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15. März 2013, 07:10 Uhr
Offenlegungspflicht
Wie Banken bei Provisionen tricksen
Von Lutz Reiche
Verkaufen Bankberater Wertpapiere, müssen sie die Kunden über Provisionen informieren. Dieser
Pflicht entziehen sich die Institute offenbar zusehends durch einen Trick. Der BGH hat die Praxis bereits
sanktioniert. Für eine transparente Finanzberatung sehen Verbraucherschützer jetzt schwarz.
Hamburg - Vorsorgesparer in Deutschland verlieren durch schlechte Finanzberatung und undurchsichtige
Produkte viel Geld. Die Bundesregierung schätzt die Vermögensschäden auf 20 bis 30 Milliarden Euro jährlich,
einzelne Wissenschaftler taxieren die Schäden gar auf das Doppelte. Verbraucherschützer machen dafür primär
den provisionsgetriebenen Beratungs- und Verkaufsprozess verantwortlich.
Oft sind es gerade die hochkomplexen und riskanten Finanzprodukte, die die höchste Provision abwerfen.
Darüber haben Banken und Sparkassen in der Vergangenheit ihre Kunden vielfach gar nicht informiert oder
zumindest unvollständig und unverständlich. Hätten sie es getan, wie es ihre Pflicht ist, viele Kunden hätten das
Eigeninteresse der Bank vermutlich besser erkannt und zum Beispiel keine riskanten Lebensversicherungsfonds
gekauft, würden nun nicht zu Hunderten gegen die vermittelnden Sparkassen klagen.
Wenn im Einzelfall bis zu 20 Prozent des Anlagebetrags - etwa bei geschlossenen Fonds - als
Verkaufsprovision an das vermittelnde Finanzinstitut fließen, liegt es nahe, dass Bankberater darüber und die
Risiken des Investments nicht genau aufklären, wie Kritiker beklagen und Gerichte in diesem Kontext Vorwürfe
der Falschberatung immer wieder prüfen müssen. Verbraucherschützer fordern daher, die auf Provisionen
basierte Beratung und Vermittlung im Finanzvertrieb schlicht zu verbieten.
Pünktlich zum Weltverbrauchertag am 15. März erneuert der Bundesverband Verbraucherzentralen (Vzbv)
seine Forderung nach einem Provisionsverbot, wie es bereits in Großbritannien und den Niederlanden seit
Anfang dieses Jahres besteht. "Die provisionsfinanzierte Beratung und Vermittlung von Finanzprodukten ist eine
andauernde Quelle von Interessenkonflikten und unzulänglichen Kundenberatungen. Immer neue Vorschriften
hegen sie bestenfalls ein, beseitigen sie aber nicht", sagt Vzbv-Chef Gerd Billen.
"Provisionen eine ständige Quelle von Interessenkonflikten"
Für ein Provisionsverbot im Finanzvertrieb gibt es in Deutschland keine politische Mehrheit. Die Regierung
versucht aber der Honorarberatung als Alternative zum provisionsbasierten Vertrieb den Weg zu ebnen. Ein
halbherziger Ansatz, denn das Gesetz erfasst nur einen Teil der Finanzprodukte. Auch muss die Finanzindustrie
keine provisionsfreien Tarife für ihre Produkte anbieten. Ohne diese Nettotarife kann Honorarberatung aber
nicht wirklich gedeihen. Die Pflicht des Honorarberaters, Provisionen dann an den Kunden durchzuleiten,
verhindere zudem keine Interessenkonflikte, kritisieren Verbraucherschützer.
Aus ihrer Sicht sind dies schlechte Voraussetzungen, damit sich eine ergebnisoffene, an den
Kundenbedürfnissen und nicht an provisionsträchtigen Produkten orientierende Finanzberatung in Deutschland
durchsetzen kann. "So lange Vermittler und Vertriebe ihre Beratung im Zuge des lukrativen Provisionsgeschäfts
betreiben können, so lange werden sie alles daran setzen, dass die Honorarberatung am Markt nicht über ein
Nischendasein hinauskommt", ist Arno Gottschalk überzeugt. Das habe die Erfahrung in anderen Ländern
gezeigt, untermauert der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Bremen die Forderung nach einem
Provisionsverbot.
