40 DTB Keiner ist so schlau wie alle! DTB/Setlog: Arbeitskreis Sourcing Der textile Beschaffungsmarkt kommt nicht zur Ruhe. Nach wie vor bewegen sich die Baumwollpreise auf Höchstniveau. Und auch die gestiegenen Lohn- und Sozialkosten sowie die erhöhte Nachfrage und begrenzten Kapazitäten in Fernost sorgen für Kostensprünge. Dieser Problematik widmete sich bereits zum dritten Mal der Arbeitskreis Sourcing, der am 24. März 2011 unter der Federführung von Anna Nieß, Hans Theo Baumgärtel und Wilfried Bäuning vom DTB und von Setlog in Aschheim bei München veranstaltet wurde. Über 100 Entscheidungsträger aus der Bekleidungsindustrie folgten der Einladung um Antworten auf die Frage zu finden, welche Strategie wohl die richtige sei, um auf die veränderte Beschaffungslage zu reagieren. Nach einführenden Worten von HansTheo Baumgärtel ging es unter der Moderation von Guido Brackelsberg, Setlog, direkt in mediasres. Dhyana van der Pols gab als Vertreterin der Abteilung „Centrefor the Imports of Developing Countries (CBI)“ des niederländischen Entwicklungsministeriums einen Überblick über neue Wege in der Beschaffung. Das CBI kümmert sich um die wirtschaftliche sowie soziale Förderung strukturschwacher Länder wie Bolivien, Bangladesch oder Mazedonien. Insgesamt unterstützt und fördert das CBI 15 Schwellenländer. Dazu hat das CBI ein umfassendes Netzwerk aufgebaut zu dem u.a. die WTO, der holländische Bekleidungsverband MODINT, Ministerien und Verbände sowie der DTB zählen. Van der Pols stellte Programme wie beispielweise das „Export Coaching“ vor, mit denen die Wirtschaftssituation in diesen Ländern, die ihrer Ansicht nach über immense Potenziale verfügen, verbessert werden soll. Eingeführt wurde außerdem das sogenannte virtuelle Showroom Concept, auf dem sich Produzenten und Lieferanten aus Südamerika oder Asien einem Publikum vorstellen. Guido Brackelsberg, Geschäftsführer Setlog GmbH Anna Nieß, Geschäftsführerin DTB Van der Pols stellte dar, dass Vietnam, Bangladesch oder Kambodscha die von China verlagerten Volumen nicht mehr alleine abfangen können und hob hervor, dass Länder wie Bolivien, Peru oder Kolumbien gute Alternativen böten. Umfragen sind über 60 Prozent der Bevölkerung bereit mehr dafür zu zahlen. Trotzdem seien die Unternehmen noch sehr verhalten, höhere Preise durchzusetzen. Dies müsse sich über kurz oder lang ändern. Allen A. Terhaar, Executive Director des US-amerikanischen Cotton Council erklärte die aktuell angespannte Situation, für die eine Mischung aus schlechter Ernte und erhöhter Nachfrage sowie steigenden Lohn- und Energiekosten verantwortlich sei. Zudem stünde die Ware Baumwolle in Konkurrenz zu anderen Agrarprodukten, deren Bedarf ebenfalls steige. Auch Spekulationen von Finanzinvestoren spielten eine Rolle, die aber stark überbewertet würden. Die stetig steigende Population in Ländern wie Indien und China wird bis 2025 alleine dazu führen, dass 20 Millionen Tonnen Baumwolle zusätzlich benötigt würden. In 2011 wird die Baumwollproduktion zwar ansteigen, aber nur zögerlich zu sinkenden Baumwollpreisen führen, erwartet Teerhar. Naturfasern seien die beliebtesten Bekleidungsfasern und laut Jan Hilger, Director Operations der Escada SE, skizzierte unter dem Stichwort „Neue Realität“, wie sich die Märkte und die Gesellschaft wandeln und welche Auswirkungen dies auf das wirtschaftliche Handeln haben sollte. Seiner Ansicht nach ist die Zeit reif für ein Umdenken in der Beschaffung. Vor allem lokale Wirtschaftsregionen stünden im Wettbewerb. Seine Empfehlung lautet daher sich lokal zu vernetzen um gemeinsame Kompetenzen aufzubauen denn „keiner sei so schlau wie alle“. Hilger rief auf, sich am CEE-Cluster (Central Eastern Europe Tailored Womenswear Cluster) zu beteiligen, an dem neben Escada bereits Rene Lange teilnimmt. Im Kern geht es bei dieser Initiative um Kompetenzbündelung, Datenpooling, einheitliche Verarbeitungsstandards oder Fachkräfteausbildung. Hans-Theo Baumgärtel, Vorstandvorsitzender DTB Dhyana van der Pols, Projektmanagerin, Entwicklungsministerium der Niederlande Allen A. Terhaar, Jan Hilger, Executive Director Cotton Council Intl., Washington Director Operations, Escada SE Bertram Rollmann, General Manager Pirin Tex EOOD, Bulgarien forward textile technologies Mai 2011 DTB 41 