Weiterlesen - Kirche mit* Frauen

Die Frauenfrage in der Kirche – ein heftiges Gewitter
Pfarrei Liebfrauen Zürich
30. März 2015
P. Martin Werlen OSB
Liebe Getaufte
Das heftige Gewitter könnte schon gleich am Anfang losgehen, wenn ein Mann zur Frauenfrage in der Kirche spricht… Aber aus verschiedenen Gründen wage ich es, mich zu diesem
Thema zu äussern:
- Ich bin von Frauen dazu eingeladen worden: Von meinen Mitschwestern im Kloster
Fahr und von Frauen im Vorstand des Vereins Pro Kloster Fahr.
- Auslöser für die Einladung waren vor allem meine Aussagen zur Frauenfrage in der
Kirche in den Publikationen „Miteinander die Glut unter der Asche entdecken“1 und
„Heute im Blick. Provokationen für eine Kirche, die mit den Menschen geht“2.
- Sehr vieles in meinem Leben, auch in meinem geistlichen Leben, verdanke ich Frauen. Eigens erwähnen möchte ich meine Mutter, meine zwei Schwestern, meine geistliche Mutter, meine Mitschwestern im Kloster Fahr, meine PR-Beraterin in meiner
Amtszeit als Abt der Klöster Einsiedeln und Fahr, meine damalige Sekretärin, die Mitglieder des Frauenrates der Schweizer Bischofskonferenz, den Schweizerischen Katholischen Frauenbund, Seelsorgerinnen in Pfarreien und viele andere heilige Frauen.
Was ich auch schon vorwegnehmen möchte: Einige werden enttäuscht sein, weil ich keine
Lösungen präsentieren werde. Das ist beabsichtigt. Lösungen müssen nicht wir Männer bringen. Lösungen müssen wir miteinander suchen – Frauen und Männer, alle Getauften.
Ein heftiges Gewitter wird es auf jeden Fall geben. Selbstverständliches und Festgefahrenes
werden in Frage gestellt. Lehrmeisterin dazu ist mir eine Frau. Sie wird oft übersehen neben
ihrem Bruder. Es ist die heilige Scholastika, die Zwillingsschwester des heiligen Benedikt.
Gelebt haben die beiden Geschwister – als Nonne und als Mönch – vor 1500 Jahren. Der
heilige Papst Gregor der Grosse sagt über die heilige Scholastika in Bezug auf ihren Bruder:
„Sie hatte mehr Liebe.“ Ihr verdanken wir ein heftiges Gewitter – auch heute Abend.
Hören wir, was Gregor der Grosse uns über die Geschwister erzählt, die sich einmal jährlich
ausserhalb des Klosters zu einem geistlichen Gespräch trafen. Die Beiden waren tief im Gespräch. Am Abend bat Scholastika ihren Bruder Benedikt, das Gespräch die Nacht hindurch
weiterzuführen. „Er aber erwiderte: ‚Schwester, was redest du da? Nein, nein, ich kann nicht
ausserhalb des Klosters bleiben.‘ Es war so heiteres Wetter, dass sich keine Wolke am Himmel zeigte. Als die heilige Ordensfrau das Nein ihres Bruders vernahm, legte sie die Hände
mit verschränkten Fingern auf den Tisch und beugte ihren Kopf über die Hände, um zum
allmächtigen Herrn zu beten. Als sie den Kopf wieder vom Tisch erhob, herrschte ein derart
gewaltiges Blitzen und Donnern, und ein solcher Regen brach los, dass weder der ehrwürdi1
7
Martin Werlen, Miteinander die Glut unter der Asche entdecken. Einsiedeln 2015.
Martin Werlen, Heute im Blick. Provokationen für eine Kirche, die mit den Menschen geht. Freiburg i.Br.
5
2015.
2
1
ge Benedikt noch die Brüder, die mit ihm dabei waren, den Fuss über die Schwelle des Ortes
setzen konnten, an dem sie beisammen sassen. Da fing der Mann Gottes betrübt an, sich zu
beklagen: ‚Der allmächtige Gott verzeihe dir, Schwester, was hast du getan?‘ Da antwortete
sie: ‚Ich habe dich gebeten, und du wolltest nicht auf mich hören. Da bat ich meinen Gott,
und er erhörte mich. Geh hinaus, wenn du kannst, verlass mich und kehre ins Kloster zurück!‘ Er aber, der freiwillig nicht bleiben wollte, blieb wider Willen, und so kam es, dass sie
die ganze Nacht durchwachten und sich durch Gespräche über das geistliche Leben in gegenseitigem Austausch erquickten. Kein Wunder, dass die Frau mehr vermochte als er; denn
nach dem Wort des Johannes: ‚Gott ist die Liebe‘, war es nur gerecht, dass sie mehr vermochte, weil sie mehr Liebe hatte. Drei Tage später stand der Mann Gottes in seiner Zelle.
