Predigt über 1. Mose 28, 10-22 (Die Himmelsleiter und Gottes Zusage) im Konfirmations-Gottesdienst am Sonntag Jubilate, 26.04.2015, 9.30 Uhr, Leonhardskirche Liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden! Liebe Fest-Gemeinde! Mit der Erinnerung an Eure Taufe haben wir unser Konfirmandenjahr begonnen. Konfirmation ist Bestätigung der Taufe, so haben wir es uns klar gemacht. Deshalb wird ja bei der Konfirmation immer auch der Taufstein festlich geschmückt. Denn darum geht es, sich bewusst zu machen: In jeder Taufe, so auch einst bei Eurer Taufe, vertrauen wir unsere Kinder einem größeren Vater an, dem himmlischen Vater, der mütterlich-väterlich unseren Kindern die Treue hält – ein Leben lang. In der Taufe wird uns zugesprochen, dass wir Kinder Gottes sind, seine geliebten Söhne und Töchter. Und Leben aus der Taufe heißt, dass wir als Söhne und Töchter des himmlischen Vaters mit seinem Segen aufbrechen ins Leben hinein, mündig werden – und doch den Kontakt zu ihm nicht abreißen lassen, sondern intensivieren. Aufbrechen und sich loslösen – die alttestamentliche Geschichte für den heutigen Konfirmationssonntag aus 1. Mose 28, ein Ausschnitt aus einer dramatischen Familiengeschichte, berichtet von einem, der ganz schnell aufbrechen und sich loslösen musste. Jakob hat seinen Bruder Esau betrogen, hat ihm mit List den Erstgeburtssegen entrissen. Er hat den alten, blinden Vater Isaak angelogen und sich als Esau ausgegeben. Und dann musste er ganz schnell fliehen – nach Haran, dorthin, wo der Großvater Abraham herkam und wo noch Verwandte seiner Mutter Rebekka lebten. Dort wollte er bleiben, bis Esaus Zorn verraucht war. Und auf dem Weg nach Haran geschieht, was 1. Mose 28 erzählt: Es war dunkel geworden. Jakob stand auf einem Hügel und spähte ins Land hinaus. Wohin er schaute, nirgends sah er Licht. Den ganzen Tag war er bis hierher gewandert. Er trug nichts bei sich als einen Stab und ein wenig Öl. Erschöpft ließ er sich fallen. Auf diesem Hügel wollte er über Nacht bleiben. Er nahm einen Stein, legte seinen Kopf darauf und schlief ein. In jener Nacht hatte Jakob einen Traum: Er sah eine Leiter, genauer übersetzt: eine Treppe, die bis an den Himmel reichte. Engel kamen auf der Treppe zur Erde herunter, andere Engel stiegen zum Himmel hinauf. Ganz oben auf der Treppe stand Gott. Da hörte Jakob, wie Gott zu ihm sprach: „Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Isaak und deines Großvaters Abraham. Das Land, auf dem du liegst, will ich dir geben, dir und deinen Nachkommen. Und durch dich und deine Nachkommen sollen alle gesegnet werden, alle Menschen auf dieser Erde. Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst. Ich bringe dich wieder hierher zurück. Verlass dich auf mich; denn ich verlasse dich nicht. Mein Versprechen breche ich nicht.“ Da wachte Jakob auf. „Wahrhaftig!“ rief er. „Jetzt weiß ich: An dieser Stätte wohnt Gott. Wie heilig ist dieser Ort! Hier ist das Haus Gottes, das Tor, das zum Himmel führt.“ ‚Hier ist Gottes Angesicht, hier ist lauter Trost und Licht‘ (EG 166,1), so haben wir ja vorhin gesungen. Und als der Morgen anbrach, nahm Jakob den Stein, auf dem er geschlafen hatte, richtete ihn auf, goss Öl darauf und weihte ihn Gott. Und er nannte den Ort „Bethel“, das heißt: „Haus Gottes“. An diesem Morgen legte Jakob ein feierliches Gelübde ab: „Gott hat mir versprochen, mich auf dem Weg zu behüten. Der Gott Abrahams und Isaaks soll auch mein Gott sein, dem ich diene. Wenn ich zurückkomme, will ich an dieser Stelle ein Haus für Gott bauen.