MERKBLATT Beachtung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes bei Stellenausschreibungen und im Bewerbungsverfahren Stand 04/2013 Ansprechpartner: Simon Alex Abteilung Recht & Handel | Innovation & Umwelt Tel. 04921 8901-83 Hinweis: Das Merkblatt wurde sorgfältig erstellt. Dessen ungeachtet können wir keine Gewähr übernehmen und schließen deshalb jede Haftung im Zusammenhang mit der Nutzung des Merkblattes aus. Evtl. Verweise und Links stellen keine Empfehlung der Kammer dar. Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg Postanschrift: Industrie- und Handelskammer für Ostfriesland und Papenburg | Postfach 1752 | 26697 Emden | Büroanschrift: Ringstraße 4 | 26721 Emden Tel. 04921 8901-0 | Fax 04921 8901-33 | E-Mail: [email protected] | Internet: www.ihk-emden.de 1 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat erhebliche Auswirkungen auf das Bewerbungsverfahren. Mit diesem Merkblatt möchten wir Sie auf mögliche Fallstricke in diesem Zusammenhang hinweisen. Bei Verstößen drohen dem Arbeitgeber Klagen der betroffenen Bewerber, die neben entstandenem Schaden (Aufwendungen für die Bewerbung, entgangenes Einkommen) auch eine Entschädigung in Höhe von bis zu drei Monatsgehältern geltend machen können. Durch das neue AGG sind neben der Ungleichbehandlung von Männern und Frauen (aufgrund des Geschlechtes), auch Ungleichbehandlungen aufgrund von Rasse oder ethnischer Herkunft, Religion und Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität unzulässig, soweit nicht im Einzelfall Ausnahmen zugelassen sind. Wichtig ist nicht nur das Vermeiden von Ungleichbehandlungen, sondern auch die Dokumentation und Archivierung des gesamten Bewerbungsvorganges (von der Stellenausschreibung bis zu den Entscheidungsgründen). Nur so kann später nachgewiesen werden, dass keine verbotene Ungleichbehandlung erfolgt ist. Dieser Nachweis ist erforderlich, da der Bewerber nur Tatsachen nachweisen muss, die auf eine verbotene Ungleichbehandlung schließen lassen. Dafür genügt bereits eine unzulässige Frage im Vorstellungsgespräch oder eine Stellenausschreibung, die nicht geschlechtsneutral formuliert ist oder eine Altersangabe enthält. In einem solchen Fall erfolgt eine sog. Beweislastumkehr, d.h. der Arbeitgeber muss seinerseits nachweisen, dass trotz dieser Indizien keine verbotene Ungleichbehandlung erfolgt ist. I. Begriffserklärungen Entscheidend ist das Verständnis für die im Gesetz verwendeten Begriffe. Dabei lassen sich folgende Definitionen festhalten: Bei dem Begriff Geschlecht ist die Diskriminierung von Frauen und / oder Männern aufgrund deren Geschlechtszugehörigkeit gemeint. Rasse und ethnische Herkunft bezeichnen fremdländische Herkunft oder Abstammung. Trotz der (historisch bedingten) negativen Besetzung des Begriffes „Rasse” hat dieser Ausdruck Eingang in das Gesetz gefunden, da hier die Umsetzung der Brüsseler Anti-Rassismus-Richtlinie deutlich werden sollte. Religion oder Weltanschauung bezeichnen die Freiheit des Glaubens und des weltanschaulichen Bekenntnisses. Hierbei ist zu beachten, dass es keine Pflicht zur Offenbarung der religiösen Weltanschauung gibt. Behinderung liegt vor, wenn körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder die seelische Gesundheit - nicht bloß vorübergehend, d.h. länger als sechs Monate - von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen. Bedingt dadurch muss die Teilnahme des Betroffenen am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt sein. Der Begriff 2 der Behinderung erfasst auch Behinderte mit einem Grad der Behinderung von weniger als 50%, die nicht Schwerbehinderten gleichgestellt sind. Alter bezeichnet das