Stellungnahme zum geplanten Klimaschutzgesetz der Nordkirche

Stellungnahme zum geplanten Klimaschutzgesetz der Nordkirche
Brauchen wir ein Klimaschutzgesetz in der Nordkirche?
Das ist die Frage, die wir heute ausführlich miteinander diskutieren werden. Ihnen sind Unterlagen
zugegangen, vermutlich haben Sie sie einmal durchgeblättert.
Vielleicht sagen Sie jetzt:
- Wir tun doch in unserer Gemeinde so wie so schon so viel für den Klimaschutz - wir
sanieren unser Pastorat, beziehen grünen Strom und trinken fairen Kaffee. Wir sind doch
gut davor. Was brauchen wir denn da neue Vorschriften? Es läuft doch alles. Wird schon
werden.
Oder Sie sagen:
- Ein Gesetz? Was soll das denn? Warum will uns die Nordkirche vorschreiben, was wir zu
tun haben? Ich finde eine Selbstverpflichtung besser. Wir wissen doch alle, wie man das
Klima schützt. So schwer ist das ja wirklich nicht, das kann doch jeder.
Oder aber Sie denken:
- Noch mehr Verwaltung, noch mehr Bürokratie! Zahlen wir dafür nicht schon genug?
Können wir uns nicht lieber mit Menschen als mit Zahlen und Gebäuden geschäftigen?
Papierkrieg bringt doch nichts – wir sollten das Geld lieber in praktische Projekte stecken.
Und nicht zuletzt:
- Es haben sich gerade zwei Kirchenkreise gegen das Klimaschutzgesetz ausgesprochen.
Die werden sich ja gut überlegt haben, welche Auswirkungen das Gesetz für ihren
Kirchenkreis hat. Unsere direkten Nachbarn noch dazu – das sollten wir eigentlich
unterstützen.
Sicher, diese Einwände kenne ich. Ein Gesetz ist unbequem, es wirkt wie eine Bevormundung, es
gängelt uns, enthebt uns unserer Handlungshoheit. Gesetze verleiten zum Umgehen, Aushebeln,
Missachten, Austricksen. Es ist nicht immer einfach, den Sinn des Gesetzgebers hinter dem
Gesetzestext zu erkennen.
Trotzdem ist ein Gesetz manchmal hilfreich. Insbesondere dann, wenn es um unbeliebte,
ausgeblendete, schützenswerte Nebensächlichkeiten geht. Dazu zählen für mich unsere belebte und
die unbelebte Umwelt.
Ich möchte Ihnen erklären, warum ich das Gesetz für notwendig erachte und warum ich die
Beschlussvorlage des Kirchengemeinderats unterstütze. Ich spreche in meiner Eigenschaft als
Beauftragte Ihres Kirchenkreises für den Schutz der Umwelt und für den nachhaltigen Umgang mit
ihr. Ich spreche auch aus meiner langjährigen Erfahrung als Mitglied im Naturschutzbund
Deutschland, als Überzeugungstäterin, als Pfadfinderin und als Christin.
Ich sage:
-
Im Kirchenkreis Altholstein tut sich schon viel – aber es passiert deutlich zu spät und es
ist viel zu wenig. Wenn wir so weiter machen wie bisher, werden wir in 2050 immer noch
mehr als die Hälfte des CO2 herstellen, das wir 2005 produziert haben. Das nennt man
„business as usual“, und das genügt ganz offensichtlich nicht. Wir müssen das Tempo
verdoppeln, vermutlich auch die Ausgaben.
Ich sage des weiteren:
- Eine Selbstverpflichtung ist eine Schummelpackung. Selbstverpflichtungen der Industrie
zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes haben 2014 zum höchsten CO2-Ausstoß seit der
Wiedervereinigung geführt. Eine Selbstverpflichtung der Unternehmen zur Einstellung
von Frauen in Führungspositionen hat sich als Lüge entpuppt; ein Gesetz soll das jetzt
ändern. Eine Selbstverpflichtung der Kirche zur Bewahrung der Schöpfung, wie sie seit
über 2000 Jahren für alle Christen besteht, hat bisher nicht gefruchtet. Ein Gesetz
hingegen bietet einen Rahmen und feste Kontrollpunkte, die uns bei unserem weiten
Weg zu einem ambitionierten Ziel unterstützen können.