Ein Verbot sei um so dringlicher, als Geldinstitute zusehends versuchten, sich ihrer Pflicht zur Offenlegung von
Provisionen zu entziehen. Statt in Kommission verkauften sie die Papiere nun vermehrt im Zuge so genannter
Festpreisgeschäfte, sind die Verbraucherschützer nach einer Umfrage unter 126 Banken, Sparkassen und
Finanzvertrieben überzeugt. Für den Kunden ist das nicht unerheblich. Denn die Offenlegungspflicht erstreckt
sich nur auf Kommissionsgeschäfte.
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15.03.2013
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Mit Festpreisgeschäften umgehen Banken die Offenlegungspflicht
Zum besseren Verständnis: Beim Kommissionsgeschäft erwirbt die Bank Wertpapiere im eigenen Namen, aber
auf Rechnung des Kunden. Sie agiert dabei als Vermittler, stellt anfallende Kosten in Rechnung und erhält für
ihre Dienstleistung zusätzlich eine Provision oder Vertriebsvergütung, die vom Verkäufer des Produktes gezahlt
wird. Nach den Vorschriften des BGB für den Geschäftsbesorgungsvertrag und den HGB-Vorschriften für den
Kommissionsvertrag muss die Bank über gezahlte Provisionen und Vertriebsvergütungen den Kunden
informieren.
Bei einem Festpreisgeschäft kauft der Kunde die Wertpapiere dagegen direkt von der Bank. Und zwar zu einem
festgelegten Preis, bei dem keine weiteren Kosten oder Provisionen anfallen. Der Gewinn der Bank resultiert
daraus, dass sie die Wertpapiere zu einem Preis erwirbt, der unter dem Kaufpreis des Endkunden liegt. Über die
Gewinnmarge zwischen An- und Verkaufspreis muss das Institut den Kunden nicht informieren. "Diese stellt
aber selbstverständlich einen Vertriebsanreiz dar, und auch hier gibt es ein Eigeninteresse, über das der Kunde
informiert sein sollte", fordert Vzbv-Finanzexpertin Dorothea Mohn.
Muss also die Bank nur im Kommissiongeschäft ihre Eigeninteresse offenlegen, kann sie sich beim
Festpreisgeschäft dieser Pflicht durch einen bloßen Wechsel in die Rolle des Verkäufers auf eigene Rechnung
entziehen. Das Problem des Kunden: Ob ein Kommissions- oder Festpreisgeschäft vorliegt, muss er im Streitfall
selbst beweisen und darlegen. "Dies ist aber praktisch unmöglich, weil der Kunde über die dafür notwendigen
Informationen nicht verfügt", sagt Gottschalk.
Viele Banken verweigern die Auskunft über Festpreisgeschäfte
Das Problem der Verbraucherschützer: Wie stark Festpreisgeschäfte im Finanzvertrieb offenlegungspflichtige
Kommissionsgeschäfte bereits ersetzen, darüber lässt sich keine verlässliche Aussage treffen - jedenfalls nicht
für den Gesamtmarkt. Denn von den 126 angeschriebenen Geldinstituten beantworteten lediglich 25 den
Fragebogen. 65 Anbieter reagierten überhaupt nicht auf die Anfrage, drei erklärten ausdrücklich, sie beteiligten
sich nicht an der Erhebung. Billen spricht daher von einem "weitgehenden Boykott".
