Verfahren Nr. O4V 13 30 - Appenzell Ausserrhoden

Obergericht Appenzell Ausserrhoden
4. Abteilung
Urteil vom 26. November 2014
Mitwirkende
Obergerichtsvizepräsident W. Kobler
Oberrichter M. Engler, E. Graf, R. Aebischer, P. Louis
Obergerichtsschreiber T. Bienz
Verfahren Nr.
O4V 13 30
Sitzungsort
Heiden
Beschwerdeführerin
A___
vertreten durch: RA AA___
Vorinstanz
Departement Bau und Umwelt, Kasernenstrasse 17A,
9102 Herisau
Baubewilligungskommission B___
Beschwerdegegner
C1___ und C2___
vertreten durch: RA CC___
Gegenstand
Neubau Einfamilienhaus auf Grundstück Nr. 111, D___, B___
Rechtsbegehren
a)
der Beschwerdeführerin:
1.
Der Rekursentscheid des Departementes Bau und Umwelt vom 3. Juni 2013 sei aufzuheben.
2.
Die Baubewilligung der Baubewilligungskommission B___ vom 20. September 2012 für
den Neubau eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück Nr. 111 sei aufzuheben.
3.
Unter Kosten- und Entschädigungsfolge.
b) der Vorinstanz:
Die Beschwerde sei vollumfänglich abzuweisen.
c)
der Beschwerdegegner:
1. Es sei die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
2. Unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
Sachverhalt
A. Mit Baugesuch vom 13. Juli 2012 ersuchten C1___ und C2___ um Bewilligung für den
Neubau eines Einfamilienhauses nach, welches auf ihrer Parzelle Nr. 111, D___, B___,
errichtet werden soll. Die Parzelle liegt gemäss Zonenplan in der zweigeschossigen WohnGewerbezone WG2 und im Geltungsbereich (Baubereich A) des Quartierplanes D___ Nord
(vom 18. November 2009, fortan QP D___), welcher insbesondere auch die Erschliessung
des Plangebietes regelt. Gegen dieses Bauvorhaben liess A___ Eigentümerin der ebenfalls
im Geltungsbereich des Quartierplanes liegenden Parzelle Nr. 222 Einsprache erheben und
im Wesentlichen geltend machen, das Baugrundstück sei nicht hinreichend erschlossen,
weil der zur bestehenden Erschliessungsstrasse erforderliche Wendeplatz für Lastwagen
nicht auf Grundstück Nr. 333, sondern auf der gegenüberliegenden Strassenseite (auf
Parz. 111) erstellt worden sei. An diesem Standort könne dieser nicht nachträglich bewilligt
werden, namentlich weil dies nicht mit dem Quartierplan zu vereinbaren sei. Mit Bau- und
Einspracheentscheid vom 20.9.2012 bewilligte die Baubewilligungskommission B___
(fortan BBK) den Neubau des Einfamilienhauses und wies die Einsprache von A___ ab,
soweit darauf eingetreten wurde. Das Nichteintreten betraf die Rüge, der auf Parz. 111
erstellte Wendeplatz sei nicht bewilligungsfähig; diesbezüglich hielt die BBK fest, es sei
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dann noch in einem korrekten Verfahren separat zu prüfen, ob dieser nachträglich bewilligt
werden könne.
