Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Leben dürfen - sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? Dr. med. Roland Kunz Chefarzt Geriatrie und Palliative Care Wir ! ! Wir dürfen leben, im Hier und Jetzt Wir müssen einmal sterben ! ! Können wir uns Situationen vorstellen, in denen das Leben ein Müssen wird? ! Dr. med. Roland Kunz Aber daran denken wir lieber nicht … Und das Sterben ein Dürfen? 1 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Sterben bis ins 20. JH «Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen» Martin Luther 1524 1 5 20 30 40 50 60 70 Jahre Eines lege ich euch allen ans Herz: Leben und Tod sind eine ernste Sache. Schnell vergehen alle Dinge. Seid ganz wach, Niemals achtlos, niemals nachlässig. Täglicher Ruf in den Zen-Klöstern nach der letzten Abendmeditation Altötting. Uhr aus der Pestzeit Dr. med. Roland Kunz 2 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Sterben heute «mitten im Leben sind wir von der Gesundheitsindustrie umfangen» Anti-Aging-Werbung und Spitzenmedizin schüren Erwartung Dr. med. Roland Kunz 3 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Gesellschaft heute: Autonomie - Primat ! ! ! Selbständigkeit, Unabhängigkeit als einziges Ziel für das Alter Selbstbestimmter Tod, wenn es für mich nicht mehr lebenswert ist (lebenssatt) Wir haben das «Geschehenlassen», das «Annehmen» verlernt: Machsal statt Schicksal Vom Schicksal zur Machsal… Dr. med. Roland Kunz 4 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 um 1900 Lucas Cranach d. Ältere 1546 Anti-Aging als alter Traum der Menschheit... Dr. med. Roland Kunz 5 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Negativ-Image «Alter» Negativ-Image «Abhängigkeit» Dr. med. Roland Kunz 6 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Negativ-Image aus Presse Die Möglichkeiten der Medizin, ihr Umgang mit der Endlichkeit Vom Leben dürfen zum müssen? „WWW“ Maximaltherapie (Reparaturmedizin) Komplementär Delegation Sterbehilfe Geburt Prävention Dr. med. Roland Kunz Kurativ Unheilbar Sterben 7 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Delegation des Sterbens ! ! ! ! Dr. med. Roland Kunz Von der Realität in die Virtualität Von der Gesellschaft an die Institutionen Vom Akutspital an die Langzeitpflege Von den Angehörigen an die Professionellen 8 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Wie möchten Sie einmal sterben? ! An einem plötzlichen Tod? ! Nach kurzer Krankheit (Wochen)? ! Nach längerer Krankheitsphase mit zunehmender Gebrechlichkeit? Wie möchten die Menschen sterben? 93% 43% 50% Tobler, Scholian. Praxis 2009: Wunschvorstellungen vom Lebensende Dr. med. Roland Kunz 9 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Die Widersprüche ! ! 75% aller Menschen möchten zuhause sterben - aber 70-80% aller Menschen versterben in Institutionen (Spital, Pflegeheim) 43% wünschen sich einen plötzlichen Tod, weitere 50% einen Tod nach kurzer Krankheitsdauer – nur 10% sterben einen plötzlichen Tod, 20% nach einer Krankheitsphase von Wochen bis Monaten, die übrigen nach einer von Monaten und Jahren. Woran dürfen wir sterben? ! Reduktion der kardiovaskulären Todesfälle in der Schweiz zwischen 1988 und 2008 von 222 auf 155 / 100‘000 Einwohner (Schweiz Med Forum 2010) Dr. med. Roland Kunz 10 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Woran sterben wir effektiv? wie sterben wir heute? Dr. med. Roland Kunz 11 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 wie sterben wir heute? wie sterben wir heute? Dr. med. Roland Kunz 12 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Leben müssen – sterben dürfen? Sterben als natürliches Geschehen? " Sterben als Folge von Therapieentscheidungen Behandlungsabbruch oder -Verzicht Bosshard G et al. 2005 EURELD/MELS-Studie Dr. med. Roland Kunz 13 