Umschlag 03_2015.indd - IHK Bonn/Rhein-Sieg

TITELTHEMA
Prüfung
Restaurantfachleute
und Fachkraft
im Gastgewerbe
Es sieht aus wie ein Candle-Light-Dinner.
Doch der Schein trügt. Die Damen und Herren, die paarweise an den festlich eingedeckten Tischen sitzen, sind Prüfende und
Mitarbeiter der IHK Bonn/Rhein-Sieg. Fünf
angehende Restaurantfachleute und eine
Fachkraft im Gastgewerbe sind zu diesem
Prüfungstermin erschienen. Ein Protokoll.
Mit dem Tisch, den Candan Öztürk eindeckt, werden die Prüfer sehr zufrieden sein.
Das Geheimnis der Jakobsmuschel
11:27 Uhr - „Was wollen Sie denn jetzt schon
mit der Wärmeplatte? Der Fisch ist doch noch gar
nicht in der Pfanne. Der schwimmt noch im Wasser.“
Mit lauter Stimme ruft Michael Schürmann, Vorsitzender des Prüfungsausschusses, den Auszubildenden
zur Ordnung. Der guckt verwirrt, versteht dann aber,
was gemeint ist. Ruhig räumt er die Wärmeplatte zurück in ihren Ständer.
Der Tag der praktischen Prüfung hat es in sich. Seit
8:00 Uhr zeigen die Prüflinge im Katholischen Sozialen
Institut in Bad Honnef (KSI), was sie in ihrer zwei- bzw.
dreijährigen Ausbildungszeit gelernt haben. Alle tragen schwarze Kleidung, erlaubt ist höchstens ein weißes Hemd. An der Brust klebt jeweils eine Nummer, die
sich auf den Prüfungsbögen wiederfindet.
Zunächst hatten die Prüflinge die Aufgabe, ein
5-Gänge-Menü zu planen (s. Reportage Seite 19).
Jetzt wird es Zeit, die Tische im Europa-Forum des KSI
einzudecken. Für ein Menü mit einer Lachsterrine als
Vorspeise, einem Seezungenfilet als Hauptspeise und
einem Savarin mit Ananas zum Dessert. Denn am Gast
sollen die jungen Leute zeigen, dass sie servieren, filettieren und flambieren können. Michael Schürmann
erinnert: „Sie befinden sich in Ihrem Restaurant. Um
12:30 Uhr kommen die Gäste.“
11:48 Uhr - Candan Öztürk breitet einen roten Tischläufer über die Tafel, die sie für vier Personen deckt. Makellose Tischdecke, gefaltete Servietten, glänzende Gläser und funkelndes Besteck – die
Liebe zum Tisch ist der 27-Jährigen anzusehen. Sie
hat sich extern auf ihre Prüfung zur Fachkraft im
Gastgewerbe vorbereitet. Eine Berufsschule hat sie
nie besucht. Ihre Noten der schriftlichen Prüfung
waren bescheiden. Dafür glänzt sie mit Berufserfahrung. Jetzt gibt sie alles.
Wir sind eine anerkannte Werkstatt für Menschen mit Behinderungen und Partner für Industrie,
Handel und Handwerk an vier Standorten.
Für die Auftragsabwicklung stehen über 1.100 Mitarbeiter/-innen mit unterschiedlichsten
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SOZIAL
KOMPETENT
LEISTUNGSSTARK
TITELTHEMA
Michael Schürmann lässt seinen prüfenden Blick über
ihre Tafel schweifen. „Wie servieren Sie denn die
Jakobs­
muschel, braucht man dazu Besteck?“ „Also
eigent­lich nicht“, sagt Candan Öztürk. Doch dann erläutert sie in klaren Worten, dass die Gäste die weiche
Jakobsmuschel in ihrer Suppe zwar mit dem Löffel zerteilen könnten. Doch 80 Prozent der Gäste nutzten
dazu ein Messer. Deshalb hat sie Messer eingedeckt.
