Kulturbahnhof als Treff der Generationen

Rettungsaktion vor knapp zehn Jahren
Kulturbahnhof hat sich seither als vielgestaltiger Anziehungspunkt etabliert
Biesenthal (bg). Wo früher die
Bahnhofsgaststätte ihre Gäste bewirtete, liegen heute Matten auf
dem Dielenfußboden verteilt –
Vorbereitungen für den nächsten der viermal wöchentlich in
dem Raum stattfindenden Yogakurse. Nicht nur diese locken Besucher ins altehrwürdige Bahnhofsgebäude. Konzerte, artistische
Workshops für Kinder, seit Neuestem auch noch das Sonntagscafé in der sogenannten Galerie
– die Palette der singulären oder
regelmäßigen Veranstaltungen ist
groß. Und der Biesenthaler Kulturbahnhof nach knapp zehn Jahren, wenige Monate vor dem offiziellen Jubiläum im Herbst, weit
über die Grenzen des Ortes zum
Begriff geworden.
Elke Eckert blickt beim Gespräch
zufrieden in die Runde. Als Vertreterin des Vereinsvorstandes hat
sie auch allen Grund dazu: Was in
den Anfängen zunächst eine Art
Rettungsaktion war und in den
Folgejahren zeitweise zur Sanierungsmaßnahme wurde, ist nun
schon seit geraumer Zeit eine Er-
Kaffee und Kunst: Elke Eckert in dem Raum, der die kleine
Galerie und das Sonntagscafé beherbergt. Foto: Th. Berger
folgsgeschichte in Sachen Kulturinitiativen auf dem Lande und gemeinschaftlichen Engagements.
Architektonisch ist das Biesenthaler Bahnhofsgebäude gewissermaßen Stückwerk. Der sogenannte
Turm stammt von etwa 1850,
dann entstand vorgesetzt ein
weiterer Teil, schließlich wurde
die Verbindung zwischen beiden
auch noch überdacht. Eine Entwicklung, die Elke Eckert oder
Märkischer Markt
6. Mai 2015
andere nicht nur theoretisch darlegen, sondern beim Rundgang
ganz genau verdeutlichen können. Zum Beispiel mit der bewusst nicht neu verputzten Mauer
im ehemaligen Billardraum hinter der Theke. Eine kyrillische Inschrift ist da erhalten, zudem zeigt
die Schichtung der Ziegelsteine
sehr deutlich, wo sich einst der
Durchgang zur Wartehalle des
Bahnhofes befand.
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Kulturbahnhof als Treff der Generationen
Seit Verein vor knapp zehn Jahren das Gebäude in seine Regie übernahm, hat sich für Biesenthal und darüber hinaus viel entwickelt
Fortsetzung von Seite 1:
Manchmal finden sich zu besonderen Konzerten und anderen Veranstaltungen durchaus 70
Besucher ein. Dann wäre auch
der frühere Hauptraum der Gaststätte zu klein – mit dem neu
geschaffenen Durchgang zum
„Billardraum“, per Schiebetür abzutrennen, kann dann aber ein
Doppelzimmer mit mehr Platz
daraus werden.
Bauliche Vorhaben, Umgestaltungen und Renovierungsaktionen
gab es in dem Jahrzehnt immer
wieder. Stückweise arbeitet sich
der Verein voran, zuletzt fand
2013/14 eine großangelegte Sanierung statt, im Turm ist nun
noch ein gemütlicher Raum für
kleinere Runden oder zur Vermietung für Familienfeiern und
ähnliches entstanden. Praktischerweise mit der Küche gleich
nebenan.
In der vormaligen Wartehalle
wurde seinerzeit mit Fördermittel der Aktion Mensch eine kleine
Galerie geschaffen. Eine Ausstellung mit Bildern vom Grumsin
hängt dort momentan, und dies
ist auch der Raum, wo neuerdings das Sonntagscafé stattfindet, die jüngste Ergänzung
im Angebotsreigen. „Die Idee
schwebte auch uns schon länger vor“, räumt Elke Eckert ein.
Allerdings war eine Frau, die erst
unlängst dem Verein beigetreten
ist, die sich voller Energie an die
Umsetzung und dies sozusagen
zu „ihrem“ Projekt machte. Jetzt
gibt es also immer sonntags frischen Kaffee, ganz bewusst fair
gehandelt, leckere Kuchenofferten und die Gelegenheit zum Austausch in gemütlicher Runde.
Die Ausstellung an den Wänden gleich noch als besondere
Kulisse gratis dazu.
Zuwachs in der Gruppe der Aktivisten gibt es solcherart auch
nach fast zehn Jahren noch immer. Rund 20 Leute hatten sich
im November 2005 eingefunden,
als es darum ging, auf die Verkaufsofferte der Bahn für das
Gebäude zu reagieren – die Geburtsstunde des Vereins. Dieser
ist inzwischen auf aktuell um die
75 Mitglieder nahezu auf vierfache Größe angewachsen. Und es
sind keineswegs nur Leute, die
lediglich eher symbolisch ihren
Beitrag bezahlen. „Es gibt 20 bis
30, die man ständig ansprechen
kann, wenn irgendwelche Aufgaben anstehen“, bei Großaktionen wie dem Straßenmusikfest
– dieses Jahr nun auch schon
in zehnter Auflage stattfindend
– sind sogar 50 oder mehr im
Einsatz.