Als er zum Himmel aufblickte, sah er die Seele seiner Schwester, dem Leib entrückt, in Gestalt einer Taube in das Geheimnis des Himmels eingehen.“3
Worüber haben die Geschwister wohl gesprochen, als Scholastika das Gespräch weiterführen, Benedikt aber abbrechen wollte? Eine prophetische Frau unserer Zeit hat dieses Gespräch im tiefsten Sinn des Wortes ver-dichtet. Wir werden es später hören, im Abendgebet.4
Kirche in Sackgassen
Es ist ganz offensichtlich: Die Kirche ist in verschiedenen Sackgassen – übrigens schon längere Zeit.5 Die Frauenfrage ist eine darunter, eine zentrale. Wer in eine Sackgasse geraten ist,
tut gut daran, nicht einfach sitzen zu bleiben und zu warten, bis sich die ganze Umgebung
verändert.
Doch wer heute konkrete Schritte der Umkehr anzeigt, begegnet immer wieder demselben
Alarmknopf: Zeitgeist. Es gibt Leute, die viel mehr vom Zeitgeist sprechen und schreiben, als
vom Heiligen Geist. Aber um als Kirche den Weg durch die Zeit zu finden, brauchen wir in
erster Linie die Kraft des Heiligen Geistes und nicht die Angst vor dem Zeitgeist.
Heiliger Geist
Der Heilige Geist ist manchmal sehr unangenehm. Papst Franziskus erinnert uns in seinen
Predigten unablässig daran. „Um es klar zu sagen: Der Heilige Geist ist für uns eine Belästigung. Er bewegt uns, er lässt uns unterwegs sein, er drängt die Kirche, weiterzugehen. … Wir
wollen, dass der Heilige Geist sich beruhigt, wir wollen ihn zähmen. Aber das geht nicht.
Denn er ist Gott und ist wie der Wind, der weht, wo er will. Er ist die Kraft Gottes, der uns
Trost gibt und auch die Kraft, vorwärtszugehen. Es ist dieses ‚Vorwärtsgehen‘, das für uns so
3
Gregor der Grosse, Der hl. Benedikt. Buch II der Dialoge. St. Ottilien 1995. 189-193.
Der Text von Silja Walter ist zum ersten Mal veröffentlicht in: Martin Werlen, Heute im Blick. Provokationen
5
für eine Kirche, die mit den Menschen geht. Freiburg i.Br. 2015. 143-149.
5
Kardinal Carlo Maria Martini meinte dazu in seinem letzten Interview: „Die Kirche ist zweihundert Jahre lang
stehen geblieben.“ http://www.stimmen-derzeit.de/zeitschrift/ausgabe/details?k_beitrag=3563852&cnid=13&k_produkt=3574470
4
2
anstrengend ist. Die Bequemlichkeit gefällt uns viel besser.“6 – „Heute können wir den Heiligen Geist darum bitten, dass er uns diesen Drang schenken möge; dass er uns die Gnade
schenken möge, an den Dingen zu rütteln, die in der Kirche zu ruhig sind, und die Gnade, auf
die Peripherien der Existenz zuzugehen.“7
Der Zeitgeist
Wenn ich ständig dem Warnplakat „Zeitgeist“ begegne, nervt mich das. Von Silja Walter habe ich gelernt, gerade bei Nervigem dahinter zu schauen. Darum fragte ich mich: Was ist das,
Zeitgeist? In Wikipedia heisst es: „Der Zeitgeist ist die Denk- und Fühlweise (Mentalität) eines Zeitalters. Der Begriff bezeichnet die Eigenart einer bestimmten Epoche beziehungsweise den Versuch, uns diese zu vergegenwärtigen.“8 Der Zeitgeist ist also in sich weder positiv
noch negativ. Aber eines ist klar: Der Zeitgeist ist wichtig. Gerade auch für die Verkündigung
des Evangeliums. Wenn wir den Zeitgeist nicht kennen, reden wir ins Leere, an den Menschen vorbei. Der Zeitgeist aber ist nicht das Wesentliche. Wenn wir den Zeitgeist zum Wesentlichen machen, gehen wir am Ziel vorbei. Wir müssen nicht in der Kirche etwas ändern,
um vom Zeitgeist anerkannt zu werden, sondern um in der jeweiligen Zeit glaubwürdig das
Evangelium zu leben und zu verkünden.
Vieles in unserem Leben ist vom Zeitgeist geprägt – und das ist gut so. Die meisten unserer
Bräuche sind vom Zeitgeist angeregt worden. Vieles in der Heiligen Schrift und in der Kirche
ist Zeitgeist. So nimmt zum Beispiel Jesus Erfahrungen der Menschen auf und knüpft seine
Reden daran an. Er war offensichtlich mit dem Zeitgeist vertraut. Und gerade auch das
machte seine Unterweisungen so ganz anders als die der Schriftgelehrten und Pharisäer. Er
sprach nicht über sie hinweg – von oben herab. Vieles in der Heiligen Schrift kann man nur
verstehen, wenn man die Zeit damals versteht. Jesus wählte Fischer in seine Nachfolge als
Apostel. Das hat mit dem Zeitgeist zu tun: In jener Zeit lebten an jenem Ort viele Fischer.
