Was Manager vom Fußball lernen können - Niederrhein Manager

Management Fußball und Management
Sportlicher Vergleich
Was Manager vom Fußball lernen können
I
st Ihr Team gut aufgestellt? Oder spielen
Sie in einer anderen Liga? Fußballausdrücke haben es längst in die Wirtschaft
geschafft. Einige Experten gehen weiter.
NIEDERRHEIN MANAGER stellt zwei
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lesenswerte Bücher zum Thema „Fußball
und Management“ vor und verrät Ihnen,
was Sie sich als Manager von Fußballtrainern wie Klinsmann oder Klopp abschauen können.
Der Management-Berater Dr. Reinhard
K. Sprenger vertritt in seinem Buch „Gut aufgestellt“ die These, dass Fußball nicht nur eine
Metapher, sondern ein Modell für modernes
Management ist. Sowohl Fußball als auch Wirt-
Fußball und Management Management
Fünf Faktoren für
ein richtiges Goal-Setting
Fassbarkeit: Ziele klar und spezifisch
INFO
definieren
Herausforderung: Ziele auf einem angemessenen
Niveau ansetzen
Komplexität: Zielerreichung in sinnvolle Meilensteine gliedern
Engagement: Mitarbeiter an Zielentwicklung beteiligen
Feedback: Regelmäßig über Erwartungen, Schwierigkeiten und Fortschritte sprechen
(Quelle: Voelpel/Lanwehr)
Begrenzter Spielraum
Erinnern Sie sich an die Europameisterschaft 2008? Im Spiel gegen Österreich verbannte der Schiedsrichter den deutschen Nationaltrainer Jogi Löw auf die Tribüne. Auch das
Viertelfinale gegen Portugal musste der Chef
aus der Ferne miterleben. Als Deutschland im
Vorfeld diskutierte welche Auswirkungen dies
haben könnte, gab Team-Manager Oliver Bierhoff bekannt: „Am wichtigsten ist ohnehin die
Vorbereitung auf das Spiel und die wird mit
Joachim Löw wie immer ablaufen. Außerdem
haben wir genug erfahrene Spieler auf dem
Platz. Da ist der Einfluss des Trainers sowieso
nicht ganz so groß." Eine ähnliche Erkenntnis
zieht Sprenger: Am Spielfeldrand kann der
Trainer nur begrenzt Einfluss nehmen. Er gibt
im Vorhinein das Ziel, die Strategie oder die
Taktik vor, doch das Spiel müssen die Spieler
selbst bestreiten. Ob Fußballtrainer oder Manager: Sie definieren Ziele, geben Strategie
vor, formulieren Vorgaben – und dann bleibt
nichts anderes übrig, als der Mannschaft zu
vertrauen, dass sie ihre Arbeit gut macht. Und
wenn's doch mal schiefläuft?
schaft zeichnen sich durch ein immer höheres
Tempo aus. Wer international mithalten will,
muss Schritt halten. Vergleichen Sie einmal die
Spielgeschwindigkeit in der Bundesliga mit dem
Tempo in der Champions-League!
Vertrauen beschleunigt
Sprenger identifiziert die erhöhte Geschwindigkeit als größte Management-Herausforderung der voraussehbaren Zukunft
und erkennt: „Eine wichtige Lektion des Fußballs für die Wirtschaft ist: Wir bekommen
die Dinge nicht schneller bewegt, indem wir
uns schneller bewegen.“ Stattdessen werde
eine Mannschaft schneller durch Vertrauen. Wenn der Mittelfeldspieler erst abspielt,
wenn der Stürmer auf Position ist, ist längst
auch der Gegner am Ball. Jeder Pass in den
freien Raum ist so gesehen ein Vertrauensbeweis – und ein Beschleuniger. Unternehmen
können laut Sprenger schneller werden, wenn
sie das Kontrollsystem auf das Nötigste zurückfahren, nicht jeden Schritt im Vorhinein
überprüfen, sondern ihren Mitarbeitern auch
mal freien Lauf lassen.
Keine Angst vor Fehlern
Stellen Sie sich vor, jeder Angriff eines
Stürmers würde gelingen. Würde Fußball
Sie als Zuschauer immer noch reizen? Nach
Ansicht von Sprenger nicht. Er identifiziert
Fußball als Fehlerspiel, das gerade durch die
Fehlerhaftigkeit der Versuche charakterisiert ist – anders als Basket- oder Handball,
wo hohe Ergebnisse zu Stande kommen.
