Wie der Mittagstisch ins Rollen kommt

DIENSTAG, DEN 16. JUNI 2009
S TA D T E M D E N
E
OSTFRIESEN-ZEITUNG, SEITE 18
„MÜLLER KOMMT!“: OZ-REDAKTEUR AUF STIPPVISITE
Ausgewählt, frisch gekocht und heiß gebracht: Heiko Müller lieferte für den Paritätischen das „Essen auf Rädern“ aus. Sein erster Kunde war Fritz Krause (rechts).
„Müller kommt!“ –
Laden Sie ihn ein!
OZ-Reporter Heiko Müller ist wieder unterwegs
und macht Stadt und
Land unsicher.
Egal, ob in Vereinen, Betrieben, beim Kaffeekränzchen, oder ganz privat: „Müller kommt” zu
einer Stippvisite in Emden und Umgebung.
BILDER: ORTGIES
Wie der Mittagstisch ins Rollen kommt
OZ-AKTION (43) Heiko Müller war für den Paritätischen mit „Essen auf Rädern“ unterwegs
ist, dauert es heute etwas
länger. Dennoch nimmt mich
die Runde gern an ihrem
Tisch auf. „In Gesellschaft ist
das Essen doch viel schöner“,
meint Frau Otten. Der Wohnpark wird mit ebenfalls vom
Paritätischen versorgt. Diese
Speisen sind tiefgekühlt und
werden im Haus des Wohlfahrtsverbandes in Garautomaten zubereitet. Ich bekomme einen zarten Sauerbraten mit Rotkohl und Knödeln serviert und stelle
schnell fest, dass Herr de
Buhr recht hat: Es ist
schmackhaft und reichlich.
Verantwortlich für „Essen
auf Rädern“ beim Paritätischen ist Ulrike Burmester,
die jeden der etwa 85 Kunden
persönlich kennt. „Für die
Leute ist es wichtig, dass sie
sich aufgehoben fühlen“,
sagt die Sozialpädagogin.
Das Essen sei notwendig,
man müsse aber „den Blick
für das Ganze“ behalten.
Der Wohlfahrtsverband
hat etwa 85 Kunden, die
täglich mit einer warmen
Mahlzeit beliefert werden. Der Reporter fuhr
auf der Stadt-Tour mit.
VON HEIKO MÜLLER
Bei seinen bisherigen
Besuchen bewährte er
sich unter anderem als
Schützen-Spielmann, als
Stepp-Tänzer, als Jäger,
als Taucher, als Schauspieler und als Gebäudereiniger: Heiko Müller ist
Serie
EMDEN - Die Tageskarte liest
sich wie die eines gut-bürgerlichen Restaurants: Pikantes
Rinderragout, Schnitzel mit
Pfefferrahmsoße oder Gemüse-Chili stehen heute auf
dem Speiseplan. Alles ist
frisch gekocht. Und es wird
heiß gebracht – mit dem Auto. „Essen auf Rädern“ heißt
Müller kommt!
der Service, der vor allem Senioren hilft, in ihren eigenen
vier Wänden bleiben zu können.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband in Emden hat
mich eingeladen, mit dem
rollenden Mittagstisch unterOZ
wegs zu sein. Mit mir im Auto
sitzt Mathias Löschen. Der Müller kommt mit dem Essen: Der Redakteur am Steuer.
25-jährige Emder leistet seit
sich für nichts zu fein
Der Mittagstisch rollt weiDie Tour beginnt. Auf dem
einem halben Jahr seinen Ziund freut sich auf neue
ter:
Nächster Stopp ist bei
Armaturenbrett
liegt
der
vildienst
und
liefert
täglich
Herausforderungen.
das „Essen auf Rädern“ aus. Routen-Plan, auf dem auch Frau Schultze, die in einer Alvermerkt tenwohnung im Kulturviertel
Er hat die „Stadt-Tour“ über- Sonderwünsche
Auf Wunsch beantwornommen. Heute ist es die sind. „Klingeln, kann dau- lebt und den Tisch ihrer Kütet der Lokalredakteur
ern!“, steht zum Beispiel bei che schon gedeckt hat. Die
„Müller-kommt-Tour“.
