J. Richard Block/ Harald E.Yuker Ich sehe was, was du nicht siehst 250 optische Täuschungen und visuelle Illusionen Aus dem Amerikanischen von Andreas Rendl Buch Vexier- und Suchbilder, Phantombilder, visuelle Nachwirkungen, Verzerrung und scheinbare Bewegung: Optische Täuschungen sind Fehler in der Wahrnehmung, Fehlinterpretationen der Sinneseindrücke, die das Auge empfängt. Wissenschaft, Magie, Kunst und Philosophie waren von diesem Bereich schon immer gleichermaßen fasziniert. In diesem Buch wird der Wirklichkeit des Sehens in rund 250 außergewöhnlichen Abbildungen auf den Grund gegangen. Warum sehen wir, was wir sehen? Wie werden unsere Wahrnehmungsmuster in Werbung, Technik und im Alltag ausgenutzt? Die Autoren erklären anhand der Abbildungen, wie z. B. Raumwahrnehmung und das Schätzen von Entfernungen funktionieren und wie man die Wahrnehmung täuschen kann. Auf spielerische und höchst unterhaltsame Weise werden hier die Tücken und Tugenden des Sehsinns veranschaulicht. Für alle, deren Neugier über die Grenzen des Alltäglichen hinausgeht. Autoren J. Richard Block ist Professor für Psychologie an der Hofstra University, Hempstead, New York. Harold E. Yuker war dort ebenfalls Professor für Psychologie. Inhalt 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 Mehrdeutige Darstellungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15 Wechselwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 Suchbild/Vexierbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 Phantombilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 Visuelle Nachwirkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 Scheinbare Bewegung und subjektive Farben . . . . . . . . 87 Unmögliche Objekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 Formverzerrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Größenverzerrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 Längenverzerrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 Konstanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 Entfernungsschätzung und Raumwahrnehmung . . . . . . 161 Visuelle Beachtung und Wahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . 175 Apperzeption oder bewusstes Erfassen von Wahrnehmungsinhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 Auf den Kopf gestellt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 Zwei Augen sehen besser als eines . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Andere Täuschungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 Quellennachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 1 Einleitung Dieses Buch ist nicht nur zum Lesen gedacht. Um wirklich Vergnügen daran zu haben, sollten Sie viele Dinge tun, die Sie mit anderen Büchern nicht machen. Bei einigen Beispielen im Kapitel 16 sollten Sie es verkehrt herum halten und nach links und rechts drehen. In anderen Kapiteln müssen Sie das Buch nach rechts oder links drehen, um etwas erkennen zu können. Für die Kapitel 9, 10 und 11 benötigen Sie ein Lineal, um sich selbst davon zu überzeugen, dass das, was Sie sehen, nicht richtig ist. Im Kapitel 6 können Sie nicht einfach einen kurzen Blick auf die Abbildungen werfen, um die Sinnestäuschung wahrzunehmen. Sie sollten annähernd 30 Sekunden lang genau hinsehen und dann nicht in das Buch schauen, sondern Ihren Blick auf ein leeres Blatt Papier, eine Wand oder einen anderen neutralen Hintergrund richten, um die Wirkung zu erkennen. Bei den meisten Beispielen im Kapitel 17 müssen Sie schielen, wenn Sie die optischen Täuschungen erkennen wollen. Sie drehen sich vom Buch weg, um hinter zwei Tricks im Kapitel 5 zu kommen (5.18 und 5.19), aber um zwei andere in Kapitel 18 zu erkennen (18.15 und 18.16), sollten Sie es fast gegen Ihre Nase drücken. Um manche Täuschungen zu erkennen, muss man die Abbildungen