Wenn Fehler die Regel sind, was können wir
dann daraus lernen? Den Umgang mit ihnen!
Gutes Fehlermanagement besteht für
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vor Sanktion Leistung erzeugt. Wer nicht
spurt, kriegt dies - wie Huub Stevens selbst
sagt - dann auch zu spüren. Können Sie sich
vorstellen, dass Jürgen Klinsmann tagelang
nicht mit Mitgliedern seines Teams spricht?
Wohl kaum. Für Voelpel und Lanwehr ist er
ein Vorzeigebeispiel für den transformationalen Führungsstil.
Mal tritt er auf als strenger Lehrer, mal als guter Zuhörer: BVB-Trainer Jürgen
Klopp hat mit seinem „transformationalen Führungsstil“ großen Erfolg.
Mehr als ein Sommermärchen:
Transformationale Führung
Sprenger aus drei Schritten: Erstens Fehler
natürlich vermeiden. Zweitens keine Schuldigen suchen, sondern die Ursache von Fehlern beheben. Drittens Fehler als Lernchance
nutzen. Wenn Sie auf diese Weise als Manager mit Fehlern von Mitarbeitern umgehen,
schaffen Sie ein fehlerfreundliches Umfeld
und damit Raum für Kreativität, Mut und
Selbstverantwortung.
Die Balance finden
Auch Sven Voelpel und Ralf Lanwehr analysieren in ihrem Buch, was Manager vom Profifußball lernen können. Die Business-Professoren kommen zu dem Ergebnis, dass es sowohl
im Fußball als auch in der Wirtschaft vor allem
darum geht, zwischen Gegensätzen zu balancieren, zum Beispiel zwischen Sicherheit und
Risiko, Fordern und Fördern, Flexibilität und
Stabilität oder Tradition und Moderne. Wie
sieht erfolgreiches „Balancemanagement" aus?
Die Autoren stützen sich auf das populäre Modell der transaktionalen und der transformationalen Führung. Die transaktionale Führung
funktioniert mit klaren Zielvorgaben und nach
dem Prinzip „Belohnung für Leistung“. Dagegen legt die transformationale Führung Wert
auf eine ganzheitliche Betrachtung der Spieler
bzw. Mitarbeiter: Auch Bedürfnisse wie Vertrauen, Selbstwert und Selbstverwirklichung
finden Berücksichtigung. Zentral sind dabei die
emotionale Ansprache und die Beziehung zwischen Führendem und Geführtem. Für ein op-
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timales Ergebnis empfehlen die Autoren, beide
Strategien zu kombinieren.
Oft knallhart:
Transaktionale Führung
Vielleicht ist es kein Zufall, dass das englische Wort „goal“ sowohl mit „Tor“ als auch
mit „Ziel“ übersetzt werden kann. Ein transaktional Führender arbeitet mit klaren Ansagen,
Zielvorgaben und leistungsabhängiger Belohnung. Für ein geschicktes „Goal-Setting“ ist
zum Beispiel wichtig, dass ein Ziel klar formuliert ist und im richtigen Maße herausfordert.
Außerdem sollten Trainer und Trainierte bzw.
Manager und Mitarbeiter regelmäßig über die
Erwartungen, Schwierigkeiten oder Fortschritte auf dem Weg zur Zielerreichung sprechen.
Diese Zielanalyse und das beständige Feedback
sind im Fußball die Regel - in Wirtschaftsunternehmen häufig noch die Ausnahme.
