Business Daily entdeckt Cateringmarkt Kaffee Barista

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gv-praxis 3/2015
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Daily entdeckt
Cateringmarkt
Kaffee
Barista-Tipps für
mehr Erfolg
Care
Zentralküche der
Superlative
EVENT
Gesunde Verführung
Auf dem Winter-Workshop des Deutschen Instituts für Gemeinschaftsgastronomie (DIG)
unterstreicht der Bayerische Ernährungsminister Helmut Brunner die gesundheitspolitische
Bedeutung der Branche und lobt die „Champions League" der Gemeinschaftsgastronomie.
B
etriebsverpflegung gewinnt an
Bedeutung. Ein Credo für die gut
80 DIG-Mitglieder, die Anfang Februar im MAN Truck Forum in München zu ihrem jährlichen WinterWorkshop zusammenkamen. Im 41.
Jahr seines Bestehens scheint das
Deutsche Institut für Gemeinschaftsgastronomie eine neue Umlaufbahn
einzuschlagen. Das brachte nicht nur
der Bayerische Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Helmut Brunner mit seinem Antrag
auf Mitgliedschaft in der „Champions
League der Gemeinschaftsverpfle-
Soll Gemeinschaftsgastronomie zur
gesunden Menüwahl erziehen?
gung“ zum Ausdruck. Das Workshop-Programm mit zum Teil rege geführten Diskussionen und der informelle Meinungsaustausch dazwischen kreisten immer wieder um die
Frage, inwieweit die Gemeinschaftsgastronomie ihre Gäste zu einer gesunden Menüauswahl erziehen sollte.
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Fotos: Claudia Zilz
Indem beispielsweise vermeintlich
Ungesundes seltener oder gar nicht
mehr angeboten wird oder über den
Preis gegengesteuert wird. War in den
vergangenen Jahren die Angebotsvielfalt das Maß der Dinge, heißt es heute
zunehmend: Weniger ist mehr. Statt
die Gäste mit dem täglichen Angebot
von Pasta, Pizza, Currywurst und
Pommes zu verführen, steht ein Angebotsmix zur Diskussion, der die ungesunde Wahl erschweren soll. Zum
Beispiel mit fleischfreien Tagen und
einer größeren Auswahl an vegetarischen und veganen Angeboten. Über
das richtige Maß der Einflussnahme
herrschte im Plenum nicht immer Einigkeit. Verbote und Bevormundung
werden weitgehend abgelehnt, gesunde Verführung vorgezogen. Nudging
lautet das neue Zauberwort: jemandem in seinem eigenen Interesse einen
kleinen Schubs geben.
Was durchaus auch im Interesse des
Arbeitgebers liegen kann, wie Martin
Straubinger, DIG-Präsident und für
die Verpflegung der BMW-Mitarbeiter verantwortlich, deutlich machte.
Analog zum deutschlandweiten
Trend werden auch die Mitarbeiter
des Automobilkonzerns im Durchschnitt älter und dicker. Die Betrachtung der Altersstruktur bis 2021 und
Gewichtsaufzeichnungen von 10.000
Mitarbeitern macht Handlungsbedarf deutlich. In manchen Abteilun-
Mitarbeiter werden
immer älter und dicker.
gen gelten fast 68 Prozent der Mitarbeiter als übergewichtig. Ein Perspektivwechsel sei notwendig. Die Frage
dürfe nicht mehr lauten, was kostet
Betriebsverpflegung, sondern was leistet sie? Wenn die Erhaltung und Steigerung der Leistungsfähgkeit von
Mitarbeitern zur Unternehmensstrategie gehöre, müssten entsprechende
ernährungspolitische Leitlinien verfolgt werden. Der Genuss steht bei der
„Initiative Gesundheit“ im Mittelpunkt – die einzige langfristig erfolgversprechende Methode, so der verbreitete Konsens der versammelten
EVENT
Johannes Erdmann zeigte die
Tücken von Ernährungsstudien
auf und überraschte mit einer
einfachen Antwort.
Andreas Rauth stellt Brainfood vor und berichtete von
erstaunlichen Ergebnissen
des Lifestyle-Konzeptes.
GV-Profis. Einen zusätzlichen Impuls
in die gesunde Richtung erhalten die
Gäste der BMW-Gastronomie durch
Nudging-Maßnahmen im Rahmen
einer internationalen Kampagne gegen zuckerhaltige Getränke. Hier geht
Helmut Brunner beanatragte
die Mitgliedschaft in der
„Champions League der
Gemeinschaftsverpflegung".
man sogar so weit, dass an einigen
Standorten zuckerhaltige Durstlöscher testweise ganz aus dem Sortiment genommen wurden. Die Erkenntnisse über den Zusammenhang
von Ernährung und Leistungsfähig-
Karin Clemens deutete das
Massenphänomen Burnout
im Rahmen des Betrieblichen
Gesundheitsmanagements.