fotokopieren, auf ein Stück Karton kleben und dann um eine Büroklammer drehen, wie beispielsweise in den Kapiteln 6 und 7 (6.8, 6.9, 7.6, 7.7 und 7.8). Eine andere optische Täuschung ist nur wahrnehmbar, indem Sie durch ein winziges Loch schauen. Wenn Sie das Buch leicht hin und her bewegen, werden Sie die optischen Täuschungen 7.1, 7.2, 18.9 und 18.10 erkennen, wäh- 8 Einleitung rend Sie es bei 12.8, 12.9 und 17.9 von sich wegdrehen, bis es fast waagerecht vor Ihnen liegt und Sie die optischen Täuschungen von der Seite betrachten. Ein paar sind »Einwegtäuschungen«, d. h. einmal dahinter gekommen, ist der Reiz des Neuen vorbei. In vielen Fällen sehen Sie niemals wieder, was Sie zu sehen glaubten, bevor Sie den optischen Trick erkannten! Bei diesen Beispielen bleibt Ihnen aber der Spaß, sie Ihren Freunden zu zeigen. Andere Tricks dagegen funktionieren immer: Obwohl Sie wissen, dass Ihre Wahrnehmung falsch ist, sind Sie außer Stande, sie zu ändern! In diesem Sinn können Sie sich mit diesem Buch immer wieder beschäftigen. Unser Buch hat eigentlich keinen Anfang, keine Mitte und kein Ende. Mit wenigen Ausnahmen kann jedes Kapitel für sich alleine stehen, und selbst an jeder einzelnen Abbildung kann man unabhängig von den anderen seinen Spaß haben. Sie können irgendwo anfangen und entweder nach vorne oder nach hinten blättern. Im Wesentlichen ist dies ein Buch über das Sehen. Das Sehen ist eines der wichtigsten Mittel, Informationen aus der Welt um uns herum zu erhalten. Aber was ist Sehen? Es ist ein Prozess, bei dem wir elektromagnetische Energie durch die Augen aufnehmen. Diese Energie bewegt sich in Wellen von sehr unterschiedlicher Länge. Einige dieser elektromagnetischen Wellen, die so genannten Gammawellen, sind extrem kurz und messen nur ungefähr ein 10milliardstel Meter! Im Gegensatz dazu sind andere rund 29 Kilometer lang! Das sind die elektromagnetischen Wellen, die für transozeanische Übertragungen verwendet werden. Dazwischen liegen die Röntgen-, Infrarot- und Kurzwellen sowie die normalen Rundfunkwellen. Die vom Auge wahrnehmbaren Wellen machen das sichtbare Spektrum aus. Sie sind relativ kurz, nur etwas länger als Röntgenstrahlen, und haben eine Länge zwischen 350- und 750-milliardstel Meter. Die Rezeptoren des Auges sind empfänglich für diese Strahlung, so, wie ein Radioempfänger auf entsprechende Einleitung 9 Wellenlängen reagiert, allerdings bei einer Bandbreite von rund 160 bis 550 Meter. Sinneseindrücke entstehen, wenn diese Energie vom Auge empfangen und an das Gehirn weitergeleitet wird. Die Rezeptoren des Auges, Stäbchen und Zapfen genannt, wandeln die Energie in Nervenreize um und senden sie an das Gehirn weiter. Das Gehirn verbindet diese Reize mit anderen Gehirnvorgängen; das nennt man Wahrnehmung. Dieses Buch handelt von optischer Wahrnehmung – also der Interpretation des sichtbaren Spektrums. Aber es soll kein Lehrbuch sein. Gelegentliche Erklärungen optischer Grundsätze gehen aus mehreren Gründen nicht sehr in die Tiefe. Einerseits wollten wir das Buch nicht nur für Fachleute, sondern speziell für Laien attraktiv machen. Andererseits kann man sich viele Prinzipien, die den Darstellungen zu Grunde liegen, auch heute noch nicht genau erklären, obwohl, wie Sie sehen werden, viele optische Täuschungen schon über hundert Jahre alt sind und einige sogar mehrere tausend Jahre. Außerdem sind Erklärungen oft sehr kompliziert und erfordern Fachwissen. Dieses Buch behandelt viele vergnügliche und interessante Bereiche des Sehens. Wir haben versucht, uns mehr auf die optischen Phänomene zu konzentrieren, von denen wir annehmen, dass sie faszinierender sind als eine vollständige Darstellung. Wir bringen zahlreiche Beispiele, konzentrieren uns aber auf die Täuschungen. Optische Täuschungen sind Fehler in der Wahrnehmung. Sie sind die Interpretation von Reizen, die nicht den von den Augen empfangenen Sinneseindrücken entsprechen. Wenn wir eine optische Täuschung betrachten, so nehmen wir etwas wahr, das in Wirklichkeit gar nicht existiert. Optische Täuschungen führen uns an der Nase herum, überzeugen uns von falschen Dingen. Das Interessante dabei ist, dass es uns Spaß macht, so getäuscht zu werden! 