FDI Journal, 1-2015

IHR NETZWERK FÜR KOMPETENZ
Alltagserleichterung durch Softskills
Mediation als Führungsinstrumentarium
Nachdem die »Mediation« seit Jahren an Bedeutung zunimmt und
seit Sommer 2012 durch das Mediationsgesetz auch gesetzlich
geregelt ist, stellt sich die Frage,
welcher Bedeutung die Mediation
im unternehmerischen Alltag zukommt. Dieser Frage wollen wir in
dem nachfolgend wiedergegebenen Gespräch nachgehen.
schen Anwendung als Führungsinstrument offen sind.
Mediation ist eine Form der außergerichtlichen Streitbeilegung. Unter Vermittlung eines Mediators als neutralem Gesprächspartner wird durch eine
eigenverantwortliche und selbstbestimmte Lösungsfindung der Konflikt
geklärt. Ziel ist eine einvernehmliche
und interessengerechte Lösung unter
Einbeziehung auch nicht juristischer
Belange – wie wirtschaftliche, emotionale und psychische Aspekte.
Die Mediation weist gegenüber gerichtlichen Verfahren sowie Schiedsverfahren entscheidende Vorteile auf:
1. selbstbestimmte Verfahrensdurchführung,
2. schnelle und kostengünstige Lösungsfindung,
3. kein Nachaußendringen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen,
4. individuelle Lösung unter Berücksichtigung von außerjuristischen
Belangen,
5. kein »Unterliegen« einer Partei, da
die Lösung den Interessen beider
Parteien gerecht wird, und
6. Ermöglichung einer guten Zusammenarbeit der Parteien nach Streitbeilegung, da keine Seite ihr »Gesicht verliert«.
In der anschließenden Diskussion soll
herausgearbeitet werden, inwieweit die
Mediation im Betriebsalltag angewandt
wird und wo noch Fragen zur prakti-
Dr. Paul Albert
Deimel
Hauptgeschäftsführer Bundesverband Druck und
Medien e.V. (bvdm)
und
Ulrich Heinemann
1. Bundesvorsitzender des Fachverbandes Führungskräfte
der Druckindustrie
und Informationsverarbeitung e.V.
(FDI).
Unternehmensführung | Mediation
Zur Diskussion begrüßen wir
Dr.Anke Reich LL.M.
Rechtsanwältin,
Fachanwältin für
gewerblichen
Rechtsschutz,
Mediatorin
Herr Heinemann an Frau Dr. Reich
Herzlich willkommen. Meine erste Frage:
Welche Erfahrungen haben Sie mit
der Mediation gemacht und wie stehen Sie persönlich zur Mediation?
Frau Dr. Reich: Mediation ist eine gute
Möglichkeit, bei Streitigkeiten oder
sonstigen Konflikten eine interessengerechte Lösung zu finden. Da der
Begriff der »Mediation« in den letzten
Jahren auch zunehmend in den Medien präsent war und die Ausbildung in
vielen Studienrichtungen einen Überblick über die Mediation gibt, ist die
Mediation vielen Führungspersonen
und Mitarbeitern von Unternehmen
nicht fremd. Sie haben zwar oft noch
nicht selbst diese Form der Lösungs-
findung praktiziert, aber kennen jemanden, der gute Erfahrung damit
gemacht hat. In meiner juristischen
Beratung und der Vertretung bei
Rechtsstreitigkeiten hat es sich deshalb schon oft als positiv erwiesen,
auf die Mediation oder jedenfalls mediative Methoden zurückzugreifen. Ich
stehe dieser Form der außergerichtlichen Streitbeilegung deshalb offen
und positiv gegenüber. Sie bietet sich
nicht nur vor dem Gang zum Gericht
an, sondern kann sich auch bei einem
laufenden gerichtlichen Verfahren als
schnelles und zielführendes Mittel der
Lösungsfindung erweisen.
Es hat sich schon oft als positiv
erwiesen, auf die Mediation oder
jedenfalls mediative Methoden
zurückzugreifen.
Herr Heinemann: Ich persönlich – und
ich behaupte mal alle Führungskräfte
– bevorzugen Konfliktlösungen wie
durch Mediation, die auf beiderseitiger Einsicht beruhen.
Herr Dr. Deimel: Konflikte gibt es in allen
Unternehmen, ebenso mit Kunden, Lieferanten und Geschäftspartnern. Insbesondere Streitigkeiten zwischen Unternehmen, die in Gerichtsverfahren
münden, verursachen oft hohe Kosten
und können Geschäftsbeziehungen
nachhaltig beschädigen. Eine Mediation
kann hier ein Mittel sein, das eine Fortsetzung der Zusammenarbeit ermöglicht. Dennoch sind nicht alle Konflikte
für eine Mediation geeignet. Es gibt
Konstellationen, in denen nur eine richterliche Entscheidung Rechtssicherheit schaffen kann. Ferner kann es sein,
dass die Fronten so verhärtet sind,
dass eine einvernehmliche Lösung
nicht mehr möglich ist.