Weitere 33 Geldinstitute - darunter 27 Sparkassen - antworteten lediglich mit allgemeinen Aussagen. Deren
inhalts- und teils sogar wortgleichen Ausführungen ließen zudem vermuten, dass sich die Sparkassen zuvor auf
eine verbandsseitige Musterantwort verständigt haben, sagt Billen. Konkreten Fragen zu Festpreisgeschäften,
Margen und Aufklärung darüber wichen die Geldinstitute damit aus.
Jenseits der Erkenntnis, dass die meisten Banken Auskünfte über ihre Festpreisgeschäfte verweigern, bleibt
gleichwohl festzustellen: Besagte 25 Banken geben an, dass sie ihre Kunden über die Abwicklungsform
(Festpreis- oder Kommissionsgeschäft) informieren, nur 15 klären über die rechtlichen Konsequenzen auf. 20
Institute erklären, dass sie Schuldverschreibungen, Zertifikate und teilweise Investmentfonds über den Weg des
Festpreisgeschäfts vertreiben. Drei nutzen dabei ausschließlich diesen Weg - ein "Warnzeichen", meinen die
Verbraucherschützer.
Jüngste BGH-Urteile pulverisieren Warnungen der Verbraucherschützer
Tatsächlich legen 12 der 20 Banken, die Festpreisgeschäfte betreiben, ihre Gewinnmargen offen. "Diese Quote
dürfen wir aber nicht verallgemeinern", sagt Gottschalk. Die hohe Zahl der Umfrageverweigerer lasse vielmehr
den Schluss zu, dass die überwiegende Zahl der Institute mit Festpreisgeschäften arbeite und dabei keine
Auskünfte über erzielte Margen gebe.
Das ist natürlich eine gewagte Feststellung. Andererseits wirft das mehrheitliche Schweigen der Banken und
Sparkassen kein gutes Licht auf die Branche, die in Werbespots kräftig daran arbeitet, ihr seit der Finanzkrise
angeschlagenes Image aufzupolieren.
Ein weiteres Problem der Verbraucherschützer: In gleich drei von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommenen
Urteilen hat der Bundesgerichtshof nach der Umfrage seit Sommer vergangenen Jahres klargestellt, dass eine
Bank bei Festpreisgeschäften nicht über die dabei von ihr erzielten Gewinnmargen aufklären muss. Sie ist laut
BGH noch nicht einmal zu dem Hinweis verpflichtet, dass sie dem Kunden die empfohlenen Wertpapiere im
Zuge eines Festpreisgeschäftes beschafft (Az.: XI ZR 259/11, XI ZR 316/11 und XI ZR 355 /11).
Festpreisgeschäft: BGH verneint Offenlegungspflicht
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Das Gericht begründete seine Entscheidungen unter anderem mit dem Hinweis, dass es für den Anleger doch
offenkundig sei, dass eine Bank eigene Gewinninteressen verfolge. Dabei sei es nach Auffassung des BGH
auch unerheblich, ob der Kunde wisse, in welcher Art er das Geschäft abgeschlossen hat.
Billen bewertet die Urteile für den Verbraucher- und Anlegerschutz als "herben" Rückschlag, als "gefährliche
Rückwärtsrolle". Bisherige Fortschritte bei der transparenten Darstellung von Eigeninteressen in der
Analgeberatung würden damit wohl zunichte gemacht. Die Verbraucherschützer befürchten, dass jetzt mehr
Banken und Sparkassen dazu übergehen würden, Kommissionsgeschäfte formal durch Festpreisgeschäfte zu
ersetzen, um so der "lästigen Offenlegung von Provisionen und Eigeninteressen" zu entgehen.
Dass diese nicht zuletzt durch den Bundesgerichtshof sanktionierte Praxis so schnell nicht mehr
zurückzudrehen ist, scheint den Verbraucherschützern durchaus klar zu sein. Verknüpfen sie ihre Forderung
nach einem Provisionsverbot doch mittlerweile mit dem Zusatz, dass es dafür einen Übergangszeitraum von
zehn Jahre bedürfe.
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