Ferner sage ich:
- Für die größte Aufgabe der Menschheit, die es je gab, nämlich die Klimaerwärmung zu
verlangsamen, braucht es Menschen mit Kompetenz und Mut zu radikalen
Entscheidungen. Z.B. in Form einer schlagkräftigen, gut ausgestatteten Verwaltung.
Unsere Immobilienverwaltung hat mir in den vergangenen Jahren im Januar die
witterungsbereinigten Verbrauchszahlen unserer Gebäude geliefert, damit ich sie im
Februar auf der Gemeindeversammlung vorstellen konnte. Dieses Jahr bekam ich auf
meine Anfrage keine Antwort – es gibt zu viel zu tun. Um die fast 700 Liegenschaften in
unserem Kirchenkreis aufzunehmen, die Verbräuche zu erfassen und laufende
Baumaßnahmen zu begleiten, brauchen wir in der Immobilienverwaltung mehr Stellen.
Ich weiß:
-
Wir sind nicht allein auf der Welt. Auch nicht in der Nordkirche. 12 andere Kirchenkreise
geben ihre Stellung zum geplanten Klimaschutzgesetz ab. Aber: Jeder Kirchenkreis
entscheidet nicht nur für sich allein – das wäre egoistisch -, sondern auch für die Zukunft
unserer großen Kirche im Norden Deutschlands. Wenn alle nur an sich denken, werden
wir das gemeinsame Ziel nicht erreichen. Das Beispiel des Bündeleinkaufs von „Grünem
Strom“, mit dem wir in der Nordkirche inzwischen 85 % unseres Strombedarfs decken,
zeigt, dass sich das Motto „Global denken – lokal handeln“ lohnt.
Zuletzt möchte ich darauf hinweisen, dass eigentlich die Falschen über diesen Gesetzentwurf beraten
und entscheiden. Keiner von uns Synodalen, die wir heute hier sitzen, wird in 35 Jahren noch in
diesem Gremium vertreten sein. Leona und Lisa und …, Ihr werdet 2050 hier sitzen, als die Älteren
und Erfahreneren. Ihr werdet berichten können, wie es 2015 war, als die Kirchenkreissynode von
Altholstein über das Klimaschutzgesetz beraten hat. Ihr werdet hoffentlich erlebt haben, dass die
Kirche ihren Worten auch Taten folgen ließ. Dass sie – wie in Dänemark heute schon gesetzlich
vorgeschrieben – Öl und Gas nicht mehr zum Heizen nutzt, sondern ihre sanierten Gebäude
ausschließlich elektrisch mit Strom aus Windenergie beheizt. Dass Elektromobile zur
Grundausstattung der Verwaltungen und ländlichen Kirchengemeinden gehören. Und dass die
Partnerkirchen in aller Welt dank unseres Umdenkens im Jahr 2015 vor den schlimmsten Folgen des
Klimawandels bewahrt werden konnten.
Liebe Mit-Synodale, besonders vor diesem Hintergrund möchte ich Sie bitten, das Klimaschutzgesetz
und den Beschlussvorschlag des Kirchenkreisrats zu unterstützen. Selbst wenn Sie nicht sicher sind
und Ihnen vieles noch unverständlich erscheint, halte ich es für vertretbar, es zu wagen – stimmen
Sie für den vorliegenden Beschlussvorschlag und geben Sie unserem Klima ein Chance!
Vielen Dank.
Dr. Beate Jentzen
- Beauftragte für Nachhaltigkeits- und Umweltfragen im Kirchenkreis Altholstein –
Neumünster, 28.03.2015