LESERFORUM Freie Presse Mittwoch, 15. April 2015 LESEROBMANN Mehr Geld ist doch gut REINHARD OLDEWEME TELEFON: 0371 656-65666 (10-12 Uhr) TELEFAX: 0371 656-17041 E-MAIL: [email protected] K ürzlich war es wieder so weit, und gedacht habe ich, wie schnell wieder ein Jahr vergangen ist: „Sachsen verdienen drei Prozent mehr“ lautete eine Überschrift. Drei Leser am selben und zwei am nächsten Tag haben mich angerufen: „Ich kenne niemanden, der 26.000 Euro im Jahr verdient, diese Zahl kann nicht stimmen“, formulierte ein Leser, während eine Anruferin sagte: „Auch wenn die Summe richtig ist, weil viele mit Gehältern jenseits unseres Vorstellungsvermögens den Durchschnitt in die Höhe treiben, sollten Sie auf die Veröffentlichung verzichten, weil sie ein Schlag ins Gesicht für alle ist, die trotz ihrer vollen Arbeitsstelle und im Dreischichtbetrieb nur davon träumen können, so viel Geld zu verdienen.“ Keine Panik: Weil ich in meiner Kolumne schon mehrfach erklärt habe, was von Angaben über Durchschnittslöhne zu halten ist und welche Aussagekraft diese Zahlen tatsächlich haben, verzichte ich auf eine erneute Erläuterung. Nur einer Kritik, die ich immer höre, möchte ich mit Nachdruck entgegentreten: „Dann lassen Sie diese Nachricht doch künftig einfach weg, Sie ersparen sich dann den Ärger mit Lesern, die kein Verständnis dafür haben, dass sie lesen müssen, wie arm sie in Wirklichkeit sind“, sagte ein Leser. Das aber passiert auf keinen Fall. Der Anstieg von Löhnen und Gehältern ist ein wichtiger Teil des Stimmungsbarometers hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region; es geht dabei vor allem um die Kaufkraft, also den Betrag, der pro Haushalt vom Einkommen verbleibt, nachdem alle regelmäßig wiederkehrenden Zahlungsverpflichtungen bedient wurden. Drei Prozent mehr sind eine gute Sache, auf diese wichtige Nachricht kann die Zeitung nicht verzichten. In diesem Sinne habe ich auch kürzlich die Nachricht mit der Überschrift „Volkswagen zahlt 5900 Euro Bonus“ verteidigt, denn fünf Leser hatten mich deswegen angerufen. „Wir wissen doch, dass die mehr als 10.000 VW-Mitarbeiter viel verdienen, dass müssen Sie uns nicht auch noch auf’s Brot schmieren“, meinte eine Anruferin. Ein anderer Leser formulierte es so: „Ich verrate Ihnen mal, was ich, der seit 40 Jahren in demselben Betrieb arbeitet, in der Lohntüte habe, und dann bekommen Sie eine Vorstellung davon, was ich fühle, wenn ich diese Zahl lese.“ Alle waren sich einig: Diese Nachricht braucht kein Mensch. Dem ist aber nicht so: Volkswagen ist ein Konzern, dessen wirtschaftliche Lage weit über die Belange der Beschäftigten hinaus vermutlich für Millionen Menschen von Bedeutung ist, weil sie beispielsweise in Zulieferbetrieben arbeiten oder vielleicht auch, weil sie VW-Aktien besitzen und auf deren Wert beispielsweise für Altersrücklagen vertrauen. Dass VW den Mitarbeitern einen Bonus zahlt, ist eine gute Nachricht, die in die Zeitung gehört. Bei zwei Gesprächen habe ich es gewagt, diese Frage zu stellen: „Können Sie sich nicht auch ein bisschen darüber freuen, dass es in Sachsen jetzt viele Menschen gibt, die etwas mehr Geld haben?“ HINWEIS Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe sinnwahrend zu bearbeiten. Leserbriefe geben stets die Meinung ihres Verfassers und nicht die der Redaktion wieder. E-Mails müssen die vollständige Adresse enthalten. Anonyme Zuschriften werden grundsätzlich nicht veröffentlicht. Briefkasten Freie Presse, Ressort Chef vom Dienst Postfach 261 09002 Chemnitz. Fax: 0371/656-17041 E-Mail: [email protected] Seite B1 Wer legt fest, was wissenschaftlich ist? wie man es heute oft als Ganzheitsmedizin benennt. Die Stärken der einzelnen Aspekte zu bündeln, würde uns wohl weiterbringen. Ich gebe Oude-Aost recht, dass Marketing bei einer Entscheidung für eine