1 Rede von Staatsminister Prof. Dr. Georg Unland zur 2. Lesung des Gesetzentwurfes der Staatsregierung zum "Neunten Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Finanzausgleich mit den Gemeinden und Landkreisen im Freistaat Sachsen“ am 29. April 2015 - Es gilt das gesprochene Wort – Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Sie sind in den parlamentarischen Beratungen im Großen und Ganzen dem Regierungsentwurf zum FAG 15/16 gefolgt. Dies werte ich als Zeichen, dass der Kurs der Staatsregierung fraktionsübergreifend auf Zustimmung stößt. Notwendigkeit einer Gesamtbilanz Ich möchte daher die Gelegenheit nutzen, um die Finanzsituation der Kommunen insgesamt zu beleuchten. Dabei möchte ich vor allem auch das eine oder andere Bild gerade rücken. Das Bild, das in der Öffentlichkeit erzeugt wird, bestimmt sich häufig durch einzelne Fälle, bei denen es nicht so rund läuft. Das ist auf vielen Themenfeldern der Fall. Die Kommunalfinanzen bilden hier keine Ausnahme. Es gehört nun einmal zu den Spielregeln einer Mediendemokratie, eher die Probleme zu betonen. Ich will das auch gar nicht kritisieren. Aber gerade daher ist es immer wieder wichtig, die Dinge einzusortieren. Es darf sich aus einzelnen Problemen kein Eindruck entwickeln, der mit der Realität nicht übereinstimmt. Bei 440 Kommunen 1 findet man immer die eine oder andere Kommune, die als Beleg angeführt werden kann, dass gerade im Lande etwas nicht rund läuft. Schauen wir aber insgesamt auf die Situation unserer Kommunen, so stellen wir fest, dass die sächsischen Kommunen gut dastehen: Finanzierungssaldo / Verschuldung 2014 verbuchten die sächsischen Städte, Gemeinden und Landkreise in Summe einen positiven Finanzierungssaldo von 333 Mio. EUR. Sie haben also im Kernhaushalt mehr eingenommen als ausgegeben. Heruntergebrochen auf die Einwohner liegen die sächsischen Kommunen damit bundesweit auf Platz 2 – direkt hinter den finanzstarken Kommunen aus Bayern. Selbst wenn nun von der einen oder anderen Seite der Einwand kommen sollte, dass ein Teil des positiven Finanzierungssaldos in die Vorsorgerücklage überführt wurde, ändert dies nichts an der Grundaussage. Den so gewonnenen finanziellen Handlungsspielraum haben die Kommunen unter anderem genutzt, um Kredite zu tilgen. Im Jahr 2014 waren dies 183 Mio. Euro (netto). Seit über 10 Jahren tilgen die sächsischen Kommunen regelmäßig Schulden. Im Ländervergleich der Kommunalverschuldung (2013) liegen die sächsischen Kommunen hinter Schleswig-Holstein und Bayern auf Platz 3. Zugleich verzeichnen die sächsischen Kommunen bundesweit den drittniedrigsten Bestand an Kassenkrediten. 1 10 Landkreise, 427 kreisangehörige Gemeinden, 3 Kreisfreie Städte 2 Geringere Schulden eröffnen Handlungsspielräume – insbesondere für Investitionen. Die sächsischen Kommunen haben daher auch deutlich mehr investiert, als die Kommunen in den anderen Flächenländern. 2014 beliefen sich die Sachinvestitionen der sächsischen Kommunen auf fast 1,6 Mrd. EUR. Das sind pro Kopf der sächsischen Bevölkerung 391 EUR. Im Durchschnitt wurden in den Flächenländern im Jahr 2014 nur 301 EUR pro Kopf auf kommunaler Ebene investiert. Meine Damen und Herren, es werden wieder Zeiten kommen, in denen das Zinsniveau höher liegt. Dann wird sich eine solide Haushaltspolitik noch stärker positiv auswirken. Sozialausgaben Ein Dauerbrenner ist seit jeher das Thema Sozialausgaben. Die Landkreise und Kreisfreien Städte sind in vielen Bereichen die Aufgabenträger für soziale Belange. Ich will die