Rede des Herrn Oberbürgermeisters Tischler zum Arbeitnehmerempfang der Stadt Bottrop am Mittwoch, dem 29.04.2015 um 19.00 Uhr im Foyer des Saalbaus (Es gilt das gesprochene Wort.) Sperrfrist: 29.04.2015, 19.00 Uhr Sehr geehrter Herr Thater, sehr geehrter Herr Bundestagsabgeordneter Gerdes (voraussichtlich anwesend), (Frau Ruhkemper und Frau Dr. Bunse sind wahrscheinlich nicht da) sehr geehrter Herr Bürgermeister Strehl, sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Budke, verehrte Herren Bezirksbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Gewerkschaften und aus den Betriebs- und Personalräten sowie den Betrieben in Bottrop, meine Damen und Herren, „Gestalten“ ist ein Wort der Zukunft. Ein positives Wort, das für Aktivität und selbstbestimmtes Handeln steht. „Gestalten“ ist ein Wort, das gut zu Bottrop passt! Der DGB hat in diesem Jahr die Gestaltung der Arbeit der Zukunft zu seinem Schwerpunktthema des 1. Mai gemacht. Für eine Stadt ist das Gestalten von Zukunft unter ganz vielen Gesichtspunkten eine der wichtigsten Aufgaben. Alle konzeptionellen, planerischen Überlegungen befassen sich mit der Frage, wie wir uns unsere Zukunft vorstellen, welches Ziel wir überhaupt erreichen wollen. Es geht hier nicht um unrealistische Träumereien – deshalb gehört immer der Blick auf die Ausgangssituation dazu, auf den derzeitigen Standort und den eigenen Gestaltungsspielraum. Was tut Bottrop, um seine Zukunft zu gestalten? Darauf möchte ich heute mit Ihnen zusammen blicken. Ich begrüße Sie alle dazu sehr herzlich! Besonders begrüße ich hier Herrn Hans Hampel, der als Vertreter (Organisationssekr.) des DGB Bezirks Nordrhein-Westfalen, Region Emscher-Lippe gekommen ist. Meine Damen und Herren, erinnern wir uns noch einmal an das Jahr 2007. In diesem Jahr wurde der Ausstieg aus der subventionierten Steinkohlenförderung beschlossen. 2018 lag damals noch sehr weit in der Zukunft. Dennoch hat dieser Beschluss unsere gesamte Region erschüttert. Heute, im Jahr 2015 ist das Jahr des Kohleausstiegs auch bei uns in Bottrop sehr nah gerückt. Nicht nur als Datum – wir sehen schon heute, wie der Ausstieg Realität wird. Allein im Jahr 2014 sind rund 3.000 Stellen im RAG-Konzern entfallen. Die letzten 103 neuen Auszubildenden haben 2014 ihre Lehre auf dem Bergwerk Prosper-Haniel begonnen, während 2 diejenigen, die ihre Ausbildung abschließen, sich bereits jetzt nach einer Beschäftigung in anderen Branchen umsehen müssen. Worüber ich heute sehr froh bin, ist die Tatsache, dass wir in Bottrop das Gestalten von Zukunft schon 2007 sehr entschieden angegangen sind. Um den Menschen in unserer Stadt auch nach dem Ende des Bergbaus gute Perspektiven in unserer Stadt zu bieten, hat seit vielen Jahren die Förderung neuer, zukunftsorientierter Arbeitsplätze höchste Priorität. Wir haben seinerzeit unter dem Projektnamen „Zukunftsstandort.Bottrop“ eine systematische Planung eingeleitet, haben geschaut, wo unsere Stärken liegen, die wir ausbauen können. Dazu wurde ein Masterplan erstellt. Es folgten zwei Weichenstellungen, die sich als wahre „Sechser im Lotto“ erwiesen haben: Der Ausbau Bottrops zum Hochschulstandort durch die Ansiedlung der Hochschule Ruhr West und unsere erfolgreiche Bewerbung um die InnovationCity. Die positiven Auswirkungen dieser Projekte sind schon heute immens. Zwei Neuansiedlungen von Unternehmen stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Projekt InnovationCity. Das US-Lichttechnikunternehmen Musco Lighting mit zukünftig rund 30 Arbeitsplätzen hat InnivationCity als einen der Gründe für die Ansiedlung in Bottrop genannt. Auch für den Industriebetrieb DWH, der gerade sein Richtfest auf dem neuen Betriebsgelände an der WilhelmTenhagen-Straße gefeiert hat, war das positive Image unserer Stadt ausschlaggebend. Bei DWH werden rund 50 Beschäftigte in Produktion und Vertrieb arbeiten. Die Sorgen der Beschäftigten im Bergbau sind damit aber nicht vom Tisch. Viele Familien wissen noch nicht, wie es nach 2018 weitergeht, wo der zukünftige Arbeitsplatz sein wird. Es geht schließlich nicht nur um rechnerische Aspekte, um die Anzahl von bereitstehenden Arbeitsplätzen. Die Gedanken drehen sich ganz sicher auch um Fragen wie „Wo kann ich mich mit meiner Ausbildung, mit meinem Fachwissen, überhaupt bewerben? Wie viel werde ich zukünftig verdienen und reicht das, um den Lebensstandard meiner Familie zu halten?