Niemand schliesst daraus, dass nur Fischer Bischöfe werden können.
Vieles, was für uns heute selbstverständlich zur Kirche gehört, entstammt dem Zeitgeist vergangener Jahrhunderte. Weil die Kirche es immer wieder verstand, in der Gegenwart zu leben, hat sie sich – nicht einfach ablehnend - dem Zeitgeist gestellt und vieles davon aufgenommen. So sind viele wertvolle Bräuche entstanden. Wenn diese Bräuche schon länger zu
uns gehören, nennen wir sie oft Tradition.
Vieles, das als Tradition bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit Zeitgeist vergangener Zeiten und
somit auch veränderbar. Was vom Zeitgeist geprägt ist, ist aber deswegen nicht wertlos oder
beliebig veränderbar. Auch die Kirche braucht – wie jede andere Gemeinschaft - Regeln des
Zusammenlebens und eine gemeinsame Kultur, die Heimat schenkt. Aber all das kann miteinander verändert werden. Wenn das Einzelne tun, gefährden sie sich und andere; wenn es
die Gemeinschaft als Ganze tut, trägt es zum Aufbau bei. Eines meiner fast legendären
6
http://de.radiovaticana.va/news/2013/04/16/papst_franziskus_bem%C3%A4ngelt_umsetzung_des_zweiten_v
atikanums/ted-683281
7
http://de.radiovaticana.va/news/2013/05/16/papst:_%E2%80%9Ewohnzimmerchristen_bringen_die_kirche_nicht_weiter%E2%80%9C/ted-692654
8
http://de.wikipedia.org/wiki/Zeitgeist
3
Bahngleichnisse lautet: „#Bahngleichnis Ein einzelner Zug darf den Kurs nur wechseln, wenn
das ganze System darauf vorbereitet ist.“9 Ein Fahrplanwechsel ist möglich und von Zeit zu
Zeit fällig, um den Zugsverkehr zu optimieren. Aber wehe, wenn ein Zug auf eigene Faust
den eigenen Fahrplan wechseln würde… Das gilt auch für die Gemeinschaft der Getauften.
Gefährlich wird es für den Glauben, wenn der Zeitgeist vergangener Jahrhunderte und daraus Entstandenes in der Kirche als Tradition betrachtet wird. Dann verfallen wir leicht dem
Irrtum, dies sei Tradition im theologischen Sinne. Hier ist der Boden für Traditionalismus.
Was aber ist Tradition im theologischen Sinn wirklich, also Tradition die wesentlich zur Kirche gehört? Unter Tradition versteht die Kirche die Treue zu Jesus Christus durch den wechselhaften Lauf der Geschichte. „Diese lebendige Weitergabe, die im Heiligen Geist geschieht,
wird – als von der Heiligen Schrift verschieden, aber doch eng mit ihr verbunden – ‚Überlieferung‘ [Tradition] genannt.“10 Daran dürfen wir heute weiterweben.
Genau diese kirchliche Tradition scheint Papst Franziskus sehr gut zu kennen, nicht zuletzt
durch seine Schulung als Jesuit. Auf die christliche Tradition beruft sich der Bischof von Rom,
als er den heiligen Franz von Assisi zum Namenspatron wählt, der die Kirche in seiner Zeit
reformiert und zum Kern der Tradition zurückgeführt hat.
Und weil diese wesentliche Tradition in der Kirche wichtig ist, darf man daran nicht rütteln.
Denn wenn die Kirche wirklich von Tradition spricht, meint sie nicht den Zeitgeist vergangener Jahrhunderte. Es ist tragisch und peinlich, wenn gegen den heutigen Zeitgeist gewettert
wird, um am Zeitgeist vergangener Jahrhunderte kleben zu bleiben - und man sich dabei auf
das Argument der Tradition beruft.
Tradition und Traditionen
Der grosse französische Theologe Yves Congar braucht in dieser Hinsicht eine hilfreiche Unterscheidung. Er spricht von Tradition und von Traditionen.11 In der französischen Sprache ist
‚Tradition‘ gross geschrieben, die ‚traditions‘ aber klein. Tradition ist nach Congar nicht ein
abgeschlossenes System, sondern immer lebendig. Zur lebendigen Tradition gehört, dass wir
darauf achten müssen, „was die gegenwärtige Zeit von uns verlangt“ (Bernhard von Clairvaux). Wichtig ist, dass wir unsere Aufmerksamkeit auf die stets unerschöpfliche und „unverbrauchte Neuheit Jesus Christi“ richten und uns immer neu von ihm überraschen lassen.
„Tradition ist kein Festhalten am Bestehenden. Indem wir die Vergangenheit nur dem Inhalt
nach wiederholen, würden wir das Erbe nicht weitergeben. Es gibt Formen der Weitergabe,
9
3
Martin Werlen, Bahngleichnis. Einsiedeln 2015. 24.
Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 78.
11
Yves Congar, La Tradition et les traditions, Vol. I: Essai historique. 1960 ; Vol. II: Essai théologique. 1963. In
den 50er-Jahren von Rom mit Rede- und Schreibverbot belegt, wurde der Dominikaner 1994 von Papst Johannes Paul II. in die Reihe der Kardinäle aufgenommen. Eine gute Zusammenfassung der Arbeit von Yves Congar
und der Persönlichkeit des grossen Theologen in: Frère Emile, Treue zur Zukunft. Lernen von Yves Congar. Freiburg i.Br. 2014.
10
4
die der wahren Weitergabe schaden.“12 Diese Formen sind Traditionen. Sie können losgelassen oder verändert werden, ohne dass Wesentliches des Glaubens verloren geht. Ja, Traditionen müssen sogar manchmal losgelassen werden, um die Tradition nicht zu gefährden, das
heisst die Weitergabe des Glaubens.
Schauen wir einmal ein paar Traditionen (also im Plural) an:
- Das Weihnachtsfest am 25. Dezember. Das Datum wurde festgelegt, weil an diesem
Tag ein heidnisches Fest war, also beeinflusst vom Zeitgeist. Tatsächlich könnte das
Weihnachtsfest verschoben werden, ohne dass etwas Wesentliches des Glaubens
verloren geht.
- In der Barockzeit war die Symmetrie Zeitgeist. Dieser Zeitgeist wurde auch in die Kirche aufgenommen. Der Tabernakel kam in die Mitte aller Symmetrie. Vorher in der
Gotik war das Sakramentshäuschen auf der Seite des Chores. Ein grossartiges Beispiel
dafür finden wir in der Kathedrale von Chur.
- Der Purpur der Kardinäle wurde ihnen im 16. Jahrhundert als Zückerchen gegeben,
als ihnen der Papst sie in der Mitsprache der Kirchenleitung entmachtet hatte. Sie
durften wie der Kaiser in der Antike einen roten Hut tragen. Das ist nicht Tradition,
sondern eine der vielen Traditionen.
- Zu den Traditionen gehören auch die roten Schuhe des Papstes, der Palast des Papstes, die Spitzenalben und das Birett. All das ist Einfluss des Zeitgeistes in den Alltag
der Kirche. Wenn Verfechter dieser Traditionen als Tradition ständig vor dem heutigen Zeitgeist warnen, wähnt man sich fast in einer Satiresendung.
- Die Zölibatsverpflichtung für Priester im lateinischen Ritus gehört zu den Traditionen.
Im Unterschied zum Charisma der Ehelosigkeit, das zur Tradition der Kirche gehört.
Die Verpflichtung ist eine Frucht des Zeitgeistes. Verschiedene Gründe haben dazu
geführt. Darum muss sich die Kirche auch immer fragen, ob solche Traditionen je
heute noch angemessen sind oder ob sie der Tradition sogar im Wege stehen.
- Die lateinische Sprache der Kirche ist Ausdruck des Zeitgeistes. Die Sprache der Gläubigen war lateinisch und so wurde selbstverständlich auch die Liturgie nicht in griechischer, hebräischer oder aramäischer Sprache gefeiert. Der hl. Hieronymus hat Ende des 4. Jahrhunderts die Heilige Schrift ins Lateinische übersetzt. Dieses Werk trägt
die passende Bezeichnung Vulgata, d.h. in der Sprache des Volkes, vulgär.
- Im Kirchenrecht sind sehr viele Traditionen. Darum ist es auch möglich, Änderungen
vorzunehmen. Das ist zum Beispiel in aller Deutlichkeit zu erkennen, wenn man das
Kirchenrecht von 1917 mit dem von 1983 vergleicht.
- Das Autoritätsverständnis in der Kirche ist wesentlich geprägt vom Zeitgeist: höfisches Getue, Kirchenfürsten. Das sind Traditionen. In der lebendigen Tradition, dem
uns überlieferten Evangelium, steht: „Bei euch aber soll es nicht so sein“ (Mk 10,43).
Und Letzteres ist Glaubensgut. Gestern auf dem Weg vom Gottesdienst im Benediktinerinnenkloster Au zurück nach Einsiedeln erschrak eine Frau, weil ich zu Fuss unterwegs war. Dieses Bild von Autorität in der Kirche hat sie gewiss nicht von Jesus…
Das Äussere der Kirche ist in jeder Zeit herausgefordert und beeinflusst vom Zeitgeist. Die
Kirche muss sich diesem stellen, damit das Glaubensgut lebendig bleibt. Es gibt Dinge im
12
Yves Congar, Tradition et Ouverture. In: Gérard Soulages, Fidélité et Ouverture. 1972. 55. Zitiert in: Frère
Emile, Treue zur Zukunft. Lernen von Yves Congar. Freiburg i.Br. 2014. 57.
