Wer keine Aktien hat, war doof - Welt am Sonntag

Hamburg
WELT AM SONNTAG
22. MÄRZ 2015
Herr der
Ringe
Morden
macht Spaß
OLYMPIA S.3
KRIMIFRAUEN S.19
SEITE HAMBURG 1
NORDLICHT
BERTOLD FABRICIUS
Wie billig sind
die Grünen?
Raten zu gemäßigtem Aktiensparen auch für die Altersvorsorge: Professor Bernd Raffelhüschen (l.) und Harald Vogelsang in der Rotunde der Haspa-Zentrale
„Wer keine Aktien hat, war doof“
D
er deutsche Aktienmarkt scheint nur
noch eine Richtung
zu kennen – die Kurse steigen Woche für
Woche. Eigentlich eine perfekte Basis für
eine Feier der Hamburger Unternehmen,
die an der Regionalbörse Hamburg gelistet und Mitglied des Indizes HASPAX
sind, dem Norddeutschen Pendant zum
großen DAX. In der vergangenen Woche
trafen sich 350 Firmenchefs auf Einladung der Börsen AG, der Hamburger
Sparkasse und der „Welt“-Gruppe Hamburg zu einer festlichen Gala, um jene
Firmen auszuzeichnen, die in den verVON JÖRN LAUTERBACH
UND PHILIPP WOLDIN
gangenen zwei Jahren die beste Kursentwicklung gezeigt haben. Es gewann der
Windanlagenhersteller Nordes vor dem
Internet-Dienstleister Xing und dem
Mobilfunkvermittler Freenet. Gastredner des Abends war Professor Bernd Raffelhüschen, einer der führenden Ökonomen Deutschlands mit Professuren in
Freiburg und Bergen. Mit ihm und dem
Haspa-Vorstandschef Harald Vogelsang
sprach die „Welt am Sonntag“ über die
wenigen Gewinner und vielen Verlierer
des Aktienbooms.
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WELT AM SONNTAG: Herr Vogelsang, worüber haben Sie sich in der
zurückliegenden Woche mehr gefreut: Über den Beschluss der Sportfunktionäre, dass Hamburg Bewerberstadt für Olympische Spiele wird
– oder über den DAX, der die Marke
von 12.000 Punkten übersprang?
HARALD VOGELSANG: Für Hamburg
war die Olympia-Entscheidung sicher
Haspa-Chef Harald Vogelsang und der
Top-Ökonom Bernd Raffelhüschen über den
Boom an den Aktienmärkten, Probleme für
Versicherungen und den Reiz Olympischer Spiele
von herausragender Bedeutung. Ich habe
mich jedenfalls sehr darüber gefreut,
und mit mir ganz viele andere, die sich
auch engagiert und gehofft haben. Hamburg hat mit seinem Konzept der Spiele
am Wasser etwas Großartiges vorgelegt,
und für die Stadt würde das auch bedeuten, den Brückenschlag zu den südlichen
Stadtteilen über die Elbe zu vollenden.
Das wird enorme Kräfte in der Stadt mobilisieren. Hamburg wird auch im internationalen Wettbewerb keineswegs
chancenlos sein.
Herr Raffelhüschen, was würden die
wirtschaftlichen Folgen von Olympischen Spielen in der Region sein?
BERND RAFFELHÜSCHEN: Neben
dem Ausbau der Infrastruktur sehe ich
vor allem die Aufbruchstimmung als
wichtig an. Das ist eigentlich sogar
entscheidend. Ich habe mir die Vorlagen
aus Hamburg mal angesehen, das
war sehr überzeugend, ein fantastisches
Ambiente.
Aufbruchstimmung ist ein gutes
Stichwort. Die Börse kennt nur noch
eine Richtung. Ist das für Sie nur ein
Grund zur Freude?
