Mojàcar 2015 Freitag, 24. April 2015 Die Reise bis Mojàcar zieht

Mojàcar 2015
Freitag, 24. April 2015
Die Reise bis Mojàcar zieht sich schon etwas in die Länge. Auf den 2.5.-stündingen Flug nach Alicante
folgt eine ebenso lange Busfahrt. Bis wir um Mitternacht ankommen sind auch Dodo und Gabriela
still geworden. Das ist Röfe sehr angenehm. Schliesslich steht das diesjährige Trainingslager im
Zeichen der HARMONIE.
Erst Evi bringt wieder Leben in die Bude, als sie an der Rezeption auf die Dépendance verwiesen wird.
Sie ahnt Diskriminierendes, kann aber schliesslich mit vereinten Kräften besänftigt werden.
Gerüchteweise hört man, die Zimmer in den Nebengebäuden seien sogar schöner als jene im
Haupttrakt. Man muss davon ausgehen, denn am nächsten Tag ist das Thema erledigt.
Das Hotel kommt kulinarisch nicht ganz an Cambrils oder Muro (Malle) heran, hat nur einen kleinen
Planschpool, keinen Wellnessbereich, ist
dafür aber ruhig gelegen und
überschaubar. Kurze Wege zu Restaurant,
Pool, ans Meer und zu den RadAbstellräumen sind nach längeren
Ausfahrten angenehm.
Nur Roger jammert allmorgendlich über
die Müllabfuhr (04.00), die Rockergang,
die sich unter seinem Fenster trifft (02.00)
und einmal über den Zahnarzt oder sonst
wen, der Nachts mit Pressluftbohrern
operiert. Man rät ihm schliesslich zum
Wechsel zu einer weniger anstrengenden
Velogruppe.
Samstag, 25. April 2015
Die Nacht hindurch feierten lokale Sängertrupps lautstark ab. Die meisten von uns kriegten das gar
nicht mit, aber jene die es taten, schieben jetzt den mangelnden Pedaldruck auf die Cantadores
und/oder die Müllabfuhr. Ab 10.00, nachdem alle ihre Mieträder eingeritten und auch Roger seines
wider Erwarten rechtzeitig zusammengebastelt hat (er hat das eigene Rad mitgebracht), geht’s auf
die erste Runde. Der erste Eindruck von der Gegend: Wer schon in Mallorca oder Cambrils im TL war,
vermisst nichts. Im Gegenteil: Die Strassen sind verkehrsärmer als sogar um Cambrils (sicher als auf
Malle…), die Gegend karg aber wild und sehr abwechslungsreich und die Dörfer und Leute dort noch
richtig urig. Ab und zu sind ein paar hundert Meter nicht asphaltierter Strasse zu durchrumpeln, aber
das stört die wenigsten. Für April sieht man noch unüblich viel Grün und die Temperaturen sind
ideal. Aermlinge und Windstopper bleiben zuhause. Dafür lesen wir unterwegs zwei nette Basler
(Aline und Lionel) auf, als solche für Eingeweihte wie Philippe (selber ein Bebbi) erkennbar am
Goldwurst-Dress. Vorsichtig machen wir sie darauf aufmerksam, dass sie in der Gruppe 6 (beim
Ochsner-Express) gelandet sind. Doch die beiden ignorieren die subtile Warnung; noch ahnen wir
nicht, mit wem wir es zu tun haben ….
So wäre der erste Tag eigentlich ganz HARMONISCH verlaufen, wäre da nicht die dumme Sache mit
der Polizei gewesen: Paul wäre bei seinem U-Turn über die ausgezogene Sicherheitslinie beinahe von
zwei Motorradfahrern über den Haufen gefahren worden. Er hat einerseits riesiges Glück, dass sie
noch knapp ausweichen können, andererseits ist es schon etwas unglücklich, dass er sich für seinen
Stunt ausgerechnet die guardia civíl ausgesucht hat. Die fackelt nicht lange und knöpft ihm auf der
Stelle 100 Euro ab (eigentlich sind es 200, aber er kriegt den Sofortzahlrabatt, so richtig freuen will er
sich aber nicht, über sein Schnäppchen).
