D 7682 E 3/2015 3/22 0 1 5 gv-praxis 3/2015 www.cafe-future.net www.gv-praxis.de Business Busii nee ss · Care · Education Edd u catt i o n Business Daily entdeckt Cateringmarkt Kaffee Barista-Tipps für mehr Erfolg Care Zentralküche der Superlative EVENT Gesunde Verführung Auf dem Winter-Workshop des Deutschen Instituts für Gemeinschaftsgastronomie (DIG) unterstreicht der Bayerische Ernährungsminister Helmut Brunner die gesundheitspolitische Bedeutung der Branche und lobt die „Champions League" der Gemeinschaftsgastronomie. B etriebsverpflegung gewinnt an Bedeutung. Ein Credo für die gut 80 DIG-Mitglieder, die Anfang Februar im MAN Truck Forum in München zu ihrem jährlichen WinterWorkshop zusammenkamen. Im 41. Jahr seines Bestehens scheint das Deutsche Institut für Gemeinschaftsgastronomie eine neue Umlaufbahn einzuschlagen. Das brachte nicht nur der Bayerische Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Helmut Brunner mit seinem Antrag auf Mitgliedschaft in der „Champions League der Gemeinschaftsverpfle- Soll Gemeinschaftsgastronomie zur gesunden Menüwahl erziehen? gung“ zum Ausdruck. Das Workshop-Programm mit zum Teil rege geführten Diskussionen und der informelle Meinungsaustausch dazwischen kreisten immer wieder um die Frage, inwieweit die Gemeinschaftsgastronomie ihre Gäste zu einer gesunden Menüauswahl erziehen sollte. 74 gv-praxis | 3/2015 Fotos: Claudia Zilz Indem beispielsweise vermeintlich Ungesundes seltener oder gar nicht mehr angeboten wird oder über den Preis gegengesteuert wird. War in den vergangenen Jahren die Angebotsvielfalt das Maß der Dinge, heißt es heute zunehmend: Weniger ist mehr. Statt die Gäste mit dem täglichen Angebot von Pasta, Pizza, Currywurst und Pommes zu verführen, steht ein Angebotsmix zur Diskussion, der die ungesunde Wahl erschweren soll. Zum Beispiel mit fleischfreien Tagen und einer größeren Auswahl an vegetarischen und veganen Angeboten. Über das richtige Maß der Einflussnahme herrschte im Plenum nicht immer Einigkeit. Verbote und Bevormundung werden weitgehend abgelehnt, gesunde Verführung vorgezogen. Nudging lautet das neue Zauberwort: jemandem in seinem eigenen Interesse einen kleinen Schubs geben. Was durchaus auch im Interesse des Arbeitgebers liegen kann, wie Martin Straubinger, DIG-Präsident und für die Verpflegung der BMW-Mitarbeiter verantwortlich, deutlich machte. Analog zum deutschlandweiten Trend werden auch die Mitarbeiter des Automobilkonzerns im Durchschnitt älter und dicker. Die Betrachtung der Altersstruktur bis 2021 und Gewichtsaufzeichnungen von 10.000 Mitarbeitern macht Handlungsbedarf deutlich. In manchen Abteilun- Mitarbeiter werden immer älter und dicker. gen gelten fast 68 Prozent der Mitarbeiter als übergewichtig. Ein Perspektivwechsel sei notwendig. Die Frage dürfe nicht mehr lauten, was kostet Betriebsverpflegung, sondern was leistet sie? Wenn die Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähgkeit von Mitarbeitern zur Unternehmensstrategie gehöre, müssten entsprechende ernährungspolitische Leitlinien verfolgt werden. Der Genuss steht bei der „Initiative Gesundheit“ im Mittelpunkt – die einzige langfristig erfolgversprechende Methode, so der verbreitete Konsens der versammelten EVENT Johannes Erdmann zeigte die Tücken von Ernährungsstudien auf und überraschte mit einer einfachen Antwort. Andreas Rauth stellt Brainfood vor und berichtete von erstaunlichen Ergebnissen des Lifestyle-Konzeptes. GV-Profis. Einen zusätzlichen Impuls in die gesunde Richtung erhalten die Gäste der BMW-Gastronomie durch Nudging-Maßnahmen im Rahmen einer internationalen Kampagne gegen zuckerhaltige Getränke. Hier geht Helmut Brunner beanatragte die Mitgliedschaft in der „Champions League der Gemeinschaftsverpflegung". man sogar so weit, dass