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Entscheidungsgrundlagen ! Offene Information des Patienten über: ! ! ! Diagnose, Prognose, Chancen und Grenzen sowie Risiken und Belastungen von kurativen Behandlungen Verzicht heisst nicht „nichts mehr machen“: Palliative Care als umfassende Begleitung Entscheidung durch Patient: Formulierung seiner Ziele, Erwartungen, In welcher Situation möchte ich Wünsche nicht mehr und lebenwas er nichtmöchte will, wo Grenzen der Behandlung müssen, icher sterben dürfen? setzt. Der persönliche Wille ! Patientenverfügung, die persönliche Werthaltung zum Ausdruck bringt ! ! Dr. med. Roland Kunz Erw.schutzrecht Im Krankheitsverlauf immer wieder diskutieren und anpassen, konkretisieren Stellvertretende Entscheidungen durch Angehörige: nur möglich, wenn wir mit ihnen darüber sprechen! 14 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Und wenn man nichts mehr machen kann ist noch viel zu tun: Palliative Care Was verstehen wir unter Palliative Care? (Nationale Leitlinien) Palliative Care umfasst die Betreuung und die Behandlung von Menschen mit unheilbaren, lebensbedrohlichen und/oder chronischLebensqualität: individuell, persönliche Vorstellungen, fortschreitenden Krankheiten. Werthaltungen, Lebensgeschichte. Patientinnen und Patienten wird eine ihrer Situation angepasste optimale Lebensqualität bis zum Tode gewährleistet und die nahestehenden werden angemessen unterstützt. Leiden: betrifftBezugspersonen den ganzen Menschen als Einheit von Palliative Care beugt Leiden und Komplikationen vor. Körper, Seele und Geist. (Bsp.) Sie schliesst medizinische Behandlungen, pflegerische Interventionen sowie psychologische, soziale und spirituelle Unterstützung mit ein. Dr. med. Roland Kunz 15 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Wann beginnt Palliative Care ? 2010 Bessere Lebensqualität Weniger Depressionen Längeres Überleben (11.6 zu 8.9 Mte) Dr. med. Roland Kunz 16 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Vom Kampf gegen die Krankheit zum Leben mit der Krankheit Maximaltherapie Geburt Prävention Kurativ Palliative Care Unheilbar Sterben Palliative Care fokussiert auf das Wesentliche: „SENS“ Symptombehandlung ! Entscheidungsfindung ! Netzwerk ! Support ! Dr. med. Roland Kunz 17 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 SENS ! Symptom-Management: ! ! Optimale Symptombehandlung und Empowerment zur Selbsthilfe Entscheidungsfindung: ! Definition der eigenen Ziele und Prioritäten, schrittweise Entscheidungsfindung, präventive Planung für mögliche Komplikationen SENS ! Netzwerk: ! ! Support: ! Dr. med. Roland Kunz Aufbau eines Betreuungsnetzes unter Zusammenführung von ambulanten und stationären Strukturen Selbständigkeit stärken und erhalten, Unterstützungssystem für die Angehörigen, auch über den Tod hinaus 18 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Palliative Care ! ! Reduzieren des „medizinischen Lärms“ " Raum und Ruhe schaffen, um die eigene Lebenssymphonie fertig zu schreiben Das Lebensende nicht immer weiter medikalisieren Was ist mir am Lebensende wichtig? Steinhauser KE, Christakis NA, JAMA 2000 ! ! ! ! ! ! ! Dr. med. Roland Kunz Beste Schmerz- und Symptombehandlung Klare, informierte Entscheidungsfindung Vorbereitung des Lebensendes Ruhe und Zeit für Lebensbilanz Den Angehörigen keine Belastung werden Weitergabe wichtiger Dinge Respektierung als ganze Person 19 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Palliativstation Villa Sonnenberg Spital Affoltern: …. wie zu Hause, mit den Möglichkeiten eines Spitals „Ich wird no richtig zur Gnüsseri, anstatt dass ich stärbe..“ Vom sterben dürfen / müssen zum leben dürfen… Dr. med. Roland Kunz 20 Leben dürfen – sterben müssen. Oder manchmal eher umgekehrt? 06.05.2015 Danke für Ihre Aufmerksamkeit! Dr. med. Roland Kunz 21
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