Management Fußball und Management Sportlicher Vergleich Was Manager vom Fußball lernen können I st Ihr Team gut aufgestellt? Oder spielen Sie in einer anderen Liga? Fußballausdrücke haben es längst in die Wirtschaft geschafft. Einige Experten gehen weiter. NIEDERRHEIN MANAGER stellt zwei 76 Niederrhein Manager 06/12 lesenswerte Bücher zum Thema „Fußball und Management“ vor und verrät Ihnen, was Sie sich als Manager von Fußballtrainern wie Klinsmann oder Klopp abschauen können. Der Management-Berater Dr. Reinhard K. Sprenger vertritt in seinem Buch „Gut aufgestellt“ die These, dass Fußball nicht nur eine Metapher, sondern ein Modell für modernes Management ist. Sowohl Fußball als auch Wirt- Fußball und Management Management Fünf Faktoren für ein richtiges Goal-Setting Fassbarkeit: Ziele klar und spezifisch INFO definieren Herausforderung: Ziele auf einem angemessenen Niveau ansetzen Komplexität: Zielerreichung in sinnvolle Meilensteine gliedern Engagement: Mitarbeiter an Zielentwicklung beteiligen Feedback: Regelmäßig über Erwartungen, Schwierigkeiten und Fortschritte sprechen (Quelle: Voelpel/Lanwehr) Begrenzter Spielraum Erinnern Sie sich an die Europameisterschaft 2008? Im Spiel gegen Österreich verbannte der Schiedsrichter den deutschen Nationaltrainer Jogi Löw auf die Tribüne. Auch das Viertelfinale gegen Portugal musste der Chef aus der Ferne miterleben. Als Deutschland im Vorfeld diskutierte welche Auswirkungen dies haben könnte, gab Team-Manager Oliver Bierhoff bekannt: „Am wichtigsten ist ohnehin die Vorbereitung auf das Spiel und die wird mit Joachim Löw wie immer ablaufen. Außerdem haben wir genug erfahrene Spieler auf dem Platz. Da ist der Einfluss des Trainers sowieso nicht ganz so groß." Eine ähnliche Erkenntnis zieht Sprenger: Am Spielfeldrand kann der Trainer nur begrenzt Einfluss nehmen. Er gibt im Vorhinein das Ziel, die Strategie oder die Taktik vor, doch das Spiel müssen die Spieler selbst bestreiten. Ob Fußballtrainer oder Manager: Sie definieren Ziele, geben Strategie vor, formulieren Vorgaben – und dann bleibt nichts anderes übrig, als der Mannschaft zu vertrauen, dass sie ihre Arbeit gut macht. Und wenn's doch mal schiefläuft? schaft zeichnen sich durch ein immer höheres Tempo aus. Wer international mithalten will, muss Schritt halten. Vergleichen Sie einmal die Spielgeschwindigkeit in der Bundesliga mit dem Tempo in der Champions-League! Vertrauen beschleunigt Sprenger identifiziert die erhöhte Geschwindigkeit als größte Management-Herausforderung der voraussehbaren Zukunft und erkennt: „Eine wichtige Lektion des Fußballs für die Wirtschaft ist: Wir bekommen die Dinge nicht schneller bewegt, indem wir uns schneller bewegen.“ Stattdessen werde eine Mannschaft schneller durch Vertrauen. Wenn der Mittelfeldspieler erst abspielt, wenn der Stürmer auf Position ist, ist längst auch der Gegner am Ball. Jeder Pass in den freien Raum ist so gesehen ein Vertrauensbeweis – und ein Beschleuniger. Unternehmen können laut Sprenger schneller werden, wenn sie das Kontrollsystem auf das Nötigste zurückfahren, nicht jeden Schritt im Vorhinein überprüfen, sondern ihren Mitarbeitern auch mal freien Lauf lassen. Keine Angst vor Fehlern Stellen Sie sich vor, jeder Angriff eines Stürmers würde gelingen. Würde Fußball Sie als Zuschauer immer noch reizen? Nach Ansicht von Sprenger nicht. Er identifiziert Fußball als Fehlerspiel, das gerade durch die Fehlerhaftigkeit der Versuche charakterisiert ist – anders als Basket- oder Handball, wo hohe Ergebnisse zu Stande kommen. Wenn Fehler die Regel