Pressedossier KUNST FÜR ALLE Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck 18. März – 07. Juni 2015 Pressevorbesichtigung Dienstag, 17. März 2015, 10 Uhr Mit Klaus Staeck, Präsident der Akademie der Künste Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung Thomas Wagner, Kunstkritiker und Essayist Moderation: Johannes Odenthal, Programmbeauftragter der Akademie der Künste Inhalt Daten Pressetext Zur Ausstellung Künstlerliste Wandtexte in der Ausstellung Zur Publikation Vorwort von Klaus Staeck Veranstaltungen Vermittlungsprogramm KUNSTWELTEN Pressefotos Pressekontakt Im Auftrag der Akademie der Künste: Artefakt Kulturkonzepte Stefan Hirtz, Tel. 030 440 10 688 [email protected] Akademie der Künste Pressestelle Tel. 030 200 57-1514 [email protected] Stand: 13.03.2015 Daten Titel KUNST FÜR ALLE Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck Laufzeit 18. März – 07. Juni 2015 Ort Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin Tel. 030 200 57-2000, [email protected] Öffnungszeiten dienstags bis sonntags 11-19 Uhr Eintritt 6/4 €, bis 18 Jahre und dienstags von 15 bis 19 Uhr Eintritt frei Pressevorbesichtigung Dienstag, 17. März 2015, 10 Uhr Mit Thomas Wagner, Thomas Krüger, Klaus Staeck, Johannes Odenthal Ausstellungseröffnung Dienstag, 17. März 2015, 18 Uhr Mit Horst Bredekamp, Achim Freyer, Hermann Parzinger und Klaus Staeck Wöchentliche Führungen Donnerstags 18 Uhr, sonntags 11.30 Uhr, ohne Anmeldung Publikation Kunst für alle. Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck Herausgegeben von der Akademie der Künste, Berlin 2015 ca. 144 S., ca. 111 Farb- und s/w-Abbildungen, 18 € ISBN 978-3-88331-210-1 Gefördert von Bundeszentrale für politische Bildung Medienpartner Berliner Zeitung, GALORE, strassenfeger In Kooperation mit Mihai. Kulturplakatierung Konzept Klaus Staeck Realisierung unter Mitarbeit von Bettina Huber, Claudia Jansen, Kirsten Klöckner, Caro Rehberg, Rolf Staeck, Thomas Wagner Ausstellungsgestaltung Realisation Simone Schmaus, Antje Mollenhauer, Jörg Scheil, Isabel Schlenther und Mount Berlin Registrar Stefan Kaltenbach Vermittlungsprogramm Marion Neumann, Martina Krafczyk Publikation Julia Bernhard Ausstellungsgrafik und Buchgestaltung Christian Klier, Jonas Vogler, Berlin Die Akademie der Künste wird gefördert von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 2 Pressetext KUNST FÜR ALLE Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck Das Ausstellungsprojekt KUNST FÜR ALLE widmet sich einer bis heute aktiven Bewegung von Künstlern für eine Demokratisierung der Gesellschaft und des Kunstmarktes. Ausgangspunkt sind die 1960er Jahre, in denen Künstler ihre Unabhängigkeit von vorhandenen Institutionen suchten und zugleich bezahlbare Kunst für möglichst viele produzierten. Mittel zur Umsetzung und Symbol für diesen kultur- und gesellschaftspolitisch geprägten Ansatz war das Multiple, ein in höherer Auflage vervielfältigtes originäres künstlerisches Werk, das die Regeln des traditionellen Kunstbetriebs unterlief. Die Sammlung Staeck dokumentiert diesen Aufbruch in besonderer Weise. Sie umfasst neben der Edition Staeck auch Arbeiten von vergleichbaren Initiativen und Verlagen. Die Schau mit über 300 künstlerischen Exponaten sowie einer Vielzahl von Dokumenten zu politischen Aktionen und zur künstlerischen Selbstorganisation, vom Festival „intermedia ’69“ über alternative Kunstmessen bis zur 3. Bitterfelder Konferenz 1992, entwirft ein Panorama der Kunst seit den 1960er Jahren. Sie gibt auf ästhetisch unterschiedlichste Weise Einblick in die Geschichte eines gesellschaftspolitischen Aufbruchs und skizziert das Porträt einer unangepassten Künstlergeneration. KUNST FÜR ALLE zeigt Objekte, Grafiken, Künstlerbücher von mehr als 150 Künstlern, die dieses Demokratisierungsmodell unterstützt haben und bis heute tragen, darunter Joseph Beuys, Marcel Broodthaers, Christo, Hanne Darboven, Jochen Gerz, Rebecca Horn, Kirsten Klöckner, A. R. Penck, Sigmar Polke, Neo Rauch, Gerhard Richter, Daniel Spoerri, Rosemarie Trockel, Wolf Vostell. Die Ausstellung wird am 17. März von Horst Bredekamp, Achim Freyer, Hermann Parzinger und Klaus Staeck eröffnet. Sie ist begleitet von Veranstaltungen von und mit Akademie-Mitgliedern und Gästen, darunter das 57. bis 62. aus der Reihe der „Akademie-Gespräche“ des Präsidenten Klaus Staeck, Filmen, Konzerten sowie einem umfangreichen Vermittlungsprogramm. Die Künstlerin Kirsten Klöckner lädt auf Facebook in einen virtuellen Kunstraum ein: www.facebook.com/KUNSTFUERALLE. Die reich bebilderte Publikation „Kunst für alle“ enthält unter anderem Originalbeiträge von Claudia Jansen, Oskar Negt, Thomas Wagner und Stephan von Wiese. Eine Ausstellung der Akademie der Künste, gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 3 Zur Ausstellung Mit der Ausstellung „KUNST FÜR ALLE. Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck“ widmet sich die Akademie der Künste den Kunstentwicklungen und Ideen, die von einer seit den 1960er Jahren existierenden, bis heute international aktiven Bewegung von Künstlern für die Demokratisierung der Gesellschaft und des Kunstmarktes ausgehen. Was der Künstler und Verleger, der kulturpolitische Aktivist und engagierte Demokrat, der Zeitzeuge und Sammler Klaus Staeck hier erstmals so umfassend zeigt, umspannt ein Panorama der Kunst seit den 1960er Jahren und der gesellschaftspolitischen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Schon vor 1968 gehörten Künstler zu den ersten, die die Erstarrung der Nachkriegsgesellschaft und ihres traditionellen Kunstbetriebs aufbrechen wollten. Künstlerischer Ausdruck dieses Freiheitsgedankens war das Multiple, das in höherer Auflage vervielfältigte originäre künstlerische Werk, mit dem Künstler fast aller stilistischer und konzeptioneller Richtungen die Regeln des Kunstmarktes unterliefen, indem sie bezahlbare und zugleich höchste avantgardistische Ansprüche vertretende Kunst für möglichst viele produzierten. Verbunden damit waren aktiv und mutig betriebene Initiativen der Selbstorganisation, mit denen eine unangepasste Generation von Künstlern Unabhängigkeit von den überkommenen Institutionen suchte und freiere, egalitäre Produktionsbedingungen schuf. Klaus Staeck gehört als Künstler zu den Miterfindern dieser Auflagenkunst, war schon früh einer ihrer Protagonisten und ist bis heute einer ihrer bedeutendsten Verleger. Seine Sammlung umfasst, neben den von der Edition Staeck publizierten, hunderte von Arbeiten vergleichbarer Initiativen und Verlage. Lässt sich der Zustand einer Gesellschaft am Interesse für vervielfältigte Kunst-Originale ablesen? Klaus Staecks These und ein Leitmotiv seines Sammelns und Schaffens