SN, 14.06.2013: Wie weit geht die Betreuung bei Demenz

24 WISSEN / GESUNDHEIT
F R E ITAG , 14. JUN I 2013
Wie weit geht die Betreuung bei Demenz?
Betroffen. Jeder fünfte Österreicher zwischen 80 und 89 hat Demenz. Hier die wichtigsten Tipps für Angehörige.
JOSEF BRUCKMOSER
SALZBURG (SN). Die Diagnose für
Demenz kann immer früher und
genauer gestellt werden. Das unterstützt eine rechtzeitige medikamentöse Therapie. Die Belastung
für Angehörige ist dennoch groß
und die Reaktionen im Umfeld
lassen oft zu wünschen übrig.
lastung für Angehörige kann ein
mobiler Hilfsdienst oder der Besuch eines Tageszentrums hilfreich sein. Meist ist im dritten Stadium eine stationäre Betreuung
nötig (siehe Frage 2), da die pflegerischen Maßnahmen in den Vordergrund rücken. Niemand sollte
Schuldgefühle haben, wenn es zu
Hause nicht mehr geht.
1. Wie erkenne ich, dass ein An-
5. Was kann ich vom sozialen
gehöriger Demenz entwickelt?
Vergesslichkeit oder Verwirrtheit
haben nicht immer mit der Entwicklung einer Demenz zu tun.
Ähnliche Symptome können sich
bei Depression im Alter zeigen,
bei Parkinson oder wenn jemand
zu wenig Flüssigkeit aufnimmt.
Warnsymptome für eine Demenz können aber folgende Punkte sein: Vergessen von Dingen, die
erst kürzlich geschahen; schlechtes sich Erinnern an Namen; ständiges Verlegen persönlicher Gegenstände; Orientierungs- und
Sprachprobleme; zeitliche Desorientiertheit; nachlassendes Interesse an Dingen, die Spaß machen; Stimmungsschwankungen.
Falls mehrere dieser Symptome zu
beobachten sind, sollte eine Beratungsstelle oder der Hausarzt aufgesucht werden.
In der Regel ist auch ein sehr alter Mensch in der Lage, sich Neues zu merken und zu verarbeiten.
Er braucht nur etwas länger dafür.
Nur bei einer Demenz kommt es
zu Veränderungen im Gehirn, die
starke Gedächtnisprobleme hervorrufen und eine selbstständige
Lebensführung erschweren.
2. Gibt es einen konkreten Zeit-
punkt, ab dem man von einer
Demenz spricht, oder ist das ein
fließender Übergang?
Das ist nach Art der Demenz unterschiedlich. Die Alzheimer-Demenz, bei der Nervenzellen im
Gehirn absterben, ist die häufigste
Form; sie beginnt meist schleichend und entwickelt sich allmählich fort. Die Vaskuläre Demenz,
ausgelöst durch Schädigungen der
Blutgefäße im Gehirn, beginnt
meist plötzlich und schreitet stufenweise fort.
Der Verlauf einer Demenz folgt
meist drei Stadien. Im ersten Stadium steht die Vergesslichkeit im
Vordergrund, vor allem ist das
Kurzzeitgedächtnis betroffen, indem man sich nicht an Dinge erinnern kann, die erst kürzlich passiert sind. In der zweiten Phase
sind deutliche Gedächtnis- und
Orientierungseinbußen zu erkennen und die Betroffenen benöti-
Wer über die Phasen der Demenz Bescheid weiß, kann besser damit umgehen.
gen Hilfe und Unterstützung in
der Lebensführung. Im dritten
Stadium ist der Betroffene ganz
auf fremde Hilfe angewiesen. Oft
ist eine stationäre Betreuung nötig. Demenzbetroffene merken
meist in der Anfangsphase, dass
mit ihnen „etwas nicht stimmt“.
Sie versuchen, ihre Symptome zu
verbergen, und entwickeln sehr
gute
Kompensationsstrategien.
Dieses Übergangsstadium zu einer Demenz, in dem die subjektiven Beschwerden beim Betroffenen im Vordergrund stehen, wird
auch „leichte kognitive Beeinträchtigung“ (MCI: „Mild Cognitive Impairment“) genannt und
kann bis zu sieben Jahre dauern.
Von einer klinischen Diagnose
Demenz wird gesprochen, wenn
durch medizinische und psychologische Diagnoseverfahren eine
Demenz diagnostiziert worden ist.
3.
Gibt es Medikamente, die die
Demenz aufhalten oder verhindern können?
Es wurden Medikamente entwickelt, die bei Demenz eingesetzt
werden („Antidementiva“). Bei
leichter bis mittelschwerer De-
menz werden Medikamente eingesetzt
(„Acetylcholinesterasehemmer“), welche den weiteren
Abbau von Nervenzellen verzögern. Sie können ihn aber nicht
ganz verhindern. Bei schweren
Stadien der Demenz wird „Memantin“ eingesetzt; es hat einen
positiven Effekt auf die geistigen
Leistungen, die Stimmung und die
Selbstständigkeit. Ganz aufhalten
kann auch dieses Medikament die
Demenz nicht. Medikamente sollten früh eingesetzt werden, damit
ein positiver Effekt möglich ist.
