Motio n & Ent e rtai nme nt Hilfe, ich werde beobachtet Text: cornelia stiegler Datenschutz. Wir leben in einer Zeit, in der fotos: istock/thinkstock, monkey business/thinkstock jeder unserer Schritte rückverfolgbar ist. Der „gläserne Mensch“ ist längst keine Utopie mehr – und das Geschäft mit den Daten boomt. Kann man sich vor der ständigen Überwachung überhaupt noch schützen? 74 m o m e n t s 6/2 014 M ot io n & E n t e rta in me n t Spionage-Lexikon Ü berweisungen online erledigen, bei Einkäufen mit der Bankomatkarte zahlen, auf der Autobahn die Videomaut nützen, via WhatsApp ein Grillfest ankündigen – dies alles sind alltägliche Dinge, über die niemand mehr lange nachdenkt. Doch jeder dieser Schritte hinterlässt nachverfolgbare Spuren, verrät unsere Gewohnheiten und Vorlieben und hilft Datensammlern dabei, Profile über unser Leben zu erstellen. Dies ist durchaus lukrativ: Bis zu 30 Euro werden von Unternehmen für vollständige Benutzerprofile inklusive Kreditkartennummer, Kaufverhalten, Bankdaten, Handynummern usw. bezahlt. Daten zu verkaufen. Das Geschäft mit den Daten von Einzelpersonen boomt derart, dass vor rund 2 Monaten das Hamburger Unternehmen Data Fairplay mit einer kuriosen Geschäftsidee auf sich aufmerksam gemacht hat: Auf der Plattform sollen in Zukunft eigene Daten verkauft werden können – damit die Menschen vom Handel mit ihrer Privatsphäre, den sie ohnehin nicht verhindern können, zumindest finanziell profitieren. Von bis zu mehreren hundert Euro im Jahr ist die Rede, so ein Sprecher von Data Fairplay – sofern der Dateneigentümer bereit ist, sein Datenprofil regelmäßig zu erweitern und zu aktualisieren. Alles wird analysiert. Vorerst sind jedoch die meisten Menschen unfreiwillige Spender, die vom Verkauf ihrer Daten keinen Cent zu Gesicht bekommen. Besonders gerne werden Schritte von Internet-Nutzern ausgewertet, da sie rasche Rückschlüsse auf die Interessen und das Kaufverhalten der Konsumenten zulassen. Die Spionage im Internet geht so weit, dass einzelne Menschen bereits an ihrer Schreibweise (bestimmter zeitlicher Abstand beim Tippen, typische Tippfehler etc.) identifiziert werden können. So lässt auch ein Computer, an dem mehrere Personen arbeiten, Rückschlüsse auf einzelne Personen zu. Die gewonnenen Daten helfen Unternehmen ➤ Ständige Überwachung: Auch auf Autobahnen, öffentlichen Plätzen usw. können die Tätigkeiten einzelner Personen rückverfolgt werden. Apps: Viele Apps dienen neben der Unterhaltung der AppBenutzer auch der Beobachtung derselben. Sie übertragen Benutzerdaten an Betreiber oder enthalten Schadsoftware, die beispielsweise die Handyrechnung in die Höhe treiben kann. Cookies: Cookies speichern u. a. Zugangsdaten zu bestimmten Websites, die Dauer der Websitenutzung etc. Dadurch können Benutzergewohnheiten ausgeforscht werden. IP-Adresse: Über die IP-Adresse eines Computers lassen sich Benutzer rückverfolgen. Jeder Klick im Internet hinterlässt also Spuren. GPS-Box: Die GPS-Box, auch Black Box, kann in Fahrzeugen angebracht werden, um das gesamte Fahrverhalten zu überprüfen und zu analysieren. Google: Google ist der weltweit mächtigste Datenbesitzer. Mit seinem Programm Google Analytics bietet Google Unternehmen die genaue Analyse ihrer Webseitenbesucher an. Die Daten, die Google durch die Analyse erhält, werden etwa dazu eingesetzt, bei GoogleSuchen die Ergebnisse benutzerorientiert anzupassen. Kreditkartenfälschung: Der Handel mit kopierten Kreditkarten ist in den vergangenen Jahren explosionsartig gestiegen. Server von Online-Anbietern werden gehackt und die Datensätze am Schwarzmarkt verkauft. Dadurch können funktionsfähige Kopien der Kreditkarten erstellt werden. Vorratsdatenspeicherung: Die Vorratsdatenspeicherung bestimmte gesetzlich, dass Daten (vorwiegend aus der Telekommunikation) rund ein halbes Jahr gespeichert werden müssen. Im April wurde dieses Gesetz jedoch vom Europäischen Gerichtshof als nicht zulässig erklärt. m om ents 6/2014 75 Motio n & E nt ertai