10 Einleitung Zauberkünstler arbeiten ständig mit optischen Illusionen. Deshalb werden sie auch als Illusionisten bezeichnet. Berühmte Zauberkünstler, wie der großartige Harry Houdini, geben zu, dass sie Illusionen erzeugen. Sie tun nichts Unmögliches, sie täuschen bloß vor, es zu tun. Optische Täuschungen sind etwas anderes als Halluzinationen oder Wahnvorstellungen. Sie sind Fehler in der Wahrnehmung der meisten Menschen und entstehen auf Grund eines spezifischen Reizes unter bestimmten Bedingungen. Experimente mit Tieren haben gezeigt, dass mehrere Säugetier- und Vogelarten genauso optischen Täuschungen unterliegen wie wir. Aber nicht alle Menschen lassen sich täuschen. Angehörige von Kulturen, die beispielsweise kaum gerade Linien und Winkel kennen, würden sich von einigen Abbildungen in diesem Buch nicht hereinlegen lassen. Dagegen haben nur einzelne Personen Halluzinationen. Sehr oft sind es Menschen, die an bestimmten Geisteskrankheiten leiden oder unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol stehen. Halluzinationen sind Fehler in der Wahrnehmung, die nicht durch entsprechende äußere Reize ausgelöst werden, während optische Täuschungen Fehlinterpretationen von äußeren Reizen sind, die tatsächlich existieren. Obwohl wir nur optische Täuschungen beschreiben und darstellen, können Täuschungen und Halluzinationen alle unsere Sinne ansprechen – das Sehen, das Gehör, den Tast-, Geschmacks- oder Geruchssinn. Wahnvorstellungen unterscheiden sich sowohl von Sinnestäuschungen als auch von Halluzinationen. Sie sind Einbildungen, nicht Wahrnehmungen. Wie Halluzinationen treten sie häufig bei psychisch kranken Menschen auf. Jemand mag an Größenwahn (er hält sich für eine große Persönlichkeit) oder an Verfolgungswahn (er glaubt, ein anderer oder etwas anderes will ihm schaden) leiden, selbst wenn in Wirklichkeit nichts für diese Einbildung spricht. Bei vielen alltäglichen Wahrnehmungen spielen Sinnestäu- Einleitung 11 schungen eine Rolle, und doch sind sich die meisten Menschen dessen nicht bewusst: Vieles von dem, was wir wahrnehmen, entspricht nicht dem Reiz, der unsere Sinnesorgane stimuliert. So wird zum Beispiel eine Person, die sich von uns wegbewegt, nicht kleiner, selbst wenn ihr Abbild in unseren Augen rasch an Größe verliert. Dennoch haben Anthropologen von Stämmen berichtet, die von diesem Phänomen verblüfft waren, als sie es zum ersten Mal beobachteten. Wir unterliegen beispielsweise perspektivischen Täuschungen in der Malerei, bei dreidimensionalen Filmen, Stereoskopen und Holografien, obwohl sie uns auf einem zweidimensionalen Untergrund gezeigt werden. Die Sache mit der Größe des Mondes im Kapitel 10 ist eine ähnliche optische Täuschung, die wir in der Natur finden. Der Mond erscheint nahe am Horizont ziemlich groß, wirkt aber wesentlich kleiner, wenn er hoch am Himmel steht. Philosophen und Wissenschaftler haben sich seit Ptolemäus (einem Astronomen, der im 2. Jahrhundert in Alexandrien lebte) um eine Erklärung bemüht. Sehr eindrucksvolle Täuschungen ergeben sich durch Größen und Gewichte. Da man dazu Behälter braucht, konnten wir sie nicht ins Buch aufnehmen, aber wir beschreiben sie, damit Sie sie ausprobieren und Ihren Freunden vorführen können. Nehmen Sie einen Aktenkoffer, eine kleine Reisetasche und einen großen Koffer. Packen Sie in den Aktenkoffer schwere Sachen, beispielsweise Bücher. Nachdem Sie das Gewicht festgestellt haben, legen Sie Bücher