an einigen Standorten zuckerhaltige Durstlöscher testweise ganz aus dem Sortiment genommen wurden. Die Erkenntnisse über den Zusammenhang von Ernährung und Leistungsfähig- Karin Clemens deutete das Massenphänomen Burnout im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Martin Straubinger unterstrich die Bedeutung von ernährungspolitischen Leitlinien für die Unternehmensstrategie. keit war bei der Accenture Service GmbH Ausgangspunkt für das Konzept Brainfood, über das Andreas Rauth, Betriebsratsvorsitzender der Unternehmensberatung, den aufmerksamen DIG-Mitgliedern berich- EVENT Pausengespräche: Helmut Bayerlein, Sascha Witt, Iris Lerch, Dr. Malte Raubach, Ezzedine Zerria und Gerd Schulte-Terhusen (v.l.) tete. Die Brainfood-Linie soll durch ausgewogene und gleichmäßige Energie- und Nährstoffzufuhr das Gehirn bei der Energiegewinnung aus den körpereigenen Speichern unterstützen. Sie basiert auf der Brain-PullTheorie von Achim Peters, Professor für Endokrinologie an der Universität Lübeck. Das Konzept trifft bei den Accenture-Mitarbeitern offensichtlich auf breite Resonanz. Am Campus Vom Kosten- zum Leistungsfaktor. Thomas Fröhlich und Joachim Klostermeyer (v.l.) 76 Kronberg bei Frankfurt wird Brainfood bereits zu 30 Prozent gewählt und besonders Überzeugte nehmen sich ihre Ration „Hirnnahrung“ mit nach Hause. Begleitet wird das Ganze von einem Lifestyle-Coaching mit zusätzlichem Schwerpunkt auf Bewegung. Bereits nach drei Monaten zeigten die Blutwerte freiwilliger Probanten positive Wirkungen auf Cholesterin- und Zuckerwerte sowie gv-praxis | 3/2015 Blutdruck. Parallel zu den medizinischen Daten präsentierte Rauth erstaunliche Zahlenwerte auf der betrieblichen Seite: Weniger Krankentage und größere Produktivität der in einem speziellen Brainfood-Programm eingebundenen Mitarbeiter konnte die Kosten mehr als ausgleichen und veranlassen die Geschäftsführung, das Konzept auf alle Unternehmensstandorte in Deutschland auszudehnen. Während die ernährungspolitischen Leitlinien von BMW vor allem übergewichtige Mitarbeiter im Fokus haben, reicht der Anspruch an Brainfood weiter. „Fehlernährung ist eine häufige Ursache von Burnout“ warf der Präventivmediziner und Urheber des Konzeptes, Prof. Dr. Jörg Spitz, im Plenum ein. Dass sich Burnout und andere psychische Erkrankungen zu einem ähn- Weitere Programmpunkte Als Gastgeber von MAN begrüßte Eduard Hoffmann, Leiter Catering Services die Mitglieder des DIG im MAN Truck Forum an der Dachauer Straße in München. Nachdem der Bayerische Staatsminister Helmut Brunner ausführlich auf die zahlreichen Fragen der Workshop-Teilnehmer eingegangen war, blickte Ezzedine Zerria vom Akademischen Förderungswerk Bochum weit über bayerische und deutsche Grenzen hinaus. Eindrucksvoll führte er vor Augen, dass angesichts unterschiedlicher politischer, wirtschaftlicher und ökologischer Rahmenbedingungen die globale Bereitstellung von Lebensmittel und Wasser ohne Gegensteuerung realistische Zukunftsprobleme wird. Das Wissen über diese globalen Entwicklungen lässt Ernährungstrends entstehen, die sich in der gastronomischen Welt niederschlagen. Unter dem Motto „Ist Vegan das neue Bio?“ nahm Rainer Roehl von A’verdis in Münster das Publikum mit auf die 30 Jahre währende „gesundheitsökologische Zeitreise vom Grünkernbratling zum Klimateller“. Jörg-Markus zur Oven vom Deutschen Studentenwerk in Berlin präsentierte den aktuellen Stand der Markenkonzepte „Mensa Vital“ und „Ins Grüne“, das der Hochschulgastronomie von 59 regionalen Studentenwerken ein Profil bietet und die Chance zur Nutzung von Synergieeffekten. Beim Kaffeebarkonzept der Studentenwerke geht es nicht nur um Kaffee, sondern in hohem Maße um Ambiente. Der Aufenthaltsqualität als wichtigem Erfolgsfaktor in der Gemeinschaftsgastronomie widmete sich Andreas Müller, Geschäftsführer der Soda GmbH in Bochum. Er präsentierte internationale Beispiele ambitionierter, gastronomischer „Kantinen“ unterschiedlichster Stilrichtungen und machte deutlich, dass die GV heute keine geschlossene Veranstaltung mehr ist: „Betriebsverpflegung ist in ihrer Wirkung kein Solitär mehr.