“ Danach brach Jakob auf und wanderte weiter nach Osten, tagelang, bis er endlich nach Haran kam, wo sein Onkel Laban wohnte, der Bruder seiner Mutter. So weit die Geschichte von Jakob, der sich loslösen muss von zuhause und erst viele Jahre später wieder in seine Heimat zurückkehrt, als gereifte, eigenständig gewordene Persönlichkeit. Jakob musste ganz rasch und gezwungenermaßen den Weg nach Haran einschlagen. Er musste sich sehr rasch aus dem behüteten Land der Kindheit auf den Weg zum Erwachsenwerden machen. Und während er sich äußerlich lösen muss von der vertrauten Zeltstadt seiner Eltern, spürt er, wie die Worte und Geschichten des Glaubens, die sie ihm von Kind auf erzählt haben, nun ihre Kraft entfalten, wie sie ihm Trost geben und Zuversicht, die weiterbringt. Immer wieder hatte Jakob von den Eltern gehört, dass Gott dem Großvater Abraham und Jakobs Vater Isaak versprochen hatte, dass er mit ihnen sein werde bei ihrem Aufbruch ins Neue, Unbekannte, dass er sie auf ihren Wegen geleiten und ihnen Raum und Land zum Leben geben werde. Das hatte Jakob von seinen Eltern als ihre Glaubenstradition übermittelt bekommen. Und diese Glaubenstradition der Eltern und Vorfahren erweist sich jetzt aktuell auch für Jakob als tragfähig. Im Traum von der Himmelstreppe erfährt Jakob, dass die Zusage Gottes an seine Vorfahren auch ihm persönlich in seiner Gegenwart gilt: „Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst.“ Die Erfahrungen der Menschen vor ihm mit Gott wurden für Jakob zur Ermutigung für seine Gegenwart. Liebe Konfirmand/inn/en, im Lauf des Konfirmanden-Jahres haben wir in unserer Konfirmandenbibel eine ganze Reihe von Worten und Geschichten der Bibel gelesen und sie uns angestrichen – damit Ihr sie in Euren LebensRucksack packen könnt für Euren Weg ins Erwachsenwerden hinein. In den Worten und Geschichten der Bibel stecken Erfahrungen von Menschen mit Gott, die für Euch heute zu Ermutigungen werden können, die Euch heute tragen und stärken können. Ihr habt uns als ganze Festgemeinde vorhin an einige zentrale Worte aus der Bibel erinnert, z.B. auch an jenes Wort des Taufbefehls, wo Jesus Christus sagt: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.“ Das kann man einfach so hören und abhaken, dann ist es wie ein nicht ausgepacktes Festgeschenk. Dieses Wort kann man aber auch für sich persönlich hören und wahrnehmen: „Das ist ja auch mir gesagt!“, und auf einmal wird das ein Zusagewort Jesu Christi, das Kraft gibt und durchträgt, selbst auf anstrengenden Wegstrecken des Lebens. Auch die Geschichte von Jakob, der aus dem vertrauten Elternhaus aufbricht und sich lösen muss, ist solch eine biblische Geschichte, die sich lohnt, in den Lebensrucksack einzupacken. Denn diese Geschichte erzählt davon, dass in den Aufbrüchen unseres Lebens Gott mit uns auf dem Weg ist, dass er für uns seine guten Mächte, die Engel, aktiviert, und sie uns zur Seite stellt, dass wir aufrecht durchs Leben gehen können. Und diese Geschichte gibt uns das Zusagewort Gottes an Jakob weiter, so dass wir es auch für uns persönlich hören können: „Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.“ Das stärkt dem Jakob und uns den Rücken, getrost weiterzuziehen: Wo immer wir hinziehen, dürfen wir wissen: „Gott begleitet mich. Gott hat den Überblick über meinen Weg, den ich selber nur ausschnitthaft und für die nächste Etappe überblicke, und er hat eine Aufgabe und ein Ziel für mich.“ Dabei ist gerade die Jakobsgeschichte keine harmlose Geschichte. Aber harmlos ist das wirkliche Leben ja auch nicht. Es ist kein Sonntagsausflug, den Jakob macht, und sein Weg ist alles andere als ungefährlich und ohne Bedrohung. Jakob ist unterwegs, aus dem Ungeordneten heraus, das hinter ihm liegt; und er ist unterwegs in das Ungewisse hinein, das vor ihm liegt. Wie wird er bei seinem Onkel und dessen Familie aufgenommen werden? In der Geschichte fällt mir wohltuend auf, dass Gott den Jakob nicht zuerst auf das Ungeordnete anspricht, dass er seinen Bruder betrogen und seinen Vater belogen hat. Gott macht ihm den Weg in die Zukunft frei. Er gibt Jakob sein Versprechen mit auf den Weg, seinen Reisesegen: „Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst… ich will dich nicht verlassen.