maßnahmen, Experten- und Personalvermittlungen und die Empfehlung von Produzenten an. Im Rahmen von „Quality Garment Network Days“ würde man außerdem Antworten auf Fragen der Qualitätsverbesserung in allen Produktionsphasen geben. Gute Chancen für die kostengünstige Produktion in Ost- und Südeuropa in den kommenden zehn bis 15 Jahren sieht Bertram Rollmann, General Manager des Bekleidungsherstellers Pirin Tex in Bulgarien, der mit 2.700 Mitarbeitern für namhafte Marken produziert. Osteuropa sei eine gute Alternative, da es hier nach wie vor ein großes Arbeitskräftepotenzial gäbe, die Produktions- und Lohnkosten immer noch relativ niedrig seien und man die Technologie und Produktionskompetenz in Europa erhalte. Dazu kämen die strategisch günstige Lage sowie vorteilhafte Steuerpolitik und Subventionsmaßnahmen. Gerade Länder wie Albanien, Moldawien, Mazedonien oder Serbien böten hohe Kapazitäten. Günter Veit, President der Veit Group Intl., die auf die Herstellung von Maschinen und Anlagen im Bereich der Bügeltechnik und Aufbereitung von Bekleidung spezialisiert ist, skizzierte welche Möglichkeiten und Services die Veit Group offeriert, um Qualität zu verbessern und zu sichern. Dazu biete man im Rahmen des eigenen Netzwerkes Fortbildungs- Günter Veit, President Veit Group Intl. Wilfried Bäuning, Leitung Organisation Bugatti GmbH forward textile technologies Mai 2011 Wilfried Bäuning griff im Anschluss die Ergebnisse des ersten Arbeitskreises in Münster auf. Dort wurden über 60 Einflussfaktoren benannt, die die Beschaffungsstrategie bestimmen können. Bäuning stellte heraus, dass es unabhängig vom Profil des Bekleidungsunternehmen immer darum geht, die Ware in der richtigen Qualität, in der richtigen Menge, zum richtigen Preis in der richtigen Zeit an den richtigen Ort zu bekommen. Um das zu erreichen müsse jedes Unternehmen die Wichtigkeit der Einflussfaktoren individuell einschätzen. Diese Kriterien ließen sich grob in die Themen Rohstoff/ Produzent, Land/Gesetze, Umwelt-/ Sozialstandards sowie Logistik/Supply Chain unterteilen. Ein weiterer und häufig unterschätzter Bereich sei der „eigene Schreibtisch“ oder anders ausgedrückt das interne Betriebsgeschehen. Hier sei es besonders wichtig interne Prozesse und Strukturen effizient zu planen, zu steuern und zu prüfen. Die Ablauforganisation von der Kollektionsentwicklung bis zur Auslieferung müsse sauber implementiert werden, um das Restrisiko für Fehlentscheidungen möglichst gering zu halten. Wie sich die Einflussfaktoren richtig einordnen und bewerten lassen, stellte Torsten Schwarz, Geschäftsführer der Torsten Schwarz, Geschäftsführer Setlog GmbH Siegbert Fiebrig, Geschäftsführer Bäumler Fashion GmbH Setlog GmbH vor. Seiner Ansicht nach bedarf es objektiver Bewertungsmethoden, sogenannter „Balanced Score Card Systeme“ statt Entscheidungen dem Bauchgefühl zu überlassen. Zunächst müssen Vision, Strategie und Ziele klar definiert werden, bevor die Bekleidungsunternehmen die für sie wichtigen Einflussfaktoren (Key Performance Indicators KPI) bestimmen können. Stehen die KPIs fest, gilt es diese fachabteilungsübergreifend zu diskutieren und zu gewichten. Zu einem guten Bewertungsprozess gehöre es außerdem die Ergebnisse zu dokumentieren, Verbesserungsmaßnahmen abzuleiten und die Ergebnisse regelmäßig zu überprüfen. In der abschließenden Podiumsdiskussion war man sich einig, dass es mehr denn je gilt langfristig zu denken und zu handeln. Dazu zähle es zum Beispiel strategische Partnerschaften mit Lieferanten aufzubauen und das Risikomanagement nicht zu vernachlässigen. Auch glaubt man, dass der chinesische Beschaffungsmarkt weiterhin wichtig bleibe, aber etwas an Stellenwert zu Gunsten anderer Märkte verlieren werde. Auch der Idee von Jan Hilger stärker zusammenzuarbeiten wurde beigepflichtet. Eine Umfrage im Rahmen der Veranstaltung ergab, dass die Themen Produzentenauswahl, Lohnkostenentwicklung, Lieferantenbewertung und Qualitätssicherung von besonderem Interesse sind und im nächsten Arbeitskreis Sourcing am 30. Juni 2011 intensiver diskutiert werden sollen. www.dialog-dtb.de Daniel Gemperle, General Manager Operations Calida AG Peter Karla, Leiter Qualitätsmanagement Katag AG Carsten Schreiter, Director Procurement Strellson AG
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