B. Gegen diesen Entscheid liess A___ beim Departement Bau und Umwelt (fortan DBU)
Rekurs erheben, mit den Anträgen, die Baubewilligung sei aufzuheben; das Rekursverfahren sei zu sistieren, bis über das nachträgliche Baubewilligungsverfahren betreffend
den Wendeplatz für 8m-Lastwagen entschieden sei. Begründet wurde der Rekurs im
Wesentlichen erneut damit, das Baugrundstück sei nicht hinreichend erschlossen, weil der
ohne Bewilligung erstellte Wendeplatz für Lastwagen quartierplanwidrig sei und nicht nachträglich bewilligt werden könne. In der Folge wurde dem Sistierungsbegehren stattgegeben
und das Rekursverfahren erst fortgesetzt, als auch betreffend des Wendeplatzes beim DBU
ein Rekurs von A___ einging. In der Folge wurden die beiden Rekursverfahren parallel
fortgesetzt, jedoch je separat mit Entscheid vom 3. Juni 2013 erledigt. Den Rekurs
betreffend den Neubau des Einfamilienhauses wies das DBU im Sinne der Erwägungen ab,
und zwar im Wesentlichen mit der Begründung, die Verlegung des Wendeplatzes an den
Standort (süd-)östlich der Erschliessungsstrasse sei quartierplankonform, weil Art. 8 Abs. 3
der Sonderbauvorschriften (fortan SBV) eine solche Verlegung des Wendeplatzes für Lastwagen zulasse und diese Lösung als gleichwertig im Sinne dieser Bestimmung zu bezeichnen sei. Weil für den Baustellenverkehr geringere Anforderungen zu stellen seien und
in Bezug auf das Einfamilienhaus ohnehin nur selten mit Schwerverkehr zu rechnen sei, sei
die Erteilung der nachträglichen Bewilligung nicht zu beanstanden. Soweit der Wendplatz
noch um 2m von der VSS-Norm abweiche hielt das DBU dafür, dass diese Normen nicht
allzu schematisch gehandhabt werden dürften. Im gleichentags entschiedenen Rekursverfahren betreffend den Wendeplatz werde durch eine Auflage sichergestellt, dass der
Wendeplatz vollumfänglich den VSS-Normen entsprechend zu realisieren sei. Insgesamt
sei die bestehende Erschliessung damit als rechtmässig zu bezeichnen und nicht zu beanstanden, dass die BBK die Bewilligung für das Vorhaben erteilt habe.
C. Gegen diesen Entscheid liess A___ mit Eingabe vom 5. Juli 2013 Beschwerde beim
Obergericht (Verwaltungsrechtliche Abteilung) erheben und die eingangs erwähnten
Begehren stellen. Die Beschwerdeführerin wies auf den engen sachlichen Zusammenhang
mit dem Verfahren betreffend den Wendeplatz auf Parzelle Nr. 111 hin, und darauf, dass
sie auch den diesen betreffenden Rekursentscheid mit Beschwerde angefochten habe. Die
beiden Beschwerdeverfahren seien vor Obergericht zu vereinigen. In der Sache hielt die
Beschwerdeführerin unverändert an ihrem Standpunkt fest, dass der inzwischen von der
Gemeinde und vom DBU nachträglich bewilligte Wendeplatz auf Parzelle 111 nicht bewilligungsfähig sei, da er unter anderem dem Quartierplan D___ widerspreche. Dieser
Wendeplatz diene - entgegen den Ausführungen im angefochtenen Entscheid - dem
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Schwerverkehr nicht nur während der Bauzeit; denn als bloss provisorische Einrichtung
hätte dieser Wendeplatz nicht in den Quartierplan aufgenommen werden müssen. Vielmehr
handle es sich um eine permanente Anlage, welche als Zufahrt für Lastwagen, dem Wohngebiet fürs Zügeln und Anliefern sowie den öffentlichen Diensten wie Feuerwehr, Kehrichtabfuhr usw. dauerhaft zur Verfügung stehen müsse. Weil der Wendeplatz nicht gemäss
Festlegung im Quartierplan und der entsprechend erteilten Baubewilligung auf Parzelle
333, sondern abweichend davon auf der Südseite erstellt worden sei, könne dieser nicht
nachträglich an diesem Standort auf Parzelle 111 bewilligt werden. Da die Beschwerdeführerin auch gegen die dennoch nachträglich für diesen Standort erteilte Baubewilligung
vor Obergericht Beschwerde erhoben habe, sei die Bauparzelle (Nr. 111) derzeit nicht
baureif und sei die Baubewilligung für das Einfamilienhaus zu Unrecht erteilt worden. Auf
die Rüge zur einzig von der BBK, nicht aber von der Rekursinstanz vorgetragenen Begründung (das Baugrundstück sei auch ohne den Wendeplatz erschlossen, weil auch auf jenem
gewendet werden könne), wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingetreten.