Martin Straubinger unterstrich
die Bedeutung von ernährungspolitischen Leitlinien für
die Unternehmensstrategie.
keit war bei der Accenture Service
GmbH Ausgangspunkt für das Konzept Brainfood, über das Andreas
Rauth, Betriebsratsvorsitzender der
Unternehmensberatung, den aufmerksamen DIG-Mitgliedern berich-
EVENT
Pausengespräche:
Helmut Bayerlein,
Sascha Witt, Iris
Lerch, Dr. Malte
Raubach, Ezzedine
Zerria und Gerd
Schulte-Terhusen
(v.l.)
tete. Die Brainfood-Linie soll durch
ausgewogene und gleichmäßige Energie- und Nährstoffzufuhr das Gehirn
bei der Energiegewinnung aus den
körpereigenen Speichern unterstützen. Sie basiert auf der Brain-PullTheorie von Achim Peters, Professor
für Endokrinologie an der Universität
Lübeck. Das Konzept trifft bei den
Accenture-Mitarbeitern offensichtlich auf breite Resonanz. Am Campus
Vom Kosten- zum
Leistungsfaktor.
Thomas Fröhlich
und Joachim
Klostermeyer (v.l.)
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Kronberg bei Frankfurt wird Brainfood bereits zu 30 Prozent gewählt
und besonders Überzeugte nehmen
sich ihre Ration „Hirnnahrung“ mit
nach Hause. Begleitet wird das Ganze
von einem Lifestyle-Coaching mit zusätzlichem Schwerpunkt auf Bewegung. Bereits nach drei Monaten zeigten die Blutwerte freiwilliger Probanten positive Wirkungen auf Cholesterin- und Zuckerwerte sowie
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Blutdruck. Parallel zu den medizinischen Daten präsentierte Rauth erstaunliche Zahlenwerte auf der betrieblichen Seite: Weniger Krankentage und größere Produktivität der in
einem speziellen Brainfood-Programm eingebundenen Mitarbeiter
konnte die Kosten mehr als ausgleichen und veranlassen die Geschäftsführung, das Konzept auf alle Unternehmensstandorte in Deutschland
auszudehnen. Während die ernährungspolitischen Leitlinien von
BMW vor allem übergewichtige Mitarbeiter im Fokus haben, reicht der
Anspruch an Brainfood weiter. „Fehlernährung ist eine häufige Ursache
von Burnout“ warf der Präventivmediziner und Urheber des Konzeptes,
Prof. Dr. Jörg Spitz, im Plenum ein.
Dass sich Burnout und andere psychische Erkrankungen zu einem ähn-
Weitere Programmpunkte
Als Gastgeber von MAN begrüßte
Eduard Hoffmann, Leiter Catering
Services die Mitglieder des DIG im MAN
Truck Forum an der Dachauer Straße in
München. Nachdem der Bayerische
Staatsminister Helmut Brunner ausführlich auf die zahlreichen Fragen der
Workshop-Teilnehmer eingegangen war,
blickte Ezzedine Zerria vom Akademischen Förderungswerk Bochum weit
über bayerische und deutsche Grenzen
hinaus. Eindrucksvoll führte er vor
Augen, dass angesichts unterschiedlicher politischer, wirtschaftlicher und
ökologischer Rahmenbedingungen die
globale Bereitstellung von Lebensmittel
und Wasser ohne Gegensteuerung
realistische Zukunftsprobleme wird. Das
Wissen über diese globalen Entwicklungen lässt Ernährungstrends entstehen, die sich in der gastronomischen
Welt niederschlagen.