“ Das sind Sorgen, die gerade auch die Gewerkschaften und die Betriebsräte sehr ernst nehmen. Nach wie vor ein Problem sind die sogenannten prekären Beschäftigungsverhältnisse, der Missbrauch von Werkverträgen und Minijobs. Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ist ein längst überfälliger Schritt in die richtige Richtung gewesen. Die Bestandsaufnahme rund 100 Tage nach dem Start des Mindestlohns ist überwiegend positiv ausgefallen – zahlreiche Befürchtungen, die im Vorfeld herangezogen wurden, haben sich als unbegründet erwiesen. Das ist ein klarer Erfolg! Jetzt gilt es, dran zu bleiben, damit dieses gute Instrument nicht wieder durch zu viele Ausnahmen ausgehöhlt wird. Ich bin sicher, auch die Gewerkschaften werden hier am Ball bleiben! 3 Insgesamt bin ich sehr zuversichtlich, dass wir in Bottrop auf einem guten Weg sind. Dies bestätigen verschiedene Indikatoren, die die Entwicklung am Arbeitsmarkt beleuchten. Die meisten Arbeitsplätze bestehen inzwischen in kleinen und mittelständischen Unternehmen, und da entwickelt sich Bottrop gut. Bei uns arbeiten aktuell 64,5% der Beschäftigten in mittelständischen Unternehmen. Damit stehen wir im Vergleich der Revierstädte an zweiter Stelle, deutlich über der NRW-Quote, die bei 52,5% liegt. Mit einer Arbeitslosenquote von 8,2 % (März 2015) bewegen wir uns auf dem Niveau des Landes NRW (ebenfalls 8,2%), das ist für eine Stadt unserer Region ein großer Erfolg. Wir haben in den vergangenen Jahren viel erreicht, und das macht sich in unserer Stadt inzwischen deutlich bemerkbar. Aber wir dürfen uns natürlich nicht darauf ausruhen. Bis 2018 und darüber hinaus haben wir nach wie vor eine riesige Herausforderung vor uns. Das Gestalten der Zukunft unserer Stadt bleibt eine Hauptaufgabe für uns. In den letzten Monaten haben wir weitere Projekte erfolgreich angestoßen, die auf dem schon Erreichten aufbauen und dieses noch weiterentwickeln. Vor zwei Wochen hat Bottrop den Zuschlag für die Teilnahme am „Wettbewerb Zukunftsstadt“ des Bundesforschungsministeriums bekommen. Wir gehören zu den 52 Städten, die aus rund 170 Bewerbern ausgewählt wurden um Lösungen für eine nachhaltige Vision für die „Stadt von morgen“ zu entwickeln. Ich freue mich sehr, dass die Stadt Bottrop als Zukunftsstadt ausgewählt wurde. Dies ist für mich auch ein Zeichen der Anerkennung und Bestätigung der als Modellstadt „InnovationCity“ geleisteten Arbeit. Die „Zukunftsstadt“ ist thematisch und räumlich noch weiter angelegt als die InnovationCity. Und der Zukunftsstadt-Prozess kommt zum richtigen Zeitpunkt, denn mit dem Termin 2018 stellt sich für Bottrop die Frage nach einer ganzheitlichen „Vision 2030 plus“ in besonderem Maße. Über die Inhalte der InnovationCity hinaus werden wir die Auswirkungen des wirtschaftlichen Strukturwandels und des demografischen Wandels besonders betrachten. Auch das Thema Klimawandel ist weiter Bestandteil. Die bisher nicht berücksichtigten Stadtteile im Norden und Westen Bottrops werden jetzt mit eingebunden. Unser Ziel ist es, auch in die zweite Phase des Projektes im nächsten Jahr aufgenommen zu werden, in der zwanzig Kommunen ihre Ideen und Konzepte wissenschaftlich prüfen werden. 