gab,
den Frauen ebenfalls wenig Platz.
Flaniert man die Ringstraße entlang, sieht man vor allem Männer
sie wünschen, dass erstmals ein
recht.
Straße mit, die Gestaltung der
prunkvollen Palais wurde aber
der antisemitischen Politik Luegers zum Streitpunkt der Stadtregierung. Schlussendlich sollte er
einen neuen Namen bekommen.
Teil des Rings nach einer Frau be-
Anfragen für weitere Nutzungsrechte an den Verlag
Aus ihrer Per-spektive habe sich im
letzten Jahrhundert viel bewegt.
Der Ring als Proteststraße
Am 19. März 1911 geht die ers-
fordern, die Abschaffung des Para-
grafen 144, der Abtreibung unter
Haftstrafe stellt, ein neues Fami-
lienrecht und das Frauenwahl-
Presseclipping erstellt am 30.04.2015 für comunicative zum eigenen Gebrauch nach §42a UrhG.
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Seite: R4
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Thema: Frauen der Wiener Ringstraße
Autor: Oona Kroisleitner
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Pallas Athene vor dem Parlament: die wohl bekannteste Frauenstatue am Ring, wenn auch nur" in Form einer griechischen Gdttin.
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