provoziert weitere Fragen: Welche Kunst soll heute für ‚alle‘ da sein und wer sind wir – alle, an die die Kunst sich richtet, die sie in Auftrag geben, bezahlen, öffentlichen Umgang mit ihr pflegen, ihre Freiheit schützen – aktuelle und politische Fragen also. Dabei folgt sie nicht einer historischen Chronologie und nimmt keine kunstwissenschaftlichen Eingrenzungen vor. Auf ästhetisch überraschende Weise, assoziativ, dokumentarisch, narrativ inszeniert, lädt sie zur gedanklichen Partizipation ein. Im Zentrum der Ausstellung sind wie eine großräumige Collage in direkter Zusammenschau mehr als 300 Multiples und Grafiken zu sehen, darunter einige der berühmtesten Objekte der Auflagenkunst. Joseph Beuys, den mit Klaus Staeck eine lebenslange kongeniale Partnerschaft verband, und der bis heute von der Edition Staeck verlegt wird, ist mit mehr als vierzig seiner Objekte vertreten, neben Marcel Broodthaers, Christo, Hanne Darboven, Felix Droese, Robert Filliou, Jochen Gerz, Erwin Heerich, Rebecca Horn, Kirsten Klöckner, Mauricio Kagel, Jannis Kounellis, Rune Mields, Harald Naegeli, Yoko Ono, Nam June Paik, Blinky Palermo, A. R. Penck, Sigmar Polke, Neo Rauch, Gerhard Richter, Dieter Roth, Daniel Spoerri, Rosemarie Trockel, Günther Uecker, Wolf Vostell und vielen weiteren, mehr als 150 Künstlern, die hier vereint zu sehen manchen auch überraschen mag. Als Verleger und Sammler ging es Klaus Staeck, wie der Kunstkritiker Thomas Wagner im Buch zur Ausstellung schreibt, „bewusst nicht darum, nur die eigene Vorstellung von Kunst bestätigt zu sehen. Was zählt, ist die Breite des Spektrums … Kollegen aus Ost und West, Gleichgesinnte und Andersdenkende, erfolgsverwöhnt oder nicht, in ihren Werken offen politisch oder hermetisch bis idiosynkratisch, mal ironisch, mal mahnend oder einfach nur künstlerisch überzeugend – ob zur Pop Art, zur Konzeptkunst, zum Informel, KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 4 zur Minimal Art oder irgendeiner anderen Spielart zu rechnen – wurden unter dem Dach der Kunst als einem offenen Medium und über das Prinzip von Grafik-Editionen und Auflagenobjekten vereint“. Das zweite, nicht minder wichtige Kapitel handelt von den Veränderungen der Kunstwelt durch die Künstler selbst. Es wird eröffnet durch eine mediale Rauminszenierung zum Festival „intermedia ʼ69“, dem legendären, im Verlauf nahezu anarchisch ausgeuferten „Versuch, Kunst und Gesellschaft in einer Produktionsöffentlichkeit zusammenzubringen und mit allen daraus resultierenden Folgen aufeinander reagieren zu lassen“ (Thomas Wagner). Material-Tableaus aus gedruckten und fotografischen Sammlungsraritäten bilden eine anschauliche Struktur. Alternative Kunstmessen, Produzentengalerien, Versandkunsthandel, Künstlerkollektive, experimentelle Zeitschriften, Namen wie Editions Agentzia, General Idea, Grapus, zehn neun Kunstproduktions- & Vertriebsgesellschaft mbH, 7. Produzentengalerie, Künstlergruppe Clara Mosch und andere stehen für die vielen einfalls- und auch risikoreichen Wege abseits des institutionalisierten und des kommerziellen Kunstbetriebs, ohne die die Freiheit der heutigen Kunstproduktion nicht zu denken ist. Wie Interventionen zeigen sich überall von Künstlern entworfene Postkarten – das kleinste und vielseitigste Format eines Multiples – Künstlerplakate und Aktionsfotos. Immer wieder tritt Klaus Staeck auch selbst ins Bild, als Ideengeber, Motor und Organisator vieler unabhängiger Aktionen, mit denen Künstler, von der Anti-Bild-Kampagne „Wir arbeiten nicht für Springer-Zeitungen“ 1980 bis zur 3. Bitterfelder Konferenz 1992 das „Niemandsland zwischen Kunst und Politik“ (Klaus Staeck) künstlerisch besetzten. Der öffentliche, egalitäre Umgang mit Kunst muss von jeder Generation neu erprobt werden, in der demokratischen Gesellschaft, die sich in ihr kritisch widerspiegeln, sie als kollektives Gedächtnis befragen, ihre utopischen Entwürfe durch sie sichtbar werden lassen möchte. Klaus Staeck plädiert auch als Präsident der Akademie der Künste für ein offenes und Position beziehendes Auftreten überall dort, wo Kunst unmittelbar aufklärerisch und solidarisierend wirken kann, die von ihm initiierte Reihe der Akademie-Gespräche hat viele aktuelle und auch strittige Themen aus Kunst und Gesellschaft zum Gegenstand. Das Veranstaltungsprogramm zur Ausstellung „KUNST FÜR ALLE“ diskutiert im 57. bis 62. AkademieGespräch heutige Handlungsmöglichkeiten und stellt aktuelle Konzepte einer „Musik für alle“ vor, AkademieMitglieder erinnern an wichtige Entwicklungen im künstlerisch-politischen Dokumentarfilm, an das Mitbestimmungstheater und an die Gründungszeit der Kunstvereine, ein umfangreiches Vermittlungsprogramm mit Aktionen und Führungen für Schulklassen und Jugendliche begleitet die Ausstellung. KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 5 Künstlerliste Carlo Otmar Gabor HP Horst Alfano Alt Altorjay Alvermann Antes Arman Art Workers Coalition Michael Badura Nino Barbieri Thomas Bayrle Bernd und Hilla Becher Joseph Beuys Bernhard Johannes Blume Hilmar Boehle Claus Böhmler Raimund Böll Victor Bonato George Brecht KP Brehmer Marcel Broodthaers Klaus vom Bruch Ursula Burghardt Klaus Burkhardt Manfred Butzmann Rafael Canogar Mario Ceroli Christo Kiddy Citny Clara Mosch Carlfriedrich Claus Lutz Dammbeck Hanne Darboven Antônio Dias Herbert Distel Felix Droese Franz Eggenschwiler Olafur Eliasson Equipo Crónica Ulrich Erben Hans Martin Erhardt Uwe Esser Gottfried Faßbender Hans-Peter Feldmann Robert Filliou Thomas Florschütz Y. Fongi Rupprecht Jochen Moritz Dan Götz Günter Monika Hans Joe Dieter Richard Keith Erwin Marten Anatol Albert Dick June Ottmar Rebecca Olimpia Thomas Peter Jörg Joachim Siegfried Mauricio Dani Gunther Siegfried Astrid Kirsten Karin Axel Kiki Christof Jannis Karl Heinz Thomas Via Oskar Denis Wolfgang Geiger General Idea Gerz Götze Graham Gramlich Grapus Grass Günther Haacke Hackbarth Hacker Hamilton Haring Heerich Hendriks Herzfeld Hien Higgins Hildebrand Hörl Horn Hruska Huber Hutchinson Immendorff Jansong Kaden Kagel Karavan Keusen Kischko Klein Klöckner Kneffel Knopp Kogelnik Kohlhöfer Kounellis Krüll Lenk Lewandowsky Man Ray Manigk Masi Mattheuer KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 6 Christoph Jonathan Klaus Olaf Rune Bernd Ernst Manfred Lienhard von Philippe Tony Michael Harald Christa Peter Maurizio Siegfried Max Carsten Olaf Wolfgang Ansgar Werner Markus Yoko Eduard C.O. Robin Nam June Blinky Bert A.R. Wolfgang Wolfgang Georg Karl Sigmar Lubomír Arnulf Thomas Neo Wolfgang Raffael Chris Gerhard Klaus Reiner Meckel Meese Mettig Metzel Mields Minnich Mitzka Mohr Monkiewitsch Mora Morgan Morgner Naegeli Näher Nagel Nannucci Neuenhausen