D. Die Vorinstanz hielt der Beschwerdeführerin im Wesentlichen entgegen, dass man im
Rekursverfahren festgestellt habe, dass der bestehende Wendeplatz auf die Erschliessungssituation des Baugrundstückes keinen Einfluss habe und deshalb sei auf eine Vereinigung der Rekursverfahren verzichtet worden. Dass der Wendeplatz nur dem Schwerverkehr während der Bauzeit diene, habe das DBU nie behauptet. Hingegen werde daran
festgehalten, dass ausserhalb der Bauzeit nur mit seltenem Schwerverkehr zu rechnen sei
und dass der bestehende Wendeplatz Wendemanöver mit 8m-Lastwagen (jetzt schon) erlaube. Ein anderer Standort des Wendeplatzes würde an der Erschliessungssituation des
Baugrundstückes nichts ändern, bzw. diese nicht verbessern. Weil der Quartierplan ausdrücklich einen anderen gleichwertigen Standort zulasse, sei die Zufahrt (recte: der Wendeplatz) auch rechtlich gesichert. Auf die weiteren Vorbringen wird, soweit erforderlich, in
den Erwägungen eingetreten.
Die Beschwerdegegner liessen der Beschwerde im Wesentlichen dasselbe und darüber
hinaus entgegenhalten, der strittige Wendeplatz sei sowohl beim Erwerb des je eigenen
Grundstückes durch die Beschwerdeführerin als auch durch die Beschwerdegegner schon
erstellt gewesen. Während die Beschwerdeführerin somit gewusst habe, dass benachbart
ein Wendeplatz bestehe, hätten sie ihrerseits nicht zuletzt gestützt auf die mit dem Kauf
zugunsten der Strassenparzelle (Nr. 444) errichteten Dienstbarkeit (Fahrrecht auf dem
Wendeplatz auf Grundstück Nr. 555, heute 111) annehmen dürfen, dass dieser damals
bereits bestehende Wendeplatz ordnungsgemäss bewilligt und abgenommen worden sei.
Weil auch auf den umliegenden Grundstücken an der Erschliessungsstrasse bereits gebaut
worden sei, hätten sie davon ausgehen können, dass auch ihr Baugrundstück ohne weiSeite 4
teres erschlossen und baureif sei. Eine Aufhebung der Baubewilligung sei unter diesen
Umständen nicht mit Treu und Glauben (Vertrauensschutz) zu vereinbaren und sei als Eingriff in ihr Eigentum auch unverhältnismässig. Auf die weiteren Vorbringen und auch die
Stellungnahme der BBK B___ wird, soweit erforderlich, in den Erwägungen eingetreten.
E. Innert erstreckter Frist liess die Beschwerdeführerin auf eine Replik und damit auch auf
eine mündliche Verhandlung verzichten, hielt aber unverändert an ihrer Beschwerde fest. In
der Folge verzichteten auch die übrigen Beteiligten ausdrücklich oder stillschweigend auf
eine Duplik. Bezüglich der nachträglich von Amtes wegen beigezogenen Genehmigung des
QP D___ haben alle Beteiligten auf eine Stellungnahme verzichtet.
F.
In einem separaten Baugesuchsverfahren für den auf Parzelle 111 erstellten Wendeplatz
haben die BBK B___ und auf Rekurs hin auch das DBU diesem Bauvorhaben nachträglich
die Baubewilligung erteilt - je in Verbindung mit Auflagen. Mit Beschwerde vom 5. Juli 2013
liess A___ auch diesen Rekursentscheid des DBU (vom 3. Juni 2013) beim Obergericht
anfechten (Proz. Nr. O4V 13 28). An seiner heutigen Sitzung bestätigte das Obergericht
vorab die nachträglich für den Wendplatz erteilte Baubewilligung mitsamt den
vorinstanzlichen Auflagen und wies die Beschwerde von A___ ab. Für die Realisierung der
Auflagen (gemäss Ziff. 2-5 im angefochtenen Rekursentscheid) erklärte das Obergericht in
Ziff. 2 seines Urteils einen Korrekturplan (vom 9.9.2014) als verbindlich. Dieses Urteil,
welches zusammen mit dem nachfolgenden Urteil eröffnet wird, ist noch nicht rechtskräftig.
Für alles nachfolgende wird indessen davon ausgegangen, dass dem Wendeplatz auf Parz.
111 die Bewilligungsfähigkeit nicht abgesprochen werden konnte und ferner, dass dieser
Wendeplatz im Sinne von Art. 11 Abs. 3 der Sonderbauvorschriften als mindestens
gleichwertige Ersatzlösung für den im Quartierplan D___ ursprünglich auf Parzelle 333
vorgesehenen Wendeplatz gilt und dass dieser auch rechtlich gesichert Bestand hat. Weil
es bei diesem Beschwerdeverfahren indessen um ein anderes Bauvorhaben geht
(Wendeplatz), als im vorliegenden Verfahren (Neubau eines EFH), wurde - wie schon bei
der Vorinstanz - auf eine formelle Vereinigung der beiden Beschwerdeverfahren verzichtet.