2018 schließlich werden acht Kommunen ihre innovativen Ideen in die Realität umsetzen. Ich baue darauf, dass Bottrop dann dabei sein wird. 4 Passend zu der Entwicklung der Zukunftsstadt haben wir den Zuschlag für ein weiteres Projekt bekommen, das eher eine soziale Ausrichtung hat und die Teilhabe von Bürgerinnen und Bürgern an der Gestaltung von öffentlichen Flächen in den Mittelpunkt stellt. Die Gestaltung von städtischen Gärten soll unter dem Titel „GemeinSinnschafftGarten“ ein Stück Natur in die Stadt zurückholen und die Lebensqualität steigern. In den von Bewohnerinnen und Bewohnern angelegten Gärten im öffentlichen und privaten Raum wird der Gemeinsinn gestärkt. Ganz bewusst möchten wir damit Menschen erreichen, die sich von anderen Beteiligungsprojekten nicht angesprochen fühlen. Neben diesen städtebaulichen Projekten heißt für mich Gestalten der Zukunft ebenso, dass wir die Chancen der Jugendlichen in Bottrop im Auge behalten. Es ist ein großer Verlust für die Stadt, wenn die Ausbildungswerkstätten des Bergwerks geschlossen werden. Hier suchen wir nach Lösungen. Seit einem guten Jahr beschäftigt sich der „Arbeitskreis Perspektive Bottrop. Gute Arbeit in Bottrop“, in dem IHK, Handwerkskammer, Kreishandwerkerschaft, der DGB, die Agentur für Arbeit, das Jobcenter, die Koordinierungsstelle „Kein Abschluss ohne Anschluss“ und die städtische Wirtschaftsförderung unter meiner Führung damit, mehr Ausbildungsplätze zu schaffen. Im ersten Jahr haben wir die relevanten Partner zusammengebracht und Aktivitäten, die es bereits gibt, koordiniert. Jetzt geht es darum, einen konkreten Maßnahmenplan zu erarbeiten. Es besteht bei allen Beteiligten eine große Bereitschaft, tätig zu werden. Ich bin deshalb optimistisch, dass wir für die Jugendlichen in Bottrop Erfolg haben werden. Fortschritte machen wir auch in der Frage der Nachfolgenutzung der Bergbauflächen. Wir brauchen diese Flächen dringend, um ansiedlungswilligen Unternehmen wie auch Bottroper Unternehmen mit Expansionsbedarf Gewerbeflächen anbieten zu können. Die Stadt hat den Wunsch, die freiwerdenden Bergbauflächen möglichst schnell einer neuen Nutzung zuzuführen. Wir sind hier in intensiven Gesprächen mit der RAG, um die Verfahren zu beschleunigen. Unsere Konzepte enden nicht an den Stadtgrenzen: Im Grenzraum Bottroper Süden – Essener Norden wird ein Entwicklungsplan gemeinsam mit der Stadt Essen und der RAG Montan Immobilien weiterverfolgt. Wir haben das Projekt dem Lenkungskreis Bergbauflächen des Landes vorlegt und gute Aussichten auf eine Förderung der Maßnahme. In den letzten Wochen durften wir uns über eine weitere Neuansiedlung freuen: Das Möbelhaus IKEA hat sich für den Standort Bottrop entschieden und wird an der B224 ein neues Haus errichten. Meine Damen und Herren, 5 ich möchte es jetzt bei diesen Ausblicken belassen und noch ein Thema ansprechen, das mir auch persönlich sehr wichtig ist. Wir sind Gestalter – die Stadt in ihren Einflussbereichen, die Arbeitnehmer mit den Gewerkschaften und Betriebsräten in Fragen der Arbeitsgestaltung und der Arbeitnehmerrechte. Für uns alle aber gilt: Wir müssen es gemeinsam tun. Zusammenhalt und Solidarität sind nach wie vor nicht nur der Kitt der Gesellschaft, sondern auch eine starke Antriebs- und Schaffenskraft. Der soziale Frieden ist die Grundlage für alle positiven Entwicklungen. Wie auch der DGB engagiere ich mich im „Bündnis gegen rechts“. Es ist eine Stärke unserer Stadt, dass hier ein gutes Miteinander von Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religionen herrscht. Dies hat sicher auch seine Wurzeln in der Tradition des Bergbaus, wo seit Jahrzehnten Menschen unterschiedlicher Nationalitäten Seite an Seite arbeiten. Auch in den Betrieben wird ein gutes Klima gepflegt. Angesichts der wachsenden Flüchtlingszahlen dürfen wir den unschätzbaren Wert des sozialen Friedens und des guten Miteinanders nicht aus dem Auge verlieren. Der Tag der Arbeit am 01. Mai steht in dieser Tradition der Solidarität und sozialen Gerechtigkeit. Lassen Sie uns diese unverzichtbaren Werte auch weiterhin verteidigen! Wo auch immer wir Zukunft gestalten – diese Werte sind die Grundlage! Wie es in unserer Stadt gute Tradition ist, schließe ich mit einem kräftigen Glückauf!
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