sind, was können wir dann daraus lernen? Den Umgang mit ihnen! Gutes Fehlermanagement besteht für Niederrhein Manager 06/12 77 Management Fußball und Management vor Sanktion Leistung erzeugt. Wer nicht spurt, kriegt dies - wie Huub Stevens selbst sagt - dann auch zu spüren. Können Sie sich vorstellen, dass Jürgen Klinsmann tagelang nicht mit Mitgliedern seines Teams spricht? Wohl kaum. Für Voelpel und Lanwehr ist er ein Vorzeigebeispiel für den transformationalen Führungsstil. Mal tritt er auf als strenger Lehrer, mal als guter Zuhörer: BVB-Trainer Jürgen Klopp hat mit seinem „transformationalen Führungsstil“ großen Erfolg. Mehr als ein Sommermärchen: Transformationale Führung Sprenger aus drei Schritten: Erstens Fehler natürlich vermeiden. Zweitens keine Schuldigen suchen, sondern die Ursache von Fehlern beheben. Drittens Fehler als Lernchance nutzen. Wenn Sie auf diese Weise als Manager mit Fehlern von Mitarbeitern umgehen, schaffen Sie ein fehlerfreundliches Umfeld und damit Raum für Kreativität, Mut und Selbstverantwortung. Die Balance finden Auch Sven Voelpel und Ralf Lanwehr analysieren in ihrem Buch, was Manager vom Profifußball lernen können. Die Business-Professoren kommen zu dem Ergebnis, dass es sowohl im Fußball als auch in der Wirtschaft vor allem darum geht, zwischen Gegensätzen zu balancieren, zum Beispiel zwischen Sicherheit und Risiko, Fordern und Fördern, Flexibilität und Stabilität oder Tradition und Moderne. Wie sieht erfolgreiches „Balancemanagement" aus? Die Autoren stützen sich auf das populäre Modell der transaktionalen und der transformationalen Führung. Die transaktionale Führung funktioniert mit klaren Zielvorgaben und nach dem Prinzip „Belohnung für Leistung“. Dagegen legt die transformationale Führung Wert auf eine ganzheitliche Betrachtung der Spieler bzw. Mitarbeiter: Auch Bedürfnisse wie Vertrauen, Selbstwert und Selbstverwirklichung finden Berücksichtigung. Zentral sind dabei die emotionale Ansprache und die Beziehung zwischen Führendem und Geführtem. Für ein op- 78 Niederrhein Manager 06/12 timales Ergebnis empfehlen die Autoren, beide Strategien zu kombinieren. Oft knallhart: Transaktionale Führung Vielleicht ist es kein Zufall, dass das englische Wort „goal“ sowohl mit „Tor“ als auch mit „Ziel“ übersetzt werden kann. Ein transaktional Führender arbeitet mit klaren Ansagen, Zielvorgaben und leistungsabhängiger Belohnung. Für ein geschicktes „Goal-Setting“ ist zum Beispiel wichtig, dass ein Ziel klar formuliert ist und im richtigen Maße herausfordert. Außerdem sollten Trainer und Trainierte bzw. Manager und Mitarbeiter regelmäßig über die Erwartungen, Schwierigkeiten oder Fortschritte auf dem Weg zur Zielerreichung sprechen. Diese Zielanalyse und das beständige Feedback sind im Fußball die Regel - in Wirtschaftsunternehmen häufig noch die Ausnahme. „Wenn ein Spieler sein Potenzial nicht abruft, kann es laut werden. Oder ich rede mal ein paar Tage nicht mit einem Spieler. Das wirkt“, dieses Zitat aus einem „Bild“-Interview stammt von dem niederländischen Fußballtrainer Huub Stevens, dem Cheftrainer vom SC Schalke – und für Voelpel und Lanwehr ein klassisches Beispiel für den transaktionalen Führungsstil. Stevens sei bekannt für seine Disziplin, seine Strafen und seine NullToleranz-Politik. Er geht davon aus, dass die Aussicht auf Belohnung oder auch die Angst Inspirierende Motivation, idealisierter Einfluss, intellektuelle Stimulierung und individuelle Unterstützung – das sind die vier Mechanismen, die laut Voelpel und Lanwehr ein transformational Führender verwendet, um