Fast wie barfuß - Zehenschuhe

SportϩFunktion 38
Fast wie barfuß
Die Zeichen der Zeit stehen auf Natürlichkeit – Bewegungsphilosophien
machen da keine Ausnahme. Der Trend zum Barfußlaufen und daran
anknüpfende Schuh-Konzepte sind Ergebnis neuer wissenschaftlicher
Erkenntnisse sowie eine Kampfansage an die Leiden der Moderne
sportϩmode
15Ϫ2007
„Ich hatte ein Aha-Erlebnis, als ich den MBTSchuh zum ersten Mal ausprobiert habe“, berichtet uns ein regelmäßiger MBT-Träger und
fährt fort: „Ich hatte das Gefühl, dass mein
Körper sich aufrichtet. Ich kann in diesem
Schuh gar nicht anders, als gerade gehen.“
Mit seiner Überzeugung steht dieser Nutzer
der Masai Barfuß Technologie (MBT) nicht allein, immer öfter taucht der MBT im Straßenbild auf, auch im Bekanntenkreis ist der
Schuh kein Unbekannter mehr. Auf den
Schuh- und Sportfachmessen in diesem Jahr
tummelten sich weitere Konzepte um das
Barfuß-Thema – alles Indikatoren, dass dieser Trend Anklang findet.
Dabei gibt es den Schuh, der das Gehen der
Masai auf natürlichem Boden nachahmt,
schon seit zehn Jahren. Ganz zu schweigen
von Vorläufern in der Orthopädie-Geschichte. Aktuell scheint allerdings der Boden besonders gut bereitet zu sein für Bewegungskonzepte, die natürliches Laufen in den
Vordergrund rücken. Gesundheit, die mit der
Natur im Einklang steht, ist in. Explodierende
Gesundheitskosten bringen Prävention von
allein auf den Plan, neues Wissen um Körperzusammenhänge kommt dem zugute.
Darüber hinaus suchen die Menschen selbstständig nach Lösungen, um Wohlbefinden zu
erreichen und die epidemiehaft auftretenden Beschwerden am Bewegungsapparat in
den Griff zu bekommen. Dem Drang, aus den
engen Mauern der modernen Bewegungsleiden ausbrechen zu wollen, kommen die Hersteller mit Barfuß-Konzepten wunderbar entgegen, allerdings mit ganz unterschiedlichen
Herangehensweisen, von denen wir hier ausgesuchte Modelle vorstellen.
Abgesehen von der allgemeinen Akzeptanz,
dass Barfußlaufen gesund ist, gibt es jedoch
auch Vorbehalte demgegenüber. So scheiden sich die Geister bei Einsatzgebieten und
eventuellen Risiken. Auf dem 1. medizinischen Symposium der Biodyn-Academy, das
kürzlich in Würzburg stattfand – Biodyn ist DGeneralimporteur von MBT – wurde deutlich: Viele wissenschaftliche Studien stützen
die Wirkweise der Masai Barfuß Technologie.
Dennoch war man sich unter den Experten
nicht einig, ob der MBT nur als Trainingsschuh oder auch als Sport- und Alltagsschuh
geeignet sei. Dr. Markus Walther vom Orthozentrum München sagte dabei über den
MBT, der als Medizinprodukt der Klasse 1 an-
Der finnische Zehensockenspezialist Feelmax hat
seine Footwear 2007 in Deutschland lanciert. Der Schuh
simuliert das Barfußlaufen und zeichnet sich vor allem
durch seine leichte, flexible, aber dennoch extrem robuste
Sohle aus Schoeller-Keprotec-Material aus. Das Obermaterial besteht aus weichem Neopren. Der Schuh passt sich
dem Fuß in seinen Bewegungen an wie eine Socke. Geeignet ist der Schuh, den es in verschiedenen Modellen gibt,
für das Training sowie Barfuß-Sportarten wie Tai Chi etc.
Foto: Feelmax
erkannt ist: „Der MBT ist ein aggressives Trainingstool, mit dem man alle Probleme bekommen kann, die man vorher nicht hatte.“
Er riet davon ab, diesen Schuh zum Running
oder Nordic Walking zu tragen. Dr. Jochen
Gruber, u. a. Facharzt für Sportmedizin sowie
Mannschaftsarzt des 1. FC Nürnberg sieht
den MBT im Sport deshalb als moderaten
Ausgleich zu Disziplinen wie etwa Fußball,
bei denen sich Muskeln verkürzen können.
„Umso langsamer ich mich mit dem MBT bewege, desto effizienter wirkt er“, erklärte er.
Händler, die Barfuß-Schuhe anbieten, haben
neben einer gewissen Verantwortung jedoch
die Sicherheit, dass dies ausgesprochene
Fachhandelskonzepte sind. Beratung spielt
hier eine Hauptrolle – eine Steilvorlage für
den Sportfachhandel.
wei
Der Vibram Five Fingers, vertrieben vom italienischen
Sandalenspezialisten Lizard, schützt beim simulierten
Barfußlaufen jede Zehe einzeln durch spezielles VibramMaterial. Der Five Fingers soll für einen erhöhten Gleichgewichtssinn, eine höhere Beweglichkeit, eine bessere
Körperhaltung etc. sorgen. Konzipiert ist er in vier verschiedenen Designs für Aktivitäten, die gerne barfuß ausgeübt werden, wie etwa Yoga, Pilates. Aber auch Laufen,
Trekking, Kajakfahren oder Segeln gibt der Hersteller an.