Damit nicht genug erteilt ihm Röfe
beim Abendessen noch eine
Standpauke. Paul versucht, sich
herauszureden: Natürlich hätte er
noch geschaut, aber da sei nichts zu
sehen gewesen, die seien einfach
plötzlich dagewesen. Der HARMONIE
wegen einigt man sich daher auf die
Version, wonach er unschuldiges
Opfer von kaum wahrnehmbaren
winzig kleinen geldgierigen
Polizistchen auf Pocket Bikes wurde,
die unmittelbar zuvor mit dem
Raumschiff gelandet waren um ihn
hinterrücks abzuzocken.
Sonntag, 26. April
Nach einer Nachhollektion in Verkehrskunde geht’s am Sonntag auf diverse ungeführte Touren.
Roger, ein Anhänger der High-Tech-GPS-Failing-to-Plan-is-Planning-to-Fail-Fraktion hat 79 km auf
seine Uhr geladen und findet auch diverse gutgläubige Anhänger, die allerdings schon nach 500m zu
zweifeln beginnen, als erkennbar wird, dass die
„ruhige Nebenstrasse“ langsam zum Kartoffelacker
verkommt. Der Vorgang wiederholt sich noch
einmal zum Schluss hin, bis der Schleichweg
durchs Hinterland in einem Sumpf endet. Auf
dieser 5km-Extraschlaufe erleidet Marc auch noch
eine Reifenpanne. Das bringt natürlich Röfe wieder
in Wallung, der durch derlei Schabernack die
HARMNONIE in der Gruppe bedroht sieht. Die
Extrakilometer und Röfes schwarze Finger kosten
Roger eine Runde. Er beginnt, mit Philippe über
dessen Garmin Navi zu verhandeln…
Montag, 27. April
Noch immer scheint die Sonne, die Temperaturen sind ideal. Allerdings pfeift uns auf den ersten
30km der Tour ein kräftiger Wind entgegen. Die Angriffslust im Feld sinkt. Sogar bei Röfe. Die Kräfte
schwinden. Dabei kommen die Steigungen erst noch. Das sonst muntere Geplauder verstummt schon
kurz nach der Abfahrt vom Hotel. Jeder ist mit sich selber beschäftigt. Die Pulsuhr mahnt zur
Mässigung doch vorne tritt Philipp gnadenlos in die Pedale und hinter mir lauert Röfe. Wenn ich jetzt
Schwäche zeige, höre ich das die ganze Woche, also fahre ich fort mit meinem Werk der
Selbstzerstörung und hoffe auf die nahen Berge.
Für einmal bringen die Steigungen Entspannung. Jetzt haben wir zum Teil Schiebewind und die Moral
kehrt wieder zurück. Es reicht sogar für ein paar hinterlistige Attacken auf Röfe, der sich lautstark
über den mangelnden Respekt der
unteren Hierarchiestufen beklagt.
Die Stimmung ist wieder gut.
Dass der Wind auf dem Rückweg
gedreht hat und nun immer noch
von vorne weht findet dann aber
keiner mehr lustig. Das kühlende
Bier spendet zwar Entspannung,
hilft aber nicht sonderlich bei
Jitkas Pilates-Session, an welcher
Roger in der Folge nicht nur als
einziger Mann auffällt: Die
Gleichgewichtsprobleme werden
augenfällig.
Dienstag, 28. April
Heute ist der Tag der Wahrheit: Keiner weiss, wie er sich eine 30%-Steigung vorstellen soll. Die
Rampen, die ich sonst so kenne, sind 12% steil und ich versuche, sie zu meiden, wenn ich kann.
