MERKBLATT_AGG bei Stellenausschreibung

MERKBLATT
Beachtung des Allgemeinen
Gleichbehandlungsgesetzes bei
Stellenausschreibungen und im
Bewerbungsverfahren
Stand 04/2013
Ansprechpartner:
Simon Alex
Abteilung Recht & Handel |
Innovation & Umwelt
Tel. 04921 8901-83
Hinweis:
Das Merkblatt wurde sorgfältig erstellt. Dessen ungeachtet können wir keine Gewähr übernehmen und schließen deshalb jede Haftung im Zusammenhang mit der Nutzung des Merkblattes aus. Evtl. Verweise und Links stellen keine Empfehlung der Kammer dar.
Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg
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Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat erhebliche Auswirkungen auf das
Bewerbungsverfahren. Mit diesem Merkblatt möchten wir Sie auf mögliche Fallstricke in diesem
Zusammenhang hinweisen. Bei Verstößen drohen dem Arbeitgeber Klagen der betroffenen
Bewerber, die neben entstandenem Schaden (Aufwendungen für die Bewerbung, entgangenes
Einkommen) auch eine Entschädigung in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern geltend machen
können.
Durch das neue AGG sind neben der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen (aufgrund
des Geschlechtes), auch Ungleichbehandlungen aufgrund von
Rasse oder ethnischer Herkunft,
Religion und Weltanschauung,
Behinderung,
Alter und
sexueller Identität
unzulässig, soweit nicht im Einzelfall Ausnahmen zugelassen sind.
Wichtig ist nicht nur das Vermeiden von Ungleichbehandlungen, sondern auch die
Dokumentation und Archivierung des gesamten Bewerbungsvorganges (von der
Stellenausschreibung bis zu den Entscheidungsgründen). Nur so kann später nachgewiesen
werden, dass keine verbotene Ungleichbehandlung erfolgt ist. Dieser Nachweis ist erforderlich,
da der Bewerber nur Tatsachen nachweisen muss, die auf eine verbotene Ungleichbehandlung
schließen lassen. Dafür genügt bereits eine unzulässige Frage im Vorstellungsgespräch oder
eine Stellenausschreibung, die nicht geschlechtsneutral formuliert ist oder eine Altersangabe
enthält. In einem solchen Fall erfolgt eine sog. Beweislastumkehr, d.h. der Arbeitgeber muss
seinerseits nachweisen, dass trotz dieser Indizien keine verbotene Ungleichbehandlung erfolgt
ist.
I. Begriffserklärungen
Entscheidend ist das Verständnis für die im Gesetz verwendeten Begriffe. Dabei lassen sich
folgende Definitionen festhalten:
Bei dem Begriff Geschlecht ist die Diskriminierung von Frauen und / oder Männern
aufgrund deren Geschlechtszugehörigkeit gemeint.
Rasse und ethnische Herkunft bezeichnen fremdländische Herkunft oder
Abstammung. Trotz der (historisch bedingten) negativen Besetzung des Begriffes
„Rasse” hat dieser Ausdruck Eingang in das Gesetz gefunden, da hier die Umsetzung
der Brüsseler Anti-Rassismus-Richtlinie deutlich werden sollte.
Religion oder Weltanschauung bezeichnen die Freiheit des Glaubens und des
weltanschaulichen Bekenntnisses. Hierbei ist zu beachten, dass es keine Pflicht zur
Offenbarung der religiösen Weltanschauung gibt.
Behinderung liegt vor, wenn körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder die
seelische Gesundheit - nicht bloß vorübergehend, d.h. länger als sechs Monate - von
dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Bedingt dadurch muss die
Teilnahme des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sein. Der Begriff
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der Behinderung erfasst auch Behinderte mit einem Grad der Behinderung von weniger
als 50%, die nicht Schwerbehinderten gleichgestellt sind.
Alter bezeichnet das Lebensalter und soll eine Gleichbehandlung von Alt und Jung
bezwecken. Dabei steht der Schutz von Älteren gegenüber Jüngeren dem Schutz von
Jüngeren gegenüber Älteren gleichwertig gegenüber.