Neumann Nicolai Nicolai Niedecken Nierhoff Nöfer Oehlen Ono Ovčáček Paeffgen Page Paik Palermo Panamarenko Papenfuß Penck Petrick Petrovsky Pfahler Polke Přibyl Rainer Ranft Rauch Reindel Rheinsberg Reinecke Richter Rinke Roemer Dieter Borislav Karin Karl Felix Rolf Emil Martin Reiner Fritz Katharina Roman Leszek Peter Pravoslav Giangiacomo Daniel Klaus Rolf André Richard Roland Horst Rosemarie Günther Max Timm Tomi Ben Emilio Ernst Young Wolf Henning Andy Ryszard Olaf Günter Kurt Stefan Mikael Rainer Claus-Peter Erwin Walter Roth SALTOARTE Sajtinac Sander Schaper Schlenker Schneider Schumacher Schwarz Schwarz Schwegler Sieverding Signer Sobocki Sorge Sovak Spadari Spoerri Staeck Staeck Strawalde Thomkins Tipping Topor Tress Trockel Uecker Uhlig Ulrichs Ungerer Vautier Vedova Volland Voss Vostell Wagenbreth Warhol Wasko Wegewitz Weseler Westergaard Wewerka Witte Wittenborn Wittig Wortelkamp Zimbrich KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 7 Wandtexte in der Ausstellung KUNST FÜR ALLE Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck Die Ausstellung entwirft ein Panorama der Kunst nach 1945 und der gesellschaftspolitischen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Mehr als 300 Multiples und Grafiken werden in einer Collage ausgebreitet. Darunter sind einige der berühmtesten Objekte der Auflagenkunst, mit der Künstler wie Joseph Beuys, Hanne Darboven, Daniel Spoerri, Wolf Vostell und viele andere seit den 1960er Jahren die Regeln des Marktes unterliefen und für eine Demokratisierung der Gesellschaft, der Kunst und des Kunstmarktes eintraten. Postkarten und Plakate zu politischen Aktionen, Rauminszenierungen und Materialtableaus zu einfallsreichen Initiativen der Selbstorganisation, zur intermedia ’69, zu alternativen Kunstmessen und zur 3. Bitterfelder Konferenz 1992 dokumentieren die Veränderung der Kunstwelt durch die Künstler selbst. Joseph Beuys hat die Alternative präzise benannt, als er in Bezug auf seine eigenen Multiples feststellte: „Ich bin interessiert an der Verbreitung von physischen Vehikeln in Form von Editionen, weil ich an der Verbreitung von Ideen interessiert bin.“ Exemplarisch für eine erfolgreiche Art der Selbstorganisation zur Sicherung geistiger Freiheit und ökonomischer Unabhängigkeit stehen einerseits die Aktivitäten von Klaus Staeck selbst. An erster Stelle die Edition Staeck und deren Programm, Kunst und ihren Betrieb nicht als exklusives Terrain zu begreifen und ohne Auftrag und auf eigene Rechnung bezahlbare Kunst für alle und jeden anzubieten. Sodann die zahlreichen, von Staeck initiierten und organisierten politischen Aktionen, Konferenzen und Ideentreffs. Andererseits teilte Klaus Staeck den Ansatz, sich in Produktion und Vertrieb unabhängig zu machen, Grafiken und Multiples in gemeinsam gegründeten Editionen zu vertreiben, in den 1960er und 1970er Jahren mit zahlreichen anderen Initiativen. Einiges, was andere Künstler, Künstlergruppen und -kollektive, Produzentengalerien, Editionen und Autorenverlage produziert, ausgestellt und angeboten haben, hat Staeck gesammelt. Sichtbar wird also auch eine Art des Sammelns, die sich verpflichtet fühlt, der selten gradlinigen Verbreitung von Ideen, kritischen Ansätzen und Utopien ebenso nachzugehen wie den gescheiterten Hoffnungen, die auch damit verbunden sind. Was der Künstler, Verleger, Zeitzeuge und Sammler Klaus Staeck hier erstmals umfassend ausstellt, zielt auf Veränderung, hat eine andere Kunst und eine andere Politik im Sinn. Stets wird der selbstgewählten und selbstverursachten Wirkungslosigkeit von Kunst eine Absage erteilt und Einspruch erhoben gegen die Willkür defizitärer Verhältnisse. Was sich in unterschiedlichen Arten der Selbstorganisation und in künstlerischen Werken ästhetisch überaus reichhaltig entfaltet, ist die Vision einer für alle rezipierbaren, Ideen stiftenden Kunst im Dialog mit der Zeit. Gefördert von der Bundeszentrale für politische Bildung In Kooperation mit Mihai. Kulturplakatierung intermedia ’69 Die intermedia ’69 fand vom 16. Mai bis zum 22. Juni 1969 in Heidelberg statt. Als Veranstalter traten auf: Friedrich Gerling, Jochen Goetze (ag kunst am klausenpfad) und Klaus Staeck (edition tangente). Auf dem Programm standen „environment – objekte – film – aktionen – happening – exp. musik – information“. Die Idee war in Reaktion auf eine geplante Jubiläumsausstellung des Heidelberger Kunstvereins zur „Plastik der Gegenwart“ entstanden. Provinz sollte als Herausforderung begriffen werden. Staeck beschreibt es so: „Nicht flüchten in die Zentren, sondern Terrainerweiterung außerhalb der Metropolen war unser Arbeitsansatz. Ausschwärmen, Rückkopplung, Stützpunkte ausbauen, nicht einigeln, aufeinanderhocken. Es ging nicht um den Ausbau des Elfenbeinturms, sondern um seine Sprengung.“ KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 8 Die Kunst fand tatsächlich nicht mehr „im Saale“ statt. Es wurden Tabugrenzen überschritten und neue Veranstaltungsformen erprobt. Hemmungslos eroberten und veränderten Künstler und Kunst für alle sichtbar die Stadt, die Straße – und ein Studentenwohnhaus (am Klausenpfad). Kunstrichtungen und Medien waren so bunt gemischt wie die Liste der Teilnehmer. Christo verhüllte das Heidelberger Amerika-Haus und sorgte für Schlagzeilen. „– intermedia war der Höhepunkt des ständigen Versuchs, Kunst und Gesellschaft zusammenzubringen – intermedia sägte am überkommenen Kunstbegriff – intermedia fand außerhalb der traditionellen Kunsträume statt – intermedia war ein Protest gegen die ewige Provinz – intermedia war ein Ausblick auf die Kunst der 1970er und 1980er Jahre – intermedia hatte Folgen.“ (Klaus Staeck) Selbstorganisationen Sich selbst organisieren, frei und unabhängig agieren – der Wunsch ließ in den 1960er und 1970er Jahren, von ihrem jeweiligen Programm abgesehen, zahlreiche Künstlerinitiativen, Editionen, Produzenten- und Autorenkollektive entstehen. Parolen und Schlachtrufe gab es viele, mit denen der Aufbruch in eine selbstbestimmte Zukunft bekräftigt wurde. „Image is a virus“ lautete einer der Slogans des kanadischen Künstlerkollektivs General Idea, denn wie ein Virus sollten Bild und Botschaft eine möglichst breite Öffentlichkeit infizieren. Das Plakat, das der Künstler Dieter Hacker 1971 zur Eröffnung seiner 7. Produzentengalerie in Berlin entwarf, sagt es drastischer: „Tötet Euren Galeristen. Kollegen! Gründet Eure eigene Galerie. Gründet eine Produzentengalerie.“ Unter anderem entstanden 1967 die Editions Agentzia auf Initiative von Jean-François Bory und Jochen Gerz auf der Basis einer experimentellen Zeitschrift. 1968 gründete Albrecht/d. in Stuttgart die Reflection Press, einen Verlag, der künstlerische Ideen im günstigen, handgefertigten Format verbreitete. 