Seite 1 von 3 Wie die Wirkungsgrad-Nachrechnung für geometrisch ähnliche Axialverdichterbeschaufelungen geeicht wird Abb.1: Strömungsspuren auf den Saugseiten einer Axialverdichterbeschaufelung zeigen die Einfüsse von Seitenwandgrenzschicht (1), Lekkagewirbeln in Folge Schaufelspiels (2) und Sekundärströmungswirbeln (3); Strömungrichtung von links nach rechts. 1 Einleitung Stationäre Betriebszustände von mehrstufigen Axialverdichtern werden in der industriellen Anwendung im einfachen Falle mit Hilfe von gemessenen Stufencharakteristiken auf der Grundlage der Parameter Arbeitszahl, Schuckzahl und Wirkungsgrad (η) nachgerechnet. Der Einfluss mehrstufiger Arbeitsbedingungen wird durch Hintereinanderschalten gleicher Stufen erfasst und als Kennfeld für eine Stufe zurückgerechnet [Pfenninger 1970]. Derart ermittelte Stufencharakteristiken werden anschließend bei der Nachrechnung von Betriebszuständen in Maschinen dieses Schaufeltyps verwendet [Goede & Casey 1988]. In Maschinen mit reihenweise verschiedenartigen Schaufeln stößt die messtechnische Ermittlung von Stufencharakteristiken auf Schwierigkeiten. Diese Auslegungsart, die geringere Stufenzahlen für höhere Druckverhältnisse erlaubt, wird normalerweise mit Rechenprogrammen für die umfangsgemittelten Euler- Strömungsgleichungen im vielstufigen Meridianschnitt nachgerechnet. Neben der Methode der finiten Elemente [Hirsch 1976] werden dafür zum Teil auch finite Differenzenverfahren (Matrix-Verfahren) für die Lösung der Stromfunktion in die partielle Differentialgleichung eingesetzt. In der industriellen Anwendung hat sich die Methode der Koordinatentransformation in Stromlinienrichtung, das sogenannte Stromlinienkrümmungsverfahren, am weitesten durchgesetzt [Marsh 1971]. Für die Strömungseinflüsse von Verlust und Minderumlenkung werden überwiegend halb-empirische Modellansätze in die Rechenprogramme eingearbeitet. Mit zunehmend verfeinerter Betrachtung sind auch Modellansätze für Seitenwandgrenzschicht, Schaufelspiel und Sekundärströmung entstanden, doch ist deren Erfolg in vielstufigen Maschinen unsicher geblieben [Hawthorne 1964, Benra & Grahl 1985, Wisler u.a.1987]. 2 Vorgehen bei Korrekturverfahren Die energetische Nachrechnung des thermodynamischen Prozesses einer Gasturbinenanlage verlangt nicht nur den Verdichterzustand als Komponente aerodynamisch zu erfassen, sondern erfordert auch die Kenntnis verzweigender Teil-Luftströme innerhalb des Verdichters zu berücksichtigen. Aus diesem Grund stellt sich die Aufgabe, ohne Kenntnis von Stufencharakteristiken das aerodynamische Verhalten innerhalb des Gasturbinenprozesses reihenweise nachzurechnen. Kennfeldunterlagen einer 9-stufigen Modellbeschaufelung stehen im vorliegenden Fall zur Verfügung, geometrisch ähnliche Großausführungen [Endres 1981, Farkas 1986, Mariott 1987] sind durch Hinzufügen von nachgeschalteten Wiederholungsstufen daraus abgeleitet worden. Als Werkzeug für die Nachrechnung bietet sich zu diesem Zweck ein Verfahren für eindimensionale verzweigte Strömungen an, das auf Messergebnisse zu eichen ist. Die überwiegende Zahl von Rechenverfahren berechnet die Euler-Strömungsgleichungen und verwendet Korrekturen in Form von TotaldruckVerlustkoeffizienten ( ϖ ) und Winkelabweichung (Minderumlenkung δ) am Schaufelprofil. Ein ausführlicher Überblick derartiger Modelle findet sich bei Cetin u.a. [1987]. Bisweilen liefern Rechenmodelle zwar den physikalisch richtigen Verlauf von Verlust und Minderumlenkung, jedoch ergäben sich aus der Verwendung des errechneten Betrags Ergebnisse, die mit der Erfahrung aus der Wirklichkeit nicht mehr im Einklang sind. Um das zu verhindern, richten sich die verwendeten Korrekturen für die zu beschreibende Beschaufelung, Abb.1 [Farkas 1986], nach weiteren gemessenen Ergebnissen ähnlicher Auslegungen [Bilwakesh u.a. 1971, Messenger & Keenan 1974, Weyer 1979]. Veröffentlicht in: "In-Touch-Magazin" Ausgabe 2007, S.12 -14, Zeitschrift des Absolventenvereins der Fakultät für Maschinenbau an der Ruhr-Universität Bochum; www.rub.de/in-touch. Seite 2 von 3 Abb.2: Abhängigkeit der Minderumlenkung δ zwischen Abströmrichtung und Profilskelettlinie eines Doppelkreisbogenprofils vom Inzidenzwinkel i . Abb.3: Totaldruck-Verlustkoeffizient ϖ eines Doppelkreisbogenprofils in Abhängigkeit vom Inzidenzwinkel i . Die Rechenergebnisse werden mit einem zweidimensionalen Stromlinienkrümmungsverfahren [z.B. Novak 1966, Hearsey 1975] auf die Messergebnisse