eine emotionale Bindung zu den Geführten herzustellen. In der Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hat Klinsmann ihrer Meinung nach diese Mechanismen fast lehrbuchmäßig vorgeführt. Er begann seine Arbeit als Nationaltrainer mit der Verkündung seiner Vision, den Weltmeistertitel im eigenen Land zu gewinnen, und weckte nicht nur beim Team, sondern nach und nach im ganzen Land den Glauben an die Verwirklichung dieser Vision. Einige Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft sagte Klinsmann in einer Ansprache an die Mannschaft, die wir später in Sönke Wortmanns „Deutschland. Ein Sommermärchen“ miterleben dürfen: „Über Management-Berater Dr. Reinhard K. Sprenger vertritt in seinem Buch „Gut aufgestellt“ die These, dass Fußball ein Modell für modernes Management ist. Fußball und Management Management Der Weg von Klinsmann Mit der Begeisterung und Entschlossenheit, mit der Klinsmann konsequent und auch gegen kritische Stimmen seine Vision anging und in Konzepte herunterbrach, erzeugte er ein Gemeinschaftsgefühl, das jeden Einzelnen zu Höchstleistungen anspornte. Intellektuell stimulierte Klinsmann die Mannschaft, indem er das Führungsteam um Co-Trainer Jogi Löw und Manager Oliver Bierhoff und somit die Meinungsvielfalt erweiterte sowie eine Vielzahl von Experten wie den Sportpsychologen Hans-Dieter Hermann mit ins Boot holte. Letzterer unterstützte die Spieler im Mentaltraining, das Klinsmann genauso einführte wie individuelle Trainingspläne. Voelpel und Lanwehr regen dazu an, auch im Unternehmen mit der transformationalen Strategie den Blick auf die Individualität der Mitarbeiter zu lenken. Was sind die Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten? Wenn sich ein Mitarbeiter auf diese Weise angenommen fühlt, identifiziert er sich eher mit Team- oder Unternehmenszielen und ist angespornt, sein Bestes dafür zu geben. Die Kunst von Jürgen Klopp „Knallharter Kumpel“ titelte „der Kicker“ im Jahr 2008 und bringt damit auf den Punkt, was „der Stern“ Ende April 2012 in seiner Titelgeschichte analysiert: den Führungsstil von Fußballtrainer Jürgen Klopp, der auch dem transformationalen Lager zugeschrieben wird. Klopp führte Dortmund 2011 erfolgreich zur Meisterschaft, in der Saison 2011/2012 folgte nach einer Rekordserie mit 26 Siegen die nächste Meisterschaft sowie der Pokalsieg. Wie schafft Klopp es, die Motivation der Mannschaft auf Dauer so hoch zu halten? Mal tritt er auf als strenger Lehrer, mal als guter Zuhörer. Und genau das ist es, was Voelpel und Lanwehr als erfolgreiche Managerfähigkeit charakterisieren: „Manchmal muss ein Trainer ein 'Dreckschwein' sein und die Spieler im Training bis zur Erschöpfung knallhart knechten. Dafür ist Klopp ebenso bekannt wie gefürchtet. Aber manchmal muss ein Trainer auch sehen, wenn eine ruhige und sensiblere Hand gefragt ist.“ Es geht um die Kunst, verschiedene, auch gegensätzliche Rollen auszufüllen. Acht Rollen eines erfolgreichen Managers Voelpel und Lanwehr identifizieren acht verschiedene Rollen, die ein erfolgreicher Manager parallel übernehmen muss. In der Rolle des „Mentors“ fördert und unterstützt er die Bedürfnisse, Wünsche und Entwicklung jedes Einzelnen. Als „Facilitator“ kümmert er sich um das Klima im Team und moderiert Konflikte in der Gruppe. Als ergebnisorientierter „Producer“ treibt er Arbeitsleistungen an, indem er Mitarbeiter motiviert und die Arbeitszufriedenheit hochhält. Als „Director“ muss ein Manager Ziele setzen, Rollen, Aufgaben und Aufträge delegieren sowie Anweisungen geben. Aufgaben der Kontrolle