VOGELSANG: Das muss man schon
differenzierter sehen. Wenn jetzt – wie
etwa in den USA – sehr viele von diesem
Aktienaufschwung direkt profitieren
würden, wären das sicherlich tolle Zeiten. In Deutschland sind es aber nur
sehr wenige, 90 Prozent der Deutschen
haben keine Aktien. Aber wir sollten die
BERND
RAFFELHÜSCHEN
ÖKONOM
Bundesweit bekannt wurde der in
Freiburg forschende und lehrende
Finanzwissenschaftler durch sein Rentenmodell, das Grundlage der RürupKommission wurde. Schon früh wies
er darauf hin, dass private Altersvorsorge zwingend erforderlich sein würde. In seinem Freiburger Institut wird
auch jedes Jahr der „Deutsche Glücksatlas“ erstellt.
Geschwindigkeit im Auge behalten, mit
denen die Indizes diesen rasanten Aufstieg hinlegen. Üblicherweise kommen
auf solche Anstiege auch Korrekturphasen. In diesem und auch noch im kommenden Jahr kann es aber weiter nach
oben gehen, weil die Rahmenbedingungen dafür sprechen: Die Europäische
Zentralbank pumpt weiter billiges Geld
in den Markt, die Immobilienpreise sind
vielerorts schon hoch, auf Sparbüchern
gibt es kaum noch Zinsen. Da bleiben
dann für viele nur noch die Aktien. Ein
DAX-Wert von 13.000 Punkten könnte
bis Ende 2015 durchaus kommen – aber
dann mit erheblichem Rückschlagspotenzial.
Soll man denn heute aus Ihrer Sicht
noch einsteigen?
VOGELSANG: Wir haben unseren Kunden seit drei Jahren dazu geraten. Heute
empfehlen wir, ratierlich zu investieren,
Monat für Monat. So wird man auch
Schwankungen verdauen können und einen insgesamt guten Einstiegskurs erzielen. So ein Verhalten wäre auch für die
Altersvorsorge immens wichtig, denn in
der sicher länger anhaltenden Niedrigzinsphase muss man seine bisherige
Strategie ändern. Fatal wäre es zu denken, Vorsorgesparen würde sich ohnehin
nicht mehr lohnen.
RAFFELHÜSCHEN: Zumal der Staat
überhaupt kein Interesse hat an steigenden Zinsen, dann könnte er seine eigenen Schulden nämlich kaum noch bedienen. Die ausgeglichenen Haushalte, die
HARALD
VOGELSANG
HASPA-CHEF
Eigentlich ist er als Strafrechtler ein
Exot im Bankenwesen – aber Harald
Vogelsang ist es in den nunmehr acht
Jahren an der Spitze der Haspa gelungen, Deutschlands größte Sparkasse
auf Kurs und im Gespräch zu halten.
Die wirtschaftlichen Zusammenhänge,
in denen er und die Haspa handeln,
klopft er immer auch auf die gesellschaftlichen Auswirkungen ab
jetzt im Bund und ja auch in Hamburg
vorgelegt wurden, sind doch nur Ergebnis dieser Zinspolitik. Für den privaten
Sparer kann das nur eines heißen – und
das gilt so eigentlich schon immer: Man
darf nicht alle Eier in einen Korb legen.
Der richtige Mix aus Aktien, Staatsanleihen und Immobilienbesitz ist der beste
Weg, wenn man es über eine Dauer von
15 oder 20 Jahren betrachtet. Und dann
lassen sich solche Phasen, wie wir sie
jetzt gerade erleben, mit einem Lächeln
betrachten. Durch Diversifikation kann
man alles durchstehen.
Die meisten Deutschen machen es
dann falsch.
RAFFELHÜSCHEN: Richtig. 90 Prozent der Menschen sind ökonomische
Analphabeten, was das angeht. Die gucken jetzt in die Röhre, deren Anlage
verzinst sich nicht vernünftig. Wer jetzt
keine Aktien hat, war in der Vergangenheit doof, das muss man einfach so deutlich sagen.
