Mustererkennung in Energieverbrauchsdaten

IT-Lösungen
Softwarelösungen für das Energiemanagement
Mustererkennung in
Energieverbrauchsdaten
Umfassende Energiecontrollingsysteme in Unternehmen basieren teils auf bis zu Zehntausenden von
Einzeldatenreihen, die unter anderem aus automatischen Erfassungssystemen stammen. Energiemanager
stehen vor der Herausforderung, relevante Ereignisse aus diesen Daten und deren Einfluss auf den Energieverbrauch zu bestimmen sowie gegebenenfalls fehlerhafte Daten zu bereinigen, um relevante Informationen
zu gewinnen. Mit traditionellen Mitteln ist dies oft eine nur mit hohem Zeitaufwand zu lösende Aufgabe.
Angesichts dessen, dass Datenanalyse und Informationsaufbereitung mit Blick auf die DIN EN ISO 50001 nur
der erste Schritt eines erfolgreichen Energiemanagements sind, sind neue Herangehensweisen notwendig,
um die verfügbaren Ressourcen auf die Umsetzung geeigneter Energieeffizienzmaßnahmen und die damit
einhergehenden Einsparungen lenken zu können.
Um auf Grundlage der gewonnenen Verbrauchszahlen zu einer Einsparung von
Energie und somit von Energiekosten zu
gelangen, müssen die Verbrauchsdaten
regelmäßig überprüft und Auffälligkeiten analysiert werden. Auffälligkeiten
können sein:
• untypische zeitliche Verläufe — zum
Beispiel eine defekte Nachtabsenkung der Heizung
• langsames Ansteigen des Stromver-.
brauchs über Monate — zum Beispiel
aufgrund nicht gereinigter Filter der
Lüftungsanlage
• ein zu hoher Verbrauchskennwert im
Vergleich zu ähnlichen Objekten.
Fehlerhafte Messergebnisse sind eine
weitere Kategorie. Beispiele hierfür sind
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ein ausgefallener Temperatursensor, der
einen konstant hohen Wert liefert, oder
ein Stromzähler, der über längere Zeit
einen unveränderten Zählerstand meldet, obwohl von einem Verbrauch auszugehen ist. Auch bei einem Zählerwechsel
und der damit verbundenen Param etrierung ereignen sich oft Fehler, die zu Abweichungen führen können.
Solche Auffälligkeiten bedeuten nicht
zwingend einen unnötigen Energieverbrauch. Das Energiecontrolling wird
jedoch dadurch »blind« und Werte verlieren ihre Vergleichbarkeit beziehungsweise Verlässlichkeit. So ist auch bei Messfehlern eine schnelle Reaktion notwendig,
die das regelmäßige und zeitnahe Überprüfen der erfassten Werte voraussetzt.
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Bild 1. Das Rasterdiagramm zeigt Muster im Energieverbrauch. Damit können
Abweichungen erkannt werden.
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BW Spezial II 2015
Bisheriger Stand der Technik
Verbrauchsdaten können derzeit prinzipiell auf zwei Arten überprüft werden:
• Sichtung durch einen Mitarbeiter,
etwa einen Energiemanager
• automatische Überprüfung der Verbrauchswerte durch Software auf
Basis im Vorfeld eingerichteter statischer oder dynamischer Grenzwerte.
Sichtung der Verbrauchsdaten
durch den Mitarbeiter
Die persönliche Sichtung der Verbrauchsdaten findet nur im Ausnahmefall auf
Basis der Rohdaten statt. Normalerweise werden die Daten in eine geeignete
Software zur Daten aufbereitung übernommen. Algorithmen übernehmen die
Ersatzwertbildung, die Zeitbereinigung
sowie die Bilanzierung und falls nötig
auch die Witterungsbereinigung. Auf
Basis dieser aufbereiteten Informationen
können Kennwerte gebildet werden, die
Auffälligkeiten erkennen lassen (Bild 1).
Wichtig für das effektive Aufspüren von
Auffälligkeiten ist jedoch eine geeignete
grafische Darstellung der Daten:
• Zeitreihen mit unterschiedlichen
Auflösungen zeigen einzelne Ausreißer (hohe Auflösung, zum Beispiel
Viertelstunde) oder langfristige
Trends (niedrige Auflösung, zum
Beispiel Jahr).
• Vergleichende Darstellungen wie
Tabellen oder liegende Balken mit
Kennwerten ermöglichen den Vergleich mit anderen Objekten.
Für Zeitreihen existieren außer den bekannten Säulen- oder Liniendarstellungen, auch andere Darstellungsformen
IT-Lösungen
wie das Rasterdiagramm (Carpet- Plot).
