Unzulässige Erweiterung – Wie weit reicht der Offenbarungsgehalt?

Unzulässige Erweiterung –
Wie weit reicht der Offenbarungsgehalt?
GDM-Patenfrühstück, Hamburg, 28. November 2008
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Vorgeschichte des Rechtsstreits
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Ausgangspunkt für den Vortrag ist eine Nichtigkeitsklage gegen DE 36 16 566, die 2001 eingereicht
wurde und 2007 rechtskräftig durch den BGH entschieden wurde (Urt. v. 16.10.2007 – X ZR 226/02
– Sammelhefter II).
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Die Patentanmeldung DE 36 16 566 wurde 1986 eingereicht, 1991 wurde nach einem nur wenige
Monate dauernden Prüfungsverfahren ein Patent erteilt. Im Einspruchsverfahren wurde das Patent
1992 erstinstanzlich widerrufen und 1994 vom Bundespatentgericht beschränkt aufrechterhalten.
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Parallel fand ein Verletzungsverfahren statt, in dem die Klägerin des Nichtigkeitsverfahrens
rechtskräftig wegen Patentverletzung verurteilt wurde.
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Gegenstand von DE 36 16 566
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Streitpunkt
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Im Einspruchsbeschwerdeverfahren ist in Anspruch 1 das Merkmal aufgenommen worden, dass die
Heftköpfe „während eines Bewegungsweges den Sammelstrecken im Gleichlauf folgen“.
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In den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen fand sich eine wörtliche Offenbarung dieses
Merkmal.
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Allerdings war das Merkmal nicht als selbständiges Merkmal der Erfindung offenbart, sondern als
eines von mehreren Merkmalen eines Ausführungsbeispiels. In dem Ausführungsbeispiel waren
folgende Merkmale kombiniert: 1) die Heftköpfe sind konzentrisch zur Achse der Welle gelagert, 2)
die Heftköpfe führen eine Pendelbewegung durch, 3) die Heftköpfe folgen den Sammelstrecken
während eines Bewegungsweges im Gleichlauf.
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Ist es zulässig, das Merkmal 3) separat ohne die Merkmale 1) und 2) in den Anspruch
aufzunehmen?
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Öffentliches Interesse vs. Erfinderinteresse
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Der Erfinder hat das Interesse, als Gegenleistung für die Offenlegung seiner Erfindung möglichst
umfassenden Schutz zu erlangen und möglichst weitgehende Freiheiten bei der Gestaltung des
Schutzbereichs zu haben. Das Interesse der Öffentlichkeit ist gegenläufig, die Öffentlichkeit möchte
möglichst früh und möglichst präzise wissen, welche Gegenstände patentfrei sind.
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Der Regelung dieses Interessenkonflikts dient die Vorschrift des § 38 PatG. Danach sind Änderungen
der Anmeldung zulässig, sofern sie den Gegenstand der Anmeldung nicht erweitern. Der
Patentanmelder kann also seinen Schutzbereich frei innerhalb dessen gestalten, was er anfangs
offenbart hat. Die Öffentlichkeit hat die Sicherheit, dass ein Gegenstand, der in den anfänglichen
Anmeldeunterlagen nicht offenbart war, auch später nicht zum Gegenstand eines Patentschutzes
werden kann.
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Keine Einigkeit zwischen BGH und EPA
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BGH: „Wird von mehreren, ein Ausführungsbeispiel der Erfindung beschreibenden Merkmalen nur
eines in den Patentanspruch aufgenommen, das die mit dem Ausführungsbeispiel erzielte technische
Wirkung angibt, liegt darin auch dann keine unzulässige Erweiterung, wenn ein anderer Weg zur Erzielung derselben Wirkung nicht offenbart ist.“ (Urt. v. 16.10.2007 - X ZR 226/02 – Sammelhefter
II)
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EPA: „Bei der Beschränkung eines Anspruchs auf eine bevorzugte Ausführungsform ist es in der
Regel nicht statthaft, aus mehreren für diese Ausführungsform in Kombination miteinander
offenbarten Merkmalen einzelne herauszugreifen. Eine derartige Änderung ist nur dann
gerechtfertigt, wenn zwischen den Merkmalen kein klar erkennbarer funktioneller oder struktureller
Zusammenhang besteht.“ (Entsch. v. 8.2.2005 - T 25/03)
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Anmeldetag bildet Zäsur
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Nach dem Anmeldetag kann die Patentanmeldung nur noch innerhalb des Offenbarungsgehalts des
ursprünglich eingereichten Anmeldungstexts gestaltet werden. Es gibt keine Möglichkeit, anfangs
nicht enthaltene Informationen später hinzuzufügen.
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Die Struktur des Anmeldungstextes ist weitgehend vorgegeben. Ausgehend von einer Beschreibung
des Standes der Technik wird eine Aufgabe angegeben, die der Erfindung zugrundeliegt. Auf eine
abstrakte Beschreibung des Erfindungsgedanknes folgt eine detaillierte Beschreibung eines
Ausführungsbeispiels.
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Der Anmelder hat es in der Hand, die Schwerpunkte richtig zu setzen.
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Anmeldungstext DE 36 16 566 A1?
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In DE 36 16 566 A1 sind die Schwerpunkte nicht richtig gesetzt. Eine sich über drei Seiten
erstreckende Erörterung des Standes der Technik bringt dem Anmelder nichts.
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Die detaillierte Beschreibung des Ausführungsbeispiels dient in erster Linie dazu, die Ausführbarkeit
der Erfindung darzulegen. Für die Auslegung des Patents gewinnt das Ausführungsbeispiel häufig
dann wieder Bedeutung, wenn Sachverständige hinzugezogen werden.
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Die abstrakte Beschreibung der Erfindung fehlt nahezu völlig. Wäre das Merkmal „Gleichlauf
zwischen Heftkopf und Sammelstrecke“ in diesem Abschnitt erwähnt worden, hätte es ohne
Schwierigkeiten in den Anspruch aufgenommen werden können. Sinnvoll wäre eine Definition der in
den Ansprüchen verwendeten Begriffe gewesen.
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Der Rechtsstreit hätte mit etwas mehr Sorgfalt beim Ausarbeiten der
Anmeldung vermutlich vermieden werden können.
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