■ Sekundarstufe I Malta Keine Ferieninsel wie jede andere Gerd Bauriegel M alta besteht im Wesentlichen aus drei felsigen Inseln (Malta, Gozo und Comino), die über keinerlei dauerhaften Oberflächenabfluss verfügen und deren einziges Wäldchen, Buskett Garden, in einem Park liegt, der 1570 von den Großmeistern des Malteserordens als Jagdrevier angelegt worden war. Der Archipel ist so dicht besiedelt wie eine Über eine Million Touristen pro Jahr bei einer Bevölkerung von nur 373 000 – das weist auf eine starke Bedeutung des Tourismus auf Malta hin. Doch was lockt die Besucher auf diese karge, trockene, dicht besiedelte Insel? Neben dem angenehmen Mittelmeerklima sind es vor allem das saubere Wasser im Küstenbereich, die kulturgeschichtlichen Denkmäler sowie die Englischsprachigkeit. deutsche Großstadt: Bei einer Fläche von 315,6 km2, einer Bevölkerung von 373 000 und einer sich daraus ergebenden Bevölkerungsdichte von 1 180 E/km2 weist er Werte auf, die mit denen der Stadt Bielefeld vergleichbar sind. Obwohl Malta auf den ersten Blick wenig einladend wirkt, besuchten allein im Jahr 1996 mehr als eine Million Touristen das Land (vgl. Material 4). Dieser Widerspruch soll im Folgenden genauer untersucht werden. nen hohen Temperaturen Gozo stellen so auch Rabat die wich(Victoria) tigsten Gründe für den Urlaub auf Malta dar (vgl. Material 3). Eine nicht zu unterMalta schätzende Rolle spielt auch das im Küstenbereich noch weitgehend saubere Mittelmeer. Alle übrigen naturgeographischen Rahmenbedingungen müssen dagegen im Vergleich zu den anderen Mittelmeeranrainern als eher ungünstig eingestuft werden. So verfügt der fast ausschließlich aus Kalkgestein bestehende Archipel nur über wenige kurze Sandstrände. In den Klüften des Gesteins versickern außerdem die während der Hauptreisezeit im Sommer an sich schon geringen Niederschläge, weshalb Malta nur über zeitweise fließende Bäche, die so genannten Wieds, verfügt. Auch die sonst im Zusammenhang mit Kalken auftretenden und touristisch häufig nutzbaren Karsterscheinungen (z. B. Tropfsteinhöhlen) kommen auf Malta kaum vor. Erwähnung verdient hier jedoch die so genannte Blaue Grotte im Süden der Hauptinsel. Der Kulturraum Das touristische Potential Der Naturraum Mit Entfernungen von jeweils ca. 1 800 km nach Gibraltar im Westen sowie dem Libanon im Osten liegt Malta ziemlich genau im Zentrum des Mittelmeeres. Durch seine Lage in den winterfeuchten Subtropen hat das Land Anteil am zyklischen Wechsel von feuchtwarmen Wintern und trockenen Sommern. Geringe Sommerniederschläge, eine lange Sonnenscheindauer und die damit verbunde18 geographie heute 167/1999 Von besonderer kunstgeschichtlicher Bedeutung sind vor allem Denkmäler aus zwei Epochen. Zum einen die Reste der zwischen 4100 und 2500 v. Chr. errichteten Megalithtempel, Zeugnis für die wahrscheinlich älteste freistehende Großsteinarchitektur der Welt. Heute sind noch insgesamt 43 dieser aus Kalkstein errichteten Kultanlagen erhalten, allerdings nur sechs davon in einem sehenswerten Zustand. Zum anderen finden sich vor allem in der Hauptstadt Valletta und in Vitoriosa (Gozo) zahlreiche Gebäude aus der Zeit des Johanniteror- dens (später „Malteserorden“ aus Verbundenheit zu Malta), der die Insel seit 1565 zu einem wichtigen Bollwerk gegen die türkischen Expansionsbestrebungen im Mittelmeer formte. Die Hauptstadt gilt Comino seitdem als ein Musterbeispiel des Valletta Rabat (Mdina) frühneuzeitlichen Festungsbaus. Berühmt ist Malta auch für seine vielen Kirchen. Die historischen