medizinische Behandlung nichts zu suchen hat. Das aber nur für die Komplementärmedizin zu fordern, geht wohl an der Realität vorbei. Wir sehen und hören doch immer wieder Beispiele, wie Geld und Macht in all diese Prozesse hineinspielen. Und wer bitte legt fest, was wirklich wissenschaftlich ist? Sollte man dazu nicht alle urteilsfähigen Geister der wesentlichen soliden Denkrichtungen einbeziehen? Ekkehard Bleidistel, Grünhainichen In dem Artikel „Ein Konzept ohne Wissenschaft“ innerhalb der Reihe „Einspruch“ hat der Arzt Jan Oude-Aost die Meinung vertreten, dass Homöopathie & Co. nicht wirken. Dies sind Auszüge aus Leserbriefen dazu. Götterglaube weit verbreitet Erkenntnisse der Naturwissenschaften genießen eine hohe Akzeptanz. Allerdings kann der Nichtfachmann oft die wirkliche Herkunft „wissenschaftlicher“ Aussagen nicht erkennen. So neigt man dazu, Datenerhebungen als umso naturnäher anzusehen, je leistungsfähigere Computer zum Einsatz kommen. Dabei wird verkannt, dass die physikalischen Grundlagen oft überstrapaziert werden, je komplexere Programme zum Einsatz kommen. Eine andere Fehlentwicklung zeichnet sich bei Studien ab, bei denen nahezu ausschließlich statistische Daten ausgewertet werden. Auch das hat mit der physikalischen Realität tatsächlich eher selten etwas zu tun, sondern allenfalls nur mit der mathematischen Methode. Auf die Beweiskraft des Experiments wird verzichtet oder es muss – etwa in der Medizin – aus ethischen Gründen grundsätzlich entfallen. Sowohl die Medizin als auch die alternativen Heilkonzepte basieren auf nichts anderem als auf rein praxisorientierten Erfahrungen. Beide stützen sich einerseits auf Studien von beschriebenem Typus und andererseits auf Glaubensbekenntnisse. Immerhin bedient sich die Medizin zunehmend physikalischer Untersuchungsverfahren und biochemischer Mittel. Auch ersetzt sie gewissermaßen mit dem Skalpell das Experiment, doch viele Patienten werden davon auch nicht glücklich, zumal sich die für die Wahrheitsfindung notwendige Wiederholung in der Regel verbietet. Der Götterglaube ist trotzdem weit verbreitet, und die Fahnenstange bricht oft, bevor ihr Ende erreicht wurde. Eine eigenartige neuzeitliche Aufklärung mündet zusehends im alternativen Glaubensbekenntnis, das freilich im Kern hoffnungslos zersplittert ist, doch retten sich hierin viele, und wählen im Grunde nur eine andere Fahnenstange. Die Schulmedizin empfindet das natürlich als Affront, doch ist sie selber schuld daran, solange sie nicht endlich naturwissenschaftlich wird und insbesondere Viele vertrauen darauf, die Schulmedizin bestreitet es: Wirken homöopathische Mittel? FOTO: PATRICK PLEUL/DPA Der Arzt Jan Oude-Aost vertritt in seinem „Einspruch“ unter anderem diese Standpunkte Alternativmedizin gilt vielen Menschen als „sanfte“ Möglichkeit, gesund zu werden oder zu bleiben. Alternativmedizin ist jedoch in erster Linie ein Marketingbegriff. Der Begriff ist offen für jeden, der sich ihn zu eigen macht. Methoden der Alternativmedizin bedienen die Weltanschauung einer bestimmten Zielgruppe und damit ein Marktsegment. Bei der Wahl der Methode ist für jeden etwas dabei. Viele Anhänger einer alternativmedizinischen Methode kennen wahrscheinlich mindestens einen Anhänger einer anderen Methode, die sie selbst für unsinnig halten. Überzeugt sind jedoch beide. Homöopathie ist das Paradebeispiel einer solchen Methode. Weil kein oder fast kein aktiver Wirkstoff ent- das Nervensystem begreift. Zu allem Überfluss verdienen sich immer mehr Mediziner mit eben jenen alternativen Methoden ein Zubrot oder auch ein Vermögen. Hans Dieter Langer, Niederwiesa Etwas Demut wäre angebracht Jan Oude-Aost ist dem Bild nach noch ein jüngerer Mensch, sodass sich die Altersweisheit, die es wohl halten ist, hat Homöopathie keine Nebenwirkungen und ist unwirksam. Vom