mit identischem Gewicht in die Reisetasche und in den Koffer. Bitten Sie jemanden, die Gepäckstücke nacheinander zu heben und Ihnen zu sagen, welches das schwerste ist. Wir garantieren Ihnen, dass der Aktenkoffer für viel schwerer gehalten wird, obwohl auch die Reisetasche und der Koffer das gleiche Gewicht haben. Zum Teil lässt sich das mit unseren Erwartungen erklären. Wenn wir das große Gepäckstück sehen, bereiten wir unsere Muskeln darauf vor, etwas Schweres zu heben. Wenn es nur zu einem Teil gefüllt ist, hebt man es leicht. Andererseits erwarten wir bei dem 12 Einleitung schmalen Aktenkoffer keinerlei Schwierigkeiten und sind über das Gewicht erstaunt. Mit Essbehältern lässt sich der gleiche Effekt erzielen. Nehmen Sie zum Beispiel Dosen mit 1/4, 1/2 und 1 Liter Fassungsvermögen. Füllen Sie Erde oder Kieselsteine in jede Dose, so dass alle drei exakt das gleiche Gewicht haben, und umwickeln Sie sie mit Alufolie. Die meisten Menschen werden schwören, dass die kleinste Dose am meisten und die größte am wenigsten wiegt. Obwohl Sie selbst sie präpariert haben, werden auch Sie vielleicht daran zweifeln, dass alle das gleiche Gewicht haben! Die Wahrnehmung kann auch auf andere Weise verzerrt werden. Eine dieser Verzerrungen kommt von der selektiven Wahrnehmung. Selektive Wahrnehmung ist das Ergebnis des Einflusses persönlicher Faktoren auf die Wahrnehmung. Was jemand wahrnimmt, spiegelt das Erlernte, seine gegenwärtige geistige Verfassung und das, was gerade »da draußen« geschieht, wider. Ein Konservativer und ein Sozialdemokrat, die derselben politischen Rede zuhören, werden verschiedene Dinge heraushören und sich an Unterschiedliches erinnern. Fragt man sie nachher, so ist es kaum zu glauben, dass beide dieselbe Rede gehört haben. Hat man sich diese verschiedenen Beeinträchtigungen der Wahrnehmung einmal bewusst gemacht, dann sollte man weniger seinen Augen trauen – oder jedem anderen seiner Sinne. Was man wahrnimmt, entspricht nicht immer der Wirklichkeit. Optische Täuschungen stehen in engem Zusammenhang mit der Art und Weise, wie das Gehirn die aufgenommene Information verarbeitet. Es erhält Reize vom Auge und versucht, der Information eine sinnvolle Bedeutung zu geben. Andere Faktoren, wie frühere Erfahrungen und das gesamte optische Umfeld, zusammen mit dem betrachteten Gegenstand sowie unserer Bereitschaft, bestimmte Informationen zu empfangen, spielen eine wichtige Rolle bei der Interpretation. Dieser Prozess umfasst gewöhnlich zwei Schritte. Zuerst wird die Aufmerksamkeit auf einen Gegenstand gelenkt, und dann wird Einleitung 13 ihm eine Bedeutung gegeben. Dieses Buch bringt Beispiele für diese Faktoren, von denen viele in Werbung, Kunst, Mode, Design und Bühnenbildnerei wichtig sind. In Wirklichkeit gehen einige dieser elementaren Grundsätze über das Sehen hinaus, manche stehen im Zusammenhang mit dem Gehör und andere mit dem Sozialverhalten. Obwohl wir rund 250 Abbildungen von optischen Täuschungen in diesem Buch zeigen, handelt es sich nicht um eine erschöpfende Darstellung. Einige, wie die zuvor beschriebenen im Zusammenhang mit Größe und Gewicht, erfordern Darstellungen, die über die Grenzen eines Buches hinausgehen. Andere sind keine optischen Täuschungen. Sie betreffen das Gehör, den Tastsinn oder andere nichtoptische Sinneseindrücke. Wie zuvor erwähnt, funktionieren nicht alle Täuschungen jederzeit. Es mag einige geben, die Sie selbst oder Ihre Freunde nicht sehen, oder solche, die eine Person erkennt, eine andere dagegen nicht. Es gibt keine Erklärung für diese Unterschiede in der Wahrnehmung. Trotzdem glauben wir, dass Ihnen die Darstellungen der optischen Täuschungen viele schöne und lustige Stunden bereiten werden. 