Wie weit das vorliegende Verfahren über die gleichzeitige Eröffnung der Urteile hinaus auf
das Verfahren betreffend den Wendeplatz abzustimmen sein wird, ist Gegenstand der
nachfolgenden Erwägungen.
G. Auf die Eröffnung des Urteilsdispositivs bestand die Beschwerdeführerin auf der Zustellung
eines begründeten Urteils. Damit sind die Voraussetzungen für die in Ziff. 6 des Dispositivs
in Aussicht gestellte Reduktion der Entscheidgebühr nicht gegeben.
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Erwägungen
1.
Die von Amtes wegen vorzunehmende Prüfung der prozessualen Voraussetzungen ergibt,
dass das Obergericht nach Art. 54 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege
(VRPG, bGS 143.1, in der Fassung gemäss Art. 100 Abs. 1 Justizgesetz, JG, bGS 145.31)
in Verbindung mit Art. 110 lit. b des Gesetzes über die Raumplanung und das Baurecht
(BauG, bGS 721.1) zur Behandlung der Beschwerde gegen den Rekursentscheid des Departements Bau und Umwelt (DBU) zuständig ist. Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht. Als Adressatin des angefochtenen Rekursentscheides, mit dem eine
Baubewilligung für die Erstellung einer Neubaute auf dem benachbarten Grundstück und
zwecks Benützung derselben Erschliessungsstrasse bestätigt wurde, ist die Beschwerdeführerin formell beschwert und in eigenen schutzwürdigen Interessen berührt, weshalb sie
zur Beschwerde legitimiert ist. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
2.
Beim Obergericht können mit Beschwerde in Verwaltungssachen grundsätzlich nur Rechtsverletzungen
(inbegriffen
Ermessensmissbrauch,
Ermessensüberschreitung-
und -unterschreitung) sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des
Sachverhaltes gerügt werden (Art. 56 VRPG i.V.m. Art. 1 Abs. 2 JG). Das Obergericht hat
darüber hinaus volle Überprüfungsbefugnis, soweit dies im Gesetz vorgesehen ist oder
wenn sein Entscheid an eine Bundesinstanz mit unbeschränkter Überprüfungsbefugnis
weitergezogen werden kann. Ein Weiterzug an eine Bundesinstanz mit voller Kognition,
welche auch die Ermessenskontrolle umfasst, ist vorliegend nicht gegeben. Bei der
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist eine Ermessensprüfung nun
durchwegs ausgeschlossen (vgl. H. Seiler in: Handkommentar zum BGG, Bern 2007, N 49
zu Art. 95). Da eine volle Überprüfung auch nicht anderweitig gesetzlich vorgesehen ist,
bleibt die Kognition des Obergerichts vorliegend auf die Rechts- und Sachverhaltskontrolle
beschränkt. Im Rahmen dieser Rechtskontrolle kann im Folgenden auf Rügen, welche den
Vorinstanzen vorbehaltenes Ermessen betreffen, nur soweit eingetreten werden, als im
angefochtenen Bauentscheid die Schwelle zu Ermessensmissbrauch oder Ermessensüberoder -unterschreitung überschritten wird. Als Rechtsfrage gilt grundsätzlich auch eine
allfällige
Interessenabwägung,
und
zwar
sowohl
in
Verbindung
mit
dem
Verhältnismässigkeitsgrundsatz als auch in Bezug auf die Auslegung und Anwendung
unbestimmter Rechtsbegriffe (vgl. Urteil VGer AR i.S. B.A. vom 30.8.2006, II 05 34, E. 2).
3.