In Schwierigkeiten geraten zunehmend die großen Lebensversicherer,
die viele Altverträge mit hohem Garantiezins haben. Wie sehen Sie deren Situation?
RAFFELHÜSCHEN: Große Konzerne
können solche Phasen schon eine Weile
lang durchstehen, das haben wir auch in
Japan gesehen. Wichtig ist, dass die neuen Abschlüsse mit niedrigen Garantiezinsen getätigt werden dürfen, und dafür
wurde ja der Weg geebnet und das passiert jetzt sukzessive. Ob das ausreicht,
werden wir noch etwas abwarten müssen. Manchmal tun mir Versicherungen
allerdings auch leid, denn sie werden ja
gesetzlich gezwungen, in Staatsanleihen
zu investieren. Und das ist derzeit ein
schwieriger Weg, von dem nur der Staat
etwas hat.
Wie können sich Versicherer aus dieser Zwickmühle befreien?
RAFFELHÜSCHEN: Nur ganz schwer.
Die Versicherer müssen sich bei ihren
Investitionen an strenge Regeln halten.
Wenn der DAX mal bei 4000 Punkten,
mal bei 12.000 Punkten landet, können
die Unternehmen das nur sehr schwer in
ihrer Bilanz abbilden. Privatanleger haben es da leichter. Sie müssen keine Bilanz erstellen und können flexibler auf
die Schwankungen der Kurse reagieren.
Wie wirkt sich die aktuelle Situation
an den Märkten auf die Haspa aus?
VOGELSANG: Wir merken, dass die
Anleger nach Sicherheit suchen. Unsere
Spareinlagen sind im vergangenen Jahr
erneut gewachsen, gegen den allgemeinen Trend. Gleichzeitig legt aber auch
die Nachfrage nach Wertpapieren gerade
deutlich zu. Für uns als Sparkasse bedeutet die Politik der Europäischen Zentralbank, dass wir uns auf einen sinkenden Zinsüberschuss einstellen und weiter sparen müssen. 2014 konnten wir den
Jahresüberschuss zwar noch etwas steigern, aber es war harte Arbeit. Wir brauchen dieses Geld, damit wir unser Eigenkapital aufstocken können. Die Regeln
dafür wurden nach der Finanzkrise deutlich verschärft, alle Banken brauchen eine höhere Quote. Aber wissen Sie: Einfach kann ja jeder. Und die Haspa gibt es
seit 1827, wir werden auch mit dieser
schwierigen Phase zurechtkommen.
Mussten Sie wegen der Niedrigzinspolitik bei Ihren Investitionen mehr
riskieren?
VOGELSANG: Riskieren würde ich es
nicht nennen. Wir haben uns schon vor
Fortsetzung auf Seite Hamburg 2
Joschka Fischer, Übervater der Grünen, hatte es nicht so mit Journalisten. Er nahm ihnen vor allem übel,
dass er sie brauchte. Einmal soll er
sie einem Parteifreund gegenüber als
„5-Mark-Nutten“ bezeichnet haben.
Damit meinte er wohl, dass Reporter
günstig zu haben sind. Oder für eine
Geschichte alles tun würden. Der
Blick auf die Koalitionsverhandlungen in Hamburg lässt Fischers
Bonmot in einem ganz neuen Licht
erscheinen. Denn die Grünen, die
sich selbst „Programmpartei“ nennen, haben bei König Olaf sehr viele
Forderungen durchbekommen.
NICHT! Keine Stadtbahn, keine
Umweltzone, keine City-Maut. Unter
CDU-Bürgermeister Christoph Ahlhaus gab es mehr, aber den haben die
Grünen 2010 ja verlassen, weil er
nicht so geschmeidig war wie sein
Vorgänger Ole von Beust. Oder so.