Diese traditionsreiche Veranstal-
alten Gepäckraum, in dem zum
Beispiel als Relikt aus früheren
Bahnhofszeiten noch die große
alte Waage steht. Gebraucht wird
die zusätzliche Kapazität aber,
denn in der Auslastung stößt
man jetzt bei manchen Anfragen schon an die Grenzen. Die
Yogakurse, ein über die Volkshochschule Barnim laufendes
Angebot, belegen mit einem
Mittwochabend und drei weiteren am Donnerstag schon immer den großen Raum.
Neu seit Januar läuft nun montags auch noch Zumba, BauchPeine-Po und Wirbelsäulengymnastik, der Kinder-Akrobatikkurs
über das Wukania-Team ist jeden ersten und dritten Mittwoch
im Haus. Und freitags reiht sich,
ebenfalls im Januar erst angelaufen, noch eine Einführung in Taiji
in diesen bunten Reigen ein, zu
dem ebenfalls die „Bunten Fäden“ gehören. Ein Angebot an
Interessierte jeden Alters, AnfänAnziehungspunkt über den Ort hinaus: Der Kulturbahnhof Biesenthal mit dem Lesestütz- ger und Fortgeschrittene gleicherpunkt Buchaltestelle davor.
Fotos: Thomas Berger maßen, sich in lockerer Runde in
Stricken, Nähen, Sticken, Spinnen und Filzen zu vertiefen. Und
im vormaligen Gepäckraum hat
seit vier Monaten das Repaircafé
der Lokalen Agenda sein Domizil gefunden – jeden zweiten und
vierten Sonnabend.
Die Vielzahl der anderen Vereine,
Bürgerinitiativen und sonstigen
Gruppen, die regelmäßig im Kulturbahnhof präsent sind oder zumindest einige ihrer Treffen hier
abhalten, freuen die Aktivisten
ebenso wie die zunehmende Resonanz nicht nur von Besuchern
aus Bernau oder Eberswalde,
sondern auch den Biesenthalern
selbst, die verstärkt zu Konzerten, Poetry Slam, Gesprächen
Die nächste Runde kann kommen: Alles ist vorbereitet für Relikt: Im früheren Gepäck- und Kursen kommen. Der Kultureinen der vier Yogakurse, die wöchentlich stattfinden.
raum steht noch die Waage. bahnhof ist lebendiges Zentrum
– und vielfältiger Begegnungsort.
tung, berichtet Elke Eckert, ent- Kita Knirpsenland hier einen Vor- Altlasten, schließlich müsse die So kommen beispielsweise zum
stammt im Grundkonzept der mittag mit Puppentheater erlebt“, Kredite von der Sanierung abbe- Folktanz die Frauen, die mittdamals ersten Brainstorming- wie Elke Eckert berichtet.
zahlt werden.
wochs „ihren“ Tanzkurs haben,
Runde, wo Ideen zusammen- Dass alles ein großer Kraftakt ist, Neue Fassade, neue Fenster, ebenso wie neugierige Stunden
getragen wurden. Ansonsten hat weil die Organisation im Grunde Dämmungen und moderner der HNE Eberswalde, führt Elke
der Verein mit dem Wachsen des komplett ehrenamtlich erfolgt, Heizungseinbau als große Eck- Eckert als eins der aktuellsten
Gesamtkonzeptes Kulturbahn- räumt das Vorstandsmitglied frei- punkte – all das war schließlich Beispiele an.
Thomas Berger
hof immer seinen selbstgesteck- mütig ein. Zwar gibt es die so- nicht mit ein paar Tausendern
*
ten Anspruch aufrecht erhalten, genannten Bufdis, Unterstützer zu stemmen. Fast eine Viertel- Nächste Veranstaltungen: KonVielfalt und Qualität gleicherma- über den Bundesfreiwilligen- million Euro kam vorrangig über zert mit Tango Transsib, einer
ßen sicherzustellen. Ein breites dienst, die gezielt einige Auf- den Europäischen Sozialfonds, Band aus Frankfurt am Main
Spektrum, auch musikalisch bei gaben übertragen bekommen die Kommune sprang dankens- (Akkordeon, Kontrabass, Schlagden Konzerten in unterschiedli- können. Aber um eine feste Per- werter Weise für den Betrag ein, zeug) am 29. Mai um 20 Uhr, am
che Richtungen gehend, Ange- sonalstelle einzurichten, selbst den das Land dann kurzfristig 28. Juni von 14 bis 17 Uhr labote für alle Altersgruppen schaf- wenn es in Stundenumfang und doch nicht beisteuern konnte. den Wukania und Lokale Agenda
fend. Zur Ökofilmtour kürzlich Bezahlung nur eine halbe wäre, Trotzdem blieb für den Verein bereits zum 7. Verschenkemarkt
waren Gruppen der Biesenthaler ist derzeit noch nicht das Geld da. immer noch ein sehr prägnan- ein. Poetry Slam gab es gerade
Grundschule und der evangeli- Die Stadt gibt zwar Zuschüsse für ter Eigenanteil übrig.
diesen Sonnabend – den nächsschen Grundschule aus Bernau die wichtige Arbeit des Kultur- Ein weiterer Raum, bisher vor- ten kann man sich schon unter
zu Gast, auch sonst werden be- bahnhofs, die brauchen sich mit rangig Lager und Abstellfläche, dem 4 Juli vormerken. Komplette
reits Schulen und Kindergärten den laufenden Kosten aber auch ist unlängst ebenfalls für Tref- Übersicht einschließlich Kurse
mit einigen Offerten gezielt an- schnell wieder auf. Und den Ver- fen und anderes nutzbar gemacht und Kontaktdaten unter www.
gesprochen. „Erst neulich hat die ein drücken ansonsten noch die worden. Es handelt sich um den kulturbahnhof-biesenthal.de