Philipp freut sich schon, der Sadist. Er lässt keine Gelegenheit aus, uns aus allen möglichen
Blickwinkeln auf die nahende Wand hinzuweisen: „Dort drüben geht’s gleich hoch“ er zeigt auf ein
dunkles Gebirge Richtung Mittagssonne „ Mit 30%“ fügt er noch hinzu und grinst herausfordernd in
die Runde. Alle machen auf cool. Nach der Mittagspause geht’s stetig bergan. Erst mit ca. 12%, dann
immer steiler. Ich habe für mich schon früh beschlossen, die Kraxeltour bis Kilometer 3 mitzumachen
(immerhin das Ziel der B-Fahrer bei den Profis, das müsste reichen) und dann einfach mit den
Gemächlicheren zu warten, bis die ganz Irren wieder vom Gipfel zurückklettern (fallen?). Fühle mich
nach 3 Tagen Radelei schon nicht mehr taufrisch. Die Sonne steht jetzt senkrecht über den
Serpentinen, die sich vor uns aufstapeln. Philipp gibt richtig Gas und ist schon bald 4 Kehren weiter
oben. Unsere Basler Goldwürste folgen mit etwas Abstand, verfolgt von Röfe und Sämi. Ich sehe
noch, wie Aline und Lionel Röfe so richtig vergoldwursten, dann bin ich allein. Bei der 3km-Marke
gibt’s keinen Schatten, also fahre ich ein paar hundert Meter weiter zu einem kleinen Gehöft. Da liegt
ein Hund im Schatten eines Baumes. Zum Glück ist er friedlich, denn zum Flüchten fehlt mir der
Atem. Nun kommen schon die ersten von Gruppe 5. Andreas sieht ziemlich fertig aus und ich freu
mich schon auf seine Gesellschaft. Doch statt anzuhalten keucht er mir etwas Unverständliches zu
(„Scheisse“, wie er selber später zu Protokoll geben wird) und schleppt sich schwankend um die
nächste Kurve. Da kommen schon die nächsten, dann wieder eine kleine Gruppe. Ich ziehe die
Kamera und mime einen höheren Auftrag. Das wirkt: Anstelle von blöden Sprüchen sehe ich jetzt
angestrengt grinsende Gesichter. Einige zögern kurz, als sie mich sehen, fahren dann aber doch
weiter. Langsam dämmert mir, dass ich der einzige von den 2 „Kampfgruppen“ bin, der das Handtuch
wirft. Ich bin wieder allein mit dem Hund und langsam wieder bei Atem. Mir wird langweilig. Paul
kommt auch nicht. Ich vermute ihn in einer Einvernahmezelle, deshalb setze ich mich wieder auf’s
Rad. Beim Wegfahren hebt der Hund kurz seinen Kopf und blinzelt mich an (mein innerer
Schweinehund?). Nach einem weiteren Kilometer seh‘ ich sie: Die Tafel mit dem Hinweis „30%“.
Tatsache: Die Strasse erinnert jetzt an eine Abschussrampe. Sie führt direkt in den stahlblauen
Mittagshimmel. Soviel zum Gerücht, in Andalusien gebe es kaum nennenswerte Anstiege.
„Du MUSST da nicht hoch!!“ höre ich meinen inneren Schweinehund säuseln. Nach ca. 50m gebe ich
ihm recht. Wer baut schon ein derart lächerliches Ding und wozu?
Und plötzlich sind sie alle wieder da: Die Goldwürste, Philipp, Andreas, Röfe und Sämi und wer sonst
noch ganz oben war. Mit leuchtenden Gesichtern und lautem Hallo stürzen sie mir entgegen. Ich
kann mich knapp zur Seite retten und habe Mühe, mich auf den Beinen zu halten. Abbremsen geht
hier nicht. Schon gar nicht für Aline mit ihrem Zeitfahrlenker!!! Dann geht’s das Ganze Kurve für
Kurve wieder hinunter. Von 900m auf
200m in knapp 20 Minuten vorbei am
Gehöft, das jetzt Waterloo Station
heisst und wo der Hund noch immer
unter dem Baum schläft. Er wartet auf
die nächsten Opfer.
Am Abend herrscht Ruhe am Tisch,
alle haben sich so richtig ausgetobt.
Dann aber, so kurz nach acht entsteht
ein Tumult im Saal. Die Frauen sind
zurück und hatten ganz offensichtlich
einen lustigen Abend in Mojácar
Pueblo…
Die HARMONIE ist jetzt fürs erste dahin aber
nachdem die Situation wieder deeskaliert ist,
läuten wir alle gemeinsam den Ruhetag (Mittwoch)
in der nahegelegenen Bar ein. Dort gibt’s als
Spezialität Mojito mit Viagra, aber nachdem
Gabrielas Selbstversuch enttäuschend ausfällt (sie
verschwindet für 10 Minuten auf der Toilette),
bleiben wir bei Sangria.