werden in den Rolles des „Monitors“ und „Coordinators“ ausgeführt: Dazu gehört, Prozesse zu analy- Die Business-Professoren Sven Voelpel und Ralf Lanwehr sind der Meinung, dass es sowohl im Fußball als auch in der Wirtschaft vor allem darum geht, zwischen Gegensätzen zu balancieren. sieren, strukturieren, üb er w achen sowie zu koordinieren. Die Rolle des „Innovators“ erfüllt, wer neue Ideen einbringt und Veränderungen einleitet. Als „Broker“ vertritt ein Manager sein Unternehmen nach außen. Idealer Weise sollte ein Manager alle Rollen beherrschen oder kurz gesagt ein bisschen „beKloppt“ sein. Kirsten Menzel Fünf Fragen an Max Eberl Max Eberl kam 1999 als Fußballprofi zum VfL Borussia MönINFO chengladbach. Nach der aktiven Fußballerkarriere wechselte der studierte Sportmanager 2005 ins Vereinsmanagement. Zunächst leitete er die INTERVIEW Nachwuchsabteilung, seit 2008 ist Eberl Sportdirektor des VfL. 2010 wurde er zudem Geschäftsführer der Borussia Mönchengladbach GmbH. NRM: Betrachten Sie Borussia Mönchengladbach mehr als sportlichen Verein oder mehr als wirtschaftliches Unternehmen? Max Eberl: Borussia ist für mich, und ich denke, dass das auch die öffentliche Wahrnehmung ist, in erster Linie ein Sportverein. In zweiter Linie wäre sportlicher Erfolg auf diesem Niveau ohne die passenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht möglich. NRM: Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben als Sportdirektor und als Geschäftsführer? Foto: Borussia Mönchengladbach GmbH die nächsten Wochen hinweg haben wir eine ganz einmalige Chance, die nie wieder kommt, für keinen von uns. Das lassen wir uns nicht entgehen. Das packen wir. Da machen wir was ganz Besonderes draus.“ Max Eberl: Diese Zeit muss man sich nehmen. Im modernen Fußball, das jedenfalls ist meine Überzeugung, hat man ohne eine langfristige Strategie, ohne ein Leitbild oder eine Philosophie keine Chance. NRM: Als Leitmotiv von Ihnen gilt, auf Nachhaltigkeit und Nachwuchs zu setzen. Würden Sie das auch Managern von Unternehmen empfehlen und wenn ja, warum? Max Eberl: Auf den Nachwuchs zu setzen, entspricht unserer Vereinsphilosophie. Natürlich ist es auch wünschenswert, wenn auch Unternehmen jungen Arbeitskräften die Chance auf Ausbildung und Beruf geben. Ob sich eine solche Erfolgsformel generell vom Sport auf die Wirtschaft übertragen lässt, ist schwierig zu beurteilen. NRM: Sie haben viele Jahre als Fußballprofi gespielt und verschiedene Trainer erlebt – was zeichnet Ihrer Erfahrung nach einen guten Trainer aus? Lässt sich das auf gute Mitarbeiterführung übertragen? Max Eberl: In erster Linie bin ich für den Lizenzkader verantwortlich. Neben der Zusammenstellung und Verwaltung des Kaders – das heißt Scouting, Transfers und Vertragsgespräche - und der engen Zusammenarbeit mit dem Cheftrainer gehört die Entwicklung und Gestaltung der sportlichen Vereinsphilosophie sicherlich zu meinen Kernthemen. Max Eberl: Ein guter Trainer erkennt in jedem einzelnen Spieler sein Potenzial und ist in der Lage, dessen Fähigkeiten optimal im Sinne des mannschaftlichen Erfolgs einzusetzen. Er weiß eine Mannschaft perfekt auf die kommenden Aufgaben einzustellen, sieht, an welcher Stelle sein Team weiterentwickelt oder verstärkt werden muss und kann motivieren. Alle diese Eigenschaften sind sicherlich auch in der Mitarbeiterführung in Unternehmen hilfreich. NRM: Bleibt Zeit für langfristige Strategien? NRM: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Eberl! Niederrhein Manager 06/12 79
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