„Gut“, sagt Schürmann kurz und knapp. Genau diese
Antwort wollte er hören.
13:23 Uhr -
Das Menü nähert sich seinem
Höhepunkt. Die Seezunge wird serviert – noch hat
sie Haut und Gräten. Es ist eine Herausforderung,
die Seezunge vor den Augen der Gäste zu filettieren.
Die Prüflinge schwitzen an ihren Serviertischen, auf
denen nun endlich die Wärmeplatten ins Spiel kom-
12:14 Uhr -
Die angehenden Restaurantfachleute werden
vor den Gastraum des KSI gebeten.
Sie erhalten ein kurzes Briefing:
„Kaffee wird nicht serviert. Digestifs auch nicht.“
Ebenfalls vor dem Gastraum
tritt Michael Schürmann auf Candan Öztürk zu. Schon an seiner
Miene sieht sie, dass sie die Prüfung bestanden hat. Und bricht
in Jubelschreie aus. Für sie ist der
Prüfungstag beendet. Für die anderen geht es erst richtig los. Die
Gäste haben Platz genommen.
Der erste Gratulant:
Andreas
Schürmann, Leiter
des Prüfungsausschusses, freut sich
mit Candan Öztürk über die bestandene Prüfung.
12:36 Uhr -
„Haben Sie Fischbesteck? Ja?
Glück gehabt.“ Einer der Prüfer geht durch die Reihen und begutachtet die eingedeckten Tische. „Ich
darf Ihnen schon einmal etwas bringen gegen den
großen Hunger. Ein bisschen Brot und Kräuterbutter“, heißt es an dem Tisch, der von der Auszubildenden mit der Nummer 4 bedient wird. Sie hat vergessen, die Kerzen anzuzünden. Zu spät – die Prüfer
haben es schon registriert.
Die Seezunge am Tisch unter den Augen der Gäste zu
filettieren, ist für die Prüflinge eine Herausforderung.
men dürfen. Darauf warten jeweils zwei Teller, damit
Salzkartoffeln, Spinat und Seezungefilet appetitlich
angerichtet werden können. Wohl dem, der das Filettieren schon einmal vor dem Gast geübt hat. Oder zumindest zuhause am Küchentisch. Offenbar hat nicht
jeder Betrieb daran gedacht, seinen Auszubildenden
auf diesen Teil der Prüfung vorzubereiten. „Bei uns im
Restaurant wird nur tranchiert. Das wäre mir entgegen gekommen“, gesteht eine Auszubildende.
13:57 Uhr -
Das Dessert trifft ein. Eine der
leichtesten Übungen. Den Gästen schmeckt es.
12:51 Uhr -
Die Vorspeise trifft ein, zubereitet von den Köchen des KSI, die für diesen Tag zur
Verfügung stehen. Nummer 1 reicht den Teller von
der linken Seite. Das
hätte nicht passieren dürfen. Serviert
wird immer von
rechts.
Die Prüflinge
sehen nach ihren
Gästen. „Schmeckt
es Ihnen?“, „Darf es
noch etwas Wein
sein?“
Tischdekoration:
Wer vergisst, die
Kerzen anzuzünden,
erhält Minuspunkte.
18
Die Wirtschaft März 2015
„Als Dessert gibt es ein Savarin mit Ananas.“
Jede Speise will erläutert werden.
14:17 Uhr -
Die Prüfer ziehen sich zur Beratung
zurück. Während die Prüflinge die Tische abräumen,
werden die Punkte für insgesamt sechs Arbeitsproben
am Laptop addiert und die Ergebnisse besprochen. Gespannte Ruhe, als auch das letzte Besteckteil in der Küche verschwunden ist. Und dann heißt es: „Herzlichen
Glückwunsch!“ Fünf junge Restaurantfachleute fallen
sich vor Freude in die Arme. Es ist geschafft!
Ursula Katthöfer, freie Journalistin, Bonn
TITELTHEMA
Ein Verkaufsgespräch während
der praktischen Prüfung
Hochzeitstorte oder DJ?
