M E D I Z I N R E P O R T Infektiöse Proben Was beim Transport zu beachten ist Das Untersuchungsmaterial auf das Vogelgrippevirus A/H5N1 muss zahlreichen Vorschriften entsprechen, um eine Gefährdung des Personals und der Allgemeinheit auszuschließen. B ei der Bekämpfung von neuen – und wieder an Bedeutung gewinnenden – Infektionserregern gehören die Entnahme, der Transport und die Untersuchung von Proben zu den wichtigen antiepidemischen Maßnahmen. Das gilt sowohl für das Vogelgrippevirus A/H5N1 als Tierseuche als auch für einen eventuellen Übergang der Zoonose auf den Menschen. In beiden Fällen muss der Probentransport dem jeweiligen Risiko entsprechend angemessen sicher,mit den geltenden Vorschriften konform und praktikabel gestaltet werden. Überzogene Sicherheitsanforderungen an den Probentransport nützen nichts, wenn sie die notwendige Diagnostik und den epidemiologischen Erkenntnisgewinn so behindern, dass erforderliche antiepidemische Maßnahmen zu spät eingeleitet werden. Ebenso besteht keine Veranlassung, jede akute respiratorische Erkrankung (ARE) eines Patienten als „Verdacht auf Vogelgrippe“ einzustufen und auf Influenza A/H5N1 untersuchen zu lassen. Zur Erinnerung: Der Verdachtsfall „aviäre Influenza“ beim Menschen ergibt sich durch die Kombination klinischer und epidemiologischer Kriterien: Klinisches Bild Vorliegen aller drei Kriterien: ❃ akuter Krankheitsbeginn mit Fieber (> 38,0 °C) ❃ Husten oder Dyspnoe oder ❃ Tod durch unklare respiratorische Erkrankung Epidemiologische Exposition Eine epidemiologische Exposition liegt vor, wenn mindestens eines der folgenden Kriterien erfüllt ist: ❃ Aufenthalt in einem Gebiet (gemäß Vorgaben der Welttiergesundheitsorganisation oder in Deutschland des Friedrich Löffler-Instituts) mit aktuellem Vorkommen aviärer Influenza bei Geflügel oder Wildvögeln und a) bei direktem Kontakt mit krankem oder totem Geflügel beziehungsweise Wildvögeln oder ❃ bei Tätigkeiten auf einer betroffenen Geflügelfarm oder ❃ bei direktem Kontakt mit einem menschlichen wahrscheinlichen oder bestätigten Erkrankungsfall oder ❃ Laborexposition (Untersuchungen auf Influenza-Virus A/H5). Das Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin veröffentlicht auf seiner Webseite unter www.rki.de die jeweils aktuell geltende Falldefinition. Ein „Verdachtsfall aviäre Influenza“ im Sinne der Falldefinition liegt vor, wenn sowohl das klinische Bild erfüllt als auch die epidemiologische Exposition gegeben ist. Zur weiteren Abklärung sind respiratorische Proben (Rachen- und Nasen- ⏐ Jg. 103⏐ ⏐ Heft 24⏐ ⏐ 16. Juni 2006 Deutsches Ärzteblatt⏐ abstrich) zu entnehmen, die auf Influenza A/H5N1 untersucht werden. Hinweise zu Schnelltests gibt das RKI auf seiner Homepage unter www.rki.de/cln_006/nn_527010/DE/Con tent/InfAZ/A/AviaereInfluenza/Emp fehlungen.html_nnn=true. Bei positivem Schnelltest-Ergebnis sollte entsprechendes Probenmaterial zur weiteren Differenzierung und Bestätigung dann an das Nationale Referenzzentrum für Influenza am Robert Koch-Institut gesandt werden. Infektiöse Proben fallen unter das Gefahrengutrecht Der Transport von infektiösem medizinischem oder veterinärmedizinischem Untersuchungsmaterial über öffentliche Verkehrswege – zum Beispiel von der Arztpraxis ins Labor – fällt un- Internationale Klassifizierung und Kodierung der Influenza durch Vogelgrippeviren Bis zum Oktober 2005 war in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) die Diagnose „Grippe durch nachgewiesene Vogelgrippe-Viren“ nicht vorgesehen. Damit eine mögliche Übertragung des Vogelgrippevirus auf einen Menschen früh erkannt wird und möglichst zeitnah Maßnahmen ergriffen werden können, hat die WHO auf der Jahrestagung der Kooperationszentren für die Medizinische Klassifikation 2005 in Tokio die Einführung des Kodes J 09 veranlasst. Der Kode trat im Oktober 2005 mit sofortiger Wirkung in Kraft und wurde in die deutsche Fassung übernommen (ICD-10-GM-2006). Mit Gültigkeit vom 6. März 2006 wurde diese Diagnose J 09 zur Präzisierung um den zu- sätzlichen Satz „Grippe durch Influenza-Viren, die normalerweise nur Vögel infizieren, und weniger häufig, sonstige Tiere“ ergänzt. Die WHO kommentiert den erläuternden Hinweistext sinngemäß auf diese Weise: „Die Einstufung, ob Viren normalerweise eine spezielle Spezies infizieren, legen die dafür zuständigen Behörden für Epidemiologie fest. Zurzeit ist H5N1 ein Virus, das die Kriterien des Codes J 09 erfüllt.