„Wenn ein Spieler sein Potenzial nicht abruft, kann es laut werden. Oder ich rede mal
ein paar Tage nicht mit einem Spieler. Das
wirkt“, dieses Zitat aus einem „Bild“-Interview
stammt von dem niederländischen Fußballtrainer Huub Stevens, dem Cheftrainer vom
SC Schalke – und für Voelpel und Lanwehr
ein klassisches Beispiel für den transaktionalen Führungsstil. Stevens sei bekannt für
seine Disziplin, seine Strafen und seine NullToleranz-Politik. Er geht davon aus, dass die
Aussicht auf Belohnung oder auch die Angst
Inspirierende Motivation, idealisierter
Einfluss, intellektuelle Stimulierung und individuelle Unterstützung – das sind die vier
Mechanismen, die laut Voelpel und Lanwehr
ein transformational Führender verwendet,
um eine emotionale Bindung zu den Geführten herzustellen. In der Vorbereitung auf die
Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland hat
Klinsmann ihrer Meinung nach diese Mechanismen fast lehrbuchmäßig vorgeführt. Er begann seine Arbeit als Nationaltrainer mit der
Verkündung seiner Vision, den Weltmeistertitel im eigenen Land zu gewinnen, und weckte
nicht nur beim Team, sondern nach und nach
im ganzen Land den Glauben an die Verwirklichung dieser Vision. Einige Wochen vor Beginn der Weltmeisterschaft sagte Klinsmann
in einer Ansprache an die Mannschaft, die wir
später in Sönke Wortmanns „Deutschland. Ein
Sommermärchen“ miterleben dürfen: „Über
Management-Berater Dr. Reinhard K. Sprenger vertritt in seinem Buch
„Gut aufgestellt“ die These, dass Fußball ein Modell für modernes
Management ist.
Fußball und Management Management
Der Weg von Klinsmann
Mit der Begeisterung und Entschlossenheit, mit der Klinsmann konsequent und auch
gegen kritische Stimmen seine Vision anging
und in Konzepte herunterbrach, erzeugte er
ein Gemeinschaftsgefühl, das jeden Einzelnen
zu Höchstleistungen anspornte. Intellektuell
stimulierte Klinsmann die Mannschaft, indem
er das Führungsteam um Co-Trainer Jogi Löw
und Manager Oliver Bierhoff und somit die
Meinungsvielfalt erweiterte sowie eine Vielzahl von Experten wie den Sportpsychologen
Hans-Dieter Hermann mit ins Boot holte.
Letzterer unterstützte die Spieler im Mentaltraining, das Klinsmann genauso einführte wie
individuelle Trainingspläne. Voelpel und Lanwehr regen dazu an, auch im Unternehmen mit
der transformationalen Strategie den Blick auf
die Individualität der Mitarbeiter zu lenken.
Was sind die Stärken und Entwicklungsmöglichkeiten? Wenn sich ein Mitarbeiter auf diese
Weise angenommen fühlt, identifiziert er sich
eher mit Team- oder Unternehmenszielen und
ist angespornt, sein Bestes dafür zu geben.
Die Kunst von Jürgen Klopp
„Knallharter Kumpel“ titelte „der Kicker“
im Jahr 2008 und bringt damit auf den Punkt,
was „der Stern“ Ende April 2012 in seiner
Titelgeschichte analysiert: den Führungsstil
von Fußballtrainer Jürgen Klopp, der auch
dem transformationalen Lager zugeschrieben wird. Klopp führte Dortmund 2011 erfolgreich zur Meisterschaft, in der Saison
2011/2012 folgte nach einer Rekordserie mit
26 Siegen die nächste Meisterschaft sowie der
Pokalsieg. Wie schafft Klopp es, die Motivation der Mannschaft auf Dauer so hoch zu halten? Mal tritt er auf als strenger Lehrer, mal
als guter Zuhörer. Und genau das ist es, was
Voelpel und Lanwehr als erfolgreiche Managerfähigkeit charakterisieren: „Manchmal
muss ein Trainer ein 'Dreckschwein' sein und
die Spieler im Training bis zur Erschöpfung
knallhart knechten. Dafür ist Klopp ebenso bekannt wie gefürchtet. Aber manchmal
muss ein Trainer auch sehen, wenn eine ruhige und sensiblere Hand gefragt ist.“ Es geht
um die Kunst, verschiedene, auch gegensätzliche Rollen auszufüllen.
Acht Rollen eines
erfolgreichen Managers
Voelpel und Lanwehr identifizieren
acht verschiedene Rollen, die ein erfolgreicher Manager parallel übernehmen muss.
In der Rolle des „Mentors“ fördert und unterstützt er die Bedürfnisse, Wünsche und
Entwicklung jedes Einzelnen. Als „Facilitator“ kümmert er sich um das Klima im Team
und moderiert Konflikte in der Gruppe. Als
ergebnisorientierter „Producer“ treibt er
Arbeitsleistungen an, indem er Mitarbeiter motiviert und die Arbeitszufriedenheit
hochhält. Als „Director“ muss ein Manager
Ziele setzen, Rollen, Aufgaben und Aufträge delegieren sowie Anweisungen geben.
