Mehr Frauen im Management

meinung 3
htr hotel revue
Nr. 17 / 23. April 2015
Standpunkt
Sharing
Economy –
die digitale
Allmende
JÜRG
STETTLER *
J
eremy Rifkin beschreibt in
seinem Buch «Die NullGrenzkosten-Gesellschaft»
unter anderem das «kollaborative Gemeingut» – die
seit dem Mittelalter existierende
Allmende (das gemeinschaftliche
Eigentum), die dank der Digitalisierung zur modernen Sharing
Economy wird. April Rinne, Sharing-Economy-Expertin, schilderte an der ITB in Berlin sehr
anschaulich am Beispiel von verschiedenen Reisenden (u. a. einem Geschäftsmann, einer Familie und einem Rentnerehepaar)
zvg
Mehr Frauen im Management
Der oberste Personalverantwortliche von
Rezidor, Michael Farrell,
hat sich der Förderung
von Frauen im oberen
Management verschrieben. Flexibilität heisst
die Losung.
Beziehungen zu Hotelfachschulen in
verschiedenen Ländern.
Inwiefern stossen Sie bei der Rekrutierung von guten Führungskräften auf
Schwierigkeiten oder Hindernisse?
Wir sind in der glücklichen Lage über
eine Struktur zu verfügen, die weder zu
gross noch zu klein ist. Entsprechend
haben wir keine aussergewöhnlich
grosse Fluktuation. Wir haben in der
Regel keine grosse Mühe, Mitarbeiten­
de zu finden. Ein Problem spielt jedoch
manchmal die fehlende Bereitschaft,
geografische Wechsel zu vollziehen,
insbesondere bei internen Stellenbeset­
zungen.
Wie wollen Sie da Abhilfe schaffen?
Wir brauchen diese talentierten Frauen
unbedingt. Wenn diese Personen ihre
maximalen Möglichkeiten nicht
ausschöpfen, ist dies für das Unterneh­
men ein Verlust. Eine erste Massnahme
ist die Aufnahme der Diskussion über
die Problematik. Das Thema wurde
leider in der Vergangenheit viel zu
wenig angesprochen, nicht nur bei
Rezidor, sondern allgemein in unserer
ganzen Gesellschaft.
Führungskräften darauf, dass sie auf
das vorhandene grosse Engagement
aller unserer Mitarbeitenden eingehen.
Die Generation Y wünscht flache
Strukturen und keine alten traditionel­
len Hierarchien. Dem kann die RezidorGruppe entsprechen.
Diese junge Generation hat auch
andere Motivationstreiber als Lohn
und Boni. Wie können Sie diesem
Bedürfnis entsprechen?
Dies gilt eigentlich für alle Mitarbeiten­
den. Die Arbeit in der Hotellerie ist zwar
anstrengend, aber es ist eine umfassen­
de und sehr abwechslungsreiche sowie
zufriedenstellende Tätigkeit. Gerade
dies findet und schätzt die Generation
Y. Für sie ist die Bedeutung ihrer
Tätigkeit, die Übernahme von Verant­
wortung sowie die soziale Nachhaltig­
keit wichtig. Dem versuchen wir ganz
allgemein nachzuleben.
Damit wollen Sie bis Ende 2016 auf
Stufe General Manager und in den
Führungsetagen einen Frauenanteil
von 30 Prozent
DANIEL STAMPFLI
anstreben?
«Wir versuchen,
Das ist unser Ziel. Um
Ist das Lohnniveau in
die Arbeitszeit
dies zu erreichen,
Deutschland ein
Michael Farrell, wie rekrutiert die
flexibler zu gestalten, müssen wir aber
Problem, um gute
Rezidor-Hotelgruppe ihre Mitarbeitenetwas ändern. Wir
Leute zu finden,
den?
was Frauen und
versuchen, die Arzumal viele Deutsche
Rezidor ist ein Unternehmen mit 350
Männern hilft.»
in der Schweizer
Hotels in über 70 Ländern und beschäf­
beitszeit flexibler zu
Hotellerie arbeiten
gestalten, was Frauen Ist eine Ausbildung an Hotelfach­
tigt knapp 40 000 Mitarbeitende. Da wir
Michael Farrell
Senior Vice Pres. HR, Rezidor Hotel Group
möchten?
und Männern hilft.
schulen oder Management-Schulen
auch jährlich bis zu 20 neue Hotels erDas Lohnniveau ist in
Denn lange Präsenz­
unerlässlich, um im Hotelkader
öffnen, haben wir einen sehr grossen
erfolgreich zu sein?