bei seinen Besuchen
86-Jährige sieht nicht mehr
Es ist frügut und lässt sich deshalb an
her Vormitauch Fragen zur Ostfriedrei Tagen der Woche das Estag. Löschen
sen-Zeitung
sen bringen. Ansonsten wird
belädt
auf
sie von ihrem Sohn und der
dem
Hof
des
Laden Sie Heiko Müller
Schwiegertochter versorgt:
Paritätischen
ein! Wer auch einmal
„Das reicht oft für zwei Taan der FriedGastgeber von „Müller
ge“, sagt die Seniorin. Trotz
rich-Naukommt!” werden möchihrer Sehbehinderung ist die
mann-Straße
te, kann sich bei der OZ
86-Jährige zufrieden: „Man
den silberfarunter Telefon
muss damit fertig werden,
benen Opel
jammern nützt nichts.“
Combo mit
0 49 21 / 93 25 18 beFrau Schultze bevorzugt
den heißen
werben. Oder Sie schiHausmannskost. Für heute
Menüschacken eine E-Mail an
hat sie ihr Kreuzchen im molen.
Eine
[email protected]
Auch ihr schmeckt‘s: Margarethe Schult- natlichen Speiseplan beim
Fachfirma
Rinderragout mit Nudeln gefür Fernver- ze.
Sie können uns auch
macht. Matthias Löschen
pflegung aus
schreiben. Die Anschrift:
Aurich hat die Speisen am unserem ersten Kunden im hilft der Senioren beim ÖffOstfriesen-Zeitung, Am
Morgen frisch angeliefert. Sie Boltentorviertel. Aber heute nen der Menüschale. So steht
kommen in einen Wärme- lässt Herr Krause nicht lange es auch auf dem Tour-Plan
Delft 13/14, 26721 Emofen, der im Kofferraum des auf sich warten. An der Woh- für den „Zivi“. Der kennt die
den.
Autos fest installiert ist.
nungstür überreiche ich dem Kunden mittlerweile. Er er90-Jährigen die Wärmebox füllt auch kleine Sonderwünmit dem „Gold-Menü“, ei- sche, liest aus der Zeitung
nem von täglich sieben ver- vor, besorgt Batterien für das
oder
wechselt
schiedenen Gerichten, die Hörgerät
der Paritätische im Angebot schon mal eine Glühbirne
hat. „Gold“ steht für das aus. „So etwas machen wir so
Feinschmecker-Menü. Heute nebenbei“, sagt der gelernte
Versicherungskaufmann.
ist es das Schnitzel.
„Die Jungs sind prima“,
Herr Krause lässt sich
schon seit 16 Jahren den Mit- lobt Albert de Buhr. Der
tagstisch bringen. Und er ist 85-Jährige lebt mit seiner
zufrieden. „Sonst wäre ich Frau Brunhilde seit einem
doch nicht so lange dabei ge- Jahr im Wohnpark am
blieben“, sagt der 90-jährige Schwanenteich, der zum Teil
Witwer. „Für eine Person dem Paritätischen gehört.
lohnt es sich nicht zu ko- Mit dem rollenden Mittagschen“, meint der Senior. Das tisch ist de Buhr „gut zufrieIn Gesellschaft schmeckt es besser: Heiko Müller (r.)beim meiste würde man doch weg- den“. Es sei schmackhaft und
Mittagstisch im Wohnpark am Schwanenteich.
reichlich. „Und auch die Liewerfen.
Ostfriesen-Zeitung
ferung funktioniert super“,
sagt der 85-Jährige.
Während ich mit Herrn de
Buhr über Gott und die Welt
ins Reden komme, warten
vier ältere Damen und ein
Herr im Bistro des Wohnparks auf Mathias Löschen,
mich und das Essen. Martha
Otten, Elisabeth Müller, Irmgard
Kahle,
Karl-Heinz
Schlee und Irma Müllecker
gehören zu den Bewohnern
der Seniorenresidenz, die ihre Mittagsmahlzeiten gemeinsam einnehmen – und
das am liebsten pünktlich.
Aber weil der Reporter dabei
Essen auf Rädern
Der Service „Essen auf
Rädern“ beim Paritätischen in Emden feiert in
diesem Jahr 30. Geburtstag. Im März 1979 setzte der Wohlfahrtsverband gemeinsam mit der
Küche der OBW diese
Idee um.
Seinen Ursprung hatte
„Essen auf Rädern“ Ende der 60er Jahre in England.
Wenn es gewünscht wird, öffnet „Zivi“ Mathias Löschen
auch die Menüschale für die Kunden.