5
Zeitgeist, die sehr wohl kompatibel sind mit dem christlichen Glauben, andere die ihm im
Wege stehen.
Wenn Traditionen der Tradition im Wege stehen, müssen wir sie aufgeben – selbst wenn wir
sie liebgewonnen haben. Wenn Traditionen zur unveränderlichen Tradition erklärt werden,
wird Asche gehütet und nicht die Glut des Glaubens weitergegeben. Dann sind wir im Traditionalismus.
Die Frauenfrage
Was heisst das alles nun für die Frauenfrage? Eines ist für mich klar: Die Frauenfrage in der
Kirche ist stark vom Zeitgeist vergangener Jahrhunderte geprägt, aber leider sehr wenig von
der Tradition. Was ist wirklich Tradition in der Frauenfrage, also Treue zu Jesus Christus
durch den wechselhaften Lauf der Geschichte?
Im Glaubensbekenntnis scheint das Geschlecht der Personen keine Rolle zu spielen. Es geht
um den Menschen. Gott wird Mensch, weil er den Menschen liebt – unabhängig von seinem
Geschlecht. Im Apostolischen und im Grossen Glaubensbekenntnis ist nur eine Frau und ein
Mann namentlich genannt. Dabei kommt die Frau (Maria) doch einiges besser davon als der
Mann (Pontius Pilatus)…
Die Taufe ist das grundlegende Sakrament unseres Glaubens. Es ist übrigens das einzige Sakrament, das im Grossen Glaubensbekenntnis (siehe KG 245) genannt ist: „Wir bekennen die
eine Taufe.“ Nach dem Zeugnis des heiligen Paulus überschreitet dieses Sakrament Grenzen,
an denen wir heute noch immer wieder stehen bleiben: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid ‚einer‘ in Christus Jesus“ (Gal 3,28). Auf die Lesung dieser Aussage antworten wir mit ‚Dank sei Gott!‘ Glauben
wir, was wir sagen? Leben wir, was wir bekennen und beten? Oder sollten wir die Taufe, die
wir bekennen, nicht doch neu entdecken?
Traditionen in der Frauenfrage
Um unsere Berufung zu entdecken, müssen wir auch die Traditionen ansprechen, besonders
jene, die der Tradition im Wege stehen. Die Traditionen in der Frauenfrage sind – wie alle
Traditionen – vom Zeitgeist geprägt. Und der Zeitgeist ist wiederum stark geprägt von der
Dominanz der Männerwelt.
Zu den Traditionen gehört, dass die Frauen auch in der kirchlichen Sprache oft einfach mitgemeint sind. ‚Liebe Brüder‘. Bis vor 30 Jahren war diese Anrede selbstverständlich. In jedem
Gottesdienst wurden nur die Brüder genannt. Und wenn jemand protestiert hat? Dann erhielt man die Antwort: Selbstverständlich sind die Schwestern mitgemeint. So hat es über
Jahrhunderte funktioniert. Es gibt heute noch Sprachen, in denen nur die Brüder angesprochen werden – die Schwestern sind selbstverständlich mitgemeint. Wie wenig selbstverständlich das eigentlich ist, habe ich 1988 in den USA erlebt. Von einem Benediktiner wurde
ich eingeladen, ihn als Diakon zu einer Eucharistiefeier in einem Benediktinerinnenkloster zu
begleiten. Bei der Gabenbereitung sagte er: „Betet, Schwestern, dass mein und euer Opfer
6
Gott, dem allmächtigen Vater, gefalle.“ Sollte ich jetzt auch beten? War ich auch mitgemeint? Da begann ich unser Sprachverhalten in der Kirche anders wahrzunehmen. Waren
die Schwestern tatsächlich mitgemeint, wenn wir von den lieben Brüdern sprachen? Müssen
wir Männer nicht gestehen, dass wir oft gar nicht an sie gedacht haben? Sie wurden nicht
ernstgenommen. Übrigens kann das bis heute geschehen. Die Prägung sitzt tief.
Das ist mir auch beim Verfassen des Buches „Heute im Blick“ passiert. Gemerkt habe ich es
nur dank einer Rückmeldung von Frau Professor Helen Schüngel-Straumann. Sie schrieb mir:
„Ganz herzlichen Dank für Ihr neues Buch! … Das Gebet am Schluss hat mich sehr angesprochen, ich kann es voll nachvollziehen. – Aber vielleicht erlauben Sie mir doch eine kleine Korrektur nach der Regel des Benedikt: Gibt es in der Kirche nur Männer? Könnte man nicht
auch die hl. Hildegard von Bingen anrufen oder Teresa von Avila?“ Ich antwortete der grossen Theologin: „Liebe Frau Prof. Schüngel-Straumann, Danke für Ihre Rückmeldung! … Die
Kritik am Gebet nehme ich gerne auf. Geschrieben habe ich das Gebet unter Zeitdruck in
Schweden, wo ja auch eine Ordensgründerin beheimatet ist. Aber: Das ist mir gar nicht eingefallen. Das ist – leider – typisch. Ich mag mich noch erinnern, dass ich mich einfach auf die
‚Klassischen‘ beschränkt habe, um nicht auch alle aus dem 19. Jahrhundert aufzuzählen. Irgendwo brauchte es eine Begrenzung und auch eine Begründung dafür. Allerdings: Wenn ich
das 19. Jahrhundert aufgenommen hätte, kann ich nicht garantieren, dass auch die grossen
Frauengestalten erschienen wären. Am 30. März (Anhang) kann ich etwas davon gutmachen.