eingestellt. Mit Hilfe einer konsistenten Mittelung [Kreitmeier & Lücking 2003] werden die zweidimensionalen Verteilungen über der Schaufelhöhe in gleichwertige eindimensionale Integralwerte überführt. Im eindimensionalen Rechenverfahren für verzweigte Strömungen der Gasturbinenanlage [v.Rappard & Dokkum 1983] entstehen dann eindimensionale Ergebnisse, die mit denen aus der zweidimensionalen Rechnung im Integral über der Kanalhöhe und Umfangsrichtung gleichwertig sind. Abb.4: Schematische Darstellung der Messergebnisse aus dem Arbeitsbereich der dimensionslosen Drehzahl n* des ModellverdichterKennfeldes für das Druckverhältnis π* über dem & * und dem dimensionslosen Massenstrom m polytropen Wirkungsgrad η . Abb.5: Schematische Darstellung der charakteristischen Korrekturen für Minderumlenkung ∆δ und Totaldruck-Verlustkoeffizient ∆ ϖ über dem Totaldruckverhältnis π* und der dimensionslosen Drehzahl n* zur Eichung des Rechenergebnisses nach Wirkungsgradmessungen. 3 Aufstellen der Korrekturfunktionen Wie zuvor erwähnt, werden auch im vorliegenden Fall die Ergebnisse der EulerStrömungsgleichungen mit den Größen Minderumlenkung δ in der Profilabströmung und Totaldruck-Verlustkoeffizient ϖ nach jeder Schaufelreihe auf die wirklichen Strömungsverhältnisse angepasst. In den Abbildungen 2 und 3 sind typische Verläufe am Beispiel eines Doppelkreisbogen-Profilgitters gezeigt [Johnsen & Bullock 1965]. Zusätzliche Einflüsse wie Sekundärströmung und Seitenwandgrenzschicht in der Maschine werden zum reinen Profilverlust hinzugezählt [Abb.11 in Farkas 1986]. Die daraus hervorgehende Wirkungsgradberechnung stimmt dann in der Praxis noch nicht genau mit Messergebnissen überein. Die zweite Anpassung der Rechnung an die Messung geschieht durch Addition von Korrekturwerten ∆δ und ∆ ϖ einheitlich in allen Rechenfeldstationen j : (2) (1) Eichwert δj = Rechenmodell δj + ∆δ, (2) (1) Eichwert ϖ j = Rechenmodell ϖ j + ∆ ϖ . Im Rahmen einer Nachrechnung der Folge von Betriebszuständen über dem Arbeitsbereich (Abb.4) entsteht somit jeweils ein Feld von Korrekturwerten für ∆δ und ∆ ϖ , die für diese Beschaufelungsgeometrie charakteristisch sind (Abb.5). Mit einem Unterprogrammfür Interpolationsfunktionen (AKIMA [Ralston & Wilf 191969]) stehen die jeweils erforderlichen Punkte in den Veröffentlicht in: "In-Touch-Magazin" Ausgabe 2007, S.12 -14, Zeitschrift des Absolventenvereins der Fakultät für Maschinenbau an der Ruhr-Universität Bochum; www.rub.de/in-touch. Seite 3 von 3 verspeicherten Korrekturfeldern ∆δ und ∆ ϖ für weitere Nachrechnungen zur Verfügung. Abb.6: Messung des statischen Drucks pstat in den unfangssymmetrischen Entnahmeschlitzen als Anhaltspunkt für den gerechneten Verlauf der Kanalgrenzschicht-Verdrängungsdicke δ* (Blockage) durch die Stufen hindurch. 4 Anpassung an die Baugröße Für die genaue Abstimmung des Energiehaushalts in einer Anlagenberechnung sind nun die ausführlichen und geeichten Nachrechnungen auf der Modellgröße verwendbar. Eine Einzelmessung an der Großmaschine liefert den Größeneinfluss auf den Wirkungsgrad bei geänderter Reynoldszahl und Schaufelspielen. Damit ist ein Stützpunkt gegeben, auf den die aus dem Modell bekannten charakteristischen Korrekturfelder im absoluten Betrag angehoben werden. 5 Schlussfolgerungen Wirkungsgrade von Axialverdichterströmungen werden zur Zeit am häufigsten mit algebraischen Ansätzen für den Totaldruck-Verlustkoeffizienten vorausbestimmt. Eine zusätzliche Eichung mit der beschriebenen Korrekturmethode bereitet einen beträchtlichen Aufwand, bis die Korrekturfunktionen für den ganzen Arbeitsbereich aufgestellt sind. Wird außerdem der GrenzschichtVerdrängungseinfluss über den Versperrungsfaktor in der Kontinuitätsgleichung angepasst, sodass der gerechnete statische Druckanstieg durch die Stufen mit dem gemessenen Unfangsmittelwert übereinstimmt (Abb.6), dann ist die Verwendung von TotaldruckVerlustkoeffizient von Nachteil. Eine Korrektur der Versperrung beeinflusst über die Geschwindigkeitsänderung die Eichung auf die Wirkungsgradmessung, da ω eine Funktion der Geschwindigkeit c ist. In diesem Fall ist es vorteilhafter, die Abstimmung über eine direkte Druckverlustvorgabe oder den Entropieanstieg vorzunehmen, da hierbei die Änderung von Verlust und Versperrung entkoppelt sind. 6 Danksagung Die Verfasser danken der ABB Kraftwerke A.G. für die Genehmigung zur Veröffentlichung. 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