Bauwerke stellen zwei der Hauptziele für den internationalen Tourismus dar. Ein weiteres Argument der Tourismusmanager stellt die seit der Zugehörigkeit zum Britischen Weltreich weit verbreitete Verwendung der englischen Sprache dar. Daneben verstehen viele Einwohner auch Italienisch, weil wegen der geographischen Nähe zu Italien dessen Fernsehprogramme zu empfangen sind. Herkunft und Verbleib der Touristen Unter allen Nationalitäten auf den Inseln stellen die Briten die größte Gruppe unter den Touristen, gefolgt von Deutschen, Italienern und Franzosen (vgl. Material 4). Während bei den Erstgenannten neben dem milden Klima vor allem die bereits angesprochene Zugehörigkeit zum ehemaligen Britischen Weltreich das wichtigste Motiv für ihren zum thema Zukunftsaussichten des Fremdenverkehrs auf Malta Betrachtet man die Gesamtentwicklung der Touristenzahlen, so fällt bis 1994 eine kontinuierliche Steigerung auf, die vor allem durch die Zunahme bei den bis dahin nicht so stark vertretenen Nationalitäten erreicht wird (vgl. Material 4). Der seitdem eingetretene Rückgang der Übernachtungszahlen insbesondere bei britischen Gästen hat mehrere Gründe. Vor allem lässt er sich auf die seit mehreren Jahren andauernde Verminderung der Einkommen in Großbritannien sowie die Anstrengungen zur Förderung eines hochwertigen, damit aber gleichzeitig teureren Tourismus zurückführen, der eher die deutschen als die britischen Besucher anspricht. Dadurch konnte die Zahl der deutschen sowie der italienischen Gäste in den letzten Jahren erhöht werden. Allerdings ist ungewiss, ob dieser Trend in Zukunft anhalten wird, weil die Entwicklungschancen begrenzt sind und die Ansprüche an den Freizeitwert des Urlaubsortes laufend steigen. Ein weitgehend fehlgeschlagener Versuch bestand z. B. darin, die schwache Aus- DAS THEMA IM UNTERRICHT ▼ Aufenthalt darstellen dürfte, lässt sich die Vorliebe der deutschen Besucher in erster Linie auf die allgemeine Bevorzugung des klimatisch begünstigten Mittelmeerraumes als Urlaubsziel zurückführen. Bei den italienischen Gästen spielt die räumliche Nähe, verbunden mit den Verständigungsmöglichkeiten, eine wichtige Rolle. Auffällig ist die starke Konzentration der Beherbergungsbetriebe in den am dichtesten besiedelten Gebieten im Norden und Osten der Hauptinsel (vgl. Material 5). Sie ist zunächst einmal auf die Eignung der Nordküste für den Badetourismus zurückzuführen. Neben den naturgeographischen Rahmenbedingungen sprachen allerdings auch historische Gründe für den Ausbau touristischer Infrastruktur in diesem Gebiet. So dienten die im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts neu entstandenen Siedlungen (St. Paul’s Bay, Birzebugga, Sliema) bereits zur Zeit ihrer Gründung als Erholungsorte der englischen und maltesischen Oberschicht. Von der für den Badetourismus weitgehend ungeeigneten Steilküste im Süden des Landes brechen in erster Linie Tauchsportler zu ihren Unterwasserausflügen auf. Da der Süden der Insel wirtschaftlich nur wenig genutzt wird, weist dieser Teil der Gewässer nämlich noch weitgehend klares Wasser auf. Der Tourismus im Mittelmeerraum stellt ein wichtiges Thema in den Lehrplänen der meisten Bundesländer dar. Häufig wird er am Beispiel Italiens und Spaniens abgehandelt. Während aber bei diesen Ländern im Allgemeinen die Probleme des Massentourismus (Bau großer Hotels, die das gewachsene Landschaftsbild verschandeln oder die Unterrichtsphase Einstieg Erarbeitung Problematisierung durch den Fremdenverkehr verursachte Umweltbelastung) besondere