Lebensalter und soll eine Gleichbehandlung von Alt und Jung bezwecken. Dabei steht der Schutz von Älteren gegenüber Jüngeren dem Schutz von Jüngeren gegenüber Älteren gleichwertig gegenüber. Unter dem Begriff der sexuellen Identität bezieht sich der Gesetzgeber auf homosexuelle, bi- und transsexuelle, sowie zwischengeschlechtliche Menschen (Hermaphroditen). II. Ungleichbehandlung und Ausnahmen Ungleichbehandlungen wegen der oben angeführten Kriterien sind grundsätzlich unzulässig. Von diesem Verbot ausgenommen sind lediglich die gesetzlich vorgesehenen Fälle der §§ 5 und 8-10 AGG. Ungleichbehandlungen sind nach § 5 AGG zulässig, wenn diese dazu dienen, bestehende Ungleichheiten auszugleichen. Unter diese Fallgruppe fällt etwa die Frauenförderung, aber auch die bevorzugte Einstellung von Schwerbehinderten, die aufgrund ihrer Behinderung oft schwerer eine Anstellung finden. Außerdem können Ungleichbehandlungen zulässig sein, wenn wesentliche berufliche Gründe dies erfordern, § 8 AGG. In Betracht kommt etwa das Erfordernis spezieller Sprachkenntnisse (besonders in den Bereichen Import/Export, Vertrieb etc.) oder auch bestimmte körperliche Voraussetzungen für einzelne Berufsgruppen (volle Sehkraft und gesundes Gehör für Piloten, körperliche Belastbarkeit im Gerüstbau oder auch für bestimmte Tätigkeiten im Sicherheitsbereich – etwa Geldboten oder Personenschützer). Dies gilt jedoch nur, soweit diese Voraussetzungen gerade für die bestimmte Stelle erforderlich sind. Eine Ungleichbehandlung aus Altersgründen ist nur in Ausnahmefällen zulässig, wenn dadurch ein legitimes Ziel verfolgt wird und die Ungleichbehandlung angemessen ist. § 10 AGG zählt dafür einige Fallgruppen auf, die jedoch nicht abschließend sind. Eine ungleiche Behandlung kann unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein, wenn u. a. damit die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Beschäftigten oder Personen mit Fürsorgepflichten gefördert wird, ein mögliches Einstellungshöchstalter auf Grund spezifischer Ausbildungsanforderungen einer Tätigkeit erforderlich ist oder sich die Notwendigkeit einer angemessenen Beschäftigungszeit vor dem Eintritt in den Ruhestand ergibt. Etwaige Ausnahmefälle sollten jedoch besonders geprüft werden. III. Stellenausschreibung Betroffen ist jede Art der Stellenausschreibung, also Stellenanzeigen in Zeitungen oder im Internet, innerbetriebliche Ausschreibungen, Mitteilungen am schwarzen Brett oder im Intranet sowie Mitteilungen an die Bundesagentur für Arbeit. Bei der Stellenausschreibung sollten folgende Dinge beachtet werden: 1. geschlechtsneutral formulieren Am besten nur die Funktionsbezeichnung (Geschäftsleitung, Abteilungsleitung, Sachbearbeitung, Verkauf) verwenden. Anderenfalls müssen beide geschlechtlichen Formen 3 genannt werden (Verkäufer/in, Assistent/in, Sachbearbeiter/in). Unzulässig wäre etwa Vertriebsleiter, Krankenschwester, Jurist, Assistentin der Geschäftsführung, Facharbeiter oder Sekretärin. Bei besonderen Anforderungen wie „Vollzeitstelle“ oder „schwere körperliche Belastung“ könnten Frauen mittelbar diskriminiert werden. Wenn solche Anforderungen formuliert werden müssen, so sollten diese mit einem Juristen abgestimmt werden. 2. Keine Altersgrenzen Das gilt sowohl für Altersangaben (bis 40 Jahre) als auch für Formulierungen wie „jung und dynamisch“ oder „für unser junges und dynamisches Team“. Anstelle „langjähriger Erfahrung“ sollte besser eine genaue Anforderung formuliert werden, etwa „2-jährige einschlägige Berufserfahrung“ – wenn das für die Stelle erforderlich ist. Sowohl Ältere als auch Jüngere sind vor Ungleichbehandlungen geschützt. 