Unter dem Begriff der sexuellen Identität bezieht sich der Gesetzgeber auf
homosexuelle, bi- und transsexuelle, sowie zwischengeschlechtliche Menschen
(Hermaphroditen).
II. Ungleichbehandlung und Ausnahmen
Ungleichbehandlungen wegen der oben angeführten Kriterien sind grundsätzlich unzulässig.
Von diesem Verbot ausgenommen sind lediglich die gesetzlich vorgesehenen Fälle der §§ 5 und
8-10 AGG. Ungleichbehandlungen sind nach § 5 AGG zulässig, wenn diese dazu dienen,
bestehende Ungleichheiten auszugleichen. Unter diese Fallgruppe fällt etwa die
Frauenförderung, aber auch die bevorzugte Einstellung von Schwerbehinderten, die aufgrund
ihrer Behinderung oft schwerer eine Anstellung finden.
Außerdem können Ungleichbehandlungen zulässig sein, wenn wesentliche berufliche Gründe
dies erfordern, § 8 AGG. In Betracht kommt etwa das Erfordernis spezieller Sprachkenntnisse
(besonders in den Bereichen Import/Export, Vertrieb etc.) oder auch bestimmte körperliche
Voraussetzungen für einzelne Berufsgruppen (volle Sehkraft und gesundes Gehör für Piloten,
körperliche Belastbarkeit im Gerüstbau oder auch für bestimmte Tätigkeiten im
Sicherheitsbereich – etwa Geldboten oder Personenschützer). Dies gilt jedoch nur, soweit diese
Voraussetzungen gerade für die bestimmte Stelle erforderlich sind.
Eine Ungleichbehandlung aus Altersgründen ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn dadurch
ein legitimes Ziel verfolgt wird und die Ungleichbehandlung angemessen ist. § 10 AGG zählt
dafür einige Fallgruppen auf, die jedoch nicht abschließend sind. Eine ungleiche Behandlung
kann unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein, wenn u. a. damit die berufliche
Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten oder Personen mit Fürsorgepflichten
gefördert wird, ein mögliches Einstellungshöchstalter auf Grund spezifischer
Ausbildungsanforderungen einer Tätigkeit erforderlich ist oder sich die Notwendigkeit einer
angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand ergibt. Etwaige
Ausnahmefälle sollten jedoch besonders geprüft werden.
III. Stellenausschreibung
Betroffen ist jede Art der Stellenausschreibung, also Stellenanzeigen in Zeitungen oder im
Internet, innerbetriebliche Ausschreibungen, Mitteilungen am schwarzen Brett oder im Intranet
sowie Mitteilungen an die Bundesagentur für Arbeit.
Bei der Stellenausschreibung sollten folgende Dinge beachtet werden:
1. geschlechtsneutral formulieren
Am besten nur die Funktionsbezeichnung (Geschäftsleitung, Abteilungsleitung,
Sachbearbeitung, Verkauf) verwenden. Anderenfalls müssen beide geschlechtlichen Formen
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genannt werden (Verkäufer/in, Assistent/in, Sachbearbeiter/in). Unzulässig wäre etwa
Vertriebsleiter, Krankenschwester, Jurist, Assistentin der Geschäftsführung, Facharbeiter oder
Sekretärin. Bei besonderen Anforderungen wie „Vollzeitstelle“ oder „schwere körperliche
Belastung“ könnten Frauen mittelbar diskriminiert werden. Wenn solche Anforderungen
formuliert werden müssen, so sollten diese mit einem Juristen abgestimmt werden.
2. Keine Altersgrenzen
Das gilt sowohl für Altersangaben (bis 40 Jahre) als auch für Formulierungen wie „jung und
dynamisch“ oder „für unser junges und dynamisches Team“. Anstelle „langjähriger Erfahrung“
sollte besser eine genaue Anforderung formuliert werden, etwa „2-jährige einschlägige
Berufserfahrung“ – wenn das für die Stelle erforderlich ist. Sowohl Ältere als auch Jüngere sind
vor Ungleichbehandlungen geschützt.