1969 waren es in New York Jon Hendricks, Jean Toche und Poppy Johnson, die als Guerilla Art Action Group – GAAG mit politischen Kunstaktionen und Performances auf sich aufmerksam machten. Zur selben Zeit wurde in Toronto von Felix Partz, Jorge Zontal und AA Bronson das Kollektiv General Idea ins Leben gerufen. In München nannte sich die Kunstproduktions- & Vertriebsgesellschaft mbH zehn neun nach der Nummer ihres Postfachs und bezeichnete sich als „genossenschaftlichen Kunstvertrieb“. Und in der DDR waren es Carlfriedrich Claus, Thomas Ranft, Dagmar Ranft-Schinke, Gregor-Torsten Schade (alias Kozik) und Michael Morgner, die 1977 in Karl-MarxStadt, dem heutigen Chemnitz, die Produzentengalerie Clara Mosch gründeten. Editions Agentzia (1967–1971) Agentzia entstand auf Initiative von Jean-François Bory und Jochen Gerz und war in den ersten zwei Jahren eine experimentelle Zeitschrift. 1969 beschlossen die beiden Gründer, einen Künstlerverlag zu betreiben. Bis 1972 erschienen 32 Publikationen, an denen unter anderem William S. Burroughs, A. R. Penck, Wolf Vostell und Carl Weissner beteiligt waren. Neben dem Magazin wurden Objekte, Bücher, Plakate, Hefte und Aufkleber vertrieben. Man sah sich als Teil der Gesellschaft durch Kunst. „Ich selbst kam 1966 nach Paris […]. Bory und ich trafen uns bei einem Vortrag von Max Bense im Goethe-Institut von Paris, zu dem ich gemeinsam mit Manfred Mohr ging. Es war Bekanntschaft und Freundschaft und eine neue Stadt in einem neuen Land, doch 1968 hat dann für mich einen Einschnitt bedeutet und eine größere Öffnung hin zur Gesellschaft (und zur Kunst, die ein offeneres Medium für unsere Fragen war als Literatur). Insofern war 1968 wichtiger für die weitere Entwicklung als die spannende Zeit von Agentzia. Umgekehrt stimmt auch, dass es ohne Agentzia 1968 für mich nicht gegeben hätte.“ (Jochen Gerz) KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 9 Reflection Press (1968–2013) Albrecht/d. (Dietrich Albrecht) gründete 1968 die Reflection Press, um künstlerische Ideen im günstigen, handgefertigten Format zu vertreiben. In seiner künstlerischen Arbeit beschäftigte sich Albrecht/d. mit Happening, Fluxus(-Konzerten) und Mail-Art. Er war, wie Klaus Staeck, Hans Haacke, KP Brehmer, Gustav Metzger an der Ausstellung „Art into Society – Society into Art. Seven German Artists“ 1974 in London beteiligt und hielt dort ein spontanes Konzert mit Joseph Beuys ab, über das Christos M. Joachimides schrieb: „In den ersten Tagen der Ausstellung hat Albrecht D. zusammen mit Beuys ein Konzert in der Fluxus-Tradition gemacht, das englische Schulkinder, die die Ausstellung besuchten, zum Mitspiel animierte und sich zu einem großen überschwenglichen Spielereignis ausweitete.“ Ein künstlerisches Konzert wurde ganz im Sinne der Veranstalter zum Mitmachprojekt. Aufgrund der Eigenschaft von Happening und Fluxus als temporären Ereignissen widmete sich eine Ausgabe der Reflection Press von 1974 der Dokumentation des Konzerts, eine Langspielplatte erschien ebenfalls. General Idea (1969–1994) Felix Partz, Jorge Zontal und AA Bronson riefen in Toronto das Kollektiv General Idea ins Leben. Mit der Aneignung der Massenmedien wollten die Künstler sich von ihrer Außenseiterposition ins gesellschaftliche Bewusstsein drängen. 1972–1989 brachten sie das FILE Megazine heraus, mit dem sie das US-amerikanische Magazin LIFE in Farbe, Typografie und Heftgröße kopierten. 1974 gründeten sie das selbstorganisierte Künstlerzentrum Art Metropole, um Magazine, Künstlerbücher und Mail-Art verschiedener Künstler herauszugeben und Ausstellungen zu veranstalten. Einer ihrer Slogans „Image is a virus“ beschreibt ihren Ansatz: Wie ein Virus soll sich das Bild ins Gedächtnis einprägen. In diesem Zusammenhang wandelte General Idea das Bild LOVE (1966) von Robert Indiana 1988 zu einer neuen Aussage, AIDS, indem Typografie, Farbgebung und Hintergrund desselben kopiert und lediglich die Buchstaben ausgetauscht wurden. Neben unzähligen Vervielfältigungen wurde dieses „Logo“ 1989 in Leuchtschrift am Times Square gezeigt. General Idea profitierte vom Bekanntheitsgrad bereits existierender Arbeiten oder Produkte in offener, bewusster Aneignung und Veränderung derselben. Partz und Zontal starben 1994 an Aids, AA Bronson arbeitet heute in Paris und Berlin. Grapus (1970–1990) Die Gründer der Grafikergruppe Grapus, François Miehe, Gérard Paris-Clavel und Pierre Bernard, lernten sich 1968 in Paris beim Studium an der École nationale supérieure des arts décoratifs kennen. Der Mai ’68 prägte das Bewusstsein ihrer Generation, alle drei traten der Kommunistischen Partei Frankreichs (PCF) bei. Die erste gemeinsame Arbeit war eine Serie von neun Plakaten zum Vietnamkrieg Un peuple uni et détérminé pour son indépendance (1970). 1975 stieß Jean-Paul Bachollet zur Gruppe, 1976 Alex Jordan. Wesentlich für die Künstler war das Auftreten im Kollektiv, die Anwendung einer gemeinsamen Signatur als Gegenposition zum Individualismus. In den Anfangsjahren wurden insbesondere Plakate für die PCF oder den Gewerkschaftsbund CGT entworfen. Man wollte mit der künstlerischen Arbeit die Welt verändern. „On ne va pas mettre ça au service de l’économie marchande, on va mettre ça au service d’un projet de transformation du monde!“ (François Miehe) 1990 löste sich die Gruppe auf, einige Mitglieder gründeten neue Initiativen, die bis heute fortbestehen. 7. Produzentengalerie (1971–1984) Dieter Hacker eröffnete 1971 die 7. Produzentengalerie in Berlin, ab 1972 erschien die gleichnamige Zeitschrift. Das Plakat „Tötet euren Galeristen. Kollegen! Gründet Eure eigene Galerie. Gründet eine Produzentengalerie.“ zur Eröffnung beschreibt deutlich die Absicht, sich selbst zu organisieren. Hacker hatte daher schlicht sein Atelier zur Galerie umfunktioniert, um dort frei von den Zwängen des Kunstmarkts KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 10 Ausstellungen präsentieren zu können. Da aber „ein Prolet allein noch keine Revolution machen kann“, forderte er die unbedingte Zusammenarbeit aller Produzentengalerien. „Im Sinne der kommunistischen Kulturrevolution und im Geiste der sich in viele konkurrierende Mini-Parteien und dogmatische Politsekten atomisierenden Studentenbewegung kritisiert auch er [Dieter Hacker] als politisch bewusster Künstler des Westens die Kunst als kleinbürgerlich-individuelle Produktion von Werken, die in Galerien verkauft werden. Die Kunst soll dem Volke dienen.