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Frau Dr. Reich an Herrn Heinemann
Wie steht der FDI als Verband der
Führungskräfte der Druckindustrie
und Informationsverarbeitung zum
Thema Mediation?
Herr Heinemann: Der FDI hat schon
vor etlichen Jahren beschlossen, bei
internen Streitigkeiten zwischen Bezirken und Einzelpersonen zunächst eine
Lösung durch Mediation zu suchen,
bevor sich das FDI-interne Aufsichts-
gremien als formales Organ damit befassen kann.
Das Verständnis für das Problem ist
also vorhanden, doch inwieweit Führungskräfte es in den Betrieben tatsächlich anwenden, lässt sich nicht
quantifizieren.
Herr Heinemann an Herrn Dr. Deimel
Welche Erfahrungen haben Sie als
Verband mit der Mediation gemacht?
Herr Dr. Deimel: Das Interesse an Verfahren der gütlichen Streitbeilegung
ist in den letzten Jahren gewachsen.
Positive Erfahrungen wurden in einigen
Betrieben beispielsweise schon durch
die Einbeziehung eines Landesschlich-
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ters gemacht. In anderen Betrieben
wird die Mediation noch mit etwas
Skepsis und Zurückhaltung betrachtet.
Die Modelle der gerichtsinternen Mediation bei den Arbeitsgerichten stecken noch in den Kinderschuhen. Hier
wird es noch Zeit brauchen, um beurteilen zu können, ob sich dieses Verfahren als echte Alternative zum Gerichtsprozess etabliert.
Das Interesse an
Verfahren der gütlichen
Streitbeilegung ist in
den letzten Jahren
gewachsen.
Herr Heinemann an Frau
Dr. Reich
Mich würde interessieren, welche Gebiete im
betrieblichen Zusammenleben sich methodisch nicht durch Mediation lösen lassen. Ich
denke dabei an eine Mediation zwischen Kollegen unterschiedlicher
Hierarchieebenen.
Frau Dr. Reich: Mediation kann grundsätzlich bei jedem Konflikt angewandt
werden. Sicherlich gibt es Streitigkeiten oder Unstimmigkeiten, die sich besser und andere, die sich schlechter dafür eignen. In dem von Ihnen gewählten Beispiel eines Konflikts zwischen
Personen unterschiedlicher Hierarchien kann sich die Mediation aber gerade dann anbieten, wenn in erster Linie
persönliche Aspekte im Vordergrund
stehen. Denn oftmals wird die hierarchisch niedriger stehende Person erst
durch die Hinzufügung und Leitung
durch einen Dritten bereit sein, sich
zu öffnen und die eigentlichen Beweg-
gründe für ihr Handeln offen zu legen.
Allein damit ist oft schon viel erreicht.
Allgemein kommt es aus meiner Sicht
ganz entscheidend auf die sich gegenüberstehenden Personen an.
Von der Bereitschaft,
sich unter der Führung des Mediators
bzw. der Mediatorin »leiten« zu lassen und die für beide Seiten besten
Lösung erarbeiten zu wollen,
wird letztlich der Erfolg oder
Nichterfolg abhängen.
Herr Heinemann: Wie bei allen guten
Verfahren darf man nicht davon ausgehen, dass Mediation ein Allheilmittel
sei. Wenn nicht auf beiden Seiten der
gute Wille da ist, sich auf Mediation einzulassen, dann funktioniert das nicht.
Wenn ich in der Mediation einen eigenen Fehler erkenne, dann habe ich die
schwere Aufgabe, dies zuzugeben – und
mein Gegner darf nicht triumphieren.
Das ist auch der Grund, warum die
Schlichter so beliebt sind: Man gibt
nicht nach, sondern eine dritte, »kluge
und neutrale« Person schlägt die Lösung vor.
Hier sehe ich wieder die Qualität des
Mediators bzw. der Mediatorin, der
verhindern muss, dass der Erkenntnisprozess mit Frust endet.
Herr Dr. Deimel: Eine Mediation zwischen Kollegen gleicher Hierarchieebenen ist sicherlich oftmals einfacher umzusetzen. Vorgesetztenfunktionen können unter Umständen einer ehrlichen
Auseinandersetzung im Wege stehen.