ersten Doppelblindversuch 1835 bis heute liefern Studien solide Hinweise, dass Homöopathie ausschließlich über Kontexteffekte wirkt. dert. Alternativmedizin verändert sich kaum, Homöopathie ist seit 200 Jahren unverändert. Ein zentraler Unterschied zwischen Medizin und Alternativmedizin ist die Möglichkeit, die Praxis an neue Daten anzupassen. Die Behandlung des Magengeschwürs hat sich innerhalb der letzten 25 Jahre grundlegend geän- Auch in Experimenten mit Zellen, Pflanzen und Tieren lässt sich keine Wirksamkeit der Homöopathie nachweisen. Studien, die positiv ausfallen, lassen sich nicht wiederholen. Ein wichtiger Schritt, um zu überprüfen, ob Ergebnisse zufällig entstanden sind oder der Realität entsprechen. Dieses Schicksal teilt sie mit der überwiegenden Zahl alternativer Methoden. Die Studienlage hat in der Alternativmedizin keinen Einfluss auf die Praxis. Weder in der Homöopathie, noch in der Geistheilung oder der Akupunktur. Es gibt jedoch außer Wissenschaft keinen anderen rationalen Maßstab, um die Grenze zwischen wirksamen und unwirksamen Methoden zu erkennen. auch in der Wissenschaft gibt, erst später einstellen wird. Bei aller wissenschaftlichen Akribie würde ich ihm aber zu etwas mehr Demut raten. Wer sich mit der Biologie des Menschen beschäftigt, muss doch zu dem Schluss kommen, dass wir viele Dinge einfach nicht wissen. Und daraus den Schluss zu ziehen, dass es sie nicht gibt oder nicht geben kann, weil sie der Verstand nicht erfasst, dafür keine Erklärung und schon gar kein „Messgerät“ hat, ist ja auch nicht sehr intelligent. Alternativmedizin ist kein guter Ausdruck, da man damit oft das Entweder-oder zwischen Schulmedizin und anderen Heilansätzen sieht. Deshalb sind Integrative Medizin oder aber Naturheilkunde besser gewählt. Ich denke, dass es ein Zusammengehen der Ansätze braucht, so Gemeint ist damit unter anderem, dass sich jemand Zeit nimmt und eine vertrauensvolle Umgebung schafft, kurz: das therapeutische Ritual. Diese Erkenntnis gilt nicht nur für die Homöopathie, ähnlich verhält es sich mit Methoden wie Akupunktur, Osteopathie, Irisdiagnostik oder Geistheilung. Total aus dem Herzen gesprochen Zum Interview „MultiKulti und Liebesgedichte von Heine“ mit dem Schauspieler Horst Krause haben uns Leser ihre Meinung mitgeteilt. Ausdruck deutscher Vernunft Ich halte die Äußerungen von Horst Krause für einen einfachen Ausdruck deutscher Vernunft, ohne Fremdenfeindlichkeit oder etwa nationalistisches Gedankengut. Unverständlich finde ich die Frage „zur möglichen kulturellen Zurückhaltung der Deutschen wegen ihrer Vergangenheit“. Es gibt in der Jahrhunderte alten deutschen Kultur – im Rahmen der europäischen Kultur – überwiegend Substanz, die das Gegenteil von faschistischem Gedankengut ist. Wir sollten deshalb unsere Kulturgüter stets als Alternative zu den Fällen aktueller Oberflächlichkeit und Geschmacklosig- keit bereithalten; ohne Überheblichkeit und ohne Scheu. Dieter Rausendorff, Schlettau Mutig zu Pegida geäußert Horst Krause hat sich mutig zu Pegida und Integration geäußert. Das kann aber auch damit zusammenhängen, dass er mit 73 Jahren und seinem Bekanntheitsgrad nicht mehr um jedes Engagement bangen muss. Denn genau das kann so ein Interview schon kosten. Das dürfte bei einem jüngeren Prominenten schon anders aussehen. Der überlegt sich dreimal, ob er offen seine abweichende Meinung sagt. Günter Schlag, Auerbach/E. Pflichtlektüre für Abgeordnete Vielen Dank für das Interview. Seine Aussagen treffen haargenau, was die Menschen bewegt. Es ist keineswegs Fremdenfeindlichkeit oder gar Ausländerhass, was man beim geringsten Anlass unterstellt, sondern die Entfremdung zwischen den Regierenden und den Sorgen und Mei- Die Leser haben den mutigen Worten von Horst Krause in einem Interview zugestimmt. FOTO: ROBERT SCHLESINGER/DPA