“ (Eckhart Gillen) Clara Mosch (1977–1982) In der DDR war die gesellschaftliche Ausgangsposition für Künstlerinnen und Künstler eine andere als in den kapitalistischen Ländern. Kunst sollte von Beginn an am Aufbau der sozialistischen Gesellschaft mitwirken und viele Künstler wollten sich auch politisch-gesellschaftlich betätigen. Jedoch wurde Künstlern, die nicht den Weg des figurativ-realistischen Gestaltens beschritten, die Anerkennung durch Ausstellungen erschwert beziehungsweise verweigert. 1977 gründeten Carlfriedrich Claus, Thomas Ranft, Dagmar Ranft-Schinke, Michael Morgner und Gregor-Torsten Schade (alias Kozik) in Karl-Marx-Stadt die Produzentengalerie Clara Mosch (ein Akronym aus den Namen der Gründer). Der Fotograf Ralf-Rainer Wasse komplettierte die Gruppe etwas später. Am Ort der Galerie sollte sich Kunst entfalten können, die von staatlicher Seite missbilligt wurde. Im Vorfeld wurden die Betreiber vom Verband Bildender Künstler der DDR aufgefordert, sich für ihr Vorhaben zu rechtfertigen: Vertreter der SED und des Bezirksrates verlangten eine Zusammenarbeit mit dem Kulturbund, andernfalls werde die Galerie geschlossen. Die Künstler stimmten zu und konnten eröffnen. Sie machten vor allem mit Happenings und Pleinairs auf sich aufmerksam, die allesamt von Wasse fotografisch dokumentiert wurden. Etwa 120 „inoffizielle Mitarbeiter“ des Ministeriums für Staatssicherheit, unter ihnen auch der Fotograf, sollten für die Zersetzung der Gruppe sorgen, die sich schließlich 1982 auflöste. Objekte und Grafiken (Multiples) Wo Galerien und Händler über den Absatz von Werken entscheiden, sind Künstlerinnen und Künstler mehr oder weniger fremdbestimmt. In den 1960er Jahren forderte eine Kunstproduktion neuen Typs mit grafischen Editionen in hoher Auflage und mit multiplizierten Objekten – sogenannten Multiples – die tradierten Praktiken des Kunsthandels heraus. Es wurde nicht allein über die Demokratisierung der Kunst diskutiert. Um Abhängigkeiten zu reduzieren und breite Sammler- und Publikumsschichten zu erreichen, wurden alternative Wege der Produktion und Distribution entwickelt. Zahlreiche Künstlerinitiativen mit ähnlichen, Beteiligung einfordernden Zielen entstanden und machten auf ungewöhnliche Kunstformen und aktuelle politische Themen aufmerksam. Auch die Edition Staeck, 1965 als edition tangente in Heidelberg gegründet und 1972 in Edition Staeck umbenannt, ist aus diesem Geist des Aufbruchs hervorgegangen. Im Unterschied zu vielen anderen Künstlerinitiativen ist sie bis heute aktiv und wirksam geblieben. Entscheidend dafür sind mehrere Faktoren: Die Edition war stets Teil einer Gesamtstrategie zur Sicherung von Staecks eigener Unabhängigkeit – oder hat sich zumindest in diese Richtung entwickelt. Die in der Edition vertretenen Künstler sind für Staeck immer zuerst Kollegen und erst dann Geschäftspartner. Und bei der Auswahl der Positionen hat es nie eine Rolle gespielt, zu welcher Kunstrichtung ein Künstler gezählt wurde, ob er aus dem Osten oder Westen stammte, mehr oder weniger erfolgreich oder gar mit Staeck politisch einer Meinung war. Bis heute zielt das Panorama der Kunst nach 1945 der Edition Staeck darauf ab, Denkanstöße zu geben und gewohnte Sichtweisen in Frage zu stellen. KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 11 Aktionen Wer politisch tätig werden will, ist gut beraten, sich nach Partnern umzusehen. Wer für die Verbreitung politisch-künstlerischer Inhalte eintritt, muss mit den Leuten reden, sich einmischen, Flagge zeigen, Andersdenkende zu überzeugen suchen. Dementsprechend hat sich das Ausbrechen aus dem Kunstghetto auch in Aufrufen, Aktionen, Ideentreffs und Initiativen niedergeschlagen. Staeck hat derart viele von diesen lockeren Organisationsformen, die mit einem Minimum an Bürokratie auskommen, ins Leben gerufen, mitgegründet oder unterstützt, dass sie sich nicht mehr zählen lassen. Weit gefächert ist auch das Spektrum der Themen und aktuellen Fragen aus Politik, Medien und Kultur, die angepackt und diskutiert werden. Bei der Aktion „Wir betreten den Kunstmarkt“ erzwangen Beuys, Vostell, der Galerist Rywelski und Staeck 1970 durch lautstarkes Klopfen mit Schlüsseln gegen die Glastüren der Kölner Kunsthalle die Öffnung des Kunstmarktes. 1973 gründete Beuys gemeinsam mit Staeck, Georg Meistermann und Willi Bongard die „Free International University“ (FIU). 1977 war es der „Arbeitskreis Medien“, der sich für eine Stärkung des öffentlichrechtlichen Rundfunksystems einsetzte. 1978 hieß es „Stoppt Dregger“. Und 1979 entstand die unabhängige Bürgerinitiative „Freiheit statt Strauß. Aktion für mehr Demokratie“, die in mehr als 200 Veranstaltungen über 150.000 Menschen erreichte. Staeck engagiert sich in der SPD, diskutiert mit Gewerkschaftern und Unternehmern, organisiert Widerstand gegen Nazi-Kunst in Museen und den Rückzug des Staates aus der Finanzierung von Kultur. 1992 lud er zusammen mit Eugen Blume und Christoph Tannert unter dem Motto „Kunst. Was soll das?“ zur 3. Bitterfelder Konferenz ein. 1994–1998 veranstaltete er zusammen mit Hans Misselwitz und Oskar Negt Ideentreffs, um Intellektuelle für einen Regierungswechsel zu mobilisieren. KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 12 Veranstaltungsprogramm im Rahmen von KUNST FÜR ALLE Akademie-Gespräche, Dokumentarfilme und Gespräche, Konzerte Eintritt frei Do, 26.3., 19 h 57. Akademie-Gespräch „Die Publikumsmaschine“ Anja Caspary (Radiojournalistin) im Gespräch mit Herbert Fritsch (Schauspieler und Regisseur), Peter Licht (Musiker und Autor), Klaus Staeck Applaus! Ein Publikum soll interessiert und meinungsfähig sein. Ein Publikum, dem es nicht freisteht, wegzulaufen, ist keines. Ein Publikum ist Teil eines Systems. Wie eine Belohnungs- oder Verurteilungsmaschine entwickelt es eine Eigendynamik, der sich der Künstler aussetzt, vielleicht sogar ausliefert. Oder ist der Künstler bloße Projektionsfläche und damit der beliebige Teil des Systems? Kann Publikums-Teilhabe die Demokratisierung von Kunst fördern? Oder findet Kunst immer abgekoppelt vom wirklichen Leben statt? Ein Akademie-Gespräch über die Stellschrauben einer Maschine, ohne die das Werk zwar autonom, der Künstler jedoch sehr allein wäre. Applaus? Sa, 28.3., 19 h 58. Akademie-Gespräch „Nicht einknicken! 