Macht nichts, denn dafür haben die
Grünen ja jetzt die Macht und können sich schöne Senator-Karten
drucken lassen. Die wiegen es dann
auf, dass sie Hausmeister im „Anbau“
des Scholz’schen Regierungspalasts
sind und sich in regelmäßigen Abständen als Mehrheitsbeschaffer
vorführen lassen dürfen. Insofern
tritt ein Wunsch des alten Fischer in
Erfüllung, der einst davon träumte,
dass die Grünen die Rolle der FDP
im Parteiensystem übernehmen werden. Die ersten Schritte sind unternommen worden; allerdings ist der
Vergleich dann doch FDP-feindlich,
weil die Liberalen als Oppositionspartei ein schärferes politisch-programmatisches Profil ausweisen als
die Grünen. Wenn man übrigens fünf
Mark umrechnet, kann man die Grünen getrost als 2,55-Euro-Politiker
Per Hinrchs
bezeichnen.
REGIONALREDAKTION HAMBURG
Redaktionsleiter: Jörn Lauterbach
Stv.: Insa Gall , Dr. Jens Meyer-Wellmann
Chefreporterin: Martina Goy
Produktion: Axel Seifert
Redaktion:
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HAMBURG 2
W E LT A M S O N N TA G N R . 12
2 2 . M Ä R Z 2 015
BILD DER WOCHE
AUST
ANTWORTET
Darum
Hamburg
1
3
Das Wasser, die Bauten, die Menschen – was konkret meinen Sie
damit?
Auch ohne so eine Großveranstaltung ist Hamburg ja eine wunderschöne Stadt, aber wichtiger ist in
dieser Phase natürlich das Konzept
für die Spiele. Und das leuchtet doch
jedem ein, der sich genau damit beschäftigt. Die Lage vieler Sportstätten und der Zentren mit Elbblick
sind fantastisch, alles liegt eng beieinander. Ich war damals bei den
Spielen im Jahr 2000 in Sydney,
auch eine wirklich tolle Stadt, aber
der Weg mit der Bahn zum Olympiazentrum dauerte eine Stunde.
Das wird es in Hamburg so nicht
geben. Als damals die politisch gewollte Entscheidung für Leipzig als
Bewerberstadt fiel und Hamburg
außen vor blieb, hielt ich das für
einen ganz großen Fehler. Nun endlich stehen die Chancen gut, diesen
zu korrigieren.
Stefan Aust ist Herausgeber der „Welt
am Sonntag“. Regelmäßig bezieht der
ehemalige „Spiegel“-Chefredakteur hier
Stellung zu Hamburger Themen.
Die Fragen stellte Jörn Lauterbach.
Die Hände
zum Himmel
Montag, 19 Uhr: Schon eine halbe Stunde vor dem
eigentlichen Zeitpunkt der Verkündung sickerte
durch, dass Hamburg den Konkurrenten Berlin
ausgestochen hat – jedenfalls im Rennen um die
Kandidatur für Olympische Sommerspiele. Den-
noch brach in den Hamburger Beobachtungszentrum in der 02-Arena und bei der Hamburger
Bewerbungsdelegation Jubel aus, als das Ergebnis
der Präsidiumsberatung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) dann auch offiziell
SIE ZÄHLT
ER ZÄHLT
Dem Sport
eine Heimat
geben
Der Stadt
ein Gesicht
geben
Als Olympia-Stützpunktleiterin hat Ingrid Unkelbach täglich mit Sportlern – auch mit deren Enttäuschungen und Hoffnungen – zu tun. Seit dieser
Woche weiß sie nun ein bisschen mehr, wie sich
große Triumphe wohl anfühlen. „Jetzt kann ich mir
vorstellen, wie Sportler sich nach dem Gewinn
einer olympischen Goldmedaille fühlen“, sagte
Unkelbach unmittelbar nach Bekanntgabe der Kandidatur am Montag. Und fügte hinzu: „Es war einfach überwältigend, als endlich klar war, dass Hamburg die deutsche Bewerberstadt für Olympia ist.