3. Nicht an Behinderung anknüpfen Grundsätzlich unzulässig sind Formulierungen wie „körperlich uneingeschränkt leistungsfähig“, da hierdurch behinderte Bewerber ausgeschlossen werden. Allein aus wesentlichen betrieblichen Gründen ist eine solche Anforderung zulässig (siehe oben). Zulässig ist es hingegen, wenn schwerbehinderte Bewerber bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt werden sollen, etwa weil der Betrieb die Schwerbehindertenquote erfüllen will, weil durch diese Ungleichbehandlung nur bestehende Nachteile ausgeglichen werden sollen, § 5 AGG. 4. Rasse und ethnische Herkunft Die Suche nach einem „deutschstämmigen“ oder einem „türkischen“ Arbeitnehmer ist unzulässig. Auch die Anforderung „Deutsch als Muttersprache“ ist problematisch, da allein nach der Herkunft differenziert wird und nicht-deutschstämmige Bewerber unter Umständen besser Deutsch sprechen als einige Muttersprachler. Zulässig ist es jedoch, allgemein auf Sprachkenntnisse oder Kenntnisse des Landes/einer Region abzustellen, da diese Kriterien grundsätzlich jeder Arbeitnehmer erfüllen kann. Zulässig wäre also die Suche nach „ausgezeichneter Kenntnis der deutschen Sprache“ oder „Erfahrung im Vertrieb im Nahen Osten“ etc., - allerdings nur, wenn diese Kenntnisse für die Stelle tatsächlich erforderlich sind. Bei einem Vertriebsleiter wären diese Anforderungen daher eher zulässig als bei einer Reinigungskraft. Auf die ausdrückliche Anforderung eines Fotos sollte ebenfalls verzichtet werden, da so der Verdacht entstehen könnte, die sich daraus ergebenden Informationen (ethnische Herkunft soweit erkennbar, Alter, Geschlecht) würden beim Auswahlprozess eine Rolle spielen. IV. Vorauswahl und Einladung zum Vorstellungsgespräch Das Auswahlverfahren sollte einem festen Schema folgen. Dazu müssen Kriterien festgelegt werden, die eine Vorauswahl der Kandidaten ermöglichen, die zu Gesprächen eingeladen werden sollen. Mögliche Kriterien sind etwa vollständige und fehlerfreie Bewerbungsunterlagen, Ausbildung des Bewerbers und sonstige Qualifikationen, Berufserfahrung sowie bisherige Beurteilungen und Zeugnisse. 4 Auch bei der Vorauswahl darf es nicht zu unzulässigen Ungleichbehandlungen kommen. Es dürfen also nicht alle männlichen oder alle weiblichen Bewerber aussortiert werden. Das Gleiche gilt für Bewerber mit Behinderung, bestimmter Herkunft und außerhalb bestimmter Altersgrenzen. Ebenfalls unzulässig ist das Aussortieren aller Bewerbungen ohne Foto, mit abgekürztem Vornamen oder ohne Geburtsdatum. In allen diesen Fällen wird möglicherweise anhand unzulässiger Kriterien differenziert. Um später nachweisen zu können, dass keine Diskriminierung erfolgt ist, sollte der gesamte Auswahlprozess dokumentiert werden. Dafür ist es erforderlich, dass die Bewerbungsunterlagen kopiert oder eingescannt werden, da der Arbeitgeber nicht berechtigt ist, die Originale nach einer Ablehnung zu behalten, sie aber zu Nachweiszwecken in einem Verfahren benötigen könnte. Für die Anfertigung der Kopien ist die Zustimmung des Bewerbers erforderlich, die zuvor - eventuell durch einen entsprechenden Hinweis in der Ausschreibung - eingeholt werden muss. Weiterhin müssen die Kriterien der Vorauswahl und die jeweiligen „Runden“ des Auswahlprozesses dokumentiert werden, so dass nachgewiesen werden kann, welcher Bewerber wann und aus welchen Gründen ausgeschieden ist. Wenn bereits aus der Bewerbung deutlich wird, dass kein echtes Interesse an der Stelle besteht, etwa weil völlig überzogene Gehaltsforderungen genannt werden, die Bewerbung überhaupt nicht auf die Anforderungen eingeht oder nicht zum Anforderungsprofil passt, ist besondere Vorsicht geboten. Dem