Beachtung finden, ist Malta für eine unterrichtliche Behandlung deshalb interessant, weil hier die starke Abhängigkeit eines kleinen Landes von seinen wenigen natur- und kulturräumlichen Möglichkeiten deutlicher wird als bei vielen anderen Mittelmeeranrainern. Lerninhalt Fixierung des Stundenziels: Tourismus auf Malta Erarbeitung I: Der Fremdenverkehr auf Malta: Seine natur- und kulturräumlichen Rahmenbedingungen Erarbeitung II: Zahl, Herkunft und räumliche Verteilung der Touristen; Wirtschaftliche Bedeutung des Fremdenverkehrs Chancen und Probleme Maltas mit dem Tourismus lastung in der Nebensaison zu erhöhen. Eine Steigerung in dieser Jahreszeit ging nämlich mit einem entsprechenden Rückgang in der Hauptsaison einher. Auch die Anstrengungen, Malta zu einem Finanz- und Konferenzzentrum für Geschäftsleute im Mittelmeer zu machen (vgl. Material 2), wird der bereits etablierten Konkurrenz in diesem Raum nur wenige Kunden abnehmen. Nicht ohne Einfluss dürfte auch die seit den siebziger Jahren unklare politische Ausrichtung des Landes geblieben sein. Der langen Zugehörigkeit zum Britischen Weltreich folgten kürzere politische Flirts mit der Sowjetunion und Libyen. Ein Aufnahmeantrag in die EU wurde erst gestellt, vor zwei Jahren wieder suspendiert und soll nach den letzten Parlamentswahlen vom September 1998 nun erneut in Brüssel eingebracht werden. Ein Blick auf den Beitrag des Fremdenverkehrs zu den Einnahmen des Landes macht deutlich, warum die maltesische Regierung trotz des beschriebenen Gefährdungspotentials weiterhin auf den Ausbau des Tourismus setzt. Zwar erscheint die absolute Zahl der Besucher auf Malta im Vergleich zu den anderen Mittelmeerländern vernachlässigbar (vgl. Material 6). Auch müssen den Einnahmen noch die tourismusbezogenen Ausgaben gegenübergestellt werden (z. B. für den Bau von Infrastruktureinrichtungen wie Straßen, Kläranlagen, …). Da aber die Entwicklungsmöglichkeiten der Landwirtschaft begrenzt sind und das Wachstum der übrigen vom Staat geförderten Wirtschaftszweige (Werftin- Material Material 1 und 4 Material 2 und 3 Material 4–7 Material 6 und 8 dustrie, Frei- und Containerhafen) hinter den Erwartungen zurückblieb, trug der Fremdenverkehr in den letzten Jahrzehnten nie weniger als 25 % zum BIP des Landes bei (vgl. Material 7). ❏ Literatur Besenthal, P: Der Tourismus in Malta und seine Auswirkungen. Augsburg 1993. Börsch, D.: Malta – mediterraner Mikrokosmos am Rande der EG. In: Geographie und Schule 87 (1994), S. 17–33. Der Fischer Weltalmanach ‘97. Hrsg. v. Baratta, M., Frankfurt/Main 1996. Der Fischer Weltalmanach ‘98. Hrsg. v. Baratta, M., Frankfurt/Main 1997. Eberhard, L.: Malta – Schnittpunkt vieler Kulturen. In: Zeitschrift für den Erdkundeunterricht 7–8 (1996), S. 290–294. Lockhart, D. G.: „We promise you a warm welcome“: tourism to Malta since the 1960s. In: GeoJournal 41 (1997), S. 145–152. Michler, G.: Die Trinkwasserversorgung auf Malta und anderen touristisch stark frequentierten Mittelmeerinseln. In: Mitteilungen der Geographischen Gesellschaft München 78 (1993), S. 113–148. Müller, M. J.: Handbuch ausgewählter Klimastationen der Erde. Trier 1987. NTOM (National Tourism Organisation Malta): Tourism Statistics 1994 und 1996, Valletta. NTOM: Malta – Hotel Guide. 1997. Sultana, R. G./Baldacchino, G. (Hrsg.): Maltese Society. A Sociological Inquiry. Msida 1994. Gerd Bauriegel ist Dozent für Didaktik der Geographie an der Universität Passau. geographie heute 167/1999 19
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