Da musste ich einfach losschreien.“ Rund 50 Stunden arbeitet Unkelbach in ihrem Beruf pro Woche,
sie verantwortet einen Jahresetat von rund 1,3 Millionen Euro. Zu den Aufgaben der ehemaligen Jugendnationalschwimmerin gehört es, in Sportgremien zu beraten und neue Förderpläne für den
Leistungssport auf den Weg zu bringen. Und auch
an den Wochenenden besucht sie Sportveranstaltungen und geht zu Fußballspielen. Nur nicht an
diesem – da nämlich ist sie mit der Hamburger
Delegation in der Frankfurter Paulskirche, um die
endgültige Entscheidung abzuholen.
Nach dem Sieg im Wettstreit mit Berlin hat in der
Hansestadt das Casting für das deutsche Olympia-Gesicht begonnen. Die Kandidatenliste ist
lang. Die besten Aussichten auf den prestigeträchtigen Posten des Chef-Botschafters hat zurzeit
der Hamburger Michael Stich. „Ich verspüre
eine große Lust auf diese Aufgabe und würde
super gerne mitarbeiten“, sagte der Doppel-Olympiasieger von 1992. „Es wäre eine große Ehre für
mich, dazu beizutragen, die Olympischen Spiele
nach Hamburg zu holen.“ Stich, der auch von
Hamburgs Ehrenbürger und Fußball-Idol Uwe
Seeler favorisiert wird, hat bereits erste Gespräche mit den Bossen des Deutschen Olympischen
Sportbundes (DOSB) geführt. Stich gehörte auch
zur Hamburger Delegation um Bürgermeister
Olaf Scholz, die am Sonnabend in der Frankfurter
Paulskirche der „Krönungsmesse“ der deutschen
Bewerberstadt beiwohnte. Dienstag trifft sich
dann die DOSB-Führungsriege mit Hamburger
Stadtvertretern, um wichtige Personalfragen zu
klären und die Weichen für die zu gründende
Olympia-Bewerbungsgesellschaft zu stellen.
verkündet wurde. Dr. Stefan Brandt (Geschäftsführer Kunsthalle), Senator Michael Neumann,
Michael und Alexander Otto, Stützpunkt-Leiterin
Ingrid Unkelbach und Sportbund-Chef Jürgen
Mantell (v. l.) rissen die Arme hoch.
DAS ZÄHLT
GESAGT
44
DPA/MALTE CHRISTIANS
Aber welche Chancen hat Hamburg denn international? So
weltbekannt, wie wir immer annehmen, ist die Stadt nicht.
Als Essen sind Hamburger jedenfalls
bekannter als Berliner … aber im
Ernst: Ich bin auch viel auf der Welt
unterwegs, so unbekannt ist die Stadt
sicher nicht, zumal sich die IOCMitglieder, die dann abstimmen werden, sich ja informieren können. Die
Bekanntheit wird sich im Verlauf der
Bewerbung steigern, und dann kommen die Vorzüge Hamburgs schnell
zum Tragen.
JÜRGEN JOOST
2
ANDREAS LAIBLE
Herr Aust, die deutlich größere
Stadt, die Hauptstadt Deutschlands, verliert in einer wichtigen
Entscheidung gegen Hamburg, das
jetzt für die Ausrichtung Olympischer Spiele kandidieren kann. Was
ist da passiert?
Es ist ein Sieg der Optimisten über
die ewigen Zweifler und Nörgler.
Letzteres gilt natürlich nicht für alle
Berliner, aber der Grundton dieser
Stadt hat häufig diese negative Note.
Fragt man einen Berliner nach dem
Weg, bekommt man schon mal zur
Antwort: Kaufen Sie sich doch einen
Stadtplan! Dieses Image rächt sich
jetzt, die Sportfunktionäre des Deutschen Olympischen Sportbunds hatten mit gutem Grund befürchtet,
dass eine Kandidatur bei einem Referendum in Berlin durchfallen würde.
In Hamburg wird das mit Sicherheit
nicht passieren.