Belastung, die die Städte und Kreise zu tragen haben, auch gar nicht klein reden. Dafür besteht nämlich überhaupt kein Anlass. Im Jahr 2014 beliefen sich die Ausgaben der sächsischen Kommunen – ohne Optionsausgaben – auf fast 2,2 Mrd. EUR. Pro Kopf der Bevölkerung liegt Sachsen hier jedoch mit 540 EUR bei etwas mehr als 80% des bundesweiten Durchschnitts. Die Kommunen NordrheinWestfalens müssen pro Einwohner – verglichen mit den sächsischen Kommunen – mehr als das Anderthalbfache ausgeben. Auch innerhalb des Sozialsystems lohnt es sich, die Ausgabenstrukturen noch einmal näher zu beleuchten. Während ein steigender Ausgabenblock immer gerne öffentlichkeitswirksam beklagt wird, werden rückläufige Ausgabepositionen hingegen gerne stillschweigend zur Kenntnis genommen. Die sächsischen Kommunen bilden hier keine Ausnahme. Beispielsweise standen in der öffentlichen Debatte in den letzten Jahren vor allem die Ausgaben für die Sozialhilfe sowie für die Kinder- und Jugendhilfe im Brennpunkt. Hier waren in den letzten Jahren, unter anderem aufgrund der steigenden Kinderzahlen in den sächsischen Kitas, die größten Zuwächse zu verzeichnen. Gleichwohl – nahezu unbemerkt – vollzieht sich im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende eine entgegengesetzte Entwicklung: Dort ist die Belastung der Kommunen seit Jahren insgesamt rückläufig! So ist die Anzahl der SGB II-Bedarfsgemeinschaften gegenüber dem Jahr 2006 um über 100.000 auf durchschnittlich rd. 230.000 im Jahr 2014 gesunken (-31%). Die Kosten der Unterkunft und Heizung gingen im gleichen Zeitraum um mehr als 180 Mio. Euro (-19%) zurück. Hierzu habe ich in der öffentlichen Debatte kein einziges Wort gehört bzw. keine einzige Zeile gelesen. Investitionen Meine Damen und Herren, es mag zwar eine Binsenweisheit sein, nichtsdestotrotz will ich sie an dieser Stelle aussprechen: Dem Land und den Kommunen kann es nur gemeinsam gut gehen. Den zukünftigen Wohlstand in Sachsen bestimmen wir gemeinsam. Eine Schlüsselgröße sind dabei die Investitionen. Nur wer investiert, kann später daraus auch Erträge generieren. 3 Das heute zu beschließende FAG gibt darauf eine klare Antwort. Die investiven Anteile im FAG 2015/2016 liegen mit 852 Mio. Euro rund 120 Mio. Euro über denen des FAG 2013/2014. Damit kann die im bundesweiten Vergleich seit vielen Jahren überdurchschnittliche Investitionstätigkeit der sächsischen Kommunen fortgeführt werden. Eine Flankierung der Investitionstätigkeit erfolgt in den kommenden vier Jahren zudem durch den Bund. Wie Sie alle wissen, errichtet der Bund ein Sondervermögen in Höhe von 3,5 Mrd. EUR. Aus diesem Sondervermögen sollen in den Jahren 2015 bis 2018 finanz- und strukturschwache Kommunen gefördert werden. Auf Sachsen entfallen hiervon rund 157 Mio. EUR. So erfreulich dieses Engagement des Bundes auch ist, enthält es doch eine äußerst bittere Pille. Eines der drei Verteilkriterien für die 3,5 Mrd. EUR auf die Bundesländer sind die Kassenkredite. Mit diesem Verteilschlüssel wird eine laxe Kommunalaufsicht belohnt, eine solide Finanzpolitik hingegen bestraft. Ich halte es für falsch, dass eine strategische Entscheidung einer Landesregierung – nämlich über die Vollzugspraxis in der Kommunalaufsicht – für die Organisation von Finanzströmen herangezogen wird. Wir werden sehr darauf zu achten haben, dass es kein zweites Mal zu einem solchen Tabubruch kommt. Das Gesetz befindet sich am 8. Mai im Bundesrat. Ich habe im Finanzausschuss des Bundesrates letzte Woche zwei Anträge auf eine Verbreiterung