Soweit die Beschwerdeführerin dem von den Vorinstanzen bewilligten Neubau auf Parzelle
Nr. 111 vorab entgegen hält, der Gegenstand des separaten Beschwerdeverfahrens
bildende Wendeplatz (ebenfalls) auf Parz. 111 (Proz. Nr. O4V 28) könne (erstens) aus
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verschiedenen Gründen nicht nachträglich bewilligt werden, und deshalb (zweitens) fehle
es dem Bauvorhaben an einer hinreichenden Erschliessung und an der Baureife, kann für
den ersten Punkt und die dazu vorgetragenen Rügen auf das heute separat ergangene
Urteil des Obergerichts verwiesen werden, mit dem die nachträgliche Bewilligungsfähigkeit
und der rechtlich gesicherte Bestand dieses Wendeplatzes entgegen den dort von der gleichen Beschwerdeführerin vorgetragenen Rügen bejaht bzw. bestätigt wurde. Im Folgenden
wird deshalb einzig noch geprüft, ob der auf Parzelle 111 rechtmässig erstellte Wendeplatz
zusammen mit der unbestritten rechtmässig bestehenden Zufahrtsstrasse als hinreichende
Erschliessung für den strittigen Neubau betrachtet werden kann.
3.1 Die Vorinstanz hat die Zufahrtsstrasse in Verbindung mit dem Wendeplatz auf Parzelle 111
als hinreichend beurteilt, allerdings in einem Zeitpunkt, als durch ihren den Wendeplatz
betreffenden Rekursentscheid bereits feststand, dass dieser noch um 2m nach Nordosten
erweitert werden muss, um der massgebenden VSS-Norm zu genügen. Die Vorinstanz hielt
dennoch dafür, dass dieser Wendeplatz für den vorliegend strittigen Neubau schon vor
dieser Erweiterung als hinreichende Erschliessung gelten könne. Sie begründete dies in
Erw. 3.b (a.E) damit, dass für den Baustellenzugang geringere Anforderungen zu stellen
seien und dass in Bezug auf das geplante Einfamilienhaus ohnehin nur mit seltenem
Schwerverkehr zu rechnen sei. Weil die VSS-Normen bei ihrer Anwendung nicht allzu
schematisch und starr gehandhabt werden dürften, kam die Vorinstanz zum Schluss, die
Erschliessung könne schon vor der Erweiterung des Wendeplatzes als für das
Bauvorhaben hinreichend beurteilt werden.
Die Beschwerdeführerin hält dem im Wesentlichen entgegen, der Wendeplatz diene dem
Bauvorhaben nicht nur während der Bauzeit, sondern es handle sich um eine permanente
Anlage, welche als Zufahrt für Lastwagen dem (ganzen) Wohngebiet fürs Zügeln und Anliefern sowie den öffentlichen Diensten wie Feuerwehr und Kehrichtabfuhr zur Verfügung
stehen müsse. Ohne diesen Wendeplatz für Lastwagen, dessen Bewilligungsfähigkeit die
Beschwerdeführerin in beiden Beschwerdeverfahren bestreiten liess, sei die Bauparzelle
(Nr. 555) derzeit nicht baureif und die Baubewilligung somit zu Unrecht erteilt worden.
3.2 Baubewilligungen dürfen - als Grundsatz des Bundesrechts - nur erteilt werden, wenn das
Baugrundstück erschlossen ist (Art. 22 Abs. 2 lit. b des Bundesgesetzes über die Raumplanung, RPG, SR 700). Nach Art. 19 Abs. 2 RPG ist Land erschlossen, wenn die für die
betreffende Nutzung hinreichende Zufahrt besteht und die erforderlichen Wasser-, Energiesowie Abwasserleitungen so nahe heranführen, dass ein Anschluss ohne erheblichen Aufwand möglich ist. Erschlossen ist ein Grundstück nicht schon, wenn die erforderlichen Erschliessungspläne vorliegen, sondern erst wenn die erforderlichen Erschliessungsanlagen
erstellt sind oder eine hinreichende Erschliessung zumindest sichergestellt ist (AR GVP
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17/2005, Nr. 2254, E. 2 m. w. H., auch zum folgenden). Weil das Bundesrecht nur allgemeine Grundsätze enthält, ergeben sich die Anforderungen im Einzelnen aus dem kantonalen Recht. Nach Art. 95 Abs. 3 des kantonalen BauG gilt ein Grundstück als erschlossen,
wenn insbesondere die folgenden Erschliessungsanlagen bestehen oder gleichzeitig mit