„Wir sind ab
heute alle
Hamburger“
Prozent der Bostoner sind dafür,
dass Olympische Sommerspiele
im Jahr 2024 in ihrer Stadt an der
US-Ostküste stattfinden. Noch
im vergangenen Herbst lag die
Zahl – ähnlich wie damals in
Hamburg – bei 51 Prozent. Doch
während die Zahl der Befürworter
in Hamburg auf 65 Prozent
wuchs, sank sie in Boston ab. Der
Grund: Der Winter mit RekordSchneehöhen von 2,75 Meter hat
den Olympia-Gegnern Auftrieb
und ein gewichtiges Argument
geliefert. Denn das U- und SBahn-System, das bei der Bostoner Bewerbung eine zentrale
Rolle spielt, war derart beeinträchtigt, dass es tagelang zusammenbrach. Und dadurch
wurde offenbar eine Menge Vertrauen in die Leistungsfähigkeit
der Stadt verspielt.
Thomas de Maiziere, Innenminister,
nach der Olympia-Entscheidung
UNGESAGT
„Das hätte Kennedy
auch nicht
schöner formuliert“
„Wer keine Aktien hat, war doof“
einigen Jahren entschieden, in den Eigenanlagen der Haspa unser Aktienportfolio deutlich zu vergrößern. 2009 sind
wir bei niedrigen Kursen wieder stärker
in den Aktienmarkt eingestiegen. Das
war eine goldrichtige Entscheidung.
Denn das, was wir unseren Kunden empfehlen, nämlich in Aktien zu investieren,
praktizieren wir selbst auch schon seit
Jahren. Nach der üblichen Logik gelten
Staatsanleihen zwar als weniger riskant
als Aktien, weil sie privilegiert sind und
anders als Aktien nicht mit Eigenkapital
abgesichert werden müssen. Wir sehen
Aktien aber nicht als riskantere Anlage,
eher im Gegenteil.
Und auch den Staat wollen Sie stärker mit ins Boot holen, jedenfalls soll
er sich bei dem von Ihnen kürzlich
vorgestellten „Bildungssparen“ finanziell engagieren.
VOGELSANG: Stimmt. Wir wollen so
die Sparmentalität in der Bevölkerung
weiter fördern, trotz der niedrigen Zinsen. Das Modell, das wir gemeinsam mit
Karl-Werner Hansmann, Professor für
Wirtschaftswissenschaften an der Universität Hamburg, entwickelt haben, verknüpft diese Förderung mit dem Thema
Investitionen in Bildung. In diesem Feld
hat Deutschland im internationalen Vergleich Nachholbedarf. Der Staat spart
derzeit durch die Niedrigzinsen sehr viel
Geld ein. Das Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung geht allein für 2013 von
60 bis 70 Milliarden aus. Unser Ansatz
sieht vor, dass der Staat einen kleinen
Teil davon als Sparprämie einsetzt, maximal drei Milliarden pro Jahr.
Wie funktioniert das Modell praktisch?
VOGELSANG: Eltern, aber auch Paten
oder Großeltern, können monatlich bis
zu 100 Euro anlegen. Zu diesen maximal
1200 Euro im Jahr gibt der Staat dann 20
Prozent als Sparprämie, also pro Kind
bis zu 240 Euro. Wir schlagen vor, das
Modell über Bausparkassen laufen zu
lassen, weil dort die Expertise und die
Software schon vorhanden sind. Wenn
ein Kind dann seine Ausbildung oder
sein Studium beginnt, wird das Geld in
mehreren Tranchen ausgezahlt, nicht
der ganze Betrag auf einmal.
Sehr pädagogisch wertvoll.