„Ratatouille? Ich wusste, dass diese
Frage kommt“, flüstert Sarah Schmitz.
„Jetzt habe ich ein Blackout.“ Die
21-jährige hält die Luft an. Sie hat
ihre praktische Abschlussprüfung zur
Restaurantfachfrau und nun fällt ihr
dieser blöde Gemüseeintopf nicht ein.
„Denken Sie noch einmal nach, Sarah“, ermuntert Katja
Türk, Prüferin und Lehrerin am Robert-Wetzlar-Berufskolleg. „Es gibt sogar einen Film mit dem Titel“, sagt Andreas Langner, Leiter des Restaurants Oliveto im Hotel
Königshof und ebenfalls Prüfer. Sarahs Gesichtszüge
entspannen sich: „Das ist ein Gericht aus fünf Gemüsen“, erklärt sie. „Richtig, und welche Gemüse sind das?“
„Tomate, Aubergine, Zucchini...“ Damit darf es gut sein.
Anspruchsvolle Brautleute
Sarah Schmitz hat im Prüfungsgespräch ihre Stärken ausgespielt
Sarah führt ein Verkaufsgespräch. Das ist Teil ihrer eintägigen praktischen Abschlussprüfung, die im Katholischen Sozialen Institut in Bad Honnef stattfindet. Sie
hatte die Aufgabe, für eine Hochzeitsgesellschaft mit
40 Personen ein 5-Gänge-Menü zu planen und weitere Zusatzverkäufe anzubieten. Zwei Stunden waren
Zeit, um sich das zu überlegen. Nun ist das Prüfungsgespräch in vollem Gange.
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TITELTHEMA
banal. Immerhin ist es meine Hochzeit!“ Oder: „HonigDie beiden Prüfer mimen das Brautpaar, das am 24. Juni
Senf-Dressing? Das mag ich nicht.“ Oder: „3,50 Euro für
2015 Hochzeit feiern möchte. Schon das ausgewählein Glas Wein von 0,1 Litern? Da
te Datum ist ein Stolperstein, den
trinken wir lieber Bier.“
Sarah gekonnt umgeht: Genau an
Das IHK Prüfungszeugnis
Sarah pariert die Ansprüche
diesem 24. Juni ist die Spargelzeit
des
Bräutigams
einen nach dem
vorbei. Die junge Frau sollte auf
Noch heute ist der Begriff „Facharanderen.
Ihre
Stärke
spielt sie bei
keinen Fall frischen Spargel einbeiterbrief“ oder „Kaufmannsgehilden
Zusatzangeboten
aus. „Wie
planen. Das tut sie auch nicht.
fenbrief“ in aller Munde. Allerdings
viele
Kinder
kommen
denn?
Sollen
Stattdessen bietet sie zum
erhalten die Prüfungsteilnehmer
wir
Chicken
Nuggets
anbieten?“
Empfang einen Prosecco an, dazu
heutzutage nach erfolgreichem Ab„Sehr gute Idee“, lobt das BrautFlammkuchen.
„Flammkuchen,
schluss das sogenannte IHK-Prüpaar. „Möchten Sie, dass wir einen
was ist das noch?“, fragt Andfungszeugnis. Dieses entspricht
DJ für Sie buchen? Oder eine Livereas Langner. „Das ist ein Rogeinem bundeseinheitlichen Layout
Band?“ „Was würde das denn kosgenteig, mit Schmand bestriund macht die Marke IHK-Prüfung
ten?“, fragt die Braut, die bei dem
chen und Speck gebacken. Gibt
für die Unternehmen einfach und
angehenden Ehepaar für die Fies auch vegetarisch.“ Das stellt
deutlich erkennbar. Die Absolvennanzen zuständig zu sein scheint.