Wenn aber eine der Parteien nicht in
der Lage ist, offen bestehende Probleme anzusprechen, wird die Mediation
nicht erfolgreich sein. Gleichzeitig ist
auch stets zu bedenken, dass die Parteien auch nach einer gegebenenfalls
Unternehmensführung | Mediation
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nicht erfolgreichen Mediation noch
weiter zusammenarbeiten müssen. In
diesem Fall kann die für eine Mediation
erforderliche Ehrlichkeit natürlich auch
riskant sein. Letztlich sind die Erfolgsaussichten realistisch einzuschätzen:
Auch eine Mediation kann nicht verhindern, dass einige Konflikte letztlich
nur durch eine Trennung der Konfliktparteien zu lösen sind.
Herr Heinemann an Frau Dr. Reich
Ich versetze mich in die Lage eines Inhabers einer mittelständischen Druckerei, von denen unsere Branche geprägt
ist. Da habe ich (die anderen Beteiligten auch) also zugestimmt, das meine
zwei streitigen Abteilungsleiter mittels
einer Mediation ihre Problem lösen
wollen.
Meine erste Frage wäre: Wie lange
dauert das? Treffen die sich jetzt
jede Woche zum Kaffee und »mediatieren« für 2 Stunden?
Dabei stehen für mich nicht so sehr
die Kosten der Mediation im Vordergrund, sondern die Abwesenheit der
Abteilungsleiter vom Arbeitsplatz.
Ein Mediationsverfahren kann ganz
unterschiedlich lange dauern.
Dies hängt insbesondere davon ab,
wie viele Personen involviert sind
und wie weit der Konflikt schon
eskaliert ist.
Gestört werden dürfen sie auch während der Mediation nicht, aber das
funktioniert in einer Druckerei nie, da
ist immer etwas los. Also die Frage, wo
führt man zweckmäßigerweise die
Mediation durch und wann? Gibt es
da Erfahrungswerte?
Frau Dr. Reich: Lieber Herr Heinemann,
das sind gleich eine ganze Fülle von
Unternehmensführung | Mediation
Fragen. Und ja, Sie
haben vollkommen
Recht, die Mediation muss sich in
den Unternehmensalltag einpassen.
Es gibt die Möglichkeit einer sog. KurzZeit-Mediation, bei der der Konflikt
in nur einer einzigen Sitzung gelöst
werden soll. Diese Sitzung kann von
wenigen Stunden bis zu einem ganzen
Tag dauern. Meistens sind aber mehrere
Sitzungen erforderlich.
Sicherlich ist es in dem von Ihnen angesprochenen Konflikt zwischen Abteilungsleitern ratsam, sich außerhalb
des Büros zu treffen. Denn ein »neutraler« Raum dient schon mit seiner für
beide Seiten neuen Atmosphäre der
Bereitschaft, alte Positionen aufzubrechen. Ein guter Kaffee kann dabei sicher helfen. Auf diese Weise entfällt
nicht nur der Druck von den anderen
Arbeitskollegen, sondern auch Störungen aus dem Arbeitsalltag können vermieden werden.
Am besten sollte die Mediation
so früh wie möglich durchgeführt
werden. Dies verhindert, dass sich
erst feste oder gar verhärtete
Positionen bilden.
Da Sie die Kosten eines Mediationsverfahrens ansprechen, möchte ich das gerne auch kurz aufgreifen. Üblicherweise
wird das Honorar für den Mediator
nach Zeitaufwand abgerechnet. Der
Stundensatz sollte vorher vereinbart
werden. Gegebenenfalls kann man
auch schon vorab ein gewisses Zeitfenster abstimmen.
Herr Heinemann: Unsere Kollegen als
Führungskräfte stehen natürlich im-
Versöhnliche Einigung
mer vor der Frage: Wie kann ich in
meinem Betrieb die Mediation einführen? Wer hilft mir beim Erläutern, wer erklärt den Sinn der Mediation? Wo finde ich einen guten
Mediator?
Frau Dr. Reich: Die Mediation kann dadurch in den Unternehmensalltag integriert werden, dass in Unternehmensrichtlinien die Durchführung einer Mediation in bestimmten Fällen festgeschrieben wird. Auch ohne verbindliche Festlegung kann dies als tägliche
Unternehmenspraxis gelebt werden –
am besten mit Vorbildfunktion durch
die Führungsebene.
Was die Mediation darstellt, wie sie
funktioniert und welche Vorteile sie hat,
kann jeder Mediator, aber oft auch
Rechtsanwälte oder Richter erklären.
Gerade letztere werden sogar durch
Vorschriften dazu angehalten. Besser
ist natürlich, dass es gar nicht erst zu
einem Gerichtsverfahren kommt, in
dem der Richter einen Mediationsversuch anregt.
Es gibt verschiedene Mediationsverbände, an die man sich wenden kann.
Teils wird auch im Internet eine Suchmöglichkeit eröffnet – beispielsweise
unter
http://www.bmev.de/index.php?id=
mediatorin_suchen oder auch
http://www.mediator-finden.de/.
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