VOGELSANG: Sonst kommen manche
vielleicht auf falsche Gedanken. Aber
Spaß beiseite – die Strukturen sind vorhanden, man müsste nur das Bausparkassengesetz ändern. Wenn man annimmt, dass von den 16 Millionen Kin-
viele Eltern ab, spätestens beim zweiten
oder dritten Kind. Da soll unser Konzept
Bildungssparen ansetzen.
dergeldberechtigten 80 Prozent teilnehmen und den Maximalbetrag 100 Euro
pro Monat einsetzen, kommt man auf einen Sparbetrag von rund 15 Milliarden
Euro. Packt der Staat dann 20 Prozent
drauf, sind wir bei gut 18 Milliarden Euro
mehr für Bildung.
Wie waren die Reaktionen aus der
Politik?
VOGELSANG: Wir wurden zumindest
nicht abgebürstet. Es heißt, man wolle
darüber nachdenken. Ich habe bisher zu
keinem Vorschlag so viele positive Zuschriften, Mails und Anrufe bekommen.
Wir werden das Thema ganz sicher weiterverfolgen.
Herr Raffelhüschen, wenn Sie das so
hören – leuchtet Ihnen das Konzept
ein?
RAFFELHÜSCHEN: Bisher werden Eltern, die die Bildung ihrer Kinder finanzieren, steuerlich nicht berücksichtigt.
Das ist eine Sauerei. Ich würde allerdings statt des Bildungssparens eher eine steuerliche Berücksichtigung bevorzugen. Denn beim Bildungssparen sind
die Ausgaben der Eltern für die Bildung
ihrer Kinder ja auch nicht abzugsfähig.
Klar ist: Die Bildungsausgaben pro Kopf
müssen natürlich wachsen. Das Modell
von Herrn Vogelsang ist aber völlig in
BERTOLD FABRICIUS
Fortsetzung von Seite Hamburg 1
Professor Bernd Raffelhüschen bei seinem Vortrag während der HASPAX-Gala
Ordnung, ich würde allerdings die Kosten des Staates dafür leicht nach unten
korrigieren.
Wieso das?
RAFFELHÜSCHEN: Wir haben gar
nicht mehr so viele Kinder, die wir ausbilden können. Wir müssen eher Schulen schließen, als dass wir neue eröffnen.
Im Moment haben wir zwar Rekordwerte bei den Studenten, aber schon in der
nächsten Generation werden deutlich
weniger Abiturienten kommen. Diese
demografischen Effekte werden in der
Bevölkerung immer noch oft verdrängt.
VOGELSANG: Zur Präzisierung: Wir
wollen mit unserem Modell nicht die
staatlichen Investitionen in Bildung ersetzen und auch kein bezahltes Schulund Universitätssystem einführen. Jedes
Kind muss einen freien Zugang zu Bildung haben. Aber wer Kinder hat, die
studieren oder eine Ausbildung machen,
weiß, dass das Bafög alleine oft nicht
reicht. Die Kosten für eine Wohnung, ein
teures Auslandssemester – das schreckt
Im nächsten Jahr feiert der HASPAX,
der Hamburger Aktienindex, 20. Geburtstag. Die Welt ist heute vernetzt
und hoch technisiert, an vielen Börsen erledigen längst automatisch arbeitende Computer die Hauptarbeit.
Warum hat ein regional begrenzter
Index wie der HASPAX in so einer
globalisierten Welt noch Sinn?
VOGELSANG: Zum einen ist der HASPAX ein guter Indikator für die Leistungsfähigkeit der Metropolregion Hamburg. Man sieht daran, wie sich die Region entwickelt, wie sie tickt. Zum anderen fördert er die Aktienkultur. Menschen kaufen sich leichter eine
Aktie, wenn sie sich etwas darunter vorstellen können. Vielleicht arbeitet ein
Nachbar bei der Firma, die im HASPAX
notiert ist, oder man schätzt die Produkte des Unternehmens. Dadurch habe ich
als Aktionär eine ganz andere Verbindung. Diese Nähe herstellen – das kann
ein regionaler Index viel besser als zum
Beispiel der anonymere DAX. Der wichtigste Grund kommt zum Schluss: Seit
dieser Woche ist der HASPAX ja auch
der inoffizielle Olympia-Index für
Deutschland.