dem Neubau erstellt werden: a) eine für die vorgesehene Nutzung hinreichende, rechtlich
gesicherte, auch den Bestimmungen über die Staatsstrassen (heute: Strassengesetz, StrG,
bGS 731.11) genügende Zufahrt, falls notwendig mit Abstellplätzen für Motorfahrzeuge;
[b)…c)…]. Wohl ist richtig, dass die VSS-Normen nach dieser Rechtsprechung nicht allzu
schematisch und starr gehandhabt werden dürfen (AR GVP, a.a.O.). Im vorliegenden Fall
haben indessen die Vorinstanz und das Obergericht im Verfahren Nr. O4V 13 28 übereinstimmend erkannt, dass die erwähnte Erweiterung des Wendeplatzes gemäss der VSSNorm zu realisieren ist, da der Quartierplan D___ in Art. 11 Abs. 4 SBV für den Platzbedarf
des Wendeplatzes für 8m-Lastwagen ausdrücklich auf die VSS-Norm verweist. Art. 11
Abs. 3 SBV bestimmt ferner, der Wendeplatz für Lastwagen sei "zusammen mit dem Bau
der Erschliessungsstrasse zu erstellen (Provisorium möglich)". Nachdem die Erschliessungsstrasse längst erstellt ist und ein Provisorium für den Wendeplatz schon mangels eines Baugesuches dafür nicht in Frage steht, besteht für einen Aufschub der für die
plankonforme und hinreichende Erschliessung als notwendig erkannten Erweiterung des
Wendeplatzes kein Grund. Auch kantonalrechtlich muss die plankonforme Erweiterung des
Wendeplatzes als hinreichende Erschliessung spätestens gleichzeitig mit dem Neubau erstellt werden (Art. 95 Abs. 3 BauG). Dass die strittige Neubaute für sich allein nur selten
Schwerverkehr zur Folge haben soll, vermag nichts zu ändern, zumal nach Art. 11 Abs. 1
Satz 1 SBV die Erschliessung ausschliesslich über die im Quartierplan bezeichneten Erschliessungselemente erfolgen darf. Damit steht fest, dass der auf Parzelle 111 erstellte,
aber noch um zwei Meter nach Nordosten zu erweiternde Wendeplatz für Lastwagen an
sich schon für die vorgängig bewilligten Bauten im Plangebiet hätte zur Verfügung stehen
müssen. Diese Erweiterung muss nun aber spätestens gleichzeitig mit dem strittigen Neubau zur Verfügung stehen, zumal vom Erfordernis einer hinreichenden Erschliessung auch
bundesrechtlich keine Ausnahmen bewilligt werden dürfen (Waldmann/Hänni, Handkommentar RPG, 2006, N 63 zu Art. 22). Die Vorinstanz hat in ihrer Erw. 2.b) somit zu Unrecht
in Kauf genommen, dass die VSS- bzw. quartierplankonforme Erweiterung des Wendeplatzes allenfalls erst nach Fertigstellung der strittigen Neubaute realisiert werden könnte.
Dieser Rechtsmangel rechtfertigt keine Rückweisung und kann adäquat auch nicht durch
die beantragte Vereinigung der vorliegenden Streitsache mit dem Beschwerdeverfahren
betreffend den Wendeplatz behoben werden. Die angemessene Lösung ergibt sich vielmehr aus Art. 53 Abs. 1 der kantonalen Bauverordnung (BauV, bGS 721.11): Demnach
darf mit der Ausführung bewilligungspflichtiger Bauvorhaben erst begonnen werden, wenn
die Baubewilligung und die nach anderen Gesetzen erforderlichen Bewilligungen rechtsSeite 8
kräftig erteilt sind und über allfällige Einsprachen entschieden ist. Entsprechend muss der
Baubeginn beim vorliegend strittigen Neubau wie folgt bis zur VSS-konformen Realisierung
des nachträglich auf Parzelle 111 bewilligten Wendeplatzes hinausgeschoben werden: Mit
dem Bau des Einfamilienhauses auf Grundstück Nr. 111 darf nicht begonnen werden, bis
die Baubewilligungskommission B___ nach Rechtskraft des Urteils in Sachen Wendeplatte
(Proz. Nr. O4V 13 28) die korrekte Realisierung der baulichen Massnahmen gemäss Ziff. 25 des in jenem Verfahren angefochtenen Rekursentscheides und gemäss Korrekturplan
vom 9.9.2014 durch ihre Abnahme bescheinigt hat. In Verbindung mit dieser Bedingung
steht nun aber fest, dass sich die beantragte Aufhebung des angefochtenen
Rekursentscheides erübrigt und die Beschwerde insofern abzuweisen ist.