12 Wochen nach Charlie Hebdo“ Bettina Huber (Akademie der Künste) im Gespräch mit Katharina Greve (Cartoonistin u. a. für TITANIC), Thomas Krüger (Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung), Aiman A. Mayzek (Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland), Til Mette (Cartoonist für den stern), Klaus Stuttmann (Karikaturist u. a. für den Tagesspiegel) und Klaus Staeck In den ersten Tagen nach dem Mordanschlag auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo kannten die Medien kein anderes Thema. Der Angriff auf das Herzstück der Demokratie, die Meinungs- und Pressefreiheit, wog schwer. Noch nie wurde der Satire als Lackmustest für die freie Meinung so viel Beachtung geschenkt. Nach den Attentaten sei nichts mehr wie zuvor, hieß es allenthalben. Blasphemie-Paragraph, Zensur, Islamophobie, Pegida – eine Welle von drängenden Problemen und Fragen rollte auf uns zu, die so manche vernünftige Überzeugung infrage stellte. Je unübersichtlicher die Lage, desto einfacher die Ansichten? Es ist, den Gesetzen der Aufmerksamkeitsökonomie folgend, inzwischen wieder ruhiger geworden um das Thema Kunstfreiheit. Zeit, sich erneut über die Zuspitzungen, Störungen und Provokationen der Satire zu verständigen. Ist sie um jeden Preis zu verteidigen? Dass sie keine Nebensache ist, haben die Ereignisse in Paris und auch in Kopenhagen auf entsetzliche Weise bewiesen. Keine Kunst Die Veranstaltungen „Keine Kunst“ sind filmische Beiträge zur Ausstellung KUNST FÜR ALLE. In den 1960/70er Jahren war es unter jungen Filmemachern verpönt, die eigene Arbeit „Kunst“ zu nennen. Vielmehr verstand man die Kamera als Aufklärungsinstrument, mitunter sogar als Waffe, in Anlehnung an die revolutionären Bewegungen in der „Dritten Welt“, mit der sich viele solidarisierten. Filmische Experimente wurden als unpolitisch vehement abgelehnt. Dabei übersah man, dass diese Experimente auf eine Veränderung des Sehens hinwirkten und dadurch auf ihre Weise zu einer Aufklärung beitrugen. Der Film exprmntl 4 knokke von Claudia von Alemann dokumentiert dies beispielhaft. Im Fernsehen waren Fragen nach Kunst in jener Zeit nachgeordnet. Hier ging es eher, wie Hans-Dieter Grabe beschreibt, darum, der Gefahr der „Schere im Kopf“ zu entgehen. KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 13 Do, 9.4., 19 h Keine Kunst. Dokumentarfilme und Gespräche Filme von Claudia v. Alemann und Hans-Dieter Grabe Gespräch Claudia von Alemann, Hans-Dieter Grabe, Jeanine Meerapfel exprmntl 4 knokke Film von Claudia von Alemann und Reinold E. Thiel. Kamera: Horst Bever, Ton: Manfred Maenicke, Schnitt: Hansjosef Hüls, s/w, BRD 1967/68, 45 Minuten Vom 25. Dezember 1967 bis zum 2. Januar 1968 fand im damals leer stehenden Kasino des belgischen Seebads Knokke-le-Zoute die legendäre „exprmntl 4“ statt, seinerzeit das Mekka des unabhängigen experimentellen Films in Europa und den USA. Nur leichte Kämpfe im Raum Da Nang Film von Hans-Dieter Grabe. Kamera: Carl-Franz Hutterer, Schnitt: Elfi Kreitter, ZDF, 1970, 44 Minuten 1970 war der Krieg in Vietnam mangels spektakulärer Ereignisse in den Medien fast in Vergessenheit geraten. Nur noch selten – wenn überhaupt – wurde er mit Formulierungen wie „Nur leichte Kämpfe im Raum Da Nang“ erwähnt. Die Auswirkungen dieser ‚leichten Kämpfe‘ zeigt der Film an Bord des deutschen Hospitalschiffes „Helgoland“. Di, 14.4., 19 h 59. Akademie-Gespräch Keine Kunst. Dokumentarfilme und Gespräche Filme von Georg Stefan Troller, Gespräch mit Klaus Staeck, Moderation Rüdiger Suchsland Die Filme von Georg Stefan Troller haben Fernsehgeschichte geschrieben. Drei von ihnen aus den 1970er Jahren werden an diesem Abend gezeigt: La Violencia. Gewalt in Guatemala (WDR, 1971/1972, 43 Min.) erzählt von der Landbevölkerung unter der Herrschaft des Militärs und des amerikanischen BananenImperiums United Fruit Company. Eugene Smith. Wer weint warum in Minamata (ZDF, 1975, 28 Min.) dokumentiert eine Umwelttragödie in dem südjapanischen Städtchen Minamata: Ein Chemiewerk hat seinen Giftmüll in die Bucht abfließen lassen. Ron Kovic. Warum verschwindest du nicht? (ZDF, 1977, 30 Min.) berichtet von Ron, geboren am amerikanischen Nationalfeiertag, der freiwillig in den Vietnamkrieg zieht und querschnittsgelähmt zurückkehrt. Er wird zum Kriegsgegner und damit in der Nixonzeit zum Staatsfeind. Di, 28.4., 19 h Keine Kunst. Dokumentarfilme und Gespräche Film von Klaus Wildenhahn. Gespräch Jeanine Meerapfel, Gisela Tuchtenhagen, Klaus Wildenhahn, Moderation Hans Helmut Prinzler Harlem Theater. Film von Klaus Wildenhahn, NDR 1969, 97 Minuten Harlem Theater ist ein Film über die Arbeit einer schwarzen Schauspielertruppe, über die Stimmung in Amerika im Sommer 1968, unmittelbar nach der Ermordung von Martin Luther King, und über das Verhalten von Menschen in politischer und sozialer Unterdrückung. Die außerordentliche Leistung des Films besteht darin, die theatralischen wie politischen Emotionen seiner Protagonisten freizulegen. Die sparsamen Kommentare geben lediglich Hinweise zum Verständnis des eingefangenen Geschehens; somit macht der Film den Betrachter nicht zum besserwissenden Zuschauer, sondern zum unmittelbaren Zeugen. KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 14 Musik für alle Der revolutionäre Aufbruch in den 1960/70er Jahren, wie ihn die Ausstellung thematisiert, erfasste auch die Musik jener Zeit. Es entstanden Gruppen und Konzepte, die Musik und Politik neu verknüpften. Ihr Aktionsfeld war die Straße, waren Demonstrationen, Protestveranstaltungen, Feste; ihr Terrain ein demokratisiertes Kunstverständnis, jenseits des bürgerlichen Konzertsaals, mit offenen Zugangsschleusen für Improvisation, Jazz, Arbeiterlieder, Folklore. „Musik für alle“ setzt einige der damaligen Entwicklungen wieder in Betrieb. Junge Musikerinnen und Musiker - Laien wie Profis - interpretieren sie aus heutiger Sicht. Das Landesjugendensemble Neue Musik Berlin ist mit Stücken von Hanns Eisler, Louis Andriessen, dem Sogenannten Linksradikalen Blasorchester und Francesco Filidei vor Ort, gefolgt vom Berliner Lautsprecherorchester, das Karlheinz Stockhausens „Kurzwellen“ realisiert (beides 8.5.). Die composerperformer-Formation Berliner Splitter Orchester, Nachfolger so bekannter Gruppen wie „Globe Unity Orchestra“ oder „Scratch Orchestra“, wartet mit einem umfangreichen Porträt-Abend von Solo bis Großformat auf (9.5.) Fr, 8.5., 20 h Musik für alle Landesjugendensemble Neue Musik Berlin. Hanns Eisler, Suite für Orchester Nr. 3 „Kuhle Wampe“ op.26 (1931/32); Louis Andriessen, Workers Union (1975). Stücke vom Sogenannten Linksradikalen Blasorchester (1976-1981). Francesco Filidei, I funerali dell’anarchico Serantini (2006). Jobst Liebrecht, Gerhard Scherer-Rügert, Leitung Fr, 8.5., 22 h Musik für alle Berliner Lautsprecherorchester. Karlheinz Stockhausen, Kurzwellen (1968) für 6 Spieler. Wolfgang Heiniger, Leitung Sa, 9.5., 18 h Musik für alle Echtzeitmusik-Abend mit dem Berliner Splitter Orchester Teil I: Splitter in da House // Orchestrale Installation im ganzen Gebäude Teil II: Splittergruppen // Das aufgesplitterte Orchester vom Zweier bis zum Zehner Teil III: Splitter Orchester // Komposition und Improvisation im Großformat So, 17.5., 17 h 60. Akademie-Gespräch „Kunst von Allen? Das