2 Mehrdeutige Darstellungen Die erste Gruppe von optischen Täuschungen, die wir vorstellen möchten, gehören zu denjenigen, die immer funktionieren. Auch wenn Sie die Täuschungen einmal erkannt haben, bestehen sie weiter. In jeder Zeichnung dieses Kapitels stecken mindestens zwei verschiedene Darstellungen. Vielleicht sehen Sie anfangs nicht beide. Damit Sie sie voneinander unterscheiden können, haben wir ein paar Stichworte beigefügt. Haben Sie einmal jede separate Figur erkannt, werden Sie kaum Schwierigkeiten haben, beide oder – wie in einem Fall – alle drei Figuren zu sehen. Manche Menschen sehen anscheinend nach den ersten Erklärungen nur eine der zwei oder drei Figuren. Sie wünschen zusätzliche Hinweise, um auch die anderen zu erkennen. Das Faszinierende bei mehrdeutigen Darstellungen ist, dass, wenn Sie einmal beide Figuren gesehen haben, es unmöglich ist, den Blick nur auf eine zu richten, ohne dass die andere von Zeit zu Zeit »dazwischenspukt«. Wenn Sie die unterschiedlichen Formen erkannt haben, werden Sie beide Bilder gleichwertig sehen; keines dominiert dann das andere. Das veranschaulicht, welch wichtige Rolle das Lernen bei der Wahrnehmung von optischen Täuschungen spielt. Andererseits wissen Sie zwar, dass es zwei Bilder in einem sind, Sie können sie aber nicht beide gleichzeitig sehen! 16 Mehrdeutige Darstellungen Abb. 2.1 – Ein Eskimo? Ein Indianerkopf? Abbildung 2.1 heißt die Wilson-Figur. Sie zeigt gleichzeitig einen Eskimo und einen Indianerkopf. Der dunkle Bereich rechts stellt den Eingang zu einem Iglu dar, ein Eskimo ist ihm zugewandt. Dieser dunkle Bereich kann aber auch als Kopfschmuck eines Indianers gesehen werden. Das Ohr des Indianers bildet den Arm des Eskimos, und die Beine des Eskimos sind gleichzeitig der Hals des Indianers. Abb. 2.2 – Ein Hase? Eine Ente? Abbildung 2.2 kann entweder als Hase oder als Ente gesehen werden, je nachdem, ob man sie als nach rechts oder links schauend ansieht. Der Entenschnabel wird zu den Löffeln des Hasen. Diese Figur wurde um 1900 von einem Psychologen namens Joseph Jastrow entwickelt. Mehrdeutige Darstellungen 17 Abb. 2.3 – Ist das eine Gans oder ein Falke? Der Vogel in Abbildung 2.3 ist eine Gans oder ein Falke. Das hängt davon ab, in welche Richtung wir ihn »fliegen lassen«. Der lange Hals der nach links fliegenden Gans wird zum Schwanz des nach rechts fliegenden Falken. Abb. 2.4 – Seehund oder Esel? Die Abbildungen 2.4, 2.5 und 2.6 zeigen mehrdeutige Darstellungen mit zwei Enden (Fisher, 1968). Abbildung 2.4 ist entweder ein Seehund oder ein Esel. Die Flossen des Seehundes ragen in die Höhe und sind gleichzeitig die Ohren des Esels. Die Nasenlöcher des Esels sind die Augen des Seehunds. 18 Mehrdeutige Darstellungen Abb. 2.5 – Ente oder Eichhörnchen? Abbildung 2.5 zeigt eine Ente von vorne oder ein Eichhörnchen von hinten. Die Schwanzfedern der Ente bilden den Kopf des Eichhörnchens, während der Kopf der Ente gleichzeitig der Schwanz des Eichhörnchens ist. Abb. 2.6 – Hase oder Indianer? Abbildung 2.6 zeigt entweder einen Hasen oder den Hinterkopf eines Indianers. Der Kopf und die Löffel des Hasen bilden das Haarband und die Feder auf dem hinteren Teil des Indianerkopfes. Mehrdeutige Darstellungen 19 Abb. 2.7 – Ehemann und Schwiegervater 1961 wurde eine Zeichnung mit dem Titel Ehemann und Schwiegervater veröffentlicht, die hier in der Abbildung 2.7 zu sehen ist (Botwinick, 1961). Der alte Mann ist im Profil zu sehen, die dunklen Flächen sind der aufgestellte Kragen seines Mantels. Seine Nase ist die Kinnspitze des jungen Mannes, der den Kopf weggedreht hält. Die fast horizontale Linie in der Mitte des Bildes ist sowohl der Mund des alten als auch das Halsband des jungen Mannes. 