Beim Rasterdiagramm wird die Zeit über
die x- undy-Achse abgebildet und der
Verbrauchswert durch Farben repräsentiert. Wenn nun beispielsweise auf der
x-Achse die Tage und auf dery-Achse die
Stunden des Tages dargestellt werden,
entsteht bei einem werktags zwischen
7:30 und 17:30 Uhr genutzten Objekt ein
Muster, das an einen Teppich erinnert.
Obwohl in einem Lastgang oder in einem
Rasterdiagramm Tausende Werte aufgetragen sind, erkennt der Anwender
sofort Abweichungen vom vorhandenen
Muster.
Softwarebasierte Überprüfung
der Verbrauchswerte
Auch wenn die Sichtung der Verbrauchswerte durch einen Mitarbeiter mit Softwaresystemen deutlich vereinfacht werden kann, kommt er mit immer mehr
Objekten und Messwerten schnell an die
Grenze des zeitlich Leistbaren. Zudem ist
bei starken Abweichungen, zum Beispiel
durch eine Leckage, eine zeitnahe Reaktion wünschenswert.
Daher haben marktübliche Systeme einstellbare Grenzwertüberwachungen:
• Im einfachsten Fall werden die eingehenden Rohdaten mit fixen oberen
und unteren Grenzwerten verglichen.
• Da Rohdaten oft großen systembedingten Schwankungen unterliegen
(läuft der Brenner der Heizungsanlage zufällig in dieser Viertelstunde
und die nächsten zwei Perioden
nicht), ist oft nur die Überwachung
aggregierter Zeitspannen (Tage, Wochen) sinnvoll.
• In vielen Fällen sind fixe Grenzwerte
wenig geeignet. Durch Abbildung
typischer Perioden wie Tages- oder
Wochenrhythmen können zutreffendere Grenzwerte, zum Beispiel für
Öffnungszeiten und abgesenkten
Betrieb, definiert werden.
Manche Softwaresysteme bieten darüber hinaus die Möglichkeit, Grenzwerte als Funktion anderer Werte
anzugeben. Ein Beispiel dafür ist die
Energiesignatur in Ingsoft Interwatt:
Der Anwender ermittelt software-
gestützt eine Funktion, die den erwarteten Energieverbrauch einer
Periode in Abhängigkeit von anderen
Größen abbildet, beispielsweise den
erwarteten Wärmeverbrauch einer
Woche als Funktion der mittleren
Außentemperatur.
All diese Überwachungsmechanismen
benötigen jedoch eine sorgfältige, manuelle Konfiguration der Grenzwerte. Dabei
muss der Anwender die Grenzwerte nicht
nur sinnvoll wählen, sondern auch Rhythmen abbilden oder Sollwertfunktionen
ermitteln. Sind die Grenzen zu scharf,
kommt es zu vielen Fehlalarmen und der
Anwender nimmt Meldungen des Systems nicht mehr ernst. Sind die Grenzen
zu großzügig, werden relevante Abweichungen nicht mehr erkannt. Bestimmte
Fehlerklassen - wie ungewöhnliche zeitliche Verläufe -bleiben unerkannt.
Neue Lösungsansätze
Wünschenswert sind Softwarealgorithmen, die Verbrauchsmuster erkennen und
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Medien und Kongresse
BW Spezial I I 2015
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ermittelt.
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Bild 2. Ein zu beurteilendes Tagesprofil wird mit den in der Trainingsphase gebildeten
repräsentativen Profilen der einzelnen Cluster verglichen. Kann kein passendes Profil
gefunden werden, wird das untersuchte Tagesprofil als auffällig gewertet.
auf Abweichungen vorn Standardverhalten
ohne Konfigurationsaufwand hinweisen.
Ingsoft arbeitet daher seit Mitte 2013 an
einer automatischen Verbrauchsmustererkennung als Erweiterung ihrer bisherigen
Softwarelösung Ingsoft Interwatt.
Die entwickelten Algorithmen können
Auffälligkeiten, Ereignisse, Trends undDrifts in den Verbrauchsdaten automatisch erkennen und klassifizieren.
Abhängig von der Klassifikation werden
Energiemanager in einer Organisation
zeitnah auf diese Auffälligkeiten hingewiesen und bei Notwendigkeit alarmiert.
Solche Auffälligkeiten können temporäre und langfristige Abweichungen
sowie fehlerhafte Daten als Ursachen
haben. Energieverantwortliche müssen
die erfassten Zeitreihen der Zähler oder
Verbraucher nicht mehr einzeln interpretieren. Darüber hinaus kann das Auftreten von Fehlinterpretationen reduziert
werden.