Neben diesen Medikamenten
haben psychologische und soziotherapeutische Maßnahmen einen
positiven Einfluss, vor allem biografisch orientierte Methoden. Sie
setzen an der Identität des Demenzbetroffenen an, die sich im
Laufe seines Lebens entwickelt
und geformt hat. Ressourcen aus
der Biografie werden aktiviert,
Defizite treten in den Hintergrund. Der Betroffene wird als
Mensch ernst genommen und
nicht als geisteskrank oder leistungsunfähig abgestempelt.
Durch diesen Betreuungsansatz
ist das Glas in der Betreuung von
Bild: SN/BILDERSTOECKCHEN - FOTOLIA
Demenzbetroffenen „immer halb
voll und nie halb leer“.
4.
Wie lang kann ich einen
demenzkranken Menschen
allein zu Hause betreuen?
Die Demenz ist ein „Chamäleon“;
sie ist sehr unterschiedlich von
Person zu Person. Als erste Ent-
Umfeld erwarten und wen muss
ich informieren?
Menschen, die wenig über die Demenz wissen, können das Verhalten von Demenzbetroffenen für
sich selbst schwer einordnen. Es
kann auch sein, dass jemand, der
„anders ist“, Ängste auslöst.
Ein Beispiel: Die Tochter einer
Demenzbetroffenen (die Mutter
wird im Tageszentrum betreut)
geht jeden Monat mit ihrer Mutter
ins Theater. Das war schon vor
der Demenzentwicklung der Mutter ein wichtiges Ritual in deren
Mutter-Tochter-Beziehung.
Die demenzbetroffene Mutter
applaudiert vehement oder drückt
ihre Freude auch durch laute Rufe
aus. Die Tochter hat die Sitznachbarn im Theater über die Demenz
informiert. Sie können folglich das
Verhalten der Mutter besser einordnen und freuen sich mit ihr, da
sie viel Freude am Theater zeigt.
Es ist also wichtig, das soziale
Umfeld zu informieren. Gefühle
von Peinlichkeit und Scham können dadurch in den Hintergrund
treten. Eine offene und wertschätzende Kommunikation über die
Demenz wäre auch das Ziel einer
demenzfreundlichen Gesellschaft,
in der Vorurteile und Stereotypien
gegenüber
Demenzbetroffenen
aufgebrochen werden können.
Demenzberatung
Die Fragen
zur Demenz
hat Alexander
Aschenbrenner
vom Gerontopsychologischen Fachdienst
im Diakonie-Zentrum
Salzburg beantwortet. Die Demenzberatung richtet sich an Menschen
mit Demenz, an Menschen mit Verdacht auf Demenz, an Angehörige
oder Vertrauenspersonen von Menschen mit Demenz sowie an Fachpersonen in der Betreuung von Menschen mit Demenz.
Maßgeschneiderte Angebote für Demenzbetroffene und deren Angehörige stehen großteils kostenlos zur
Verfügung: allgemeine Demenzberatung, psychologische Beratung,
fachärztliche Sprechstunden, Selbsthilfegruppen, Fachvorträge sowie
Workshops und Schulungen für Angehörige.
Information & Terminvereinbarung: Demenzberatung DiakonieZentrum, Guggenbichlerstraße 20
5026 Salzburg. Tel. 0664/85 82 682,
Montag bis Freitag, 8.30 bis 12.30
Uhr. E-Mail: [email protected]
WISSEN KOMPAKT
Menopause wegen der Männer
Chinesen bauen eine
eigene Raumstation
Genetiker entschlüsseln
Erbgut der Lepra
WASHINGTON (SN). Die Vorliebe
von Männern für jüngere Partnerinnen könnte im Laufe der Evolution zur Menopause bei Frauen
geführt haben. Das schließen kanadische Wissenschafter aus ihren Computersimulationen. Danach hat der Wettbewerb von
Männern jeder Altersklasse um
junge Partnerinnen dazu geführt,
dass ältere Frauen eine deutlich
PEKING (SN, dpa). Zwei Tage nach
dem Start hat das chinesische
Raumschiff „Shenzhou 10“ erfolgreich an das Raummodul „Tiangong 1“ angedockt. Die Astronauten sollen schätzungsweise zwölf
Tage in der experimentellen Miniraumstation verbringen. Ihre
Tests und Manöver dienen der
Vorbereitung für den Bau einer
richtigen Raumstation, die bis et-
TÜBINGEN (SN, dpa). Forscher haben das Erbgut von mittelalterlichen Lepra-Bakterien analysiert
und festgestellt, dass es sich über
Jahrhunderte kaum verändert hat.
Zugleich kamen sie dem Ursprung
der Krankheit näher. Die Analyse
zeigte, dass viele der Bakterien
auf einen gemeinsamen Vorfahren
zurückgehen, der vor 4000 Jahren
sein Unwesen trieb.
Die Zeit hormoneller Umstellung um das 50. Lebensjahr einer
Frau wird als Wechseljahre oder
Menopause bezeichnet. Mit dem
Absinken weiblicher Sexualhormone im Blut gehen körperliche
Veränderungen einher. Es kommt
zu Hitzewallungen, Schweißausbrüchen, Schlafstörungen und Gewichtszunahme. Auf diese Veränderung reagieren viele Frauen mit