20 Mehrdeutige Darstellungen Abb. 2.8 – Ein junges Mädchen? Eine alte Frau? Sehen Sie eine alte Frau oder ein junges Mädchen in der Abbildung 2.8? Beide sind dargestellt. Betrachten Sie die Nasenspitze der alten Frau als Kinn des jungen Mädchens oder umgekehrt. Die alte Frau ist in ihrem ganzen Profil zu sehen, während sich das junge Mädchen um eine Vierteldrehung vom Betrachter abwendet. Diese optische Täuschung wurde erstmals im Jahre 1915 in der Zeitschrift Puck unter dem Titel Meine Frau und meine Schwiegermutter veröffentlicht (Hill, 1915). Mehrdeutige Darstellungen 21 Abb. 2.9 – Mutter, Vater und Tochter 1968 entwickelte ein anderer Psychologe eine mehrdeutige Figur, die aus drei Gesichtern besteht, indem er sich derselben Technik bediente. Er gab ihr den Namen Mutter, Vater und Tochter (Fisher, 1968). Der kleine dunkle Fleck in der Mitte der Figur dient als das Auge des Vaters. Er schaut nach rechts, hat eine lange Nase und einen herabhängenden Schnurrbart. Der Fleck, der dem Vater als Auge dient, ist gleichzeitig das linke Auge der Mutter. Sie schaut nach links, hat einen kleinen Mund mit schmalen Lippen und eine große Nase. Ihre Nasenspitze ist gleichzeitig die Spitze des Kinns ihrer Tochter. Auch die Tochter blickt nach links, sie hat eine schmale Nase, der Nasenrücken fehlt in der Zeichnung. Der Fleck, der die Augen ihrer Eltern darstellt, ist ihr Ohr, und die Nase ihres Vaters wird zu ihrem schulterlangen Haar. 22 Mehrdeutige Darstellungen Abb. 2.10 – Mann oder Ratte? Eine weitere mehrdeutige Täuschung zeigt Abbildung 2.10 (Bugelski & Alampay, 1961). Sie kann als das Gesicht eines Mannes oder als Ratte gesehen werden. Die beiden kleinen runden Flächen links oben sind entweder die Ohren der Ratte oder die Brille des Mannes. Seine Nase ist der Kopf der Ratte, sein Kinn ihr Schwanz. Zeigt man Personen Bilder von Tieren und anschließend die Abbildung 2.10, neigen sie dazu, die Ratte zuerst zu sehen. Abb. 2.11 – Die Jungen aus Syrakus Der bekannte Karikaturist Al Hirshfeld zeichnete die mehrdeutige Abbildung 2.11, um für das Musical Die Jungen aus Syrakus zu werben. Es erschien im Theaterteil der New York Times vom 29. September 1963. Hirshfeld gelang es, die beiden Gesichter, eines sieht nach rechts, das andere nach links, so als ein einziges zu zeichnen, dass ein Junge vor dem anderen zu sein scheint. Und wenn man von Zeit zu Zeit hinsieht, entsteht der Eindruck, sie würden ihre Plätze tauschen (Kolers, 1964). SGS-COC-1940 Verlagsgruppe Random House FSC-DEU-0100 Das FSC-zertifizierte Papier Munken Print für Taschenbücher aus dem Goldmann Verlag liefert Arctic Paper Munkedals AB, Schweden. 1. Auflage Vollständige Taschenbuchausgabe April 2006 Wilhelm Goldmann Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH © 1996 Wilhelm Goldmann Verlag, München © 1993 der deutschsprachigen Ausgabe Buchgemeinschaft Donauland Kremayr & Scheriau, Wien, Bertelsmann Club, Gütersloh, Deutscher Bücherbund, Stuttgart, und die angeschlossenen Buchgemeinschaften Umschlaggestaltung: Design Team München Umschlagfoto: zefa/masterfile/Bob Anderson Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling Druck und Bindung: GGP Media GmbH, Pößneck Verlagsnummer: 16765 CH · Herstellung: Han Printed in Germany ISBN 10: 3-442-16765-5 ISBN 13: 978-3-442-16765-4 www.goldmann-verlag.de UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE J. Richard Block, Harold E. Yuker Ich sehe was, was du nicht siehst 250 optische Täuschungen und visuelle Illusionen Taschenbuch, Broschur, 240 Seiten, 12,5 x 18,3 cm ISBN: 978-3-442-16765-4 Mosaik bei Goldmann Erscheinungstermin: März 2006 In rund 250 außergewöhnlichen Abbildungen werden hier auf spielerische und höchst unterhaltsame Weise die Tücken des Sehsinns veranschaulicht. Warum sehen wir, was wir sehen? Wie werden unsere Wahrnehmungsmuster in Werbung, Technik und im Alltag ausgenutzt? Vexierbilder, Suchbilder und Verzerrungen – zum Ausprobieren, Lachen und Staunen.
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