Ich werde Ihre Kritik gerne aufnehmen. Danke!“
Nein, es gibt in der Kirche – Gott sei Dank – nicht nur Männer! Denken wir an Maria Magdalena, die Apostelin der Apostel; an die Scholastika, die mehr Liebe hatte als Benedikt; an die
grosse Teresa von Avila, die die Benachteiligung der Frau vor Gott beklagte; an die kleine
Thérèse von Lisieux, die darunter gelitten hat, nicht Priesterin werden zu können; an Mary
Ward, die trotz unvorstellbarem Widerstand der kirchlichen Männerwelt nicht aufgab; an
Hildegard von Bingen und an Katharina von Siena, die sich nicht scheuten, der Klerikerwelt
die Leviten zu lesen; an Brigitta von Schweden, die auch Päpste zurechtwies; an Sr. Bernarda
Heimgartner und an Sr. Maria Teresia Scherer, die die Zeichen der Zeit erkannten und ihre
Berufung überzeugend lebten; usw.
Die Frau ist auch in der Heiligen Schrift oft vergessen gegangen. Bei der männlichen Autorenschaft ist das keine Überraschung. Nehmen wir zum Beispiel die Erzählung von Abraham,
der bereit ist, seinen Sohn Isaak zu schlachten (Gn 22,1-13). Ist Ihnen auch nicht aufgefallen,
dass bei diesem schrecklichen Geschehen, dem Gott im letzten Moment Einhalt gebietet,
Sarah nicht vorkommt, Sarah, die Mutter Isaaks? Ich muss gestehen: Bis zur Vertiefung in die
Frauenfrage ist es mir nicht aufgefallen, überhaupt nicht. Vielleicht ist sie ja gestorben, mögen einige denken. Nein, sie ist nicht gestorben. Erst im anschliessenden Kapitel wird von
ihrem Tod erzählt. Wie ist es möglich, dass bei einem solchen Geschehen, bei dem ein Sohn
von seinem eigenen Vater geschlachtet werden soll, die Mutter nicht erwähnt wird? Wahrscheinlich ist sie mitgemeint, wenn Abraham genannt wird... Sie merken, dass das so nicht
geht. Stellen Sie sich den Schmerz und die Verzweiflung einer Mutter vor, deren Sohn geschlachtet werden soll! Kann sie da mit dem Täter mitgemeint sein? Nie und nimmer. Das
grosse Problem ist hier nicht so sehr, dass sie im Text nicht genannt wird. Das viel grössere
Problem ist, dass wir sie beim Lesen und Meditieren des Textes nicht selbstverständlich mithören. Es muss nicht alles geschrieben sein, aber wir müssen die ganze Wirklichkeit mithören. Wir müssen immer neu ‚dahinter schauen‘. Daran erinnert uns Silja Walter in ihrem
7
Werk unermüdlich. Wir sollen nicht an der Oberfläche stehen bleiben. Wie wahr ist, was der
grosse Geigenbauer Martin Schleske sagt: „Es ist eine subtile Form des Unglaubens, wenn
man sich an das, was man glaubt, gewöhnt hat. … In der Gewöhnung ist die Seele ohne Hoffnung und der Geist ist ohne Fragen.“13
Um uns von dieser subtilen Form des Unglaubens zu trennen, sind wir aufeinander angewiesen. Nicht nur auf die Brüder, sondern auch auf die Schwestern. Nur miteinander werden wir
wirklich Hörende. Auch Hörende auf das Wort Gottes. Gewiss: In vielen Erzählungen und
Texten der Heiligen Schrift fehlen die Frauen auf den ersten Blick. Wir können dabei stehen
blieben. An der Oberfläche. Dann aber brauchen wir eine Reinigung der Augen des Glaubens.
Wir müssen einander helfen, das Wort Gottes in seiner Tiefe zu hören und zu verstehen.
Wenn wir an unseren eigenen Glaubensweg denken, erinnern wir uns wohl alle, dass es vor
allem Frauen waren, die uns die grossartigen Geschichten unseres Glaubens erzählt haben.
Das Weitererzählen unseres Glaubens gehört zur reichen Tradition. Das gehört auch zur reichen Tradition, die zum Niederschreiben der verschiedenen Texte der Heiligen Schrift geführt hat. Die Frauen fehlen – und doch nicht. Lassen wir in den biblischen Texten alles mitklingen, hören wir immer auch die Frauen – und zwar an den entscheidenden Stellen. Frauen
öffnen uns auch heute die Augen für die Schönheit des Glaubens.