3.3 Bei diesem Ergebnis kann die in Ziff. 2 beantragte Aufhebung der Baubewilligung der BBK
B___ nicht in Frage kommen. Durch das Bestätigen des angefochtenen Rekursentscheides
wird diese Baubewilligung als Folge des Devolutiveffekts zu dessen Bestandteil erhoben
(vgl. R. Kiener, in: Komm. zum Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren, Bern 2008,
N 13 und 16 zu Art. 54). Dass die BBK B___ diese Baubewilligung mit einer unhaltbaren
Begründung erteilt haben soll (Beschwerdeführerin), ist ohne Belang, nachdem sich die
Erteilung mit einer abweichenden Begründung sowie in Verbindung mit der obgenannten
Bedingung als haltbar erweist.
3.4 Zusammenfassend steht damit fest, dass die Beschwerde durchwegs abzuweisen ist.
4.
Nach Art. 19 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 53 Abs. 1 VRPG ist in Beschwerdeverfahren vor
Obergericht gebühren- und kostenpflichtig, wer ganz oder teilweise unterliegt oder auf dessen Rechtsmittel nicht eingetreten wird. Da die Beschwerdeführerin mit ihren Begehren
unterliegt, ist dieser die Entscheidgebühr aufzuerlegen. Da sich das vorliegende Verfahren
wesentlich auf das gleichentags ergangene Urteil Proz. Nr. O4V 13 28 abstützen liess, erscheint dafür eine Gebühr von Fr. 1'000.-- als angemessen (Art. 4a des Gesetzes über die
Gebühren in Verwaltungssachen, bGS 233.2). Der Kostenvorschuss von 600.-- ist darauf
anzurechnen.
5.
Nach Art. 53 Abs. 3 VRPG hat die obsiegende Partei in der Regel Anspruch auf eine Entschädigung für ihre notwendigen Kosten und Auslagen. Da die Beschwerdeführerin unterliegt, ist deren Entschädigungsbegehren abzuweisen.
Weil die Beschwerdegegner überwiegend obsiegen, hat ihnen die Beschwerdeführerin eine
Parteientschädigung zu entrichten. Weil der Rechtsvertreter der Beschwerdegegner keine
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Kostennote einreichte, ist die Parteientschädigung pauschal auf Fr. 1'500.-- festzulegen
(Barauslagen und Mehrwertsteuer inbegriffen).
Demnach erkennt das Obergericht:
1.
Die Beschwerde von A___ wird abgewiesen.
2.
Mit dem Bau des Einfamilienhauses auf Grundstück Nr. 111 darf nicht begonnen werden,
bis die Baubewilligungskommission B___ nach Rechtskraft des Urteils in Sachen
Wendeplatte (Proz. Nr. O4V 13 28) die korrekte Realisierung der baulichen Massnahmen
gemäss Ziff. 2-5 des in jenem Verfahren angefochtenen Rekursentscheides und gemäss
Korrekturplan vom 9.9.2014 durch ihre Abnahme bescheinigt hat.
3.
Der Beschwerdeführerin wird eine Entscheidgebühr von Fr. 1'000.-- auferlegt. Der Kostenvorschuss von Fr. 600.-- wird angerechnet.
4.
Das Begehren der Beschwerdeführerin um Ausrichtung einer Parteientschädigung wird
abgewiesen.
5.
Den Beschwerdegegnern wird zulasten der Beschwerdeführerin eine Parteientschädigung
von Fr. 1'500.-- zugesprochen (Barauslagen und Mehrwertsteuer inbegriffen).
6.
Rechtsmittel: Gegen dieses Urteil kann innert 30 Tagen seit dessen Zustellung beim
Schweizerischen Bundesgericht, 1000 Lausanne 14, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten gemäss Art. 39 ff., 82 ff. und 90 ff. des Bundesgesetzes vom 17. Juni
2005 über das Bundesgericht (BGG, SR 173.110) geführt werden.
7.
Zustellung dieses Urteils an die Beschwerdeführerin über deren Anwalt, die Beschwerdegegner über deren Anwalt, die Vorinstanz sowie die Baubewilligungskommission B___.
Im Namen der 4. Abteilung des Obergerichts
Der Obergerichtsvizepräsident:
Der Gerichtsschreiber:
lic. iur. Walter Kobler
lic. iur. Toni Bienz
versandt am: 23.04.15
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