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„Der MBT ist kein Alltagsschuh“
Wie Barfuß-Konzepte in orthopädischen Kreisen gesehen werden, wollte sport+mode von Torsten Schröder
wissen. Der Frankfurter Biomechaniker und Sportwissenschaftler beschäftigt sich seit 1997 mit dem MBT
Was hat der MBT bei richtiger Anwendung
für positive Effekte auf den Körper?
Der MBT-Schuh und auch einige andere Konzepte ahmen das Barfußlaufen nach, das uns
trotz aller Gewöhnung an die moderne Lebensweise fehlt. Würden wir uns nicht schon
von Kindesbeinen an durch unpassendes
Schuhwerk schaden, hätten wir im späteren
Lebensalter viele der üblichen Probleme an
Rücken, Gelenken oder Füßen nicht. Des Weiteren ist MBT prädestiniert bei konkreten Beschwerden am Bewegungsapparat mit so
genanntem propriozeptiven Training die
Muskelketten zu bahnen bzw. die Koordination der Muskeln wieder herzustellen.
Der MBT-Schuh (Masai Barfuß Technologie), in Deutschland
von Biodyn vertrieben, ist das bekannteste Barfuß-Konzept.
Es soll vorrangig Trainings- und therapeutischen Zwecken
dienen. Herzstück ist die funktionelle, instabile Sohle, die
auf hartem, glatten Boden das Laufen auf natürlichem
Untergrund wie etwa Sand nachahmt. Wichtige Effekte sind
u. a. die Aufrichtung des gesamten Körpers um ca. 10° und
die Verbesserung der sensomotorischen Eigenschaften. Der
MBT ist auch als Freizeit- oder Business-Variante erhältlich.
Was halten Sie von anderen Konzepten wie
etwa Nike Free oder Vibram Five Fingers?
Alle diese Konzepte gehen „back to the
roots“ und zielen auf das ursprüngliche Barfußlaufen ab, jedoch immer mithilfe eines
anderen Systems. Auch
den Nike Free würde ich
auf keinen Fall als Alltagsschuh und auch nicht
als Running-Schuh empfehlen, genauso wie der
MBT ist er ebenfalls ein
Trainingsgerät und muss
dosiert eingesetzt werden.
Was würden Sie Interessierten in Sachen Barfuß-Technologie allgemein raten?
Ganz bewusst an die Sache herangehen, ist siTorsten Schröder
cher das wichtigste. Interessierte sollten sich zu
diesem sehr vielschichtigen Thema von einem Spezialisten genau beraten lassen. Barfußlaufen bzw. Gehen in Schuhen mit BarfußTechnologie ist sinnvoll, aber nur, wenn wir
uns langsam daran gewöhnen.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Fragen stellte Anja Weiffen
Ebenfalls der Nike Free simuliert das Barfußlaufen, einerseits durch seine segmentierte Sohle, andererseits durch
sein sehr flexibles Obermaterial. Durch die geänderte
Anordnung der tiefen Flexkerben in der Sohle drücken sich
Läufer nicht mehr wie in konventionellen Schuhen über die
Außenkante, sondern in natürlicher Weise über die Großzehe ab. Dadurch werden Fuß- und Unterschenkelmuskel
aktiviert und gekräftigt, die u. a. die Pronation kontrollieren.
Außerdem erhöht sich dabei die Flexibilität der Fußgelenke.
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Was sind diese negativen Auswirkungen?
Durch die spezielle MBT-Sohle wird eine Art
schiefe Ebene erzeugt, wie dies auch in der
Therapie mit so genannten Wackelbrettern
geschieht. Der Körper antwortet darauf mit
verstärkter Muskelaktivität. Wenn dies jedoch zu lange geschieht, ist der Körper überlastet, weil er durch die lange Anpassung an
die modernen Lebensgewohnheiten gar
nicht mehr auf so eine Anforderung vorbe-
reitet ist. Länger als eine Stunde kann der
Mensch diese Situation muskulär nicht mehr
leisten und vergisst nach einer Stunde, auf
seine gelernte MBT-Haltung zu achten. Der
so gut gemeinte positive Ansatz verkehrt
sich dadurch in sein Gegenteil.
Darüber hinaus belegen Studien, dass etwa
der vordere Schienbeinmuskel, der zum Gehen wichtig ist, durch das MBT-Konzept weniger beansprucht wird. Auch gibt es Hinweise, dass sich durch das falsche Tragen eines MBTs ein Hallux valgus – eine
Schiefstellung der Großzehen und Verbreiterung im Ballenbereich, wie sie häufig bei
Frauen mit zu engen Schuhen zu finden ist –
verstärken kann.
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Herr Schröder, ich weiß, dass Sie sich als
Biomechaniker auch krititsch mit BarfußTechnologie-Konzepten auseinandersetzen. Was halten Sie vom MBT-Schuh?
Der MBT wird oft als Wunderschuh dargestellt. Das ist aber eine allzu verklärte Sichtweise und muss differenzierter betrachtet
werden. Es gibt in Fachkreisen Befürworter
und Gegner dieses Schuhkonzeptes, die Realität liegt wie so oft in der Mitte. Der MBTSchuh ist eigentlich als Trainingsgerät konzipiert worden, das nur eine halbe bis eine
Stunde am Tag getragen werden sollte. Leider wird MBT in der letzten Zeit verstärkt
auch als Alltagsschuh vermarktet und immer
weniger Wert auf die korrekte Gangart gelegt, wie sie in den dafür extra angedachten
Schulungen gelehrt wird. Das zieht allerdings
negative Konsequenzen nach sich, mit denen
wir es in unserer Praxis vermehrt zu tun bekommen.