Was hinter dem FD-Protokoll steckt - CAN in Automation

elektroniknet: Fachwissen
http://www.computer-automation.de/feldebene/vernetzung/fa...
URL: http://www.computer-automation.de/feldebene/vernetzung/fachwissen/article/86410/0/
05. März 2012
Drucken |
CLEAR
Flexible Datenrate in CAN-Systemen
Was hinter dem FD-Protokoll steckt
Wie jedes Kommunikationssystem hat auch das „klassische“ CAN-Protokoll seine
Grenzen: Die Geschwindigkeit ist auf 1 Mbit/s limitiert und die maximale
Nutzdatenlänge beträgt 8 Byte. Mit dem kommenden FD-Protokoll fallen diese
Schranken.
Holger Zeltwanger
Anzeige
Die Idee ist nicht neu: Schon Anfang des Jahrtausends wurde in wissenschaftlichen Kreisen
diskutiert, nach der Phase der Bus-Arbitrierung bis zum Acknowledgement-Feld einer CAN-Botschaft die Bits mit einer höheren Taktrate übertragen zu können. Da dabei nur ein Teilnehmer
senden darf, ist die maximale Übertragungsgeschwindigkeit theoretisch nur durch die interne
Verzögerungszeit im CAN-Transceiver sowie durch die Verzögerung auf der Datenleitung
(typisch sind 5 ns/m) begrenzt.
In dieser Phase – vom Steuerfeld mit seinem Datenlängen-Code, dem Datenfeld bis zum
CRC-Feld (Cyclic Redundancy Check) – ist es nicht erforderlich, dass alle Teilnehmer im Netz
innerhalb einer Bit-Zeit das gleiche Bit abtasten müssen. Erste Laborversuche mit
handelsüblichen Transceiver-Chips haben ergeben, dass mit diesen Bausteinen Datenraten bis
zu 15 Mbit/s erreichbar sind – und dies bei Netzwerk-Längen von rund 40 m.
Selbstverständlich gelten für die Arbitrierungs- und Acknowledgement-Phase die gleichen
Beschränkungen wie für das bisherige CAN-Protokoll: maximal 1 Mbit/s bei einer
Netzwerklänge von ungefähr 25 m bis 30 m (je nach Einstellung des Abtast-Zeitpunktes).
Vor diesem Hintergrund hat Bosch im vergangenen Jahr auf Initiative der Automobilindustrie
und in Diskussion mit anderen CAN-Experten das Protokoll CAN-FD – FD steht für „Flexible
Datenrate“ – entwickelt und in FPGAs prototypenhaft implementiert. Eine wesentliche
Forderung der PKW-Hersteller war die Verwendung der bisherigen handelsüblichen
Transceiver-Chips nach ISO 11898-2 und ISO11898-5 (High-speed-Transceiver ohne und mit
Low-Power-Mode).
1 von 3
18.02.13 11:00
elektroniknet: Fachwissen
http://www.computer-automation.de/feldebene/vernetzung/fa...
Die Erhöhung der Datenrate ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Die andere – und die ist
vor allem in industriellen Anwendungen viel gravierender – ist die Begrenzung der Nutzdaten
auf 8 Bit. Auch in diesem Punkt bringt das neue FD-Protokoll einen enormen PerformanceGewinn, denn es erlaubt künftig Nutzdaten bis zu 64 Byte. Angenommen die
Arbitrierungsgeschwindigkeit ist auf 500 kbit/s festgelegt und die „beschleunigte“ Datenrate
beträgt „nur“ 4 Mbit/s, so lassen sich dann in der gleichen Zeit achtmal soviel Nutzdaten wie
bisher übertragen. Noch viel wichtiger ist, dass längere Botschaften gesendet werden können,
ohne diese segmentieren und wieder zusammenfügen zu müssen.
CAN in Automation
Aufbau einer CAN-FD-Nachricht im Base-Frame-Format mit 11-Bit-Identifier.
Um eine Rückwärtskompatibilität zu garantieren, wurde das Format der CAN-Nachricht nur
geringfügig verändert und erweitert. Nach dem Start-of-Frame-Bit (immer dominant) folgen
der 11-Bit-Identifier (optional wird auch der 29-Bit-Identifier unterstützt) sowie das RTR-Bit.
Im anschließenden Steuerfeld wird nach dem IDE-Bit (Identifier-Extention) das bisher
reservierte Bit als Erkennung für längere Datenfelder genutzt. Das zweite reservierte Bit ist
erhalten geblieben. Ihm folgen nun zwei zusätzliche Bits:
■ BRS (bit-rate switch): Wenn dieses Bit rezessiv ist, wird auf die höhere Datenrate ab dem
nächsten Bit bis zum CRC-Delimiter-Bit umgeschaltet.