Mittwoch, 29. April
Ruhetag.
Wirklich? Einzelne sehen das nicht so eng…
Donnerstag, 30. April
Königsetappe: Das Angebot reicht je nach Gruppe bis hin zu 2700 hm und 155 km.
All in: Alle geben noch einmal richtig Gas. Die Etappe bietet auch landschaftlich einige Höhepunkte,
die Strasse ist über weite Strecken menschenleer. Der Aufstieg nach Albanchez ist neu geteert und
die Steigungen für einmal machbar, wenn auch ziemlich lang. Wir freuen uns über die epischen
Abfahrten!
Abgesehen von einem folgenlosen Ausrutscher im Kreisel (es erwischt interessanterweise Christian,
der zuvor noch die Fahrweise in der Gruppe kritisiert hat) verläuft auch dieser Tag zum Glück ohne
Zwischenfälle, auch die Polizei muss nicht eingreifen.
Am Abend verabschieden wir Gabriela und Dodo: Sie fliegen am Freitag schon nachhause. Allerdings
erst am Abend. So können sie die Freitagstour noch mitfahren.
Freitag, 1. Mai
Alle Gruppen fahren mehr oder weniger die gleiche 80km-Strecke der Küste entlang nach Norden
über Villaricos und Pulpí – San Juan de Terreros zur Abschieds-Paella im Strandrestaurant kurz vor
Mojàcar.
Am Abend findet man sich zum traditionellen
Eitzinger-Wochenrückblick in der Bar ein.
Besonders freuen wir uns, dass auch unser
Goldwurst-Power-Pack anwesend ist. Aline und
Lionel sind die 5km von ihrem Hotel zu uns zwar
ohne Helm und Licht geradelt. Mangels
besonderer Stunt-Einlagen greift die Polizei
diesmal aber nicht ein.
Dass sie ein Auto gemietet haben, ist ihnen
(Gold)wurst. Unter 500km wird Fahrrad gefahren.
Samstag, 2. Mai
Wir machen uns auf die letzte Tour: Vielleicht die landschaftlich schönste. Wir fahren nach Süden
über Carboneras bis zum Aussichtspunkt bei der
Playa de los Muertos und weiter über Polopos nach
Luceinana. Dort will uns der Wirt erschiessen, weil
wir kein Kleingeld dabeihaben.
Die Heimfahrt über Sorbas, Los Perez und Los
Gallardos gerät dank Rückenwind zum Tiefflug! Ich
fahre wieder mit der bösen Gruppe, nur schon um
mitzukriegen, was die Goldwürste mit Röfe so
anstellen. Er hat mittlerweile einen Heidenrespekt
vor ihnen und fürchtet jeden Moment einen
Fluchtversuch. Mich beachtet er schon gar nicht
mehr. Als es dann soweit ist, kommt der Antritt so vehement, dass er nur noch halbherzig mitgeht.
Röfes Attacken sind jetzt seltener und auch fast etwas verzweifelt geworden. Den letzten Kreisel will
er links nehmen, um das Feld zu überrumpeln, lässt sich dann aber doch noch davon abhalten…
Es ist jetzt so richtig heiss geworden, und nach Ankunft in der Strandbar rennen wir direkt ins
kühlende Meer, danach zurück zum Bier.
Zur Abschiedsparty schaffen wir es grade mal in die Hotelbar. Die Woche hat doch bei allen Spuren
hinterlassen.
Um Mitternacht wollen wir ins Bett. Da stellt sich heraus, dass Evi Geburtstag feiert. Also folgen
weiter Runden.
In den frühen Morgenstunden gesellt sich auch der VC Richterswil zu uns…
Das Leben ist schön!
Sonntag, 3. Mai 2015
Das Ende naht. Nach einem letzten Bad in Meer und Pool steigen alle wieder in den Bus.
Ein paar Stunden später dämmert uns spätestens beim Anblick der Feuerwehr, die gerade Keller
auspumpt, dass wir wieder zuhause sind und dass es eine gute Idee war, nach Mojàcar zu fliegen.
Nur schon der HARMONIE wegen!