nme nt Jeder Schritt und Klick im Internet hinterlässt nachverfolgbare Spuren. dabei, zielgruppengenaue Werbeanzeigen auf Webseiten zu platzieren. Schummeln erlaubt. Mit einigen Tricks kann man seine Privatsphäre zumindest bei Internet, Handy und Co. schützen. Die Online-Plattform www. saferinternet.at warnt beispielsweise vor der Bekanntgabe personenbezogener Daten bei Registrierungen, Gewinnspielen etc. im Internet. Stattdessen solle man sich eine E-MailAdresse zulegen, die keine Rückschlüsse auf die Person zulässt, und diese für entsprechende Online-Formulare nützen. Wichtig: Wer sich bei kostenpflichtigen Services mit falschen Daten anmeldet, macht sich wegen Betrugs strafbar. Wird der Service dagegen als kostenlos angepriesen, dürfen auch erfundene Registrierungsdaten angegeben werden. Der Spion fährt mit. Weniger Möglichkeiten, seine Daten zu verschlüsseln, gibt es beim Autofahren. Ja, richtig gelesen: Auch beim Autofahren wird spioniert. Während Privatpersonen in ihren Fahrzeugen keine Videoüberwachung (beispielsweise zur präventiven Aufzeichnung von Unfällen) anbringen dürfen, wird anderswo bereits überwacht, was das Zeug hält. Spion Nr. 1 ist wieder einmal Google: Wer sich beim Autofahren auf den Routenpla76 m o m e n t s 6/2 014 ner von Google Maps verlässt, gibt gleichzeitig seinen Standort, seine Fahrgeschwindigkeit usw. bekannt. Doch die Kontrolle beim Fahren geht noch weiter: Eine im Auto eingebaute Blackbox kann das Fahrverhalten überwachen – derzeit allerdings auf freiwilliger Basis. Diese Blackbox wird von Autoversicherungen angeboten, die die jeweilige Prämie von der Vorsicht des Fahrers abhängig macht. Wer brav fährt, zahlt weniger. Doch die Blackbox dient nicht ausschließlich dem Wohl des Fahrers: Das gesamte Fahrverhalten, inklusive Bremsmanövern, Fahrzeiten, Beschleunigungen usw. wird dabei aufgezeichnet und lässt sich lückenlos rückverfolgen. Sollen sie doch. Während Datenschützer längst Alarm schlagen, herrscht bei vielen Menschen noch immer die „Ich-habe-nichts-zuverbergen“-Mentalität. Dennoch ist Vorsicht angebracht: Nichts, was im Internet einmal gespeichert ist, lässt sich endgültig löschen. Dinge, die man von sich preisgibt, können einem selbst jedoch später unangenehm sein. Und: Wer unachtsam mit seiner Privatsphäre umgeht, wird schneller das Opfer von manipulativer Werbung oder Datenklau. l lInteressiert man sich für Online-Reisebuchungen, sollte man von verschiedenen Computern aus arbeiten. Bei vielen Anbietern arbeitet im Hintergrund ein Algorithmus, der den Preis für den potenziellen Bucher erhöht, wenn sich dieser das Angebot öfter ansieht. l Man sollte niemals auf SpamE-Mails antworten. Dadurch bestätigt man die Existenz der E-Mail-Adresse – was zu noch viel mehr Spam führt. l Viele Gewinnspiele zielen ausschließlich auf die Sammlung von Daten ab. lBei missbräuchlicher Verwendung Ihrer Kreditkarte haftet die Kreditkartenfirma. Greifen Dritte auf Ihr Konto zu, haben Sie Anspruch auf vollständige Rückbuchung – allerdings nur, wenn Sie nicht fahrlässig mit den Kreditkartendaten umgegangen sind. lRegelmäßig werden neue Analyseverfahren geprobt, die das Userverhalten im Internet erforschen – z. B. wohin geklickt wird und wie lange der Mauspfeil an einer bestimmten Stelle verharrt. Zuletzt machte Facebook mit einer entsprechenden Software auf sich aufmerksam; es sei aber nur eine „Testphase“, ließ das Unternehmen verlauten. fotos: istock/thinkstock Spionage-Infos M ot io n & E n t e rta in me n t Interview Dr. Karin Prutsch Rechtsanwältin aus Graz, www.prutsch-ra.at Was versteht man in Österreich unter Datenschutz? Jede Person hat einen Anspruch auf Geheimhaltung seiner Daten. Der Datenschutz ist eine Ausformung des Grundrechtes der Achtung des Privatlebens. Vom Datenschutz in Österreich sind sogenannte personenbezogene Daten umfasst. Darunter sind alle Angaben zu Personen zu verstehen, durch welche diese bestimmt oder bestimmbar sind. fotos: istock/thinkstock, geopho.com