Unter dem Motto „Ist Vegan das neue
Bio?“ nahm Rainer Roehl von A’verdis in
Münster das Publikum mit auf die 30
Jahre währende „gesundheitsökologische Zeitreise vom Grünkernbratling
zum Klimateller“. Jörg-Markus zur Oven
vom Deutschen Studentenwerk in
Berlin präsentierte den aktuellen Stand
der Markenkonzepte „Mensa Vital“ und
„Ins Grüne“, das der Hochschulgastronomie von 59 regionalen Studentenwerken ein Profil bietet und die Chance
zur Nutzung von Synergieeffekten. Beim
Kaffeebarkonzept der Studentenwerke
geht es nicht nur um Kaffee, sondern in
hohem Maße um Ambiente. Der Aufenthaltsqualität als wichtigem Erfolgsfaktor in der Gemeinschaftsgastronomie widmete sich Andreas Müller,
Geschäftsführer der Soda GmbH in
Bochum. Er präsentierte internationale
Beispiele ambitionierter, gastronomischer „Kantinen“ unterschiedlichster
Stilrichtungen und machte deutlich,
dass die GV heute keine geschlossene
Veranstaltung mehr ist: „Betriebsverpflegung ist in ihrer Wirkung kein
Solitär mehr.“
Der bayerische Weg
Der Bayerische Staatsminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Helmut
Brunner sieht die Gemeinschaftsgastronomie als einen wichtiger Verbündeten für
eines der „Mega-Themen des 21. Jahrhunderts“. Hier positive Impulse zu setzen, sei
eine „neue Aufgabe für den Staat. Essen und
Trinken ist keine reine Privatangelegenheit“.
Brunner verweist auf die negativen Folgen ernährungsbedingter Krankheiten für
die Gesellschaft. Unter dem Motto „Prävention ist besser als Reparatur“ gelte es,
einen Bildungsprozess anzustoßen und vorbildliche Konzepte voranzutreiben.
In Bayern stehen dafür zwei regionale Kompetenzzentren für Ernährung bereit,
die in Abstimmung mit dem Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und
Forsten (StMELF) an den „Bayerischen Leitlinien für die Betriebsgastronomie“
arbeiten. Oberstes Ziel ist die Ausrichtung der Betriebsverpflegung an den
Anforderungen einer gesundheitsförderlichen und nachhaltigen Ernährung.
Die Betriebsgastronomie soll neben vollwertigen Speisen ein regelmäßiges
Angebot an bayerischen Traditionsgerichten bereithalten.
Darüber hinaus soll die Herkunft der Lebensmittel stärkere Beachtung finden.
Die geplanten Leitlinien sehen eine Erhöhung des Anteils an regionalen Lebensmitteln sowie regionalen Bio-Lebensmitteln vor. Zur Unterstützung soll bis Ende
Juni ein bayerisches Bio-Siegel eingeführt werden. Noch für dieses Jahr kündigt
der Staatsminister Pilotergebnisse einer Studie an, die erstmals repräsentative
Aussagen über die 20.000 Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung in
Bayern treffen soll.
lichen Massenphänomen entwickeln
wie Übergewicht, verdeutlichte die
Psychologin Karin Clemens, Geschäftsführerin von Human Protect
Consulting in Köln. Sie spricht in diesem Zusammenhang lieber von einem
„Risikozustand, der zu einer Erkrankung führen kann“ und für den es vielfältige Gründe, aber keinen einfachen
Gesund ist, was nicht zu
Übergewicht führt.
Ursache-Wirkung-Zusammenhang
gebe. Das Arbeitsumfeld kann dabei
eine bedeutende Rolle spielen. Früherkennung und Prävention seien hier
eine wichtige Aufgabe für das Betriebliche Gesundheitsmanagement.
Am Ende des zweitägigen Workshops
warnte Prof. Dr. med. Johannes Erdmann von der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf vor allzu einfachen
Schlüssen. Auf der Suche nach der
Antwort auf die Frage „Was ist gesunde Ernährung?“ führte er die Teilneh-
mer auf unterhaltsame Weise durch
die trockene Materie medizinischer
Studien und zeigte die Stolpersteine
für Fehlinterpretationen auf. Lernen
ließ sich daraus, dass es keine gesicherten Beweise dafür gibt, dass bestimmte
Kostformen vor Krankheiten schützen oder die Lebenserwartung steigern können. Ein einziger Zusammenhang konnte seinen kritischen
Betrachtungen am Ende standhalten:
Das Gewicht ist der entscheidende
Faktor. Menschen, die zu viele Kilo
auf die Waage bringen, sind einem höheren Risiko für Herzkreislauf- oder
Krebserkrankungen ausgesetzt.
Zum Schluss blieb er die Antwort auf
die Ausgangsfrage dennoch nicht
schuldig: „Gesunde Ernährung besteht aus pflanzlichen und tierischen
Lebensmitteln, die schmecken, das
Gewicht im Normbereich halten –
und das Ganze gewürzt mit einem realistischen Maß an Bewegung.“ Zumindest was das Essen betrifft, können die GV-Profis mit ihrer Expertise
einen guten Teil beitragen.
si