Da Ingsoft Interwatt auch in Szenarien
mit vielen Objekten und Zehntausenden
Datenpunkten im Einsatz ist, war es für
die zeitnahe Mustererkennung notwendig, das System mit Echtzeitzählwerken
auszustatten. Diese können Viertelstundenwerte mehrerer Zehntausend Datenquellen auslesen und verarbeiten, bevor
ein Einlesen der nächsten Viertelstunde
beginnt. Bei der eigentlichen Mustererkennung werden dann verschiedene
Ansätze verfolgt:
it Über symbolische Repräsentation
lassen sich Messfehler wie defekte
Zähler erkennen.
ge Für Tagesprofile des Stromverbrauchs
wurde ein Verfahren entwickelt, das
auf Basis eines Referenzzeitraums
automatisch Cluster für typische
Tagesverläufe — etwa Werktage im
Sommer, Samstag, Sonntag —bildet
(Trainingsphase). Für jedes Cluster
wird ein repräsentatives Tagesprofil
Beim zuletzt genannten Verfahren verwendet der Algorithmus für die Clusterbildung keine Zusatzinformationen.
Vor allem ist nicht vordefiniert, dass ein
Cluster zum Beispiel für Sonntage gebildet wird. Es kommt in der Trainingsphase bei der Zusammenfassung der Tagesprofile auf die Ähnlichkeit der Profile und
nicht auf äußere Merkmale an. Auch die
optimale Zahl der Cluster wird vom Algorithmus selbst bestimmt (Bild 2). Neu erfasste Tagesprofile werden zur Prüfung
in das passende Cluster einsortiert und
mit statistischen Verfahren mit dem
typischen Profil des Clusters verglichen.
Ein zusätzlicher Algorithmus kann temperaturabhängigen Energieverbrauch
erkennen. Diese Information wird dann
mit den Ergebnissen des Clusterings
zusammengeführt und hilft, starke Abweichungen im Verbrauch aufgrund
extremer Temperaturen zu beurteilen.
Nebenbei steht somit ein datengetriebenes Modell zur Verfügung, das den erwarteten Energieverbrauch als Funktion
der Außentemperatur liefert. Weitere
Algorithmen sind in Bearbeitung und
unter anderem einen Quervergleich mit
anderen Objekten ermöglichen sollen.
Die entdeckten Auffälligkeiten werden
dem Anwender in Form eines Dashboards präsentiert (Bild 3).
Ergebnisse, Einsatzbereiche
und Betriebserfahrungen
Die Algorithmen wurden während ihrer
Entwicklungsphase an Stromverbrauchsdaten aus 532 Filialen eines Textilhändelsunternehmens angewendet. Bei weniger als 1% der Filialen wurden mehr als
50 Auffälligkeiten im Jahr entdeckt. Bei
95 % der Filialen wurden dem Anwender
zehn oder weniger Auffälligkeiten in einer
Prüfliste vorgelegt. Die Hälfte hiervon betraf Sonntage.
In den meisten Fällen ließen sich die Auffälligkeiten erklären: Umbauarbeiten
nach Ladenschluss oder Sonderöffnung
an einem Sonntag. Bei einem realen Ein-
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BW Spezial 1 I 2015
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Gebäudes zielführend sind. Ingsoft hat
zudem damit begonnen, die Anwendung
von Mustererkennungsalgorithmen für
den Energieverbrauch industrieller Prozesse zu erproben. Es wurde aber auch
deutlich, dass in vielen Fällen automatischer Erfassung die Datenpflege - vor
allem das Entdecken und Beheben von
Fehlern aufgrund von Defekten oder
Veränderungen bei den Mess- und Übertragungseinrichtungen -den Anwender
viel Zeit kostet und eine weitere Verbesserung der Effektivität des Energiemanagements möglich ist.
Bild 3. Ingsoft Interwatt: Darstellung Dashboard (Beta-Version).
satz hätte das Unternehmen die Auffälligkeit zeitnah genauer untersuchen
und den überhöhten Verbrauch abstellen
können. Vor allem wäre es in diesem Beispiel mit inzwischen über 1 000 Filialen
mit elektronischer Erfassung des Energieverbrauchs erstmals möglich, die Daten
tatsächlich in ihrer vollen Auflösung und
nicht nur stichprobenartig zu überprüfen.
Schlussfolgerungen und Ausblick
Die Musterkennung in Energieverbrauchsdaten ist ein Hilfsmittel, um mit
der Datenflut aus der automatischen
Erfassung sinnvoll umzugehen. Die bisherigen Arbeiten bei Ingsoft haben gezeigt, dass die gewählten Ansätze für
den Strom- und Wärmeverbrauch eines
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