Traditionen, die einmal für Tradition verkauft wurden
Die Benachteiligung der Frau ist Zeitgeist vergangener Jahrhunderte. Das sind teilweise verheerende Traditionen, auch verheerende kirchliche Traditionen. Sie stehen der lebendigen
Tradition im Weg und wurden – bzw. werden - sogar als Tradition verkauft. Ich führe hier nur
einige deutliche Beispiele an:
In der Apostelgeschichte und in Paulusbriefen ist vom Ehepaar Priszilla und Aquila die Rede.14 Dass Priszilla als Mitarbeiterin des Paulus - also als Verkünderin des Evangeliums - an
verschiedenen Stellen jeweils vor ihrem Mann genannt wird, lässt aufhorchen. Ihr Beitrag
zur Ausbreitung des Christentums wurde offensichtlich als wichtiger angesehen als der des
Aquila. Das überrascht auch im 21. Jahrhundert. Im aktuell geltenden Gesetzesbuch der Kirche kann die Frau im Unterschied zum Mann nicht dauerhaft, sondern nur aufgrund einer
zeitlich begrenzten Beauftragung liturgische Dienste wahrnehmen (vgl. CIC, can. 230). Das
Geschlecht der Person wird von der Kirche auch im 21. Jahrhundert noch höher gewertet als
die Taufe.
Der päpstliche Nuntius beschrieb die am 28. März 1515 geborene heilige Teresa von Avila als
„ein unruhiges, herumvagabundierendes, ungehorsames und verstocktes Weibsbild, das
unter dem Vorwand von Frömmigkeit falsche Lehren erfand.“15 Ein paar Jahre später wurde
sie selig- und heiliggesprochen.
13
5
Martin Schleske, Der Klang. Vom unerhörten Sinn des Lebens. München 2012. 16f.
Z.B. Apg 18,18-19.
15
Eine empfehlenswerte Darstellung der prophetischen Frau und ihres schriftlichen Werkes: Ulrich Dobhan /
Elisabeth Peeters, Teresa von Avila – Werke und Briefe. Gesamtausgabe. Freiburg 2015. Zusammenfassende
Darstellung zum 500. Geburtstag am 28. März 2015 von Ludger Schwienhorst-Schönberger, Kirchenlehrerin des
geistlichen Lebens. In: Christ in der Gegenwart. März 2015.
14
8
Als Papst Pius XI. aufgefordert wurde, die grosse Teresa von Avila zur Kirchenlehrerin zu ernennen, lehnte der Papst einen solchen Schritt 1923 als unmöglich ab mit der Begründung:
„obstat sexus“ („das Geschlecht steht dem entgegen“). Im Jahre 1970 ernannte Papst Paul
VI. sie als erste Frau zur Kirchenlehrerin. In der Zwischenzeit sind unter den 36 Lehrerinnen
und Lehrern der Kirche folgende Frauen: Hildegard von Bingen, Katharina von Siena, Teresa
von Avila und Thérèse von Lisieux. Die Kirche hat gelernt, zwischen Tradition und Traditionen
zu unterscheiden.
Die Äbtissinnen der Zisterzienserinnenabtei Las Huelgas bei Burgos in Spanien hatten über
700 Jahre lang bischofsähnliche Aufgaben – von den Päpsten immer wieder dazu ausgestattet: Mitra, Jurisdiktion (also nicht unter dem Bischof), geistliche und weltliche Aufsicht über
alle spanischen Zisterzienserinnenabteien, Jurisdiktion über 70 Pfarreien, Ernennung der
Pfarrer, Erteilung der Vollmacht zum Messelesen und zur Lossprechung von Sünden, Abhaltung von Synoden, Ernennung der Richter des kirchlichen Ehegerichts, Erteilung von Dispensen, Verhängung von Kirchenstrafen. Der heilige Josemaría Escrivá de Balaguer, der Gründer
des Opus Dei, hat eine grosse Studie über die Geschichte dieser Abtei gemacht.16 Er zeigt
auf, dass die Äbtissin nicht weniger als 23 Rechte besass, die sonst nur einem Bischof zustanden. Das Beispiel zeigt, dass offensichtlich viele Praktiken, die heute als Tradition verteidigt werden, nichts anderes als Traditionen sind.17 Das befreit und lässt hoffen.
Bis 1994 durften Frauen offiziell nicht den Ministrantendienst wahrnehmen. Im Kirchenrecht
von 1917 hiess es ausdrücklich im Canon 813: „Ein Priester soll keine Messe feiern ohne einen Ministranten, der ihn bedient und ihm die Antworten gibt. Messdiener darf keine Frau
sein; wenn aber ein Mann fehlt, soll aus berechtigtem Grund nach der gleichen Verordnung
eine Frau aus der Ferne antworten, und auf keinen Fall an den Altar herantreten.“ Hier ist es
offensichtlich: Das Geschlecht der Person wird höher gewertet als die Taufe. Oder anders
gesagt: Die Taufe wird nicht ernst genommen.