“ Die zuständige Kodierungsstelle in Deutschland, das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI), Köln, hat den Kode im Rahmen des Revisionsprozesses für die Version 2007 der ICD-10-GM aufgenommen. A 1649 M E D I Z I N R E P O R T Foto: PASIEKA/SCIENCE PHOTO LIBRARY ter das Gefahrgutrecht. Sicherheit und Abstriche, Blut- und GeVerantwortung webeproben oder AusZu beachten ist, dass die Verscheidungen, beispielsweiwendung der Sicherheitsverse Sputum, gelten dabei packungen der Norm P 650 als „Diagnostische Pronicht von den Anforderunben“. Bei ihrer Einsendung gen der §§ 1a und 6 der mit dem allgemeinen UnGefahrgutbeauftragten-Vertersuchungsziel „Influenza“ ordnung befreit. Die Absen(Risikogruppe 2 laut Bioder diagnostischer Proben stoffverordnung) – also der UN-Nr. 3373, wie Arztvon „normalen“ ARE-Papraxen oder Krankenhäutienten – ist eine gefahrser, sind zwar nicht vergutrechtliche Klassifiziepflichtet, dafür einen Gerung nach ADR 2, 1 2005 als Kategorie B, UN 3373, unfahrgutbeauftragten zu bestrittig. stellen, müssen jedoch die Proben von Menschen mit dem Versand und der mit Verdacht auf aviäre InBeförderung beauftragten fluenza A/H5N1 („VogelMitarbeiter als „beauftragte grippe“) können nach eiund sonstige verantwortliner unter Berücksichtigung che Personen“ aktenkundig infektiologischer, sicherüber ihre Sorgfaltspflichten heitsrelevanter und gefahrund die ihnen übertragene Das A/H5N1-Virus kann seine Oberflächenstruktur immer wieder neu an gutrechtlicher Aspekte geVerantwortung belehren. den Wirt anpassen und damit sein Überleben sichern. troffenen KlassifizierungsZu den Sorgfaltspflichempfehlung des RKI gleichten beim Versand infektiöfalls als Kategorie B, UN 3373, klassifi- Folgendes zu beachten: Untersuchungs- ser Materialien gehören zum Beispiel ziert werden. Damit sind erleichterte materialien der UN-Nr. 3373 sind ord- das ordnungsgemäße Verschließen der Bedingungen für den Transport mög- nungsgemäß in Sicherheitsverpackun- Primär-, Sekundär- und Umverpackung lich. Das ADR 2005 bietet darüber hin- gen der Norm P 650, im einschlägi- der P 650 und die Vermeidung jegliaus die rechtliche Voraussetzung, auch gen Handel erhältlich, zu verpacken cher äußerer Kontamination der drei Kulturen für diagnostische Zwecke, und als „Diagnostische Probe“, mit der Verpackungsteile durch das Probendas heißt aus diagnostischen Proben ge- UN-Nr. 3373 sowie der Angabe von material. Diese vom verantwortlichen wonnene Virusisolate, in geringer Men- Absender und Empfänger zu kenn- Arzt, der beauftragten Schwester, dem ge zur weiteren Diagnostik in glei- zeichnen. Laborleiter oder -mitarbeiter wahrzuDie Anwendung der Verpackungsan- nehmende Sorgfalt und Verantwortung cher Weise einzustufen. Entsprechend einer Abstimmung zwischen dem RKI, weisung P 650 befreit den Absender – ist im Interesse des Infektionsschutzes dem Friedrich Löffler-Institut und dem eine Arztpraxis oder ein Krankenhaus – umso bedeutungsvoller, je kontagiöser Bundesinstitut für Risikobewertung vom von den sonstigen Anforderungen der die in den Proben enthaltenen Erre23. März 2006 werden auch diagno- Gefahrgutbestimmungen des ADR ger sind. stische Proben von Vögeln und ande- beim Straßentransport oder der IATA Insbesondere, wenn es zu einer ren Tieren als Kategorie B, UN 3373, beim Lufttransport. Das betrifft zum Mensch-zu-Mensch-Übertragbarkeit Beispiel die Befreiung von speziellen des H5N1-Virus kommen sollte und klassifiziert. Anforderungen an den Kurierfahrer, an es darum geht, eine epidemische oder die Ausrüstung der Fahrzeuge oder den gar pandemische Ausbreitung zu verRegelungen für Verpackung Verzicht auf ein spezielles Beförde- hindern und durch entsprechende Larungspapier. boruntersuchungen epidemiologisch zu Bei einer Einsendung diagnostischer Beim Postversand als Maxibrief wer- überwachen, wird deutlich, dass in Patientenproben vom Menschen – zum den nach den „Regelungen für die Be- keinem Fall vom beförderten ProbenBeispiel an das Nationale Referenz- förderung von ansteckungsgefährlichen material eine Infektionsgefahr für die zentrum für Influenza am RKI – ist Stoffen – Brief NATIONAL –“ der Betroffenen und die Allgemeinheit ausDeutschen Post AG jedoch aus Si- gehen darf. 1 Thurm V, Just H-M, Mauff G, Schoeller A, Tschäpe H: cherheitsgründen bauartgeprüfte VerVersand von medizinischem Untersuchungsmaterial – packungen und als Umverpackung eine Priv.-Doz. Dr. med. Volker Thurm sicher und vorschriftenkonform (Dtsch Arztebl 2003; 100 starre Außenverpackung (formstabile Robert Koch-Institut, Wernigerode [47]: A 3124–7) 2 Europäisches Übereinkommen über die internationale Faltschachtel) gefordert, die gleichfalls Dr. med. Annegret E. Schoeller Bundesärztekammer, Berlin im Fachhandel erhältlich sind. Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) A 1650 ⏐ Jg. 103⏐ ⏐ Heft 24⏐ ⏐ 16. Juni 2006 Deutsches Ärzteblatt⏐
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