der Einsatzmöglichkeiten gestellt. Die Bandbreite von Lärmbekämpfungsmaßnahmen soll über den Straßenlärm hinaus erweitert werden. Weiterhin soll auch die Brachenrevitalisierung in den Förderkatalog aufgenommen werden. Für beide Anträge konnte ich eine Mehrheit gewinnen. Die abschließende Beratung im Bundesrat ist für den 12. Juni vorgesehen. Parallel zum Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene müssen wir uns im Land Gedanken machen, wie und an wen wir das Geld verteilen. Wir suchen zur Mittelverteilung das Gespräch mit der kommunalen Ebene und werden dem Haushalts- und Finanzausschuss einen entsprechenden Vorschlag vorlegen. Ich bin dem Haushalts- und Finanzausschuss an dieser Stelle sehr dankbar, dass er mit der Aufnahme des Kapitels 15 07 im Einzelplan 15 die Voraussetzung für die haushaltstechnische Umsetzung des Programms gemacht hat. Allgemeine Deckungsmittel Ganz am Schluss möchte ich mich noch kurz der für die Kommunen wohl wichtigsten Kategorie widmen: Den Allgemeinen Deckungsmitteln, also den Finanzmitteln, über die sie vollkommen frei verfügen können. Diese sind mit 5,3 Mrd. EUR im Jahr 2015 und 5,4 Mrd. EUR im Jahr 2016 so hoch wie nie. Für dieses absolute Allzeithoch in der Finanzausstattung der sächsischen Kommunen zeichnen natürlich zum einen die eigenen Steuereinnahmen verantwortlich. Die sächsischen Gemeinden stehen hier zunehmend auf eigenen Füßen: Nach der letzten Steuerschätzung (November 2014) werden sich die kommunalen Steuereinnahmen im Jahr 2016 auf 3 Mrd. Euro belaufen. Dies entspricht einer Verdopplung gegenüber der Jahrtausendwende. 4 Aber es zeigt sich gleichzeitig auch die Wirkungsweise des bewährten vertikalen Gleichmäßigkeitsgrundsatzes im sächsischen Finanzausgleich. Über das FAG partizipieren die Kommunen nämlich auch an der guten Einnahmeentwicklung des Landes. Wir sitzen im gleichen Boot. Um die Dimension der Finanzausstattung der sächsischen Kommunen noch einmal einzusortieren: Im Jahr 2007, also dem letzten Jahr vor der Bankenkrise, lagen die Allgemeinen Deckungsmittel noch bei 4,25 Mrd. EUR. Sie sind damit innerhalb von 8 Jahren um 25% gestiegen. Hohe Verantwortung vor Ort Meine Damen und Herren, die Entwicklung bei den Steuereinnahmen von Land und Kommunen ist Ergebnis der wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre. Wir erleben seit der Krise 2008/2009 einen Konjunkturzyklus, der Steuereinnahmen fast schon biblischen Ausmaßes generiert. Diese Entwicklung ist äußerst erfreulich. Sie kann aber nicht so einfach fortgeschrieben werden. Daher darf die gute Einnahmesituation auch nicht zu Nachlässigkeiten führen. Der Freistaat hat mit dem Ansatz, einen hohen Anteil der FAG-Mittel in Form von frei verfügbaren Mittel auszureichen, die kommunale Selbstverwaltung noch einmal gestärkt. Ohnehin verzichtet Sachsen in seinem FAG in hohem Maße auf eine „Töpfchenwirtschaft“. Der Verzicht auf Bindungen ermöglicht einerseits eine effiziente Aufgabenwahrnehmung vor Ort, er ist jedoch auch nicht gänzlich ohne Risiko: Kasse macht bekanntlich sinnlich. Oder – Sie kennen alle den Spruch: „Die Haushalte werden in guten Jahren ruiniert.“ Auf die Verantwortungsträger vor Ort – seien es Bürgermeister, Landräte, Gemeinde, Stadt- oder Kreisräte – kommt angesichts der großen Summe an frei verfügbaren Mitteln eine hohe Verantwortung zu. Wir alle sollten unsere Kommunalpolitiker dabei unterstützen, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Vielen Dank
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