Dürfen Daten in Österreich weiterverkauft werden? Der Handel mit personenbezogenen Daten ist legal, solange der Nutzer entscheiden kann, wem er seine ausdrückliche Zustimmung zur Weitergabe von Daten gibt. Sobald der Nutzer jedoch nicht mehr weiß, was mit seinen Daten geschieht, und keine Informationen über die Datenverarbeitung erhält, kann er in die Datenverarbeitung nicht mehr einwilligen. Ein weiteres Problem stellen Daten dar, die auch nach Löschung eines Accounts noch bis zu 90 Tage als Sicherungskopie und Protokolldatei vorhanden sind bzw. überhaupt nicht gelöscht werden. Von einer wirksamen Zustimmung zur Verwendung der Daten kann hier nicht ausgegangen werden. Wie sieht es bei sozialen Netzwerken aus? Auch hier kann es zu von Usern unerwünschten Datenverarbeitungen kommen. Beispielsweise enthält Facebook bei der „Erklärung der Rechte und Pflichten“ einen Passus, der besagt, dass jeder Nutzer Facebook eine uneingeschränkte Erlaubnis zur Nutzung „jeglicher IP-Inhalte“ erteilt. Darunter können auch sogenannte sensible persönliche Daten fallen, die sich aus der Analyse der gespeisten Daten ergeben und verwendet werden können. Das bedeutet, dass Facebook berechtigt ist, jedem seiner Werbepartner, Kunden etc. Daten der Mitglieder zur Verfügung zu stellen. Dies geschieht grundsätzlich unter der Bedingung, dass die Daten so weit verändert oder mit Daten anderer User verknüpft werden, dass sie nicht mehr einer bestimmten Person zugeordnet werden können. Inwieweit diese Anonymisierung tatsächlich erfolgt, ist aber nicht wirklich nachvollziehbar. Welche Möglichkeiten gibt es, wenn man Opfer von Datendiebstahl geworden ist? Wer den Verdacht hat, dass mit seinen Daten nicht ordnungsgemäß verfahren wird, bzw. eine Rechtsverletzung des Datenschutzes behauptet, hat seit 1. Jänner 2014 die Möglichkeit, sich mit seinem Anliegen an die Datenschutzbehörde (DSB) zu wenden. Stellt die DSB ein rechtswidriges Verhalten eines Auftraggebers oder eines Dienstleisters fest, kann sie diesen unter Setzung einer Frist dazu auffordern, den missbräuchlichen Gebrauch der Daten zu unterlassen. Wenn dieser Aufforderung nicht fristgerecht entsprochen wird, hat die DSB die Möglichkeit, Strafanzeige gegen den jeweiligen Auftraggeber oder Dienstleister zu erstatten. Das österreichische Datenschutzgesetz (DSG) bietet Betroffenen auch die Möglichkeit, eine Beschwerde an die DSB zu richten, wenn eine Verletzung der Rechte auf Auskunft, Geheimhaltung, Richtigstellung oder Löschung von Daten vorliegt. Besteht in solchen Fällen auch Anspruch auf Schadensersatz? Das DSG enthält eine Haftung der Auftraggeber oder Dienstleister, sofern diese personenbezogene Daten schuldhaft entgegen der Bestimmungen des DSG verwendet haben. Vor diesem Hintergrund hat der Betroffene Anspruch auf Schadenersatz nach den Regeln des allgemeinen Zivilrechts. Dieser zivilrechtliche Anspruch besteht jedoch nur bei Verletzung der Rechte auf Geheimhaltung, Richtigstellung und Löschung. Weiters bestehen gegebenenfalls ein Unterlassungsanspruch sowie ein Beseitigungsanspruch, beispielsweise bei Veröffentlichung von personenbezogenen Daten, wenn hierzu keine Zustimmung erteilt wurde. Diese Ansprüche können im Klagsweg durchgesetzt werden. Voraussetzung für alle diese genannten Vorgehensweisen ist das Vorliegen eines Schadens bzw. eines beträchtlichen Nachteils für den betroffenen User. Hat man das Recht, seine Daten im Internet löschen zu lassen? Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Sache „Google“ besteht ein Löschungsanspruch eines jeden Einzelnen gegenüber „Datenverarbeitern“ bzw. Suchmaschinen. Personenbezogene Daten, unerwünschte Inhalte und Fotos müssen aufgrund dieser aktuellen Entscheidung vom EuGH in Zukunft unter Darlegung der Beweggründe aus dem World Wide Web gelöscht werden, sofern das überwiegende öffentliche Interesse in besonderen Fällen dieser Löschung nicht entgegensteht. m om ents 6/2014 77
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