“ Und indem Gott den Weg in die Zukunft frei macht, kann Jakob sich auch dem Ungeordneten, das hinter ihm liegt, stellen und muss es nicht verdrängen. So bereitet Gott den Weg für die Versöhnung mit seinem Bruder Esau. Diese bedingungslose Zusage Gottes dürft Ihr heute Morgen ganz persönlich hören und Eure Namen einsetzen: „Siehe, ich bin mit dir, Maria, Samira, Selina, Bianca, Lilly, Lina, Sofie! Siehe, ich bin mit dir, Nik, Michael, Maik, Tobias, Imanuel und Jonas! Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst.“ Wer einen Umzug an einen neuen Wohnort vor sich hat, spürt, wie nahe ihm diese bedingungslose Zusage Gottes kommt, aufrichtend, tröstend: „Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, ich will dich nicht verlassen.“ Ihr, liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden, seid nun auf dem Weg zum Erwachsenwerden und zieht hinein ins Leben mit seinen Aufgaben und Herausforderungen. Ihr werdet nun Euren Platz, Eure Aufgabe im Leben suchen – und das in einer Zeit, in der wir das Gefühl haben, die Zeiten werden anstrengender und schwieriger und die Probleme unserer Welt drängender, wie wir wohl alle letzte Woche gespürt haben, als uns die Nachricht vom Untergang des überfüllten Flüchtlingsboots vor Italiens Küste erreichte. Aber herausfordernd war das Leben zu jeder Zeit auf seine Art. Ich wünsche es Euch, liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden, dass Ihr mit dem Grundgefühl ins Erwachsenwerden und ins Leben hineingeht: Es lohnt sich dennoch, das Leben und die mir gestellten Aufgaben anzupacken, weil der mitgeht und mich begleitet, der mir zusagt: „Siehe, ich bin mit dir, wo du hinziehst.“ Und Gott lässt die Freiheit, auch Wege auszuprobieren. Und wenn wir merken: Es ist doch nicht mein’s, gibt er uns die Chance, unseren Kurs zu korrigieren. Wer einen neuen Weg einschlägt, neue Schritte wagt, und sich voll innerer Unruhe fragt: „Jetzt habe ich alles gewissenhaft abgewogen, aber ist die Entscheidung für genau diese Stelle und für genau diesen Ort auch wirklich die richtige?“ – der höre sehr genau Gottes Zuspruch, der nicht auf eine bestimmte Richtung begrenzt ist: „Ich bin mit dir, wo du hinziehst.“ Auch wenn es sich um innere Aufbrüche handelt, wenn es kein Umzug an einen neuen Ort ist – unser menschliches Leben ist ja wie eine Reise. Wir sind unterwegs auf der Straße unseres Lebens, vom ersten bis zum letzten Tag. Unser Leben ist ein Wandern hin zur großen Ewigkeit. Packen wir den Zuspruch Gottes an Jakob als Stärkung ein in unseren persönlichen Lebens-Rucksack: „Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst...ich will dich nicht verlassen.“ Und der Gott, den Jakob ganz oben auf der Himmelstreppe stehen sah, begegnet uns in der Gestalt Jesu Christi noch einmal anders: als ein Menschenbruder, der herabgekommen ist zu uns, als einer, der um die Schuld weiß und sie trägt, als einer, der neben uns mit unterwegs ist. Er ist mit auf dem Lebensweg Ihrer Tochter, Ihres Sohnes, liebe Eltern, und er möge Ihnen die rechte Balance schenken zwischen ‚Loslassen im Vertrauen auf Gottes Geleit‘ und ‚hilfreicher Begleitung‘. Liebe Konfirmand/inn/en, im Vertrauen auf den Reisesegen Gottes geht die neuen Wege in die vor Euch liegende Zeit, ganz getrost, unter Gottes Geleit: „Siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst.“ Und Euer Gott wird Euch dahin leiten, wo er Euch will und braucht. Amen. Pfarrer Dr. Martin Hauff, Langenau
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