Mitbestimmungstheater“. Mit Nele Hertling, Hans Neuenfels, Claus Peymann, Elisabeth Schwarz, Klaus Staeck Ende der 1960er Jahre vollzog sich vor dem Hintergrund der politischen Verhältnisse in der Bundesrepublik ein entscheidender Wandel in einigen deutschen Theatern. Gegen die verkrusteten Hierarchien und die Allmacht der Intendanten führten Auseinandersetzungen um die Demokratisierung von Theaterstrukturen zu neuen Modellen, zu größerer Mitbestimmung im Ensemble, zur Suche nach einem anderen Publikum. In München, Bremen, Zürich und vor allem in Frankfurt und Berlin entstanden Modelle eines Mitbestimmungstheaters. Die damit verbundene Hoffnung: Die größere Verantwortung der Mitarbeiter für das Ganze müsste das Interesse steigern und als besondere Qualität in die Produktionen eingehen – und an ihnen sichtbar werden. „… Zwischen nicht nachlassenden Angriffen von außen und aufreibenden Diskussionen nach Innen hat die Forderung nach Mitbestimmung das Theater politisiert. Der Streit um das Theater wurde zum Streit für eine bessere Ordnung der Gesellschaft…“ (Peter Iden) KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 15 Zu fragen ist nach der Wirkung, der Veränderung der Spielpläne, der Einbindung eines Publikums, nach dem Widerspruch zwischen kollektiver Struktur und der Autonomie des Kunstwerks und des Künstlers. Zu fragen ist aber auch nach der Stellung des Theaters und seiner Künstler in unserer heutigen Gesellschaft. Mi, 20.5., 19 h 61. Akademie-Gespräch „Der Kunstverein. Auslaufmodell oder Zukunftsmusik?“ Mit Marius Babias, Dieter Hacker, Birgit Hein, Wulf Herzogenrath, Uwe Schneede, Klaus Staeck Der Kunstverein als die zentrale Vermittlungsinstanz für zeitgenössische Kunst ist eine besondere und typisch deutsche Institution. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden so die aktive Förderung und der Genuss der Künste durch das aufstrebende Bürgertum zu einem Vorläufer demokratischer Prozesse. Heute engagieren sich rund 120.000 Mitglieder in über 300 Kunstvereinen, Zahlen, die für die Aktualität dieses Modells sprechen. Mitglieder sowie die Sammler unter ihnen, Künstler und Kommunen profitieren von den Ausstellungen, Publikationen und Jahresgaben. Worin besteht nun konkret die Attraktion, um die uns viele ausländische Kunstfreunde so beneiden? So, 7.6., 19 h 62. Akademie-Gespräch „Heinrich Böll – notwendige Erinnerung“. Mit Helge Malchow, Ulrich Peltzer, Uwe Timm, Klaus Staeck, Günter Wallraff KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 16 Vermittlungsprogramm KUNSTWELTEN Ausführliche Programminformation und Anmeldung www.adk.de/kunstwelten. Führungen Wöchentliche Führungen donnerstags 18 Uhr, sonntags 11.30 Uhr, ohne Anmeldung. Führungen für Schulklassen ab 1. Klasse, mit Anmeldung. € 30 Kuratorenführung für Schüler ab 10. Klasse, Do 19.3., 11 Uhr, mit Klaus Staeck, mit Anmeldung. Weitere Kuratorenführungen auf Anfrage, € 2 (zuzüglich Ausstellungsticket für Teilnehmer ab 18 Jahre) Sonderführungen Englisch, Französisch, Russisch, für Schulklassen und Gruppen, mit Anmeldung, € 30 (zuzüglich Ausstellungsticket für Teilnehmer ab 18 Jahre) Führungen für sehbehinderte und blinde Besucher und Führungen in Gebärdensprache, mit Anmeldung, ermäßigter Eintritt, Begleitung frei Werkstätten Schülerwerkstätten mit Künstlern Architektur-, Film-, Fotografie-, Tanz-, Musik- Paperart- und Rapwerkstätten mit Führungen durch die Ausstellung (Dauer jeweils zwei bis fünf Vormittage, 9 bis 13 Uhr), mit Anmeldung Sonntagswerkstätten mit Künstlern für Kinder, Jugendliche und Erwachsene 22.3. bis 10.5.2015, jeweils 11.30-18 Uhr, ohne Anmeldung KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 17 Zur Publikation Kunst für alle. Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck Erscheinungstermin: 17. März 2015 Das Buch zur Ausstellung zeigt die Vielfalt, Modellhaftigkeit und politische Relevanz der Editions- und Multipleszene und stellt eine künstlerische Arbeits- und Organisationsform vor, die sich seit den 1960er Jahren herausbildete und hochaktuelle Potenziale aufweist – die Künstlerselbstorganisation. Thomas Wagner beschreibt diese „Selbstorganisation der Freiheit“ als Basis der Arbeiten von Klaus Staeck, der Künstler, Sammler, Initiator von Aktionen und Verleger in einem ist und dessen engagiertes künstlerisches Werk nur in der Zusammenschau aller dieser Aspekte zu verstehen ist. Mit weiteren Beiträgen von Claudia Jansen, Oskar Negt, Stephan von Wiese und Wolfgang Ullrich. Inhalt: Klaus Staeck: KUNST FÜR ALLE – Ein Feldversuch Thomas Wagner: Nichts ist erledigt. Klaus Staeck und die Selbstorganisation der Freiheit Stefan von Wiese: Mehr Demokratie in die Kunst! Multiples, Grafiken und Aktionen: Die Sammlung Staeck als Bild einer Aufbruchszeit Claudia Jansen: „Tötet Euren Galeristen. Kollegen!“. Künstlerselbstorganisationen aus der Sammlung Staeck Selbstorganisationen Wolfgang Ullrich: Warum Klaus Staeck der nützlichste Künstler der Bundesrepublik ist Oskar Negt: Klaus Staeck – Der Mahner und Aufklärer Anhang: Autoren, Bildinformationen, Zitat-, Abbildungsnachweis, Impressum Kunst für alle. Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck Herausgegeben von der Akademie der Künste, Berlin 2015 ca. 144 S., ca. 111 Farb- und s/w-Abbildungen ISBN 978-3-88331-210-1, Best.-Nr. 1167 18,00 € Rezensionsexemplar: Anfrage bitte an Tel.: 030 200 57-1514, [email protected] KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 18 KUNST FÜR ALLE – Ein Feldversuch Vorwort zur Publikation von Klaus Staeck Im Rückblick erscheint vieles folgerichtig, was es ursprünglich meist gar nicht war. Mitte der 1960er Jahre suchte ich einen Weg, meine Arbeiten, damals im Wesentlichen noch in kleiner Auflage gedruckte Holzschnitte und Siebdrucke, an ein möglichst breites Publikum heranzutragen. Die in Heidelberg ansässigen Betreiber einer Reihe Studentenclubs boten sich in Alternative zum herkömmlichen Galeriebetrieb als Partner an. Ich wollte und konnte nicht mit der Mappe unterm Arm umherziehen und in Galerien um eine Ausstellung betteln. Deshalb mussten neue Angebots- und Vertriebswege her. Mir und auch anderen wollte ich damit beweisen, dass die Selbstorganisation ein Ausweg aus dieser für mich beklemmenden Situation sein konnte. Das allgemeine gesellschaftliche Klima schien für solche Experimente günstig. Es war die Gründerzeit für Produzentengalerien, genossenschaftliche und Künstlerzusammenschlüsse aus den verschiedensten Motiven heraus. Gleichzeitig interessierte sich das angestrebte Publikum für die neu gegründeten Produzentenmessen. Nach fünfzig Jahren Erfahrung mit der Produktion, der Edition und dem Sammeln vervielfältigter Kunst behaupte ich, gesellschaftliche Veränderungen an der Nachfrage nach Originalen und multiplizierter Kunst ablesen zu können. Das allgemeine Klima der späten 1960er und der 1970er Jahre war für einen Ausbruch aus dem Original-Ghetto gut geeignet. Dabei ging es mir nie um die Denunzierung des Originals. Auch wenn es auf den ersten Blick widersprüchlich klingt: Ich wollte dem vervielfältigten „Original“ Geltung verschaffen, es vom Verdacht des Nebenprodukts oder des nur Beiläufigen befreien. Das lässt sich am besten an der Produktion der zahlreichen Postkarten anschaulich machen, den oft massenhaft vervielfältigten „Originalen“, für die viele Künstlerinnen und Künstler einen Entwurf zur Verfügung stellten. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, handelt es sich dabei nicht um die Reproduktion bereits existierender Arbeiten, sondern um eigenständige Kunstwerke, um Originale. Joseph Beuys, den ich 1968 während der documenta 4 in Kassel kennenlernte, hat dieses Prinzip sofort verstanden. Auch weil er an der möglichst weiten Verbreitung seiner Ideen interessiert war, nahm er die Konzeption einer Karte so ernst wie jede andere Arbeit. Nicht zuletzt um den Originalcharakter hervorzuheben, wurden die Karten stets einzeln mit größter Präzision in bis zu acht Druckgängen produziert. Ich war immer neugierig auf die Arbeiten anderer Künstler, und ich wollte möglichst viele neugierig machen auf die der Kunst innewohnende Energie jenseits von l’art pour l’art. Es geht um Lust auf Kunst, sie möglichst allen zugänglich zu machen, ohne Schwellenangst, ohne Eignungsprüfung vor selbsternannten Tempelwächtern der Kultur. Getreu dem Credo der Fluxus-Bewegung sollte die künstliche Trennung zwischen Kunst und Leben aufgehoben werden, ohne auf Qualität zu verzichten. Als Kind der Aufklärung habe ich der Kunst stets eine gewisse emanzipatorische Kraft zugetraut, ohne diese durch allzu konkrete Erwartungen zu überfordern. Die Kunst muss nichts, aber es bleibt spannend, was sie kann und was geschieht, wenn sie sich produktiv an der Politik reibt. Auch wenn die Kunst in ihrer Fähigkeit, zur Konfliktbewältigung beizutragen, häufig überschätzt wird. Neben der Lust auf Kunst wollte und will ich Lust auf Demokratie machen, jene Staatsform, die schon in unserer Verfassung die freie Meinung und die Freiheit der Kunst zu vorrangig schützenswerten Gütern erklärt. Für mich ist Kunst Geheimnis und Geheimnisverrat zugleich, darüber hinaus birgt sie immer auch ein Risiko in sich und entzieht sich damit jeder verordneten Reglementierung. Kunst, wie ich sie verstehe, bleibt Abenteuer. Ein Bewohner des Elfenbeinturms war ich nie. Ich habe zu jeder Zeit die Öffentlichkeit gesucht. Aber gerade der öffentliche Raum muss immer wieder neu vermessen werden, wenn er nicht schrumpfen soll. Für mich ist die Einmischung in Sachen Demokratie und Rechtsstaat eine Bürgerpflicht. Kunst und Politik gehören zusammen. Daraus erklärt sich auch die Fülle an Aktionen zu unterschiedlichen Anlässen. Nie war das eine KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 19 nur Nebengleis des anderen. So habe ich es selten nur bei der Kritik bewenden lassen, sondern immer versucht, allein oder zusammen mit anderen dazu beizutragen, die beklagten Missstände zu beseitigen. Die Gründung der „Aktion für mehr Demokratie“ 1979 wurde zum Fundament von zahlreichen Interventionen. Während das Heidelberger Festival „intermedia ’69“ weitgehend noch im kulturellen Umfeld stattfand, gehörte bei der 3. Bitterfelder Konferenz 1992 der Spagat zwischen Kunst/Kultur und Politik zum Konzept. Auch kein juristisches Risiko scheuend, habe ich den Kampf um das Primat der Politik über die Wirtschaft nie aufgegeben. Das gilt besonders in einer Zeit, in der ein alltäglicher Kapitalismus zum Neoliberalismus mutiert ist. Die aktuellen Auseinandersetzungen um die geplanten Freihandelsabkommen CETA, TTIP und TISA zwingen zur Einmischung, gerade in einer vor allem durch den Politikstil der amtierenden Bundeskanzlerin bewusst in Kauf genommenen Entwicklung zu einer unpolitischen Gesellschaft. Wir nähern uns einem Zustand, in dem rechtsradikales Denken und Handeln für immer größere Bevölkerungsteile ein verlockendes Angebot zu werden drohen. Viele Selbstorganisationen von damals und aus der jüngsten Vergangenheit haben aus den verschiedensten Gründen nicht überlebt. Andere sind geblieben und ständig gründen sich neue, weil die Idee und das Modell der unabhängigen Selbstvermarktung nichts von ihrer Attraktivität verloren haben, will sich eine Künstlerin oder ein Künstler aus der Abhängigkeit existierender Strukturen befreien. Es bleibt dabei: Nichts ist erledigt! KUNST FÜR ALLE Akademie der Künste // Pressedossier // Seite 20 Pressefotos KUNST FÜR ALLE Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck 18. März – 07. Juni 2015 Honorarfreie Nutzung ausschließlich im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zur Ausstellung. Nennung der Credits zwingend erforderlich. Die Abbildungen dürfen nicht modifiziert, beschnitten und überdruckt werden – etwaige Vorhaben bedürfen der schriftlichen Zustimmung. Eine Weitergabe an Dritte ist nicht erlaubt. Die Pressefotos sind 4 Wochen nach Ablauf der Ausstellung aus allen Onlinemedien zu löschen. Belegexemplar erwünscht. Zugangsdaten zum Download im Pressebereich von www.adk.de bitte erfragen unter Tel. 030 200 57-1514 oder per E-Mail an [email protected] Datei: adk15_KUNST_Beuys Joseph Beuys Demokratie ist lustig, 1973 © The Estate of Joseph Beuys / VG Bild-Kunst, Bonn 2015 Datei: adk15_KUNST_Beuys_Gold Joseph Beuys Neues vom Gold, 1983 © The Estate of Joseph Beuys / VG Bild-Kunst, Bonn 2015 Datei: adk15_KUNST_Polke Sigmar Polke Bargeld lacht, 2002 © The Estate of Sigmar Polke, Cologne / VG Bild-Kunst, Bonn 2015 Datei: adk15_KUNST_Paik Nam June Paik TV News, 1991 © Nam June Paik Estate, California / Edition Staeck, Heidelberg 2015 Datei: adk15_KUNST_Vautier Ben Vautier Geld ist ego, 2000 © VG Bild-Kunst, Bonn 2015 Datei: adk15_KUNST_Christo Christo Kölner Dom packed, 1969 © Christo, New York / Edition Staeck, Heidelberg 2015 Foto: Nick Ash Pressefotos KUNST FÜR ALLE Multiples, Grafiken, Aktionen aus der Sammlung Staeck 18. März – 07. Juni 2015 Honorarfreie Nutzung ausschließlich im Rahmen der aktuellen Berichterstattung zur Ausstellung. Nennung der Credits zwingend erforderlich. Die Abbildungen dürfen nicht modifiziert, beschnitten und überdruckt werden – etwaige Vorhaben bedürfen der schriftlichen Zustimmung. Eine Weitergabe an Dritte ist nicht erlaubt. Die Pressefotos sind 4 Wochen nach Ablauf der Ausstellung aus allen Onlinemedien zu löschen. Belegexemplar erwünscht. 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