nungen der Bevölkerung. Das Interview mit Horst Krause sollte für alle Bundestagsmitglieder vom Bundestagspräsidenten zur Pflichtlektüre gemacht werden. Lothar Frohberg, Chemnitz Politiker haben Angst davor Das war ja mal ein mutiger Artikel. Ich glaube, dass dieser Mann so vielen Menschen in unserem Land total aus dem Herzen spricht. Ich glaube auch, dass so mancher Politiker ebenfalls so denkt, aber aus lauter Angst, in die rechte Ecke geschoben zu werden, immer nur bemüht sein muss, ja nichts Falsches zu sagen. Was für eine Freiheit ist das, wo und wann sind die Gedanken noch frei? Unsere Kultur ist schon am Ende, aber Geiz ist ja geil, was soll’s. Unserer Bundeskanzlerin waren die deutschen Werte vor Jahren sehr wichtig, man weiche nicht davon ab, war ihre Meinung. Wo sind diese Werte geblieben, wenn ich in der Zeitung lese, dass es 2070 in Deutschland mehr Muslime als Christen geben könnte? Wir sind eine Familie, die aus der deutschen Rolle fällt, denn wir haben vier Kinder und bisher acht Enkelkinder. Was müssen die Kinder einmal ausbaden? Man möchte gar nicht daran denken. Monika Müller, Oelsnitz Diskussion bringt nichts Seit 200 Jahren gibt es die Homöopathie. Seitdem gibt es immer wieder „Klügere“, die beweisen wollen oder müssen, dass sie Mist und unwirksam ist. Seit 200 Jahren aber gibt es viele Leute, denen sie hilft, aus welchen Gründen auch immer. Ein kluger Arzt sagte einmal: Alles, was hilft, ist gut. Welches Produkt hält sich 200 Jahre, wenn es nichts taugt? Warum muss man einen besonders „klugen“ Autor zu Wort kommen lassen und damit eine nichts bringende Diskussion eröffnen? Günter Barthel, Chemnitz Der Weg ist dabei völlig egal Jeder, der sich in einen Beruf begibt, Menschen helfen zu wollen, hat die Pflicht, den Mensch durch eine Krankheit oder Krise zu führen und ihn dabei zu stärken, damit er gesund und heil werden kann. Es ist dabei völlig egal, welchen Weg der Patient nimmt, er sollte nie seine positive Grundeinstellung verlieren und nach seiner eigenen inneren Stimme entscheiden dürfen. Ich bin als Heilpraktikerin tätig. Selbst wurde ich in meiner Kindheit eher von der Schulmedizin geprägt, aber schon als Kind wusste ich, dass man dadurch nicht allein gesund werden kann. Nur der Mensch, wenn er es auch wirklich will, kann heil und vollkommen gesund werden, da ist der Therapeut nur der Wegbegleiter. Unsere Gesellschaft lässt dafür häufig keine Zeit und setzt den Kranken durch gesellschaftliche Normen unter Druck. Krankheit ist immer ein Weg. Wenn dieser Weg gelingt, geht man daraus gestärkt hervor, und man erkennt häufig, was wirklich wichtig im Leben ist. Susanne Ramisch, Marienberg MEINUNGEN zum Einspruch „Schluss mir der Voreingenommenheit“, in der ein Arzt eine gegensätzliche Ansicht vertritt, lesen Sie in der nächsten Woche auf dieser Seite. Thema ganz ohne Beschönigungen Zum Artikel „Ein Quantum Trost“ auf der Titelseite der Osterausgabe: Es ist faszinierend, wie der Autor über dieses Thema schreibt. Da gibt es keine Beschönigungen, Gott wird nicht verteidigt, nicht erklärt. Es bleiben Fragen offen, und trotzdem wird Vertrauen zu diesem Gott ausgesprochen, der geheimnisvoll und unverständlich bleibt. Er ist nicht der „liebe Gott“, der Wunscherfüller, wenn wir artig sind. Er lässt dem Menschen seinen freien Willen; wir sind keine Marionetten. Er leidet mit seinen Geschöpfen. Auch seine Nachfolger erleben brutales Leid, Verbrechen und Krankheit. Aber Jesus hat den Weg für die Menschen in das Reich Gottes freigekämpft, den Tod „totgestorben“ und bietet uns allen ein Leben bei ihm an, das ewig dauert und nichts Negatives enthält. Diese Aussicht relativiert das Schwere in unserem Leben, weil es die Endgültigkeit verloren hat. Christian Henschel, Hohenstein-E.
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