Dasselbe gilt auch für den Besuch der Klausur. Bis zu Beginn dieses Jahrhunderts waren bei
uns Männer in die Klausur zugelassen, aber nicht Frauen. Ob die Männer Gläubige oder
Atheisten waren, spielte keine Rolle.
Einzelne Gläubige haben sich daran gestört, dass im Kloster Einsiedeln am Gründonnerstag
seit 2002 jeweils auch Frauen die Füsse gewaschen werden. Das Argument: Jesus hätte den
Aposteln, also nur Männern, die Füsse gewaschen. Wenn das wirklich ein Argument der Tradition wäre, dürfte auch die Eucharistie nur Männern ausgeteilt werden. Der Protest ist verstummt, als Papst Franziskus kurz nach Amtsantritt am Gründonnerstag auch Frauen die
Füsse wusch und das seither auch mit grösster Selbstverständlichkeit tut.
Wie weiter?
16
3
Josemaría Escrivá de Balaguer, La Abadesa de Las Huelgas. Estudio teológico jurídico. Madrid 1988.
Dazu das spannend geschriebene Werk, das konkret hilft, Tradition und Traditionen zu unterscheiden: Hu2
bert Wolf, Krypta. Unterdrückte Traditionen der Kirchengeschichte. München 2015.
17
9
Wenn das Geschlecht einer Person höher eingestuft wird als die Taufe, haben wir ein grösseres Problem. Und zwar nicht nur mit Traditionen, sondern vor allem mit der Tradition. Wir
haben ein Glaubensproblem.
Wenn Frauen in der Kirche gleichberechtigt wahrgenommen werden wollen, hat das nichts
mit Anpassung an den Zeitgeist zu tun. Im Gegenteil. Wenn wir die Taufe so ernst nehmen,
wie wir das in der Liturgie und in der Glaubenslehre bekennen, dann werden wir bald einmal
merken, dass nicht Mann oder Frau zählen, sondern die Nachfolge Christi.
Die Sprache der Kirche, aber auch die ganze Kultur in der Kirche sind immer noch einseitig
Männer-geprägt. Weil sich so wenig bewegt, versuchen einige – was verständlich ist – drastisch dreinzufahren. Ob sie nicht manchmal das Kind mit dem Bade ausschütten? Wie können wir anders auf dem Weg bleiben? Wie können wir unterscheiden zwischen Tradition
und Traditionen? Hier nur einige Hinweise: Miteinander Gott suchen; eine lebendige Beziehung mit dem dreifaltigen Gott pflegen; hören auf Gott, aufeinander, auf die Zeichen der
Zeit; die lebendige Tradition kennen; miteinander neue Schritt wagen.
Papst Franziskus ruft dazu auf, neue Wege zu suchen, die der Frau ihren Platz in der Kirche
nicht nur versprechen, sondern auch ermöglichen. Das Resultat wird nicht eine Theologie
der Frau sein, gemacht von Männern, sondern eine Vertiefung und Bereicherung der Theologie überhaupt, entdeckt von Getauften - Frauen und Männern. Das ist nicht eine Anpassung an den Zeitgeist, sondern wachsende Treue in der Berufung und mehr Katholizität.
Ein Interview von heute als Zusammenfassung
Ein Interview, heute in der Aargauer Zeitung erschienen, ist eine Zusammenfassung des Gesagten. Es zeigt uns, wie Traditionen für Tradition gehalten werden. Hier ist es nicht ein
Theologe, der so spricht, aber offensichtlich nahe bei Theologen lebt, die so denken und argumentieren. Der Interviewte ist Christoph Graf, der neue Kommandant der Schweizergarde:
Wann wird die erste Frau in der Schweizergarde vereidigt?
Diesen Tag werde ich bestimmt nicht mehr erleben.
Die Schweizer Armee hat es auch geschafft. Wieso die Garde nicht?
Unsere Kaserne ist bereits jetzt ausgebucht. Wenn wir Frauen aufnehmen würden, müssten
wir dafür einen speziellen Trakt einrichten.
Tönt nach guter Ausrede.
Wir haben ja eine Frau – die Sekretärin (lacht). Die Zeit für eine Frau in der Garde ist nicht
reif. Wir haben eine Tradition, die seit 500 Jahren andauert und von der wir leben.
Das Problem liegt doch tiefer: Die katholische Kirche als Ganzes hat ein Frauenproblem.
Sehen Sie, die Kirche hat eine Tradition, die sie aufrechterhalten muss. Wo würde das hinführen, wenn sie jeder Modeströmung hinterherlaufen würde? Am Ende hätten wir plötzlich Bischöfinnen oder sogar eine Päpstin.
10
Liebe Getaufte, Sie sehen, da haben wir noch viel Arbeit. Packen wir sie an!
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