Nachwuchsbedarf. Ein wichtiges Ziel ist der Regel kein Hindernis. Bei der
zeiten und Schichtarbeit, wie sie in der
Attraktivität der Schweizer Hotellerie
Es kommt immer auf die Stufe im
immer, die vakanten Stellen intern zu
Hotellerie üblich sind, sind insbesonde­
für deutsche Arbeitskräfte spielen
Unternehmen an. Eine absolute
besetzen. Entsprechend investieren wir
re für jüngere Mütter nicht ideal. Mit
mehrere Faktoren eine Rolle: die tolle
Bedingung ist es jedoch nicht.
viel mittels Aus- und Weiterbildung in
speziellen Entwicklungsplänen wollen
Alpenlandschaft, die Qualität der
die Entwicklung unserer Mitarbeiten­
wir Frauen auch helfen, die nächste
Hotellerie und die beliebten Erfahrun­
Also haben auch Quereinsteiger eine
Unternehmensstufe zu erklimmen.
den. Wir decken uns aber auch am
Chance?
Weiter soll für die Karriere die Flexiallgemeinen Personalmarkt ein, vor
gen in der Branche. Es stimmt zwar,
Die Chance besteht durchaus. Quer­
allem in jungen Märkten, und schaffen
dass in der Schweiz gute Löhne bezahlt
bilität bezüglich Mobilität gefördert
einsteiger können für
dort eine Vielzahl von
werden, gleichzeitig
werden.
uns sehr interessant
wichtigen Arbeits­
sind aber auch die
sein. Es kommt immer
plätzen.
allgemeinen Lebens­
Dies dürfte aber für
Think Tank
Zur
Person
Arbeitet
wieder vor, dass
eine Frau mit Familie
kosten relativ hoch.
in Brüssel und
jemand früher den
Wie gehen Sie da vor? 4. World Tourism
schwierig sein.
falschen Beruf
Die Rezidor-Gruppe ist Forum Lucerne
Ja, das ist schwierig.
Weshalb arbeiten im
wohnt in Paris
gewählt hat und sich
dezentral organisiert.
Deshalb werden wir
Hotel-Management
beruflich neu orientie­
Die einzelnen Hotels
flexiblere Angebote
immer noch relativ
Heute Donnerstag und morgen
Michael Farrell (Jg. 1956) ist
decken also ihre
anbieten. Es kann
wenig Frauen?
Freitag treffen sich in Luzern
Senior Vice President und in
ren will. Wichtig in
eigenen Bedürfnisse
sein, dass ein Wechsel dieser Funktion zuständig für
anlässlich des 4. World Tourism Dies lässt sich nicht
unserer Branche ist,
eigenständig ab. Wir
zu einem bestimmten
generell so sagen, es
Forum hochkarätige Teilneh­
den Bereich Human Resources
dass die Leute die
von der Zentrale
Zeitpunkt im Leben
hängt sehr von der
mer und Referenten aus über
bei der Rezidor Hotel Group am richtige Einstellung
schaffen aber die
nicht passt, aber
Management-Ebene
60 Ländern. Ihr Ziel: die
Hauptsitz in Brüssel. Farrell
und Freude daran
dafür notwendigen
ab. In unserer eigenen vielleicht fünf Jahre
Entwicklung neuer Ansätze
stiess 2011 zu Rezidor. Zuvor
haben, mit Leuten zu
Rahmenbedingungen.
später.