3. Nicht an Behinderung anknüpfen
Grundsätzlich unzulässig sind Formulierungen wie „körperlich uneingeschränkt leistungsfähig“,
da hierdurch behinderte Bewerber ausgeschlossen werden. Allein aus wesentlichen
betrieblichen Gründen ist eine solche Anforderung zulässig (siehe oben). Zulässig ist es
hingegen, wenn schwerbehinderte Bewerber bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden
sollen, etwa weil der Betrieb die Schwerbehindertenquote erfüllen will, weil durch diese
Ungleichbehandlung nur bestehende Nachteile ausgeglichen werden sollen, § 5 AGG.
4. Rasse und ethnische Herkunft
Die Suche nach einem „deutschstämmigen“ oder einem „türkischen“ Arbeitnehmer ist
unzulässig. Auch die Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ ist problematisch, da allein nach
der Herkunft differenziert wird und nicht-deutschstämmige Bewerber unter Umständen besser
Deutsch sprechen als einige Muttersprachler. Zulässig ist es jedoch, allgemein auf
Sprachkenntnisse oder Kenntnisse des Landes/einer Region abzustellen, da diese Kriterien
grundsätzlich jeder Arbeitnehmer erfüllen kann. Zulässig wäre also die Suche nach
„ausgezeichneter Kenntnis der deutschen Sprache“ oder „Erfahrung im Vertrieb im Nahen
Osten“ etc., - allerdings nur, wenn diese Kenntnisse für die Stelle tatsächlich erforderlich sind.
Bei einem Vertriebsleiter wären diese Anforderungen daher eher zulässig als bei einer
Reinigungskraft. Auf die ausdrückliche Anforderung eines Fotos sollte ebenfalls verzichtet
werden, da so der Verdacht entstehen könnte, die sich daraus ergebenden Informationen
(ethnische Herkunft soweit erkennbar, Alter, Geschlecht) würden beim Auswahlprozess eine
Rolle spielen.
IV. Vorauswahl und Einladung zum Vorstellungsgespräch
Das Auswahlverfahren sollte einem festen Schema folgen. Dazu müssen Kriterien festgelegt
werden, die eine Vorauswahl der Kandidaten ermöglichen, die zu Gesprächen eingeladen
werden sollen. Mögliche Kriterien sind etwa vollständige und fehlerfreie Bewerbungsunterlagen,
Ausbildung des Bewerbers und sonstige Qualifikationen, Berufserfahrung sowie bisherige
Beurteilungen und Zeugnisse.
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Auch bei der Vorauswahl darf es nicht zu unzulässigen Ungleichbehandlungen kommen. Es
dürfen also nicht alle männlichen oder alle weiblichen Bewerber aussortiert werden. Das Gleiche
gilt für Bewerber mit Behinderung, bestimmter Herkunft und außerhalb bestimmter
Altersgrenzen. Ebenfalls unzulässig ist das Aussortieren aller Bewerbungen ohne Foto, mit
abgekürztem Vornamen oder ohne Geburtsdatum. In allen diesen Fällen wird möglicherweise
anhand unzulässiger Kriterien differenziert.
Um später nachweisen zu können, dass keine Diskriminierung erfolgt ist, sollte der gesamte
Auswahlprozess dokumentiert werden. Dafür ist es erforderlich, dass die Bewerbungsunterlagen
kopiert oder eingescannt werden, da der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, die Originale nach
einer Ablehnung zu behalten, sie aber zu Nachweiszwecken in einem Verfahren benötigen
könnte. Für die Anfertigung der Kopien ist die Zustimmung des Bewerbers erforderlich, die zuvor
- eventuell durch einen entsprechenden Hinweis in der Ausschreibung - eingeholt werden muss.
Weiterhin müssen die Kriterien der Vorauswahl und die jeweiligen „Runden“ des
Auswahlprozesses dokumentiert werden, so dass nachgewiesen werden kann, welcher
Bewerber wann und aus welchen Gründen ausgeschieden ist. Wenn bereits aus der Bewerbung
deutlich wird, dass kein echtes Interesse an der Stelle besteht, etwa weil völlig überzogene
Gehaltsforderungen genannt werden, die Bewerbung überhaupt nicht auf die Anforderungen
eingeht oder nicht zum Anforderungsprofil passt, ist besondere Vorsicht geboten. Dem
Bewerber könnte es allein um die Geltendmachung von Entschädigung wegen Verstößen gegen
den Gleichbehandlungsgrundsatz gehen. Diese Fälle sollten besonders sorgfältig dokumentiert
werden. Können solche Anhaltspunkte belegt werden, so kann sich der Unternehmer im
Prozess darauf berufen, dass es der Bewerbung an Ernsthaftigkeit mangelte.