“ Der bayerische Weg Der Bayerische Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Helmut Brunner sieht die Gemeinschaftsgastronomie als einen wichtiger Verbündeten für eines der „Mega-Themen des 21. Jahrhunderts“. Hier positive Impulse zu setzen, sei eine „neue Aufgabe für den Staat. Essen und Trinken ist keine reine Privatangelegenheit“. Brunner verweist auf die negativen Folgen ernährungsbedingter Krankheiten für die Gesellschaft. Unter dem Motto „Prävention ist besser als Reparatur“ gelte es, einen Bildungsprozess anzustoßen und vorbildliche Konzepte voranzutreiben. In Bayern stehen dafür zwei regionale Kompetenzzentren für Ernährung bereit, die in Abstimmung mit dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) an den „Bayerischen Leitlinien für die Betriebsgastronomie“ arbeiten. Oberstes Ziel ist die Ausrichtung der Betriebsverpflegung an den Anforderungen einer gesundheitsförderlichen und nachhaltigen Ernährung. Die Betriebsgastronomie soll neben vollwertigen Speisen ein regelmäßiges Angebot an bayerischen Traditionsgerichten bereithalten. Darüber hinaus soll die Herkunft der Lebensmittel stärkere Beachtung finden. Die geplanten Leitlinien sehen eine Erhöhung des Anteils an regionalen Lebensmitteln sowie regionalen Bio-Lebensmitteln vor. Zur Unterstützung soll bis Ende Juni ein bayerisches Bio-Siegel eingeführt werden. Noch für dieses Jahr kündigt der Staatsminister Pilotergebnisse einer Studie an, die erstmals repräsentative Aussagen über die 20.000 Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung in Bayern treffen soll. lichen Massenphänomen entwickeln wie Übergewicht, verdeutlichte die Psychologin Karin Clemens, Geschäftsführerin von Human Protect Consulting in Köln. Sie spricht in diesem Zusammenhang lieber von einem „Risikozustand, der zu einer Erkrankung führen kann“ und für den es vielfältige Gründe, aber keinen einfachen Gesund ist, was nicht zu Übergewicht führt. Ursache-Wirkung-Zusammenhang gebe. Das Arbeitsumfeld kann dabei eine bedeutende Rolle spielen. Früherkennung und Prävention seien hier eine wichtige Aufgabe für das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Am Ende des zweitägigen Workshops warnte Prof. Dr. med. Johannes Erdmann von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf vor allzu einfachen Schlüssen. Auf der Suche nach der Antwort auf die Frage „Was ist gesunde Ernährung?“ führte er die Teilneh- mer auf unterhaltsame Weise durch die trockene Materie medizinischer Studien und zeigte die Stolpersteine für Fehlinterpretationen auf. Lernen ließ sich daraus, dass es keine gesicherten Beweise dafür gibt, dass bestimmte Kostformen vor Krankheiten schützen oder die Lebenserwartung steigern können. Ein einziger Zusammenhang konnte seinen kritischen Betrachtungen am Ende standhalten: Das Gewicht ist der entscheidende Faktor. Menschen, die zu viele Kilo auf die Waage bringen, sind einem höheren Risiko für Herzkreislauf- oder Krebserkrankungen ausgesetzt. Zum Schluss blieb er die Antwort auf die Ausgangsfrage dennoch nicht schuldig: „Gesunde Ernährung besteht aus pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln, die schmecken, das Gewicht im Normbereich halten – und das Ganze gewürzt mit einem realistischen Maß an Bewegung.“ Zumindest was das Essen betrifft, können die GV-Profis mit ihrer Expertise einen guten Teil beitragen. si
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