Aufgaben der Kontrolle werden in den
Rolles des „Monitors“ und „Coordinators“
ausgeführt: Dazu gehört, Prozesse zu analy-
Die Business-Professoren Sven Voelpel
und Ralf Lanwehr sind
der Meinung, dass es
sowohl im Fußball als
auch in der Wirtschaft
vor allem darum geht,
zwischen Gegensätzen
zu balancieren.
sieren, strukturieren,
üb er w achen
sowie zu koordinieren.
Die Rolle des „Innovators“ erfüllt, wer neue
Ideen einbringt und Veränderungen einleitet. Als „Broker“ vertritt ein Manager sein
Unternehmen nach außen. Idealer Weise
sollte ein Manager alle Rollen beherrschen
oder kurz gesagt ein bisschen „beKloppt“
sein. Kirsten Menzel
Fünf Fragen an Max Eberl
Max Eberl kam 1999 als Fußballprofi zum VfL Borussia MönINFO
chengladbach. Nach der aktiven
Fußballerkarriere wechselte der
studierte Sportmanager 2005
ins Vereinsmanagement. Zunächst leitete er die
INTERVIEW
Nachwuchsabteilung,
seit 2008 ist Eberl Sportdirektor
des VfL. 2010 wurde er zudem Geschäftsführer der
Borussia Mönchengladbach GmbH.
NRM: Betrachten Sie Borussia Mönchengladbach
mehr als sportlichen Verein oder mehr als wirtschaftliches Unternehmen?
Max Eberl: Borussia ist für mich, und ich denke,
dass das auch die öffentliche Wahrnehmung ist, in
erster Linie ein Sportverein. In zweiter Linie wäre
sportlicher Erfolg auf diesem Niveau ohne die passenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht
möglich.
NRM: Was sind Ihre wichtigsten Aufgaben als
Sportdirektor und als Geschäftsführer?
Foto: Borussia Mönchengladbach GmbH
die nächsten Wochen hinweg haben wir eine
ganz einmalige Chance, die nie wieder kommt,
für keinen von uns. Das lassen wir uns nicht
entgehen. Das packen wir. Da machen wir was
ganz Besonderes draus.“
Max Eberl: Diese Zeit muss
man sich nehmen. Im modernen
Fußball, das jedenfalls ist meine
Überzeugung, hat man ohne
eine langfristige Strategie, ohne
ein Leitbild oder eine Philosophie keine Chance.
NRM: Als Leitmotiv von Ihnen
gilt, auf Nachhaltigkeit und Nachwuchs zu setzen.
Würden Sie das auch Managern von Unternehmen
empfehlen und wenn ja, warum?
Max Eberl: Auf den Nachwuchs zu setzen, entspricht
unserer Vereinsphilosophie. Natürlich ist es auch wünschenswert, wenn auch Unternehmen jungen Arbeitskräften die Chance auf Ausbildung und Beruf geben. Ob
sich eine solche Erfolgsformel generell vom Sport auf die
Wirtschaft übertragen lässt, ist schwierig zu beurteilen.
NRM: Sie haben viele Jahre als Fußballprofi gespielt
und verschiedene Trainer erlebt – was zeichnet Ihrer
Erfahrung nach einen guten Trainer aus? Lässt sich
das auf gute Mitarbeiterführung übertragen?
Max Eberl: In erster Linie bin ich für den Lizenzkader
verantwortlich. Neben der Zusammenstellung und
Verwaltung des Kaders – das heißt Scouting, Transfers
und Vertragsgespräche - und der engen Zusammenarbeit mit dem Cheftrainer gehört die Entwicklung und
Gestaltung der sportlichen Vereinsphilosophie sicherlich zu meinen Kernthemen.
Max Eberl: Ein guter Trainer erkennt in jedem einzelnen
Spieler sein Potenzial und ist in der Lage, dessen Fähigkeiten optimal im Sinne des mannschaftlichen Erfolgs einzusetzen. Er weiß eine Mannschaft perfekt auf die kommenden Aufgaben einzustellen, sieht, an welcher Stelle sein
Team weiterentwickelt oder verstärkt werden muss und
kann motivieren. Alle diese Eigenschaften sind sicherlich
auch in der Mitarbeiterführung in Unternehmen hilfreich.
NRM: Bleibt Zeit für langfristige Strategien?
NRM: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Eberl!
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