Bewerber könnte es allein um die Geltendmachung von Entschädigung wegen Verstößen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gehen. Diese Fälle sollten besonders sorgfältig dokumentiert werden. Können solche Anhaltspunkte belegt werden, so kann sich der Unternehmer im Prozess darauf berufen, dass es der Bewerbung an Ernsthaftigkeit mangelte. IV. Vorstellungsgespräch Das Vorstellungsgespräch sollte auf Arbeitgeberseite möglichst durch 2 Personen geführt werden (6-Augen-Prinzip), damit zusätzlich zum Auswählenden ein weiterer Zeuge zur Verfügung steht. Für die Gespräche bietet sich ein fester Fragenkatalog an. Die Fragen müssen sich dabei auf die berufliche Qualifikation beziehen und sollten sich am Anforderungsprofil der Stelle orientieren. Dabei kommen zum einen objektive Kriterien wie Schulnoten, Ausbildung, Berufserfahrung oder Sprachkenntnisse in Betracht. Aber auch subjektive Elemente können eine Rolle spielen: Warum will der Bewerber in diesem Bereich tätig sein? Warum gerade in Ihrem Unternehmen? Welchen persönlichen Eindruck hat der Bewerber hinterlassen? War sein Auftreten höflich, bestimmt, unsicher, arrogant oder wortkarg? Die Fragen und Antworten sowie die subjektiven Eindrücke sollten zudem schriftlich festgehalten werden. Auch über die Ablehnungsgründe sollte eine kurze Notiz erstellt werden. Diese dürfen nicht auf eine indirekte Benachteiligung schließen lassen. Fragen nach Merkmalen, die mit unzulässigen Kriterien in Zusammenhang stehen, sind ebenfalls unzulässig. Bereits eine unzulässige Frage lässt auf eine verbotene Ungleichbehandlung schließen und führt dazu, dass der Arbeitgeber nachweisen muss, dass keine Ungleichbehandlung erfolgt ist. Doch es drohen nicht nur Schadensersatzklagen, die Antworten sind zudem auch nur von geringem Wert. Bewerber dürfen auf unzulässige Fragen wahrheitswidrig antworten und der Vertrag kann wegen einer solchen Falschauskunft auch nicht angefochten werden. Unzulässig sind unter anderem Fragen nach: 5 Alter oder Geburtsdatum, Schwangerschaft - selbst dann, wenn eine Schwangerschaftsvertretung gesucht wird oder aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen Schwangere in dem Bereich gar nicht beschäftigt werden dürfen, Familienplanung - auch gegenüber männlichen Bewerbern, da deren sexuelle Orientierung (mögliche Homosexualität) Gegenstand der Frage sein könnte, Mitgliedschaft in einer Partei oder Gewerkschaft, etwaige Behinderung oder einem Schwerbehindertenausweis. Das gilt selbst dann, wenn gerade ein Behinderter eingestellt werden soll – es sei denn es liegen zwingende berufliche Gründe im Sinne des § 8 AGG vor, die der Beschäftigung eines Behinderten entgegenstehen. Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft oder Weltanschauung. VI. Fristen für gerichtliche Geltendmachung Ansprüche wegen einer Benachteiligung müssen innerhalb von zwei Monaten ab Zugang der Absage geltend gemacht werden, § 15 Abs. 2 AGG. Es empfiehlt sich daher, die entsprechenden Unterlagen zumindest für 3 Monate aufzubewahren. Um den Zugang der Absage und damit den Fristbeginn sicher belegen zu können, müssten eigentlich alle Absagen zugestellt oder mit Übergabeeinschreiben versandt werden. Dies ist jedoch mit erheblichen Kosten verbunden. Auf jeden Fall sollte eine Liste geführt werden, in der alle Rücksendungen mit Datum vermerkt und mit eigenhändiger Unterschrift des zuständigen Mitarbeiters versehen werden. Dann kann zumindest der genaue Zeitpunkt der Absendung belegt werden. Ihr Ansprechpartner: Simon Alex Telefon: 0 49 21 89 01-83 Fax: 0 49 21 89 01-66, E-Mail: [email protected] 6
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