Business-School
und Modelle für eine nachhalti­
war der gebürtige Ire, der am
arbeiten. Erfahrungen
Aufgeschaltet wurde
beträgt der Frauen­
ge Zukunft im Tourismus. Das
University College in Dublin
aus früherer berufli­
von uns etwa eine
Die Generation Y ist
anteil jeweils rund
Motto des Forums: «Talents,
und der VWA Johann Wolfgang cher Tätigkeit können
sogenannte Career
nun im Erwerbs­leben. Goethe Universität in Frankfurt
Innovation & Sustainable
für eine Karriere im
60 Prozent. Auf der
Website, auf welcher
Development: Walk the Talk!»
studierte hatte, ab 1997 bei
Hotelbusiness sehr
ersten Führungsebene Bedingt dies eine
sich Mitarbeitende für
Änderung des
Michael Farrell, Senior Vice
Europcar International beschäf­ nützlich sein. Wir bei
haben wir 46 Prozent
die zur Verfügung
Führungsstils?
President und verantwortlich
tigt. Dabei war er am Hauptsitz Rezidor bieten solchen
Frauen. Auf Ebene
stehenden Stellen
Darauf sind wir gut
für Human Resources bei der
in Guyancourt als Direktor
Leuten sehr gute
General Manager sind
bewerben können,
vorbereitet, denn wir
Carlson Rezidor Hotel Group,
Human Resources tätig.
Ausbildungsmöglich­
es aber nur 16 Proauch je nach ge­
messen dem Füh­
tritt als Referent im Rahmen
Michael Farrell spricht Eng­
zent. Daraus schlies­
keiten und verfügen
einer Breakout Session zum
lisch, Französisch und Deutsch. über Mitarbeiter-Ent­
wünschtem Arbeits­
sen wir, dass es nicht
rungsstil grundsätz­
Thema «Diversity: An un­
Er ist verheiratet, Vater von
ein Frauenproblem,
ort. Es läuft auch viel
lich eine grosse
wicklungsangebote
discovered potential for our
zwei Kindern und wohnt in
sondern ein echtes
über Social Media.
Bedeutung bei. Wir
auf jeder Hierarchie­
industry?» auf.
dst Business-Problem ist.
Paris.dst stufe.
Gepflegt werden auch
setzen bei unseren
die heute verfügbaren vielfältigen
Sharing Economy-Angebote. Die
bekanntesten sind etwa Airbnb,
der Community-Marktplatz für
Privatunterkünfte, und Uber, der
Online-Vermittlungsdienst von
privaten Taxis. Rifkin und Rinne
prognostizieren die Verwischung
der Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten und die
damit einhergehende Transformation ganzer Branchen. Die
Sharing Economy wird nicht nur
die Hotellerie, sondern die
­gesamte touristische Dienstleistungskette grundlegend verändern. Noch vor Kurzem war
unklar, ob Sharing-EconomyPlattformen nur eine vorübergehende Modeerscheinung sind.
Heute stellt sich nur noch die
Frage, wie schnell und in welchem Ausmass sie sich durchsetzen werden. Für die Tourismusbranche ist dies eine der nächsten
grossen Herausforderungen, da
die touristischen Leistungsträger
ihre Angebote unter Berücksichtigung dieser Entwicklung grundsätzlich überdenken müssen.
* Jürg Stettler ist Leiter Institut für Tourismuswirtschaft (ITW) an der Hochschule Luzern
Aufgefallen
Ausserirdisch: Vom
Hoteldirektor zum
Bestsellerautor
Letzte Woche
wurde er 80,
nach wie vor
sprüht er vor
Ideen, und
auch den
Glauben hat
er noch längst
nicht verloren, dass ihn dereinst
in Beatenberg Ausserirdische
besuchen werden: Erich von
Däniken, mit 67 Millionen verkauften Büchern internationaler
Bestsellerautor. Der selbsternannte Götterforscher begann
seine Karriere einst als Hotel­
fachlehrling im Berner «Schwei­
zerhof»; seine Frau lernte er
als Kellner im Hotel Ascot in
Zürich kennen; sein erstes Buch
«Erinnerungen an die Zukunft»,
mit dem er den internationalen
Durchbruch feierte, schrieb er
als Direktor des Hotel Rosenhü­
gel in Davos. Soll noch jemand
behaupten, Hotelier sei kein
zukunftsweisender Beruf.
bf
zvg
Michael Farrell: «Quereinsteiger können für uns sehr interessant sein. Es kommt immer wieder vor, dass sich jemand beruflich neu orientieren will.»
«Sharing Economy
wird die gesamte
touristische Dienstleistungskette verändern.»