den Bräutigam nicht zufrieden:
ten erhalten darüber hinaus als beMan einigt sich darauf, dass ein DJ
„Haben Sie auch was anderes?“
sonderen Service von der IHK Bonn/
reicht, die Live-Band sprenge den
Eine Frage, auf die die angehenRhein-Sieg weitere fünf Seiten mit
Kostenrahmen. Statt dessen gede Restaurantfachfrau gut voreiner Zeugniserläuterung sowie
lingt es Sarah noch, eine Hochbereitet ist, gleich bietet sie eine
einer englischen und französischen
zeitstorte, einen MitternachtsAlternative an: „Wir hätten auch
Übersetzungshilfe. Damit haben es
snack und zehn Doppelzimmer für
Tomate-Mozzarella-Spießchen.“
die Absolventen einfacher sich im
die Hochzeitsgäste zu verkaufen.
Das kommt zur Junizeit besser an.
Ausland zu bewerben und ihren AbZum Abschluss des Ge„Sehr gut, etwas Erfrischendes.
schluss zu erläutern. Denn das IHKsprächs
sagt sie ihren Kunden zu,
Das nehmen wir.“
Zeugnis steht für Qualität, Praxisnädas
Angebot
sofort fertig zu mahe und ist bundesweit vergleichbar.
chen und bittet darum, es in den
Gut gemacht!
kommenden Tagen unterschrieben
zurückzusenden.
Die Prüfer alias Brautpaar nicken
Andreas Langner hat den Part übernommen, immer
zufrieden.
„Ja,
das
haben
Sie ‚gut‘ gemacht.“
wieder nachzufragen: „Salzkartoffeln? Das ist mir zu
Unschlagbar: Bundesbeste
kommt aus Bonn/Rhein-Sieg
Ausbildung ist erst der Anfang:
100 Punkte – mehr geht nicht. Lisa Weltner aus St. Katharinen hat das geschafft. Sie hat ihre Ausbildung zur Verkäuferin bei der ALDI GmbH & Co. KG in Sankt Augustin mit der
Idealpunktzahl 100 abgeschlossen. Damit ist sie Bundesbeste des Prüfungsjahrgangs 2014. Bei der Bundesbestenehrung
in Berlin brachte DIHK-Präsident Eric Schweitzer es auf den
Punkt: „Unschlagbar.“
Jedes Prüfungsjahr endet mit den Bestenehrungen auf
Bundes-, Landes- und Kammerbezirksebene. Im vergangenen Dezember wurden in Bonn/Rhein-Sieg 46 der insgesamt
3.026 Auszubildenden, die ihre Prüfung abgelegt hatten, geehrt. Bei einer Feier in der Stadthalle Bad Godesberg erhielten
sie ihre Urkunden. IHK-Vizepräsident Alfons Am ZehnhoffSöns ermutigte die jungen Talente: „Sie sind die SpitzenAzubis 2014. Sie sind aber auch die Fachkräfte von morgen:
Hören Sie nicht auf, studieren Sie, machen Sie Ihren Fachwirt oder Meister! Bilden Sie sich weiter!“
Die Abschlussprüfung zum Ende der Ausbildung ist für viele Arbeitnehmer erst der
Anfang ihrer Karriere mit Lehre. Unser Berufsbildungssystem ermöglicht viele Aufstiegsfortbildungen. Sie münden in IHKAbschlüsse, die gemäß des Deutschen
Qualifizierungsrahmens (DQR) gleichwertig mit den Hochschulabschlüssen sind.
So entspricht der Abschluss als Fachkaufmann/frau oder Industriemeister dem Bachelor-Niveau. Geprüfte Betriebswirte und
Geprüfte Technische Betriebswirte haben
das Master-Niveau erreicht.
Um die Fortbildungsprüfungen zu organisieren, beschäftigt die IHK Bonn/
Rhein-Sieg vier hauptamtliche Personen,
die 3,5 Stellen inne haben. Hinzu kommen
allein 615 Prüfer in 46 Prüfungsausschüssen. Sie sind ehrenamtlich tätig.
Lisa Weltner schloss ihre Ausbildung mit der
Traumpunktzahl 100 ab und wurde Bundesbeste
20
Die Wirtschaft März 2015
Aufstiegsfortbildung