Kontrolle ist alles« - Handelsblatt Magazin

PORTRÄT Kartell
»Kontrolle
ist alles«
Claudio Luti, Chef des Möbelhauses Kartell, über die Tricks,
mit denen er einst Versace zum Weltkonzern gemacht hat,
über die Zusammenarbeit von Designern und Ingenieuren
und die durchsichtigen Schutzschilde der US-Polizei.
Interview: Katharina Kort, Rüdiger Schmitz-Normann
Fotos: Martin Langhorst
Eine Jugendstilvilla in Mailand, die früher
der legendären Verlegerfamilie Mondadori
gehörte: antikes Mobiliar und moderne Kartell-Stücke aus Kunststoff, Marmorboden,
Parkett. Ärztin Maria Castelli, Ehefrau des
Kartell-Chefs Claudio Luti, empfängt uns.
Ihr Vater, ein Chemie-Ingenieur, hat Kartell
1949 gegründet. Ihr Mann machte das Unternehmen groß, nachdem er in den 80ern
als Teilhaber Versace zum Weltkonzern geformt hatte. Dabei entwickelte er vieles, was
heute zum Standard gehört – beispielsweise
Flagship-Stores und Franchise-System. Nach
einem Streit mit der Eigentümerfamilie
stieg Luti bei Versace aus. Er machte das auf
Plastik spezialisierte Unternehmen Kartell
zum Zentrum für Stardesigner wie Philippe
Starck, Antonio Citterio und Patricia Urquiola. Mit ihnen entwickelte er Kunststoff, wie
wir ihn heute kennen: durchsichtig, farbig,
modisch. Zurzeit bereitet er die Übergabe
des Unternehmens an seine Kinder vor.
Herr Luti, Sie sind bekannt
dafür, Arbeit und Freizeit
strikt zu trennen. Ungewöhnlich für jemanden, der ein
erfolgreiches Unternehmen
mit rund 100 Mitarbeitern und
mehr als 100 Millionen Euro
Umsatz jährlich leitet.
Claudio Luti: Bei der Arbeit bin
ich Calvinist. Wenn ich arbeite,
dann arbeite ich. Ich habe im Bü-
ro keine persönlichen Objekte, lese dort
nicht einmal Zeitung. Zu Hause dagegen
will ich von der Arbeit nichts wissen. Ich habe hier keinen Schreibtisch und bin auch telefonisch nicht zu erreichen.
Sie leben in einer Mischung aus Kartellstücken und historischem Mobiliar, das
bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht,
haben Zeichnungen von Chagall und Picasso über orangefarbenen Kunststofftischen. Wer entscheidet über die Einrichtung?
Claudio Luti: Das machen wir gemeinsam.
Und zwar schon von Anfang an.
Maria Castelli: Nach der Hochzeit haben wir
zuerst im Westen der Stadt in einer romantischen kleinen Mansarde gewohnt. Sehr bohemiènne. Sehr kalt. Sehr heiß …
Claudio Luti: Mit all meinem Geld haben wir
uns vom Schreiner ein Bücherregal maßfertigen lassen.
Maria Castelli: Das war das Einzige, was wir
gekauft haben. Der Rest war von Kartell.
Claudio Luti: Maria hat die Wohnung sehr
schnell eingerichtet, um die Gelegenheit nicht zu verpassen, zusammenzuziehen.
Möbel waren nicht immer
Ihr Lebensmittelpunkt. In
den Achtzigern haben Sie
Versace zum MultimillionenKonzern gemacht. Wie ó
Meistverkaufter Designstuhl der Welt:
Louis Ghost von Philippe Starck, 2002.
Willkommen bei den Lutis:
Maria, Claudio, Lorenza und
Federico (v.l.). „Die Kontinuität
des Unternehmens ist wichtiger
als die Kontinuität der Familie
im Unternehmen.“
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