■ ESI (error state indicator): Ist dieses Bit rezessiv, befindet sich der Teilnehmer im ErrorPassive-Mode (er kann eventuell nicht mehr mit einem Error-Flag signalisieren, dass er eine
Nachricht nicht korrekt empfangen hat).
Der sich an diese beiden Bits an-schließende 4-Bit-Datenlängen-Code zeigt die Anzahl der
folgenden Nutzdaten-Bytes an. An das Datenfeld (0 bis 64 Byte) schließt sich das CRC-Feld an,
dass je nach Länge der Nutzdaten ein unterschiedliches CRC-Polynom und eine
Ende-Erkennung (ein rezessives Bit) enthält. Entsprechend der Forderung der bisherigen
CAN-Anwender ist auch bei den längeren Datenfeldern eine Hamming-Distanz von 6
gewährleistet. Das heißt, es werden fünf beliebig in die Nachricht eingestreute Bitfehler
erkannt. Damit ist das CAN-FD-Protokoll genauso zuverlässig wie das „klassische“
CAN-Protokoll.
Remote-Frames – also Sendenachfragen – sind im CAN-FD-Protokoll nicht vorgesehen. Die
Automobil-Anwender haben bisher auf Remote-Frames verzichtet und auch CiA empfiehlt, in
CANopen und anderen „offenen“ CAN-Netzwerke keine Remote-Frames zu verwenden.
Da heutzutage die meisten industriellen CAN-Anwender standardisierte höhere Protokolle wie
CANopen verwenden, stellt sich die Frage, welche Auswirkungen CAN-FD auf die in CANopen
zur Verfügung gestellten Kommunikationsdienste – insbesondere auf die Servicedatenobjekte
(SDO) und die Prozessdatenobjekte (PDO) – hat. Bezüglich der bestätigten SDO-Dienste lassen
sich mit CAN-FD längere Parameter mit einer Nachricht übertragen. Bei einem SDO-Overhead
von 4 Byte sind mit einer Nachricht 60-Byte-Parameter lesbar und schreibbar. Auch beim
segmentierten SDO-Transfer ist eine beschleunigte Übertragung möglich, da der Overhead
relativ sinkt.
2 von 3
18.02.13 11:00
elektroniknet: Fachwissen
http://www.computer-automation.de/feldebene/vernetzung/fa...
Wichtiger ist der Vorteil bei der unbestätigten PDO-Übertragung. Mit CAN-FD kann
beispielsweise ein Hostcon-troller mit einem PDO mehrere Achsen mit einem Steuerwort (16
Bit) und mit unterschiedlichen Sollwerten versorgen. Da nur eine CAN-FD-Nachricht verwendet
wird (sie wird von allen Servocontrollern empfangen), ist eine Synchronisierung wie bisher
nicht notwendig. Die Statusmeldungen sind selbstverständlich immer noch zu synchronisieren,
damit alle Istwerte zum gleichen Zeitpunkt erfasst werden.
Allerdings sind die CANopen-Geräte- und -Anwendungsprofile entsprechend zu erweitern. Auch
für komplexe Sensoren ist eine Erweiterung der Nutzdaten auf bis 64 Byte sehr interessant: In
der Erdöl-Industrie werden CANopen-Netzwerke beispielsweise für die Überwachung der
Bohrungen verwendet, wobei auch mehrphasige Durchflussmessgeräte zum Einsatz kommen.
So wird das wohl am weitesten verbreitete Antriebsprofil CiA 402 mit CAN-FD eine deutliche
Performance-Steigerung erfahren. Denkbar sind mit CAN-FD darüber hinaus „höherwertige“
CANopen-Profile für Mehrachssysteme – zum Beispiel Kreuztische, Dispenser und Dilutoren für
die Labor-Automation sowie komplexe Greifer für Roboter.
Da die CAN-FD-Controller ebenfalls in sehr großen Stückzahlen in der Automobilindustrie zum
Einsatz kommen, werden sie nur unerheblich teurer sein als bisherige CAN-Chips. Noch in
diesem Jahr sollen die ersten Mikrocontroller mit CAN-FD-Schnittstellen auf den Markt
kommen. Das CAN-FD-Protokoll selbst wird voraussichtlich in der Normenreihe ISO11898
international standardisiert.
Autor: Holger Zeltwanger ist Geschäftsführer von CAN in Automation.
zum Special:
Fachwissen
Weiterführende Links:
CANopen: Neues Profil für Motorstarter
3 von 3
18.02.13 11:00