IV. Vorstellungsgespräch
Das Vorstellungsgespräch sollte auf Arbeitgeberseite möglichst durch 2 Personen geführt
werden (6-Augen-Prinzip), damit zusätzlich zum Auswählenden ein weiterer Zeuge zur
Verfügung steht. Für die Gespräche bietet sich ein fester Fragenkatalog an. Die Fragen müssen
sich dabei auf die berufliche Qualifikation beziehen und sollten sich am Anforderungsprofil der
Stelle orientieren. Dabei kommen zum einen objektive Kriterien wie Schulnoten, Ausbildung,
Berufserfahrung oder Sprachkenntnisse in Betracht. Aber auch subjektive Elemente können
eine Rolle spielen: Warum will der Bewerber in diesem Bereich tätig sein? Warum gerade in
Ihrem Unternehmen? Welchen persönlichen Eindruck hat der Bewerber hinterlassen? War sein
Auftreten höflich, bestimmt, unsicher, arrogant oder wortkarg? Die Fragen und Antworten sowie
die subjektiven Eindrücke sollten zudem schriftlich festgehalten werden. Auch über die
Ablehnungsgründe sollte eine kurze Notiz erstellt werden. Diese dürfen nicht auf eine indirekte
Benachteiligung schließen lassen.
Fragen nach Merkmalen, die mit unzulässigen Kriterien in Zusammenhang stehen, sind
ebenfalls unzulässig. Bereits eine unzulässige Frage lässt auf eine verbotene
Ungleichbehandlung schließen und führt dazu, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass
keine Ungleichbehandlung erfolgt ist. Doch es drohen nicht nur Schadensersatzklagen, die
Antworten sind zudem auch nur von geringem Wert. Bewerber dürfen auf unzulässige Fragen
wahrheitswidrig antworten und der Vertrag kann wegen einer solchen Falschauskunft auch nicht
angefochten werden. Unzulässig sind unter anderem Fragen nach:
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Alter oder Geburtsdatum,
Schwangerschaft - selbst dann, wenn eine Schwangerschaftsvertretung gesucht wird
oder aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen Schwangere in dem Bereich gar nicht
beschäftigt werden dürfen,
Familienplanung - auch gegenüber männlichen Bewerbern, da deren sexuelle
Orientierung (mögliche Homosexualität) Gegenstand der Frage sein könnte,
Mitgliedschaft in einer Partei oder Gewerkschaft,
etwaige Behinderung oder einem Schwerbehindertenausweis. Das gilt selbst dann, wenn
gerade ein Behinderter eingestellt werden soll – es sei denn es liegen zwingende
berufliche Gründe im Sinne des § 8 AGG vor, die der Beschäftigung eines Behinderten
entgegenstehen.
Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder Weltanschauung.
VI. Fristen für gerichtliche Geltendmachung
Ansprüche wegen einer Benachteiligung müssen innerhalb von zwei Monaten ab Zugang der
Absage geltend gemacht werden, § 15 Abs. 2 AGG. Es empfiehlt sich daher, die
entsprechenden Unterlagen zumindest für 3 Monate aufzubewahren. Um den Zugang der
Absage und damit den Fristbeginn sicher belegen zu können, müssten eigentlich alle Absagen
zugestellt oder mit Übergabeeinschreiben versandt werden. Dies ist jedoch mit erheblichen
Kosten verbunden.
Auf jeden Fall sollte eine Liste geführt werden, in der alle Rücksendungen mit Datum vermerkt
und mit eigenhändiger Unterschrift des zuständigen Mitarbeiters versehen werden. Dann kann
zumindest der genaue Zeitpunkt der Absendung belegt werden.
Ihr Ansprechpartner:
Simon Alex Telefon: 0 49 21 89 01-83
Fax: 0 49 21 89 01-66, E-Mail: [email protected]
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